Bewertung des Koalitionsvertrages zwischen CDU, CSU und SPD

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BEWERTUNG | 21. FEBRUAR 2018

Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD

CDU, CSU und SPD haben am 7. Februar 2018 einen Koalitionsvertrag vorgelegt. Darin vereinbaren die Parteien in vielen Themenfeldern Maßnahmen, die wir begrüßen und die Forderungen der Wirtschaft aufgreifen. Im Vergleich zum Ergebnis der Sondierungsgespräche enthält der Koalitionsvertrag Verbesserungen und Konkretisierungen. In der Gesamtschau sehen wir den Koalitionsvertrag jedoch überwiegend kritisch: Er lässt eine ganzheitliche Strategie und Herangehensweise in zentralen Bereichen wie der Steuerpolitik, der Digitalisierung und der Energie- und Klimapolitik vermissen. Unser Maßstab lautet: Was ist notwendig, um Deutschlands Wohlstand auch in Zukunft zu sichern? Darauf gibt der Vertrag keine überzeugende Antwort. Wichtige Impulse für Investitionen und Innovationen fehlen. Beim Einsatz öffentlicher Gelder erkennen wir eine Schieflage zugunsten von Maßnahmen in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik und zulasten von Wachstums- und Investitionsimpulsen. Der Vertrag setzt sich zu wenig mit dem internationalen Wettbewerb auseinander, in dem sich deutsche Unternehmen – egal ob mittelständisches Familienunternehmen oder börsennotierter Konzern – befinden. Eine wirtschaftliche oder gar gesellschaftliche Aufbruchstimmung ist von diesem Koalitionsvertrag nicht zu erwarten. Umso mehr müssen Regierung und Parlament in der Umsetzung des Koalitionsvertrages nun darauf achten, Zukunftsinvestitionen zu priorisieren, Impulse für Innovationen zu setzen und dabei neue Belastungen für Bürger und Unternehmen zu vermeiden.


Bewertung der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD

Inhaltsverzeichnis Europapolitik........................................................................................................................................ 4 Allgemeine Wirtschaftspolitik ............................................................................................................ 4 Digitalisierung ..................................................................................................................................... 5 Steuern und Finanzen ......................................................................................................................... 7 Klima und Energie ............................................................................................................................... 9 Forschung und Innovation ............................................................................................................... 11 Mobilität und Logistik ....................................................................................................................... 12 Umwelt ................................................................................................................................................ 15 Rechtspolitik ...................................................................................................................................... 16 Verbraucherpolitik ............................................................................................................................. 18 Vergaberecht/Öffentliche Beschaffung ........................................................................................... 18 Wettbewerb ........................................................................................................................................ 19 Mittelstand.......................................................................................................................................... 20 Gesundheitswirtschaft...................................................................................................................... 21 Außenwirtschaft ................................................................................................................................ 23 Außenpolitik/Verteidigung................................................................................................................ 25 Rohstoffe ............................................................................................................................................ 26 Entwicklungspolitik ........................................................................................................................... 27

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Europapolitik Europa steht zurecht mit einem ehrgeizigen Kapitel zu Beginn des Koalitionsvertrages. Die Weiterentwicklung der Europäischen Union ist für Deutschland politisch und wirtschaftlich von überragender Bedeutung. Die zentrale Stellung der deutsch-französischen Zusammenarbeit im Koalitionsvertrag ist zu begrüßen. Positive Aspekte -

Die Parteien vereinbaren eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. Investitionen sollen mit Programmen wie dem Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI) verstetigt und forciert werden.

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Für den EU-Haushalt werden Projekte mit europäischem Mehrwert ausreichend dotiert, z. B. Beispiel die Bereitstellung von Haushaltsmitteln für wirtschaftliche Stabilisierung und soziale Konvergenz und die Unterstützung von Strukturreformen in der Eurozone

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Es wird vereinbart, sich für eine Vertiefung der Eurozone mit der Einheit von Haftung und Kontrolle einzusetzen.

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Die Parteien wollen einen schlagkräftigen Europäischen Währungsfonds schaffen.

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Die deutsch-französische Zusammenarbeit sowie die Vertiefung der Zusammenarbeit mit Polen und im Weimarer Dreieck sollen Schwerpunkte der Regierungsarbeit werden.

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Bei den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei soll der Status quo vorerst beibehalten werden.

Negative Aspekte -

Bei den konkreten europapolitischen Maßnahmen ist ein Ungleichgewicht zulasten von Wachstumsimpulsen und zugunsten von arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Maßnahmen vorhanden. Die Wettbewerbsfähigkeit Europas ist aber Voraussetzung für Verteilung und für hohe soziale Standards.

Allgemeine Wirtschaftspolitik Die gesamtwirtschaftliche Wirkung der im Koalitionsvertrag angekündigten wirtschaftspolitischen Maßnahmen kann bislang nur in ersten Ansätzen bewertet werden. Positive Aspekte -

Die Koalition will sich an die durch die verschiedenen Fiskalregeln vorgegebenen Haushaltsspielräume halten und schöpft diese gemäß Planung nicht vollumfänglich aus. Das geplante Maßnahmenpaket wird die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte fortführen und durch Wachstumsimpulse die außenwirtschaftlichen Überschüsse abbauen helfen.

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Die industrie- und wirtschaftspolitischen Leitlinien sehen kleine, neue Fördermöglichkeiten und steuerliche Erleichterungen in einer Vielzahl von Feldern vor, z.B. die Unterstützung digitaler Schlüsseltechnologien und FuE-Zentren, die Stärkung der Luftfahrtforschung und die Fortführung

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hochtechnologischer Forschungsprogramme (Robotik, autonome Systeme, Augmented Reality). Über Ausmaß und Ausgestaltung sind jedoch zum jetzigen Zeitpunkt kaum Aussagen möglich. -

Der BDI begrüßt, dass der Dialog mit der Industrie im Bündnis „Zukunft der Industrie“ sowie in Branchengesprächen fortgeführt werden soll.

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Es ist positiv, dass die Regionalförderung für strukturschwache Regionen und durch die Gemeinschaftsaufgabe neu ausgerichtet werden soll.

Negative Aspekte -

Die Budgetplanung zielt zu wenig auf die Stärkung des Wachstumspotenzials. Weniger als die Hälfte der eingesetzten Mittel sind dafür vorgesehen (ca. 16 Mrd. Euro für Investitionen, Infrastruktur, Innovation und Bildung im Vergleich zu ca. 18 Mrd. Euro für sozial- und arbeitsmarktpolitische Leistungen und ca. 8 Mrd. Euro für die Entlastung der Kommunen).

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Zentrale wachstumspolitische Aufgaben wie die Mobilisierung privater Investitionen, die Erhöhung öffentlicher Investitionen oder auch die Steigerung des Erwerbspersonenpotenzials sind entweder vernachlässigt oder nicht als „prioritär“ eingestuft worden.

Digitalisierung In der Digitalisierung ist der Koalitionsvertrag ein Schritt in die richtige Richtung. Aber der große Wurf ist nicht erkennbar. Es fehlt ein Gesamtkonzept zur Koordinierung digitaler Themen innerhalb der neuen Bundesregierung. Zahlreiche geplante Maßnahmen bleiben vage und sollten zügig konkretisiert werden. Positive Aspekte -

Der BDI begrüßt die Ziele, bis zum Jahr 2025 einen Ausbau mit Gigabit-Netzen zu erreichen und Deutschland als Leitmarkt für 5G zu entwickeln. Zudem wollen die Parteien neue Anreize für den privatwirtschaftlichen Ausbau schaffen.

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Die Stärkung Europas mit Blick auf die Vollendung des Digitalen Binnenmarkts nimmt eine zentrale Rolle im Koalitionsvertrag ein. Den freien Datenfluss in der EU als Grundprinzip der Freizügigkeit zu verankern, ist begrüßenswert. Positiv ist zudem, dass sich die neue Bundesregierung entsprechend der Forderung aus der Wirtschaft für eine E-Privacy-Verordnung einsetzen will, die im Einklang mit der EU-Datenschutz-Grundverordnung die berechtigten Interessen von Verbraucherinnen und Verbrauchern und Wirtschaft angemessen und ausgewogen berücksichtigt. Die Kohärenz zwischen der neuen E-Privacy Verordnung mit der Datenschutzgrundverordnung bei der Datenverarbeitung ist dringend geboten.

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Die Aufhebung des Kooperationsverbots schafft die dringend benötigten Grundlagen für eine bessere digitale Bildung. Die potenziellen Koalitionspartner wollen den Digitalpakt für Bildung umsetzen und die hierfür notwendigen Mittel in Höhe von 5 Mrd. Euro freimachen.

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Die Parteien sehen die Einrichtung einer nationalen Weiterbildungsstrategie für Arbeitnehmer und Arbeitsuchende und die Fortsetzung der Allianz für Aus- und Weiterbildung vor. Eine nationale Weiterbildungsstrategie ist grundsätzlich zu begrüßen, muss sich jedoch am konkreten Bedarf, etwa den benötigten digitalen Kompetenzen der Beschäftigten und Arbeitgebern, orientieren.

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Der Koalitionsvertrag vereinbart die Verbesserung der Finanzierungsrahmenbedingungen für Startups. Der geplante Digitalfonds wird es gerade auch Pensionsfonds und Versicherungen ermöglichen, in Wagniskapitalfonds zu investieren. Zu den positiven neuen Instrumenten zählt

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auch der Tech Growth Fund, über den Startups in der Wachstumsphase Fremdkapital in Form von VentureDebt erhalten sollen. -

Positiv sind auch die Vorhaben zur Gründungsförderung, so zum Beispiel die Ankündigung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes sowie das Bekenntnis, den Austausch zwischen Gründern und der etablierten Wirtschaft, insbesondere dem Mittelstand, systematisch zu fördern.

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Das Thema IT-Sicherheit erhält eine größere Beachtung als bisher. Der BDI unterstützt den „Nationalen Pakt Cybersicherheit“ und die Bestrebungen, die Rolle des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) als Cybersicherheitsbehörde, insbesondere bei der Beratung der Unternehmen, zu stärken. Auch der im Vertrag angeführte Ansatz, die Vielzahl an Cybersicherheitsinitiativen in Deutschland stärker miteinander zu verzahnen, ist richtig.

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Eine freiwillige Sicherheitskennzeichnung für private Anbieter "Gütesiegel für IT-Sicherheit" sowie die Einrichtung einer „Agentur für disruptive Innovationen in der Cybersicherheit und Schlüsseltechnologien“ und eines IT-Sicherheitsfonds zum Schutz sicherheitsrelevanter Schlüsseltechnologien sind richtig.

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Bei der digitalen Verwaltung sind im Vergleich zur letzten Legislaturperiode deutliche Verbesserungen geplant. Ein zentrales, einheitliches digitales Portal für Bürger und Unternehmen sowie ein behördenübergreifendes Datenmanagement ist längst überfällig. Bei dem Ziel, die 100 wichtigsten Verwaltungsdienstleistungen online verfügbar zu machen, setzen die Parteien den Schwerpunkt zurecht auf unternehmensnahe Bereiche. Zudem begrüßt der BDI die Erprobung von alternativen, datengestützten Regulierungsinstrumenten („smarte Regulierung“) in Reallaboren.

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Mehr Transparenz für Vermittlungs-, Buchungs- und Vergleichsplattformen (Bewertungssysteme, Gewichtung der Ergebnisse, Provisionen, Marktabdeckung) ist grundsätzlich positiv. Dabei sollten aber keine unnötigen bürokratischen Anforderungen geschaffen werden. Wichtig ist, dass Fragen der Plattformökonomie einheitlich in der EU gelöst und keine nationalen Alleingänge vorgenommen werden.

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Es ist sinnvoll, dass diskriminierungsfreier Netzzugang mit den europarechtlich vorgesehenen Ausnahmen unterstützt wird. Ausgewogene Regelungen zur Netzneutralität müssen sowohl das „Best effort“-Prinzip als auch gesicherte Qualitätsklassen ermöglichen. Eine Diskriminierung einzelner Dienste, Inhalte oder Nutzer ist entschieden abzulehnen, eine Differenzierung von Qualitäten muss aber möglich sein. Kritische Anwendungen wie z. B. netzbasierte medizinische oder industrielle Dienste sind auf höherwertige gesicherte Qualität angewiesen.

Negative Aspekte -

Die potenziellen Koalitionspartner legen kein ganzheitliches Konzept zur Koordinierung der ressortübergreifenden Zusammenarbeit bei digitalen Themen vor. Gegenüber der aktuellen Bundesregierung sind bei diesem Aspekt keine Fortschritte erkennbar. Die fehlende Koordinierung der Ministerien war ein erheblicher Schwachpunkt der bisherigen Digitalpolitik. Das geplante Recht auf Breitbandanschluss ab 2025 ist mit ordnungspolitischen Grundsätzen nicht vereinbar, bleibt vage und führt bei den Netzbetreibern zu einer großen Verunsicherung. Es ist zu befürchten, dass bei einer Beteiligungsverpflichtung der Netzbetreiber an der Finanzierung unwirtschaftlicher Ausbauvorhaben knappe Investitionsmittel aus eigenwirtschaftlichen Projekten abgezogen werden. Die Ausgestaltung des Rechts sollte zügig konkretisiert werden, um Investitions- und Planungssicherheit zu gewährleisten.

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Ein Großteil der Fördermittel für den Breitbandausbau soll über die Erlöse aus der Vergabe der UMTS- und 5G-Lizenzen bereitgestellt werden. Hier besteht die Gefahr, dass die Vergabefahren

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auf eine Maximierung des Auktionserlöses ausgerichtet werden. Es gilt zu vermeiden, den Unternehmen die notwendigen Investitionsmittel für den Breitbandausbau zu entziehen. -

Die genaue Ausgestaltung der Breitbandförderung ist noch unklar. Der BDI empfiehlt, einen Teil der Fördermittel für eine nachfrageseitige Förderung einzusetzen. Ein mögliches Instrument sind die vom Bundeswirtschaftsministerium vorgeschlagenen Gigabit-Vouchers.

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Die dringend notwendige internationale Zusammenarbeit bei Cybersicherheit wird im Koalitionsvertrag nicht adressiert. Maßnahmen, wie zum Beispiel das chinesische Cybersicherheitsgesetz, führen zu erheblichen Verunsicherungen bei der exportorientierten deutschen Industrie.

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Es fehlt ein Bekenntnis zu einer starken und sicheren Verschlüsselung ohne Backdoors. Es muss sichergestellt werden, dass vertrauliche Informationen jeder Art nicht in die Hände Unbefugter geraten. Die ursprüngliche Idee, eine Rechtsgrundlage für die Zentrale Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich (ZITiS) zu schaffen, ist im Koalitionsvertrag leider nicht mehr enthalten.

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Es fehlt der Mut, eine zukunftsweisende Datenpolitik anzugehen. Es ist an der Zeit, eine Datenpolitik anzustoßen, die innovationsfreundlich ist und neue datengetriebene Geschäftsmodelle ermöglicht und zugleich den Schutz der Privatsphäre des Einzelnen wahrt.

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Die Frage nach einem sogenannten Eigentumsrecht an Daten, das nicht-personenbezogene Daten betrifft, ist sorgfältig von personenbezogenen Daten, die dem Datenschutzrecht unterliegen, zu unterscheiden. Dass der Koalitionsvertrag diese Frage beim Thema Datenschutzrecht einbettet zeigt mangelndes Bewusstsein der Großen Koalition für diese Differenzierung. Aus Sicht der Industrie besteht für eine gesetzliche Regelung nicht-personenbezogener Daten kein Bedarf – weder für ein Eigentumsrecht noch für ein Zugangsrecht.

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Es fehlt die aus Sicht der Industrie notwendige Diskussion, ob das „Prinzip der Datensparsamkeit“ durch ein Prinzip der „digitalen Souveränität“ ersetzt werden kann.

Steuern und Finanzen Der Koalitionsvertrag enthält kein klares Konzept, durch Steuerstrukturreformen und unter Berücksichtigung der Gesamtbelastungshöhe die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen am Standort Deutschland nachhaltig zu sichern. Vielmehr sollen auch weiterhin kleinteilige Maßnahmen umgesetzt werden mit dem primären Ziel, Steuerhinterziehung, Steuervermeidung und unfairen Steuerwettbewerb abzuwehren. Finanzpolitisch werden die historisch hohen Spielräume deutlich zu wenig für investive Maßnahmen, beispielsweise in Forschung und Entwicklung, genutzt. Positive Aspekte -

Der BDI unterstützt ausdrücklich das Bekenntnis der Parteien, keine neuen Schulden aufzunehmen. Dies sollte jedoch angesichts sich wiederholender Steuermehreinnahmen eine Selbstverständlichkeit sein.

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Es ist positiv, dass die Parteien sich zum Ziel setzen, die Hinzurechnungsbesteuerung zeitgemäß auszugestalten. Ausländische Sachverhalte dürfen nicht länger systematisch höher belastet werden als vergleichbare Inlandssachverhalte. Allerdings steht dieses Bekenntnis im Kontext der Missbrauchsbekämpfung.

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Das Festhalten an der Abgeltungsteuer für Dividenden ist zu begrüßen. Ihr Wegfall bei Zinsen ist dagegen kaum zu rechtfertigen und stellt eine verdeckte Steuererhöhung dar.

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Wichtig ist, dass bei einer Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung das Ziel der Konsolidierung weiterhin angestrebt wird.

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Es ist richtig, dass die Parteien die Erhebungs- und Erstattungsverfahren der Einfuhrumsatzsteuer in Kooperation mit den Bundesländern zur Abmilderung der bestehenden erheblichen Wettbewerbsnachteile deutscher Standorte optimieren zu wollen. Die getrennte Erhebung (durch den Zoll) und Erstattung (durch das Finanzamt) der Einfuhrumsatzsteuer bedeuten Liquiditäts- und Kostennachteile. Nur mit der Schaffung einer Verrechnungsmöglichkeit wie in den Niederlanden, Belgien und Österreich können der Güterumschlag und die Wertschöpfung in Deutschland gehalten werden.

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Die Verbesserung der Ausstattung des Bundeszentralamts für Steuern ist vor dem Hintergrund des BEPS-Projekts dringend geboten, um Verfahren zu beschleunigen und Doppelbesteuerungen zu vermeiden.

Negative Aspekte -

Insgesamt fehlt es an einer Strategie im Umgang mit dem verschärften internationalen Steuerwettbewerb. Nachdem insbesondere die USA, Großbritannien und Frankreich Reformen der Unternehmensbesteuerung bereits umgesetzt bzw. angekündigt haben, stellt sich die Frage nach der Belastungshöhe in Deutschland umso drängender: Um wettbewerbsfähig zu bleiben, kann sich Deutschland auf Dauer keine höhere effektive Steuerbelastung als in anderen Industrienationen leisten. Die geforderten europäischen Mindestsätze bei den Unternehmenssteuern könnten die EU im internationalen Wettbewerb schwächen und die notwendige steuerpolitische Flexibilität beschränken.

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Die vorgesehene Entlastung über eine Freigrenzenregelung mit Gleitzone ist ein erster Schritt in Richtung einer Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Sie ist jedoch halbherzig, führt zu erhöhten Grenzsteuerbelastungen für mittlere Einkommen und lässt insbesondere die Kapitalgesellschaften außen vor. Das für die Legislaturperiode vorgesehen Entlastungsvolumen beträgt 10 Mrd. Euro. Bei einem Aufkommen aus dem SolZ in Höhe von insgesamt knapp 80 Mrd. Euro innerhalb der Legislaturperiode würden damit durchschnittlich lediglich 12,6 Prozent der Gesamtbelastung durch den SolZ bis 2021 beseitigt. Vielmehr müsste eine Abschaffung für alle Zahler der Ergänzungsabgabe und vollständig erfolgen, auch um verfassungsrechtlichen Bedenken Rechnung zu tragen.

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Zwar ist der Einstieg in die steuerliche Forschungsförderung vorgesehen. Kritisch ist jedoch, dass sich das Bekenntnis zur Einführung einer steuerlichen Forschungsförderung nicht im Finanztableau wiederfindet und damit unter Finanzierungsvorbehalt steht. Darüber hinaus soll die vorgesehene Förderung durch die Begrenzung auf KMU lediglich einem stark eingeschränkten Unternehmenskreis zur Verfügung stehen. Notwendig ist eine Förderung von Unternehmen aller Größen in Ergänzung zu bestehenden Projektförderung, damit große Unternehmen weiter ihre impulsgebende Rolle im Forschungsnetzwerk mit den kleinen und mittleren Unternehmen spielen können und im internationalen Forschungswettbewerb gestärkt werden.

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Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle: Die USA setzen mit ihrer Steuerreform starke Anreize, Aktivitäten rund um geistiges Eigentum sowie Forschung und Entwicklung in den USA aufzubauen. Demgegenüber stehen die Lizenzschranke in Deutschland und die Ankündigung einer stärkeren Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle auf EU-Ebene. Das sind die falschen Weichenstellungen für eine zunehmend digitalisierte Wirtschaftswelt. Sie gefährden die Entwicklung der Industrie 4.0 in Deutschland.

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Grunderwerbsteuer (Share Deals): Eine Absenkung der Anteilsvereinigungsgrenze ist abzulehnen. Die bisherige Debatte strebt vor allem eine unangemessene Mehrbelastung von Share

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Deals an und ignoriert die systematischen Gründe, aus denen sie von der Grunderwerbsteuer nicht erfasst werden sollten. Eine Kompensation über die Senkung des GrESt-Satzes der Länder ist unrealistisch, auch mit Blick auf Schuldenbremse ab 2020. -

Am Ziel, eine Finanztransaktionssteuer auf EU-Ebene einzuführen wird festgehalten, ohne schädliche Folgen etwa für die Altersvorsorge auszuschließen.

Klima und Energie Der Koalitionsvertrag packt wesentliche und überfällige Aspekte der Energie- und Klimapolitik nicht an. Zwar wurde mehr Realismus angekündigt, doch versäumen die Koalitionäre erneut die geforderten Mittel für eine attraktive steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung bereitzustellen, ohne die die Klimaziele nicht erreicht werden können. Zudem werden Finanzierungsalternativen zum EEG-Umlagesystem nicht einmal erwähnt. Zusammen mit dem Bekenntnis, alle starren Sektorziele des Klimaschutzplans 2050 erreichen zu wollen, führen diese Versäumnisse dazu, dass die großen Herausforderungen der Energie- und Klimapolitik nicht kosteneffizient und entschlossen angepackt werden. Positiv hingegen ist die Vereinbarung, dass der Zubau Erneuerbarer Energien (EE) netzsynchron vorangetrieben werden muss und in der Energieforschung Systemlösungen bei der Sektorkopplung zu forcieren sind. Positive Aspekte Gebäude -

Zusammenführung des Ordnungsrechts mit dem Ziel einer Vereinfachung und Entbürokratisierung.

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Anforderungen für den Bestand als auch für den Neubau bleiben unverändert.

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Fortführung der Brennwerttechnik-Förderung.

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Vorbildfunktion durch Bekenntnis zur Sanierung von Bundesbauten und eine konsequente Umsetzung eines Sanierungsfahrplans.

Klima -

Die internationale Wettbewerbsfähigkeit, insbesondere der energieintensiven Industrien, soll gewährleistet und integrierte Wertschöpfungsketten gesichert werden.

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Ein umfassender Schutz vor Carbon Leakage wird zugesagt.

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Das Förderprogramm Dekarbonisierung in der Industrie soll zur langfristigen Sicherung des Industriestandorts Deutschland eingerichtet werden.

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Ein CO2-Bepreisungssystem soll global, mindestens aber im Rahmen der G20 Staaten vereinbart werden.

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Der EU-Emissionshandel (EU-ETS) soll als klimapolitisches Leitinstrument gestärkt werden.

Energie -

Es ist richtig, dass die Parteien an der einheitlichen Stromgebotszone für ganz Deutschland festhalten und dafür den Zubau erneuerbarer Energien netzsynchroner gestalten wollen.

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Positiv ist beim Thema Energieeffizienz, dass anstatt eines ordnungsrechtlichen Effizienzgesetzes weiterhin der Nationale Aktionsplan Energieeffizienz (NAPE) die Grundlage der Effizienzpolitik bleibt und eine Stabilisierung der Fördermittel auf derzeitigem Niveau erfolgen soll.

Netze -

Versorgungssicherheit soll durch entsprechende Rahmenbedingungen auch im deutschen Energiemarkt zuverlässig gewährleistet sein.

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Gesetzliches Monitoring: Bezahlbarkeit von Energie, Versorgungssicherheit, unter Einschluss der Entwicklung von Netzengpässen sollen regelmäßig bewertet werden.

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Das Netzausbaubeschleunigungsgesetz (NABEG) soll novelliert und vereinfacht werden. Ein Maßnahmenplan (Optimierung Bestand sowie Beschleunigung Neubau) soll erarbeitet werden.

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Die Reform der Kosten für Netzentgelte soll verursachungsgerecht und unter angemessener Berücksichtigung der Netzdienlichkeit erfolgen.

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Es wird mehr Flexibilität für Stromverbraucher „unter Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit“ vereinbart.

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Der Regulierungsrahmen soll auch im Verteilnetzbereich weiterentwickelt werden, insbesondere um intelligente Lösungen (Digitalisierung) zu flankieren.

Energieforschung -

„Reallabore“ sollen etabliert werden.

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Die Koalition bietet die Perspektive einer besseren, ressortübergreifenden Koordinierung der Energieforschungspolitik und der Verstärkung eines systemischen Ansatzes (z. B. Forschungscampusse).

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Es sollen mit der Wirtschaft und zivilgesellschaftlichen Akteuren Systemlösungen erforscht werden, insbesondere für die Sektorkopplung von Strom-Mobilität-Wärme.

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Der Zugang zur Forschungsförderung für Start-ups soll erleichtert und Anreize für private Investitionen im Bereich der Energieforschung verbessert werden.

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Ein Fraunhofer Institut für Speichertechnologien soll eingerichtet werden.

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Die Erforschung synthetischer Kraftstoffe soll gestärkt und pilothaft zum Einsatz kommen.

Negative Aspekte Gebäude -

Die Mittel zur steuerlichen Förderung der energetischen Gebäudesanierung sind bei weitem zu gering. Nach Berechnungen der BDI-Studie „Klimapfade für Deutschland“ sind allein für die energetische Gebäudesanierung mindestens 2 Mrd. Euro pro Jahr erforderlich, denn ohne diese sind die Klimaziele nicht erreichbar. Veranschlagt ist diese Summe bisher für AfA, energetische Gebäudesanierung und Förderung Eigentum für Familien über vier Jahre verteilt. Legt die Bundesregierung hier nicht nach, drohen vier weitere Jahre Stillstand bei der Gebäudesanierung.

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Die Überarbeitung und Abstimmung von Förderprogrammen – teils nicht-technologieoffen – greift zu kurz.

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Klima -

Nach Erkenntnissen der BDI Klimapfadstudie verteuern die Umsetzung des Aktionsprogramms Klimaschutz 2020 und der Klimaschutzplan 2050 mit starren Sektorzielen den Klimaschutz. Deshalb ist die gesetzliche Verankerung starrer Sektorziele durch ein Klimaschutzgesetz der falsche Weg.

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Isolierte Aktivitäten mit Frankreich im Bereich eines nationalen CO2-Mindestpreises können zu zusätzlichen Lasten für Emissionshandelspflichtige führen.

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Es fehlen Aussagen zu dringend nötigen positiven Investitionsanreizen und zu einem ganzheitlichen Monitoring zu Energie und Klimaschutz.

Energie -

Die Vereinbarung über eine weitere Zielanhebung beim Erneuerbaren-Ausbau auf 65 Prozent bis 2030 ist unklar. Stellen die in dem Zusammenhang genannten „Voraussetzungen“ (effizient, netzsynchron, marktorientiert) Bedingungen dar, die zuvor erfüllt werden müssen, oder wird der Ausbaukorridor unabhängig davon in jedem Fall angehoben? Es fehlt zudem die Zusage, dass die EEG-Gesamtbelastung der Unternehmen nicht noch weiter steigen darf, sondern signifikant sinken muss.

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Finanzierungsalternativen zum EEG-Umlagesystem werden - mit Blick auf die hohe und perspektivisch weiter steigende EEG-Umlage - nicht einmal als Prüfungspunkt angesprochen.

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Ein Abschlussdatum für Kohleverstromung kommt einem zukünftigen Verbot gleich.

Netze -

Die Erarbeitung einer Verordnung zur Umsetzung der bereits beschlossenen bundesweit einheitlichen Übertragungsnetzentgelte, so wie im Netzausbaubeschleunigungsgesetz (NEMOG) beschlossen, ist als Einzelmaßnahme nicht zielführend. Dass die Verordnung nicht zielführend ist, zeigt bereits, dass der Koalitionsvertrag zugleich eine weitere Reform der Netzentgelte für erforderlich hält und ankündigt.

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Errichtung eines Kompetenzzentrums „Strahlenschutz und Stromnetze“ im Bundesamt für Strahlenschutz. Der weiterhin dringend benötigte Stromnetzausbau sollte nicht durch weitere Hürden verzögert bzw. möglicherweise sogar partiell verhindert werden. Die derzeitigen institutionellen Prüfungen sind ausreichend.

Energieforschung -

Die Energieforschung soll vermehrt auf die Energiewende ausgerichtet werden. Eine international ausgerichtete Energieforschungspolitik und stärkere Berücksichtigung der internationalen Forschungsprioritäten werden im Koalitionsvertrag missachtet.

Forschung und Innovation Die Parteien wollen bewährte Instrumente fortsetzen und um neue Elemente ergänzen. Dazu zählen auch die Förderung von Sprunginnovationen und die Erprobung mutiger Innovationen in Reallaboren („Experimentierräume“). Das Bekenntnis, bis 2025 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Forschung und Entwicklung zu investieren, ist zunächst positiv. Ob und in welchem Umfang die angekündigte steuerliche Forschungsförderung zu seiner Erreichung beitragen soll, bleibt leider offen. An dieser wichtigen Stelle springt der Koalitionsvertrag zu kurz.

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Positive Aspekte -

Die Koalition bekennt sich zum 3,5 Prozent-Ziel. Die Hightech-Strategie soll weitergeführt werden und sich an den Schwerpunkten Digitalisierung, Gesundheit, Klima und Energie, Mobilität, Sicherheit, soziale Innovationen und Zukunft der Arbeit orientieren.

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Schlüsseltechnologien sollen gefördert werden. Ein Nationales Forschungskonsortium für künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen soll aufgebaut werden.

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International sichtbare Forschungs- und Beratungszentren sollen aufgebaut werden, auch zum Nutzen technologieorientierter Unternehmensgründungen.

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Die Koalition erklärt die Bereitschaft zum Engagement zu einer starken europäischen Forschungs- und Innovationspolitik, basierend auf den Prinzipien der Exzellenz und der Subsidiarität. Die Koalition bestärkt, dass der nächste mehrjährige EU-Finanzrahmen stärker auf Zukunftsthemen wie Bildung, Forschung, und Innovation ausgerichtet wird.

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Die Parteien wollen prüfen, inwieweit Förderprogramme für technologische Innovationen auch auf datengetriebene Geschäftsmodelle ausgeweitet werden können.

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Die Projektförderung und industriellen Gemeinschaftsforschung soll unbürokratisch fortgesetzt werden. Eine Transfer-Initiative soll Unternehmen unterstützen, die Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung in Produkte und Verfahren umzusetzen.

Negative Aspekte -

Richtig ist, den Pakt für Forschung und Innovation (PFI) fortzusetzen. Er hat dazu beigetragen, dass Wissenschaft und Forschung in Deutschland ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit gesteigert haben. Allerdings sollte der im Koalitionsvertrag in Aussicht gestellte Mittelaufwuchs von jährlich mindestens 3 Prozent nicht dem Gießkannenprinzip folgen, sondern an konkrete Ziele und Bedingungen geknüpft sein, z. B. Kooperation mit Unternehmen und Transfers.

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Die Einführung einer steuerlichen Forschungsförderung für die in Deutschland forschenden Unternehmen jeder Größenklasse bleibt ungewiss.

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Das Thema innovationsfreundliche Regulierung, z. B. der vom BDI vorgeschlagene Innovations-Check in der Gesetzesfolgenabschätzung, ist nicht explizit aufgenommen worden.

Mobilität und Logistik Das Bekenntnis für eine saubere und bezahlbare Mobilität als Grundlage für individuelle Freiheit, Wohlstand und Wachstum ist das Leitmotiv des Verkehrskapitels im Koalitionsvertrag. Damit setzt die Große Koalition wirtschaftlich und gesellschaftlich die richtigen Schwerpunkte. Fahrverbote und Quoten für bestimmte Technologien würden die individuelle Mobilität und Freiheit empfindlich einschränken und die technologische Innovationskraft im Mobilitätssektor behindern. Positive Aspekte -

Die Koalition will den Investitionshochlauf für die Verkehrsinfrastruktur auf heutigem Niveau fortführen sowie die Überjährigkeit der zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel dauerhaft sichern. Der Schwerpunkt der Investitionen wird bei Erhalt vor Neu- und Ausbau gesetzt. Die Realisierung der noch nicht fertiggestellten Öffentlich-Privaten Partnerschaften der 1. - 3. Staffel sagt die Große Koalition fest zu.

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Der BDI unterstützt das geplante Planungs- und Baubeschleunigungsgesetz sowie die Orientierung an den zwölf Punkten des Strategiepapiers „Planungsbeschleunigung“ des

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Bundesverkehrsministeriums. Positiv ist bei ausgewählten Projekten mit überragendem öffentlichem Interesse per Gesetz die Planungs- und Genehmigungsverfahren zu verkürzen und die Verwaltungsgerichtsverfahren auf eine Instanz zu beschränken. -

Die Große Koalition sieht Klimaschutz im Verkehr im Spannungsverhältnis zwischen Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und einer bezahlbaren Mobilität. Dafür kündigt sie ein Bündel wichtiger Maßnahmen an, die allerdings weitgehend unter Finanzierungsvorbehalt stehen: So soll das Nationale Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie fortgeführt und die Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie technologieoffen weiterentwickelt werden.

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Fahrverbote sollen vermieden werden, insbesondere durch weitere und verstetigte Unterstützung der Kommunen. Zugleich haben die Parteien aber die angekündigten Maßnahmen unter Finanzierungsvorbehalt gestellt. Das schließt auch den Fonds „Nachhaltige Mobilität für die Stadt“ und die Fortführung des Sofortprogramms „Saubere Luft 2017-2020“ ein.

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Der BDI begrüßt die Ankündigung, Elektromobilität weiter fördern zu wollen. Die Koalition schließt dabei technologieoffen batterieelektrische sowie Wasserstoff- und Brennstoffzellenantriebe ein. Der dringend erforderliche Aufbau einer flächendeckenden Lade- und Tankinfrastruktur soll intensiviert werden. Mit dem Ziel, bis 2020 mindestens 100.000 Ladepunkte, davon ein Drittel Schnellladepunkte, für Elektrofahrzeuge zusätzlich verfügbar zu machen, setzt die Große Koalition einen wichtigen Schwerpunkt. Richtig ist auch der Ansatz, private Ladeinfrastruktur zu fördern. Die Finanzierung dieser Vorhaben ist noch unklar und sollte rasch geklärt werden.

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Auch weitere finanzielle Anreize bei der pauschalen Dienstwagenbesteuerung und eine Sonder-AfA für gewerblich genutzte Elektrofahrzeuge können einen wichtigen Beitrag zur weiteren Förderung von Elektromobilität leisten.

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Grundsätzlich richtig ist es, die bestehende Nationale Plattform Elektromobilität zu einer Plattform „Zukunft der Mobilität“ weiterzuentwickeln. Dabei kommt es aus Sicht der deutschen Industrie auf die Ausgestaltung in enger Abstimmung mit Partnern an.

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Den Aufbau einer Batteriezellfertigung in Deutschland und Europa will die Politik unterstützen.

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Grundsätzlich richtig ist der Ansatz, die Schiene mit einem „Schienen-Pakt“ zu stärken. Von den enthaltenen Maßnahmen ist allerdings nur die Realisierung eines deutschlandweiten 740-mNetzes für Güterzüge bis 2020 fest verankert. Bedauerlich ist, dass ein umfassendes Förderprogramm zur Elektrifizierung von Strecken und zu Fahrzeugen mit Brennstoffzelltechnik nebst Lade-/ Tankinfrastruktur zwar angekündigt wird, aber unter Finanzierungsvorbehalt steht. Bis zum Jahr 2025 sollen zudem 70 Prozent des Schienennetzes in Deutschland elektrifiziert sein.

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Die Parteien wollen die Chancen von digitalen Innovationen, wie automatisiertem und vernetztem Fahren, durch schnelles und mobiles Internet (5G) ermöglichen und sagen hierfür richtigerweise die Breitbandversorgung aller Verkehrsträger in den kommenden Jahren zu. Auch Experimentierklauseln bzw. Ausnahmeregelungen für das rechtssichere Testen von autonomen Fahrzeugen im öffentlichen Raum und die rechtlichen Voraussetzungen für vollautonome Fahrzeuge sind richtige Ansätze.

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Zu begrüßen ist die Absicht, faire Rahmenbedingungen im Einklang mit europäischen und internationalen Regelungen für die Luftverkehrswirtschaft, beispielsweise durch Umsetzung des Luftverkehrskonzepts und die Entlastung der Flughäfen und Luftfahrtunternehmen von einseitigen nationalen Kosten, schaffen zu wollen.

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Positiv ist auch, dass der Staat Anteile der Luftsicherheitskosten übernehmen soll sowie der Vorsatz, einheitlichere und effizientere Organisation, Aufgabenwahrnehmung und -verteilung für die Luftsicherheit zu gestalten. So wird sich auch für die bedarfsgerechte Kapazitätserweiterung der Flughäfen ausgesprochen.

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Die Institutionalisierung einer industriepolitischen Zusammenarbeit von Bund, Ländern, Luftfahrt und Gewerkschaften ist ein wichtiger Schritt zur Stärkung von Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit des Luftfahrtstandorts Deutschland

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Dringend notwendig ist die Bereitstellung finanzieller Mittel zur Verbesserung der Erforschung und Erprobung alternativer Treibstoffe im Luftverkehr sowie Erhöhung der Mittel der hierfür zentralen Forschungsprogramme auf nationaler Ebene und insbesondere des Luftfahrtforschungsprogramms.

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Erfreulich ist, dass eine Optimierung des Erhebungs- und Erstattungsverfahrens der Einfuhrumsatzsteuer für Industrie- und Handelsunternehmen sowie für die deutschen Flug- und Seehäfen vorgenommen wird.

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Die Große Koalition will die Mobilitätsforschung im Bundesverkehrsministerium bündeln und künftig verstärkt klima-, gesellschafts- und sozialwissenschaftliche Aspekte betrachten. Richtig sind auch angekündigte Forschungsvorhaben, z. B. ein deutsches Zentrum für Schienenverkehrsforschung und ein eigenständiges Forschungsprogramm für den Schienenverkehr, deren Finanzierung rasch geklärt werden sollte.

Negative Aspekte -

Eine Vielzahl der Maßnahmen mit zusätzlichem Finanzmittelbedarf steht unter einem Finanzierungsvorbehalt, etwa prioritäre Projekte des Bundesverkehrswegeplans (BVWP) 2030 und die Umsetzung des Masterplans Schienengüterverkehr.

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Kritisch zu sehen ist die Einbindung der Gewerkschaften und Personalräte beim Aufbau der Infrastrukturgesellschaft Verkehr, da die erforderliche Strukturreform bei der Planung und Auftragsvergabe unnötig in die Länge gezogen werden könnte.

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Die Mobilitätspolitik soll neben dem Pariser Klimaschutzabkommen auf dem „Klimaschutzplan 2050“ verpflichtet sein, damit auch dem im Klimaschutzplan 2050 vereinbarten Sektorziel Verkehr für 2030. Dieses hat der BDI als willkürlich, unzureichend analysiert. Im Klimaschutzplan 2050 hat die Politik deshalb zu Recht eine Folgenabschätzung für 2018 vorgesehen. Für diesen Revisionsprozess hat der BDI im Januar 2018 eine umfassende Studie „Klimapfade für Deutschland“ mit realistischen Technologiepfaden auch für den Sektor Verkehr vorgelegt.

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Die Schadstoffemissionen aus dem Straßenverkehr sollen weiter an der Quelle reduziert werden. Dafür ziehen die Parteien auch technische Verbesserungen von Bestandsfahrzeugen in Betracht. Über weitere Schritte will die Koalition noch in diesem Jahr unter Berücksichtigung neuer Erkenntnisse – insbesondere der Expertengruppen des Nationalen Forums Diesel über Hardware-Nachrüstungsvarianten sowie aller rechtlichen Fragen zur Zulassung und Kostentragung – entscheiden. Damit wird die vom BDI kritisierte Hardware-Nachrüstung von Euro-5Dieselfahrzeugen noch einer genaueren Prüfung unterzogen.

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Aufgrund des dringenden Handlungsbedarfs ist kritisch zu sehen, dass viele Maßnahmen mit finanziellen Auswirkungen nur Willensbekundungen sind, so etwa die Abschaffung Binnenschifffahrtsgebühren, die Umsetzung des Nationalen Hafenkonzepts sowie die Entlastung der Luftverkehrswirtschaft von einseitigen nationalen Kosten, Bedauerlicherweise fehlt diesbezüglich auch der (schrittweise) Abbau der wettbewerbsverzerrenden Luftverkehrsteuer.

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Bewertung der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD

Umwelt Eine zukunftsweisende Umweltpolitik muss sich dem Ziel verpflichtet sehen, Deutschland als attraktiven Wirtschaftsstandort zu erhalten und auszubauen. Unternehmen brauchen verlässliche Rahmenbedingungen für dringend erforderliche Investitionen in Deutschland. Im Koalitionsvertrag wurde an verschiedenen Stellen zu recht eine konsequente 1:1-Umsetzung von EU-Vorgaben verankert. Dies muss Maßstab für die zukünftige Ausgestaltung des Umweltrechts sein. Positive Aspekte -

Positiv zu bewerten ist, dass durch eine konsequente 1:1-Umsetzung von EU-Vorgaben und durch schnellere und einfachere Genehmigungsverfahren die nötige Planungs- und Rechtssicherheit im Planungs- und Umweltrecht für Unternehmen erreicht werden soll.

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Der BDI unterstützt die Umsetzung der Nationalen Biodiversitätsstrategie als aktives Mitglied im BMUB Projekts „Unternehmen biologische Vielfalt“.

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Grundsätzlich unterstützt der BDI den Erlass einer bundeseinheitlichen Kompensationsverordnung, da bisher 16 verschiedene Länderregelungen existieren. Ziel sollte es sein, die Verwaltungsverfahren zu beschleunigen, die Planungs- und Rechtssicherheit zu erhöhen und Investitionsbedingungen verbessern.

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Der BDI begrüßt die Diskussion um die Mantelverordnung. Die deutsche Industrie setzt darauf, dass auch die verbliebenen Problempunkte schnell und pragmatisch gelöst werden, um zu rechtssicheren und bundeseinheitlichen Regelungen beim Umgang mit mineralischen Ersatzbaustoffen und Böden zu kommen. Insbesondere bleibt aufgrund langer Planungsvorläufe für Deponien und der geschätzten Verschiebung der Stoffströme in Richtung Deponie die Sorge, dass die getroffenen Regelungen nicht ausreichen, um spätestens nach deren Ablauf zumindest regionale Entsorgungsengpässe und damit verbundene Kostensteigerungen zu verhindern.

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Es ist gut, dass die Koalition das Deutsche Ressourceneffizienzprogramm (ProgRess) nach dem Grundsatz „Freiwilligkeit vor Regulierung“ fortentwickeln will. Der Aufbau des Kompetenzzentrums Nachhaltiger Konsum ist zu unterstützen, solange der Entscheidungsspielraum für die Konsumenten nicht eingeschränkt wird.

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Die zwischen den Koalitionspartnern vereinbarte Fortentwicklung der Kreislaufwirtschaft im Wettbewerb ist zu begrüßen und unabdingbar für die benötigten Innovationen und Investitionen. Ein klares Bekenntnis zu einem fairen Wettbewerb zwischen kommunalen und privatwirtschaftlichen Akteuren ist hier zudem erforderlich. Die Produktverantwortung und angemessene Recyclingquoten sind die richtigen Instrumente für die weitere Stärkung der Kreislaufwirtschaft. Die Ankündigung, die Einsatzmöglichkeiten für Sekundärrohstoffe verbessern zu wollen, ist ebenfalls positiv zu bewerten. Die Fortentwicklung der Produktverantwortung muss in enger Abstimmung mit allen betroffenen Marktteilnehmern erfolgen, um das Ziel der weiteren Schließung von Stoffkreisläufen erreichen zu können. Insgesamt positiv ist der Bezug zur europäischen Dimension.

Negative Aspekte -

Die Schlussfolgerung der Koalitionspartner, die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie im Einklang mit der Agenda 2030 der Vereinten Nationen kontinuierlich und ambitioniert weiterzuentwickeln, ist sinnvoll. Allerdings ist die Umsetzung kritisch zu beurteilen: Dass die ambitionierten Ziele der Agenda 2030 nur mit privatwirtschaftlichen Innovationen und Investitionen erreichbar sein werden, wird im Koalitionsvertrag nicht festgestellt. Auch fehlt die Erkenntnis, dass globalen

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Bewertung der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD

Herausforderungen zur Lieferkettenverantwortung nicht sinnvoll mit nationalen Regulierungen begegnet werden kann. -

Ökologische Standards in der EU-Öko-Design-Richtlinie zu setzen, liegt in der Kompetenz der Europäischen Kommission. Diese hat entsprechende Vorgaben bereits im EU-Kreislaufwirtschaftspaket vom 2. Dezember 2015 formuliert. Es geht vor allem darum, Kriterien zur Ressourceneffizienz bei der weiteren Umsetzung der Ökodesign-Richtlinie stärker zu verankern. Der BDI hält dieses Vorgehen insgesamt nur dann für sinnvoll, wenn dabei wichtige Grundsätze eingehalten werden, die in einem Positionspapier fixiert und auf nationaler und europäischer Ebene bereits diskutiert worden sind. Die Bewertung des weiteren Prozesses wird sich an diesen Kriterien orientieren.

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Der BDI sieht eine sinnvolle und pragmatische Aktualisierung der Abwasserregelungen und insbesondere eine Kampagne im Hinblick auf Entsorgung von Arzneimitteln als sinnvoll an. Weiteren verbindlichen Regelungen zu Spurenstoffen und Arzneimitteln in Gewässern stehen wir jedoch kritisch gegenüber. Hierbei sollte auf Selbstverpflichtungen gesetzt werden.

Rechtspolitik Im Bereich der Rechtspolitik greift der Koalitionsvertrag zu kurz. Es ist enttäuschend, dass Themen wie der gewerbliche Rechtsschutz oder die Weiterentwicklung des Datenschutzes nicht behandelt wurden. Es sind Tendenzen erkennbar, das Wirtschaftsrecht weiter zum Vehikel gesellschaftspolitischer Anliegen zu machen. Eigentum und Vertragsfreiheit finden hingegen keine Erwähnung. Positive Aspekte -

Der BDI begrüßt die Absicht der neuen Bundesregierung, sich für eine innovationsfreundliche Anwendung der EU-Datenschutz-Grundverordnung einzusetzen. Außerdem ist die im Koalitionsvertrag geäußerte Absicht, die Mitte 2020 anstehende Evaluierung der EU-DatenschutzGrundverordnung intensiv zu begleiten und dabei alle Regelungen auf ihre Zukunftsfähigkeit zu überprüfen ein richtiger Schritt. Zu unterstützen ist die Absicht, ein Innovationsboard auf EU-Ebene einzurichten, um konkrete Vorschläge zur Weiterentwicklung der EU-DatenschutzGrundverordnung zu erarbeiten.

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Der BDI begrüßt die Absicht, dass Start-ups und Unternehmen bei digitalen Innovationen einen beratenden Ansprechpartner für Datenschutzfragen erhalten und deutschlandweit geltende Entscheidungen einholen können.

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Richtig ist auch, die im Koalitionsvertrag geäußerte strikte Ablehnung einer Verpflichtung von Plattformen zum Einsatz von Upload-Filtern.

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Die Absicht, die Regelungen im Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz für den Bildungs- und Wissenschaftsbereich umfassend zu evaluieren, wird vom BDI unterstützt. Dabei sollte vor allem die Schrankenregelung für Text- und Data-Mining auch für (forschende) Unternehmen ausgeweitet werden, was auch beim Vorschlag zu einer Richtlinie zum Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt berücksichtigt werden muss.

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Das Vorhaben, die Rechte des Lizenznehmers im Falle der Insolvenz des Lizenzgebers besser zu schützen, entspricht einer langjährigen Forderung des BDI zur Insolvenzfestigkeit von Lizenzen.

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Die Bekenntnisse zum Projekt einer Europäischen Privatgesellschaft sind zu begrüßen. Eine supranationale praktikable Rechtsform könnte für kleine und mittlere Unternehmen Zeit-,

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Bewertung der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD

Beratungs- und Kostenaufwand bei grenzüberschreitenden Aktivitäten in anderen EUMitgliedstaaten deutlich reduzieren. -

Auch die Forderung nach einer grenzüberschreitenden Sitzverlegung / Umwandlung von Kapitalgesellschaften sind zu begrüßen. Die Einführung eines solchen Instruments ist eine langjährige Forderung des BDI.

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Eine Online-Gründung von Kapitalgesellschaften sowie der entsprechende Kontakt mit Behörden können bürokratische Elemente in der Gründung und Unternehmensführung und den benötigten Zeitaufwand reduzieren. Die Unterstützung einer Online-Registrierung von Gesellschaften seitens der Parteien ist daher grundsätzlich zu begrüßen. Voraussetzung dafür ist allerdings die Wahrung des Gläubigerschutzes und des öffentlichen Glaube des Handelsregisters.

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Das Vorhaben, im aktienrechtlichen Beschlussmängelrecht im Interesse der Rechtssicherheit Brüche und Wertungswidersprüche zu beseitigen, wird begrüßt. Es ist eine langjährige Forderung des BDI, Berufsklägern mit der Neujustierung der Wirkung von Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen entschlossen entgegenzutreten.

Negative Aspekte -

Kritisch ist, dass der kollektive Rechtsschutz weiter ausgebaut werden soll und eine Musterfeststellungsklage eingeführt werden soll. Das System der individuellen Rechtsverfolgung ist in Deutschland gut ausgebaut. Neue Instrumente wie die Musterfeststellungsklage bergen die Gefahr des Klagemissbrauchs.

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Kritisch zu betrachten ist, dass Unternehmenssanktionen weiter ausgebaut werden sollen. Das bestehende Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht bietet bereits hinreichende Möglichkeiten, um Verstöße gegen Strafvorschriften scharf zu sanktionieren. Der Koalitionsvertrag macht leider keine Aussage zur bußgeldmildernden Berücksichtigung von Compliance-Maßnahmen.

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Aus BDI-Sicht ist das bestehende Gewährleistungs-, Delikts- und Produkthaftungsrecht ausreichend und bildet eine interessengerechte Basis zum Umgang mit IT Sicherheitsvorfällen. Hier ist genau zu prüfen, ob und welche gesetzlichen Neuregelungen erforderlich sind. Eine mögliche Anpassung einzelner gesetzlicher Regelungen sollte in enger Abstimmung mit der Wirtschaft stattfinden.

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Auf europäischer Ebene soll die Position der Verleger durch eine eigene Rechtsposition gestärkt werden. Es soll also die Einführung eines Leistungsschutzrechts auf europäischer Ebene unterstützt werden. Dies sieht der BDI sehr kritisch. Die Erfahrungen mit dem 2013 in Deutschland eingeführten Leistungsschutzrecht für Presseverlage haben bereits gezeigt, dass ein solches Leistungsschutzrecht der falsche Weg ist. Sinnvoll ist hingegen, die Marktbedingungen auch für die Medienwirtschaft zu verbessern, um innovative und zukunftsfähige Geschäftsmodelle in der digitalen Welt voranzutreiben.

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Mehrfach wird im Koalitionsvertrag betont, die Innovationsfähigkeit in Deutschland stärken zu wollen. Eine wesentliche Voraussetzung für Innovation sind hingegen der gewerbliche Rechtsschutz und der Schutz des geistigen Eigentums. Trotzdem fehlt ein ausdrückliches und klares Bekenntnis gerade zum gewerblichen Rechtsschutz.

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Mit Blick auf die konsequente Umsetzung der Vorschriften zur Steigerung des Frauenanteils in Führungsgremien der Privatwirtschaft in der Praxis besteht für die vorgesehene Sanktionierung der Nichteinhaltung der Meldepflicht für Zielvorgaben für Vorstände und Führungsebenen kein Anlass. Die Einführung einer Begründungspflicht für die Setzung einer "Zielgröße Null"

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Bewertung der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD

sowie die Sanktionierung der fehlenden Begründung erhöhen den bürokratischen Aufwand in einem ohnehin bereits stark regulierten Bereich in unnötiger Weise.

Verbraucherpolitik In der Verbraucherpolitik wird im Wesentlichen der Weg der vergangenen Legislaturperiode fortgesetzt. Den Verbraucherzentralen wird weiter eine hohe Bedeutung zugemessen und der neu gegründete Sachverständigenrat für Verbraucherfragen bleibt bestehen. Am Beispiel der Finanzaufsicht sind Bestrebungen zu erkennen, Bundesbehörden grundsätzlich mehr Kompetenzen beim Verbraucherschutz zu übertragen (BaFin, Bundesnetzagentur, Bundeskartellamt etc.). Schwerpunktthema ist der Verbraucherschutz in der digitalen Welt. Positive Aspekte -

Es sind keine weiteren Werbebeschränkungen oder Werbeverbote geplant. Alle Bereiche werden weiter kritisch beobachtet, generelle Eingriffe sind jedoch nicht vorgesehen. Es wurde vor dem Hintergrund des Erhalts der Medienvielfalt festgelegt, dass weitere Werbeverbote grundsätzlich kritisch zu prüfen sind.

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Bildungsangebote für Verbraucher sollen ausgebaut werden. Dies steht bereits seit langem auf der politischen Agenda und ist auch eine Kernforderung der Wirtschaft. Da Bildung jedoch Ländersache ist, ist eine einheitliche und zügige Vorgehensweise erfahrungsgemäß schwierig zu erreichen.

Negative Aspekte -

Algorithmen- und KI (Künstliche Intelligenz)-basierte Entscheidungen, Dienstleistungen und Produkte sollen überprüfbar gemacht werden, insbesondere im Hinblick auf mögliche unzulässige Diskriminierungen. Es sollen Mechanismen entwickelt werden, um bei bedenklichen Entwicklungen tätig werden zu können. Sowohl eine behördliche Überprüfung als auch ein Zwang zur Offenlegung von Algorithmen gegenüber Verbrauchern wäre für Unternehmen ein erheblicher Eingriff.

Vergaberecht/Öffentliche Beschaffung Zum Vergaberecht bzw. zur öffentlichen Beschaffung enthält der Koalitionsvertrag nur wenige Aussagen. Enttäuschend ist, dass trotz wiederholter Forderungen der Auftragnehmer die Einführung eines effektiven Rechtsschutzes für Aufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte nicht vorgesehen ist. Positive Aspekte -

Wir begrüßen die ausdrückliche Zusage im Koalitionsvertrag, die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) als faire und wettbewerbsneutrale Verfahrensregelung zu sichern und anwenderorientiert weiterzuentwickeln.

Negative Aspekte -

Kritisch betrachten wir die Aussage unter der Überschrift Bürokratieabbau, zur weiteren Vereinheitlichung des Vergaberechts die Zusammenführung von Verfahrensregeln für die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen einerseits und von Bauleistungen andererseits in einer

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Bewertung der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD

einheitlichen Vergabeverordnung prüfen zu wollen. Hier widerspricht sich der Koalitionsvertrag zudem, da an anderer Stelle die Sicherung und Weiterentwicklung der VOB zugesagt wird. -

Der angekündigte Einsatz der neuen Bundesregierung für eine konsequente Umsetzung des Nationalen Aktionsplans Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) einschließlich des öffentlichen Beschaffungswesens darf nicht zu einem Sonderrechtsregime „Vergaberecht“ führen. Vielmehr sollten verbindliche Mindestanforderungen im Bereich Menschenrechte nur im Rahmen des allgemein geltenden Rechts gefordert werden dürfen, an das sich jedes Unternehmen halten muss.

Wettbewerb Bereits in den Sondierungsgesprächen war eine Modernisierung des Kartellrechts in Bezug auf die Digitalisierung und Globalisierung der Wirtschaftswelt gefordert worden. Nun ist die „Modernisierung“ dahingehend konkretisiert worden, dass – mit Blick auf die Entwicklung der Plattformökonomie – zumindest die kartellrechtlichen Verfahren beschleunigt und eine Änderung bei der Marktabgrenzung eingeführt werden sollen. Positive Aspekte -

Der BDI befürwortet das Ziel, die Untersuchungsverfahren der Kartellbehörden weiter zu beschleunigen, ohne dabei rechtsstaatliche Garantien einzuschränken. Letzteres muss insbesondere im Falle der angekündigten Stärkung des Instrumentariums der einstweiligen Maßnahmen stets beachtet werden.

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Der BDI befürwortet das Ziel, die rechtlichen Voraussetzungen für die Entstehung von international wettbewerbsfähigen Digitalkonzernen in Deutschland und Europa zu verbessern. Aufgrund der wachsenden praktischen Bedeutung von Kooperationen zwischen Wettbewerbern im Bereich Industrie 4.0 sollte eine neue Gruppenfreistellungsverordnung für horizontale Zusammenarbeit geschaffen werden, welche den kooperierenden Unternehmen die entsprechende Rechtssicherheit bietet. Es wäre zumindest zu prüfen, inwieweit die bisherigen kartellrechtlichen Regeln für datenbasierte Kooperationen im Bereich Industrie 4.0 noch zeitgemäß sind oder ob explizite neue Freistellungen erforderlich sind, um Unternehmen angesichts des hohen Bußgeldrisikos Rechtssicherheit zu geben.

Negative Aspekte -

Der BDI ist der Ansicht, dass der Wettbewerbsrahmen in Deutschland und der EU sich – auch mit Blick auf Digitale Märkte – grundsätzlich bewährt hat. Sollte deren besondere technische und auch wirtschaftliche Logik Anlass sein, die Tragweite des kartellrechtlichen Normenbestands in Deutschland und der EU auf den Prüfstand zu stellen, kann und sollte dies zunächst ergebnisoffen geschehen.

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In anderen Regionen (z. B. USA) entstehen globale IT- und Internetunternehmen, die erst dann reguliert werden, wenn sie eine kritische Größe erreicht haben. Die Überlegungen zur Neufassung der Marktabgrenzung weisen dagegen in Richtung von mehr Regulierung. Die Koalition lässt eine Kohärenz vermissen, ob der Schutz vor marktmächtigen Plattformen im Vordergrund steht, oder ob sie Plattformen zu einer Relevanz im hiesigen Markt verhelfen will. Ein kartellrechtliches Eingreifen ist volkswirtschaftlich nur dann vertretbar, wenn ein Unternehmen – ggf. mit seiner Plattform – über eine kritische Marktmacht verfügt und diese missbraucht.

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Bewertung der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD

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Der BDI bezweifelt, dass eine kompetentere und aktivere systematische Marktaufsicht der richtige Weg wäre. Hier fehlt es bereits an einer soliden Bestandsaufnahme, ob und inwieweit die bestehende Aufsicht durch die Kartellbehörden an grundlegenden Mängeln leidet, die einen derartig weitgehenden Systemwechsel im Kartellrecht rechtfertigen könnten. Die bestehende Trennung zwischen allgemeiner Kartellaufsicht durch die Kartellbehörden und sektorspezifischer Regulierungsaufsicht durch die Regulierungsbehörden hat sich bewährt. Sie vermeidet u. a. eine systematisch zu hohe Eingriffsintensität mit einem regulatorischen Charakter in Industrien ohne strukturelles Marktversagen.

Mittelstand Trotz Bekenntnis zu Mittelstand und Familienunternehmen als tragenden Säulen der Wirtschaft überzeugt der Koalitionsvertrag mittelstandspolitisch nicht. Er gibt keine konsistente Antwort, wie industrieller Mittelstand und Familienunternehmen am Standort gestärkt und enkelfähig gemacht werden. Nicht zuletzt bei F&E sowie zur Digitalisierung bleibt der Koalitionsvertrag hinter den Erwartungen zurück. Das kann auch der geplante Bürokratieabbau in Deutschland und Europa nicht kompensieren. Positive Aspekte -

Ein Bürokratieabbaugesetz ist ein richtiger Ansatz. Nachhaltiger und spürbarer Abbau unnötiger Bürokratie gelingt allerdings nur dann, wenn alle Unternehmensgrößen profitieren. Flankierend bedarf es eines konkreten Bürokratieabbauziels, an dem sich ein Bürokratieabbaugesetz messen lassen muss. Eine konsequente 1:1-Umsetzung von EU-Vorgaben ist hilfreich, nicht zuletzt im Umweltrecht. Rechtliche Digitaltauglichkeit öffnet Wege für mehr E-Government.

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Weniger Berichtspflicht und Vorgaben für junge Unternehmen kann auch die Gründungskultur stärken. Auch modernisierte Instrumente der Gründungsfinanzierung („Tech Growth Fund“), mehr Wagniskapital und der zielgerichtete Austausch zwischen Gründern und etabliertem Mittelstand helfen weiter.

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Oft mangelt es im Mittelstand bereits heute an Fachkräften. Pläne für ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz sowie für mehr Attraktivität der beruflichen Bildung weisen in die richtige Richtung.

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Angesichts des Standorts vieler Mittelständler ist eine Stärkung ländlicher Regionen sinnvoll. Dabei sollten die spezifischen Bedürfnisse mittelständischer Unternehmen geklärt und konkret berücksichtigt werden.

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Bei der Digitalisierung kann die geplante Plattform „Industrie 4.0“ unter Beteiligung des Mittelstands Akteure enger vernetzen und ein „nationaler Pakt Cybersicherheit“ sowie erweiterte Aktivitäten des Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) verbreitete Besorgnisse im Mittelstand adressieren.

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Es ist richtig, auf EU-Ebene die KMU-Definition durch eine Schwelle bei 500 Beschäftigten auf EU-Ebene zu modernisieren. Die geplante Fortentwicklung des EU-Binnenmarkts, eine Europäische Privatgesellschaft sowie die Fortführung und Stärkung der mittelstandsrelevanten Komponenten des Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI) sind richtig und machen Europa für den Mittelstand erfahrbar. Das Prinzip „One in, one out“ auf europäischer Ebene kann europarechtliche Bürokratie eindämmen. Eine konsequente 1:1-Umsetzung von EUVorgaben in nationales Recht schafft vergleichbare Wettbewerbsbedingungen.

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Bewertung der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD

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Die unbürokratische und passgenaue Ausweitung der Exportfinanzierung auch für kleine Kreditsummen („small tickets“) ist sinnvoll, um die Internationalisierung des Mittelstandes zu unterstützen.

Negative Aspekte -

Es gibt kein Konzept, wie die nationalen Energiekosten begrenzt oder standorttreue mittelständische Unternehmen von den hohen Energiekosten entlastet werden. Alternativen zur EEG-Umlage sind nicht vorgesehen, es drohen weiter steigender Netzentgelte.

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Die steuerliche Forschungsförderung steht unter Finanzierungsvorbehalt. Eine Beschränkung auf „KMU“ nach aktueller EU-Definition würde zudem den Großteil des industriellen Mittelstands ausschließen. Noch dazu fehlt ein Ansatz zu innovationsfreundlicher Regulierung, etwa per Innovationscheck in der Gesetzesfolgenabschätzung.

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Eine Stärkung ländlicher Regionen kann nicht nur auf öffentliche Daseinsvorsorge, den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur und stärkere Kommunen zielen. Es gilt auch gerade mittelständische Unternehmen zu berücksichtigen. Insbesondere der erforderliche Ausbau einer modernen digitalen Infrastruktur inklusive verlässlichem Mobilfunknetz müsste sehr viel ambitionierter angegangen werden.

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Bei der Entwicklung der Plattformökonomie ist nicht allein auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu achten, sondern zugleich auf ausdifferenzierte Unternehmens- und Branchenstrukturen, auch um flexible Wertschöpfungsverbünde aus kleinen, mittleren und großen Unternehmen und der Wissenschaft zu erhalten.

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Die sozial- und arbeitsmarktpolitischen Pläne werden vor allem mittelständische Unternehmen – nicht zuletzt bürokratisch – besonders belasten und den Arbeitsmarkt unflexibler machen.

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Trotz verstreuter Bekenntnisse fehlt ein stringentes Eintreten für eine breite Gründer- und Unternehmerkultur. Die gerechte Verteilung von Wohlstand bekommt mehr Augenmerk als die – auch gesellschaftliche – Bedeutung unternehmerischen Handelns.

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Ein weiterer Ausbau von Unternehmenssanktionen ist angesichts hinreichender Möglichkeiten im bestehenden Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht entbehrlich. Noch dazu sind Familienunternehmen durch die Einheit von Eigentum und Führung doppelt bedroht Entscheidungsträger und Inhaber sind oft identisch.

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Konkrete Bürokratieabbauziele fehlen, die nationale „One in, one out“-Regel (ohne einmaligen Erfüllungsaufwand und 1:1-Umsetzung von EU-Recht) wird nicht angegangen. Vielmehr droht neue Bürokratie, etwa durch unternehmerische Berichtspflichten etwa in Umsetzung des Aktionsplans Wirtschaft und Menschenrechte (NAP). Die Ankündigung, europäische Vorgaben nicht mit zusätzlichen bürokratischen Belastungen zu versehen, begrenzt bestenfalls neue Bürokratie, führt aber nicht zum Abbau.

Gesundheitswirtschaft Der Koalitionsvertrag enthält viele, durchaus begrüßenswerte Bekenntnisse wie das zur Patientenorientierung als Leitbild und die Förderung digitaler Innovationen. Klare Konzepte zur Umsetzung legen die Koalitionspartner jedoch nicht vor. Vor allem im Hinblick auf die Digitalisierung im Gesundheitssektor bleiben die Vereinbarungen zu punktuell und zaghaft. Es fehlt ein klares Signal, dass die Koalition auf die Expertise der exportorientierten deutschen Gesundheitswirtschaft in der Umsetzung von Deutschlands globaler Gesundheitspolitik setzt.

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Bewertung der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD

Positive Aspekte -

Patientenorientierung soll das Leitbild für die Gesundheitsversorgung sein, die sektorübergreifende Versorgung soll gestärkt werden. Zum Ausbau der Versorgungsforschung sollen Hochschulmedizin, insbesondere auch die Versorgungsforschung und die Medizininformatik gestärkt werden.

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Die Translation von Forschungsergebnissen zu den großen Volkskrankheiten soll durch den Ausbau der Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung beschleunigt werden.

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Dialog-Plattformen wie die E-Health-Initiative und der Nationale Strategieprozess Medizintechnik sollen weitergeführt werden. Auch der Pharma-Dialog wird unter Einbeziehung des Deutschen Bundestages fortgesetzt.

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Innovationen sollen schneller in die Versorgung kommen. Dafür strebt der Gesetzgeber eine Reform der Verfahren des Gemeinsamen Bundesausschusses an.

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Die Koalition hat eine Erhöhung der Investitionen in Krankenhäuser für Umstrukturierungen, neue Technologien und Digitalisierung vereinbart.

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Deutschland soll zum Vorreiter bei der Einführung digitaler Innovationen in das Gesundheitssystem werden. Hierfür ist eine Roadmap zur Entwicklung und Umsetzung innovativer E-HealthLösungen geplant.

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Der Gesetzgeber will in dieser Legislatur die Telematikinfrastruktur weiter ausbauen und für alle Versicherten eine elektronische Patientenakte einführen.

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Die Anwendung und Abrechenbarkeit telemedizinischer Leistungen soll ausgebaut werden.

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Es soll sichergestellt werden, dass die Datenspeicherung den strengen Anforderungen des Datenschutzes unterliegt. Die gespeicherten Daten sind Eigentum der Patientinnen und Patienten.

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Für digitale Anwendungen soll es neue Zulassungswege geben, um die Interoperabilität herzustellen und digitale Sicherheit im Gesundheitswesen zu stärken.

Negative Aspekte -

Die Rolle der Wirtschaft, speziell der industriellen Gesundheitswirtschaft (iGW), als elementarer Partner für die Gesundheitsversorgung in der nationalen, europäischen sowie in der globalen Gesundheitspolitik wird im Koalitionsvertrag nicht artikuliert.

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Eine Anerkennung der Schlüsselposition der iGW bei Kernthemen der globalen Gesundheitspolitik der neuen Bundesregierung wie die internationale Gesundheitssicherheit, die Prävention von Pandemien sowie die Stärkung von Gesundheitssystemen in Entwicklungs- und Schwellenländern fehlt.

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Der Koalitionsvertrag entwickelt keinen mutigen Entwurf, wie digitale Lösungen grundsätzlich und umfassend zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung eingesetzt werden können. Ein positives Zielbild zur Gestaltung des digitalen Wandels und zur Erhöhung der Akzeptanz von digitalen Technologien in der Gesundheitsversorgung wird nicht definiert.

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Der Koalitionsvertrag enthält keinen Vorschlag, wie der Zugriff auf und die Verwendung von Daten zukünftig für alle Beteiligten im Gesundheitssystem, insbesondere auch für die industrielle Gesundheitswirtschaft, optimal geregelt werden kann (Datenverfügbarkeit). Der Mangel an tragfähigen Geschäftsmodellen wird nicht adressiert. Digitale Angebote für Patienten sollen erstattungsfähig werden. Die Festschreibung von Mindeststandards dafür im Koalitionsvertrag

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Bewertung der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD

wäre ein wichtiges Signal gewesen. Auch treffen die Parteien keine klare Vereinbarung zur Abschaffung des einschränkenden Fernbehandlungsverbots. -

Es fehlt der Abbau von Regulierungsmaßnahmen: Wichtige Schritte im Sinne einer stabilen Arzneimittelversorgung wären zum Beispiel die Aufhebung des Preismoratoriums und eine Reform des Festbetragssystems.

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Die Wiederherstellung der paritätischen Finanzierung in der gesetzlichen Krankenversicherung und des Zusatzbeitrages schwächt den ohnehin geringen Wettbewerb der Kassen.

Außenwirtschaft Der Koalitionsvertrag spricht sich klar für freien Handel als Voraussetzung für Wachstum und Beschäftigung in Deutschland aus. Die Ausführungen bleiben jedoch an vielen Stellen allgemein und werden durch andere Politikziele zum Teil erheblich eingeschränkt. Kritisch sieht der BDI die Unterstützung für eine europäische Investitionskontrolle. Die wichtigsten Partner und Märkte Deutschlands werden zwar benannt, jedoch ist keine Strategie im Umgang mit diesen Partnern erkennbar. Positiv ist, dass die Koalitionspartner sich zu einer Weiterentwicklung der Instrumente der Außenwirtschaftsförderung bekennen. Positive Aspekte -

Offene Märkte und freier Handel werden als Grundlage für Wachstum und Beschäftigung anerkannt. Die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und Europas in der Globalisierung soll gestärkt werden. Die Parteien lehnen Protektionismus, Isolationismus und Nationalismus klar ab.

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Das regelbasierte, multilaterale Handelssystems der Welthandelsorganisation soll ebenso wie die globale Regelsetzung in internationalen Organisationen unterstütz werden. Bilateralen und plurilateralen Abkommen wird entscheidende Bedeutung zur Gestaltung der Globalisierung zugeschrieben.

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Die Koalitionspartner wollen die transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen weiter vertiefen, kündigen ein starkes wirtschaftspolitisches Engagement in Asien an

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Das Handelsabkommen mit Kanada (CETA) wird als zukunftsweisend bezeichnet und die Ratifizierung in Deutschland angestrebt. Der Koalitionsvertrag erkennt zudem die Notwendigkeit eines baldigen Abschlusses des EU-Mercosur- und EU-Mexiko-Abkommens.

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Die Parteien wollen europäische Antworten auf die politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen durch China geben. Mit Blick auf Chinas Seidenstraßen-Initiative wird die Aufstockung deutscher und europäischer Finanzinstrumente empfohlen.

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Die neue Bundesregierung will sich dafür einsetzen, dass die Nuklearvereinbarung mit dem Iran (JCPOA) bewahrt und vollständig umgesetzt wird.

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Die Rolle der Privatwirtschaft in der Entwicklungszusammenarbeit („Perspektiven schaffen“) soll weiter gestärkt werden.

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Die Instrumente der Außenwirtschaftsförderung sollen auf neue Märkte und Länder ausgeweitet werden. Hermes-Deckungen sollen ausgeweitet werden.

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An der Vision eines Gemeinsamen Wirtschaftsraumes von Lissabon bis Wladiwostok wird festgehalten.

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Bewertung der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD

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Die unbürokratische und passgenaue Ausweitung der Exportfinanzierung auch für kleine Kreditsummen („small tickets“) ist sinnvoll.

Negative Aspekte -

Die Bedeutung des Außenhandels für den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands wird insgesamt zu wenig gewürdigt.

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Der handelspolitische Schwerpunkt auf sozialen, menschenrechtlichen und ökologischen Standards, anstatt auf Marktzugang oder Handelserleichterungen, könnte die Handlungsfähigkeit der EU-Außenwirtschaftspolitik erschweren. Die Forderung an „faire Handelsbeziehungen“ wird nicht konkretisiert.

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Eine konsequente Umsetzung des Nationalen Aktionsplans für Wirtschafts- und Menschenrechte (NAP) und Überprüfung der Einhaltung durch die Unternehmen bis 2020 könnte zusätzliche bürokratische Lasten für Unternehmen bedeuten.

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Der weltweit drohende digitale Protektionismus wird nicht adressiert. Es gibt lediglich einen Appell, Diskriminierungsverbote der analogen Welt auch für digitale Welt gelten zu lassen.

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Ein Europäisches Investment-Screening kann die Attraktivität des Investitionsstandorts einschränken.

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Die Bedeutung von Auslandsinvestitionen und der Schutz von Investoren kommen im Vertrag zu kurz.

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Die G20 und G7 werden eher im Entwicklungsbereich eingeordnet, sollten aber explizit als gestalterische Elemente von Wirtschaft und Handel sowie Frieden und Sicherheit gestärkt werden.

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Der Koalitionsvertrag gibt kein klares Bekenntnis zu den Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) mit Afrika ab. Die Reduktion des Hermes-Selbstbehalts für alle afrikanischen Staaten und Ausbau von Doppelbesteuerungsabkommen fehlt ebenfalls. Die Entwicklung einer kohärenten Afrika-Strategie wird konterkariert durch die erneute Aufsplitterung der Federführung zwischen Auswärtigem Amt und Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit.

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Es gibt keine explizite Erwähnung der Ausweitung von Freihandel mit Asien-Pazifik. Australien, Neuseeland und ASEAN-Länder als wichtige (Handels-)Partner bleiben unerwähnt.

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Deutschland und Europa sollen „bei der Öffnung ihrer Märkte auf das Prinzip der Gegenseitigkeit setzen“ – die Formulierung lässt offen, ob Schließung auch der eigenen Märkte probate Mittel sind. Aus Sicht der deutschen Industrie ist der Beitrag der EU für offene Märkte zwingend erforderlich.

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Der Vertrag zielt mit Blick auf Nah- und Mittelost und Nordafrika eher auf politische Spannungen und verschärfte Rüstungskontrolle. Wirtschaftliche Zusammenarbeit schafft aber neue Arbeitsund Ausbildungsplätze. Mehr Wohlstand leistet einen entscheidenden Beitrag zur Sicherheit in der Region.

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Ein Bekenntnis zur Unterstützung strategischer Auslandsprojekte fehlt mit Ausnahme auf den Hinweis auf eine europäische Antwort auf Chinas neue Seidenstraße, trotz der großen politischen und wirtschaftlichen Bedeutung, komplett.

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Die deutschen Außenhandelskammern finden als Teil der Außenwirtschaftspolitik Erwähnung, weitere wichtiger Player, wie die GTAI oder das Auslandsmesseprogramm, jedoch nicht.

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Die Bedeutung der Außenwirtschaftsförderung für die Entwicklungszusammenarbeit wird nicht herausgearbeitet. Instrumente der Außenwirtschaftsförderung werden im Rahmen der Weiterentwicklung der ODA (Official Development Assistance)-Kriterien nicht ins Blickfeld genommen.

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Bewertung der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD

Außenpolitik/Verteidigung Die Absicht einer Stärkung der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik und die damit verbundene verstärkte Kooperation im Rüstungsbereich sind begrüßenswert. Die marginale Steigerung des Verteidigungshaushalts sowie die weitere Verschärfung der Rüstungsexportregeln im nationalen Alleingang werden dem selbst formulierten Anspruch nicht gerecht. Ein Bekenntnis zum Zwei-Prozent-Ziel der NATO fehlt ebenso wie zur heimischen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie. Positive Aspekte -

Die Koalition erkennt an, dass Deutschlands Wirtschaftskraft die Grundlage für unseren Wohlstand und Voraussetzung für das außenpolitische Gewicht darstellt und dass die Wettbewerbsfähigkeit und internationale Verflechtung durch aktive Außenpolitik gesichert werden muss.

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Die gemeinsame Entwicklung und Beschaffung militärischer Fähigkeiten in Europa soll verstärkt werden. Die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (PESCO) soll, ebenso wie die bilaterale Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich, vorangetrieben werden.

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Zusätzlich frei werdende Haushaltsmittel sollen prioritär in Verteidigung und Entwicklung investiert werden (Verhältnis 1:1)

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Die Überprüfung der Beschaffungsstrukturen der Bundeswehr bietet die Chance, das Beschaffungswesen insgesamt effizienter zu gestalten.

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Die Bedeutung der transatlantischen Partnerschaft für die deutsche Wirtschaft, aber auch für die Bewältigung globaler Herausforderungen, wird anerkannt. Die Koalitionspartner wollen den transatlantischen Dialog auf allen Ebenen stärken. Das Deutschlandjahr in den USA wird dafür explizit als Instrument genannt.

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Die Parteien bekennen sich zum G20 Compact with Africa, den der BDI in der B20-Präsidentschaft 2017 aktiv unterstützt hat.

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Die Mittel für die Zusammenarbeit mit Afrika sollen im mehrjährigen Finanzrahmen der EU aufgestockt werden

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Die Wertepartnerschaft mit Japan und Südkorea sowie die strategische Zusammenarbeit mit Indien sollen gestärkt werden.

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Der Überwasserschiffbau wird als nationale Schlüsseltechnologie eingestuft.

Negative Aspekte -

Anders als im Koalitionsvertrag von 2013 enthält das neue Koalitionspapier kein klares Bekenntnis zu einer eigenständigen und wettbewerbsfähigen deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie. Es wird lediglich auf ein Eckpunktepapier aus dem Jahr 2015 verwiesen.

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Die kombinierten zusätzlichen Mittel in Höhe von zwei Milliarden Euro für Verteidigung und ODA reichen bei weitem nicht aus, um die Trendwenden bei Personal und Material erfolgreich umzusetzen oder eine ODA-Quote von 0,7 Prozent am BIP zu erreichen.

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Der Koalitionsvertrag enthält kein klares Bekenntnis zum Zwei-Prozent-Ziel der NATO. Es soll lediglich „dem Zielkorridor der Vereinbarungen in der NATO“ gefolgt und ein Absinken des prozentualen Anteils der Verteidigungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt verhindert werden. Es wird eingeräumt, dass dies bereits 2018 der Fall sein könnte. Das Wording lässt darauf schließen, dass nur geringe bzw. keine Ambitionen im Hinblick auf eine echte Annäherung in Richtung zwei Prozent vorhanden sind.

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Bewertung der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD

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Die Große Koalition plant eine erneute Verschärfung der Rüstungsexportkontrolle im nationalen Alleingang. Dies steht im Widerspruch zu der ebenfalls angestrebten europäischen Harmonisierung.

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Die Formulierung zu Rüstungsexporte an Länder, die im Jemen unmittelbar als Konfliktparteien beteiligt sind, ist zu ungenau und erschwert die unmittelbare Planungssicherheit für Unternehmen.

Rohstoffe Die Bedeutung einer sicheren Rohstoffversorgung ist gut und breit verankert. Die drei Säulen der Rohstoffsicherung (heimische Rohstoffe, Importrohstoffe und Recycling) werden aufgeführt. Die Vereinbarungen widersprechen jedoch zum Teil Festlegungen in den Kapiteln zur Umwelt- und Entwicklungspolitik. Eine verbesserte Ressortabstimmung ist deshalb notwendig. Positive Aspekte -

Die Koalition bekennt sich zur Bedeutung einer sicheren Rohstoffversorgung für den Wirtschaftsstandort und für Zukunftstechnologien.

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Langfristige Investitions- und Planungssicherheit für die heimische Rohstoffförderung soll gewährleistet werden.

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Die internationale Zusammenarbeit im Rohstoffbereich auf Ebene der WTO und in bilateralen Abkommen soll gestärkt werden.

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Das Beratungsangebot der Deutschen Rohstoffagentur (DERA) und der AHK-Kompetenzzentren für Bergbau und Rohstoffe soll ausgebaut werden.

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Die Industrie soll beim Recycling, vor allem von kritischen Metallen, unterstützt werden.

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Die Koalition will Projekte im Tiefseebergbau vorantreiben und die Durchführung eines PilotMining-Tests unterstützen.

Negative Aspekte -

Die Forderung nach einer Ausweitung der erst 2017 in Kraft getretenen EU-Verordnung zu Konfliktrohstoffen auf die gesamte Lieferkette ist ein deutscher Sonderweg, der nicht dazu geeignet ist, die Herausforderungen in den Förderländern zu verbessern. Er würde zudem insbesondere deutsche und europäische KMUs empfindlich treffen.

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Es fehlen klare Strategien, wie die Industrie bei der Sicherung der Rohstoffversorgung für die Batteriezellenfertigung unterstützt werden kann.

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Durch die geplante Ausweitung der Maßnahmen zum Schutz der biologischen Vielfalt könnten weitere Flächen für die Förderung von verwendungsnah abgebauten Rohstoffen verloren gehen.

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Bewertung der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD

Entwicklungspolitik Erstmals wird Entwicklungszusammenarbeit in einen gesamtpolitischen Kontext eingebettet. Außen-, Sicherheits-, Entwicklungs- und Menschenrechtspolitik sollen aus einem Guss erfolgen. Positive Aspekte -

Die Große Koalition bekennt sich dazu, Perspektiven für die Menschen vor Ort in den betroffenen Ländern, vor allem für junge Menschen, zu schaffen.

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Die Partnerschaft mit der Wirtschaft in der Entwicklungspolitik soll gestärkt werden.

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Globale Herausforderungen sollen u. a. mit entwicklungsfördernden Privatinvestitionen bewältigt werden.

Negative Aspekte -

Es bleibt unklar, wie die zusätzlichen ODA-Mittel verteilt und die von der OECD empfohlene Quote von 0,7 Prozent am BIP erreicht werden sollen. Eine Weiterentwicklung der ODA-Kriterien im Hinblick auf eine stärkere Unterstützung von Instrumenten der Außenwirtschaftsförderung wird ebenfalls nicht adressiert.

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Konkrete Maßnahmen, wie das Instrumentarium der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) weiterentwickelt werden soll, fehlen. Wichtig ist, dass KMUs zukünftig von Finanzierungen kleinerer Volumina profitieren. Andere Institutionen, wie die KfW, bleiben unerwähnt.

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Es wird keine Aussage über eine vermehrte Ausschreibung von EZ-Vorhaben durch das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) getroffen.

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Doppelbesteuerungsabkommen für alle Partnerländer bleiben unerwähnt.

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