Wettbewerbs- und Vergabepolitik | Position | Wahl 17 Handlungsempfehlungen der Deutschen Industrie fĂźr die 19. Wahlperiode des Deutschen Bundestages
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Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Recht, Wettbewerb und Verbraucherpolitik
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Inhaltsverzeichnis Vorwort ....................................................................................................................................................................................... 3 Einführung ................................................................................................................................................................................. 5 Grundzüge der Kartellbußgeldpolitik gesetzlich regeln . . ............................................................................................. 7 Compliance bußgeldmindernd anerkennen .................................................................................................................... 9 GWB nach 9. Novelle: Verfassungskonforme Ausgestaltung sicherstellen ......................................................... 10 Faktencheck: Bußgeldhaftung im Konzern ................................................................................................................... 11 Kartellrechtliche Gebührenaufsicht wiedereinführen ................................................................................................. 12 Faktencheck: Kartellrechtliche Gebührenaufsicht ...................................................................................................... 13 Trend zur Re-Kommunalisierung bremsen .................................................................................................................... 14 Faktencheck: Wirtschaftliche Tätigkeit des Staates ................................................................................................... 15 Kronzeugenanträge: "One-Stop-Shop" auf EU-Ebene schaffen ............................................................................. 17 Effektiven Rechtsschutz für Vergaben unterhalb der EU-Schwellenwerte einführen ....................................... 18 Keine zwingende Berücksichtigung strategischer Aspekte im Vergaberecht vorsehen ................................. 19 Vorhandene landesvergaberechtliche Gesetze abschaffen und neue verhindern ............................................. 20 Glossar .. .................................................................................................................................................................................... 22 Quellenverzeichnis ................................................................................................................................................................ 25 Impressum ............................................................................................................................................................................... 26
Legende Bewertungsskala für einzelne Handlungsempfehlungen
Industrie empfiehlt eine politische Maßnahme
Industrie sieht Handlungsbedarf der Politik, warnt aber vor Risiken
Industrie rät von einer politischen Maßnahme ab
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Einführung Ein tragfähiger Wettbewerb ist eine der zentralen Antriebskräfte einer dynamischen Wirtschaft. Er fördert Innovationen, sorgt für offene Märkte und stellt sicher, dass die Marktteilnehmer ihre finanziellen und betrieblichen Ressourcen effizient einsetzen. Wettbewerbswidriges Verhalten muss streng geahndet, wettbewerbsförderndes Verhalten im Gegenzug gestärkt werden. Viele Kartellverstöße können nur durch unternehmensinterne Compliance-Bemühungen und Kronzeugenanträge aufgedeckt werden. Der Gesetzgeber sollte einen klaren Anreiz für die Einführung effektiver Compliance-Systeme setzen, etwa in Form einer Bußgeldreduzierung.
„
Zu einer effektiven Kartellrechtsdurchsetzung gehört auch, dass verhängte Bußgelder beim Kartellsünder eingetrieben werden. Die Vorgabe, den ganzen Konzern für das Fehlverhalten eines einzigen Tochterunternehmens haften zu lassen, schießt aber über das Ziel hinaus und verletzt das verfassungsrechtlich geschützte Schuldprinzip. Seit etwa 10 Jahren ist auf kommunaler Ebene ein starker Trend zur Re-Kommunalisierung zu beobachten. Dadurch gehen Steuereinnahmen in beträchtlicher Höhe verloren. Ein der Privatwirtschaft offen stehender fairer Wettbewerb ist unverzichtbare Voraussetzung für eine qualitativ hohe flächendeckende Versorgung der Bürger mit notwendigen und wichtigen Dienstleistungen. Ein funktionierender Markt für öffentliche Aufträge setzt voraus, dass die Rahmenbedingungen entsprechend gestaltet werden. Eine Vielzahl divergierender landesrechtlicher Vorschriften, kein effektiver Rechtsschutz im Unterschwellenbereich sowie eine immer stärkere Fokussierung auf strategische Aspekte stehen dem entgegen.
Iris Plöger BDI, Mitglied der Hauptgeschäftsführung
„In der Industrie gibt es eine hohe kartellrechtliche Sensibilität. Die überwiegende Mehrzahl an Unternehmen unterhält effektive Antitrust Compliance-Programme. Diese sorgen nicht nur für eine dauerhafte Sensibilisierung der Mitarbeiter, sondern insgesamt – quasi als verlängerter Arm des Gesetzgebers und der Kartellbehörden und -gerichte – für eine Einhaltung der kartellrechtlichen Regeln in den Unternehmen. Eine bußgeldmindernde Anerkennung steht noch aus.“
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Handlungsempfehlung
Grundzüge der Kartellbußgeldpolitik gesetzlich regeln Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) legt in § 81 Abs. 4 GWB fest, dass die zu erlassende Kartellgeldbuße 10 % des in dem der Entscheidung vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes des Unternehmens nicht überschreiten darf und dass bei der Höhe der Geldbuße die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen sind. Dem Bundeskartellamt steht bei der Bußgeldbemessung ein sehr großer Ermessensspielraum zu. Die nähere Ausgestaltung des Sanktionssystems erfolgt lediglich durch Verwaltungsvorschriften des Amtes. Die Höhe der 2014 in Deutschland verhängten Kartellgeldbußen betrug erstmals über 1 Mrd. Euro. Der Bundesgerichtshof hat im April 2013 in der Sache „Grauzementkartell“ kritisiert, dass es an einem ausreichenden gesetzlichen Maßstab fehlt, an dem sich die Bußgeldbemessung im Einzelfall orientieren müsse. Dieser Maßstab könne nicht durch untergesetzliche „Leitlinien“ des Amtes oder der EU-Kommission ersetzt werden.
ʘʘ Die Grundzüge der Bußgeldzumessung, wie sie in den Bußgeldleitlinien des Bundeskartellamtes festgelegt sind, sollten in das GWB aufgenommen werden. Angesichts steigender Bußgelder ist es nach dem Wesentlichkeitsvorbehalt und dem Grundsatz der Gewaltenteilung unerlässlich, dass die Grundzüge des Sanktionssystems gesetzlich festgelegt werden. Dass die Größenordnung eines drohenden Bußgeldes oft nicht bestimmbar ist, kann für Unternehmen zu großen Schwierigkeiten führen – bei der Finanzierung ihres operativen Geschäfts, bei Investitionen und bei der Bildung angemessener Rückstellungen. ʘʘ Eine Kriminalisierung von Kartellen sollte nicht eingeführt werden. Dies könnte die Kronzeugenregelung schwächen und damit Auswirkungen auf die Effektivität der Kartellverfolgung insgesamt haben. Darüber hinaus verdeutlichen die Erfahrungen mit der Verfolgung des Submissionsbetruges nach §§ 298, 263 StGB die Probleme bezüglich doppelter Zuständigkeiten, deutlicher Verfahrenslängen und unterschiedlicher Beweisanforderungen in der kartellrechtlichen und strafrechtlichen Verfolgung.
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Mrd.
Höhe der 2014 in Deutschland verhängten Kartellgeldbußen betrug erstmals über 1 Mrd. Euro1
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Handlungsempfehlung
Compliance bußgeldmildernd anerkennen Wettbewerbswidriges Verhalten wird häufig erst durch unternehmensinterne Compliance-Systeme aufgedeckt. In vielen Rechtsordnungen wurden Anreize für die Einführung von Compliance-Maßnahmen geschaffen, z. B. durch die Anerkennung eines mildernden Umstandes bei der Bußgeldverhängung. Dies ist unter anderem in Großbritannien, Frankreich oder Italien, aber auch in Kanada, Australien oder in den USA der Fall. Bislang weigern sich das Bundeskartellamt und die EU-Kommission, diesem klaren Trend zu folgen. Die Nichtberücksichtigung von Compliance setzt verfehlte Verhaltensanreize und ist nicht auf dem neuesten Stand der präventiven Strafrechtsforschung. Bei der Bußgeldbemessung ist stets das Vorund Nachtatverhalten des Bußgeldadressaten zu berücksichtigen. Hierzu zählt auch die Durchführung oder die nachträgliche Einführung von Compliance-Maßnahmen, die als deutliches Bekenntnis der Unternehmensleitung zur Rechtstreue aufgefasst werden können.
ʘʘ Ernsthafte Bemühungen, die ein Unternehmen auf sich nimmt um Kartellverstöße zu verhindern, sollten bußgeldmildernd berücksichtigt werden. Dies würde eine deutliche Anreizwirkung für die Einführung von Compliance bieten und damit wettbewerbskonformes Verhalten in den Mittelpunkt jeder Unternehmensstrategie stellen. Effektive Compliance erhöht die Entdeckungswahrscheinlichkeit bei Zuwiderhandlungen im Unternehmen und hat damit nicht nur positive Auswirkungen auf die Aufdeckung von bestehenden Kartellen, sondern auch unter Präventionsgesichtspunkten – Compliance-Programme haben unternehmensintern ein hohes Abschreckungspotential. ʘʘ Darüber hinaus plädiert der BDI für eine Klarstellung, dass konzernweite und effektive Compliance keinesfalls bußgelderhöhend wirkt oder als Nachweis bzw. Indiz für die bußgeldrechtliche Haftung eines Mutterunternehmens für seine Tochterunternehmen herangezogen werden kann. Würden Compliance-Maßnahmen sogar zu Lasten des Unternehmens bewertet, würde dies die erheblichen Compliance-Anstrengungen der Wirtschaft konterkarieren.
„Ernsthafte Bemühungen der Unternehmen um ein kartellrechtskonformes wettbewerbliches Verhalten verdienen Anerkennung.“ Andreas Mundt Präsident des Bundeskartellamtes2
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Handlungsempfehlung
GWB nach 9. Novelle: Verfassungskonforme Ausgestaltung sicherstellen Die mit der 9. GWB-Novelle eingeführte verschuldensunabhängige Konzernhaftung verstößt dem Wortlaut nach gegen das Grundgesetz, namentlich gegen den Schuldgrundsatz. Dies haben die beiden Gutachten der Universitätsprofessoren Thomas/Brettel und Nettes heim umfänglich nachgewiesen. § 81 3a-c GWB müssten verfassungskonform ausgelegt werden, sollten sie Bestand haben.
„Vergeltung für fremde Schuld widerspricht dem Grundsatz, dass keine Person, auch keine juristische Person, ohne eigene Schuld mit Strafe oder Buße belegt werden darf. Dieser Grundsatz beruht auf dem Rechtsstaatsprinzip und hat unabänderlichen Verfassungsrang.“ Dr. Stefan John Vorsitzender des BDI-Wettbewerbs ausschusses, Senior Vice President Legal bei der BASF SE
Gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen zur Umgehung eines Bußgeldes stellen die absolute Ausnahme dar und rechtfertigen nicht die Einführung einer verschuldensunabhängigen Konzernhaftung. Daneben bedeutet die Aufgabe des gesellschaftsrechtlichen Trennungsprinzips einen Paradigmenwechsel im Haftungs- und Gesellschaftsrecht und damit das Ende der rechtlichen Selbständigkeit der juristischen Person und ihres Haftungsprivilegs. Das international anerkannte Haftungsprivileg für die juristische Person verschafft Investitionsanreize seitens der Unternehmen und damit volkswirtschaftliche Wettbewerbsvorteile. Eine verschuldensunabhängige Konzernhaftung wäre mit gravierenden Folgekosten verbunden und schwächt die Attraktivität des Standorts Deutschland. Sie führt zu nicht effizienten Faktorallokationen und Kapitalabflüssen. Die eingeführte Konzernhaftung ist sogar strenger als das umstrittene Haftungskonzept auf europäischer Ebene. Sie umfasst nämlich jedes herrschende Unternehmen im Sinne des Aktiengesetzes und führt zu einer Strukturhaftung für sämtliche Mehrheitsgesellschafter.
ʘʘ Die Konzernhaftung müsste verfassungskonform ausgelegt und damit ausgestaltet werden. Sie setzt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein eigenes Verschulden der Konzernmutter im Sinne einer Aufsichtspflichtverletzung voraus. Eine Aufsichtspflicht und deren Verletzung wären in den neuen Wortlaut des GWB nach der Novelle (§ 81 3a GWB) hineinzulesen. ʘʘ Auch die Regelung zur Gesamtrechtsnachfolge (§ 81 Abs. 3b RegE) müsste verhältnismäßig ausgestaltet werden. Dem Wortlaut nach wird der Rechtsnachfolger nicht nach dem Maß der Schuld in Anspruch genommen, das der Rechtsvorgänger auf sich geladen hat. Schließlich müsste die pauschale Inanspruchnahme des Erwerbers von Vermögensgegenständen bei § 81 Abs.3c RegE (wirtschaftliche Nachfolge) einen hinreichenden Bezug zu konkretem Fehlverhalten erkennen lassen. Andernfalls wäre sie unverhältnismäßig.
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Bußgeldhaftung im Konzern
Faktencheck Sollten Konzerne grundsätzlich für Kartellverstöße ihrer Tochtergesellschaften einstehen, wie dies auf EU-Ebene geschieht und nun im GWB vorgesehen ist? Dies wäre verfassungswidrig. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 20, 323 ff) darf bei der Verhängung einer Geldstrafe gegenüber einer juristischen Person keine Zurechnung des Verhaltens von Personen, die nicht Organe oder Mitarbeiter der juristischen Person sind, stattfinden. Deutschen verfassungsrechtlichen Maßstäben des Schuldprinzips kann bestenfalls eine Haftung genügen, die eine Aufsichtspflichtverletzung der Obergesellschaft, beispielsweise durch unzureichende Compliance-Maßnahmen, zum Haftungsanlass nimmt. Die europäische Praxis wird von weiten Kreisen als nicht rechtskonform angesehen, da sie gegen rechtsstaatliche Grundsätze wie den Gesetzesvorbehalt, den Schuldgrundsatz und die Unschuldsvermutung verstößt.
Durch die EU-Kommission verhängte Bußgelder, 2012 - 2016 in Millionen Euro 4000 3,727 3500
3000
2500
2000
1,876 1,665
1,689
1500
1000
500
0
365
2012
2013
Quelle 7: siehe Quellenverzeichnis
2014
2015
2016
Nein!
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Handlungsempfehlung
Kartellrechtliche Gebührenaufsicht wiedereinführen Öffentlich-rechtliche Unternehmen, die für die Trinkwasserversorgung Gebühren erheben, unterliegen seit dem Sommer 2013 nach der 8. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) nicht mehr der Kartellaufsicht – im Gegensatz zu Unternehmen in privater Rechtsform, die Preise verlangen. Dieser Wechsel der Unternehmensform ist unter dem Begriff der „Flucht in die Gebühr“ bekannt und ordnungspolitisch ein falsches Signal. Die Abschaffung der Gebührenaufsicht entspricht nicht dem Kundeninteresse an Effizienz und niedrigeren Preisen.
18%
Berliner Wasserbetriebe: Verpflichtung durch Bundeskartellamt zur Absenkung der Wasserpreise um rund 18 % (2012 bis 2018). Stadtwerke Mainz: Verpflichtung zur Absenkung der Wasserpreise um rund 15 % (2013 bis 2019)
Bei der Trinkwasserversorgung handelt es sich um natürliche Monopole. Kartellbehörden gehen seit 1997/98 verstärkt gegen überhöhte Wasserentgelte vor. Prominent waren die erheblichen Preissenkungsverfügungen des Bundeskartellamtes gegen die Berliner Wasserbetriebe und die Stadtwerke Mainz sowie die Verfahren der hessischen Landeskartellbehörde gegen eine Vielzahl von Wasserversorgern. Verfahren gegen öffentlich-rechtliche Wasserversorger haben unverhältnismäßig hohe Gewinnspannen zu Lasten der Kunden aufgezeigt. Auch genießen die Kunden der öffentlichen Wasserversorger, sofern Gebühren erhoben werden, einen geringeren wettbewerbspolitischen Schutz als die Kunden privater Wasserunternehmen.
ʘʘ Nicht die organisationsrechtliche Form der Versorgungsbetriebe und die Ausgestaltung der Rechtsverhältnisse zu den Kunden sollte darüber entscheiden, ob die Missbrauchsaufsicht greifen kann oder nicht. ʘʘ Es gilt zu vermeiden, dass im Falle überhöhter Gebühren staatlich ermöglichte Monopolrenten abgeschöpft werden. ʘʘ Dem Votum der Wirtschaft und der Monopolkommission nach einer Wiedereinführung der kartellrechtlichen Aufsicht sollte gefolgt werden.
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Kartellrechtliche Gebührenaufsicht
Faktencheck Sollte die kartellrechtliche Missbrauchsaufsicht wieder auf Gebühren erstreckt werden? Durch die Erhebung ungerechtfertigt hoher Gebühren, deren Kalkulation ineffizient hohe Kosten zugrunde liegen, wird im Kern eine wirtschaftlich dominante Machtstellung missbraucht. Die Kartellaufsicht orientiert sich bei ihrer Arbeit wesentlich stärker an ökonomischen Effizienzkriterien als die Kommunalaufsicht. Die Wirksamkeit der Gebührenkontrolle durch die Kommunalaufsicht ist ein „zahnloser Tiger“. Der Kommunalaufsicht fehlt – im Gegensatz zu den Kartellbehörden – die Macht, die Umsetzung ihrer Empfehlungen zu erzwingen.
Durchschnittliche Nettoerlöse mit Endkunden und Tarifpreise der 38 großstädtischen Wasserversorger Entgeltschwankungen zwischen 1,40 Euro und 2,60 Euro pro Kubikmeter. Aachen Augsburg Berlin Bielefeld Bochum Bonn Braunschweig Bremen Chemnitz Dortmund Dresden Düsseldorf Duisburg Erfurt Essen Frankfurt Freiburg Gelsenkirchen Halle Hamburg Hannover Karlsruhe Kiel Köln Krefeld Leipzig Lübeck Magdeburg Mannheim Mönchengladbach München Münster Nürnberg Oberhausen Rostock Stuttgart Wiesbaden Wuppertal 0,00
0,50
Durchschnittliche Nettoerlöse 2013
1,00
1,50
2,00
2,50
3,00
3,50
4,00
Mischpreis Einfamilienhäuser 2016 Mischpreis Mehrfamilienhäuser 2016, 10 Wohneinheiten 2016 Mischpreis Mehrfamilienhäuser 2016, 20 Wohneinheiten 2016
Quelle 3: siehe Quellenverzeichnis
Ja!
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Handlungsempfehlung
Trend zur Re-Kommunalisierung bremsen Die derzeitige (Re-) Kommunalisierungswelle trifft vor allem den Energiesektor, aber auch andere wirtschaftliche Bereiche, wie die Entsorgungswirtschaft und die Wasserversorgung. Seiner Aufgabe, der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen Grenzen zu ziehen, wird das Gemeindewirtschaftsrecht in vielen Fällen nicht mehr gerecht. Im Ergebnis wird die Privatwirtschaft damit zunehmend aus Geschäftsfeldern, deren Dynamik sie in der Vergangenheit selbst geprägt hat, verdrängt. Dadurch gehen Steuereinnahmen in beträchtlicher Höhe verloren, und Kommunen nehmen erhebliche Folgebelastungen für ihre Haushalte in Kauf.
In 23 von 93 Städten mit mehr als 80.000 Einwohnern ist sowohl die Haushaltslage der Stadtwerke als auch die der jeweiligen Kommune stark angespannt.5
Auslaufende Konzessionen im Entsorgungs-, Wasser- und Energiesektor und fiskalische Interessen veranlassen Städte und Gemeinden, zunehmend eigene Stadtwerke zu gründen. Dabei werden die damit verbundenen wirtschaftlichen Risiken oft unterschätzt. Die Insolvenzen bei Stadtwerken sind seit 2014 vermehrt aufgetreten. Das Gemeindewirtschaftsrecht der Bundesländer hat in den letzten Jahren zahlreiche Änderungen erfahren und private Wirtschaftsteilnehmer immer weiter aus dem Markt verdrängt.
ʘʘ Aus der Doppelrolle des Staates als Marktteilnehmer und Hoheitsträger ergibt sich ein erhöhtes Benachteiligungspotential gegenüber privaten Wettbewerbern mit der Folge, dass effizientere und innovativere Wettbewerber aus dem Markt ausscheiden. Gerade auf staatlichen Monopolmärkten (z. B. bei Wasserversorgung, Post, Bahn, Fernwärme, Restmüllentsorgung) kann dies zu überhöhten Endkundenpreisen führen. Daher ist eine Harmonisierung des Gemeindewirtschaftsrechts der 16 Bundesländer geboten, um effizienteren und innovativeren Wettbewerbern Chancen zu eröffnen. Das Gemeindewirtschaftsrecht muss sich auf ordnungspolitische Grundprinzipien rückbesinnen. ʘʘ Dem Subsidiaritätsprinzip muss Geltung verschafft werden. Danach sollten Kommunen nur dann wirtschaftlich tätig werden, wenn private Unternehmen nicht genauso gut in der Lage sind, eine bestimmte Leistung zu erbringen. Beteiligungen der öffentlichen Hand an Unternehmen, die in den vergangenen Jahren stark zugenommen haben, sind aufzulösen. ʘʘ Finanzielle Risiken zu Lasten des Steuerzahlers müssen vermieden werden. ʘʘ Eine Steuerbefreiung bei interkommunaler Zusammenarbeit ist aufzugeben.
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Wirtschaftliche Tätigkeit des Staates
Faktencheck Ist es nicht egal, ob eine Leistung, z. B. die Energieversorgung, durch den Staat oder ein privates Unternehmen erbracht wird? Die kommunale Stromerzeugung mit konventionellen Kraftwerken ist unter den aktuellen politischen Rahmenbedingungen schon nicht rentabel. Niedrige Energiepreise für die Bürger werden eher durch private als durch kommunale Anbieter garantiert.
Nein!
Bürger leiden im Verlustfall der öffentlichen Hand doppelt: Als Kunden und als Steuerzahler.
Verluste der öffentlichen Energieversorger
Energieversorger mit Verlust in 2011 UND 2012
101von 270 öffentlichen Unternehmen wiesen in mindestens einem von zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren einen Verlust auf.
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Energieversorger mit Verlust in 2011 ODER 2012
101
Untersuchte Energieversorger (Zufallsstichprobe)
270
0
50
Quelle 4: siehe Quellenverzeichnis
100
150
200
250
300
Jeder fünfte Energieversorger schrieb in den beiden Jahren 2011 und 2012 rote Zahlen.
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Handlungsempfehlung
Kronzeugenanträge: „One-Stop-Shop“ auf EU-Ebene schaffen Die in den EU-Mitgliedstaaten bestehenden Kronzeugenprogramme weisen nicht nur hinsichtlich der formellen Voraussetzungen, sondern auch bezüglich der rechtlichen Wirkungen große Differenzen auf. Weder besteht die Möglichkeit eines zentralen Kronzeugenantrags noch erstreckt sich ein Antrag auf andere Rechtsordnungen. Ein Kronzeugenantrag muss bei jeder erdenklichen Behörde, die für eine Kartelluntersuchung zuständig sein könnte, einzeln beantragt werden – und dies möglichst gleichzeitig. Das hat sich in der Praxis als großes Hindernis erwiesen. Kronzeugenanträge spielen bei der Kartellverfolgung sowohl auf nationaler wie auch auf europäischer Ebene eine wichtige Rolle. Die Hälfte der aufgedeckten Fälle in Deutschland und rund 75 % der EU-Kartelluntersuchungen in den Jahren 2004-2013 wurden aufgrund von Kronzeugenanträgen eingeleitet. Angesichts unklarer und variabler Behördenzuständigkeiten hängt es aber zu oft vom Zufall ab, ob ein Kronzeugenantrag überhaupt bei der richtigen Behörde gestellt wird.
ʘʘ Der BDI spricht sich für die Schaffung eines „One-Stop-Shops“ für Kronzeugenanträge auf EU-Ebene aus. Ansonsten besteht die Unsicherheit, ob der erste Antragsteller in einem Kronzeugenprogramm die Position als „Whistleblower“ in dem Mitgliedstaat behalten kann, dessen Behörde letztlich den Fall bearbeitet, wenn er den Antrag vorher bei einer anderen Behörde gestellt hat. Besteht nicht die Möglichkeit, einen sog. „Marker“ zu setzen, stehen die Kosten zu einem ungewissen Nutzen in keinem Verhältnis. Kaum ein Unternehmen kann sämtliche Eventualitäten im Voraus bedenken und in verschiedenen Mitgliedstaaten gleichzeitig das erste sein, das einen Kronzeugenantrag nach den dort geltenden Besonderheiten einreicht. Sinnvoll ist daher eine Anlaufstelle für Kronzeugenprogramme oder ihre Erstreckungswirkung auf andere Rechtsordnungen.
75%
der EU-Kartellunter- suchungen basieren auf Kronzeugenanträgen6
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Handlungsempfehlung
Effektiven Rechtsschutz für Vergaben unterhalb der EU-Schwellenwerte einführen -- Die Vergaberechtsreform des Jahres 2016 hat für Auftraggeber weitreichende Flexibilisierung und Vereinfachung gebracht, die nun auch im Unterschwellenbereich gelten sollen. Dies bedeutet jedoch einen eingeschränkten Wettbewerb und weniger Transparenz als bisher. Während das Vergaberecht ab den EU-Schwellenwerten für Unternehmen als Korrektiv zumindest einen effektiven Rechtsschutz vorsieht, existiert im Unterschwellenbereich kein gleichermaßen wirksames Instrument.
Öffentliche Aufträge im Oberschwellen- und Unterschwellenbereich 5
95 Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge ab den EU-Schwellenwerten (in Prozent) Bau-, Liefer- und Dienst leistungsaufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte (in Prozent)
-- Effektiver vergaberechtlicher Primärrechtsschutz existiert derzeit nur für öffentliche Aufträge mit einem Auftragswert ab 5,225 Mio. Euro (Baubereich), ab 209.000 Euro (Liefer- und Dienstleistungsbereich), ab 750.000 Euro (besondere Dienstleistungen). Dieser sog. Oberschwellenbereich erfasst nicht einmal 5 % aller öffentlichen Aufträge. -- Bei Unterschwellenaufträgen (ca. 95 % aller Ausschreibungen) erfolgt lediglich ein Verweis auf den wenig effektiven Zivilrechtsweg.
ʘʘ Unternehmen benötigen einen effektiven vergaberechtlichen Rechtsschutz für Vergaben unterhalb der EU-Schwellenwerte. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen sind betroffen, da sie sich häufig an öffentlichen Aufträgen mit geringeren Volumen beteiligen. ʘʘ Unabdingbare Faktoren für einen effektiven Rechtsschutz im Unterschwellenvergaberecht sind: eine Vorabinformation über zu vergebende öffentliche Aufträge, das Verhindern des Zuschlags vor der Entscheidung einer Nachprüfungsinstanz (sog. Suspensiveffekt), der Untersuchungsgrundsatz und ein Akteneinsichtsrecht sowie eine kurze Verfahrensdauer. ʘʘ Die Zuständigkeit der bestehenden Vergabenachprüfungsinstanzen (Vergabekammern/Vergabesenate der Oberlandesgerichte) soll auch für Unterschwellenaufträge begründet werden. Damit kann vorhandene Expertise genutzt und eine zersplitterte Rechtswegzuständigkeit für gleich gelagerte Vergabesachverhalte vermieden werden.
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Handlungsempfehlung
Keine zwingende Berücksichtigung strategischer Aspekte im Vergaberecht vorsehen -- Das Vergaberecht wird seit Jahren durch eine Entwicklung geprägt, in der zunehmend neben der Qualität der Leistung und dem Preis auch sog. strategische Aspekte, und hier vor allem gesellschaftspolitische und soziale Aspekte, eine Rolle spielen. So wird die Vergabe öffentlicher Aufträge z. B. an vergabespezifische Mindestlöhne oder daran geknüpft, dass ein Unternehmen Frauen fördert oder gleiches Entgelt für Männer und Frauen bezahlt. Auch Produktionsprozesse können beeinflusst werden. -- Die Nachweiserbringung für die Auftragnehmer sowie die Kontrolle der Einhaltung der Vorgaben durch die Auftraggeber ist gerade bei langen Produktions- bzw. Lieferketten oft nicht oder nur sehr schwer möglich. Eine Überfrachtung öffentlicher Aufträge mit sozialen Aspekten sowie der Umstand, dass nicht immer in die Ausführung öffentlicher Aufträge einerseits und privater Aufträge andererseits getrennt werden kann, führen dazu, dass sich Unternehmen vom Markt um öffentliche Aufträge zurückziehen.
ʘʘ Das Ermessen der Auftraggeber, ob sie strategische Aspekte im Vergaberecht berücksichtigen wollen, muss erhalten bleiben. Die Berücksichtigung strategischer Aspekte darf nicht zwingend vorgeschrieben werden. Sonst droht eine Überforderung von Auftraggebern und Auftragnehmern. ʘʘ Es darf kein Sonderrechtsregime „Vergaberecht“ geben. Vielmehr sollten strategische Aspekte nur im Rahmen des allgemein geltenden Rechts gefordert werden dürfen. Sollen beispielsweise Sozialstandards erhöht werden, sollte dies im Wege der allgemeinen Sozialgesetzgebung erfolgen, nicht aber über den Umweg des öffentlichen Auftragswesens. ʘʘ Nötig ist weiter eine wirtschaftlich vernünftige Eingrenzung der Definition und Reichweite strategischer Aspekte. Strategische Aspekte sind danach insofern unproblematisch einsetzbar, als sie im Rahmen des allgemein geltenden Rechts gefordert werden. Denn jedes Unternehmen muss sich an geltendes Recht halten.
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Handlungsempfehlung
Vorhandene landesvergaberechtliche Gesetze abschaffen und neue verhindern -- Landesvergabe- bzw. -tariftreuegesetze in 15 Bundesländern erfordern von bundesweit anbietenden Unternehmen einen großen personellen und finanziellen Aufwand, weil diese sich auf diverse unterschiedliche Anforderungen einstellen müssen. Manche Bundesländer verzeichnen daher bereits einen Rückgang der Angebote.
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unterschiedliche Landesvergabe- bzw. Landestariftreuegesetze bundesweit
-- Landesvergabegesetze mit ihrer Vielzahl unterschiedlicher Regelungen fördern die Zersplitterung des Vergaberechts und führen nicht zu einem vereinfachten und rechtssicheren Vergaberecht zugunsten der Praktikabilität für anbietende Unternehmen und Auftraggeber. Dies geht vor allem zulasten kleiner und mittlerer Unternehmen und hat bereits dazu geführt, dass sich die Zahl der Angebote verringert hat.
ʘʘ Vorhandene landesvergaberechtliche Regelungen müssen endlich abgeschafft und neue Regelungen verhindert werden. ʘʘ Der Bund soll die konkurrierende Gesetzgebung als abschließend im Vergaberecht wahrnehmen. ʘʘ Die gesetzliche Ermächtigungsnorm für Landesvergabe- bzw. -tariftreuegesetze, § 129 GWB, ist zu streichen.
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Wettbewerbs- und Vergabepolitik | Position | Wahl 17
Glossar Compliance im Wettbewerbsrecht Interne Politik eines Unternehmens zur Gewährleistung der vollständigen Einhaltung der Wettbewerbsregeln bei allen geschäftlichen Handlungen. Effektiver Rechtsschutz Effektiver Rechtsschutz im Vergaberecht besteht nur für öffentliche Aufträge ab den EU-Schwellenwerten. Dieser ist gekennzeichnet durch eine Pflicht zur Vorabinformation, das Verhindern des Zuschlags vor der Entscheidung einer Nachprüfungsinstanz (sog. Suspensiv effekt), den Untersuchungsgrundsatz und ein Akteneinsichtsrecht sowie eine kurze Verfahrensdauer vor den Nachprüfungsinstanzen (Vergabekammern bzw. Oberlandesgerichte). EU-Schwellenwert Die EU-Schwellenwerte betragen derzeit für öffentliche Auftraggeber 5,225 Mio. Euro (Bauleistungen und Baukonzessionen), 209.000 Euro (Liefer- und Dienstleistungen), 135.000 Euro (Liefer- und Dienstleistungen oberster oder oberer Bundesbehörden sowie vergleichbarerer Bundeseinrichtungen), 750.000 Euro (besondere Dienstleistungen). Die EU-Schwellenwerte werden turnusgemäß alle zwei Jahre angepasst. Faktorallokation Zuordnung und Verteilung knapper Ressourcen wie Arbeit, Kapital, Boden und Rohstoffen zur Produktion von Gütern. Interkommunale Zusammenarbeit Zusammenarbeit von Kommunalverwaltungen, die entweder in einem vertraglich geregelten koordinierten Vorgehen oder in der Schaffung eines neuen Rechtsträgers zur Verfolgung der gemeinsamen Interessen besteht. Kartellrechtliche Gebührenaufsicht Mit der 8. GWB-Novelle im Jahr 2013 hat der Gesetzgeber öffentlich-rechtliche Gebühren und Beiträge explizit von der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle ausgenommen. Gebühren unterliegen damit ausschließlich der Kommunalaufsicht der Länder, die andere Maßstäbe als die kartellrechtliche Missbrauchsaufsicht zugrunde legt. Kartellrechtliche Missbrauchsaufsicht Verhaltenskontrolle durch die Kartellbehörde über marktbeherrschende und marktstarke Unternehmen auf der Grundlage gesetzlicher Regelungen im GWB. Konzernhaftung Gesamtschuldnerische Haftung rechtlich selbständiger Unternehmen, die in einem Konzern unter einer einheitlichen Leitung zusammengeschlossen sind, gegenüber Gläubigern. Kronzeuge Unternehmen, das selbst an einem Wettbewerbsverstoß beteiligt war, aber mit den Kartellbehörden bei den Ermittlungen zusammenarbeitet. Im Gegenzug gewährt die Kartellbehörde dem Unternehmen je nach Zeitpunkt des Kronzeugenantrages (Rang) und Mitwirkung bei der Tataufklärung Bußgelderlasse oder Reduzierungen der Geldbuße. Konzession Im kartellrechtlichen Zusammenhang stellen Konzessionen die zeitlich befristete entgeltliche Vergabe von Wegerechten seitens der Gemeinde dar (z. B. § 46 EnWG), die dies in wettbewerblicher und diskriminierungsfreier Weise zu gewährleisten hat.
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Marker-System Ein Marker schützt den Rang eines Kronzeugen für einen befristeten Zeitraum, während dessen er die erforderlichen Informationen und Beweismittel zusammentragen kann, um den Mindestbeweisanforderungen für den Erlass der Geldbuße zu genügen. Monopol Marktsituation, in der für ein ökonomisches Gut nur ein einziger Anbieter (Monopolist) vorhanden ist. Monopolkommission Die Monopolkommission ist ein unabhängiges Beratungsgremium, das die Bundesregierung und die gesetzgebenden Körperschaften auf den Gebieten der Wettbewerbspolitik, des Wettbewerbsrechts und der Regulierung berät. Sie veröffentlicht Gutachten. Ihre Stellung und Aufgaben sind in den §§ 44 bis 47 sowie in § 42 Abs. 4 des GWB, sowie im ERegG, EnWG, TKG und PostG geregelt. Monopolrente Rendite, die ein Monopolist erhält, weil er seine Preise unabhängig vom Wettbewerb gewinnmaximierend festlegen kann. Oberschwellenbereich Vom Oberschwellenbereich erfasst sind Aufträge, deren Wert oberhalb der EU-Schwellenwerte liegt. Öffentlicher Auftrag Ein öffentlicher Auftrag ist ein entgeltlicher Vertrag zwischen einem öffentlichen Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber und einem Unternehmen über die Beschaffung von Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen. Öffentlicher Auftraggeber Öffentlicher Auftraggeber sind der Staat, die Gebietskörperschaften, die Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder die Verbände, die aus einer oder mehreren dieser Körperschaften oder Einrichtungen des öffentlichen Rechts bestehen. One-Stop-Shop Im Zusammenhang mit Kronzeugenanträgen im Kartellrecht würde ein One-Stop-Shop eine einzige zentrale Anlaufstelle für die Anträge bedeuten um bürokratische Lasten zu vermindern und zu verhindern, dass Unternehmen Gegenstand mehrerer paralleler Kartellverfahren und entsprechender multipler Sanktionen in verschiedenen Mitgliedstaaten werden. Re-Kommunalisierung Vorgang, nach dem eine Privatisierung zuvor öffentlich-rechtlicher Aufgaben und Vermögen wieder rückgängig gemacht wird und diese erneut in kommunale Trägerschaft übergehen.
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Wettbewerbs- und Vergabepolitik | Position | Wahl 17
Submissionsbetrug Straftatbestand nach § 263 StGB, der greift wenn mehrere Personen oder Unternehmen als Anbieter im Rahmen einer Ausschreibung die Preise rechtswidrig absprechen und dadurch den Angebotspreis in die Höhe treiben. Daneben besteht der Straftatbestand der Wettbewerbsbeschränkenden Absprache bei Ausschreibungen nach § 298 StGB. Danach macht sich strafbar, wer bei einer Ausschreibung über Waren oder gewerbliche Leistungen ein Angebot abgibt, das auf einer rechtswidrigen Absprache beruht, die darauf abzielt, den Veranstalter zur Annahme eines bestimmten Angebots zu veranlassen. Suspensiveffekt Die Zustellung eines Nachprüfungsantrages an den Auftraggeber durch die Vergabekammer hat Suspensiveffekt, d. h. der Zuschlag darf vor einer Entscheidung der Vergabekammer und dem Ablauf der Beschwerdefrist nicht erteilt werden. Trennungsprinzip (Gesellschaftsrecht) Anerkanntes Rechtsprinzip, nach dem für die Verbindlichkeiten einer Kapitalgesellschaft den Gläubigern gegenüber im Regelfall nur das Gesellschaftsvermögen haftet, nicht jedoch auch der Gesellschafter. Unterschwellenbereich Vom Unterschwellenbereich erfasst sind Aufträge, deren Wert unterhalb der EU-Schwellenwerte liegt. Vorabinformation Öffentliche Auftraggeber sind verpflichtet, Bieter bzw. Bewerber, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, vor der Zuschlagserteilung hinreichend und unverzüglich zu informieren über den Namen des Unternehmens, dessen Angebot den Zuschlag erhalten soll, über die Gründe für die Nichtberücksichtigung ihres Angebots und über den frühestmöglichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Vergaberechtlicher Primärrechtsschutz Der vergaberechtliche Primärrechtschutz ist darauf gerichtet, den Zuschlag auf das Angebot eines anderen Bieters zu verhindern. Er ist geregelt in den §§ 155 ff. GWB. Eingangsinstanz ist die Vergabekammer. Whistleblower Hinweisgeber (oft Mitarbeiter eines Unternehmens oder Kunde), der einen Missstand gegenüber Mittelstellen oder direkt der Öffentlichkeit aufdeckt. Das Bundeskartellamt hat 2012 ein elektronisches Hinweisgebersystem eingerichtet, das Insidern ermöglicht, ohne Gefahr von unternehmensinternen Repressalien besondere Kenntnisse über Kartelle auch anonym weiterzugeben.
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Quellenverzeichnis 1
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Impressum Herausgeber Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI) Breite Straße 29 10178 Berlin T: +49 30 2028-0 www.bdi.eu Redaktion Niels Lau, Abteilungsleiter Dr. Heiko Willems, Abteilungsleiter Abteilung Recht, Wettbewerb und Verbraucherpolitik Anja Mundt, Referentin Nadine Rossmann, Referentin Dr. Ulrike Suchsland, Referentin Abteilung Recht, Wettbewerb und Verbraucherpolitik Konzeption & Umsetzung Sarah Pöhlmann, Referentin Abteilung Marketing, Online und Veranstaltungen Layout Tilman Schmolke www.europrint-medien.de Druck Das Druckteam Berlin www.druckteam-berlin.de Verlag Industrie-Förderung GmbH, Berlin Bildnachweis Seite 6: ©143003565 / Gina Sanders / Fotolia.com Seite 8: ©138719188 / sanderstock / Fotolia.com Seite 16: ©144748675 / shantihesse / Fotolia.com Seite 21: ©112635917 / photo 5000 / Fotolia.com Stand April 2017 BDI-Publikations-Nr.: 0057
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