Ensemble Resonanz, Alexander Melnikov & Jeroen Berwaerts

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Ensemble Resonanz, Alexander Melnikov & Jeroen Berwaerts Einführungstext von Anne do Paço Program Note by Thomas May


ENSEMBLE RESONANZ, ALEXANDER MELNIKOV & JEROEN BERWAERTS Montag 27.

Januar 2020 19.30 Uhr

Alexander Melnikov Klavier Jeroen Berwaerts Trompete Ensemble Resonanz Barbara Bultmann**, Gregor Dierck*, Rebecca Beyer, ­ Skaiste Diksaityte, Tom Glöckner, Juditha Haeberlin, Christine Krapp, Ola Lindseth, Cornelia Lörcher, Benjamin Spillner Violine Justin Caulley*, Tim-Erik Winzer*, David Schlage, Maresi Stumpf Viola Saskia Ogilvie*, Saerom Park*, Jörn Kellermann Violoncello Anne Hofmann*, Benedict Ziervogel Kontrabass Johanna Stier, Mirjam Hüttner Oboe Jan Schlichte* Pauken

**Konzertmeisterin *Stimmführer


György Ligeti (1923–2006) Mysteries of the Macabre Drei Arien aus Le Grand Macabre für Trompete und Klavier eingerichtet von Elgar Howarth (1974–77/1991)

Galina Ustwolskaja (1919–2006) Konzert für Klavier, Streichorchester und Pauken (1946) Lento assai – Allegro moderato – Andante cantabile – Cadenza. Piano solo – Largo – Tempo di Allegro moderato – Grave (Tempo I)

Pause

Galina Ustwolskaja Oktett für zwei Oboen, vier Violinen, Pauke und Klavier (1950) I. = 66 – II. = 108 – III. = 69 – IV. = 132 – V. = 48

Dmitri Schostakowitsch (1906–1975) Konzert für Klavier, Trompete und Streichorchester c-moll op. 35 (1933) I. Allegretto – Allegro vivace – Moderato – II. Lento – Più mosso – Largo – III. Moderato – IV. Allegro con brio – Presto

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Mysterienspiele Musik von Galina Ustwolskaja, Dmitri Schostakowitsch und György Ligeti

Anne do Paço

Sie zählte zu den rätselhaftesten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts, in keine Schublade der zahlreichen Musikströmungen ­ihrer Zeit lässt sie sich stecken. Eine wortkarge, zurückgezogen ­lebende Eigenbrötlerin war sie, die weder auf die große Musikwelt schielte, noch sich den herrschenden Doktrinen beugte. Sie ignorierte die sowjetische Kulturpolitik weitgehend, weshalb ihre Werke bis heute in Russland kaum zur Aufführung kommen. Aber auch im Westen wurde sie seit den 1980er Jahren nur zaghaft entdeckt. In ihrer Musik reflektierte sie das Eingesperrtsein in einem System, das keine Freiheit erlaubt. Sie war eine scharfe, kühle Denkerin und zugleich eine Gottesfürchtige, die dem Moment der Inspiration ­vertraute und sich ihm immer wieder auslieferte – doch ohne den Weihrauch der Kirche, ohne den Glauben an eine konkrete Religion. Vor allem ihre späteren Werke verweisen auf christliche Texte und sind doch keine religiösen oder liturgischen Kompositionen, sondern Ausdruck des Ringens um eine kom­promisslose Wahrhaftigkeit, die die Konfrontation mit den letzten Dingen und den Grundfragen des Seins sucht: „Ich schreibe dann, wenn ich in einen Gnaden­ zustand gerate. Danach ruht das Werk eine Zeitlang, und wenn seine Zeit gekommen ist, gebe ich es frei. Wenn seine Zeit nicht kommt, vernichte ich es […]. Nur ich selbst bestimme den Weg meiner Werke.“ Galina Ustwolskaja, deren 100. Geburtstag für den Pierre Boulez Saal Anlass ist, ihr Schaffen über die Spielzeit 2019/20 hinweg mit einer Serie von Konzerten zu würdigen, wurde am 17. Juni 1919 in Sankt Petersburg (dem damaligen Petrograd und späteren Leningrad)

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geboren. Sie hat ihre Heimat zu Sowjetzeiten nie verlassen – erst 1995, als der niederländische Dirigent und Pianist Reinbert de Leeuw der inzwischen 76-Jährigen mit einer Konzertserie große Aufmerksamkeit bescherte, reiste sie erstmals in den Westen. Ihr ­ohnehin nicht gerade umfangreiches Werk hatte Ustwolskaja Ende der 1980er Jahre einer grundlegenden Befragung unterzogen, der eine ganze Reihe von Partituren, die zumindest ihrer Thematik nach der sowjetischen Ästhetik entsprachen, zum Opfer fielen: 25 Kompositionen mit einer Gesamtspieldauer von nur knapp sieben Stunden beließ sie in ihrem Katalog – ein Œuvre, das auch heute für die meisten Hörerinnen und Hörer zu den großen Unbekannten des 20. Jahr­hunderts zählt. Hat man den ersten Schock der Be­ gegnung, den viele ihrer Werke immer noch auslösen, erst einmal überwunden, dann faszinieren sie in ihrer Monumentalität, ihrer Archaik, ihrer harschen Unerbittlichkeit, ihrer das Publikum gerade­ ­zu erschlagenden Expressivität und Vorliebe für holzschnittartige Extreme zutiefst: keine Musik für den raschen Konsum, sondern Musik, die uns im besten Sinne fordert und auf ganz ­„direkte Art ­betroffen macht“, wie Reinhard Schulz in seinem Nachruf auf die Komponistin 2007 in der Neuen Musikzeitung schrieb. Musik, die aber auch an den Interpreten hohe Ansprüche stellt. So bekannte Reinbert de Leeuw, dass er für einige Partituren Ustwolskajas heute nicht mehr die körperliche Kraft habe. Und die Geigerin Patricia Kopatchinskaja berichtet: „Deine Finger bluten buchstäblich beim Spielen. Du leidest wirklich, wenn du diese ­Musik spielst. […] Es ist, als würde man sein eigenes Kreuz tragen – in sich selbst. Keine Effekte; kein Raum für Interpretation. Es ist ein Bekenntnis.“ Mit Dmitri Schostakowitsch, dessen Konzert für Klavier, Trompete und Streichorchester den Abschluss des heutigen Konzertes ­bildet, verband Galina Ustwolskaja mehr als nur der Versuch, in der Sowjetunion einen eigenen Weg als Künstlerin zu finden. Sie war seine Schülerin und Schostakowitsch schätzte sie immens, ­unterstützte sie immer wieder und zitierte sie in mehreren seiner ­eigenen Werke. „Nicht Du stehst unter meinem Einfluss, sondern ich unter Deinem“, schrieb er in einem Brief. Doch Ustwolskaja ­distanzierte sich immer mehr von ihrem Lehrer, zu dem zeitweilig eine so enge Beziehung bestand, dass Schostakowitsch sogar – vergeblich – um ihre Hand anhielt. Voller Bitterkeit äußerte sich ­Ustwolskaja vielmehr über ihren Mentor und seine Musik und verstummte schließlich, so dass ihrer Verbindung bis heute etwas Rätselhaft-Geheimnisvolles anhaftet. In künstlerischer Hinsicht

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b­ ezeichnet ihre Biographin Olga Gladkowa sie als „Geschichte einer Konfrontation“ und Ustwolskaja „nicht als eine Nachfolgerin von Schostakowitsch, sondern eher als seine Widersacherin […] nicht nur in Bezug auf die musikalischen Inhalte, sondern auch hinsichtlich der Ausdrucksformen. […] Schostakowitsch hatte viele Gesichter, Ustwolskaja aber war einheitlich; er wandte sich an die Massen, sie an ihr inneres Ich.“ Wie Ustwolskajas frühes Klavierkonzert ist auch Schostakowitschs Konzert für Klavier und Trompete das Werk eines 27-Jährigen – ein mit groteskem Humor überspitztes Stück. Mit den Mitteln der Parodie und Ironie kreiert Schostakowitsch hier einen „musikalischen Spaß“, anders als vielen späteren Werken, in denen er immer wieder nach einer Sprache suchte, in der sich sagen ließ, was man ­offiziell nicht sagen durfte. Bei György Ligetis bitterböser Satire Le Grand Macabre dagegen vergeht einem das Scherzen schnell. Die als Mysteries of the Macabre bekannte Bearbeitung dreier Arien aus diesem absurden, hochpolitischen Musiktheater stellen das Ensemble Resonanz und Jeroen Berwaerts (in der Version für Trompete und Kammerorchester) im heutigen Programm neben die monolithischen Klangwelten Ustwolskajas. Ligeti bezeichnete sich einmal als ein „in Siebenbürgen gebürtiger Ungar jüdischer Abstammung mit rumänischer Staatsbürgerschaft zu Beginn, später mit ungarischer, noch später mit österreichischer“. In Ungarn war auch ihm nicht nur der Zugang zur musikalischen Avantgarde Westeuropas verwehrt, sondern unter den verbindlichen Doktrinen des sozialistischen Realismus ebenfalls jede Perspektive für eine eigene Kunst genommen, die sich bald schon andere Wege als die durch den Einfluss Béla Bartóks vorgepfadeten suchte. Anders als Schostakowitsch und Ustwolskaja entschied Ligeti sich 1956, nach der blutigen Niederschlagung des ungarischen Volksaufstands durch stalinistische Truppen, mit der die Hoffnung auf Freiheit für die nächsten drei Jahrzehnte endgültig begraben wurde, schließlich zur Flucht nach Österreich, von wo ihn sein Weg nach Köln ins ­direkte Umfeld von Karlheinz Stockhausen führte. Mit einem Klangcluster gelang ihm schließlich der Durchbruch: sein Orchester­ stück Atmosphères wurde 1961 in Donaueschingen derartig gefeiert, dass es wiederholt werden musste. Ligeti zählte nun zu den Schlüssel­ gestalten der zeitgenössischen Musik – und bald schon zu ihren meistgespielten Komponisten.

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Farce noire Ligetis Mysteries of the Macabre Ligetis im April 1978 in Stockholm uraufgeführtes und von ihm selbst als „Anti-Anti-Oper“ bezeichnetes Musiktheater Le Grand Macabre ist mit den Farcen Mauricio Kagels oder Bernd Alois ­Zimmermanns „Ballet noir“ Musique pour les soupers du Roi Ubu nach Alfred Jarry verschwistert. Inspirieren ließ sich Ligeti von den drastisch-visionären Gemälden Schlaraffenland und Triumph des Todes des Malers Pieter Bruegel d.Ä. sowie der grotesken Parabel auf den Krieg La Balade du grand macabre des flämischen Schriftstellers Michel de Ghelderode aus dem Jahre 1934, der sich mit diesem Text gegen Adolf Hitler wandte, während Ligeti – wie er im Interview mit Eckhard Roelcke erläutert – ein allgemeingültiges, „poli­ tisches Stück gegen falsche Propheten“ vorschwebte. Im Zentrum der in der zutiefst korrupten und in allen Sitten verkommenen ­Bananenrepublik Breughelland [sic] angesiedelten Handlung steht der „Große Makabre“ Nekrotzar. Aus einem Grab aufsteigend und von fanatischem Sendungsbewusstsein geleitet, gibt er sich selbst als Tod aus und will mit Hilfe eines Kometen die Welt vernichten. Am Hofe des permanent kalorienreiche Torten verschlingenden, ­infantilen Fürsten Go-Go lässt sich Nekrotzar jedoch zu einem ­derart exzessiven Saufgelage hinreißen, dass er den Zeitpunkt der prognostizierten Apokalypse im Vollrausch verpasst. „Meine Oper ist eine Art schwarze Farce, ein lächerliches Stück, humoristisch und doch zugleich auch absolut tragisch“, erläutert Ligeti. „Im Zentrum des Stücks stehen die Angst vor dem Sterben, die Unmöglichkeit, das Schicksal zu ändern, und die Handlungen und Anstrengungen, die man vergeblich unternimmt, um dem Faktum des Todes zu entkommen. Eine der Strategien (oder Träume), die eingesetzt werden, um diesem Geschick zu entgehen, ist der Versuch, den Tod ins ­Lächerliche zu ziehen.“ Um dies zu erreichen, komponierte Ligeti eine irrwitzige Collage aus Zitaten von der mittelalterlichen Musik bis ins 20. Jahrhundert, Zirkus-, Popular-, Rock- und Volksmusik sowie Geräuschen. Aber auch die Avantgarde wird auf die Schippe genommen und die Gattung der Oper parodiert. Die Ouvertüre etwa bezieht sich auf die Intrada zu Monteverdis L’Orfeo – bei Ligeti gespielt von zwölf Autohupen. Für den Konzertsaal bearbeitete der Dirigent der Stockholmer Uraufführung, Elgar Howarth, drei Arien, die vom Chef der ­Ge­heimen Politischen Polizei Gepopo (einer Koloratursopranrolle)

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g­ esungen werden, für Solostimme oder alternativ Trompete und Kammerorchester. Entstanden ist mit dieser 1994 in Paris aufgeführten Version eine eigenständige Fassung, die die Atmosphäre von Ligetis Werk auf höchst konzentrierte Weise einfängt und von den Aus­ führenden nicht nur eine äußert virtuose Beherrschung ihrer Instrumente ­fordert, sondern auch zahlreiche Nebeneffekte wie Pfeifen, Stampfen, Schreien und Singen. Ein herbes Relief Ustwolskajas Konzert für Klavier, Streichorchester und Pauken Galina Ustwolskajas einsätziges Werk entstand 1946, zu einer Zeit, in der absolute Musik in der UdSSR wenig Raum hatte, waren doch ein volksnaher Ton und die Vermittlung der stalinistischen Leitbilder und Ideen gefordert – eine Indoktrinierung aller Bereiche der Kunst durch die Politik, die zwei Jahre später in den „Musik­ beschlüssen“ des Zentralkomitees der KPdSU als verbindliches ­Leitbild festgeschrieben wurde. Alle, die es wagten, sich dem zu ­widersetzen, wurden als „Volksfeind“ stigmatisiert, der „Dekadenz“ bezichtigt, gegängelt und geschmäht oder gar mit dem Tode bedroht. Für Schostakowitsch bedeuteten die späten 40er und die 50er Jahre eine traumatische Erfahrung, die ihn in einen Zustand der Agonie versetzte, aus dem es ihm erst mit seinem Ersten Cellokonzert 1959 wieder auszubrechen gelang. Ustwolskaja dagegen machte keine Konzessionen. Sie zog sich zurück, scheute die Öffent­lichkeit und schrieb – ohne Eingriffe in ihre schöpferische Auto­nomie zuzulassen – ihre ganz eigene Musik. In ihrem Klavierkonzert ist auf jede Art von pianistischem Gestus und virtuosem Spielwerk verzichtet. In der als Bogenform angelegten, stark vom Element des Rhythmus und extremen dynamischen Kontrasten geprägten Partitur spalten sich wie in einer Kernreaktion von einem Grundmotiv zahlreiche Gedankensplitter ab, die in ­herber Reliefartigkeit und mit geradezu eherner Widerständigkeit die Musik aus additiven Transformationen dieses Grundmotivs ­entfalten. In ihrem Werkverzeichnis positionierte Ustwolskaja das Klavierkonzert als erste vollgültige Komposition – eine Musik von karger Wucht und Aufgewühltheit, die attackiert, aber auch von ­elegisch entrückter Fragilität.

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Wahrhaftige Musik Ustwolskajas Oktett In Ustwolskajas 1949/50 entstandenem, mit zwei Oboen, vier Violinen, Klavier und Pauken ungewöhnlich besetztem Oktett entfalten alle acht Instrumente als Solisten ihre eigene Individualität. Die fünf abwechselnd langsamen und schnellen Sätze sind durch eine Montage von sich ohne Variation wiederholenden Patterns und Takt­ reihen geprägt. Der statische Charakter dieser Satztechnik wird durch eine gleichmäßige Viertelbewegung, die paradoxerweise aber durch eine komplementäre Rhythmik aller Instrumente und einem in jedem Takt sich verändernden Metrum entsteht, noch unterstützt. Wie mit „schwarzen Löchern“, die mit einer enormen Sogwirkung unvorstell­ bare Abgründe aufreißen, erscheint der musikalische Satz durchbrochen. Die eigenartig spannungsgeladene Harmonik wird durch den Tritonus geprägt – das in der abendländischen Tradition lange als „Diabolus in musica“ geltende Intervall, das allerdings in der russischen Kirchen- und Volksmusik eine ganz eigene Rolle spielt. Immer wieder fahren die allgegenwärtigen Pauken mit brachialer Kraft wie Schicksalsschläge in eine Musik hinein, in der Optimismus keinen Platz hat. Als Igor Strawinsky kurz vor seinem Tod Ustwolskajas Oktett hörte, soll er darauf sichtlich betroffen geäußert haben: „So wie diese Musik klingt und wirkt, muss man sich den eisernen Vorhang vorstellen.“ Und Reinhard Schulz schrieb 2007: „Bei Ustwolskaja wird niederschmetternd klar: Es gibt kein Entkommen. Musik blüht nicht mehr auf, sondern blickt einzig auf ihre Ruinen zurück. Wahrhaftige Musik? Die These, dass Musik nicht schön, sondern wahr sein solle, hat Schönberg einst mit grandioser Geste ins Feld geführt. Sie war Parole mit zutreffendem Kern, aber was wirklich Wahrheit in der Musik ist, das hat wohl allein Galina Ustwolskaja bis in die letzten existentiellen Winkel durchlebt. Denn Wahrheit kann man nicht behaupten, zumindest nicht nur, man muss sie leben.“ „Ein Werk des leichten Genres“ Schostakowitschs Konzert für Klavier, Trompete und Streichorchester Wie Ligetis Le Grand Macabre wimmelt auch Schostakowitschs Konzert für Klavier, Trompete und Streichorchester von Zitaten. Im Sommer 1933 wenige Wochen nach dem Abschluss seiner Oper

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Lady Macbeth von Mzensk komponiert und am 15. Oktober dieses Jahres mit Schostakowitsch selbst am Klavier, Alexander Schmidt an der Trompete und den Leningrader Philharmonikern uraufgeführt, fordert diese Musik mit den Mitteln der Parodie und Groteske den – so Schostakowitsch – „konservativ-seriösen Charakter des klassischen Konzert-Gestus“ spöttisch heraus und bleibt dabei trotzdem ein Konzert, das sich schlicht als solches hören lässt. Geplant hatte Schostakowitsch das Stück ursprünglich als Trompetenkonzert. Im Verlauf der Arbeit stellte er der Trompete jedoch ein Klavier zur Seite – zunächst an eine Art Doppelkonzert denkend – und machte das Klavier schließlich zum Hauptprotagonisten, der immer wieder von Einwürfen der Trompete herausgefordert wird. Wie in einem Ratespiel kann man sich auf die Suche nach all den Anklängen be­geben, mit denen Schostakowitsch in seiner Komposition auf Musik anderer Kom­ponisten anspielt: Gleich zu Beginn und auch im ­weiteren ­Verlauf des ersten Satzes erklingen die ersten Takte aus Beethovens „Appassionata“-Klaviersonate. Später dann sind An­ spielungen auf das Thema der Burleske aus Gustav Mahlers Neunter Symphonie, das Klavierkonzert von George Gershwin, die D-DurKlaviersonate von Joseph Haydn, auf Rossinis Guillaume Tell-­ Ouvertüre oder ­Beethovens Klavier-Rondo „Die Wut über den ­verlorenen Groschen“ zu hören – aber auch das von Schostakowitsch immer wieder verwendete Tonmotiv seines Namens D–eS–C–H ­sowie Anspielungen auf Bar-, Varieté- und Zirkusmusik sind Teil dieser Partitur. Das ­Material erscheint vertraut und steht doch in ­einem fremden Kontext, wodurch es sich dem Hörenden – wie eine flüchtige Erinnerung – immer wieder entzieht, denn stets geht die Musik anders weiter, als es zu erwarten wäre. „Ich habe es als ein Werk des leichten Genres geschrieben“, bekannte Schostakowitsch über seine Kom­position, die in der Tat ein virtuoser musikalischer Spaß ist.

Anne do Paço studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte und Germanistik in Berlin und ist seit 2009 Dramaturgin an der Deutschen Oper am Rhein. Sie veröffentlichte Aufsätze zur Musik- und Tanzgeschichte des 19. bis 21. Jahrhunderts und war als Autorin u. a. für die Kammerphilharmonie Bremen, das Wiener Konzerthaus und die Opéra National de Paris tätig.

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Parody and Pathos Forms of Instrumental Musical Theater

Thomas May

Amid its teeming polyphony of ideas, Michael Chabon’s novel The Amazing Adventures of Kavalier & Clay (2000) stages a face-off between the Nazi apocalypse and a superhero created by a defiant pair of budding comic-book artists. For all the biases against the comic-book genre, this is anything but “escapist” entertainment. Ditto for the cartoonist Art Spiegelman, who transformed his experience as the son of Holocaust survivors into the Pulitzer Prize-winning graphic novel Maus (1991). György Ligeti anticipated these bold innovations with his sole opera Le Grand Macabre. Cartoons and comic strips—as Ligeti knew—posit a kind of contemporary mythology. When he set the “Dies Irae” of his Requiem from the mid-1960s, Ligeti described the way the poem copes with the fear of death as “an extraordinarily colorful, almost comic-strip representation of the Last Judgment.” A similar aesthetic pervades Le Grand Macabre, a work peopled by grotesquely cartoonish characters who confront the imminent end of Planet Earth. In her book Irony, Satire, Parody and the Grotesque in the Music of Dmitri Shostakovich, Esti Sheinberg asserts that the Russian composer’s music “speaks about human nature as horrifying and ludicrous, ­simultaneously repellent and cruel, cowardly and loving, humorous and courageous”—a contradictory mélange often interpreted as a reaction to the degrading treatment to which the composer was subjected by Soviet cultural authorities. Yet already in the Concerto for Piano, Trumpet and String Orchestra—the first of his remarkable series of concertos, written before his infamous denunciation by

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the Party in 1936—we find Shostakovich stirring a wildly clashing mixture of styles into a heady musical cocktail. In essence, the ­Concerto entails a work of instrumental theater—and it was into such instrumental contexts that Shostakovich would, in large part, channel his natural gift for musical theater in the aftermath of the attack on his most successful opera. For their program this evening, Ensemble Resonanz, Jeroen ­Berwaerts, and Alexander Melnikov use these musical representations of the grotesque, the cartoonish, and the ironic to frame two works by Galina Ustvolskaya, a student of Shostakovich who also faced serious impediments to her creative work from the Soviet cultural police. Her astounding originality and striking musical ­personality prompted Shostakovich to declare: “It is not you who are under my influence, it is I who am under yours.” In contrast to the modes of parody and stylistic promiscuity of the Ligeti and Shostakovich pieces we hear, Ustvolskaya’s Concerto for Piano, String Orchestra, and Timpani and her Octet impart a message of dire seriousness—all the while posing enigmas of their own. A Hysterical Tragedy Mocking Death Sampling Ligeti’s Grand Macabre Among its labyrinthine ironies is the fact that Le Grand Macabre is now recognized as a masterwork of 20th-century opera. György Ligeti himself once jokingly referred to his score (1974–77) as a “flea-market,” in view of the postmodern spectrum of stylistic references and ironic musical hand-me-downs it braids together. The quest to write an opera during a period of the postwar European avant-garde that regarded the old genres as dead was itself, on some level, quixotic. Ligeti had survived the Holocaust (most of his family perished) and later escaped the oppressive control of the Communist regime in his native Hungary but discovered another kind of censorship among the avant-garde of Western Europe. All of these experiences conferred on Ligeti what he once called “an immunity to all ideologies.” He later noted that his experiments with setting nonsense texts and eliciting extremities of vocal expression in such preceding musictheater works of the 1960s as Aventures and Nouvelles Aventures could be classified as “a kind of anti-opera” but that when he started working on Le Grand Macabre, “gradually I realized that the time

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of anti-opera is over.” He called the work “anti-anti-opera,” adding that “the double negative results in an affirmation.” Commissioned by the Royal Opera of Stockholm—interestingly, it was Swedish Radio that had commissioned Ligeti’s Requiem in the early 1960s—the project that became Le Grand Macabre started off as a comic-strip version of the Oedipus myth. Ligeti then turned to the play La Balade du grand macabre (1934) by the avantgarde Belgian writer Michel de Ghelderode, collaborating with the puppet theater master Michael Meschke to fashion a German ­libretto (though the premiere was sung in Swedish). The narrative is both garish and straightforward, in the manner of a comic strip, with plentiful detours. It revolves around the specter of death as represented by the titular Grand Macabre, who is given the name Nekrotzar. He bears a message of apocalypse to the fantasy realm of Brueghelland, whose denizens engage in S & M rituals, necrophilia-tinged sex, supersize-me gluttony, and paranoid hysteria. Whether the apocalypse occurs and what it means are the enigmas at the heart of the opera. Among the large cast of characters are the inebriated Everyman Piet the Pot, a pair of young lovers, an astrologer and his wife, the Prince Go-Go and his ministers, and the head of the Gepopo, Brueghelland’s Gestapo (a high coloratura role). “My opera is a kind of black farce, a ridiculous piece, humorous but utterly tragic at the same time,” Ligeti explained. “At the center of the play stands the fear of dying, the impossibility to change fate and the actions and efforts undertaken in vain to escape death. One of the strategies used to avoid this destiny is the attempt to ridicule death.” Ligeti’s score runs a gamut from the scatological to the celestial. He substantially revised it (especially the ending) for a Salzburg ­Festival production in 1997. Meanwhile, in 1991 the conductor of the Stockholm premiere, Elgar Howarth (also a trumpeter), ­prepared a set of concert extracts that comprise three arias, which were published as Mysteries of the Macabre in alternate versions, for coloratura soprano or solo trumpet with accompaniment by piano or instrumental ensemble. All three arias are delivered by the hyperparanoid Gepopo Chief, whose stratospheric coloratura is a signature example of Ligeti’s Rabelaisian sonic palette. The extremities of the writing and over-the-top (literally) virtuosity enhance the composer’s brand of humor in this work which, for all the slapstick, takes on nothing less than death.

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Unwaveringly Serious The Uniqueness of Ustvolskaya For too long, Galina Ustvolskaya’s work was unjustly neglected. Like so many of her peers in the Soviet Union, she had to bifurcate her creative work into “true” expressions that defied Party demands and commercial projects (film scores and the like) expressly written to bring in income. Yet even after many of those peers went on to be discovered in the West, Ustvolskaya long remained a relatively little-known cult figure. Adding insult to injury is the tendency to associate her immediately with her Conservatory teacher Shostakovich and his music. A lifelong resident of Saint Petersburg, Ustvolskaya became the only female student when she first entered Shostakovich’s composition class in 1939. The war of course interrupted her studies, but she ­resumed them with Shostakovich later in the 1940s. For his part, Shostakovich admired her music so much that he even quoted one of her themes in his String Quartet No. 5 and in his settings of ­Michelangelo sonnets. So it is perhaps not surprising that Ustvolskaya, the ­centenary of whose birth was celebrated just last year, so firmly repudiated her former teacher (and rumored lover) following his death: “Never once … even during my studies at the Conservatory which I spent in his class, was Shostakovich’s music close to me. Nor was his personality,” she stated, “I bluntly refused to accept his music… Unfortunately, Shostakovich’s personality only deepened my negative attitude towards him.” The Concerto for Piano, String Orchestra, and Timpani—the work that Ustvolskaya pointedly listed at the beginning of her ­approved catalogue of works (numbering 25 total)—dates from 1946, when she was completing her studies under Shostakovich. It served as her diploma composition, and soon she would embark on her own teaching career at the Conservatory. Dedicated to Alexei ­Lyubimov, the Concerto had to wait until 1964 to be premiered (in Leningrad, with Pavel Serebryakov as the soloist and Arvīds Jansons conducting). It is possible to detect an influence here of such figures as Bartók, Prokofiev, Stravinsky, and, yes, Shostakovich, yet already Ustvolskaya’s forceful personality emerges with mesmerizing impact. The Concerto is cast in a single movement, forged of ­sections that posit contrasts of texture, tempo, and affect. Her instrumentation in itself is striking. If the combination of piano and

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string orchestra conjures associations of a Neoclassical economy and eloquence, the prominent role of the timpani here creates a unique sound world. The timpanist serves as an alternate protagonist and a kind of antagonist to the solo piano role. Key elements of the unique musical idiom that Ustvolskaya would later develop are also already recognizable. These include an insistence on certain gestures, such as the rhythmic patterns so aggressively emphasized in this score, which can be exaggerated to intense extremes—as in the heavily accentuated short-long motto played at the very start by the piano, which defines much of the musical material. The aura of tragic earnestness is characteristic. An austerity in the string scoring enhances this pathos. In the end, the Concerto traces an archetypically Romantic ­trajectory from darkness to light, finding its way from C minor to a transfigured coda in C major. Yet the music never sounds like any of the countless models for such a journey. Ustvolskaya’s ­eccentric scoring and unwavering seriousness evoke something more enigmatic. (Listen, in the final pages, for the D flats in the timpani that clash against the arrived-at C major.) A Cast of Eight Characters The Octet’s Exhausting, Compact Drama “Yesterday in the House of Composers was the Leningrad concert,” Shostakovich wrote of a program on which Ustvolskaya’s Octet figured during the first half. “[It] made such an impression on me that I couldn’t force myself to listen to the second half of the program,” though it included music of which he was very fond. “The Octet exhausted me and deprived me of strength for further listening. Surprisingly beautiful and strong music…” As with the Concerto, a long gap separates the premiere of the Octet, which took place in Leningrad in 1970, from the time of its composition (1949–50). Ustvolskaya lists it as the fifth of her ­approved works, and it is contemporaneous with such other pieces as her Trio for Clarinet, Violin, and Piano and the second in her masterful cycle of six piano sonatas (performed in toto earlier this season at the Pierre Boulez Saal). Yet from the composer’s perspective, it is mistaken to try to pigeonhole these compositions as “chamber music.” Just as she rejected attempts at theoretical analysis of her music, Ustvolskaya believed the category of chamber music was inadequate

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to convey “the tremendous power and aspiration to God, which are inherent in each composition…” The issue of ­religion, too, has an enigmatic status in her work, clearly separating her spiritual references from those of, say, her younger peer Sofia Gubaidulina. Ustvolskaya herself referred to her “spiritual, non-­religious creativity.” The Octet is scored for a characteristically unconventional ­ensemble of two oboes, four violins, timpani, and piano. “I do not like talking about my music. It is very difficult to discuss my own works. My ability to write music unfortunately does not grant me the ability to write about it. In fact, it is said that one precludes the other,” said the hermetic Ustvolskaya, who guarded her privacy ­unwaveringly and had no interest in self-promotion. At the same time, one cannot listen to a piece like the Octet ­dispassionately. It imparts a sense of internal drama so stark and ­uncompromising—no wonder the attacks in the final measures left Shostakovich emotionally exhausted—that the abstract title almost seems ironic. Austere repetition is used in a way that, again, is unique to this composer and lightyears apart from “Minimalism.” The pathos is Ustvolskayan as well, yet it is wedded to the allure, if not the sensuality, of the timbral combinations enabled by her ­unusual palette. An Irrepressible Theater Composer Shostakovich’s Concerto for Piano, Trumpet, and String Orchestra Dmitri Shostakovich was still on the rise as one of the Soviet Union’s most promising young composers when he completed this Concerto in July 1933—yet his chilling fall from official grace lay only two and half years in the future, with Pravda’s accusation that his hit opera Lady Macbeth of Mtsensk exhibited decadent, counterrevolutionary shortcomings. Before such censure (despite a minor wrist-slapping from the cultural tzars for an earlier gaffe), Shostakovich had felt free to experiment and produced a prolific outpouring of music that, in retrospect, would represent his most overtly Modernist mode. The sensational success of his First Symphony of 1926 (the result of Shostakovich’s student years at what was then known as the ­Leningrad Conservatory) secured the composer’s image as a fearless innovator. When the precocious musician, who had also trained as

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a pianist, failed to take a prize at the 1927 Chopin Piano Competition in Warsaw, he made composition his main focus—though he continued intermittently to give public performances at the keyboard until his final decade. Shostakovich gained additional practical experience playing the piano outside conventional venues—for example, accompanying silent films. During his career-building years, these gigs intensified his interest in music for theater and film. Along with pieces for the new medium of cinema, he soon produced a remarkable range of theater, ballet, and opera scores, including the absurdist opera The Nose (inspired by a Gogol story) and the tremendously successful (yet ill-fated) Lady Macbeth. But Shostakovich also found time to focus again on instrumental composition with such works as the Prokofiev-flavored 24 Preludes for Solo Piano (1932–33). The musicologist David Fanning observes that “Prokofiev is again behind the Piano Concerto, which takes over much more of the theatrical element from Shostakovich’s stage works, complete with galops, can-cans, and hilarious quotations.” Having abandoned an earlier plan for a piano concerto, with Op. 35 Shostakovich made the first of his several significant contributions to the concerto tradition. The chamber scale of the orchestration for string ensemble plus a solo trumpet also touches with sardonic humor on the fashion for neoclassical solutions. The composer himself was the piano soloist at the premiere in October 1933. He wrote the prominent solo trumpet part for the Leningrad ­Philharmonic’s principal player, Aleksandr Shmidt. In comparison with Shostakovich’s more wildly adventurous scores of this period, the overall tone of this Concerto is relatively conservative—at least in terms of its lyrical element, which was much commented on by contemporaries. At the same time, a playful, ­theatrical sense of humor is an obvious signature of the piece as well. The composer even seems in some passages to be thumbing his nose at the highbrow conventions of the genre with outrageously comical posturing. The opening establishes the engaging interplay between solo piano and trumpet that defines this Concerto. The main theme itself, given by the pianist, alludes to the one that launches Beethoven’s “Appassionata” Sonata—just one of several such intertextual aspects (including a number of self-quotations). Its fatalistic strain is contrasted with an astonishing array of stylistic shifts, including hints of the world of popular entertainment, such as the music hall. A kind

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of slow-motion waltz follows without pause. Already, the young Shostakovich’s Mahler obsession is unmistakable. The muted trumpet adds a note of blues-inflected melancholy. As a variant of the usual three-movement concerto format, Shostakovich adds a brief preludial movement featuring the piano (here the Neo-Baroque idiom is most obvious) that leads directly into the tumultuous finale. Its mingling of jazzy syncopation and popular song along with Neoclassical gestures anticipates a postmodern demeanor. The trumpet vies for the limelight in the finale pages as the Concerto races on to its boisterous, unbuttoned ending.

Thomas May is a freelance writer, critic, educator, and translator whose work has been ­published internationally. He contributes to the programs of the Lucerne Festival as well as to The New York Times and Musical America.

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