Ergebnisse der Sondierungsgespräche von CDU, CSU und SPD

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BEWERTUNG | JANUAR 2018

Ergebnisse der Sondierungsgespräche von CDU, CSU und SPD

Das Ergebnis der Sondierungen von Union und SPD zeigt aus Sicht der deutschen Industrie keine klaren wirtschaftspolitischen Perspektiven auf, für die eine erneute Große Koalition auf Bundesebene stehen könnte. Es lässt insgesamt Wertschätzung für Industrie, Unternehmen und Mittelstand vermissen. In dem Papier fehlt eine klare ordnungspolitische Orientierung für die nächste Legislaturperiode. Viele einzelne Maßnahmen dürften insgesamt mehr Belastungen als Entlastungen für die Industrie und die Wirtschaft bringen. Die nächste Bundesregierung sollte sich im Grundsatz ressortübergreifend auf die Sicherung der konstitutiven Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft und die Sicherung einer funktionierenden Wettbewerbsordnung konzentrieren und nicht durch selektive Eingriffe Entscheidungen fällen, die besser bei den Bürgern und Unternehmen angesiedelt sind. Einzelne Elemente der Sondierungsvereinbarung sind jedoch richtig und finden unsere Zustimmung. Insbesondere unterstützen wir eine starke Rolle Deutschlands bei der Weiterentwicklung der Europäischen Union. Was aber in der Vereinbarung fehlt, sind ambitionierte Ideen, etwa zu den Fragen, wie Deutschland Spitzenreiter bei der Digitalisierung wird, was wir dem wachsenden internationalen Steuerwettbewerb entgegen setzen oder wie wir die Kosten für die Energiewende in den Griff bekommen. In der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Rentenpolitik sieht das Sondierungspapier weitere Belastungen öffentlicher Haushalte sowie der Unternehmen vor. Konzepte für die mit Blick auf die Digitalisierung notwendige Flexibilisierung des Arbeitsmarktes sind nicht zu erkennen. Die Koalitionsverhandlungen müssen nun genutzt werden, um diese Fragen zu adressieren und die Grundlagen für eine industrie- und innovationsfreundliche Politik in den kommenden vier Jahren zu schaffen.


Bewertung der Ergebnisse der Sondierungsgespräche von CDU, CSU und SPD

Inhaltsverzeichnis Europapolitik........................................................................................................................................ 4 Digitalisierung ..................................................................................................................................... 5 Steuern und Finanzen ......................................................................................................................... 6 Klima und Energie ............................................................................................................................... 7 Bildung, Innovation und Fachkräfte .................................................................................................. 8 Verkehr und Mobilität.......................................................................................................................... 9 Umwelt ................................................................................................................................................ 10 Rechtspolitik ...................................................................................................................................... 10 Mittelstand.......................................................................................................................................... 12 Gesundheitswirtschaft ...................................................................................................................... 12 Außenwirtschaft ................................................................................................................................ 13 Außenpolitik/Verteidigung................................................................................................................ 15 Rohstoffe ............................................................................................................................................ 16

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Europapolitik Europa steht zu recht mit einem ehrgeizigen Kapitel zu Beginn der Vereinbarung. Die Weiterentwicklung der Europäischen Union ist für Deutschland politisch und wirtschaftlich von überragender Bedeutung. Das starke Bekenntnis zu Europa, seinen Grundwerten und Prinzipien wie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ist uneingeschränkt zu begrüßen. -

Die Betonung der deutsch-französischen Zusammenarbeit ist grundsätzlich richtig, da die EU ohne diese Zusammenarbeit nicht vorankommt. Allerdings gelingt die Weiterentwicklung der EU – gerade auch der Wirtschafts- und Währungsunion – nur im Zusammenspiel großer, mittlerer und kleiner Mitgliedstaaten aus Nord- und Süd-, Ost- und Westeuropa.

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Positiv ist auch, dass die Bedeutung von Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftlichem Erfolg als Voraussetzung für Verteilung und hohe soziale Standards im Grundsatz erkannt wird. Bei den konkret genannten Maßnahmen ist jedoch ein klares Ungleichgewicht zulasten der Wettbewerbsfähigkeit erkennbar. Aussagen zur Verwirklichung des Binnenmarkts allgemein, zu einer marktwirtschaftlich ausgerichteten Industriepolitik oder zu konkreten Maßnahmen für mehr Wettbewerbsfähigkeit fehlen mit Ausnahme von Aussagen zur Forschungspolitik und zur Innovationsfähigkeit.

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Mit der Vereinbarung, die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) zu vertiefen und den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) in einen parlamentarisch kontrollierten Europäischen Währungsfonds und in die Verträge zu überführen, öffnet sich die Tür zu substanziellen Verhandlungen zur Vertiefung der EWWU. Dies ist grundsätzlich zu begrüßen. Wird der ESM in einen Europäischen Währungsfonds überführt, bleibt er ein schlagkräftiges Instrument für das Krisenmanagement. Dabei müssen jedoch Haftung und Kontrolle in einer Hand bleiben. Die Mitgliedstaaten müssen als Kapitalgeber die Kontrolle über alle wichtigen Entscheidungen behalten. Das muss auch bei der parlamentarischen Kontrolle berücksichtigt werden. Das Europäische Parlament sollte daher keine gesonderten Entscheidungsbefugnisse erhalten.

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Die EU soll nach dem Willen der Sondierer finanziell gestärkt werden. Es ist richtig, dass die Bereitschaft zu höheren deutschen Beiträgen zum EU-Haushalt mit dem Prinzip der wechselseitigen Solidarität auch für den EU-Haushalt verbunden wird.

Schwerpunkte für die Koalitionsverhandlungen aus Sicht des BDI: -

Wirtschafts- und Währungsunion vertiefen, Europäischen Währungsfonds vorantreiben, dabei Einheit von Haftung, Risiko und Kontrolle im Blick haben Binnenmarkt in allen Politikbereichen vollenden Prinzip zur 1:1-Umsetzung von EU-Recht in nationales Recht unbedingt aufnehmen. GoldPlating schadet der Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen und unterminiert einen funktionsfähigen Binnenmarkt. Die Zusicherung, europäische Vorgaben „nicht mit zusätzlichen bürokratischen Belastungen zu versehen“, muss auch für inhaltliche Verschärfungen gelten

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Digitalisierung Obwohl einige wichtige Forderungen der Industrie in die Sondierungen eingeflossen sind, greift das Kapitel insgesamt zu kurz: Es enthält keine Vision für ein digitales Deutschland, kein nachhaltiges Finanzierungskonzept und kein ambitioniertes Arbeitsprogramm. Das für die Digitalisierung so entscheidende Thema IT-Sicherheit fehlt im Kapitel gänzlich. Wichtig ist nun, dass die Parteien zügig eine ganzheitliche Digitalstrategie erarbeiten und konkrete Maßnahmen vorschlagen, wie sie ihre Ziele erreichen wollen.

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Mit der Digitalisierung werden immer mehr Objekte entlang der industriellen Wertschöpfungskette miteinander vernetzt. Mit diesem Anstieg der digitalen Vernetzung steigen auch die Risiken, Opfer eines Cyberangriffs zu werden, an. Cybersicherheit ist damit entscheidend für den Erfolg von Industrie 4.0 und der digitalen Gesellschaft. Es ist daher nicht verständlich, dass das Thema im Sondierungspapier im Kapitel Digitalisierung gänzlich ausgespart wird und nur unter „Rechtspolitik“ angesprochen wird. Die im Kapitel Rechtspolitik adressierten Maßnahmen zu ITSicherheit sollten aus Sicht des BDI unter das Kapitel Digitalisierung gefasst werden (siehe Kapitel „Rechtspolitik“).

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Der vereinbarte Breitbandausbau ist längst überfällig, allerdings fehlt ein überzeugendes Finanzierungskonzept. Es ist grundsätzlich richtig, die Erlöse aus der Vergabe der UMTS- und 5GLizenzen in den Ausbau der Gigabit-Netze zu investieren. Allerdings darf dies die Politik nicht dazu verleiten, das Auktionsverfahren auf eine Maximierung des Auktionserlöses auszurichten. Hohe Auktionsgewinne entziehen den Unternehmen dringend benötigte Investitionsmittel. Bei der Ausgestaltung der Breitbandförderung sollte die Politik darauf achten, öffentliches Geld nur dort einzusetzen, wo ein privatwirtschaftlicher Ausbau nicht zu erwarten ist. In keinem Fall dürfen staatliche Förderprogramme private Investitionen verdrängen. Vielmehr gilt es, Investitionsanreize zu setzen und einen fairen Investitions- und Infrastrukturwettbewerb zu sichern.

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Es bleibt im Sondierungspapier unklar, wie weit eine Modernisierung des Kartellrechts reichen soll. Der Wettbewerbsrahmen in Deutschland und der EU hat sich – auch mit Blick auf Digitale Märkte – grundsätzlich bewährt. Sollte deren besondere technische und auch wirtschaftliche Logik Anlass sein, die Tragweite des kartellrechtlichen Normenbestands in Deutschland und der EU auf den Prüfstand zu stellen, kann und sollte dies zunächst ergebnisoffen geschehen.

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Das Ziel, die Digitalisierung der Verwaltung voranzutreiben und ein zentrales, einheitliches digitales Portal für Bürger und Unternehmen zu schaffen ist zu begrüßen. Im Sinne eines künftig besser als bisher funktionierenden E-Government muss bundesweit verstärkt auf Interoperabilität der Anwendungen hingewirkt werden, z. B. bei wichtigen Anwendungen wie der E-Vergabe und der elektronischen Rechnungsstellung. Bei neuer Gesetzgebung müssen unnötige Abweichungen zwischen Bundes- und Landesrecht unbedingt vermieden werden. Darüber hinaus sollte sich die neue Bundesregierung für die Öffnung von Verwaltungsdaten einsetzen, solange die Veröffentlichung der Informationen im Einzelfall nicht gesetzwidrig ist. „Open Data by Default“ sollte zum Grundsatz für Verwaltungsbehörden werden.

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Ein deutsch-französisches Zentrum für künstliche Intelligenz mag zwar sinnvoll sein, die Förderung dieser Zukunftstechnologie muss aber einer umfassenden Digitalstrategie und weniger europapolitischen Erwägungen folgen.

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Schwerpunkte für die Koalitionsverhandlungen aus Sicht des BDI: -

Ganzheitliche digitale Strategie für Deutschland umsetzen und konkrete Schritte ableiten Nachhaltige Finanzierungsmodelle des Breitbandausbaus vereinbaren, die einen fairen Investitions- und Infrastrukturwettbewerb ermöglichen Koordinierungsstelle der Bundesregierung für Digitalisierung aufbauen

Steuern und Finanzen Der steuerpolitische Gehalt des Sondierungsergebnisses ist mager. Der Verzicht auf tarifliche Erhöhungen bei der Einkommensteuer – in Zeiten von hohen Überschüssen ohnehin eine Selbstverständlichkeit – darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die vereinbarten Entlastungen minimal ausfallen. Vom Sondierungsergebnis gehen keine Signale für eine strukturelle Reform unseres Steuersystems oder für eine Strategie im internationalen Steuerwettbewerb aus. Steuerliche Standortpolitik bleibt weiterhin in erster Linie auf die Abwehr von Steuervermeidung beschränkt. -

Die Parteien wollen insbesondere untere und mittlere Einkommen beim Solidaritätszuschlag entlasten. Eine Entlastung auch für Kapitalgesellschaften ist bislang nicht vorgesehen. Das für die Legislaturperiode vorgesehene Entlastungsvolumen beträgt 10 Mrd. Euro. Bei einem Aufkommen aus dem SolZ in Höhe von insgesamt knapp 80 Mrd. Euro innerhalb der Legislaturperiode würden damit durchschnittlich lediglich ca. 12,6 Prozent der Gesamtbelastung durch den SolZ bis 2021 beseitigt. Die Entlastung beim Solidaritätszuschlag sollte zügiger und für alle Steuerpflichtigen gleichermaßen erfolgen. Eine alleinige Erhöhung der Freigrenze für Einkommensteuerzahler wird die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands nicht verbessern.

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Die Steuerbelastung der Bürger soll nicht erhöht werden. Diese Formulierung lässt offen, ob auf die Gesamt- oder auf die individuelle Belastung der Bürger abgestellt wird bzw. ob punktuelle Einkommensteuererhöhungen doch möglich sind. Angesichts voller Kassen und des internationalen Steuerwettbewerbs verbieten sich aus unserer Sicht Steuerhöhungen.

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Ein Signal, dass die Parteien durch grundlegende strukturelle Maßnahmen in Deutschland auf den gestiegenen internationalen Steuerwettbewerb und den damit verbundenen Druck auf die Wettbewerbsfähigkeit des hiesigen Standorts reagieren wollen, lässt das Sondierungsergebnis – mit Ausnahme einer gemeinsamen Initiative mit Frankreich – vermissen. Die Notwendigkeit einer Unternehmen- bzw. Gewerbesteuerreform wird nicht adressiert, ebenso wenig wie eine Reform des Außensteuerrechts. Die geforderten europäischen Mindestsätze bei den Unternehmenssteuern könnten Europa im internationalen Steuerwettbewerb, z.B. mit den USA und Großbritannien, weiter schwächen.

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Die geforderte „gerechte“ Besteuerung großer Konzerne, „gerade auch der Internetkonzerne Google, Apple, Facebook und Amazon“, könnte der Einstieg in eine stärkere Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle („equalisation tax“) sein. Dies sehen wir kritisch, da dies notwendige Innovationen im Bereich der Digitalisierung auch industrieller Wertschöpfung hemmen könnte. An der Einführung einer Finanztransaktionssteuer wird festgehalten, was wir weiterhin ablehnen.

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Grundsätzlich positiv ist immerhin, dass die Abgeltungsteuer auf Dividenden nicht in Frage gestellt wird und die Konsolidierung Ziel bei einer gemeinsamen körperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage innerhalb der EU bleibt. Den Einstieg in eine steuerliche

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Forschungsförderung begrüßen wir, er sollte jedoch unabhängig von Unternehmensgrößen erfolgen (mehr zu diesem Thema im Abschnitt Bildung, Innovation, Fachkräfte). -

Die im Europakapitel mehrfach vorgetragene Behauptung von Steuer- und Sozialdumping verkennt, dass es sich hierbei – im Einklang mit der Kompetenzverteilung der europäischen Verträge – um unterschiedliche Gesetzgebung in den Mitgliedstaaten handelt, die auf unterschiedlichen Lebensverhältnissen beruht und von den jeweiligen Mitgliedstaaten bewusst zur Stärkung ihrer Wirtschaft gewählt wird. Hier setzen die Sondierer falsche Schwerpunkte.

Schwerpunkte für die Koalitionsverhandlungen: -

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Strukturell steuerliche Zukunftsperspektiven entwickeln, die eine Antwort auf den sich verstärkenden internationalen Steuerwettbewerb darstellen und den erheblichen Steuermehreinnahmen Rechnung tragen Umfassendere Entlastungen, etwa beim Solidaritätszuschlag, beschließen Unternehmenssteuern, insbesondere die Gewerbesteuer, reformieren

Klima und Energie In der Klimapolitik gibt das Ergebnis der Sondierungen Anlass zur Hoffnung, dass technische und ökonomische Realitäten künftig stärker berücksichtigt werden. Die Abkehr von der Fixierung auf das Klimaziel 2020 und auf einen sofortigen Kohleausstieg ist richtig. Für die deutsche Industrie elementare Fragen wie die künftige Finanzierung der Energiewende oder der Carbon Leakage-Schutz werden jedoch nicht adressiert. -

Statt des Klimaziels 2020 wird nun das Ziel 2030 als Maßstab genommen. Dieser Ansatz ist richtig. Es ist zu begrüßen, dass der Klimaschutz ohne Strukturbrüche verfolgt werden soll.

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Die Kohleverstromung soll reduziert und einschließlich eines Abschlussdatums beendet werden. Aus unserer Sicht ist wichtig, durch möglichst technologieoffene Anreize und Förderinstrumente den günstigsten Pfad zur Treibhausgasreduktion zu beschreiten und ihn nicht durch starre Vorgaben (z. B. Technologieverbote) künstlich zu verteuern.

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Das von den Parteien angekündigte Klimaschutzgesetz ist der falsche Weg, weil es die notwendige Flexibilität nehmen kann, um auf aktuelle ökonomische und technologische Entwicklungen zu reagieren.

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Zu begrüßen ist, dass die Parteien die Kosten für die energetische Gebäudesanierung als Investitionsaufwendung eingeplant haben. Hier ist jedoch eine Konkretisierung auch in der Vereinbarung unbedingt notwendig.

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Ebenso ist es richtig, den Zubau erneuerbarer Energien netzsynchroner und marktorientierter als in der Vergangenheit zu gestalten und den Netzausbau zu forcieren.

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Kritisch sehen wir allerdings die Ankündigung, für den Verkehrs- und den Bausektor weitere Kommissionen einzurichten, die – analog zur Modernisierungskommission im Klimaschutzplan – die Zulässigkeit von einzelnen Technologien erörtern sollen. Wichtig wäre eine gemeinsame Governance-Struktur.

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Schwerpunkte für die Koalitionsverhandlungen aus Sicht des BDI: -

Alternativen zum EEG-Umlagesystem prüfen Anstieg der Netzentgelte begrenzen, Kosten für Netzausbau wirtschaftlich gestalten Europäischen Emissionshandel als Leitinstrument etablieren Steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung etablieren

Bildung, Innovation und Fachkräfte Das Kapitel enthält viele wichtige Impulse, allerdings fehlt auch hier ein ganzheitliches Konzept, dass die Wirtschaft in ihrer gesamten Wertschöpfungsbreite und -tiefe berücksichtigt. -

Eine Fachkräftestrategie, wie im Sondierungspapier angekündigt, ist wichtig und längst überfällig. Positiv zu bewerten ist auch die vorgesehene Aufstockung der Mittel für Forschung und Entwicklung auf 3,5 Prozent des BIP bis zum Jahre 2025. Die zusätzlichen Investitionen des Staates müssen jedoch auch in Förderprogramme und -strukturen eingesetzt werden, die dem Forschungsverhalten und dem Bedarf der Unternehmen noch besser entsprechen und zu mehr mutigen und erfolgreichen Innovationen führen.

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Eine steuerliche Forschungsförderung soll insbesondere für kleine und mittelgroße Unternehmen eingeführt werden und FuE-Personal- und Auftragskosten berücksichtigen. Die Verengung auf die Unternehmensgröße ist aus unserer Sicht falsch. Wichtig ist, dass große Unternehmen so gefördert werden, dass sie weiter ihre impulsgebende Rolle im Forschungsnetzwerk mit den kleinen und mittelgroßen Unternehmen spielen können und im internationalen Wettbewerb der Forschungsstandorte gestärkt werden. Zudem wäre es problematisch, die KMU-Definition der EU anzuwenden, da diese große Teile des industriellen Mittelstandes ausschließt.

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In der Gründerpolitik soll die Bürokratiebelastung im ersten Jahr der Unternehmensgründung auf ein Mindestmaß reduziert und die Bedingungen für Wagniskapital verbessert werden. Beides ist wichtig und muss um Elemente ergänzt werden, die Deutschland besonders im Bereich technologieorientierter Gründungen nicht nur in der Gründungs-, sondern besonders auch in der Wachstumsphase als Standort attraktiver macht. Kritisch sehen wir den Fokus der Innovationsförderung auf „Sprunginnovationen“. Sprunginnovationen sind wichtig, Weiterentwicklungen aber auch. Beide brauchen einen wettbewerbsfähigen Förderrahmen, um den Standort Deutschland zu stärken.

Schwerpunkte für die Koalitionsverhandlungen aus Sicht des BDI: -

Steuerliche Forschungsförderung unabhängig von der Unternehmensgröße einführen Innovationsprinzip in der Gesetzesfolgenabschätzung einführen Förderungsprogramme und -strukturen auf Bedürfnisse der Unternehmen ausrichten Hightech-Strategie zu einer nationalen FuE-Strategie weiterentwickeln

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Verkehr und Mobilität Das Bekenntnis für eine saubere und bezahlbare Mobilität als Grundlage für individuelle Freiheit, Wohlstand und Wachstum ist das Leitmotiv der Sondierungsergebnisse und aus Sicht des BDI die wirtschaftlich und gesellschaftlich richtige Zielsetzung. Fahrverbote und Quoten für bestimmte Technologien würden die individuelle Mobilität und Freiheit empfindlich einschränken und die technologische Innovationskraft im Mobilitätssektor behindern.

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Zur Zielerreichung sind ein Planungs- und Baubeschleunigungsgesetz sowie die Verstetigung der Verkehrsinfrastrukturinvestitionen auf hohem Niveau zu begrüßen. Positiv ist des Weiteren, dass die Parteien die Luftreinhaltung ohne Fahrverbote erreichen wollen. Ebenso richtig ist es, die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens unter Berücksichtigung von sozialen Belangen und unter Wahrung industrieller Wettbewerbsfähigkeit erreichen zu wollen.

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Um die Chancen von digitalen Innovationen wie dem automatisierten und vernetzten Fahren sowie von alternativen Antrieben bei allen Verkehrsträgern zu nutzen, sind treffenderweise der Ausbau und die Modernisierung der Infrastruktur geboten.

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Die beabsichtigte Förderung des Personennahverkehrs und des Schienengüterverkehrs, aber auch der Elektromobilität sowie effizienterer und sauberer Verbrennungsmotoren – einschließlich der Nachrüstungen durch Software-Updates – sind wichtige Bausteine für einen gesellschaftlichen Wandel der Mobilität.

Schwerpunkte für die Koalitionsverhandlungen aus Sicht des BDI: -

Technologieoffene Förderung von Innovationen bei Entwicklung und Markteinführung beispielsweise alternativer Antriebstechnologien, Systemen zum automatisierten bis hin zum autonomen und vernetzten Fahren sowie klimaneutraler, synthetischer Kraftstoffe.

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Mit Blick auf den Verkehrssektor ist eine vorzeitige Festlegung auf gesetzgeberische Maßnahmen bis zum Jahre 2019 zum Erreichen der Klimaschutzziele 2030 zu vermeiden. Durch mögliche Technologiesprünge bei Batterien, Brennstoffzellen oder synthetischen Kraftstoffen kann eine finale Entscheidung zum Aufbau der erforderlichen kostenintensiven Infrastruktur erst bei besserer Transparenz über die tatsächliche weitere Technologieentwicklung in fünf bis sieben Jahren erfolgen.

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Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Luftverkehrs ergänzen. Die deutsche Luftverkehrswirtschaft wird durch nationale Sonderabgaben, beispielsweise durch die Luftverkehrsteuer und die Luftsicherheitskosten, im europäischen Vergleich stark benachteiligt

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Angesichts der strategisch hohen Bedeutung der Luftfahrtindustrie für den Standort Deutschland bedarf es neben der Förderung neuer, lärmarmer und energieeffizienter Technologien wie beispielsweise dem hybrid-elektrischen Fliegen auch einem beim Bundeswirtschaftsministerium angesiedelten Koordinator für Luft- und Raumfahrt.

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Umwelt Das Umweltkapitel ist sehr knapp und vage gehalten. Zudem können die genannten umweltpolitischen Maßnahmen nur unter Berücksichtigung des europäischen bzw. internationalen Kontexts umgesetzt werden. Dies gilt vor allem für das Thema Recycling/Kreislaufwirtschaft. -

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Insbesondere in der Umweltpolitik ist eine strikte 1:1-Umsetzung von europäischen Vorgaben statt eines „Draufsattelns“ bei der Umsetzung von EU-Recht erforderlich. Dieses Prinzip fehlt bisher und muss in einem Koalitionsvertrag dringend verankert werden. Mit Blick auf das Planungs- und Baubeschleunigungsgesetz sollte nicht nur die öffentliche Infrastruktur in den Fokus genommen werden. Neben Planfeststellungen müssen auch andere umweltrechtliche Verfahren, zum Beispiel nach Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG), beschleunigt werden. Die im Verkehrskapitel vereinbarte Verbesserung der Luftreinhaltung sollte sich nur auf die verkehrsbedingten Emissionen beziehen, da im Bereich der Industrieanlagen bereits ein hinreichendes Regelwerk existiert. Der Naturschutz in Deutschland muss rational umgesetzt werden. Der Artenschutz darf keine Genehmigungsverfahren verhindern, die Überprüfung des Artenschutzes in Genehmigungsverfahren muss flexibler gestalten werden. Es fehlt in dem Papier ein Verweis auf die Verknappung der Deponiekapazitäten in Deutschland. Es muss neuer Deponieraum geschaffen werden, um Entsorgungsengpässe zu vermeiden.

Schwerpunkte für die Koalitionsverhandlungen aus Sicht des BDI: -

Prinzip zur 1:1-Umsetzung von EU-Recht in nationales Recht unbedingt aufnehmen (vgl. Bewertung zum Europa-Kapitel). Chancen für mehr Ressourceneffizienz durch Industrie 4.0 nutzen Nachhaltigkeit, Umweltziele und Wachstumsziele mit Augenmaß verbinden

Rechtspolitik Auch das Kapitel zur Rechtspolitik greift zu kurz. Es ist enttäuschend, dass Themen wie der Schutz geistigen Eigentums oder die Weiterentwicklung des Datenschutzes nicht behandelt wurden. Es sind Tendenzen erkennbar, das Wirtschaftsrecht weiter zum Vehikel gesellschaftspolitischer Anliegen zu machen. Eigentum und Vertragsfreiheit finden hingegen keine Erwähnung. -

Kritisch sehen wir, dass der kollektive Rechtsschutz weiter ausgebaut werden soll. Das System der individuellen Rechtsverfolgung ist in Deutschland gut ausgebaut. Neue Instrumente wie die Musterfeststellungsklage bergen die Gefahr des Klagemissbrauchs.

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Eine supranationale praktikable Rechtsform für kleine und mittlere Unternehmen (Europa-GmbH) ist zu begrüßen. Sie könnte Zeit-, Beratungs- und Kostenaufwand bei grenzüberschreitenden Aktivitäten in anderen EU-Mitgliedstaaten deutlich reduzieren. Darüber hinaus könnte eine solche Rechtsform für Unternehmen als ein Konzernbaustein mit Blick auf die Gestaltungsfreiheit im gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnis attraktiv sein. Die Gründung von Auslandstöchtern könnte vereinfacht und die Kosten gesenkt werden.

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Hinsichtlich der Digitalisierung im Gesellschaftsrecht erachtet der BDI die Förderung von Maßnahmen für die Interaktion von Gesellschaften mit den Mitgliedstaaten in digitaler Form für ein sehr wichtiges Anliegen, sofern dadurch Gründungshemmnisse abgebaut und Erleichterungen bei

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der Unternehmensgründung erreicht werden können. Das Vorhaben der Parteien einer OnlineGründung ist daher grundsätzlich zu begrüßen. Voraussetzung dafür ist allerdings die Wahrung des Gläubigerschutzes und des öffentlichen Glaubens des Handelsregisters. Dieser öffentliche Glaube des Handelsregisters ist von großer Bedeutung und muss auch weiterhin gewahrt werden. -

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Die vorgesehene Ausweitung und Verschärfung der aktienrechtlichen Regelungen zur Repräsentanz von Frauen und Männern in Führungsgremien privater Unternehmen lehnen wir ab. Statt Diversity-Ziele auf verfassungsrechtlich bedenkliche Weise gesetzlich vorzuschreiben, sollte eine neue Bundesregierung vielmehr die Unternehmen in ihren intensiven Anstrengungen unterstützen, weibliche Fach- und Führungskräfte zu gewinnen und zu fördern. Nur auf diese Weise können wir eine ausgewogene Beteiligung der Geschlechter in Führungsgremien nachhaltig erreichen. Der BDI trägt den angekündigten „Pakt für den Rechtsstaat“ mit. Dabei kommt der IT-Sicherheit eine große Bedeutung zu. Der Ausbau und die Verbesserung der Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei der Cyberabwehr unterstützen wir ausdrücklich. Dazu ist es auch nötig, die vielen Cybersicherheitsinitiativen auf Bundes- und Landesebene stärker zu verzahnen und dadurch noch schlagkräftiger zu machen.

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Auch das Vorhaben, die Wirtschaftskriminalität und organisierte Kriminalität konsequent zu bekämpfen sowie die europäische Sicherheitskooperation zu stärken, ist im Sinne der Industrie. Dabei ist aber unbedingt zu berücksichtigen, dass das bestehende Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht bereits hinreichende Möglichkeiten bietet, um Verstöße gegen Strafvorschriften scharf zu sanktionieren.

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Die Formulierung im Abschlussdokument, „möglichst sogar in ganz Europa“ Sicherheitsstandards für IT-Infrastrukturen und den Schutz kritischer Infrastruktur zu schaffen, greift zu kurz. Diese Fragen müssen zwingend europaweit einheitlich sein. Die Bundesregierung sollte daher darauf dringen, dass alle EU-Mitgliedstaaten die Richtlinie für Netz- und Informationssicherheit (NIS-RL) konsequent umsetzen, um EU-weit einheitliche Mindeststandards im Bereich IT-Sicherheit zu gewährleisten. Zudem braucht es ein klares politisches Bekenntnis zu einer starken und sicheren Verschlüsselung ohne Backdoors oder rechtliche Vorgaben zur Schwächung von Systemen und Komponenten.

Schwerpunkte für die Koalitionsverhandlungen aus Sicht des BDI: -

Klares politisches Bekenntnis zur grundlegenden Bedeutung und dem Schutz geistigen Eigentums abgeben. Dies ist für eine moderne Gesellschaft mit einem modernen Recht im Kontext einer erfolgreichen Digitalisierung unverzichtbar.

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Praktikables Datenschutzrecht entwickeln. Die Politik muss sicherstellen, dass die deutsche Wirtschaft bei der Datennutzung zur Weiterentwicklung bestehender und Entwicklung neuer Technologien und Geschäftsmodelle nicht gehemmt wird. Dazu gehören vor allem ein praktikables Datenschutzrecht und die Ermöglichung von Big-Data-Analysen (Text- und Data-Mining).

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Unternehmensrecht an den Bedürfnissen der Unternehmen ausrichten und Selbstregulierung stärken.

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EU-einheitliche Mindeststandards bei der IT-Sicherheit einfordern.

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Mittelstand Das Sondierungsergebnis ist mittelstandspolitisch enttäuschend. Eine über alle relevanten Politikfelder hinweg konsistente Agenda für Mittelstand und Familienunternehmen ist nicht erkennbar. Drängende Herausforderungen werden nicht genannt (v.a. Energiekostenbelastung), die meisten Ankündigungen bleiben vage (u.a. Ausbau Infrastrukturen; Internationalisierung; Innovation und Fachkräfte). -

Die Vorhaben im Bereich Bürokratieabbau bleiben hinter dem Möglichen und Erforderlichen zurück. Der Schwerpunkt liegt im europarechtlichen Bereich. Vorhaben, um den Bestand an Bürokratie im nationalen Recht zu senken, sind kaum vorgesehen. Die Einführung des Prinzips „One in, one out“ auf europäischer Ebene kann zu einem Abbau (europarechtlicher) Bürokratie beitragen. Dies ist für sich genommen positiv, greift aber zu kurz. Denn die Weiterentwicklung der nationalen „One in, one out“-Regel mit einer Begrenzung der Ausnahmen (einmaliger Erfüllungsaufwand, 1:1-Umsetzung von EU-Recht) soll nicht angegangen werden. Ebenso gibt es keine Festlegung auf ein konkretes Abbauziel. Die Ankündigung, europäische Vorgaben nicht mit zusätzlichen bürokratischen Belastungen zu versehen, wird grundsätzlich positiv bewertet. Diese Maßnahme begrenzt aber lediglich neue Bürokratie, nicht den Bestand.

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Gründungskultur kann in der Tat durch weniger Bürokratie gefördert werden. Ein Bürokratieentlastungsgesetz III insbesondere auf Gründungen zu fokussieren, springt jedoch zu kurz. Erforderlich ist ein Bürokratieabbaugesetz, das alle Unternehmensgrößen spürbar erreicht.

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Richtig ist, die Digitalisierung der Verwaltung voranzubringen (vgl. Bewertung im Kapitel Digitalisierung).

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Unternehmensfinanzierung wird außerhalb der Gründerkultur an keiner Stelle explizit erwähnt. Die Stärkung des Europäischen Fonds für Strategische Investitionen (EFSI) ist hingegen ein positives Signal.

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Es fehlt zudem ein klares Bekenntnis zur Mittelstandsförderung in der Außenwirtschaft, wie etwa eine Finanzierung für Projekte mit kleinem Volumen und kurzer Laufzeit ("Small-Ticket"Problematik). Eine leistungsfähige Exportfinanzierung ist für den international orientierten industriellen Mittelstand ein wichtiger Wettbewerbsfaktor.

Schwerpunkte für die Koalitionsverhandlungen aus Sicht des BDI: -

Bürokratieabbau europäisch und national denken und klare Abbauziele definieren Interessen des Mittelstands in allen Politikfeldern mitdenken und verankern (Digitalisierung, Energie und Klima, Außenwirtschaft, Steuern u.v.m.)

Gesundheitswirtschaft Das Sondierungsergebnis bleibt zum Thema Gesundheit recht dünn. Konkrete inhaltliche Anknüpfungspunkte für die Lösung wichtiger Zukunftsaufgaben wie z.B. Bewältigung des demografischen Wandels, Unterstützung des medizinisch-technischen Fortschrittes, Förderung der Digitalisierung im Gesundheitsbereich, Auflösung des Investitionsstaus in Krankenhäusern, Sicherung der Versorgung im ländlichen Raum etc. fehlen in der Sondierungsvereinbarung. Hier muss in den Koalitionsverhandlungen nachgebessert werden.

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Schwerpunkte für die Koalitionsverhandlungen aus Sicht des BDI: -

Schlüssiges Gesamtkonzept entlang der Politikbereiche Gesundheit, Wirtschaft und Forschung entwickeln, um unser Gesundheitssystem zukunftssicher zu machen.

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Die Digitalisierung des Gesundheitssystems ebnet den Weg zur individualisierten Gesundheitsversorgung und verändert grundlegend die medizinische Versorgung, medizinische Forschung sowie Geschäftsmodelle in der Gesundheitswirtschaft. Darüber hinaus eröffnet sie Möglichkeiten, den Herausforderungen des demografischen Wandels und dem drohenden Fachkräftemangel in der Gesundheitswirtschaft zu begegnen. Um die Digitalisierung des Gesundheitssystems in der Praxis voran zu bringen, muss die Bundesregierung in der kommenden Legislaturperiode in einem gemeinsamen Dialog mit Leistungserbringern, Leistungsträgern, Industrie und Gesellschaft diesen Wandel erfolgreich gestalten.

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Versorgungsforschung bietet einen sinnvollen Ausgangspunkt für eine ganzheitliche Betrachtung der Versorgung und liefert einen wichtigen Beitrag zur Qualität von Gesundheitsleistungen. In der 19. Legislaturperiode sollte die methodische und strukturelle Weiterentwicklung der Versorgungsforschung vorangetrieben werden.

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Auch für die Gesundheitswirtschaft ist die steuerliche F&E-Förderung unter Beibehaltung der Projektfinanzierung von großer Bedeutung, um die Attraktivität des Standortes Deutschlands zu verbessern.

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Der Schutz geistigen Eigentums ist auch für die Gesundheitswirtschaft Voraussetzung für nachhaltige Innovationsfähigkeit. Nur durch nationale, europäische und internationale Vorschriften können gerade innovative Branchen im europäischen und internationalen Wettbewerb zukunftssicher aufgestellt sein.

Außenwirtschaft Im Bereich der Außenwirtschaft sind gute Ansätze im Sondierungspapier enthalten, die Ausführungen bleiben jedoch allgemein und zum Teil sind sie widersprüchlich. Zu den wichtigsten Handelspartnern USA und China werden überhaupt keine substanziellen Aussagen getroffen. Die grundsätzliche Haltung gegen Protektionismus ist zu begrüßen. -

Die Parteien wollen sich für „freien und fairen Handel“ einsetzen, der allen zugutekommt. Dies ist grundsätzlich eine sehr positive Kernbotschaft angesichts der freihandelskritischen Haltung in weiten Teilen der deutschen Gesellschaft. Es muss sich jedoch erst in der Praxis erweisen, was die Sondierungspartner unter „fairem Handel“ genau verstehen. Die Industrie unterstützt die Förderung europäischer Umwelt- und Sozialstandards gegenüber Drittstaaten auch mit Hilfe der Handelspolitik. Diese dürfen aber nicht von der EU verordnet werden. Auch unsere Handelspartner verlangen die Wahrung ihrer Regulierungsfreiheit, die der EU so wichtig ist. Unter dem Deckmantel der Fairness und hoher Werte darf es zudem nicht zu neuem Protektionismus kommen.

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Es ist richtig, dass die Parteien die Handlungsfähigkeit der EU und des Europäischen Parlaments stärken wollen. Leider verpassen die Sondierer aber die Chance, sich bereits im Sondierungspapier für „EU-only“-Freihandelsabkommen auszusprechen (in den JamaikaGesprächen war dies der Fall).

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Richtig ist, dass CETA als vorbildlich hervorgehoben wird. Jedoch wird im Sondierungspapier keinerlei Botschaft zur Ratifizierung durch Deutschland ausgesendet. Auf ein solches Zeichen warten unsere Partner in der EU und Kanada.

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Positiv ist auch die Betonung des Multilateralismus. So kurz nach der deutschen G20Präsidentschaft sollte zu Fragen der globalen Governance im Koalitionsvertrag mehr Unterstützung deutlich werden, als im Sondierungspapier. Dort wird der G20-Prozess nicht einmal erwähnt.

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Das Instrumentarium der Außenwirtschaftsförderung soll in Bezug auf neue Märkte und den afrikanischen Markt weiterentwickelt werden. Positiv ist, dass eine stärkere Verzahnung der Instrumente der Entwicklungszusammenarbeit und Außenwirtschaftsförderung angedeutet wird. Konkrete Vorschläge fehlen allerdings noch. Wichtig wäre etwa die zügige Senkung des erweiterten Selbstbehalts bei Hermes-Deckungen für alle afrikanischen Länder.

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Die von der OECD empfohlene Quote für die Entwicklungszusammenarbeit (ODA-Quote) von 0,7 Prozent des BIP soll erreicht werden. Der geplante Aufwuchs der Mittel bleibt aber weit dahinter zurück. Nach Auffassung des BDI kann das ODA-Ziel sinnvoll nur erreicht werden, wenn privatwirtschaftliches Engagement stärker berücksichtigt wird. Zukünftig sollten auch Ausgaben und Instrumente zur Förderung privater Investitionen stärker gefördert und auf die ODA-Quote anrechenbar sein. Deutsche Unternehmen leisten mit Investitionen und der Ausbildung von Menschen vor Ort bereits heute einen unverzichtbaren Beitrag für eine nachhaltige Entwicklung.

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Die Entwicklungszusammenarbeit wird im Sondierungspapier primär mit der Bekämpfung von Fluchtursachen assoziiert. Aspekte der Agenda 2030 werden in diesem Zusammenhang genannt, darunter nachhaltige Handelsstrukturen, Investitionen in Ausbildung und Beschäftigung. Es fehlt ein eindeutiges Bekenntnis zur Umsetzung der Agenda 2030. Ohne privatwirtschaftliches Engagement können die ambitionierten Ziele nicht erreicht werden. Die Wirtschaft ist Partner der Entwicklungszusammenarbeit. Die Instrumente für die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft sollten deshalb kontinuierlich weiterentwickelt werden, um eine nachhaltige Entwicklung in den Entwicklungsländern zu befördern.

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Neben der Erhöhung sollte eine effektivere Verwendung der Mittel der Entwicklungszusammenarbeit im Vordergrund stehen. Der BDI fordert deshalb eine verstärkte Ausschreibung von EZ-Vorhaben durch das BMZ. Der Anteil der Mittel, der durch Ausschreibungen vergeben wird, sollte deutlich erhöht werden, um neue, innovative Ansätze zu befördern.

Schwerpunkte für die Koalitionsverhandlungen aus Sicht des BDI: -

Klares Bekenntnis zur Ratifizierung von CETA vereinbaren

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Der transatlantischen Zusammenarbeit und dem Dialog mit China angemessenes Gewicht geben

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Optimierung der Außenwirtschaftsförderung konkretisieren, Mittel für mehr Zusammenarbeit mit der Wirtschaft einplanen

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Bewertung der Ergebnisse der Sondierungsgespräche von CDU, CSU und SPD

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Sicherung handelspolitischer Schutzinstrumente Auslandsinvestitionen auf EU-Ebene vorantreiben

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Engagierte Beteiligung am G20-Prozess vereinbaren, um Ergebnisse der deutschen Präsidentschaft zu verstätigen

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Effizienz der Entwicklungszusammenarbeit durch neue, innovative Ansätze und mehr Wettbewerb befördern

und

wirksamen

Schutz

von

Außenpolitik/Verteidigung Das Kapitel zur Außen- und Verteidigungspolitik ist sehr knapp gehalten. Dies wird der Bedeutung dieses Politikfelds und der Erwartungshaltung unserer Partner in Europa und der Welt nicht gerecht. Ein Verweis auf die transatlantische Zusammenarbeit oder auf die NATO fehlt. Auch fehlt derzeit ein klares Bekenntnis zur Notwendigkeit einer innovativen, leistungsfähigen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie sowie zum Konzept der nationalen Schlüsseltechnologien. -

Die Ausführungen zu Rüstungsexporten wirken widersprüchlich, weil Rüstungsexporte einerseits weiter eingeschränkt, andererseits die Rüstungsexportpolitik auf europäischer Ebene harmonisiert werden soll. Das wirft die Frage auf, inwiefern die Harmonisierung auf europäischer Ebene ernsthaft verfolgt werden wird. Eine weitere Einschränkung von Rüstungsexporten konterkariert zudem eine engere industrielle Zusammenarbeit zwischen deutschen und französischen Unternehmen. Problematisch ist ebenfalls zu sehen, dass die kombinierten Aufwendungen für Verteidigung und ODA in den Jahren 2018 bis 2021 um lediglich 2 Mrd. Euro zusätzlich erhöht werden sollen. Selbst wenn das Geld zur Hälfte dem Verteidigungsbereich zugutekäme, würde sich der Anteil der Verteidigungsausgaben am BIP von derzeit tatsächlich 1,13 Prozent lediglich auf 1,15 Prozent erhöhen. Bei starkem Wirtschaftswachstum könnte es unter Umständen sogar zu einer prozentualen Reduzierung der Verteidigungsausgaben kommen. In beiden Fällen würde Deutschland das sogenannte 2-Prozent-Ziel der NATO weiterhin deutlich verfehlen. Angesichts des enormen Materialbedarfs und der vielfältigen Aufgaben der Bundeswehr ist die Zahl eine Enttäuschung.

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Die Ankündigung, die Permanente Strukturierte Zusammenarbeit (PESCO) mit Leben zu füllen, bietet Chancen für die deutsche Sicherheits- und Verteidigungsindustrie.

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Zudem bekennen sich CDU, CSU und SPD zu einer offenen und fairen Handelspolitik und einer kohärenten Afrika-Strategie. Ein ganzheitlicher Ansatz der Afrika-Politik ist zu begrüßen, da die Strategien der einzelnen Ressorts bisher wenig abgestimmt wirkten. Allerdings fehlen Detailausführungen, wie ein klares Bekenntnis zu den Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs) der EU mit afrikanischen Staaten.

Schwerpunkte für die Koalitionsverhandlungen aus Sicht des BDI: -

Zusätzliche finanzielle Mittel für Investitionen in Personal und Material der Bundeswehr bereitstellen

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Sicherheits- und Verteidigungsindustrie stärken, nationale Schlüsseltechnologien undfähigkeiten fördern.

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Bewertung der Ergebnisse der Sondierungsgespräche von CDU, CSU und SPD

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Rüstungsexporte europäisch regeln und einheitliche Standards schaffen

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Klares Bekenntnis zur den Wirtschaftsabkommen mit afrikanischen Staaten (EPAs) verankern.

Rohstoffe Das Thema Rohstoffe wurde in den Sondierungsgesprächen nicht behandelt bzw. hat keinen Eingang gefunden. Dies zeigt ein fehlendes Verständnis für den Konnex von Rohstoffversorgung und Zukunftsthemen wie Industrie 4.0 oder Elektromobilität. Rohstoffversorgung und Digitalisierung sind zwei Seiten einer Medaille. Positiv ist das Bekenntnis zum Ausbau einer Zusammenarbeit mit Afrika auf allen Ebenen. Dies könnte durch die Verzahnung von Rohstoffförderung und Entwicklungspolitik geschehen.

Schwerpunkte für die Koalitionsverhandlungen aus Sicht des BDI: -

Zugang zu heimischen Rohstoffmärkten gewährleisten Protektionismus auf Rohstoffmärkten bekämpfen Informationsangebot zu Rohstoffen ausbauen, deutsche Rohstoffagentur stärken

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