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Chinas Entwurf für ein nationales Exportkontrollgesetz
10. Juli 2018
Kernforderungen China will durch die Novelle seines nationalen Exportkontrollsystems viele bislang dezentrale Bestimmungen und Verordnungen in einem Gesetz zusammenfassen. Die deutsche Industrie begrüßt dieses Vorhaben. Der Gesetzesentwurf weist jedoch zum Teil erhebliche Mängel auf. Zudem ist zweifelhaft, ob er einzig dem Schutz vor der Verbreitung von ABC-Waffen und deren Trägersystemen verpflichtet ist. Die klare und wiederkehrende Nennung von Wirtschaftsinteressen im Gesetzestext gibt Anlass zur Sorge, dass China die Exportkontrolle zur Förderung der nationalen Wirtschaft missbrauchen könnte und damit das regelbasierte internationale Handelssystem untergräbt.
Um wirkungsvoll zu schützen, sollte die Exportkontrolle von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck internationalen Normen, Verträgen und Regeln folgen.
In diesem Sinne sind konkrete Güterlisten ein guter Ansatz, der Vorhersagbarkeit und Stabilität schafft.
Im Gesetz sollten Begriffe geschärft und damit der Anwendungsbereich präzisiert werden.
Nicht-grenzüberschreitende Güterbewegungen und Technologietransfers dürfen nicht genehmigungspflichtig werden.
Exportkontrolle darf keine extraterritoriale Wirkung entfalten. Derartige Vorschriften führen zu Einschränkungen im Warenverkehr und schaden schlussendlich allen Beteiligten.
Bei Sicherheitsüberprüfungen sollte es klare und transparente Evaluationskriterien geben.
Die deutsche Industrie begrüßt den geplanten Expertenmechanismus und ruft dazu auf, in Kooperation best-practices zu stärken.
Die deutsche Industrie fordert die Bundesregierung auf, den Dialog mit Peking zu vertiefen.
Dr. Nikolas Keßels | Außenwirtschaftspolitik | T: +49 30 2028-1518 | n.kessels@bdi.eu | www.bdi.eu Ferdinand Schaff | Internationale Märkte | T: +49 30 2028-1409 | f.schaff@bdi.eu | www.bdi.eu
Chinas Entwurf fĂźr ein nationales Exportkontrollgesetz
Inhaltsverzeichnis Einleitung ............................................................................................................................................. 4 1.
Kritische Punkte im Gesetzentwurf ........................................................................................... 4
2.
Forderungen der deutschen Industrie ...................................................................................... 5
Impressum ........................................................................................................................................... 7
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Chinas Entwurf für ein nationales Exportkontrollgesetz
Einleitung Chinas Handelsministerium (MOFCOM) veröffentlichte am 16. Juni 2017 den Entwurf für ein erstes nationales Exportkontrollgesetz. Ein öffentliches Konsultationsverfahren endete bereits einen Monat nach Veröffentlichung. Der Entwurf soll noch 2018 verabschiedet werden. Bisher besteht Chinas Exportkontrollregime aus einzelnen sektorspezifischen Verwaltungsvorschriften und internationalen Verträgen zur Nichtverbreitung von ABC-Waffen. Grundsätzlich ist der Versuch der chinesischen Regierung sehr zu begrüßen, die Exportkontrolle in China zentral zu regeln und an internationale Regime anzugleichen. Allerdings enthält der Entwurf nicht nur viele weitgefasste Begriffe, die dringend einer weiteren Präzisierung bedürfen, sondern auch einige Ansätze, die dem deutschen und europäischen Verständnis von Exportkontrolle grundlegend widersprechen. Neben der extraterritorialen Wirkung des Gesetzes gehört hierzu vor allem die besorgniserregende Vermischung von Exportkontrolle und Wirtschaftsförderung. Je nach Auslegung und Implementierung könnte Chinas Exportkontrollgesetz weitreichende Konsequenzen für die Organisation von Lieferketten, für die Forschungskooperationen sowie für Investitionsentscheidungen deutscher Unternehmen in und außerhalb Chinas haben.
1. Kritische Punkte im Gesetzentwurf Das grundsätzliche Problem des geplanten Exportkontrollgesetzes ist die Vermischung von klassischer Exportkontrolle mit dem Anspruch, Exporte zu regulieren, die scheinbar dem chinesischen Interesse nach wirtschaftlicher Entwicklung entgegenlaufen. Der vorliegende Gesetzentwurf führt klar zu Zielkonflikten in der Rechtsnorm. An mehreren Stellen wird deutlich von der international akzeptierten Zielsetzung der Exportkontrolle abgewichen, der Verbreitung von konventionellen Waffen und Massenvernichtungsmitteln entgegenzuwirken. Vermischung von Sicherheitspolitik und Wirtschaftsförderung: Der Gesetzentwurf bietet der chinesischen Regierung an mehreren Stellen die Grundlage, Sicherheitsbedenken vorzuschieben, um nach Bedarf die Handelspolitik der regelbasierten internationalen Ordnung zu entziehen. Artikel 1, 8 und 29 stellen klar einen Zusammenhang zwischen „wirtschaftlicher Entwicklung“ und dem Anwendungsbereich des Exportkontrollgesetzes her. Nach dem Gesetz ist nicht das Gefährdungspotential allein entscheidend für die Listung bestimmter Güter. Stattdessen sollen nach Artikel 18 Parameter wie das „industrielle Fundament“ der Volksrepublik oder seine „Wettbewerbsfähigkeit“ beeinflussende Messgrößen für die Exportkontrolle sein. Ebenso besorgniserregend ist der Artikel 22, in dem erneut auf das Interesse nach wirtschaftlicher Entwicklung verwiesen wird unter spezifischer Nennung von „Marktversorgung“ als relevanter Kategorie. Mit all diesen wirtschaftspolitischen Parametern weicht der Entwurf nicht nur von internationalen Exportkontrollregimen ab, sondern wirft darüber hinaus Fragen der Vereinbarkeit mit den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) auf. Re-Exporte: Artikel 64 sieht vor, dass das Gesetz auf alle Warenexporte weltweit anwendbar ist, wenn es sich um kontrollierte Güter chinesischen Warenursprungs oder um ausländische Produkte mit einem Anteil an kontrollierten Komponenten chinesischen Warenursprungs handelt. Im EU-Recht gibt es keine vergleichbare extraterritorial wirkende Rechtsvorschrift. Re-Exportkontrolle wird in der EU „nur“ indirekt ausgeübt über Re-Exportklauseln, welche ausländische Kunden „freiwillig“ im Rahmen von Endverbleiberklärungen unterzeichnen. Deemed exports: Aufgrund einer fehlenden Definition von „foreign citizens“ in Artikel 3 des Entwurfs können auch nicht-grenzüberschreitende Güterbewegungen und Technologietransfers zwischen chinesischen und ausländischen Wirtschaftssubjekten, sogar innerhalb eines Unternehmens, genehmigungspflichtig werden. Auch hier könnte eine extraterritoriale Wirkung des chinesischen Exportkontrollrechts die Folge sein. Dies wäre eine Orientierung am US-Recht.
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Chinas Entwurf für ein nationales Exportkontrollgesetz
Vor-Ort-Inspektionen von Endnutzern: Gemäß Artikel 28 möchte die Volksrepublik sowohl Nutzer als auch die Nutzung betroffener chinesischer Exporte auch außerhalb seines Territoriums regulativ einhegen können. Das bedeutet: Vor-Ort-Inspektionen können auch dort durchgeführt werden, wo internationale Exportkontrollstandards bereits angewandt werden. Anders als in den bestehenden internationalen Exportkontrollregimen wird im chinesischen Gesetzentwurf keine Einschränkung auf besonders sensible Güter, die eng mit ABC-Waffen in Verbindung stehen, vorgenommen. Beliebiger Ausnahmezustand: Die in Artikel 12 angeführten „besonderen Umstände“ beziehen sich, außer auf militärische Konfliktsituationen, auch auf „jedwede andere drängende Situation mit Bezug zu den internationalen Beziehungen“. Für diesen schwammig formulierten Fall behält sich die Volksrepublik vor, den Export aller Güter zu beschränken, um seine Sicherheit und seine Interessen zu schützen. Reziprozitätsklausel: Der Entwurf sieht in Artikel 9 Vergeltungsmaßnahmen vor, sollte sich China durch die Exportkontrollmaßnahmen anderer Staaten oder Regionen diskriminiert fühlen. Aufgrund der doppelten Zielsetzung des Gesetzentwurfes bleibt unklar, inwiefern hier Exportkontrolle zum handelspolitischen Schutzinstrument umfunktioniert werden kann. Weder die Vergeltungsmaßnahmen noch die möglichen Bedrohungslagen werden näher definiert. Nationale Sicherheitsprüfung bei Informationsweitergabe: Gemäß Artikel 10 müssen chinesische Unternehmen prüfen, ob die Weitergabe von Informationen eventuell Bezug zu Chinas nationaler Sicherheit haben könnte. In diesem Fall muss im Voraus eine „nationale Sicherheitsprüfung“ durchgeführt werden. Es wird nicht definiert, wie diese Prüfungen aussehen könnten. Schwarze Listen für Importeure: Artikel 29 sieht vor, all jene ausländischen Importeure und Endnutzer auf schwarze Listen zu setzen, die „möglicherweise“ das nationale Interesse nach „wirtschaftlicher Entwicklung“ hintertreiben oder exportierte Güter zu terroristischen Zwecken verwenden. Im Entwurf werden keine Kriterien (Grad des Verstoßes) für die Listung genannt. Einfluss auf credit score: Verstöße gegen das Gesetz von Exporteuren (auch strafrechtlich nicht geahndete oder relevante) sollen gemäß Artikel 59 öffentlich gemacht werden und in die „National Credit Information Sharing Platform“ einfließen. Wer hier gelistet ist, kann für drei Jahre von der Beantragung von Exportlizenzen ausgeschlossen werden. Gerade in Verbindung mit dem sogenannten „Social Credit System“ für Personen und Unternehmen in China sowie aufgrund schwammiger Rechtsbegriffe, könnte dies verstärkt zu „Selbstrestriktionen“ bei chinesischen Firmen führen.
2. Forderungen der deutschen Industrie Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf plant die chinesische Regierung, die Fragmentierung vieler kleinerer Verordnungen und Durchsetzungsvorschriften zu beenden. Der BDI begrüßt diesen Vorstoß. Die deutsche Industrie ist jedoch besorgt, dass der konkrete Gesetzentwurf nicht die angestrebte Rechtssicherheit schafft. Stattdessen steht zu befürchten, dass willkürliche Handelspraktiken und deren Folgen für globale Wertschöpfungsketten kodifiziert werden.
Die vielen weitgefassten Begriffe im Gesetzentwurf sollten präzisiert werden.
Die Exportkontrolle sensibler Güter sollte internationalen Konventionen, Verträgen und Regeln folgen. Die Vermischung von Entwicklungs- und Sicherheitsinteressen schreckt ausländische Investoren ab und gefährdet Chinas zentrale Rolle in global integrierten Wertschöpfungsketten. China sollte sich klar an die international üblichen Ziele der Exportkontrolle halten und von wirtschafts- und handelspolitisch motivierten Rechtsvorschriften im Entwurf Abstand nehmen. Exportkontrolle sollte nicht mit wirtschaftspolitischen Zielsetzungen vermischt werden.
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Chinas Entwurf für ein nationales Exportkontrollgesetz
China sollte von extraterritorial wirkenden Rechtsvorschriften in seinem Exportkontrollgesetz Abstand nehmen. Die deutsche Industrie ist insbesondere im Hinblick auf Re-exporte besorgt.
Nicht-grenzüberschreitende Güterbewegungen und Technologietransfers zwischen chinesischen und ausländischen Wirtschaftssubjekten sollten nicht durch „deemed exports“ genehmigungspflichtig werden.
Die Schaffung konkreter Güterlisten begrüßt die deutsche Industrie. China sollte sich bei der Erstellung der im Entwurf genannten Listen (Militärgüter, Dual-Use-Güter und Nukleargüter) an den internationalen Vertragsregimen orientieren, um einen einheitlichen Standard gewährleisten zu können.
Unternehmen brauchen Rechtssicherheit. Es sollten genaue Kriterien für die nationale Sicherheitsprüfung ausgearbeitet werden. Bestimmungen sollten mit den Verwaltungsvorschriften zu Sicherheitsprüfungen bei grenzüberschreitendem Datenverkehr unter dem chinesischen Cybersicherheitsgesetz kompatibel sein.
Der BDI begrüßt die Absicht in Artikel 7 des Gesetzentwurfes, einen Expertenmechanismus einzurichten, der die Umsetzung der Exportkontrolle begleiten soll. Der Mechanismus sollte offen und transparent gestaltet sein. Dies kann helfen, die vielen weitgefassten Begriffe zu präzisieren.
Die deutsche Industrie ruft die Bundesregierung dazu auf, den Dialog mit der chinesischen Regierung zur Exportkontrolle zu vertiefen. Die deutschen und europäischen Erfahrungen und best-practices sollten so Eingang in die regulatorische Ausformulierung des Gesetzes finden.
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