Pinchas Zukerman & Daniel Barenboim - Beethovens Violinsonaten

Page 7

Zwischen Nachklängen und Vorahnungen Beethovens Sonaten für Violine und Klavier

Michael Horst

Seit der Antike ist die Zahl Zehn Symbol für Vollkommenheit und göttliche Ordnung. Doch es führte sicherlich zu weit, wollte man die Reihe der zehn Violinsonaten Ludwig van Beethovens einer höheren Weisheit zuschreiben. Sie ist das eher zufällige ­Ergebnis einer Entstehungsgeschichte, die mit zwei Dreiergruppen ihren Ausgang nahm, mit einem Doppel-Opus fortgesetzt wurde und von zwei Einzelwerken gekrönt wird. Dabei markieren diese Violinsonaten weder Anfangs- noch Endpunkte: Als 1799 die erste Dreiergruppe op. 12 erscheint, hat Beethoven mit seinen Klaviertrios op. 1 und den Klaviersonaten op. 2 und op. 10 bereits sehr deutliche Spuren im Wiener Musikleben hinterlassen und seinen Anspruch als aufstrebender Komponist formuliert. Als 1812 seine zehnte Violinsonate op. 96 den Endpunkt in der Beschäftigung mit dieser Gattung markiert, liegen noch 15 schaffensreiche Jahre vor ihm – mit so außerordentlichen Werken wie den letzten fünf Klaviersonaten, mehreren Streichquartetten, der Neunten Symphonie und der Missa solemnis. Insofern nimmt es vielleicht nicht wunder, dass die Violinsonaten bei der Gesamtschau auf das gewaltige Beethovensche Œuvre allzu leicht im Schatten anderer Werke stehen. Auch lassen sie sich kaum mit einfachen Schlagworten kategorisieren. „Ihre stilistische Haltung ist komplex“, notierte der legendäre ungarische Geiger Joseph ­Szigeti in seiner Abhandlung über Beethovens Violinwerke, „es

7


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.