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MEMEX

George Lewis

Der US-amerikanische Ingenieur Vannevar Bush beschrieb 1945 in einem Artikel mit dem Titel «As We May Think» (dt. Wie wir denken könnten) seine technische Vision des sogenannten Memex (Memory Extender) – einer fiktiven Apparatur zur Erweiterung des menschlichen Gedächtnisses, mit der eine vor einem Bildschirm sitzende Person all ihre Bücher, Aufzeichnungen und Kommunikation speichern könnte.

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Bush ging davon aus, dass der menschliche Geist mit Assoziationen arbeitet. Kaum hat er sich eine Information beschafft, greift er schon auf die nächste zu, die durch Gedankenassoziation nahegelegt wird. Seine Technikutopie war eine Inspirationsquelle für das in den späten Sechzigerjahren entworfene Hypertext-Konzept, das wiederum zur Erfindung des World Wide Web führte.

Für den Komponisten George Lewis hingegen sind rein assoziative Vorstellungen vom Denken, Wahrnehmen und Fühlen nicht komplex genug, um die im Grunde improvisatorische Natur dieser Vorgänge zu erfassen. Der in seinem Orchesterwerk «Memex» verfolgte kompositorische Ansatz basiert auf einem Diskurs mit Elementen, die komplexe Strukturen bilden, sich auf eine bestimmte Art und Weise verhalten, sich mit anderen Gruppen neu kombinieren und in anderer Form und Gestalt wieder auftauchen.

Obwohl das Stück keine Improvisation von den Mitwirkenden beinhaltet, bringt erst die Begegnung mit der Hörerin oder dem Hörer die assoziative Assemblage zur vollen Entfaltung, wobei die Aktivität des Hörens und des Komponierens ineinanderfliesst. «Memex» ist eine spielerische Auseinandersetzung mit Unbestimmtheit und Handlungsmacht, mit der Analyse des Gegebenen und der Unbeständigkeit der Erinnerung – mit dem letztlich unbeschreibbaren Moment, aus dem eine Entscheidung hervorgeht.

Der US-amerikanische Ingenieur Vannevar Bush bei der Begutachtung eines von ihm entwickelten Analogcomputers.

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