Wirtschaft und Politik USA: Vierteljährliche Kerndaten und -fakten
Aktuelle wirtschaftliche und politische Situation in den USA Ausgabe 3/2014
Wirtschaft und Politik USA: Vierteljährliche Kerndaten und -fakten Aktuelle wirtschaftliche und politische Lage in den USA Nach negativen Wachstumszahlen zu Beginn des Jahres wuchs die US-Wirtschaft im zweiten Quartal deutlich. Allerding hinken der Immobilienmarkt und die Sparquote der positiven Entwicklung noch etwas hinterher. Andere Indikatoren wie die Arbeitslosigkeit und die Investitionsquote haben sich hingegen in den letzten Monaten auf einem konstant guten Niveau stabilisiert. Die Leistungsbilanz konnte den negativen Trend der ersten Monate umkehren, verzeichnet aber weiterhin ein Defizit. In der Haushaltspolitik ist es derzeit ruhig. Dies erhöht jedoch die Unsicherheit im Hinblick auf die wahrscheinlich auslaufende Aussetzung der Schuldenobergrenze im März 2015. Vor den Kongresswahlen im November kann nicht mehr mit größeren Gesetzesinitiativen gerechnet werden.
Datum 14. Oktober 2014 Seite 1 von 10
Wirtschaftliche Lage Wirtschaftswachstum: Nach einem schlechten Start in das Jahr 2014 – das BIP verzeichnete ein negatives Wachstum von -2,1 Prozent im ersten Quartal – fielen die Zahlen für das zweite Quartal deutlich positiver aus. Laut der Schätzung des U.S. Bureau of Economic Analysis (BEA) wuchs die US-Wirtschaft um 4,6 Prozent. Positiv zum BIP-Wachstum trugen insbesondere Exporte, private Konsumausgaben, private Lagerinvestitionen, Anlageinvestitionen und Staatsausgaben bei. Lediglich steigende Importe dämpften das Wachstum. Für 2014 erwartet der IWF derzeit ein Gesamtwachstum von 1,7 Prozent (Zahlen des IWF vom Juli 2014). Die OECD hingegen geht von einem Wachstum von 2,1 Prozent für das Jahr 2014 aus. Eine Umfrage der National Association for Business Economics (NABE) unter 257 US-Ökonomen ergab, dass mehr als die Hälfte der Befragten die wirtschaftliche Erholung gefährdet sieht. Grund ist die Ungewissheit darüber, wie mit der im März 2015 auslaufenden Aussetzung der Schuldenobergrenze weiter verfahren wird (s. hierzu auch Staatsschulden/Haushaltsdefizit, S. 3).
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Reales Wachstum des BIP in Prozent in Preisen von 2009, 1980 bis 2014
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-4 Jahreswerte
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Quartalswerte
2014
2012
2010
2008
2006
2004
2002
2000
1998
1996
1994
1992
1990
1988
1986
1984
1982
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1980
-10
Quelle: U.S. Bureau of Economic Analysis, National Income and Product Account Tables, Table 1.5.1, via <http://www.bea.gov/iTable/index_nipa.cfm>.
Sparquote: Die private Ersparnis als Teil des verfügbaren Einkommens stieg leicht von 4,9 Prozent (Q1/2014) auf 5,3 Prozent (Q2/2014). Somit liegt die Sparquote derzeit etwas über dem Jahresdurchschnitt von 2013 (4,9%). Dies deutet darauf hin, dass sich die Erwartungen der Bevölkerung an die wirtschaftliche Entwicklung etwas verschlechtert haben. Ein möglicher Auslöser der Skepsis dürften die schlechten Wachstumszahlen des ersten Quartals sein. Es bleibt abzuwarten, ob die Sparquote als Folge des starken Wachstums im zweiten Quartal wieder abnimmt. Investitionsquote: Die Investitionstätigkeit der US-Unternehmen war über die letzten Monate sehr konstant. Nachdem die Investitionsquote (private Investitionen als Anteil am BIP) sowohl im dritten als auch im vierten Quartal 2013 16,1 Prozent betragen hatte, stieg sie zuletzt nach einem leichten Rückgang im ersten Quartal (15,9%) auf 16,4 Prozent an. Arbeitslosigkeit: Die Arbeitslosenquote liegt aktuell bei 5,9 Prozent (September 2014), verglichen mit 7,2 Prozent im September 2013. Mit Ausnahme eines leichten Anstiegs im Juli auf 6,2 Prozent sank die Arbeitslosigkeit seit dem Frühjahr weiter. Der leichte Anstieg im Juli wird darauf zurückgeführt, dass mehr Personen aufgrund guter Jobaussichten auf den Arbeitsmarkt drangen (Hintergrund: in den USA werden lediglich aktiv Jobsuchende als arbeitslos gezählt). Der Beschäftigungszuwachs im Vergleich zum ersten Quartal verteilte sich auf verschiedene Sektoren; insbesondere wuchs die Zahl der Angestellten im Bereich professionelle und Unternehmensdienstleistungen, im Einzelhandel, in der Produktion, in der Bauwirtschaft und im Gesundheitswesen wie das U.S. Bureau of Labor Statistics (BLS) mitteilte.
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Arbeitslosenquote, August 2012 - September 2014
8,5 8,0 7,5
Arbeitslosigkeit in Prozent
7,0 6,5 6,0 Aug 12 Sep 12 Okt 12 Nov 12 Dez 12 Jan 13 Feb 13 Mrz 13 Apr 13 Mai 13 Jun 13 Jul 13 Aug 13 Sep 13 Okt 13 Nov 13 Dez 13 Jan 14 Feb 14 Mrz 14 Apr 14 Mai 14 Jun 14 Jul 14 Aug 14 Sep 14
5,5
Quelle: U.S. Bureau of Labor Statistics, Labor Force Statistics from the Current Population Survey, <http://data.bls.gov/timeseries/LNS14000000>.
Immobilienmarkt: Nach Informationen des U.S. Department of Housing and Urban Development schwächte sich die Erholung des Immobilienmarktes im ersten Quartal 2014 ab. Die Zahl der neuen Baugenehmigungen sank zwischen Q4/2013 und Q1/2014 um 5,1 Prozent. Die Zahl der Baustarts (Anzahl der privaten Wohneinheiten, an denen Bauarbeiten begonnen haben) fiel um 8,7 Prozent gegenüber Q4/2013 und um 3,5 Prozent gegenüber Q1/2013. Die Anzahl der im Bau befindlichen Häuser stieg jedoch, und zwar von 711.000 (Q4/2013) auf 718.000 (Q1/2014); dies entspricht einem Anstieg von einem Prozent. Gegenüber Q1/2013 wuchs die Zahl der im Bau befindlichen Häuser um ganze 21,1 Prozent. Die Verkaufszahlen für neue Häuser fielen dagegen im ersten Quartal, und zwar um 2,5 Prozent gegenüber Q4/2013 und um 3,2 Prozent gegenüber Q1/2013. Verkäufe bereits existierender Wohneinheiten nahmen ebenfalls um 6,9 Prozent gegenüber Q4/2013 und um 6,6 Prozent im Vergleich zu Q1/2013 ab (Anmerkung: die Anzahl der verkauften Wohneinheiten bezieht sich hier lediglich auf Einfamilienhäuser). Hauspreisindizes wie der S&P/Case Shiller Index oder auch der Index der Federal Housing Finance Agency zeigen, dass Immobilienwerte seit acht Quartalen gestiegen sind. Beide Indizes zeigen sogar, dass die Immobilienpreise während der letzten acht aufeinanderfolgenden Quartale ununterbrochen gestiegen sind. Der NAHB/Wells Fargo Housing Market Index (HMI) sagt für das zweite Halbjahr eine Belebung des Marktes voraus. Staatsschulden/ Haushaltsdefizit: Das Office of Management and Budget (OMB) bestätigte für das Haushaltsjahr 2013 den Staatsschuldenstand von $16,7 Billionen. Mit einem BIP von $16,6 Billionen betrug die Schuldenquote demnach zum Ende des Haushaltsjahrs 2013 100,6 Prozent des BIP. Für das laufende Haushaltsjahr wird mit 103,2 Prozent des BIP ein vorläufiges Maximum der Schuldenquote erwartet. Für die kommenden Jahre wird ein stetiges Absinken der Schuldenquote auf 97,6 Prozent des BIP im Jahr 2019 prognostiziert. Das Haushaltsdefizit im lau-
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fenden Jahr wird auf 3,7 Prozent geschätzt und soll bis 2018 stetig auf $413 Milliarden bzw. 1,9 Prozent des BIP schrumpfen. Im Jahr 2019 wird dagegen erwartet, dass das Defizit wieder leicht steigt, und zwar auf 2,3 Prozent des BIP. Gründe hierfür sind unter anderem steigende Ausgaben im Gesundheitswesen als Folge der demographischen Entwicklung sowie höhere Zinszahlungen. Haushaltsdefizit und Verschuldung 10
Prognose
Verschuldung in % des BIP
120
5 0
100
-5
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-10
Haushaltsdefizit
-15 -20
40
-25 20
Verschuldung
-35
1940 1943 1946 1949 1952 1955 1958 1961 1964 1967 1970 1973 1976 1978 1981 1984 1987 1990 1993 1996 1999 2002 2005 2008 2011 2014 est. 2017 est.
0
-30
Haushaltsdefizit in % des BIP
140
Quelle: Office of Management and Budget, Historical Tables: Table 1.2 und 7.1, via <www.whitehouse.gov/omb/budget/historicals>.
Handel: Das US-Außenhandelsdefizit (Güter und Dienstleistungen) wuchs zwischen Q4/2013 und Q1/2014 laut dem BEA von $112,5 Milliarden auf $126,8 Milliarden. Die Exporte sanken um $7,7 Milliarden (-8,9%), während die Importe um $6,7 Milliarden (1,8%) stiegen. Als Grund für den Exportrückgang wird unter anderem der harte Winter in weiten Landesteilen gesehen. Dieser zwang viele Unternehmen dazu, vorübergehend zu schließen und verringerte somit Produktion und Ausfuhren. Die neuesten Monatsdaten sind derzeit für Juli erhältlich: Zwischen Juni und Juli schrumpfte das Außenhandelsdefizit marginal von $40,8 Milliarden auf $40,5 Milliarden. Das gesamte Leistungsbilanzdefizit (Handel mit Gütern und Dienstleistungen, Einkommen sowie unilaterale Transferzahlungen) wuchs zwischen dem vierten Quartal 2013 und dem ersten Quartal 2014: von $87,3 Milliarden (2,0% des BIP) auf $111,2 Milliarden (2,6% des BIP). Die Gründe dafür waren das gestiegene Außenhandelsdefizit, ein Rückgang der Einkommensüberschüsse sowie eine Zunahme der Nettoabflüsse unilateraler Transferzahlungen. Insgesamt sieht US-Wirtschaftsministerin Pritzker die 2010 von Präsident Obama ins Leben gerufene Nationale Exportinitiative (NEI) als Erfolg an. Diese habe US-Unternehmen dazu gebracht, ihre wirtschaftlichen Aktivitäten auf ausländischen Märkten zu verstärken. Das Ziel, die Exporte innerhalb von fünf Jahren zu verdoppeln, konnte aber auf nationalem Niveau nur zu 50 Prozent erreicht werden.
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Politische Lage: Außen- und innenpolitische Entwicklungen ISIS: Als Reaktion auf den schnellen und äußerst brutalen Vormarsch der radikal-islamistischen Terrororganisation ISIS (Islamischer Staat im Irak und Syrien) und die Eroberung großer Gebiete in Syrien und im Nordirak entsendete die US-Regierung Mitte Juni eine Spezialeinheit in den Irak. Die 275-Mann starke Truppe soll in erster Linie Mitarbeiter der US-Botschaft schützen, ist aber – falls nötig – auch für Kampfeinsätze ausgerüstet. Weitere Aufgaben sind die Kontrolle von Flughäfen, logistische Unterstützung sowie die Ausbildung irakischer Regierungstruppen für den Kampf gegen ISIS. Seit dem 8. August 2014 fliegt die US-Armee auch gezielte Luftangriffe gegen ISISStellungen. Präsident Obama sah sich harscher Kritik ausgesetzt, nachdem er über Wochen keine explizite Strategie zur Bekämpfung der ISIS-Truppen vorlegelegt hatte. Am 10. September präsentierte er schließlich seine Militärstrategie: Diese sieht sowohl für den Irak als auch für Syrien eine Ausweitung der Luftschläge gegen ISIS vor. Darüber hinaus erhalten das irakische Militär, kurdische Truppen und die moderaten syrischen Rebellen verstärktes Training durch die US-Armee. Ein wichtiger Bestandteil der Strategie ist zudem die Einbindung möglichst vieler Partnernationen, auch aus dem arabischen Raum. Obama hat deutlich gemacht, dass die USA keine Bodentruppen entsenden werden. Laut der US-Regierung haben sich mittlerweile 40 Nationen zu einer AntiISIS-Koalition zusammengeschlossen. Darunter befinden sich auch wichtige arabische Länder wie Saudi-Arabien. Wie diese Staaten gegen ISIS vorgehen wollen, ist bisher jedoch noch nicht bekannt. Die US-Regierung hofft, dass die verbündeten Nationen Bodentruppen entsenden werden. Einer Umfrage des US-Fernsehsenders ABC und der „Washington Post“ zufolge sehen neun von zehn US-Amerikanern ihr Land durch den „Islamischen Staat“ bedroht; 71 Prozent unterstützen die Luftangriffe gegen ISIS im Irak. Ukraine: Aufgrund der anhaltenden Krise und fehlender Anzeichen ernsthafter Bemühungen von Seiten Russlands, diese zu beenden, haben die USA (wie auch die EU) harte Sanktionen gegenüber Russland erlassen. Die USA verschärften ihre Sanktionen zunächst im Juli und zuletzt im September. Neben einzelnen Personen umfasst die Sanktionsliste nun insbesondere auch Unternehmen aus dem Finanz-, Energie- und Rüstungssektor. In diesem Zusammenhang werden mehrere bedeutende russische Unternehmen praktisch vom USKapitalmarkt ausgeschlossen. Im Juli wurden die US-amerikanischen Konten von acht russischen Rüstungsunternehmen, darunter der KalaschnikowKonzern – größter russischer Waffenhersteller –gesperrt. Seit September wird die größte russische Bank, Sberbank, auf der Sanktionsliste geführt, welche mehrheitlich im Besitz der russischen Zentralbank ist. US-Unternehmen ist es ab sofort verboten, Kredite mit einer Laufzeit von über 30 Tagen an Sberbank zu vergeben. Außerdem wurde ein Handelsverbot mit relevanten Energieunternehmen über Technologien zur Tiefsee-, Offshore- und Schieferölförderung verhängt. Dabei wurde erstmals das Unternehmen Gazprom auf die Sanktionsliste genommen. Die Vermögenswerte von fünf Rüstungsunternehmen im Staatsbesitz wurden eingefroren. Im Gegensatz zu den aktuellen EUSanktionen beinhalten die US-Sanktionen keine Restriktionen für weitere individuelle Personen.
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Die Obama-Administration bewertet die Sanktionen als wichtigen Schritt und will den Druck auf Russland in Zusammenarbeit mit weiteren Partnern erhöhen. Die Ukraine militärisch zu unterstützen, ist hingegen nach wie vor nicht geplant. Sollte die russische Regierung keine Schritte unternehmen, die zur Deeskalation der Situation in der Ukraine beitragen, ist mit weiteren Sanktionen zu rechnen. Einwanderungsreform: Die illegale Einwanderung insbesondere von Minderjährigen bleibt ein akutes Problem in den USA. Allein seit Oktober 2013 überquerten rund 60.000 unbegleitete Minderjährige aus Mittelamerika die Grenze zwischen Mexiko und den USA. Der Kongress diskutierte daher Ende Juni, Finanzmittel bereitzustellen, um eine beschleunigte Abschiebung dieser Jugendlichen zu ermöglichen. Aufgrund parteiinterner Differenzen der Republikaner scheiterte der entsprechende Gesetzesentwurf jedoch. Dies ist nicht das erste Mal, dass Reformbemühungen fehlschlugen. So hatten die Republikaner im Repräsentantenhaus im Mai Präsident Obamas Gesetzesentwurf zur Reform der Einwanderungspolitik blockiert. Obama wollte zwar einerseits die Grenzen besser überwachen lassen, andererseits sollte illegalen Einwanderern unter bestimmten Voraussetzungen aber auch die Staatsbürgerschaft gewährt werden. Im Notfall wollte der Präsident das Einwanderungssystem auch ohne den Kongress reformieren. Vor den Midterm Elections (den Zwischenwahlen des Kongresses) Anfang November 2014 dürfte der Präsident allerdings keine weiteren Schritte in die Wege leiten. Viele Wahlkreise sind momentan noch hart umkämpft, und die Einwanderungsreform ist ein stark polarisierendes Thema. Die dringend notwendige Einwanderungsreform ist somit weiterhin nicht in Sicht. Geldpolitik: Die Federal Reserve Bank (Fed) hat beschlossen, die monatlichen Finanzspritzen um weitere zehn Milliarden US-Dollar zu kürzen. Dementsprechend wurde das Volumen der monatlichen Ankäufe von Staatsanleihen und Hypotheken-Papieren auf 35 Milliarden US-Dollar gesenkt. Der Leitzins verbleibt jedoch weiterhin auf dem historischen Tief zwischen null und 0,25 Prozent. Ein Anstieg des Leitzinses wurde für das kommende Jahr angedeutet. Aufgrund der wirtschaftlichen Erholung geht die Fed für Ende 2015 inzwischen von einem Zinsniveau von 1,375 Prozent aus. Im März wurde dieses noch auf 1,0 Prozent prognostiziert. Stand der TTIP-Verhandlungen: Im Juli 2014 wurde die sechste TTIP-Verhandlungsrunde in Brüssel abgeschlossen. Im Rahmen dieser Runde unterbreitete die EU – nach den USA – ein Angebot zur Öffnung der Dienstleistungsmärkte. Geht es nach der EU, sollen sensible Bereiche wie die Daseinsvorsorge oder auch audiovisuelle Dienstleistungen von den Verhandlungen ausgenommen werden. Im Bereich der Automobilindustrie machten die EU- und USRegulierungsbehörden Fortschritte bei der Evaluierung der jeweiligen Sicherheitsregeln und verständigten sich auf die Durchführung weiterer Tests. In weiteren Bereichen wie Energie und Rohstoffe, Textil, Chemie, Pharmazeutik, Kosmetik, medizinische Geräte und Informations- und Kommunikationstechnologie sind die Verhandlungspartner nach wie vor damit beschäftigt, ihre jeweiligen Regulierungssysteme zu vergleichen. Vom 29. September bis 3. Oktober fand die siebte Verhandlungsrunde in Chevy Chase, Maryland, statt. Im Mittelpunkt der Verhandlungen standen Dienstleistungen, regulatorische Kooperation sowie kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Konkrete Ergebnisse konnten in der siebten Verhandlungs-
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runde nicht erzielt werden. Die Verhandlungsführer wiesen dennoch darauf hin, dass die Verhandler große Fortschritte bei der Arbeit an konkreten Texten gemacht hätten. Deutliche Fortschritte konnten dementsprechend beim Dienstleistungskapitel erzielt werden, da inzwischen beide Seiten die langen und sehr technischen Vorschläge des Verhandlungspartners etwa zur Hälfte durchgearbeitet hätten. Viel Zeit wurde auch auf das Thema regulatorische Zusammenarbeit verwendet. Die Verhandlungsführer prüften im Laufe der Woche zahlreiche Vorschläge dazu, wie doppelte Regulierungen abgebaut werden könnten, sowohl in einzelnen Sektoren als auch sektorübergreifend. Im Bereich der Regulierungen und Normen für industrielle und landwirtschaftliche Produkte wurden erste Formulierungen vorgelegt. Die EU stellte zudem neue Papiere vor: eines dazu, wie man äquivalente Methoden entwickeln könnte, um Fahrzeuge und deren Sicherheit zu testen. Ein weiteres Papier befasst sich mit den Regulierungssystemen im Chemiebereich. Der dritte Schwerpunkt lag auf kleinen und mittleren Unternehmen. Ziel beider Seiten ist ein eigenes Kapitel, das es KMU erleichtern soll, auf der jeweils anderen Seite des Atlantiks zu investieren und zugleich Bestandteil globaler Lieferketten zu sein. Streitbeilegungsverfahren zwischen Investoren und Staat sowie Finanzdienst-leistungen waren indes explizit kein Thema der Verhandlungsrunde. Trade Promotion Authority: Um den Abschluss und die Ratifizierung von Handelsabkommen wie TTIP zu erleichtern, hatte die US-Administration Anfang des Jahres eine Gesetzesinitiative für eine Trade Promotion Authority (TPA) in den Kongress eingebracht. Mit dem TPA-Gesetz gibt der Kongress der Exekutive bestimmte Verhandlungsziele vor. Überdies verpflichtet sich der Präsident, den Kongress umfassend über die Verhandlungen zu informieren und ihn zu konsultieren. Im Gegenzug kann der Kongress nach Abschluss der Verhandlungen nur noch für oder gegen das Abkommen stimmen. Änderungen oder Zusätze, die weitere Verhandlungen mit dem Verhandlungspartner erfordern würden, sind nicht möglich. Bisher konnte jedoch noch keine Einigung über den TPA-Gesetzesvorschlag erzielt werden. Manche Beobachter gehen davon aus, dass während der sogenannten „Lame Duck“-Periode, also in der Zeit nach den Midterm Elections und bevor die neue Kongressperiode im Januar 2015 beginnt, über den Gesetzesentwurf abgestimmt wird. Möglich ist aber auch eine Verschiebung in das kommende Jahr. Dies hätte zur Folge, dass ein neuer Gesetzesentwurf eingebracht werden müsste, da alle nicht verabschiedeten Entwürfe am Ende einer Kongressperiode gestrichen werden. Der Abschluss der TTIP-Verhandlungen wird für Ende 2015 angestrebt, bevor in den USA der Präsidentschaftswahlkampf 2016 beginnt. Dass der Präsident bisher nicht über das Handelsmandat verfügt, stellt für TTIP daher kein Problem dar. Anders sieht es allerdings bei den Verhandlungen über die Transpazifische Partnerschaft (TPP) aus. Die TPP-Verhandlungen sind bereits deutlich weiter fortgeschritten. Sollte es zu einer Unterzeichnung des Abkommens kommen, bevor der Präsidenten TPA erhalten hat, steht die Administration vor einer erheblichen Herausforderung, dieses unbeschadet durch den Kongress zu bringen.
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Sonderschwerpunkt: Midterm Elections im November 2014 Mehrheitsverhältnisse und Zustimmungsraten: Seit den US-Kongresswahlen 2012 ist der Senat mehrheitlich demokratisch. Die Demokraten verfügen über 55, die Republikaner über 45 Sitze, während im Repräsentantenhaus die Republikaner die Mehrheit innehaben („divided government“). Im Repräsentantenhaus ist das Verhältnis folgendermaßen: Die Demokraten verfügen über 199 Sitze (46,1%) und die Republikaner über 233 Sitze (53,9%). Die Mehrheitsverhältnisse im Repräsentantenhaus und Senat, zusammen mit einer wachsenden parteilichen Polarisierung insbesondere bei den Republikanern, erklären warum seit 2010 keine großen Reformgesetze mehr vom Kongress verabschiedet wurden. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Wahlen im November viel an dieser Situation ändern werden. Mit 163 verabschiedeten Gesetzen seit Januar 2013 ist der 113. Kongress der bisher unproduktivste in der Geschichte der USA. Der ebenfalls eher unproduktive 112. Kongress verabschiedete immerhin 284 Gesetze in zwei Jahren. Die Unproduktivität des Kongresses spiegelt sich auch in den zunehmend schlechten Zustimmungswerten wider: Laut Umfragen des Forschungsinstituts Gallup befürworteten im Juli 2014 nur 15 Prozent aller Amerikaner die Arbeitsweise des US-Kongresses. Auch im gesamten Jahr 2014 blieben die Zustimmungsraten durchgehend auf einem sehr niedrigen Niveau. Damit bewerten heute deutlich weniger US-Amerikaner die Arbeit des Kongresses als zufriedenstellend, als dies noch 2011 der Fall war. Damals stimmten immerhin 24 Prozent der Befragten der Arbeit des Kongresses zu.1 Mit einer Zustimmungsrate von 16 Prozent bei den Demokraten und 17 Prozent bei Republikanern gibt es heute kaum einen Unterschied zwischen den Anhängern beider Parteien. Historisch betrachtet resultieren niedrige Zustimmungsraten laut Gallup bei Wahlen meist in einer großen Veränderung der Sitzverteilung im Kongress. Da die momentane Zustimmungsrate die niedrigste jemals gemessene in der Geschichte der Midterm Elections ist, wird vermutet, dass auch die diesjährigen Wahlen in einer neuen Konstellation des Kongresses resultieren werden.2 Die Bevölkerung kritisiert den Kongress in erster Linie für seine Ineffizienz und eine fehlende Bürgernähe. Laut Gallup belief sich Präsident Obamas Zustimmungsrate im August 2014 auf 43 Prozent. Der Durchschnittswert seit seiner ersten Amtszeit lag bei 48 Prozent. Höchst- und Tiefstwerte waren 69 Prozent (Januar 2009) und 38 Prozent (u.a. Oktober 2011). Die Hauptkritikpunkte der Bevölkerung betreffen unter anderem eine zu zögerliche Haltung des Präsidenten in internationalen Konflikten sowie eine blockierte Innenpolitik. Wahlprognosen: Am 4. November 2014 finden die landesweiten Wahlen statt, bei welchen alle 435 Mitglieder des Repräsentantenhauses sowie 33 der 100 Senatoren zur Wahl stehen. Schätzungen zufolge wird eine Wahlbeteiligung von 35 bis 40 Prozent erwartet. Damit liegt die Wahlbeteiligung bei Midterm Elections rund 10 bis 15 Prozentpunkte unter der der Präsidentschaftswahlen. 1
Gallup Politics, Congressional Approval Ratings Languishes at Low Level, 15.7.2014, <http://www.gallup.com/poll/172859/congressional-approval-rating-languishes-lowlevel.aspx> (eingesehen am 5.9.2014). 2 Rasmussen Reports, Congressional Performance, 3.9.2014, <http://www.rasmussenreports.com/public_content/politics/mood_of_america/congressional_ performance> (eingesehen am 5.9.2014).
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Laut Meinungsforschern wird erwartet, dass die Republikaner die Mehrheit im Repräsentantenhaus behalten. Der derzeit demokratisch geführte Senat ist die eigentlich umkämpfte Kammer des Kongresses. Denn auch hier haben die Republikaner gute Chancen, die Mehrheit zu übernehmen. Laut Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Pew Research Center for the People & the Press (Pew) beabsichtigen 47 Prozent der Wähler, den republikanischen Kandidaten in ihrem Bezirk zu wählen. 43 Prozent der Wähler unterstützen den demokratischen Kandidaten oder tendieren dazu, diesen zu wählen. Seit Oktober 2013 mussten die Demokraten Punkte bei Umfragen einbüßen.3 Die Demokraten haben einen weiteren deutlichen Nachteil: Für diejenigen Gruppen, die traditionell mehrheitlich demokratisch wählen – Frauen, Minderheiten und Jugendliche – ist die Wahlbeteiligung bei Midterm Elections erfahrungsgemäß sehr niedrig. Laut dem Statistiker Nate Silver haben die Republikaner eine 60-prozentige Chance, eine Mehrheit von mindestens 51 Sitzen im Senat zu gewinnen. Alle Senatoren, die zur Wiederwahl stehen, wurden 2008 gewählt. Dies war eines der erfolgreichsten Wahljahre für die Demokraten in der US-Geschichte. Selbst in traditionell konservativen Bundesstaaten wie Arkansas, Louisiana, Montana und Alaska wurden damals demokratische Senatoren gewählt. Daher müssen sich 2014 besonders viele Demokraten der Wahl stellen. Gerade für Senatoren in traditionell konservativen Bundesstaaten dürfte es im jetzigen politischen Klima deutlich schwieriger sein, ihre Sitze zu halten. Von den 36 zur Wahl stehenden Senatorenposten werden bisher 21 von Demokraten und 15 von Republikanern gehalten. Um eine Mehrheit im Senat zu erlangen, müssten die Republikaner den Demokraten sechs Sitze abnehmen. Berücksichtigt man, dass drei der 21 demokratischen Senatoren nicht mehr antreten und es sich hier zudem um traditionell eher republikanische Staaten handelt (West Virginia, South Dakota, Montana), würden den Republikanern schon drei weitere der sechs hart umkämpften Staaten für eine Senatsmehrheit reichen. Umfragen zufolge ist in Arkansas, Iowa, Louisiana, North Carolina, Alaska und Colorado alles offen. Auf der anderen Seite sehen Umfragen lediglich in zwei „republikanischen“ Staaten (Kentucky und Georgia) eine höhere Chance für einen Sieg der Demokraten. Wahlkampfthemen: Im Gegensatz zu früheren Midterm Elections zeichnet sich dieses Jahr kein eindeutig dominantes Thema ab. In einer Pew-Umfrage gaben im April 48 Prozent der Befragten an, dass der Arbeitsmarkt für sie das wichtigste oder zweitwichtigste Thema sei. Weitere wichtige Themen waren Gesundheit (42%) und das Haushaltsdefizit (38%). Immigration spielte hingegen mit 14 Prozent keine vergleichbare Rolle. Dieses Thema dürfte jedoch in der Zwischenzeit an Bedeutung gewonnen haben (s. hierzu auch Einwanderungsreform, S. 5).4 Ausblick: Laut Meinungsforschern könnten die Republikaner, die schon im Repräsentantenhaus eine solide Mehrheit haben, den Senat dazugewinnen. In der Folge könnten die Republikaner jegliche Gesetzesinitiativen der Demokra3
Pew Research Center for the People & the Press, Midterm Election Indicators Daunting for Democrats, <http://www.people-press.org/2014/05/05/the-2014-midterm-congressional-votetop-issues/> (eingesehen am 9.9.2014). 4 Pew Research Center for the People & the Press, Midterm Election Indicators Daunting for Democrats, <http://www.people-press.org/2014/05/05/the-2014-midterm-congressional-votetop-issues/> (eingesehen am 9.9.2014).
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ten blockieren und die Handlungsfähigkeit der Obama-Administration weiter einschränken. Insbesondere könnte die neue Konstellation des Kongresses Konsequenzen für die Bereiche Energie, Immigration und die Gesundheitsreform haben. So wird unter anderem vermutet, dass die Republikaner die Aufhebung einiger Aspekte des Affordable Care Acts, der Gesundheitsreform der Obama-Administration, fordern könnten.5 Ob sie damit Erfolg haben werden, ist allerdings zweifelhaft. Denn auch wenn die Demokraten die Mehrheit verlieren, verfügen sie nach wie vor über die Möglichkeit eines Filibusters. Das heißt sie könnten eine Beschlussfassung des mehrheitlich republikanischen Senats durch Dauerreden verhindern oder verzögern. Zudem kann der Präsident jederzeit ein Veto einlegen, um zu verhindern, dass Gesetze in Kraft treten. Wie schon in den vergangenen vier Jahren dürfte die ObamaAdministration überdies ihre Politik an dem Kongress vorbei vorantreiben. Dies zeigte sich insbesondere in der Klima- und Energiepolitik, in der der Präsident über Regulierungen der Umweltschutzbehörde (EPA) und des Transportministeriums immer strengere Umwelt- und Klimaschutzziele setzte. Schließlich ist eine Blockadepolitik für die Republikaner nicht ungefährlich. Diese könnte die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit Washington noch verstärken und sich negativ auf die Wahlchancen der republikanischen Kandidaten in den Wahlen 2016 auswirken.
Ausblick Die wirtschaftliche Lage hat sich weiter verbessert. Im September gewann die US-Wirtschaft mit 248.000 Arbeitsplätzen zum vierten Mal in Folge mehr als 200.000 Jobs in einem Monat hinzu. Der Jobzuwachs lag damit über dem Durchschnitt der letzten zwölf Monate von 213.000 Jobs. Für das zweite Halbjahr wird ein gemäßigtes Wirtschaftswachstum erwartet. Das Gesamtwachstum 2014 wird dementsprechend auf 1,7 Prozent geschätzt. Für Ende 2014 wird eine Arbeitslosenquote von 6,0 Prozent erwartet und für 2015 ein Wirtschaftswachstum von 3,0 Prozent. Aufgrund der im November anstehenden Kongresswahlen sind in den kommenden Monaten keine signifikanten politischen Initiativen mehr zu erwarten. Übernehmen die Republikaner den Senat, dann ist auch für die Zeit danach mit erschwerter politischer Konsensfindung zwischen der Regierung und dem dann republikanisch geführten Kongress zu rechnen.
Wichtige Termine
5
Midterm Elections: 4. November 2014 Achte TTIP-Verhandlungsrunde (vorläufiger Termin): 8. bis 12. Dezember
Ryan Bhandari, Midterm Elections 2014: Key Political Issues to Watch, <http://www.equities.com/editors-desk/economy-markets/politics/midterm-elections-2014key-political-issues-to-watch> (eingesehen am 16.9.2014).
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