Frauenliebe und Natur, Nacht und Sterben Lieder von Franz Schubert
Michael Horst
Vielfältig sind die inhaltlichen, poetischen und musikalischen Aspekte des heutigen Liederabends: Weder beschränken sich Mojca Erdmann und Malcolm Martineau auf eine Auswahl von Frauenliedern Schuberts, noch stehen allein die zahlreichen Vertonungen von Natur- und Nachtgedichten im Mittelpunkt. Groß ist dagegen der zeitliche Horizont von 15 Jahren, der fast das gesamte Schaffensspektrum des Komponisten abdeckt. In diesem Rahmen erklingen Liebes- und Abendlieder genauso wie Hymnen an den Frühling und Reflektionen über Tod und Sterben. Eines macht dieses Programm deutlich: Der unscheinbare, eher introvertierte Schubert war, so darf man es formulieren, ein Gigant in der musikalischen Schilderung unterschiedlichster seelischer Befindlichkeiten – und sein besonderer Rang kündigte sich bereits in seiner allerersten komplett erhaltenen Liedkomposition an, die das Programm eröffnet. Als Hagars Klage entstand, war der Komponist gerade einmal 14 Jahre jung, Schüler am k.u.k Stadtkonvikt in Wien und bereits eifrig mit Komponieren beschäftigt, wie sein Mitschüler und lebenslanger Freund Josef von Spaun später berichtet hat: „Schon in einem Alter von 10–11 Jahren ver suchte sich Schubert in kleinen Liedern, Quartetten und kleinen Klavierstücken. – Er vertraute mir an, dass er seine Gedanken öfter heimlich in Noten bringe, aber sein Vater dürfe es nicht wissen…“ Ungewöhnlich war diese Be schäftigung nicht, gehörte doch eine gediegene musikalische Ausbildung plus Orchesterspiel zur festen Einrichtung im Konvikt, wobei sich Schubert als Sopranist, Geiger und Sub-Dirigent des anstaltseigenen Orchesters hervortat. 5