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Erfolgreiche Sicherheits sprengung im Bergell
BaUSTEllE des Monats
ERFolGREICHE SICHERHEITSSPREnGUnG im Bergell
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Mit einer Sprengung von 12’000 Kubikmeter Fels schützten die Experten der Gasser Felstechnik AG die Umgebung von Casaccia im Bergell (GR) vor weiteren Felsstürzen. Rund 3.5 Tonnen Sprengstoff wurden am 16. Juli 2020 um 13:30 Uhr präzise zur Detonation gebracht. Ein Einblick in die Herangehensweise.
Text: Anita Bucher Fotos: Mayk Wendt und Gasser Felstechnik AG
Im italienischsprachigen Teil des Kantons Graubünden ereignete sich am 24. August 2014 bei Casaccia ein grosser Felssturz. Nach diesem Ereignis wurde die Strasse von Casaccia ins Val Maroz für den Verkehr sicherheitshalber gesperrt. Im Tal befindet sich neben einer Alp jedoch auch eine lokale Wasserfassung, wofür die Bergstrasse befahrbar sein muss. Ab 2015 wurden die Felsbewegungen im Abbruchgebiet permanent überwacht und die Strasse freigegeben. Aufgrund der Katastrophe in Bondo 2017 und des verbleibenden Restrisikos entschlossen sich die Gemeindebehörden schliesslich zu einer präventiven Sicherheitssprengung im Gebiet Boca Neira. Der Auftrag wurde nach einer vorgängigen Submissionsphase im Frühling 2020 an die Experten der Gasser Felstechnik vergeben.
Digitale Drohnenvermessung als Erfolgsschlüssel
Die präziser Vermessung durch digitale Technologien gilt als Erfolgsschlüssel für exakt angelegte Sprenganlagen. Beim Projekt Boca Neira kamen für die Vermessung Drohnen zum Einsatz, was eine wesentliche Rationalisierung des Prozesses ermöglichte. In unzugänglichem oder schwer einsehbarem Gebiet, wie es in Casaccia der Fall ist, können damit schnell und kostengünstig Plangrundlagen beschafft werden. Mit dem Tauwetter im Frühling konnte die Sprengstelle schliesslich auch begangen werden. Die Sprengmeister bestimmten das Bohrraster und steckten die Bohrlöcher inklusive GPSKoordinaten der Bohrlöcher vor Ort ab. Während der Begehung wurde die Bruchwand mit der Drohne aufgenommen und daraus im Büro ein 3D-Modell der Sprenganlage erstellt.
3D-Modell der Sprenganlage
Gemeinsam mit den Vertretern der Gemeinde Bergell, der Bauleitung Caprez Ingenieure AG und dem Geologen Yves Bonanomi verglichen die Projektverantwortlichen der Gasser Felstechnik AG das 3D-Modell mit den Unterlagen aus dem Vorprojekt: Das Kluftmodell und das fotografisch generierte 3D-Modell stimmten erfreulicherweise exakt überein. Jetzt konnten die gewünschten Blockgrössen aus der Sprenganlage besprochen und definiert werden. Das 3D-Modell diente den Sprengmeistern weiter als Grundlage für die Bestimmung der Zünderlängen, der Planung des redundanten Zündsystems und der Installationsflächen sowie zur Definition der notwendigen Sperrzonen im akut absturzgefährdeten Abbauperimeter.
Logistik und Sicherheitskonzept
Der Zugang zur Baustelle war nur über einen Wanderweg oder per Helikopter möglich. Somit musste ein Flucht- und Sicherheitskonzept für Notfälle erstellt werden, falls die Baustelle notfallmässig geschlossen werden müsste, wenn der Helikopter bei einem plötzlichen Wetterumschwung nicht fliegen könnte. Notschlafstellen mitsamt sanitären Anlagen und Notrationen zur Verpflegung mussten geplant und eingerichtet werden. Der Fluchtweg ins Tal (via Wanderweg) musste begangen werden. Am 22. Juni 2020 trafen die ersten Lastwagen in Casaccia ein. Ein Teil des Baustellenteams bereitete das Material und Inventar für den Helikoptertransport vor, der andere Teil flog bereits zur Baustelle und bereitete die Installationsflächen vor. Dank Wetterglück konnte sämtliches Inventar und Material planmässig geflogen werden. Die Baustelle wurde für Mensch und Tier abgesperrt und signalisiert. Absturzsicherungen, Sperrzonen und Anseilstellen wurden dem Sicherheitskonzept folgend erstellt und markiert und eine Telejointanlage zur Überwachung der Sperrzone in Betrieb genommen. Bei der ganzen Installation galt es zudem Umweltauflagen einzuhalten.
Präzise Bohrungen und Ladeberechnung
Die 79 Bohrlöcher wurden mit Imlochhämmer und Handbohrlafetten erstellt. Zur Verkürzung der Bauzeit arbeitete die Gasser Felstechnik AG mit zwei Bohrequipen. Bohrlöcher in der für eine erfolgreiche Sicherheitssprengung notwendigen Präzision auszuführen, stellt eine echte Herausforderung dar. Die bis zu 42 m tiefen Sprenglöcher forderten den involvierten Bohrmeistern ihre volle Erfahrung ab. Nach Abschluss der Arbeiten
Nach dem Felssturz blieb beim Abbruchgebiet ein gefährlicher Überhang bestehen, der schlussendlich erfolgreich weggesprengt werden konnte.
wurden die Bohrlöcher mit einer Bohrlochsonde vermessen und die gewonnenen Daten dem 3D-Modell hinzugefügt. So konnte der genaue Bohrlochverlauf ermittelt werden. Als schlussendlich alle Plangrundlagen und Vermessungen der gebohrten Sprenganlage vorhanden waren, erfolgte die Ladeberechnung. Jedes Bohrloch wurde einzeln betrachtet und die dafür notwendige Sprengladung berechnet und dokumentiert. Die Ladesäulen wurden aufgezeichnet und betriebsintern besprochen. Dabei spielte die Erfahrung aller Beteiligten eine wesentliche Rolle.
«auf Gebirgsbaustellen ist ein guter Teamspirit das a und o.»
500 Millisekunden entscheiden
Am Montag, dem 13. Juli 2020 wurde der Sprengstoff auf die Baustelle Boca Neira eingeflogen und mit den Ladearbeiten begonnen. Ziel war, die Sprenganlage bis Mittwochabend zu laden, um am 16. Juli pünktlich zu sprengen. Die Sprengwachen für die Nächte zwischen dem 13. und 16. wurden aufgezogen – und dabei mit Bratkäse vom RechaudOfen bei Laune gehalten. «Auf Gebirgsbaustellen ist ein guter Teamspirit noch etwas entscheidender», meint Robert Haas, Leiter Sprengbetriebe bei Gasser Felstechnik dazu mit einem Schmunzeln. Am Sprengtag fand frühmorgens eine Koordinationssitzung aller Beteiligten statt, um den Tagesablauf bis zum Sprengtermin nochmals genau zu tackten. Nach drei Tagen intensiver Vorbereitungen unter hoher Konzentration sollten nun 500 Millisekunden über Erfolg oder Misserfolg der Sicherheitssprengung entscheiden.
Zündung!
Die Absperrposten aufgezogen und das Felssturzgebiet nochmals mit dem Helikopter abgeflogen, um sicherzustellen, dass sich keine Personen oder Wildtiere in der Gefahrenzone befinden. Während das Sicherheitsdispositiv aufgezogen wurde, hat das Baustellenpersonal das redundante Zündsystem erstellt und die gesamte Sprenganlage nochmals kontrolliert. Pünktlich um 13:30 Uhr durfte der verantwortliche Sprengmeister die Sicherheitssprengung Boca Neira nach den Hornsignalen auslösen. Die rund 3.5 Tonnen Sprengmittel detonierten vollständig und beförderten 12’000 Kubikmeter Fels ins Tal. Nach der Besichtigung der Sprengstelle konnte ein erfolgreiches Ergebnis verzeichnet werden. «Es lief einfach alles perfekt», bilanziert Geologe Bonanomi: «Der Fels wurde exakt so abgeschnitten wie geplant.» Am 22. Juli konnte die Baustelle der Gemeinde für die anschliessenden Aufräumarbeiten der Geröllhalde, Strassensanierung und Fertigstellung wieder übergeben werden. Ueli Weber, zuständiger Vize-Gemeindepräsident von Bregaglia lobt die partnerschaftliche Zusammenarbeit von Bauleitung, Ingenieure, Geologen und Bauunternehmung: «Die Sprengung ist absolut vorbildlich abgelaufen.»