März 2018 WACHSTUMSAUSBLICK EUROPA
Europas Wirtschaft auf Höhenflug 2018 mit gut zwei Prozent Wachstum am Zenit des Konjunkturzyklus
Der BDI erwartet für die EU-Wirtschaft dieses Jahr ein Wachstum von 2,3 Prozent. Letztes Jahr ist das BIP um 2,4 Prozent angestiegen. Europa befindet sich damit am Höhepunkt des Konjunkturzyklus.
Die Kapazitätsauslastung geht mit 84 Prozent ans Limit und liegt knapp unter dem Höchststand von 85 Prozent in 2007. Die Industrieproduktion legt kräftig zu und ist um knapp drei Prozent höher als vor einem Jahr. Damit ist das Niveau des zwischenzeitlichen Aufschwungs von 2011 erreicht, jedoch nicht das Vorkrisenlevel.
Erste Engpässe am Arbeitsmarkt bremsen die weitere Dynamik der Konjunktur. Die lang anhaltend hohe Arbeitslosigkeit hat zu einem Anstieg der strukturellen Arbeitslosigkeit geführt und Lohn-Preis-Spiralen sind auf EU-Ebene nicht sichtbar.
Qualifizierung und aktive Arbeitsmarktpolitik müssen nun ins Zentrum der europäischen Wirtschaftspolitik rücken. Das verlängert den Aufschwung und bringt Lohn-Preis-Entwicklungen zurück auf Normalkurs.
Die Bundesregierung muss nun Reformen in Europa und Deutschland forcieren, anstatt prozyklische Ausgabenpolitik zu verfolgen. Steuergeschenke in der Hochkonjunktur sind unnötig – stattdessen benötigt Deutschland Investitionen in das langfristige Wachstumspotenzial.
Europas Wirtschaft auf Höhenflug | 2018 mit gut zwei Prozent Wachstum am Zenit des Konjunkturzyklus 21/03/2018
Inhaltsverzeichnis Europäische Wirtschaft setzt Höhenflug fort ................................................................................... 3 Aufschwung erfasst alle Mitgliedstaaten ............................................................................................... 4 Politische Unsicherheit und mangelnde Reformen gefährden Wachstumspotenziale ......................... 5 Das Wachstum der Weltwirtschaft nimmt weiter an Fahrt auf .............................................................. 5 Konsum bleibt Wachstumstreiber, Investitionen ziehen an .................................................................. 6 Industriekonjunktur brummt, Kapazitätsauslastung knapp unter Höchststand .......................... 6 Die Inflation bleibt mittelfristig verhalten und eine Lohn-Preis-Spirale bleibt aus ................................. 8 Anleiheankaufprogramm der EZB läuft bis mindestens September 2018 ............................................ 9 Erste Korrekturen auf den Finanzmärkten sichtbar............................................................................. 10 Kreditvergabe an Unternehmen zieht spürbar an ............................................................................... 11 Euro bleibt weiterhin stark, Dollar schwächelt ..................................................................................... 12 Schlussfolgerungen für Europa und Deutschland ........................................................................ 14 Quellenverzeichnis ............................................................................................................................ 15 Impressum ......................................................................................................................................... 15
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Europäische Wirtschaft setzt Höhenflug fort Die soliden Wachstumsraten aus dem vergangenen Jahr setzen sich auch 2018 fort. Die EU28 wuchs im vergangenen Jahr um 2,4 Prozent und der Euroraum verzeichnete ein leicht niedrigeres Wachstum von 2,3 Prozent. Nach Schätzungen der Europäischen Kommission werden EU und Euroraum 2018 um jeweils 2,3 Prozent und 2019 um zwei Prozent wachsen. Das deckt sich mit den Schätzungen der OECD, die von einem Wachstum von 2,3 Prozent für 2018 und 2,1 Prozent für 2019 ausgeht (OECD 2018). Die Beschlüsse der neuen deutschen Bundesregierung sind in diesen Prognosen noch nicht berücksichtig. 2018 dürfte es daher mehr Aufwärtsrisiken als Abwärtsrisiken für die Konjunktur geben. Die EZB (2018) geht in ihrer Prognose vom 8. März 2018 von 2,4 Prozent Wachstum für die Eurozone aus. Am aktuellen Rand setzt sich das Wachstum solide fort. Sowohl EU und Eurozone sind im vierten Quartal 2017 um 0,6 Prozent gegenüber dem Vorquartal gewachsen. Im Vergleich zum Vorjahresquartal führt dies zu Wachstumsraten von 2,7 bzw. 2,6 Prozent. Europa ist damit am Hochpunkt des Konjunkturzyklus angekommen. Erste Engpässe am Arbeitsmarkt bremsen die weitere Expansion bereits leicht.
BIP-Wachstum in der EU in Prozent
4 3,0 3
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2,3 1,8
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2,4 2,0
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-0,4
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I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV 2007
2008
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Veränderung ggü. Vorjahresquartal
2011
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Veränderung ggü. Vorquartal
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Veränderung ggü. Vorjahr
Quelle: Macrobond
Die Gründe für die positive Entwicklung sind vielfältig. Dazu gehören abnehmende politische Unsicherheit nach den Wahlen in den Niederlanden, Frankreich und Deutschland. Lediglich Italien bleibt nach den Wahlen im März 2018 ein Sorgenkind. Nach den lang anhaltenden deutschen Regierungsver-
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handlungen ist inzwischen mit der erneuten Großen Koalition die Unsicherheit über den wirtschaftspolitischen Kurs der nächsten Legislaturperiode gewichen. Als Folge der abnehmenden politischen Unsicherheiten kam es in den letzten Monaten des vergangenen Jahres in der EU zu einer Stärkung der Investitionen, zu neuen Arbeitsplätzen sowie zu gestiegener Nachfrage (Europäische Kommission 2017). Zudem wirken sich günstige Finanzierungsmöglichkeiten positiv aus. Auch die Entwicklung der außereuropäischen Wirtschaft kommt der exportorientierten, offenen EU-Wirtschaft zugute. Getrieben von der anhaltenden Konjunkturerholung in vielen Schwellenländern, aber auch in entwickelten Ländern ist im vergangenen Jahr die Nachfrage nach europäischen Gütern stark gestiegen. Als Folge stieg der Handel zwischen der EU und anderen Ländern weiter (OECD 2017).
Aufschwung erfasst alle Mitgliedstaaten Der Aufschwung in der EU findet über Sektor- und Staatsgrenzen hinweg statt. Wichtigster Wachstumstreiber bleibt die inländische und ausländische Konsumnachfrage (IWF 2018). Die Unterschiede zwischen den Wachstumsraten der EU-Länder sind allerdings nach wie vor groß. Die höchsten Raten wiesen Rumänien und Irland auf. Auch Polen bleibt mit über fünf Prozent Wachstum im Spitzenfeld und profitiert von einer höheren Nachfrage aus dem Euroraum. Das geringste Wachstum wies im vergangenen Jahr das Vereinigte Königreich auf und wird auch 2018 die rote Laterne behalten. Die Austrittsverhandlungen kommen kaum vom Fleck und die zukünftigen Beziehungen zwischen EU und dem Vereinigten Königreich bleiben unklar. Nur wenige Länder bleiben unterhalb ihres Wachstumspotenzials und die Produktionslücke der europäischen Wirtschaft schließt sich in diesem Jahr.
BIP-Wachstum 2017 und Prognose für 2018 in Prozent 6
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Wachstumsrate 2017
Prognose 2018
Quelle: Macrobond
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Politische Unsicherheit und mangelnde Reformen gefährden Wachstumspotenziale Trotz der wirtschaftlich positiven Stimmung blieben wichtige Strukturreformen zur Stärkung des Wachstumspotenzials aus. Die im Frühjahr 2019 stattfindenden Wahlen zum Europäischen Parlament lassen das Zeitfenster für Reformen auf EU-Ebene bis Mitte dieses Jahres offen. Der erste zentrale Reformpunkt ist die Erstellung des Mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) für den Zeitraum von 2020 bis 2027. Eine Verzögerung der Beschlüsse zum MFR würde zu einem Investitionsstillstand in der Anfangsperiode des MFR führen. Der zweite große Reformpunkt ist die Stärkung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion. Mit der Überführung des Europäischen Stabilitätsmechanismus als Europäischem Wirtschaftsfonds in die Europäischen Verträge liegt ein aktueller Gesetzesvorschlag dazu vor. Eine Stärkung der Architektur der Eurozone ist dringend erforderlich. Die aktuell ausgezeichnete Konjunkturlage und das niedrige Zinsniveau überdecken die Bedrohungen, die beispielsweise von hohen Schuldenständen und notleidenden Krediten ausgehen. Dieses Problem ist besonders groß in Italien. Ein erheblicher Unsicherheitsfaktor ist nach wie vor der Brexit. Die Verhandlungen über die Austrittsmodalitäten und die Unklarheit über die zukünftigen wirtschaftlichen Beziehungen erweisen sich als schwierig. Im Dezember konnte zwar die erste Verhandlungsphase abgeschlossen werden, nachdem Einigungen bei grundsätzlichen Fragen zu Irland, den Rechten der im Vereinigten Königreich lebenden EU-Bürger sowie zur Höhe der Austrittszahlungen an die EU erzielt wurden. In der zweiten Verhandlungsphase wird nun über die Art der künftigen Handelsbeziehung verhandelt. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor resultiert aus dem Ausgang der Parlamentswahlen in Italien. Eine Regierungsbildung wird schwierig. Eine mögliche neue Mitte-Rechts-Koalition unter Leitung der von Matteo Salvini geführten Lega Nord könnte anti-europäische Sentiments schüren und das Vertrauen in die EU-Institutionen und den gemeinsamen Währungsraum schwächen; über die mögliche Regierungsbildung kann jedoch derzeit noch keine Einschätzung abgegeben werden. Auch der zu eskalieren drohende Konflikt zwischen der EU und der polnischen Regierung um das im Dezember eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren birgt noch politischen Zündstoff. Das Wachstum der Weltwirtschaft nimmt weiter an Fahrt auf Die Weltwirtschaft ist im vergangenen Jahr laut IWF um 3,7 Prozent und damit deutlich schneller als die EU-Wirtschaft gewachsen. Für das aktuelle und das kommende Jahr wird eine Erhöhung der Wachstumsraten auf jeweils 3,9 Prozent erwartet. Die OECD (2018) geht in ihrer jüngsten Prognose im März ebenfalls von 3,9 Prozent aus. Wir rechnen sogar mit vier Prozent, da in den IWF-Prognosen die letzten Beschlüsse des US-Kongresses und der deutschen Koalition noch nicht berücksichtigt werden konnten (Deutsch et al. 2018). Aus sowohl Schwellenländer als auch entwickelte Volkswirtschaften tragen zu diesem Schwung bei. Für die USA geht der IWF von einem Wachstum von 2,7 Prozent für 2018 und 2,5 Prozent für 2019 aus. Das Wachstum der chinesischen Wirtschaft lag 2017 bei 6,8 Prozent und wird 2018 leicht auf 6,6 Prozent und 2019 schließlich auf 6,4 Prozent zurückgehen. Asien bleibt weiterhin ein Haupttreiber und ist für mehr als die Hälfte des globalen Wachstums verantwortlich (IWF 2018). Die Wirtschaft in Südamerika erholt sich weiter. Für 2018 wird eine Wachstumsrate von 1,9 Prozent und für 2019 eine von 2,6 Prozent prognostiziert. Die gute Konjunkturlage und hohe Nachfrage sorgen für einen breitflächigen Aufschwung in Brasilien, der die Rezession in Venezuela kompensiert. Die Region des Mittleren Ostens, des Maghrebs, Afghanistans und Pakistans wird ihren Aufholprozess mit
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3,5 Prozent Wachstum in diesem, wie auch im kommenden Jahr fortsetzen. Gerade Saudi-Arabien profitiert von einem Anstieg des Ölpreises im vergangenen Jahr. Auch in Subsahara-Afrika ist der Aufschwung angekommen. Nach 2,7 Prozent Wachstum in 2017 wird für 2018 ein Anstieg von 3,3 Prozent geschätzt (IWF 2018).
Konsum bleibt Wachstumstreiber, Investitionen ziehen an Privater und öffentlicher Konsum trugen im Jahr 2016 noch 1,7 Prozent zum Wachstum in der EU bei. 2017 sank dieser Wert auf rund einen Prozentpunkt und wird auch in diesem Jahr in etwa auf diesem Niveau verbleiben. Erfreulich ist der korrespondierende Anstieg von Investitionen und Außenhandel. Die hohe Kapazitätsauslastung der Industrie wirkt sich positiv auf die Investitionstätigkeit aus und wird vor allem im aktuellen Jahr kräftige Impulse setzen. Nach einem negativen Beitrag in 2016 bilanziert der Außenhandel in 2017 wieder leicht positiv und wird diesen Trend fortsetzen.
Beiträge zum BIP-Wachstum der EU 2,4
2,5 2,1
2,3
2,1
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2,0
1,8
1,6 1,5 1,3 1,0 0,5 0,1
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-0,5
-1,0 -1,5 -2,0 2010
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2012
Privater Konsum Bestandsveränderung
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Staatsverbrauch Außenbeitrag
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2019
Investitionen BIP-Wachstum
Quelle: Macrobond
Industriekonjunktur brummt, Kapazitätsauslastung knapp unter Höchststand Die Industrieproduktion im Euroraum lag im Januar 2018 um 2,7 Prozent über dem Vorjahresmonat. Nach besonders starken Zuwächsen im vierten Quartal 2017 sank die Produktion im Monatsvergleich von Dezember 2017 auf Januar 2018 allerdings um einen Prozentpunkt. Die Produktion hat nun wieder das Niveau von 2011 erreicht, liegt jedoch noch unter den Vorkrisenwerten. Der jährliche Zuwachs der Investitionen von 1,4 Prozent im dritten Quartal ist ebenfalls der höchste seit drei Jahren. Die Stimmung in der Industrie ist ausgezeichnet und das ifo-Wirtschaftsklima liegt im März 2018 sogar über
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dem Wert von 2007. Lediglich im Jahr 2000 wurden höhere Werte aufgezeichnet. Der Einkaufsmanagerindex lag im Februar zwar etwas unter dem Januarwert, deutet jedoch immer noch auf eine weitere Expansion hin.
Industriekonjunktur* im Euroraum 116
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Industrieproduktion*
Investitionen*
Einkausmanagerindex*
ifo Wirtschaftsklima (rechte Achse)
*Index: Q1/2014 = 100 Quelle: Macrobond
Der Boom der Industrieproduktion wirkt sich positiv auf die Kapazitätsauslastung aus. In den großen EU-Mitgliedstaaten liegt sie zwischen 78 und 88 Prozent und ist seit 2012 in allen Ländern angestiegen. Am aktuellen Rand im ersten Quartal 2018 kam es lediglich im Vereinigten Königreich zu einem Absinken. Im EU-Schnitt befindet sich die Kapazitätsauslastung wieder annähernd auf dem Level des Booms von 2007.
Kapazitätsauslastung in Prozent 90 85 80 75 70 65 60
EU
Italien
V. Königreich
Spanien
Frankreich
Deutschland
Quelle: Macrobond
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Der Druck auf die Investitionsbereitschaft nimmt weiter zu und die Lücke am Arbeitsmarkt schließt sich. Trotz teilweise noch beträchtlicher Arbeitslosenraten in einigen Mitgliedstaaten fehlen in allen Ländern Fachkräfte in vielen Sektoren. Die Arbeitslosenrate in der EU liegt mit 7,3 Prozent im Januar 2018 noch einen halben Prozentpunkt über dem Vorkrisenwert von 6,8 Prozent vor zehn Jahren. Deutschland mit aktuell 3,6 Prozent stehen Spanien mit 16,3 und Italien mit 11,1 Prozent gegenüber. Ein beträchtlicher Anteil davon ist strukturelle Arbeitslosigkeit, die sich auch in der aktuellen Hochkonjunktur nicht wesentlich reduzieren wird. Entscheidend für den weiteren Konjunkturverlauf ist, wie erfolgreich und rasch diese Personen qualifiziert und in den Arbeitsmarkt integriert werden. Jede Verzögerung bremst den Aufschwung.
Die Inflation bleibt mittelfristig verhalten und eine Lohn-Preis-Spirale bleibt aus Der Preisanstieg im Euroraum betrug im Jahr 2017 1,5 Prozent und liegt damit noch unter dem Zielwert von nahe, aber unter zwei Prozent. Am aktuellen Rand hat sich die Inflation etwas abgeschwächt und lag im Februar 2018 bei 1,1 Prozent sowie im Monat davor bei 1,3 Prozent. Ein Grund dafür ist die Aufwertung des Euros, die Importe entsprechend verbilligt. Die Kerninflationsrate (ohne Energie und Lebensmittel) stagniert ohne wesentliche Aufwärtsimpulse seit Jahren rund um ein Prozent.
Inflation und Kerninflation im Euroraum in Prozent 5
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Inflation
Kerninflation
Quelle: Macrobond
Die EZB (2018) geht in ihrer Märzprognose davon aus, dass die Inflationsrate in den Jahren 2018 und 2019 jeweils 1,4 Prozent betragen und in den folgenden Jahren leicht auf 1,6 und 1,9 Prozent ansteigen wird. Die Europäische Kommission (2018) schätzt in ihrem Wachstumsausblick im Februar 2018 etwas höhere Raten von 1,5 Prozent in diesem Jahr und 1,6 Prozent in 2019.
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Inflation und Kerninflation in Prozent 4
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Inflation
Kerninflation
Quelle: Macrobond
Die Inflationsunterschiede zwischen der Euro-Mitgliedsländer haben sich zuletzt verringert. Während im Herbst 2017 die Bandbreite noch von 0,4 bis 4,6 Prozent reichte, so liegen die Werte im Februar 2018 zwischen -0,4 Prozent in Zypern und 3,2 Prozent in Estland. Neben unterschiedlichen BIPWachstumsraten liegen die Gründe für diese Dispersion vor allem in den Dynamiken der Arbeitsmärkte. Während es vor allem in Osteuropa und im Baltikum schon erheblichen Aufwärtsdruck auf Löhne gibt, ist dieser Einfluss in den restlichen Euroländern wesentlich geringer. Von einer Lohn-PreisSpirale im gesamten Euroraum kann daher noch keine Rede sein. Stille Reserven auf den Arbeitsmärkten und geringe Produktivitätssteigerungen führen zu verhaltenden Lohnsteigerungen. Im Jahr 2017 stiegen im Euroraum die Arbeitnehmerentgelte um 1,6 Prozent (EZB 2018). Bis 2020 dürften die jährlichen Zuwächse auf 2,7 Prozent ansteigen.
Anleiheankaufprogramm der EZB läuft bis mindestens September 2018 Im Oktober 2017 hatte die EZB wie erwartet eine Verlängerung des Anleihekaufprogramms bis vorerst September 2018 verkündet. Ab März 2018 wird das monatliche Volumen von 60 Milliarden Euro nun auf 30 Milliarden reduziert. In Hinblick auf den aktuellen Aufschwung und das Risiko von Blasenbildungen auf den Finanz- und Realmärkten ist dieser Schritt erforderlich. In Anbetracht der verhaltenen Preisentwicklung und der Entfernung vom Zielwert von knapp unter zwei Prozent Inflation bleibt die Lage der EZB kompliziert. Der Aufwärtstrend des Euros verschärft dieses Problemfeld über niedrige Importpreise. Die unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen der EZB werden daher wohl erst im Jahr 2019 auslaufen und Leitzinserhöhungen danach folgen. Die OECD (2017) rechnet erst im Jahr 2020 mit einem ersten Schritt. In der jüngsten Pressekonferenz am 8. März 2018 hat EZB-Präsident Mario Draghi die Finanzmärkte auf den langsamen Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik vorbereitet. Im Vergleich zur üblichen Rhetorik mit Hinweis auf eine allfällige Ausdehnung des Programms blieb diese Formulierung diesmal aus.
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Leitzinsen im internationalen Umfeld 7
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Europäische Zentralbank
Federal Reserve Bank
Bank of England
Quelle: Macrobond
Die Federal Reserve Bank (FED) hatte bereits Ende 2016 mit der Zinswende begonnen und seither insgesamt fünf Schritte zu je 0,25 Prozentpunkte durchgeführt. Mit dem Wechsel der FED-Präsidentschaft von Janet Ellen zu Jerome Powell im Februar 2018 könnte es zu Änderungen der bisherigen Linie kommen. Donald Trumps wirtschaftspolitische Agenden so wie die steigende öffentliche Verschuldung würden eher für einen langsamen Anstieg der Leitzinsen sprechen. Inwieweit der von ihm berufene Jerome Powell diese Linie unterstützt, bleibt offen. Die Bank of England war im November 2017 auf Grund des Preisanstiegs auf über drei Prozent gezwungen, ebenfalls einen Zinsschritt vorzunehmen. Seitdem stagniert die Inflationsrate bei rund drei Prozent, aber der Zinsanstieg nahm Wachstumsimpulse aus der Wirtschaft.
Erste Korrekturen auf den Finanzmärkten sichtbar Im Euroraum materialisieren sich bereits Risiken auf den Finanzmärkten, wie die jüngste Korrektur auf den Aktienmärkten gezeigt hat. Der EURO STOXX 50 Index brach Anfang 2018 vorerst um rund neun Prozent ein. Die globalen Börsen verzeichneten ähnliche Kurskorrekturen.
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Aktienindizes 130 125 120 115 110 105 100 95
Deutschland
USA
Euroraum
V. Königreich
Quelle: Macrobond
Diese Kurskorrekturen illustriert das enorme Ausmaß an Liquidität. Auswirkungen auf die Realwirtschaft blieben vorerst aus, obgleich jüngste Stimmungsindikatoren wie der Einkaufsmanagerindex sich auf hohem Niveau leicht eintrübten. Volatilität auf den Finanzmärkten kann über diesen Kanal rasch die Realwirtschaft erfassen. Auch andere Märkte könnten von Neubewertungen betroffen sein. So hat die Deutsche Bundesbank (2018) darauf hingewiesen, dass die Überbewertungen von Immobilienpreisen in deutschen Metropolen inzwischen bei rund 35 Prozent liegen. Korrekturen sind daher nur eine Frage der Zeit. Umso wichtiger ist die mikro- und makroprudenzielle Überwachung der Entwicklungen. Die Immobilienpreise sind zu einem geringen Teil kreditgetrieben, wodurch die Auswirkungen allfälliger Neubewertungen weniger drastisch ausfallen. Situationen wie in der US-amerikanischen Immobilienkrise von 2007 sind auf Grund der höheren Eigenkapitalfinanzierungen nicht zu erwarten.
Kreditvergabe an Unternehmen zieht spürbar an Im zweiten Halbjahr 2017 kam es zum lange erwarteten Anstieg der Kreditvergabe an Unternehmen der Realwirtschaft im Euroraum. Im Januar 2018 lagen Kredite knapp 1,7 Prozent über dem Vorjahrestand. Dies ist mit Ausnahme des Zwischenhochs im Jahr 2011 der höchste Anstieg seit Krisenbeginn. Gleichwohl ist die Belebung noch sehr maßvoll und nicht mit den dynamischen Wachstumsraten von 2000 bis 2008, die zwischen fünf und zwölf Prozent, jeweils gegenüber Vorjahr, lagen, zu vergleichen. Der Euroraum ist trotz der langsamen Schließung der Potenziallücke und des Anziehens der Investitionstätigkeit noch weit von einer Krediterhitzung entfernt. Hierzu tragen sicherlich die strengeren Finanzierungsregeln und die noch immer verhaltene Entwicklung der Immobilienmärkte bei.
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Kredit- und Geldmengenwachstum im Euroraum im Vergleich zum Vorjahresmonat in Prozent 20
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Kreditvergabe
Geldmenge M3
Quelle: Macrobond
Beste Stimmungsindikatoren und anziehende Investitionen sind die wesentlichen Treiber dieser positiven Entwicklung. Zudem erleichtern gestiegene Eigenkapitalquoten der Banken und ein Rückgang der notleidenden Kredite in deren Bilanzen die Kreditvergabe. Die EZB beziffert den Anteil notleidender Kredite im dritten Quartal 2017 mit 4,2 Prozent. Dies liegt beträchtlich unter dem Höchstwert von 6,5 Prozent Anfang 2015, allerdings deutlich über dem Vorkrisenlevel von unter drei Prozent. Regionale Unterscheide bleiben freilich groß. Italien liegt um zehn Prozent, Deutschland bei 1,7 Prozent.
Euro bleibt weiterhin stark, Dollar schwächelt Seit Anfang 2017 hat der Euro nominell gegenüber den wichtigsten Handelspartnern um rund acht Prozent aufgewertet. Die Exporte der Eurozone blieben davon weitgehend unbeeindruckt und stiegen im zweiten Quartal 2017 um 1,1 Prozent gegenüber dem Vorquartal und im dritten Quartal sogar um 1,5 Prozent. Im Vergleich zu den entsprechenden Vorjahresquartalen sind dies Wachstumsraten von 4,5 bzw. 5,6 Prozent. Die Importe stiegen gegenüber dem Vorquartal hingegen mit 1,6 Prozent im zweiten Quartal und 0,5 Prozent im dritten Quartal etwas langsamer. Die Wachstumsraten zu den Vorjahresquartalen liegen bei jeweils 4,4 Prozent. Der Außenhandel der Eurozone wird maßgeblich vom Anstieg des globalen Handels getrieben, der 2017 um 4,6 Prozent gewachsen ist und 2018 Tempo halten dürfte (IWF 2018).
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Nominale Wechselkurse, jeweilige Fremdwährung pro Euro* 120
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Pfund Sterling Schweizer Franken US-Dollar Yen Renminbi Nominaler, effektiver Wechselkurs gegenüber den zwölf wichtigsten Weltwährungen *Anstieg bedeutet eine Aufwertung des Euros gegenüber der jeweiligen Währung Quelle: Macrobond, 01.01.2017 = 100
Der US-Dollar hat gegenüber dem Euro seit Januar 2017 über 15 Prozent an Wert verloren. Die Eurozone wuchs 2016 und 2017 stärker als die USA und erst 2018 dürfte sich dieser Trend umkehren. In Kombination mit weiteren Leitzinserhöhungen dürfte dies zu einer Aufwertung des Dollars in diesem Jahr führen. Die US-amerikanische Wirtschaftspolitik weist jedoch einen unklaren Kurs auf. Die jüngsten Ankündigungen von Zöllen auf Stahl und Aluminium könnten Ausgangspunkt eines weltweiten Handelskriegs sein, der Handelsströme und Wechselkurse erheblich durchmischen würde. Der Wert des britischen Pfund hat sich nach dem Absturz, der unmittelbar nach dem Referendum einsetzte, einigermaßen stabilisiert und seit Mitte 2017 sogar etwas dazugewonnen. Die weitere Entwicklung wird wesentlich von den Ergebnissen der Austrittsverhandlungen abhängen. Der chinesische Renminbi und der japanische Yen haben seit Anfang 2017 zwischen fünf und acht Prozent gegenüber dem Euro verloren. Gründe dafür liegen in der überraschenden Wachstumsperformance der Eurozone sowie im Abbau politischer Unsicherheit in der Wirtschafts- und Währungsunion. Chinas Wirtschaftswandel von einer investitions- zu einer konsumgeleiteten Gesellschaft ist vorerst ohne Krisenerscheinungen vor sich gegangen und das Wachstum bleibt mit über sechs Prozent stark. In der Abwertung des Renminbi lassen sich diese Risiken ablesen.
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Schlussfolgerungen für Europa und Deutschland Europa wächst so stark wie lange nicht mehr. Überhitzungen zeigen sich noch nicht, aber erste Signale deuten auf eine Abschwächung der Dynamik hin. Sektorale Engpässe auf den Arbeitsmärkten bremsen den Aufschwung. Lohn-Preis-Spiralen bleiben jedoch aus. Europa und insbesondere der Euroraum befinden sich in einer seltenen Konstellation mit hohem Wachstum, sehr niedriger Inflation und geringen Lohnsteigerungen. Die lange Zeit sehr hoher Arbeitslosenraten in vielen Ländern hat zu einem Verlust von praktischen Kompetenzen und einem Anstieg der strukturellen Arbeitslosigkeit geführt. Hauptaufgabe der Wirtschaftspolitik ist daher gezielte Qualifizierung, vor allem in Hinblick auf die Welle der Digitalisierung und Industrie 4.0. Die aktuelle Hochkonjunktur und Entspannung am Arbeitsmarkt – insbesondere in Deutschland – darf nicht von diesen Herausforderungen ablenken. Die Geldpolitik kann nur richtig wirken, wenn Reserven am Arbeitsmarkt aktiviert werden und die Lohn-PreisEntwicklung anspringt.
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Quellenverzeichnis Deutsch, Klaus et al. (2018). Globaler Wachstumsbericht. BDI. Berlin. Februar. Deutsche Bundesbank (2018). Monatsbericht Februar. Frankfurt/M. Europäische Kommission (2018). European Economic Forecast Winter 2018. Brüssel. Februar. ---(2017). European Economic Forecast Autumn 2017. Brüssel. November. EZB (2018). Staff macroeconomic projections for the euro area. Frankfurt/M. März. IWF (2018): World Economic Outlook Update. Brighter Prospects, Optimistic Markets, Challenges Ahead. Washington DC. Januar. OECD (2018). Interim Economic Outlook. Paris. März ---(2017). OECD Economic Outlook. Paris. November.
Impressum Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) Breite Straße 29 10178 Berlin T: +49 30 2028-0 www.bdi.eu Autoren Dr. Wolfgang Eichert T: +3227921014 w.eichert@bdi.eu Sebastian Schuhmann BDI/BDA Business Representation
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