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Rechtsecke

RECHTSECKE Keine Mängelhaftung für den «Hersteller-Verkäufer»?

Kann bei einem Neubau die Gewährleistung jeglicher Baumängel vertraglich wegbedungen werden? Mit dieser Frage musste sich ein Gericht im Aargau beschäftigen, nachdem sich die Fundation eines neuen Einfamilienhauses als ungenügend erwiesen hatte.

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Text: Andrea Lenzin, Rechtsanwalt, Rechtsdienst Baukader Schweiz

Haus mit Seeblick …

Die Heimbau & Plan AG (H&P) ist eine im Bau- und Immobiliengewerbe tätige Firma. Als Bauherrin und Bauleiterin lässt sie kleine und mittelgrosse Einfamilienhäuser herstellen, die sie anschliessend schlüsselfertig an Privatkunden verkauft.

Im Frühling 2017 erwirbt die H&P ein Grundstück mit Seeanstoss in einer kleinen Aargauer Seegemeinde, plant darauf den Bau eines zweistöckigen Einfamilienhauses und lässt es nach Unterzeichnung eines GU-Vertrages durch das Bauunternehmen FeinBau AG erstellen. Das Haus wird im Spätherbst 2018 an die H&P AG übergeben. Besondere Vorkommnisse oder Probleme waren während dem Bau nicht zu verzeichnen. Im Frühling 2020 verkauft die H&P AG das erstellte Haus an die Eheleute Fischer. Im Kaufvertrag wird festgehalten, dass «im gesetzlich zulässigen Rahmen jegliche Gewährleistung für Baumängel wegbedungen» werde.

… auf unsicherem Grund

Einige Monate nach dem Kauf stellen Herr und Frau Fischer fest, dass im Gästezimmer ihres Hauses sowohl das Aussenfenster als auch die Zimmertüre nicht geöffnet gehalten werden können; einmal geöffnet gleiten sie nach kurzer Zeit wieder dem Tür- bzw. Fensterrahmen zu. Der Schreiner bringt jeweils nur für kurze Zeit Abhilfe, danach stellt sich das Problem immer wieder unverändert ein. Die Eheleute Fische lassen darauf ihr Haus durch einen Fachmann prüfen; es stellt sich heraus, dass sich das Gebäude in der nordöstlichen Ecke um etwa 2 cm geneigt hat. Grund dafür seien mangelhafte Fundationen, namentlich das fehlende Einlassen von Betonsporen in den gewachsenen, aufgrund der Nähe des Sees nicht genug festen Baugrund. Die Sanierungskosten können dank der frühzeitigen Erkennung des Mangels auf CHF 200 000.–beschränkt werden.

Herr und Frau Fischer Klagen die H&P AG auf Ersatz der entstandenen Kosten ein. Die Verkäuferin beruft sich auf die im Kaufvertrag ausdrücklich vereinbarte Haftungseinschränkung.

Die Haftungsbegrenzung hat ihre Grenzen

Das Gericht gibt den klagenden Käufern Recht. Es stützt sich dabei auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts, wonach bei Grundstückverträgen Mängel dann nicht vom Gewährleistungsausschluss erfasst werden, wenn sie ausserhalb dessen liegen, womit der Käufer vernünftigerweise rechnen durfte.

Die Eheleute Fischer hätten nicht eine bestehende Altbaute, sondern ein unter der Bauherrschaft erstelltes, neues Einfamilienhaus erworben. Damit, dass die Fundamente des zum Verkauf stehenden, neu erstellten Seehauses nicht genügend verankert waren und das Haus unter Umständen mit der Zeit völlig gebrauchsuntauglich werden konnte, mussten die Käufer unter den gegebenen Umständen nicht rechnen. Die vertragliche

Haftungsbegrenzung komme demzufolge für den gerügten Mangel nicht zum Tragen und H&P AG habe für den entstandenen Schaden die volle Verantwortung zu übernehmen.

Fazit

Auch beim Immobilienkauf erstrecken sich Haftungsausschlüsse lediglich auf Mängel, die nach objektiven Kriterien voraussehbar waren und womit der Käufer vernünftigerweise rechnen musste. Beim Kauf eines Neubaus darf der Käufer grundsätzlich ausschliessen, dass die Fundation des Hauses ungenügend ist und das Haus deswegen früher oder später unbrauchbar werden könnte. Andererseits sollen Freizeichnungsklauseln in Grundstückkaufverträgen dazu dienen, den Verkäufer von der Haftung für Schäden zu befreien, dessen Risiko er nicht selbst einschätzen kann. Den Hersteller-Verkäufer trifft aber insofern eine erweiterte Haftungspflicht, weil er als Bauherr selbst an der Erstellung des Bauwerks beteiligt war und demzufolge besser in der Lage ist, das Mängelrisiko einzuschätzen.

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