WACHSTUMSAUSBLICK EUROPA
Europas Wirtschaft startet durch. BDI rechnet mit über zwei Prozent Wachstum September 2017
Wir erwarten für das Wirtschaftswachstum der EU und der Eurozone in diesem Jahr mehr als zwei Prozent. Der Euroraum wächst kräftig, und viele Länder haben die besten Werte seit langem aufzuweisen. Zahlreiche Stimmungsindikatoren liegen auf einem Höchststand.
Das globale Wachstum von gut 3,6 Prozent treibt die europäische Wirtschaft an. Die Exporte steigen trotz einer leichten Aufwertung des Euro. Der Konsum bleibt dank verbesserter Lage am Arbeitsmarkt und steigender Reallöhne die maßgebende Wachstumskraft.
Die Geldpolitik wird weiterhin expansiv bleiben und die Fiskalpolitik verhält sich neutral. Die Inflation steigt etwas langsamer als erwartet, vor allem auf Grund niedriger Importpreise. Die Zinsen werden bis 2019 niedrig bleiben.
Die Industrieproduktion steigt kräftig an und dürfte über drei Prozent wachsen. Die Kreditvergabe an Unternehmen entwickelt sich noch schwach, und die Investitionen zogen erst jüngst etwas schwungvoller an. Die Produktivitätsentwicklung kommt bislang noch nicht vom Fleck.
Der Aufschwung muss dringend für notwendige Reformen genutzt werden. Die Mitgliedstaaten benötigen ambitionierte Reformen der Arbeits-, Produkt- und Dienstleistungsmärkte, um für schlechtere Zeiten gewappnet zu sein.
Die Vertiefung der Eurozone muss bis zu den Wahlen des Europäischen Parlaments in 2019 auf Schiene sein. Bessere Koordination der wirtschaftspolitischen Steuerung durch einen EU-Finanzminister, ein Stabilisierungsinstrument und ein schlagfertiger Europäischer Wirtschaftsfonds zur Krisenprävention sind angezeigt.
Europas Wirtschaft startet durch. BDI rechnet mit über zwei Prozent Wachstum 27/09/2017
Inhaltsverzeichnis Europas Wirtschaft geht mit Schwung ins Jahr 2017 ...................................................................................... 3 Der Konjunkturmotor in Europa läuft immer besser ............................................................................................... 3 Auch die Weltwirtschaft entwickelt sich solide ....................................................................................................... 4 Wachstum steht sektoral und regional auf breitem Fundament ............................................................................. 4
Wirtschaft bleibt optimistisch, Industrieproduktion steigt an ......................................................................... 6 Die gute Konjunktur treibt den Arbeitsmarkt weiter voran ...................................................................................... 7 Die Jugendarbeitslosigkeit bleibt das Sorgenkind in Europa ................................................................................. 8 Der Euro wertet von der guten Konjunktur getrieben auf ....................................................................................... 9
Die Inflation schwächt sich wieder etwas ab .................................................................................................. 10 Die Situation der Europäischen Zentralbank wird nicht einfacher ........................................................................ 11 Federal Reserve Bank erhöht kontinuierlich die Leitzinsen, Bank of England wartet ab ..................................... 12 Die Kreditvergabe an Unternehmen stockt weiterhin ........................................................................................... 13
Fazit und Perspektiven...................................................................................................................................... 14 Wirtschaftspolitische Implikationen ...................................................................................................................... 14
Quellenverzeichnis ............................................................................................................................................ 15
Impressum ......................................................................................................................................................... 16
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Europas Wirtschaft startet durch. BDI rechnet mit über zwei Prozent Wachstum 27/09/2017
Europas Wirtschaft geht mit Schwung ins Jahr 2017 Der Konjunkturmotor in Europa läuft immer besser Der konjunkturelle Aufschwung im Euroraum setzt sich auch in diesem Jahr fort und zeigt sich dabei immer stabiler. Sowohl im ersten als auch im zweiten Quartal 2017 stieg die Wirtschaftsleistung solide an, was zu einen steten Wachstum im Euroraum seit nunmehr vier Jahren führt. Und die Aussichten auf eine Fortsetzung dieser Aufwärtsbewegung auch in der zweiten Jahreshälfte sind gut. Das Wirtschaftswachstum steht auf einem breiten Fundament, sowohl hinsichtlich der Verwendungskomponenten als auch mit Blick auf die EU-Länder. Es herrscht insgesamt eine positive Stimmung sowohl bei den Konsumenten als auch bei den Unternehmen. Der private Konsum wird Wachstumsstütze bleiben, auch dank des fortsetzenden Beschäftigungsaufbaus und trotz gestiegener Inflationsraten. Die gute Stimmung in den europäischen Unternehmen dürfte sich zunehmend positiv auf deren Investitionsbereitschaft auswirken und auch die Verknappung der Kapazitäten deutet auf einen zunehmenden Investitionsdruck hin. Auch vom Export dürften trotz stärkeren Euros Wachstumsimpulse ausgehen und die dynamische Entwicklung der Weltkonjunktur könnte zu einem weiteren Anstieg der Ausfuhrchancen führen. Der IWF hat in seiner jüngsten Prognose vom Juli 2017 die Wachstumsaussichten für den Euroraum nach oben korrigiert und die Eurozone aktuell als globalen Wachstumstreiber bewertet. Die relativ glimpflich ausgegangenen Wahlen in den Niederlanden und in Frankreich haben zu einem deutlichen Rückgang der politischen Unsicherheit geführt. Dennoch kann sich das weiterhin schwierige globale politische Umfeld dämpfend auf die konjunkturelle Dynamik auswirken. So fehlt der britischen Regierung auch weiterhin ein klarer Kurs. Ungewissheit herrscht auch bezüglich möglicher Neuwahlen in Italien.
BIP-Wachstum im ersten Halbjahr 2017 gegenüber dem ersten Halbjahr 2016
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Quellen: Macrobond, Eurostat, eigene Berechnungen
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Europas Wirtschaft startet durch. BDI rechnet mit über zwei Prozent Wachstum 27/09/2017
Die Europäische Kommission (Mai 2017) erwartet für die Europäische Union im aktuellen Jahr einen Anstieg des realen BIP von 1,7 Prozent und für das kommende Jahr von 1,8 Prozent. Für den Euroraum wird ein BIP-Wachstum von jeweils 1,9 Prozent in 2017 und 2018 vorausberechnet. Der europäische Unternehmensdachverband BusinessEurope rechnet im Jahr 2017 für die EU mit 1,9 Prozent und für den Euroraum mit 1,7 Prozent Wachstum (Lange und Watson, Juni 2017). Die Schätzungen des IWF (World Economic Outlook, Juli 2017) gehen für den Euroraum von einem Plus von jeweils 1,9 Prozent in diesem und von 1,7 Prozent im kommenden Jahr aus. Die OECD prognostiziert für den Euroraum ein Wachstum von jeweils 1,8 Prozent für 2017 und 2018. Die Herbstprognosen dürften wesentlich optimistischer ausfallen. Die EZB (September 2017) geht für den Euroraum in der jüngsten Prognose von 2,2 Prozent Wachstum im Euroraum in diesem Jahr und 1,8 Prozent im nächsten aus. Aufgrund des starken ersten Halbjahres und des guten Ausblicks rechnen wir für die Eurozone ebenfalls mit einem Wachstum von 2,2 Prozent. Für die EU sollte es trotz schwacher Erwartungen für das Vereinigte Königreich ebenfalls für zwei Prozent reichen. Für Deutschland rechnen wir mit 1,8 Prozent, Frankreich und Italien dürften mit rund 1 ½ Prozent wachsen, Spanien wird sehr wahrscheinlich sogar die Drei-Prozent-Marke reißen, und in vielen kleineren Volkswirtschaften ging es im ersten Halbjahr steil aufwärts. Im ersten Halbjahr lag die Eurozone bereits bei 2,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr, die EU bei 2,2 Prozent. Auch die Weltwirtschaft entwickelt sich solide Auch die Weltkonjunktur hat sich weiter gefestigt. Das globale Bruttoinlandsprodukt ist im zweiten Quartal 2017 deutlich gestiegen und konnte den schwachen Jahresauftakt damit ausgleichen. Der Konsum entwickelt sich stabil und wird wohl auch ein Hauptwachstumstreiber bleiben. Die Investitionstätigkeit ist in einigen Ländern gestiegen, was auf ein Ende der Investitionsschwäche hindeuten könnte. Auch der Blick auf die Länder verweist auf eine insgesamt günstige Konjunkturentwicklung. Die USA und Japan wiesen insbesondere im zweiten Quartal 2017 hohe Wachstumsdynamiken auf. Der Euroraum überraschte mit einer lebhaften Wirtschaftsdynamik. Auch in China und anderen wichtigen Schwellenländern entwickelte sich die Wirtschaft solide. Für die kommenden Monate dürfte sich trotz diverser geopolitischer und ökonomischer Risiken an der insgesamt positiven Entwicklung nichts Grundlegendes ändern. Der IWF prognostiziert aktuell für 2017 und 2018 einen Anstieg der weltweiten BIP von jeweils 3,5 Prozent bzw. 3,6 Prozent. Dabei wurden die Wachstumsaussichten für die USA nach unten korrigiert, da eine weniger expansive Ausrichtung der Fiskalpolitik zukünftig erwartet wird. Die Aussichten für den Euroraum und für China sind dagegen deutlich optimistischer geworden und die Wachstumsraten wurden daher angehoben. Die OECD prognostiziert gleiche Wachstumsraten für die Weltwirtschaft wie der IWF. Die Europäische Kommission geht in diesem und nächsten Jahr von einem Anstieg des BIP von 3,4 Prozent bzw. 3,6 Prozent aus. Wir gehen von einem Wachstum der Weltwirtschaft von 3,6 Prozent aus, und sehen dies eher als vorsichtige Schätzung an, da die Volksrepublik China, Japan und Deutschland kräftiger abschneiden könnten, während die Entwicklung in den USA wohl mit 2,1 Prozent symmetrische Risiken für die Prognose enthält. Wachstum steht sektoral und regional auf breitem Fundament Am aktuellen Rand zeigt sich eine deutliche Beschleunigung des Wachstums. Im zweiten Quartal konnten nahezu alle Volkswirtschaften an Fahrt gewinnen. Schon im ersten Quartal des Jahres stieg das BIP im Euroraum und in der EU überraschend stark um jeweils 0,5 Prozent gegenüber dem Vorquartal und damit deutlich dynamischer als in den USA. Auch das zweite Quartal entwickelte sich mit einem BIP-Anstieg von 0,6 Prozent im Euroraum und von 0,7 Prozent in der EU kräftig. Dabei wiesen nahezu alle Länder solide Wachstumszahlen auf. In Frankreich wuchs das BIP zum dritten Mal in Folge um 0,5 Prozent, Spaniens Wirtschaft wuchs, getrieben durch einen starken Konsum, um kräftige 0,9 Prozent, Italien konnte die letzten drei Quartale ein Wachstumsplus von je 0,4 Prozent aufweisen. Portugal hatte nach einem starken Jahresauftakt ein eher bescheidenes Wachstum von 0,3 Prozent im zweiten Quartal.
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Entwicklung des realen BIP in der EU in Prozent
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3,3 3,1
3,0 3,0 2,5 2,2
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2,2 1,7
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1,9
0,3
0,4 0 -0,5
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-4 -4,4
-6 I III I III I III I III I III I III I III I III I III I III I III I III I III I III I III I III I III I III I III I 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017
Veränderung ggü. Vorjahresquartal
Veränderung ggü. Vorquartal
Veränderung ggü. Vorjahr
Quelle: Macrobond
Stärkster Wachstumstreiber waren im zweiten Quartal 2017 die Exporte, die im Euroraum gegenüber dem ersten Quartal 2017 um 1,1 Prozent (ein Prozent in der EU) und im Vorjahresvergleich um 4,4 Prozent (4,2 Prozent in der EU) anstiegen. Auch die privaten Konsumausgaben und die Konsumausgaben des Staates stiegen solide mit jeweils 0,5 Prozent gegenüber dem Vorquartal sowohl im Euroraum als auch in der EU und blieben damit ein stabiler Wachstumsanker. Auch die zunehmende Investitionsbereitschaft der Unternehmen treibt das Wachstum an. Die Bruttoanlageinvestitionen stiegen im Euroraum im zweiten Quartal um 0,9 Prozent gegenüber dem Vorquartal, nachdem sie im ersten Quartal noch einen Rückgang um 0,3 Prozent verzeichneten. In der EU stiegen die Investitionen um 1,1 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Das insgesamt starke Wachstum dürfte sich im zweiten Halbjahr fortsetzen. Darauf deuten auch die äußerst positiven Entwicklungen der Stimmungsindikatoren hin.
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Wirtschaft bleibt optimistisch, Industrieproduktion steigt an Das Wirtschaftsklima im Euroraum hat sich weiter verbessert. Der ifo-Index ist im dritten Quartal von 26,4 auf 35,2 Saldenpunkte deutlich gestiegen und erreicht damit den höchsten Wert seit Herbst 2000. Die Lage und Erwartungen verbesserten sich in Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien. In Frankreich stiegen die Erwartungen am deutlichsten, während die Lage noch als nicht zufriedenstellend bewertet wurde. Gleiches gilt für die Lagebewertung in Italien. Die Geschäftssituation in Deutschland wird von den befragten Experten fast einstimmig als gut bewertet. Die guten PMI-Daten für August 2017 mit ihrem Höchststand von 57,4 Punkten seit 2011 bestätigen den soliden Wachstumskurs in Europa und deuten auf eine gute Produktion im dritten Quartal hin.
Industriekonjunktur im Euroraum 113
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111
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107 10 105 0 103 -10 101 -20
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-30
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-40
Industrieproduktion*
Investitionen*
Einkausmanagerindex*
ifo Wirtschaftsklima (rechte Achse)
*Index: Q1/2014 = 100 Quelle: Macrobond
Im Juli 2017 sank die Industrieproduktion in der EU um 0,3 Prozent ab. Dies ist eine Korrektur nach besonders starken Anstiegen in der ersten Jahreshälfte. Im Vergleich zum Vorjahresmonat stieg die Produktion um beträchtliche 3,1 Prozent in der EU. Im Euroraum stieg die Produktion im Juli leicht um 0,1 Prozent an. Im Vergleich zum selben Monat in 2016 entspricht diese einem Wachstum von 3,2 Prozent. Sowohl in der EU als auch im Euroraum zeichnet sich eine besondere Dynamik bei Investitions- und Gebrauchsgütern ab, die im Jahresvergleich zwischen vier und sechs Prozent angestiegen sind. Die Energieproduktion stagniert hingegen und Gebrauchsgüter verzeichnen einen Rückgang. Die guten Stimmungsindikatoren lassen eine stabile Entwicklung der Industrieproduktion im weiteren Jahresverlauf erwarten.
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Die gute Konjunktur treibt den Arbeitsmarkt weiter voran Die Erholung auf dem europäischen Arbeitsmarkt setzt sich fort. Im Euroraum lag die Arbeitslosenquote im Juli 2017 bei 9,1 Prozent und blieb damit konstant gegenüber dem Vormonat. Die Quote bleibt damit auf dem niedrigsten Stand seit mehr als acht Jahren. In der EU lag die Arbeitslosenquote im Juli 2017 bei 7,7 Prozent und blieb damit auch unverändert gegenüber Juni 2017. Insgesamt waren in der EU 18,9 Millionen Menschen ohne Arbeit, davon 14,9 Millionen im Euroraum. Gegenüber Juni 2017 fiel die Zahl der arbeitslosen Personen in der EU um 93.000 und im Euroraum um 73.000.
Arbeitslosenrate in Prozent
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11
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10 24 9 23 8 22 7 21 6 20
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EU 28 Italien
Euroraum Niederlande
Deutschland Großbritannien
Frankreich Spanien (rechte Achse)
Quelle: Macrobond
Die insgesamt positive Entwicklung darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Arbeitsmarktsituation den einzelnen EU-Staaten immer noch sehr unterschiedlich darstellt und die Arbeitslosigkeit in vielen Ländern noch merklich über derjenigen des Jahres 2009 liegt. Insbesondere Griechenland und Spanien müssen auch weiterhin mit sehr hohen Arbeitslosenquoten von 21,2 Prozent (Daten für Juni 2017) bzw. 17,1 Prozent kämpfen und eine Besserung stellt sich nur sehr langsam ein. Unerfreulich erscheint der Trend in Frankreich, wo die Quote seit Mai wieder leicht steigt. Deutschland zählt seit längerer Zeit zu den Volkswirtschaften mit der niedrigsten Arbeitslosigkeit und konnte die Quote weiter auf 3,7 Prozent senken. Dieser Wert wird nur noch von der Tschechischen Republik übertroffen (2,9 Prozent). Für 2019 erwartet die EZB noch eine Arbeitslosenquote von 8,3 Prozent. Die Differenz zu den Vorkrisenwerten (unter sieben Prozent für die EU bzw. unter acht Prozent für den Euroraum) wird somit zwar kontinuierlich verkleinert, ist allerdings immer noch beträchtlich.
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Auch die Beschäftigtenzahlen verlaufen weiterhin positiv, auch wenn sie nach wie vor zwischen einzelnen Mitgliedsstaaten stark divergieren. Nach Schätzungen von Eurostat waren im zweiten Quartal 2017 in der EU insgesamt 235,4 Millionen Menschen erwerbstätig, davon 155,6 Millionen im Euroraum. Damit erreicht die Beschäftigung in Europa einen neuen Höchststand. Die Zahl der Erwerbstätigen stieg im zweiten Quartal 2017 gegenüber dem Vorquartal sowohl im Euroraum als auch in der EU um 0,4 Prozent. Für die Eurozone hat die EZB (2017) in Bezug auf die absoluten Zahlen einen Anstieg von 1,5 Prozent für 2017 und ein Prozent 2018 im Vergleich zum Vorjahr prognostiziert. Somit setzt sich der seit drei Jahren anhaltende, positive Trend weiterhin fort. Auch langfristig prognostiziert die EZB einen stetigen, aber abgeschwächten Anstieg der Beschäftigungsrate in der Eurozone. Gedämpft wird das Beschäftigungswachstum jedoch langfristig zunehmend durch den Fachkräftemangel. Spitzenreiter bei der Beschäftigungsrate bleiben Schweden, Niederlande und Deutschland mit Beschäftigungsquoten um 75 Prozent. Deutlich zurück liegt Griechenland mit einer Quote von 52 Prozent.
Beschäftigungsraten in Europa in Prozent
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50 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 EU 28 Italien
Euroraum Niederlande
Deutschland Großbritannien
Frankreich Spanien
Quelle: Macrobond
Die Jugendarbeitslosigkeit bleibt das Sorgenkind in Europa Die Arbeitslosenquote unter den 15- bis 24-jährigen ist im Juli 2017 gegenüber dem Vormonat leicht auf 19,1 Prozent gestiegen. In der EU blieb die Quote bei 16,9 Prozent. Insgesamt waren in der EU 3,8 Millionen Personen im Alter unter 25 Jahren arbeitslos, davon 2,7 Millionen im Euroraum. Deutschland verzeichnet mit einer Quote von 6,5 Prozent den niedrigsten Wert in der EU, während Griechenland (44,4 Prozent), Spanien (38,6 Prozent) und Italien (35,5 Prozent) weiterhin nur kleine Fortschritte machen.
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Europas Wirtschaft startet durch. BDI rechnet mit über zwei Prozent Wachstum 27/09/2017
Der Euro wertet von der guten Konjunktur getrieben auf Der Euro hat seit Anfang 2017 im Vergleich zu allen großen Weltwährungen aufgewertet. Diese spiegelt einerseits das unerwartet solide Wachstum der Eurozone und Enttäuschungen in anderen Wirtschaftsräumen wider. Andererseits könnten auch Erwartungen einer Trendwende der Geldpolitik der EZB mit eine Rolle spielen. Der Ausgang der Wahlen in den Niederlanden und Frankreich hat Ängste vor größeren Erosionen in der Währungsunion größtenteils abgebaut und das Vertrauen in den europäischen Kapitalmarkt gestärkt. Von einem Kurs von 1,05 Dollar für einen Euro zu Beginn des Jahres liegt der Wert nun bei knapp 1,20 Dollar. Die von Präsident Trump angekündigten steuer- und fiskalpolitischen Impulse lassen auf sich warten. Nach der anfänglichen Aufwertung des Dollars im zweiten Halbjahr 2016 ist diese Entwicklung nun umgekehrt. Die Wechselkurse haben im ersten Halbjahr eine Yo-Yo-Fahrt hingelegt. Im ersten Quartal wertete der US-Dollar real und handelsgewichtet um 3,5 Prozent auf, im zweiten um den gleichen Betrag ab. Der Eurokurs durchlief die spiegelbildliche Entwicklung. Auch Yen und Renminbi werteten deutlich gegenüber dem Dollar auf.
Nominale Wechselkurse, jeweilige Fremdwährung pro Euro* 130 125 120 115 110 105 100 95 90 85 80 Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep 16 16 16 16 16 16 16 16 16 16 16 16 17 17 17 17 17 17 17 17 17 Pfund Sterling Schweizer Franken US-Dollar Yen Renminbi Nominaler, effektiver Wechselkurs gegenüber den zwölf wichtigsten Weltwährungen *Anstieg bedeutet eine Aufwertung des Euros gegenüber der jeweiligen Währung Quelle: Macrobond, 01.01.2016 = 100
Die Abwertung des Pfund Sterling setzt sich weiter fort. Seit Anfang 2016 hat die britische Währung rund 20 Prozent an Wert verloren. Die abgeschwächte Konjunktur, Unsicherheiten und das langsame Voranschreiten der Austrittsverhandlungen sind wesentlich dafür verantwortlich. Das schwache Pfund hat zudem den Preisantrieb durch sogenannte importierte Inflation in die Höhe getrieben. Die auf denselben Monat des Vorjahres bezo-
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genen Inflationsraten liegen seit Anfang 2017 teils deutliche über zwei Prozent. Dies schwächt den Binnenkonsum, während die Exporte vom niedrigen Wechselkurs auf Grund der niedrigen Industriequote im Vereinigten Königreich unterproportional profitieren. Komplizierte Zeiten bahnen sich an. Der Schweizer Franken, japanischer Yen und chinesischer Renminbi haben im Vergleich zum Euro seit Jahresbeginn ebenfalls leicht abgewertet. Dafür spielen weniger externe Faktoren eine Rolle, sondern der robuste Aufschwung und solide Vorwärtsindikatoren im Euroraum. Der nominale effektive Euro-Wechselkurs ist seit Beginn 2017 gegenüber den zwölf wichtigsten Weltwährungen um rund acht Prozent angestiegen. Diese Aufwertung hat entsprechende Auswirkungen auf internationale Handelsbeziehungen. Sollte die Entwicklung anhalten, könnte sich der persistente Außenhandelsüberschuss von drei Prozent im Euroraum mittelfristig reduzieren und zu einer Stärkung des Binnenkonsums führen. Der starke Euro bremst jedoch durch günstige Importe die Inflation ein und hat zu einer Entfernung vom Zwei-Prozent-Ziel der EZB geführt. Wechselkursänderungen wirken sich innerhalb der Eurozone vor allem stärker auf die Volkswirtschaften Italiens und Spaniens aus als auf Deutschland oder Frankreich. Insofern trifft diese Länder das Hin und Her auch mehr.
Die Inflation schwächt sich wieder etwas ab Nach einer Annäherung an die Zwei-Prozent-Marke im ersten Halbjahr 2017 lag die Inflationsrate im Euroraum im August wieder bei 1,5 Prozent. Die weniger volatile Kerninflationsrate (ohne Energie, Lebensmittel, Alkohol und Tabak) ist leicht auf 1,2 Prozent angestiegen. Diese Werte deuten damit auf keine nachhaltige Entwicklung zum Ziel der Preisstabilität mit einem mittelfristigen Preisauftrieb von etwas unter zwei Prozent hin. EZB-Präsident Mario Draghi hat in Hinblick auf diese Daten zuletzt in der Pressekonferenz Anfang September eine Beibehaltung des geldpolitischen Kurses bestätigt. Die EZB (2017) hat in ihren jüngsten Prognosen die Inflationserwartungen nach unten korrigiert. Für 2017 wird eine Rate von 1,5 Prozent erwartet und in den folgenden Jahren 1,2 bzw. 1,5 Prozent.
Inflation und Kerninflation im Euroraum in Prozent
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Inflation
Kerninflation
Quelle: Macrobond
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Einige Länder der Eurozone näheren sich dem Zwei-Prozent-Ziel bereits an und die baltischen Staaten liegen schon deutlich darüber. Mäßige Preisanstiege in den großen Mitgliedstaaten Frankreich und Italien drücken den Schnitt jedoch nach unten.
Inflation und Kerninflation in Prozent 5
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Inflation
Kerninflation
Quelle: Macrobond
Die Situation der Europäischen Zentralbank wird nicht einfacher Der Leitzins der EZB liegt weiterhin bei null und der Einlagenzins bei minus 0,4 Prozent. Zumindest bis Ende März wird die EZB ihr Kaufprogramm von Anleihen über 60 Milliarden Euro monatlich fortsetzen. Die aktuelle Datenlage macht eine Verlängerung wahrscheinlich, sodass die geldpolitische Wende noch länger auf sich warten lässt. Der starke Euro hat unlängst den Preisantrieb verlangsamt. Zudem führt der mittlerweile solide Produktionsanstieg zu einem geringeren Inflationsdruck als in vergleichbaren Aufschwungsphasen in der Vergangenheit. Ineffizienzen und ungenützte Potenziale auf den Arbeitsmärkten führen zu geringen Lohnsteigerungen. Eine Fortsetzung des Wachstumstrends könnte zu einer Schließung der Lücke am Arbeitsmarkt über die nächsten Jahre führen. Die Lage der EZB ist ungleich komplexer geworden. Wachstum ohne Preisdruck und beträchtliche Heterogenität der Mitglieder der Eurozone erfordern einen ausgeklügelten Instrumentenmix. Lockere Geldpolitik über längere Zeiträume hinweg kann zu Überhitzungen und Blasenbildungen auf den Finanzmärkten führen. Der mikro- und makroprudentiellen Überwachung kommt in dieser Phase anhaltender expansiver Instrumente der EZB eine besondere Bedeutung zu.
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Federal Reserve Bank erhöht kontinuierlich die Leitzinsen, Bank of England wartet ab Die Federal Reserve Bank (FED) in den USA hat bereits Ende 2015 mit dem Anheben der Leitzinsen begonnen. Seither gab es insgesamt vier schrittweise Erhöhungen bis zur aktuellen Zinsspanne von ein bis 1,25 Prozent mit Stand Anfang September 2017. FED-Chefin Janet Yellen hatte im Juni 2017 eine weitere Anhebung in diesem Jahr in Aussicht gestellt. Angesichts des soliden Wachstums im zweiten Quartal dürfte bei den Sitzungen am 20. September oder am 1. November ein weiterer Zinsschritt beschlossen werden. Die Bank of England (BoE) hatte zuletzt im August 2016 die Leitzinsen von 0,5 auf 0,25 Prozent gesenkt. Seitdem sind Anpassungen ausgeblieben. Einige Faktoren sprechen für eine Erhöhung, andere jedoch für eine Senkung. So liegt einerseits die Inflationsrate seit Beginn des Jahres über zwei Prozent, andererseits hat das Wirtschaftswachstum in den ersten beiden Quartalen 2017 enttäuscht. Mit Wachstumsraten im Vergleich zum Vorquartal von zuletzt 0,3 und davor 0,2 Prozent war das Vereinigte Königreich unter den europäischen Schlusslichtern. Die Unsicherheit über die weitere Entwicklung dürfte wohl auch für die Geldpolitik der BoE „Abwarten und Teetrinken“ bedeuten.
Leitzinsen im internationalen Umfeld
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Europäische Zentralbank
Federal Reserve Bank
Bank of England
Quelle: Macrobond
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Die Kreditvergabe an Unternehmen stockt weiterhin Geldmengen- (M3) und Kreditwachstum für nicht-finanzielle Unternehmen bleiben weiterhin deutlich unter dem Vorkrisenschnitt. Die Talsohle der Kreditvergabe im Jahr 2013 ist zwar durchschritten, jedoch verharrt die Netto-Neuvergabe von Krediten seit 2015 knapp über null Prozent. Die expansive Geldpolitik der EZB konnte das Geldmengenwachstum auf rund fünf Prozent heben. Im Vergleich zum Zeitraum vor der Krise sind Geldmenge und Kreditvergabe zunehmend entkoppelt. Notleidende Kredite in den Bankenbilanzen, die notwendige Konsolidierung des Bankensektors insgesamt und regional teils noch schwache Konjunkturaussichten stellen beträchtliche Hürden dar. In Anbetracht dieser Faktoren ist es umso wichtiger, dass die aktuelle Welle der Finanzmarktregulierung (Basel IV, CRR II und CRD V, EMIR, etc.) den Fokus auf Finanzstabilität legt und keine unintendierten Auswirkungen auf die Unternehmensfinanzierung hat. Der Kapitalmarktunion der Europäischen Kommission kommt dabei ebenso eine wichtige Rolle zu.
Kredit- und Geldmengenwachstum im Euroraum im Vergleich zum Vorjahresmonat in Prozent
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Kreditvergabe
Geldmenge M3
Quelle: Macrobond
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Fazit und Perspektiven Das Wachstum in Europa hat sich gefestigt. Stimmungsindikatoren und harte Daten sind so gut wie lange nicht mehr. Trotz des brummenden Motors liegt die Performance unserer Wirtschaft unter dem Vorkrisenschnitt. Wachstumsraten sind etwas niedriger, die Arbeitslosigkeit ist höher und Produktivitäts- und Lohnentwicklungen schwächeln. Dafür sind strukturelle Faktoren und weniger zyklische verantwortlich. Umso wichtiger ist es, dass sowohl die einzelnen Mitgliedsstaaten der EU als auch die europäischen Institutionen stärkere Ambitionen bei Strukturreformen zeigen. Die Politik darf sich nicht auf dem Polster des Aufschwungs ausruhen. Der Rückgang der Haushaltsdefizite und Staatsschuldenquoten wird sich weiter fortsetzen (siehe auch Eichert et al, 2017). Dies ist jedoch weniger der Politik als dem anhaltenden Wachstum geschuldet. Wirtschaftspolitische Implikationen Was in den Hauptstädten und in Brüssel zu tun ist, steht schon seit Jahren in den diversen Empfehlungen der internationalen Organisationen. Die länderspezifischen Empfehlungen der Europäischen Kommission, die Länderberichte der OECD und die Artikel-IV-Konsultationen des Internationalen Währungsfonds sprechen eine klare und zumeist einheitliche Sprache. Für Deutschland bedeutet dies beispielsweise eine Steigerung öffentlicher Investitionen, insbesondere digitaler, Verkehrs- und Energieinfrastruktur. Ebenso ist es weithin bekannt, dass der Dienstleistungssektor dereguliert und das Rentensystem zukunftssicher aufgestellt werden müssen. Der Aufschwung bietet der neuen Bundesregierung beste Chancen, diese umfangreichen Reformen effizient und sozial verträglich umzusetzen. Der BDI hat sich dazu ausführlich in einem Wachstums- und Investitionsprogramm sowie in Handlungsempfehlungen für die Bundestagswahl (BDI 2017a und 2017b) positioniert. Der Fokus liegt auf einer konsequenten Innovations- und Produktivitätsorientierung durch eine steuerliche Forschungsförderung, Stärkung der öffentlichen Forschung und zügige Verankerung der Digitalisierung und Industrie 4.0 in Unternehmen und am Arbeitsmarkt. Andere Mitgliedsländer wie Italien oder Frankreich haben ihre Baustellen wiederum vor allem am Arbeitsmarkt. Ex-Premierminister Renzi und Präsident Macron haben bereits erste Impulse dazu gesetzt. Die Fortschritte zeigen jedoch, dass noch Luft nach oben ist. Die gute Konjunktur bietet nun das Zeitfenster, um unsere Volkswirtschaften entsprechend zu modernisieren. Auf EU-Ebene haben Reformen der Eurozone höchste Priorität. Die wirtschafts- und finanzpolitische Steuerung muss dringend durch einen Euro-Finanzminister gestärkt werden, der die bisher fragmentierten Kompetenzen bündelt. Ebenso muss umgehend an der Schaffung eines Stabilisierungsbudgets gearbeitet werden. EU-Kommissions-Präsident Juncker hat in der Rede zur Lage der Europäischen Union einige Reformvorhaben genannt. Nun liegt es an der Umsetzung.
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Europas Wirtschaft startet durch. BDI rechnet mit über zwei Prozent Wachstum 27/09/2017
Quellenverzeichnis Bundesverband der Deutschen Industrie (2017a). Handlungsempfehlungen der Deutschen Industrie für die 19. Wahlperiode des Deutschen Bundestages. Berlin. --- (2017b). Wachstums- und Investitionsprogramm. Berlin. Eichert, W., Niebling, M., Jäger, S. (2017) Aufschwung ohne Schwung. Reformkurs angesichts Unsicherheit fortsetzen. Wachstumsausblick Europa. Bundesverband der Deutschen Industrie. Berlin. Europäische Kommission (2017). European Economic Forecast: Spring. Brüssel. Europäische Zentralbank (2017). Von Experten des Eurosystems erstellte gesamtwirtschaftliche Projektionen für das Eurowährungsgebiet im September. Frankfurt/M Internationaler Währungsfonds (2017). World Economic Outlook – Update. Washington, D.C. Lange, F., Watson, J. (2017), Economic Outlook, Spring. BusinessEurope. Brüssel. OECD (2017). Economic Outlook: Juni. Paris.
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Europas Wirtschaft startet durch. BDI rechnet mit über zwei Prozent Wachstum 27/09/2017
Impressum Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) Breite Straße 29, 10178 Berlin www.bdi.eu T: +49 30 2028-0 Autoren Dr. Wolfgang Eichert T: +32 2 792-1014 w.eichert@bdi.eu Solveigh Jäger T: +49 30 2028-1533 s.jaeger@bdi.eu Zoe Lechner BDI-Vertretung Brüssel Redaktion / Grafiken Dr. Klaus Günter Deutsch T: +49 30 2028-1591 k.deutsch@bdi.eua Marta Gancarek T: +49 30 2028-1588 m.gancarek@bdi.eu
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