Mitsuko Uchida EinfĂźhrungstext von Martin Wilkening Program Note by Paul Thomason
MITSUKO UCHIDA Mittwoch
11. März 2020 19.30 Uhr
Mitsuko Uchida Klavier
Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791) Klaviersonate F-Dur KV 533 / KV 494 (1788/1786) I. Allegro II. Andante III. Rondo. Allegretto
Pause
Ludwig van Beethoven (1770–1827) 33 Veränderungen über einen Walzer von Diabelli C-Dur op. 120 „Diabelli-Variationen“ (1819–23) Tema. Vivace – Var. I. Alla marcia maestoso – II. Poco allegro – III. L’istessto tempo – IV. Un poco più vivace – V. Allegro vivace – VI. Allegro ma non troppo e serioso – VII. Un poco più allegro – VIII. Poco vivace – IX. Allegro pesante e risoluto – X. Presto – XI. Allegretto – XII. Un poco più moto – XIII. Vivace – XIV. Grave e maestoso – XV. Presto scherzando – XVI. Allegro – XVII. Allegro – XVIII. Poco moderato – XIX. Presto – XX. Andante – XXI. Allegro con brio – Meno allegro – XXII. Allegro molto (alla „Notte e giorno faticar“ di Mozart) – XXIII. Allegro assai – XXIV. Fughetta. Andante – XXV. Allegro – XXVI. [ohne Bezeichnung] – XXVII. Vivace – XXVIII. Allegro – XXIX. Adagio ma non troppo – XXX. Andante, sempre cantabile – XXXI. Largo, molto espressivo – XXXII. Fuga. Allegro – XXXIII. Tempo di Minuetto moderato
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Imaginäres Zusammentreffen Beethoven und Mozart
Mar tin Wilkening
Sind sich Mozart und Beethoven jemals begegnet? Wir wissen es nicht genau. Als der 22-jährige Beethoven 1792 nach Wien kam, um bei Haydn zu studieren, lebte Mozart nicht mehr. Doch dies war nicht Beethovens erste Wienreise. Bereits fünf Jahre zuvor war der junge Bonner Hofmusiker von seinem Dienstherrn an die Donau entsandt worden, um sich weiterzubilden. Dieser erste Wien- Aufenthalt Beethovens verlief indes anders als geplant, denn schon nach zwei Wochen wurde er nach Bonn zurückgerufen, weil seine Mutter im Sterben lag. Wen der junge Beethoven in diesen 14 Tagen des Jahres 1787 traf, bei wem er sich vorstellte, wem er seine Kompositionen vorlegen und vorspielen konnte, ist unbekannt. Doch Mozart galt, zumal im Klavierspiel und der Improvisation auf dem Klavier, als die unangefochtene Nummer eins in der Musikmetropole, und sein Urteil und seinen Rat dürfte Beethoven zumindest gesucht haben. In seinem ab 1866 erstmals erschienenen, mehrbändigen Life of Beethoven überliefert Alexander Thayer eine Mitteilung von Beethovens Schüler Carl Czerny, wonach Beethoven sich nicht mit uneingeschränkter Begeisterung über Mozarts Klavierspiel geäußert habe. Wann und wo er ihn möglicherweise spielen hörte, und ob die Aussage authentisch ist, bleibt fraglich. Sicher ist, dass nach Mozarts Tod erst Beethoven, der das Klavier
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ganz anders als sein Vorgänger behandelte, als Pianist wieder solch tiefen Eindruck bei den Zuhörern hinterließ. Wien war „Clavierland“, wie Mozart an seinen Vater schrieb, als er 1781 die Enge des Salzburger Hofes verließ, um als freier Musiker in jener Stadt zu leben. Und das galt auch noch für die folgenden Jahrzehnte, die Zeit Beethovens. Das Instrument selbst entwickelte sich durch eine Fülle technischer Veränderungen rasant weiter und Beethoven bediente mit seinen Klavierkompositionen nicht nur die ganze Breite des häuslichen, halböffentlichen und öffentlichen Musizierens, sondern erschloss dem Instrument auch eine Tiefe, die zum Ende seines Lebens, mit den drei späten Klaviersonaten und den „Diabelli-Variationen“, in krassen Widerspruch zum etablierten Alltagsgeschmack geriet. Dass Beethoven dabei noch einmal seinen Blick ausdrücklich Mozart zuwandte, ist vielleicht überraschend, weil wir zumeist die Unterschiede zwischen beiden Komponisten wahrnehmen, die Grazie und Gemessenheit des einen und die Schroffheit und Ausdruckswucht des anderen. Aber die „Diabelli- Variationen“ führen mit ihrem Schlussteil, einem ätherisch verklärten Menuett, nicht nur assoziativ oder interpretatorisch in die Welt Mozarts, sondern sie beziehen sich ganz handfest auf diese. Zu Beginn der Variation Nr. 22 erklingt ein Zitat aus Mozarts Don Giovanni, das Beethoven auch im Notentext als solches bezeichnet. Es handelt sich um Leporellos berühmtes Solo in der Eröffnungs szene der Oper, „Notte e giorno faticar“, eingedeutscht als „Keine Ruh bei Tag und Nacht“, das man nicht zuletzt als einen Kommentar auf das eigene Schaffen, eine Art Grundmelodie im Leben beider Komponisten verstehen könnte. Ein Beethovensches Briefzitat mag stellvertretend für alle anderen stehen: „Nichts von ruhe! – Ich weiß von keiner andern, als dem schlaf, und wehe genug thut mir’s, daß ich ihm jetzt mehr schenken muß, als sonst.“ Wie auch immer man diesen Mozart-Bezug verstehen will, so bleibt doch eines sicher: Beethoven schließt mit dieser Hommage in seiner letzten Klavierkomposition im Jahr 1823 einen lebens geschichtlichen Bogen, der vielleicht bis 1787 zurückführt, auf jeden Fall aber ins Jahr 1792, als er mit dem berühmt gewordenen Stammbucheintrag des Grafen Waldstein im Gepäck Bonn endgültig verließ: „Lieber Beethoven! Sie reisen itzt nach Wien zur Erfüllung ihrer so lange bestrittenen Wünsche. Mozart’s Genius trauert noch und beweinet den Tod seines Zöglings. Bei dem unerschöpflichen Hayden fand er Zuflucht, aber keine Beschäftigung; durch ihn wünscht er noch einmal mit jemandem vereinigt zu werden. Durch
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ununterbrochenen Fleiß erhalten Sie: Mozarts Geist aus Haydens Händen. 29 Oct 1792, Ihr warer Freund Waldstein.“ Mozarts Geist lebt also tatsächlich in Beethovens „Diabelli- Variationen“, im gewitzten Zitat wie in der Verklärtheit des Schlusses. Doch vielleicht gibt es darüber hinaus noch etwas Anderes, das sich in der konkreten Gegenüberstellung des Variationszyklus’ mit Mozarts Sonate KV 533/494 als Gemeinsamkeit erfahren lässt. Beide Werke verfolgen ein poetologisches Programm der Verbindung von Simplizität und Komplexität, der Transformation des Einfachen ins Rätselhafte, des geistigen Brückenschlags vom Alltäglichen zur Kunst. Beides spiegelt sich ineinander, fast nach der Art Jean Pauls, für den Humor als das „umgekehrte Erhabene“ Großes und Kleines durch Parodie und Ironie aufeinander zu bewegt. Das Ausgangsmaterial beider Kompositionen ist von demonstrativ vorgeführter Schlichtheit: bei Beethoven das klappernde Gerüst von Diabellis Walzer, bei Mozart eine zunächst fast neutrale Skalenfigur, die einstimmig, ohne Begleitung, die Sonate eröffnet. Hört man die ersten wie Takte von Mozarts Werk ohne einen Blick in die Noten, hielte man sie nie für die Eröffnung eines Sonatensatzes, sondern vielleicht für eine wie nebenbei angestimmte, einfache Liedmelodie, oder möglicherweise für den Beginn eines Kanons oder einer Fuge. Kanons und verschiedenartige Imitationen, auch als Engführung und in Umkehrungen, erscheinen dann auch immer wieder in diesem Satz. Und wie Beethovens Variationswerk findet auch Mozarts Sonate als ganze ihren Höhepunkt vermittels fugenhaft gesteigerter Polyphonie, hier verpackt in der virtuosen Kadenz des Schlusssatzes. Dort werden sechs aufeinanderfolgende Themen einsätze ineinander verschachtelt und erschließen dabei die ganze Breite der Tastatur. Diese Passage hat Mozart erst später zu dem bereits als unabhängiges Einzelstück vorliegenden Rondo hinzu gefügt, als er beschloss, es als Schlusssatz zu seinem bis dahin nur zweiteiligen Sonatentorso zu verwenden. Komplexität wird aber nicht nur durch die polyphone Gestaltung angestrebt. Beide Kompositionen bewegen sich auch harmonisch in Grenzbereichen bis zum Rätselhaften. Bei Mozart geschieht dies im langsamen Satz mit seiner ausdrucksvollen Melodik und Harmonik, in der das Tritonus-Intervall, das schon im Thema des ersten Satz beiläufig auftauchte, eine zentrale Rolle spielt. In mysteriöse Zonen wagt sich bei Beethoven vor allem die Variation Nr. 20 mit ihren geheimnisvollen Akkordfortschreitungen weit hinein. Bedeutungsvoll in beiden Stücken ist schließlich auch die Ausarbeitung des
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Klangraums, insbesondere als Mittel der Schlusswirkung. Sowohl Mozarts Allegretto-Satz als auch Beethovens letzte Variation streben in die Höhe, ziehen den gesamten Klang nach oben und reißen einen tiefen Abgrund auf. Mozarts Stück versinkt nach dem spieldosenhaften Beginn des letzten Satzes schließlich ganz im pianissimo der Tiefe, Beethovens Variationen zerstäuben im pianissimo der Höhe, bevor ein Epilog im Forte noch einmal, als definitiver Abschied, wie ein letztes Bruchstück aus dessen Mechanik, den Diabelli-Walzer in Erinnerung ruft.
Wenn wir von den „Diabelli-Variationen“ sprechen, benutzen wir einen verkürzten und eigentlich falschen Titel. Beethoven selbst verwendete ganz bewusst nicht die Bezeichnung Variationen, wie in seinen zahlreichen anderen Werken dieser Gattung. Hier sprach er stattdessen von Veränderungen. Der Titel der ersten Ausgabe von 1823 lautete vollständig „Drey und dreyßig Veränderungen über einen Walzer für das Pianoforte“. Veränderung ist ein relativ offener Begriff, der mehr oder weniger bedeuten kann als Variation. Tatsächlich vermeidet Beethoven hier weitgehend das Verfahren einer figurativ ausschmückenden Variationstechnik. Seine Sätze stellen Charaktervariationen dar, wie man gleich zu Beginn mit dem Aufeinanderprallen von Walzerthema und pompös ironisiertem Marsch in der ersten Variation erkennen kann. Darüber hinaus aber sind diese Veränderungen geprägt von der Vorstellung der motivischen Arbeit, die einzelne Momente, fast könnte man sagen Parameter, aus dem Thema aufgreift und zu neuer thematischer Gestaltung entwickelt. Da gibt es immer wieder das Auftaktmotiv des Walzers, das unter unterschiedlichen Aspekten thematisiert wird: als Bewegung der Wechselnote, als zum Triller erweiterte Verzierung, als Anlass zu metrischer Verschiebung. Oder es sind die Tonwiederholungen der Vorlage, die in der Fuge der Variation Nr. 32 eine ganz neue Deutung erhalten. Oder die Sequenzen im zweiten Teil des Themas, die plötzlich zu einem Gleiten ins Unbestimmte ausgeweitet und überhöht werden. Mit der Bezeichnung als Veränderungen setzt Beethoven also sein Werk schon im Titel erkennbar ab gegen die geläufige Vorstellung von Variation. Konkreter gesehen gilt diese Abgrenzung sowohl gegenüber dem eigenen Œuvre (das 19 weitere Variationszyklen
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enthält, die ausnahmslos auch so bezeichnet werden), als auch gegenüber den Variationen, mit denen Beethovens Zyklus durch den Kompositionsanlass und das Thema von Diabelli verbunden ist. 1819 hatte der Musikverleger und Komponist Antonio Diabelli mit der Vorlage seines Walzers die bedeutendsten Komponisten und Klaviervirtuosen des Habsburgerreichs um die Zusendung je einer Variation gebeten, die zu einem anschaulichen „Who’s who“ der Tonkunst gesammelt werden und gleichzeitig eine Art patriotischer Manifestation in der beginnenden nach-Napoleonischen Epoche darstellen sollten. Franz Schubert hatte sich ebenso beteiligt wie Johann Nepomuk Hummel, Carl Czerny, Erzherzog Rudolph und der als „elfjähriger Knabe“ eingeführte Franz Liszt. Ihre insgesamt 50 Beiträge wurden 1824 von Diabelli veröffentlicht – als zweite Abteilung einer Publikation, deren erste allein Beethoven vorbehalten war. Dabei hat Diabelli dann allerdings den Begriff der Veränderung auch für sein Sammelprojekt übernommen, was vielleicht mit dazu beitrug, dass Beethoven weitere Wünsche des Verlegers abschlägig beschied. So schrieb er ein Jahr später: „Bester Herr! Wozu wolltet Ihr denn noch eine Sonate von mir?! Ihr habt ja ein ganzes Heer Komponisten, die es weit beßer können als ich, gebt jedem einen Takt, welch wundervolles Werk ist da nicht zu erwarten? Es lebe dieser euer Österreichischer Verein, welcher Schusterfleck meisterlich zu behandeln weiß.“ Als Schusterfleck bezeichnete man jene sequenzierenden motivischen Rückungen, die in Diabellis Walzer thema den Abschluss der beiden Thementeile vorbereiten, und die allgemein als Zeugnis schlechten Geschmacks und kompositorischer Dürftigkeit galten. Bezeichnend ist jedoch, dass Beethoven gerade in diesen Passagen einen Ansatzpunkt findet, um die Themenvorlage harmonisch und metrisch zu öffnen. Offenbar hatte Beethoven von Anfang an nie im Sinn, zu Diabellis Gemeinschaftsunternehmen etwas beizutragen. Allerdings zeigt auch der vierjährige Entstehungsprozess seines Zyklus’, den der Pianist und Musikwissenschaftler William Kindermann anhand der Skizzenbücher akribisch nachvollzogen hat, dass sich Beethoven zu Beginn seiner Arbeit noch nicht über die außergewöhnlichen Dimensionen seines eigenen Vorhabens im Klaren war. Die Komposition entstand in mehreren Schüben, vor allem 1819 und 1823. Dazwischen schrieb Beethoven die Missa solemnis und die drei letzten Klaviersonaten opp. 109, 110 und 111, die in mehrfacher Weise mit den „Diabelli-Variationen“ kommunizieren – durch die Bedeutung der Variationstechnik und der Polyphonie, aber auch
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Beethovens Arbeiten waren an keine Zeit gebunden. Vor- und Nachmittag, frßh und abends, immer arbeitete seine rege Fantasie, oft stand er um Mitternacht auf, und erschreckte seine Nachbarn mit den kräftigsten Accorden, mit Poltern, Singen etc. Seine Stimme war beym Singen ganz abscheulich. Carl Czerny
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durch die unterschwellige thematische Verwandtschaft zwischen dem Diabelli-Walzer und dem Schlusssatz aus op. 111, der am Ende der „Diabelli-Variationen“ ebenfalls beschworen wird. Die 33 Veränderungen sind von Beethoven nicht in einem eindeutig nachvollziehbaren Spannungsbogen aufgereiht, sondern multiperspektivisch, vielsträngig, dezentral angeordnet. Es gibt virtuose und gelehrte Stücke, sehr schnell vorbeiziehende und sich langsam entwickelnde, innige und exzentrische, bei denen auch in einem Maße, das den Interpreten viele Freiheiten lässt, ironische, parodistische oder womöglich karikierende Tonfälle erkennbar sind. Manche Variationen können auf extrem unterschiedliche Weise gelesen werden, was sich am offensichtlichsten im Tempo zeigt. So hat der Musikwissenschaftler Jürg Stenzl etwa in einer Untersuchung der Interpretationsgeschichte für die Variation Nr. 20 die extremsten Tempo-Unterschiede in 33 analysierten Einspielungen ausgemacht: zwischen 1 Minute und 15 Sekunden und 3 Minuten und 31 Sekunden geben die Interpreten diesem Stück, das das Thema in den bereits angesprochenen harmonisch auffälligen Akkordfortschreitungen versteckt. Vielfältigen Deutungsmöglichkeiten öffnet sich aber schon das simple Diabelli-Thema selbst, dessen Bezeichnung mit „Vivace“ in einem Spannungsverhältnis zum behaupteten Walzercharakter steht. Auch wenn man diesen mit dem Musikwissenschaftler Ludwig Finscher als schnellen Wiener Walzer versteht, wie er seit dem Wiener Kongress europäische Mode geworden war, bleibt festzuhalten, dass hier wesentliche Merkmale eines Walzers fehlen, vor allem die auf zwei und drei nachklappenden Begleitakkorde. Der Pianist Alfred Brendel etwa war der Ansicht, dass es sich bei dem Thema, rein vom Notenbild und ohne jede zusätzliche Bezeichnung betrachtet, nicht um einen Walzer, sondern um ein ziemlich ver zopftes Menuett handelt. Beethoven selbst bezeichnete es in einem Brief als einen „Deutschen“, also einen Ländler. Wie auch immer: jeder Interpret und jede Interpretin hat hier eine Fülle von Entscheidungen zu treffen, bei denen stets auch das Verhältnis des einzelnen Stückes zu den anderen im Rahmen größerer Abteilungen bedeutsam ist. Von Beethoven selbst ist keine für den Vortrag verbindliche Einteilung der 33 Veränderungen überliefert. Naheliegend ist eine Zusammenfassung der ersten zehn Stücke. Sie gipfeln in einem extrem virtuosen Presto-Satz, der im pianissimo den schnellen Wechsel zwischen staccato und eingeschobenen legato-Passagen verlangt
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und sich mit heftigen Akzenten zum fortissimo steigert. Ein zweiter größerer Einschnitt wird oft nach der Veränderung Nr. 20 gemacht, so dass der zweite Teil mit einer Wendung ins Innere endet. Der dritte Teil, der dann mit einem Stück voll grotesker Triller und Oktavsprünge beginnt, öffnet sich in zunehmendem Maße einer Vielfalt von Bezügen, entwickelt sich dabei aber in kohärenterer Weise als die ersten zwei Teile. Die Variation Nr. 22, die erstmals nicht mehr mit Auftakt, sondern volltaktig beginnt, zitiert im vierfach oktavierten Unisono überdeutlich die erwähnte Arie des Leporello. Eine erste Fughetta, an 24. Stelle stehend, öffnet den Zyklus in die Welt polyphoner Musik, die in der Fuga, dem vorletzten Satz, weiter erschlossen wird. Unüberhörbar ist schließlich der Anklang an Bachs „Goldberg- Variationen“ in der ausdrucksvollen und reich verzierten Deklamation von Beethovens Variation Nr. 31, einem mit „Largo, molto espressivo“ bezeichneten Stück. Hans von Bülow, vermutlich der erste Pianist, der Beethovens „Diabelli-Variationen“ nicht nur als Kunstbuch verstand, sondern gut drei Jahrzehnte nach ihrer Entstehung auch öffentlich spielte, ordnete den letzten drei Variationen drei stilistische Vorbilder zu, die Beethovens Musik in ihrem zunehmenden Transformationsprozess erinnert: Bach in der Nummer 31, Händel in der Nummer 32, der gemeißelt lakonischen Fuga, und Mozart in der Nr. 33, die nach einem quasi improvisatorisch angelegten Zwischen spiel, wie nach einer theatralischen Verwandlung erscheint, ein vergeistigtes Tempo di Menuetto moderato, das den Zusatz „aber nicht schleppend“ trägt. Natürlich schrieb Beethoven, auch wenn er hier gewissermaßen Musikgeschichte rekapituliert, keine Stilkopien, sondern unternahm es, aus dem so neutralen Material der Themenvorgabe ein musikalisches Universum zu entwickeln, in dem man mit Bülow „den Mikrokosmos des Beethovenschen Genius überhaupt, ja sogar ein Abbild der ganzen Tonwelt imAus- zuge“ erblicken kann.
Martin Wilkening, geboren 1959 in Hannover, lebt seit 1977 in Berlin, unterbrochen von mehrjährigen Aufenthalten in Korea und Albanien. Er studierte Musik und Literaturwissenschaft und arbeitet seit 1981 als Autor, Musikkritiker, Dozent, Lektor und Verleger.
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The Rewards of Second Looks Piano Works by Mozart and Beethoven
Paul Thomason
Wolfgang Amadeus Mozart and Ludwig van Beethoven both initially achieved fame as keyboard virtuosos, and so the music they wrote for the piano—both as a solo instrument and as part of an ensemble—inevitably reflected their ideas about performing. In 1798, Mozart’s first biographer, Franz Xaver Niemetschek, wrote, “In Vienna, above all, his piano playing was admired… His admirable dexterity, which particularly in the left hand and the bass were considered quite unique, his feeling and delicacy, and beautiful expression of which only a Mozart was capable, were the attractions of his playing.” Even rival composer and pianist Muzio Clementi was moved to exclaim, “Until then I had never heard anyone play with so much spirit and grace.” (For his part, Mozart did not think much of Clementi’s playing. In 1782 he wrote to his father, “Clementi plays well, so far as execution with the right hand goes. His greatest strength lies in passages in thirds. Apart from this, he has not a kreuzer’s worth of taste or feeling—in short he is simply a mechanicus.”) Apparently Beethoven had a slightly less exalted view of Mozart’s skills at the piano. When Beethoven was 17 years old, he visited Vienna for the first time, and there is a possibility that he took some lessons from Mozart before being summoned back to Bonn where his Mother was extremely ill. In his Life of Beethoven, Alexander
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Thayer writes, “According to a communication from [Beethoven’s pupil, Carl] Czerny to Otto Jahn, Beethoven had explained to him that he had heard Mozart play: ‘he had a fine but choppy (zerhacktes) way of playing, no ligato.’” For his part, Beethoven’s piano playing was characterized by “a rare gift of singing legato,” says his biographer Jan Swafford, though during loud passages he could break strings and hammers of the instruments of the time. Czerny remembered that Beethoven “knew how to produce such an effect upon every hearer that frequently not a eye remained dry, while many would break into loud sobs, for there was something wonderful in his expression.” By the time Mozart and Beethoven wrote the two pieces on tonight’s program they had achieved a solid, sovereign mastery of their art. As such, it is difficult to escape the thought they both were having a marvelous time composing these works that took the piano into new realms, with their combination of subtly, quirkiness, and outright musical genius.
The fact that Mozart sort of backed into writing his F-major piano sonata K. 533/494 does not take away from the fact that it is a gem, filled with the emotional richness we have come to expect from his later works. On June 10, 1786, a month after the premiere of his opera Le nozze di Figaro, he noted the composition of a “Little Rondo in F major” in his catalogue. Apparently this had been written for his student Franziska von Jacquin. A year and a half later he revisited this charming Rondo, K. 494, extending it a bit, including a 27-bar cadenza, and making it the third movement of his 15th Piano Sonata, the first two movement of which he wrote in January 1788, between the premiere of Don Giovanni in Prague and its first performance in Vienna. “[Mozart’s] music for piano solo was the most direct, the most sensitive of all his tonal thoughts,” writes John Burk. “The keyboard was his closest confidant. The sonatas are an immediate, a personal emanation.” The intimacy of the opening of the F-major sonata turns out to be rather deceptive. It begins with the right hand playing the principal theme all alone, like the opening of a fugue. Five bars later, the left hand repeats the subject on its own. However, Mozart is not writing a fugue but a brilliantly worked out example of sonata
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form, the second subject of which is also announced by the right hand alone, playing triplets. When this is repeated three measures later, the left hand introduces a rising scale passage motive that is eventually heard all alone in the left hand, as if to emphasize its importance. The way Mozart develops these themes, moving through a variety of different keys, is endlessly fascinating as well as beautiful. The following Andante in three-quarter time is “one of the most broodingly introspective movements that Mozart ever wrote for the keyboard,” says Hermann Abert. It is in the development section that the piece sometimes seems dangerously close to coming off the rails, with unexpectedly jagged harmonies that at first hearing seem to appear in an almost random manner, as if Mozart has forgotten where he is in the scheme of things. “A feeling of the bitterest self- torment” and “a sense of emotional tension unique in Mozart’s sonatas” is the way Abert describes it. And he suggests it is in the first two movements of the sonata that “the mood associated at this time with Don Giovanni finds consummate expression.” Was Mozart giving vent to some very dark emotions, was he making a sardonic jest? Was he simply seeing how far out on a compositional limb he could crawl before it broke? Whatever the impetus, this second movement, especially, seems to open the door to music that would be written in the future. Perhaps music like Beethoven would compose decades later in his monumental Opus 120?
Hans von Bülow called the “Diabelli” Variations a “microcosm of Beethoven’s art,” and the piece has often been compared to Bach’s “Goldberg” Variations. There is no doubt it is a profound, monumental work. But it is also one many music lovers struggle to embrace—which led the legendary 20th-century pianist Artur Schnabel to quip that once when he was playing the “Diabelli” Variations in a concert he was suddenly struck by the idea that he was the only one in the entire hall who was enjoying himself. In 1819, the Viennese publisher Anton Diabelli decided to capitalize on the patriotic fervor then in vogue in Vienna by issuing a publication called the Vaterländischer Künstlerverein (“Patriotic Society of Artists”) that would contain a series of variations on a “patriotic”
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waltz composed by Diabelli himself. Part of the proceeds would be given to the widows and orphans of Viennese soldiers killed during the Napoleonic Wars, and Diabelli’s new publishing firm, Cappi & Diabelli, would have the cache of having the names of some very famous and popular composers associated with the company. Fifty- one composers were invited to contribute to the project. In addition to Beethoven they included Schubert, Hummel, Moscheles, Kreutzer, Mozart’s son Franz Xaver, Czerny, and his pupil Franz Liszt, who was all of eight years old at the time. Beethoven, however, declared the theme a “cobbler’s patch” (Schusterfleck) and declined to participate. But the theme nudged at him, so he wrote to Diabelli, suggesting that he write his own set of variations, an offer Diabelli accepted gladly. Beethoven set aside work on his Missa solemnis to write almost two dozen variations, before tackling the Mass’s Gloria and Credo. It was not until 1823 that he returned to the variations project and finished it writing the variations we now know as numbers 1, 2, 15, 23–26, 28, 29, and 31. Diabelli was alarmed at the size of the work. Nonetheless “Thirty- three Variations on a Waltz by Diabelli” was published as Beethoven’s opus 120 in 1823—the year before the originally planned album finally appeared. Diabelli’s waltz (labeled “Vivace” in Beethoven’s setting) is a commonplace ditty. It’s often derided as being repetitious and not having much of a melody at all. It is the sort of simple thing one would be likely to hear in a common tavern of the day. The variations Beethoven came up with are not the primarily decorative variations that were so popular earlier in his career, but a profound exploration of the very atoms of the music itself—its clunkiness, its angularity, the heavy-handed rhythms. It is interesting that Beethoven did not call his work Variations, using the term “Variationen” as he had so often for such compositions in the past. Instead he labeled it 33 Veränderungen über einen Walzer von A. Diabelli, “changes,” perhaps even “transformations,” rather than “variations.” This almost obsessive exploration of every individual aspect of the theme sometimes results in marvelous bouts of humor alongside the profundity. Biographer Jan Swafford points out that Beethoven’s concern for simplicity was sometimes pushed “into irony, parody, even a kind of aesthetic cynicism: the implication that the fundamental material of a piece is not so important, that it may as well be one thing as another”—and that in the “Diabelli” Variations he was saying, in essence, “I can take anything at all, parody it, laugh at it,
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The good reception given to Mozart’s Don Juan gives me as much pleasure as if it were my own work. —Ludwig van Beethoven
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and still make something significant out of it, far beyond anything anybody including its originator could imagine doing with it.” From the very beginning—the first three variations—Beethoven lets us know the music refers not only to the original theme, but also to the variations themselves. The first variation abruptly changes the character of the theme entirely to a very grand, slow (“Maestoso”) march in 4 /4 time (not the waltz’s 3 /4). It is pompous music to accompany a stiff, stylized procession on the parade grounds of a military regiment where everyone is taking the proceedings seriously indeed. The mood shifts abruptly in Variation 2, where we are back in a quick 3 /4 waltz tempo, the music is all light, eighth-note staccatos, and the dynamic marking is “piano.” The huge contrast between the first two variations is one of the keys to the work, the way individual variations often play off of what we have just heard. The third variation moves from the sharp scampering of Variation 2 into a contrasting smooth, lyric vein marked “dolce,” sweetly. The variations also sometimes reference other composers, as in Variation 12, which is marked “Alla ‘Notte e giorno faticar’ di Mozart.” The first five notes in the left hand of Diabelli’s waltz are the same intervals (a fourth) as Leporello sings at the beginning of Don Giovanni when he complains of having to work night and day for his master. Beethoven not only turns Leporello’s grumbling about working too hard into a variation, he uses that as a sly dig at the piano exercises of Johann Baptist Cramer in the next variation, a parody of Cramer’s five-finger exercises that made students slave away. The composer pokes fun at the very idea of a variation in number 13 with its long silences between thumping chords that mark the change in harmony in the original theme, shorn of any melody whatsoever. This is, of course, exactly the opposite to number 9 which consists of totally obsessing with the theme’s chirping gracenote opening (its four notes being the only “melody” in the theme), something that is obviously also explored (in a somewhat smoothed-out way) in Variations 11 and 12. Variation 31 (“Largo, molto espressivo”) is like a tragic Baroque aria, with cascades of filigree flowing like so many tears, an almost shocking contrast to the strict fugue that is the following, penultimate variation. Anyone else might have ended the cycle by bringing this enormous piece to an appropriately rousing climax. And indeed, Beethoven seems to suggest that’s what he will do, throwing in a lavish cadenza after which we would naturally expect a suitably
grand close. But he has yet another trick up his sleeve. The cadenza leads, instead, to six very slow measures of transition, chords that begin fortissimo and then get softer, ending pianissimo—out of which comes a final variation, a sort of Epilogue. Diabelli’s waltz has become a minuet, suffused with a Mozartian grace that, at the end, evaporates into thin air, with a final chord bringing the whole composition to a close. The journey from Diabelli’s quirky beginning has been an enormous one, and along the way Beethoven has peppered the score with an astonishing number of things to draw our attention, enough to repay a lifetime of study, listening, and pondering—all originating from one of the most unprepossessing themes imaginable.
Paul Thomason writes for opera houses, symphony orchestras, and cultural centers in the U.S. and Europe, in addition to lecturing and teaching about music. He is based in New York City but visits Germany as often as he can.
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