ANALYSE | AUSSENWIRTSCHAFT | USA-MEXIKO-KANADA
U.S.-Mexico-Canada Agreement (USMCA): Rückschritt gegenüber NAFTA Dezember 2018 NAFTA 2.0: Freihandel mit Abstrichen Am 30. September 2018 einigten sich die Regierungen der USA, Mexikos und Kanadas auf die Mo23. Oktober 2017 dernisierung ihres trilateralen Handelsabkommens. Der bislang als NAFTA bekannte Vertrag heißt in seiner neuen Form „U.S.-Mexico-Canada Agreement“ (USMCA). Nun müssen die Vertragsparteien das Abkommen ratifizieren. Für die USA bedeutet das, dass der Kongress dem Abkommen zustimmen muss. Mit einer Abstimmung wird nicht vor Februar 2019 gerechnet. Die Neuverhandlung von NAFTA gehörte zu den Top-Prioritäten von US-Präsident Donald Trump. Zu den wesentlichen Zielen des neuen Vertrages gehören für den Präsidenten eine Stärkung der industriellen Fertigung in den USA und ein Abbau des Handelsdefizits mit Mexiko. Bei den Zwischenwahlen am 6. November 2018 hat die Demokratische Partei die Mehrheit im Repräsentantenhaus zurückgewonnen. Die von vielen erhoffte „blaue Welle“ („blue wave“) blieb jedoch aus. Die Demokraten dürften dem USMCA mit hoher Wahrscheinlichkeit zustimmen, da einige „labor“-relevante Bereiche in das USMCA hineinverhandelt wurden. Einfach wird sich die Ratifizierung allerdings nicht gestalten. Denn die Demokraten stehen Freihandelsabkommen grundsätzlich kritischer gegenüber als die Republikaner. Auch bei den Republikanern werden einzelne Elemente des neuen Vertrages intensiv diskutiert. Das Weiße Haus hat bereits in der Vergangenheit die Möglichkeit erwogen, NAFTA zu kündigen, um im Kongress den politischen Druck zur Annahme des neuen Handelsabkommens zu erhöhen.
Enge intraregionale Verflechtung
Von 1993 bis 2017 hat sich das Handelsvolumen zwischen den USA, Kanada und Mexiko
mehr als vervierfacht
Quelle: BEA, Statistics Canada 2018
50% des Handels der USA, Kanadas und Mexikos ist intraregionaler Handel (2016) Quelle: WTO 2018 1
U.S.-Mexico-Canada Agreement (USMCA)
Intra-USMCA-Güter- und Dienstleistungshandel 1994 - 2017, Millionen US-Dollar Importe USA aus Mex/Kan Exporte USA nach Mex/Kan Importe Kanada aus USA/Mex Exporte Kanada nach USA/Mex Importe Mexiko aus USA/Kan Exporte Mexiko nach USA/Kan
800 700 600 500 400 300 200 100 0
Quellen: Bureau of Economic Analysis, Statistics Canada
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USMCA wird eines der größten FTAs weltweit mit einer Gesamtbevölkerung von fast 500 Millionen Menschen und einer Gesamtwirtschaftsleistung von rund 22 Billionen US-Dollar.
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Für die USA waren Kanada mit 14,5 Prozent und Mexiko mit 11,8 Prozent der Gesamtexporte 2017 die beiden Hauptexportmärkte (Waren und Dienstleistungen). Bezogen auf die Importe betragen die Anteile 11,9 Prozent für Mexiko und 11,7 Prozent für Kanada, sie belegen somit hinter China die Plätze zwei und drei.
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Die USA haben ein Handelsdefizit mit Mexiko von -69 Mrd. US-Dollar (Waren $-76,1 Mrd., Dienstleistungen $+7,4 Mrd.) und einen Handelsüberschuss mit Kanada von 2,8 Mrd. US-Dollar (Güter $-22,7 Mrd., Dienstleistungen $+25,4 Mrd.).
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Das Handelsvolumen der USA mit ihren beiden NAFTA-Partnern entspricht 24,8 Prozent des gesamten USAußenhandels. Ausländische Direktinvestitionen aus den USMCA-Staaten in den USA (Bestände) 1994 - 2017, in Milliarden US-Dollar 500 450 Kanada Mexiko
400 350 300 250 200 150 100 50 0
1994
1996
1998
2000
2002
2004
2006
2008
2010
2012
2014
2016
Quelle: Bureau of Economic Analysis
Deutschland und USMCA Die USA sind seit 2015 der wichtigste Markt für deutsche Güterexporte. Deutsche und US-Unternehmen gehören gegenseitig zu den wichtigsten Investoren im jeweiligen Partnerland. Auch die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Mexiko haben sich in den letzten Jahren sehr dynamisch entwickelt. Allein seit dem Jahr 2000 haben sich ca. 800 deutsche Firmen neu in Mexiko niedergelassen. Ca. 2.000 Unternehmen mit deutscher Kapitalbeteiligung sind inzwischen in Mexiko tätig. Im Jahr 2017 lag das bilaterale Handelsvolumen bei über 20 Milliarden Euro. NAFTA war für viele deutsche Unternehmen ein entscheidendes Argument für den Standort Mexiko. Die EU hat bereits ein Handelsabkommen mit Mexiko. Dieses soll modernisiert werden. Am 21. April 2018 erzielten die EU-Kommission und die mexikanische Regierung eine politische Einigung über ein neues Handelsabkommen. Gegenwärtig werden auf Grundlage der politischen Einigung die notwendigen technischen Details 2
U.S.-Mexico-Canada Agreement (USMCA)
für den Vertragstext ausverhandelt. Die rechtliche Prüfung hat bereits begonnen. Beim Thema öffentliches Beschaffungswesen verhandelt die mexikanische Regierung noch mit den Bundesstaaten über deren Einbeziehung. Das Handelsabkommen der EU mit Kanada, CETA, ist seit September 2017 vorläufig in Kraft. Zur vollständigen Anwendung ist noch die Ratifizierung in diversen EU-Mitgliedstaaten, unter anderem in Deutschland, notwendig. CETA gilt als umfassendes und modernes Abkommen. Mit den USA führt die EU derzeit wieder Sondierungsgespräche über ein mögliches Handelsabkommen. Die TTIP-Verhandlungen liegen seit den US-Präsidentschaftswahlen im Herbst 2016 auf Eis. EU-Güterhandel mit USMCA-Staaten, 2017 in Milliarden Euro Exporte
400
Importe
350 300 250 200 150 100 50 0
USA
Kanada
Mexiko
Quelle: Europäische Kommission
EU-Dienstleistungshandel mit USMCA-Staaten, 2016 in Milliarden Euro 250
Exporte
Importe
200 150 100 50 0
USA
Kanada
Mexiko
Quelle: Europäische Kommission
Vorläufige Bewertung Die Einigung lässt auf ein Ende der handelspolitischen Spannungen in Nordamerika hoffen. Dies ist positiv zu bewerten. Eine komplette Kündigung des NAFTA-Abkommens ohne Alternative, die alle drei nordamerikanischen Staaten einbezieht, wäre extrem schädlich gewesen. Dies hätte den nordamerikanischen Wirtschaftsraum zersplittert. Die bisher bekannten Details aus der Übereinkunft lassen gleichwohl befürchten, dass es unter USMCA für deutsche Unternehmen deutlich schwieriger wird, zollfrei in Nordamerika zu handeln. Eine Herausforderung für bestehende Wertschöpfungsketten sind die strengen Ursprungsregeln, die über den Automobilsektor hinaus verschiedene Industriebranchen betreffen (Chemie, Stahl, Glas und Glasfaser). Die im Automobilhandel vereinbarten Quotenregelungen entsprechen nicht den europäischen Vorstellungen für Freihandelsabkommen. Es ist zu vermeiden, dass solche Abkommen auch auf die EU übertragen werden. Zudem ist mit den Vereinbarungen die Wahrscheinlichkeit gestiegen, dass die USA ihre Automobilindustrie zukünftig mit zusätzlichen Zöllen schützen. Ein weiterer Rückschritt gegenüber NAFTA besteht in den Regeln für Handelsabkommen der USMCA-Partner mit Nichtmarktwirtschaften. 3
U.S.-Mexico-Canada Agreement (USMCA)
Im Detail ▪
Für den Automobilsektor wurden sehr komplexe local content-Anforderungen vereinbart. Für PKW und Light Trucks wurden diese von 62,5 auf 75 Prozent erhöht, für Nutzfahrzeuge von 60 auf 70 Prozent. Auch für Teile beziehungsweise Komponenten gelten je nach Relevanz des Teiles strengere Regeln – für die sogenannten Schlüsselkomponenten („Core Parts“) im PKW-Bereich sind dies 75 Prozent. Zudem müssen PKW zu 40 Prozent und Light Trucks zu 45 Prozent mit einem Mindestlohn von 16 USDollar hergestellt werden. Zur Erreichung dieser Anforderungen werden Übergangsfristen gewährt – je nach Anforderung zwischen drei und sieben Jahren. Schließlich müssen die Hersteller nachweisen, dass mindestens 70 Prozent des im Vorjahr von ihnen gekauften Stahls und Aluminiums nordamerikanischen Ursprungs sind.
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Für Sektoren wie die Informationstechnologie, die pharmazeutische Industrie, Medizintechnik, Kosmetika und Chemikalien könnten Vereinbarungen über eine einvernehmliche kompatible Rechtsetzung, den Angleich von best regulatory practices und den allgemeinen Ausbau der Handelsbeziehungen positive Effekte haben. Davon könnten auch deutsche Unternehmen vor Ort profitieren.
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Das Abkommen enthält unter anderem Kapitel zum Wettbewerb, Staatsunternehmen und gegen Währungsmanipulationen. Inwiefern hier vorbildliche Regelungen getroffen wurden, ist noch zu prüfen.
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Die Regelungen zu neuen Gebieten wie E-Commerce wurden von Experten bisher unterschiedlich bewertet. Insbesondere die Passagen zu Datenflüssen wurden von Teilen der US-IT-Industrie sehr begrüßt. Aufgrund der hohen Datenschutzstandards in Europa dürften ähnliche Regelungen für ein künftiges transatlantisches Abkommen zu liberal sein.
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Kanada öffnet den Markt für Milchprodukte im USMCA etwas weiter als über TPP, ändert einige Produktklassifizierungen und gibt auch finanzielle Anreize für die Nutzung bestimmter kanadischer Produkte bei der Käseherstellung auf.
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Verhandelt eines der drei Länder ein FTA mit einem Land, das einer der Partner als Nichtmarktwirtschaft einstuft oder mit dem noch keines der USMCA-Länder ein FTA hat, werden Konsultationen geführt. Die jeweils anderen USMCA-Länder haben nach Vorlage des FTA-Textes das Recht, aus dem USMCA auszuscheiden. Die verbleibenden USMCA-Partner handeln dann ein bilaterales Abkommen aus. Dies kann als Signal gewertet werden, dass die USA ein FTA Kanadas oder Mexikos zum Beispiel mit China bestrafen würden.
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Für das USMCA ist eine 16-jährige Laufzeit vorsehen. Nach sechs Jahren soll eine Überprüfung des Abkommens stattfinden, in deren Verlauf identifizierte Probleme diskutiert und ggf. beseitigt werden, ohne das Abkommen als Ganzes infrage zu stellen. Die Partner sollen sich bei der Überprüfung auch schriftlich festlegen, ob das Abkommen um weitere 16 Jahre verlängert wird. Diese Überprüfungen und Festlegungen zur Verlängerung finden dann alle sechs Jahre statt. Grundsätzlich ist die Möglichkeit, Probleme zu beseitigen, positiv zu bewerten. Dieser Mechanismus darf allerdings nicht zu Rechtsunsicherheit für Unternehmen führen.
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Kanada konnte eine zunächst befürchtete Schwächung der Streitschlichtung für handelspolitische Konflikte weitestgehend abwenden. Allerdings wurde die Investor-Staat-Streitschlichtung (ISDS) zwischen den USA und Mexiko auf wenige Branchen beschränkt sowie Vorschriften zur Ausschöpfung des nationalen Rechtsweges strikter geregelt. Zwischen USA und Kanada soll ISDS komplett entfallen. Damit wächst die Rechtsunsicherheit für ausländische Investoren.
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Für die Importbeschränkungen, die unter Abschnitt 232 des US-Handelsgesetzes von 1962 auf Stahl und Aluminium verhängt wurden (und entsprechende Gegenmaßnahmen von Mexiko und Kanada), gab es bedauerlicherweise keine Lösung.
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Des Weiteren finden sich Vereinbarungen zu Quotenregelungen für Kanada und Mexiko, falls die USA nach Abschnitt 232 Importzölle für Autos verhängen oder aber den Drittlandszoll erhöhen. Details, wie die Quoten verteilt würden, sind noch offen. Es steht jedoch zu befürchten, dass diese herstellerspezifisch aufgeteilt und Kriterien wie der regionale Wertschöpfungsanteil einbezogen werden.
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Zudem wird ein eigener Prozess für zukünftige 232-Zölle definiert: Bei neuen Maßnahmen werden Kanada und Mexiko für mindestens 60 Tage ausgenommen, um Konditionen für eine eventuelle permanente Ausnahme zu verhandeln. Kanada und Mexiko behalten sich vor, gegen illegitime 232-Maßnahmen vorzugehen und Retorsionen einzuführen. 4
U.S.-Mexico-Canada Agreement (USMCA)
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