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aktuell] Heinze Summit Südtirol

Autor: Klaus G. Füner

How to Holiday – Aspekte & Potenziale für die Urlaubsgesellschaft von morgen

Ein Bericht über den Heinze Summit „Future Hospitality“ in Südtirol

Wenn man in unseren Breiten mit Expertinnen und Experten über die Zukunft der Hotel- und Beherbergungsbranche sprechen möchte, liegt es nahe, dies in einem Land, an einem Ort zu tun, den man durchaus als die Wiege des deutschen Tourismus der Nachkriegszeit bezeichnen könnte. Die Rede ist natürlich von Italien, genauer von Südtirol. Unweit von Brixen befindet sich seit kurzem ein kleiner Hotelneubau mit nur 30 Zimmern, der wegen diverser pandemiebedingter Schließungen noch nicht allzu viele Gäste gesehen hat. Geplant und realisiert wurde das Hotel mit dem melodisch klingenden Namen Milla Montis vom Mailänder Architekturbüro Peter Pichler Architecture. Franziska und Roland Oberhofer leiten das Haus authentisch und mit professioneller Leichtigkeit. 2019 haben sie für ihr Vorhaben einen kleinen Architekturwettbewerb ausgelobt. Nach dem Zuschlag an Pichler brauchte das Projekt vom ersten Strich bis zur Fertigstellung und Eröffnung im Oktober 2020 nur achteinhalb Monate, sechs Wochen Corona-Baustopp inklusive.

Hotel Milla Montis in Meransen, Südtirol

Foto] Klaus G. Füner

Wir haben das komplette Haus exklusiv für unseren Summit gemietet. Erstmals richtete sich daher die Anzahl der Teilnehmenden nach der Anzahl der zur Verfügung stehenden Zimmer. Neben der Planungs- und Herstellerbranche waren auch Gäste aus den Bereichen Projektentwicklung, Hotelbetrieb und -beratung eingeladen, sodass wir mit ganzheitlichem Blick die Zukunft der Branche in den Fokus nehmen konnten. Simon Winker ist Berater bei der PKF hospitality group und ein ausgewiesener Experte für die Entwick- lung neuer Hospitality-Konzepte und -Standorte. In seinem Einführungsvortrag beleuchtete er die Geschichte des modernen Tourismus ab der Mitte des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Mit dem enormen Anstieg der Wirtschaftsleistung der Bundesrepublik zwischen 1960 und 1970 entdeckten die Deutschen das Reisen für sich und befeuerten so den Südtiroler Unternehmergeist. Die Übernachtungszahlen stiegen so von unter 1 Mio. in den 1950er-Jahren auf weit über 33 Mio. bis 2019.

Gruppenfoto am Kalterer See auf der Terrasse des Seehotel Ambach

Foto] Klaus G. Füner

Im Mittelpunkt steht wie immer der Mensch!

Global betrachtet entwickelt sich der Tourismus seit den 1970erJahren zum Massenprodukt. Egal ob Schnäppchenjagende oder Luxusreisende, es gilt das persönliche Bedürfnis zu befriedigen. Aspekte und Facetten von sich immer weiter individualisierenden, vornehmlich westlich geprägten Lebensformen, sorgen in jüngerer Vergangenheit für ein multiples Angebot. Im klassischen Urlaubsgeschäft lassen Themen- und Erlebnisangebote immer neue Nischen entstehen. Gleichzeitig lassen Langzeitangebote im Bereich der gewerblichen Beherbergung die Grenzen von privatem Wohnen und Urlaub immer mehr verschmelzen. Wo also endet das Wohnen und wo genau beginnt der Urlaub? Anfang der 1990erJahre lautete die Antwort so: „…Tourismus ist die Gesamtheit der Beziehungen und Erscheinungen, die sich aus der Reise und dem Aufenthalt von Personen ergeben, für die der Aufenthaltsort weder hauptsächlicher noch dauernder Wohn- noch Arbeitsort ist.“ Quelle: Die Tourismuslehre im Grundriss, Claude Kaspar, 1991 Dass diese Definition aus einem Standardwerk des Tourismus heute nicht mehr ganz so scharfkantig formuliert werden kann, ist jedem von uns bewusst. In einer singlegeprägten Dienstleistungsgesellschaft wie Deutschland kann Wohnen und Arbeiten mittlerweile überall sein, solange die Internetanbindung stabil ist. Nicht erst seit Corona bieten Homeoffice und mobile Arbeitsverträge für viele Berufstätige völlig neue Perspektiven.

Einführungsvortrag von Simon Winker, PKF hospitality group

Foto] Klaus G. Füner

In diesem Zusammenhang ist das „Serviced Living“ als Schnittmenge zwischen Hospitality und Residential seit mehr als einem Jahrzehnt ein extrem boomender Markt in der Beherbergungsbranche. Ausgerichtet auf Langzeitaufenthalte, zielt es auf die Bedürfnisse bestimmter Personengruppen und ihre jeweiligen Lebenssituationen ab. Die facettenreichen Produkte dieser Kategorie tragen Namen wie „Serviced Apartments“ für Berufstätige, „Micro Apartments“ oder „Student Accomodation“ für Studierende, „CoLiving“ für Wohngemeinschaften auf Zeit, meist in Verbindung mit einem Co-Working-Angebot, „Senior & Assisted Living“ für betreutes Wohnen im Alter. „Branded Residences“ für komplett ausgestattete Luxuswohnungen inklusive angeschlossenem Service für Vermögende. Natürlich gibt es auch noch die bekannten „Boarding Apartments“ und „Aparthotels“, also Apartments, die einem direkten Hotelservice angeschlossen sind. In Post-Corona-Zeiten und durch den damit verbundenen eklatanten Mangel an Servicekräften stellt auch das „Staff Housing“ im Sinne einer attraktiven Unterbringung des Hotelpersonals einen Zukunftsmarkt dar.

Partnergespräch mit Andreas Wahsner von Metallart Treppen

Foto] Klaus G. Füner

Neue Bedürfnisse, neue Märkte, neue Zielgruppen, neue Produkte – Die Aktionsfelder der Branche sind vielfältig und immer neue Themen und Begriffe machen die Runde. Hier eine kleine Auswahl:

Glamping – Ein Wortspiel – Glamourös und Camping beschreibt die Form des Luxus-Campings.

Workation – beschreibt die Kombination von Arbeiten und Urlaub am Urlaubsort.

Future Health – ist die Entwicklung vom klassischen Wellness zu Selfness. Es handelt sich dabei um Angebote für die gesundheitsbewusste Klientel, die von Soft Health, Mental Fitness über Radical Fitness bis hin zu Medical Wellness reichen.

Regiofair – beschreibt Angebote in naturnaher Umgebung. Der Gast möchte die Region schmecken und erleben.

Staycation – ist ein Begriff für den Urlaub zu Hause oder in unmittelbarer Nähe des eigenen Lebensmittelpunktes, bedingt durch wirtschaftliche Einschränkungen oder auch veranlasst durch ein gesteigertes Umweltbewusstsein.

Links: Johannes Hanf von Nieto Sobejano Arquitectos Rechts: Simon Winker, PKF hospitality group im Bootcamp

Foto] Klaus G. Füner

Wolfgang Gallas von monoplan über Hospitality Sehnsüchte & Konzepte der Zukunft im Workshop

Foto] Klaus G. Füner

Welchem thematischen Fokus widmet sich eine Gruppe von Hotelexpertinnen und -experten, die nun in einem dreitägigen Workshop aufeinandertreffen, um Visionen für die Zukunft der Branche zu entwickeln? Das haben wir in einem Open-Space-Workshop tatsächlich gemeinsam definiert. Ausgehend von den Begriffen: HEIMAT, TECHNOLOGIE, MENSCH, SEHNSUCHT, KONZEPT, KULTUR & VERANTWORTUNG, wurden Stichworte gesammelt und jeweils erläutert. Dabei ist klar geworden, dass es natürlich immer um Wechselbeziehungen geht. Wir haben also Wortpaare gebildet, Fragen formuliert, diese in Kleingruppen bearbeitet und zusammengefasst:

Thema 1: Heimat & Kultur – Sind Tradition und Herkunft Potenzial oder Ballast für die Branche?

Von Marion Uhl – Designer‘s House; Janna Störmer – Elbstrand & Mannschaft; Henning Rothfuss – Novum Hospitality; Michaela Voß-Bergsieker – hotelident; René Risom – Unidrain; Dominikus Seisenberger – Arnold/Werner Architekten

Die authentische Erlebbarkeit von Kultur und Tradition ist ein wichtiger Bestandteil im Tourismus, der ein Grundbedürfnis der Reisenden bedient: die Neugierde nach dem Fremden, nach unbekannten Eindrücken und Erfahrungen. Natürlich hat die Kommerzialisierung des Reisens kulturelle Aspekte in vielerlei Hinsicht überstrapaziert, gleichzeitig hat diese Kommerzialisierung die Kultur zugunsten einer Fokussierung auf den Erholungsfaktor geradezu eliminiert. Tradition wird in dem einen wie in dem anderen Fall zwangsläufig zum Ballast. Heimat und Kultur sollte für die Zukunft immer ein Bestandteil des Reisens sein, denn kulturelle Vielfalt schafft Identität in einer globalisierten Welt.

Sehnsucht & Konzept – Welches sind die Bedürfnisse, Bedarfe & Bedingungen für die Märkte von morgen?

Von Gerhard Gerstenmayer – Hirt Swiss Descending Windows; Hendrik Wirths –Chapman Taylor; Hanna Seiwald – Snow Architektur; Eric Svirachev – josep; Daniel Matis – SMAP Architektur; Wolfgang Gallas – monoplan; Anna Sebeczek – Jung

Sehnsüchte sind Basis und essenzieller Bestandteil der HospitalityKonzepte von morgen, egal ob es um Staycation, Workation, CoLiving oder einfach nur um den nächsten Familienurlaub geht. Die Bedingungen, zu denen die Bedürfnisse in Zukunft befriedigt werden können, sind klar. Wir müssen ökologische Verantwortung übernehmen und nachhaltige touristische Konzepte etablieren. Es geht um soziale Gerechtigkeit und um Gleichberechtigung. Die Sehnsucht nach der Ferne kennt vermutlich jeder Mensch auf diesem Planeten, jedoch ist die Nutzung der Angebote ein Luxus, der nur wenigen Menschen vorbehalten ist. Es muss daher zukünftig auch clevere Angebote zu erschwinglichen Preisen geben, um die Erfüllung aller Sehnsüchte zu ermöglichen.

Mensch & Verantwortung – Was sind Prinzipien für einen Tourismus im Einklang mit Natur und Umwelt?

Jutta Reidl – Jutta Reidl Interior Design; Simon Winker – PKF hospitality group; Ralf Kotowsky – SG-Leuchten; Andreas Wahsner – MetallArt Treppen; Stefan Skorupa – TSSB architekten; Markus Mehwald – cruu architecture

Der Tourismus stellt für viele Länder die Haupteinnahmequelle dar. Gleichzeitig schadet er Natur und Umwelt in erheblichem Maße. Wie also können wir der zuvor angesprochenen Sehnsucht nach der Ferne frönen, ohne einen größeren ökologischen Fußabdruck zu hinterlassen. Dies erfordert nicht nur eine Änderung der Denkweisen, es erfordert auch eine Neuausrichtung des Systems. Denn solange ein klimaneutrales Reisen an naturkonforme Orte nicht möglich ist, kann es einen ökologisch nachhaltigen Tourismus nicht geben. Die einzig umweltverträgliche Antwort aus heutiger Sicht lautet also „Staycation“. Nun mal ganz ehrlich – der Ablasshandel mittels CO2-Kompensationen ist vielleicht beruhigend, aber sicher nicht die Lösung!

Technologie & Mensch – Benefit oder Blödsinn? Bedeutung, Einfluss und Nutzen neuer Technologien

Timo Sachse – Finstral; Nikola MedrowBürk – GBP Architekten; Katharina Beatriz Varga – Jung; Johannes Hanf – Nieto Sobejano Arquitectos; Peter Irmscher – Zaha Hadid Architects; Maike Arndt –Althoff Hotels

Natürlich wäre unsere Welt analog nicht mehr denkbar. Auch nicht in der Hotelund Beherbergungsbranche. Der Nutzen für die Branche ist natürlich immens und wird in Zukunft noch weitaus größeren Einfluss nehmen. Die Reise beginnt digital mit der Suche nach der passenden Unterkunft per Sprachsteuerung, im Web, mit der richtigen BuchungsApp oder auch via Empfehlung einer Social-Media-Plattform. Vor Ort checken wir selbstverständlich kontaktlos ein. Unser Lieblingshotel kennt und erkennt uns. Es wählt die präferierte Lichtstimmung, bringt das Zimmer auf unsere Wunschtemperatur und natürlich läuft zur Begrüßung der persönliche Lieblingssong. Wir nutzen die Hotel-App auf dem hauseigenen Endgerät für Bestellungen, Weck- und Reinigungsdienst, touristische Empfehlungen und so weiter. Der Nutzen von Technologie aufgrund von Sichtbarkeit und Services ist für die Branche gigantisch. Wer es einmal anders mag, kann alternativ natürlich auch im online gebuchten OfflineHotel absteigen und frei von Technik mal so richtig abschalten.

Der Heinze Summit Südtirol wurde ermöglicht durch:

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