Globaler Wachstumsausblick 02/2020

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Februar 2020 GLOBALER WACHSTUMSAUSBLICK

Ohne Schwung Mäßiges Wachstum in der Weltwirtschaft hält deutsche Konjunktur zurück

Wir erwarten ein schwaches Wachstum der Weltwirtschaft von erneut nur drei Prozent in diesem Jahr. Eine deutliche Erholung bleibt aus. Der Welthandel bleibt schwach, wir erwarten ein Plus von 1,5 Prozent (Vorjahr: ein Prozent). Hohe Risiken für den Außenhandel deutscher Unternehmen bleiben bestehen, zum Beispiel der unsichere Abschluss eines Handelsabkommens mit dem Vereinigten Königreich nach dem Brexit.

Steigende Unsicherheit ergibt sich wegen der Ausbreitung des CoronaVirus. Wir rechnen mit Auswirkungen auf das Wachstum in China.

Weltweit fehlt es an politischen Ideen, Wachstum durch strukturelle Reformen und finanzpolitische Impulse dauerhaft zu beleben. Europa fehlt die Kraft, die Führungsschwäche der USA und Chinas aufzufangen.

Von der Außenwirtschaft gehen keine positiven Wachstumseffekte auf die deutsche Wirtschaft aus. Die BIP-Zunahme wird auch dieses Jahr außenwirtschaftlich ausgebremst werden. Deutschland wird sich nur dank einer steigenden Binnennachfrage durch Bautätigkeit und privaten Verbrauch über Null-Wachstum halten.

Der BDI fordert einen anderen Schwerpunkt in der heimischen Finanzpolitik: mehr Wachstum. Unsere Forderung ist, öffentliche Investitionen zu stärken und die Rahmenbedingungen für private Investitionen zu verbessern. Dazu gehört auch: Unternehmenssteuern runter, Verwaltung digitalisieren, schneller genehmigen.


Ohne Schwung | Mäßiges Wachstum in der Weltwirtschaft hält deutsche Konjunktur zurück 07/02/2020

Inhaltsverzeichnis Wenig Belebung in Sicht ....................................................................................................................... 3 Weltweite Industrieproduktion tritt auf der Stelle ............................................................................ 8 Entwickelte Volkswirtschaften: US erneut Wachstumsmotor................................................................ 8 Industrieproduktion in den Schwellenländern ....................................................................................... 9 Welthandel ......................................................................................................................................... 10 Ausländische Direktinvestitionen ................................................................................................... 11 Geldpolitische Expansion schützt Weltwirtschaft vor Rezession ............................................... 11 Aus der Finanzpolitik kommen 2020 nur in wenigen Ländern Impulse ...................................... 13 Finanzmärkte und Wechselkurse .................................................................................................... 14 US-Konjunktur ................................................................................................................................... 16 BIP Wachstum ..................................................................................................................................... 16 Außenwirtschaftliche Entwicklung unter dem Stern des US-chinesischen Handelskonflikts ............. 18 Die Zölle zwischen den USA und China bleiben auf Rekordhöhe ...................................................... 19 US-Haushalt und Staatsfinanzen ........................................................................................................ 20 Europas Konjunktur schwächt sich weiter ab ............................................................................... 20 Schwaches Wachstum, noch steigende Jobs ..................................................................................... 21 Jüngste Indikatoren deuten keine grundlegende Erholung an ............................................................ 21 Industrielle Rezession in Deutschland prägt die europäische Landschaft stark ................................. 22 Abschwächung fast überall in Europa ................................................................................................. 23 China: Wachstum auch 2019 stetig gesunken – Risiken könnten 2020 steigen ........................ 26 Konjunkturindikatoren 2019 schwächer .............................................................................................. 26 Stabilität, Reformen und Wachstumsimpulse ..................................................................................... 28 Verschuldung ein Dauerproblem ......................................................................................................... 28 Strukturelle marktwirtschaftliche Reformen derzeit unwahrscheinlich ................................................ 29 Japan trotz Olympischer Spiele in Schwächephase ..................................................................... 29 Regionaler Ausblick .......................................................................................................................... 30 Konsequenzen für Deutschland .......................................................................................................... 31 Quellenverzeichnis ............................................................................................................................ 31

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Ohne Schwung | Mäßiges Wachstum in der Weltwirtschaft hält deutsche Konjunktur zurück 07/02/2020

Wenig Belebung in Sicht Die weltwirtschaftliche Entwicklung dürfte nach dem enttäuschenden Verlauf des Vorjahrs auch in diesem Jahr keine nennenswerte Belebung aufweisen. Wir hatten zwar vor einem Jahr erwartet, dass das Wachstum der Weltwirtschaft im Jahr 2019 nur bei 3¼ Prozent liegen und die USA nicht mit drei Prozent, wie von der Administration erwartet, sondern mit 2¼ Prozent wachsen würden. Tatsächlich kam es wohl noch schwächer für die Weltwirtschaft und wie erwartet für die USA. Mit der eingetretenen faktischen Stagnation des Welthandels seit Jahresanfang hatten wir jedoch nicht gerechnet, sondern mit einer Zunahme von gut drei Prozent. Die OECD rechnet für 2019 mit einer Zunahme der Handelsvolumina von gerade einmal 1,2 Prozent (OECD 2019). Der Baltic Dry Index für Frachtvolumina ist seit September geradezu abgestürzt und notiert erneut auf dem vorherigen Tiefststand vom März 2019; der RWI-Container-Index ebbte schon im November wieder ab. Die volle Eskalation des Handelskonflikts zwischen den USA und China sowie die Auswirkung der hohen Unsicherheit auf die weltweite Investitionstätigkeit konnte man in dem Ausmaß nicht vorausahnen, auch nicht die beherzte geldpolitische Kehrtwende, die IWF-Schätzungen zufolge einen halben Prozentpunkt an Wachstum für 2019 und 2020 retten konnte. Für dieses Jahr sieht es nicht viel besser aus. Die Stimmungsindikatoren für die OECD lassen zwar erkennen, dass die Verbraucher nach wie vor robust eingestellt sind, die Unternehmen und der Gesamtindex jedoch noch keine Erholung erkennen lässt.

Wirtschaftsklimaindikatoren*, OECD 102

101

100

99 2018 Geschäftsvertrauen (Industrie)

2019 Konsumentenvertrauen

Leading Indicator (Gesamtindikator)

*saisonbereinigt (Index=100) Quelle: Macrobond

Wir rechnen für dieses Jahr mit einem gleichbleibend schwachen weltwirtschaftlichen Wachstum von nur drei Prozent und einem allmählich zulegenden Welthandel. Dieser dürfte nur mit anderthalb Prozent zulegen; die harten Zahlen zeigen bislang jedoch noch keine Besserung an. Gleiches gilt für die Investitionstätigkeit in den Industrieländern, die 2020/21 nur mit gut 1¼ Prozent wachsen sollte (OECD 2019: 22). Auch die Industrieproduktion in den Industrieländern dürfte weiter vor sich hin dümpeln. Der Einkaufsmanagerindex für die Weltindustrie ist erst seit drei Monaten wieder im Plus, in der EU aber weiterhin bei 48,1 und damit im Kontraktionsfeld. Immerhin gelang es den großen Notenbanken, das Rezessionsrisiko durch beherztes Handeln unter Kontrolle zu bekommen, obwohl die Nervosität bis zum Spätsommer nicht zu verkennen war. Eine

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leichte konjunkturelle Belebung dürfte ab dem dritten Quartal 2020 einsetzen. Für 2021 sieht es dann weltweit konjunkturell etwas besser aus, vor allem in den Schwellenländern. Andererseits ist eine neue Eskalation an Handelskonflikten nach den Wahlen in den Vereinigten Staaten ein ernstzunehmendes Szenario und könnte sich erneut stark dämpfend auf den Welthandel und die weltweite Investitionstätigkeit im Jahresverlauf 2021 auswirken. In diesem trüben Umfeld sind zudem die Wachstumsaussichten für alle großen Volkswirtschaften schwächer als im Vorjahr. Die europäische Wirtschaft wird wohl nur mit einem Prozent wachsen, der Euroraum mit einem guten Dreiviertelprozentpunkt, Japan nur mit einem viertel Prozentpunkt. Die USWirtschaft wird wohl knapp unter zwei Prozent Wachstum, China vermutlich leicht unter sechs Prozent fallen (5,8 Prozent), je nachdem, wie rasch die Coronaepidemie unter Kontrolle gebracht werden kann. Für Deutschland als Seismograf der Weltwirtschaft bedeutet dies wenig Gutes; wir rechnen nur mit einem halben Prozent Wachstum.

Zentrale Prognosen: Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts 2020 gegenüber Vorjahr (in Prozent)

Weltwirtschaft

3,0

Eurogebiet

0,8

Welthandel

1,5

EU

0,9

USA

1,9

Deutschland

0,5

VR China

5,8

Japan

0,5

Quelle: BDI

Einige strukturelle Verschiebungen in der Weltwirtschaft wirken belastend fort. Der kontinuierliche Strukturwandel in China, der strukturelle Umbruch in Kombination mit einer fortwährenden konjunkturellen Schwäche in der globalen Automobilindustrie und nur sehr wenige und geringfügige wirtschaftspolitische Impulse in nahezu allen großen Volkswirtschaften werden auch das neue Jahr prägen. Keine große Volkswirtschaft weist ein nennenswertes Wachstumsprogramm im Jahr 2020 auf, und Frankreich bleibt wohl auch in diesem Jahr unter den großen Ländern allein in dem Ansinnen, ernsthafte Strukturreformen auf den Weg zu bringen. Eine breitenwirksame, multilaterale Öffnung für den Außenhandel, die Investitionstätigkeit oder die internationale wirtschaftliche Integration in anderen Feldern fehlt vollständig – und ohne Impulse sinkt das Wachstum vor allem in den Industrieländern weiter ab. Stattdessen belasten auch in diesem Jahr die Wirtschaftskonflikte zwischen den USA und China, eine zunehmende Sicherheitssteuer für grenzüberschreitendes Geschäft, die Unsicherheit des Brexits bzw. des Wirtschaftsverhältnisses von EU und Vereinigtem Königreich ab 2021 und die Konflikte im Nahen Osten mit potenziellen Wirkungen auf Ölpreise und Konjunktur weiterhin. Die jüngst erfolgten geld- und finanzpolitischen Impulse vermögen geradeso, die negativen Auswirkungen der Handelspolitik ein wenig abzufedern und Wachstum sowie Inflation leicht zu stabilisieren. Insbesondere die Notenbanken haben synchron 2019 einen kräftigen Impuls gesetzt, dessen positive Wirkung sie dieses Jahr erst einmal abwarten wollen. Mit größeren geldpolitischen Schritten ist von

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keiner der großen Notenbanken zu rechnen, obwohl insbesondere die EZB und die japanische Notenbank ihre Zielmarken derzeit heftig verfehlen.

Prognoseübersicht: Wachstum der realen Wirtschaftsleistung 2019/20/21 in Prozent 2019

2020

2021

IWF1

OECD2

EUKOM3

IWF1

OECD2

EUKOM3

IWF1

Welt

2,9

2,94

2,9

3,3

2,94

3,0

3,4

3,04

3,1

USA

2,3

2,3

2,3

2,0

2,0

1,8

1,7

2,0

1,6

China

6,1

6,2

6,1

6,0

5,7

5,8

5,8

5,5

5,6

Japan

1,0

1,0

0,9

0,7

0,6

0,4

0,5

0,7

0,6

EU

1,4

OECD2

1,4

EUKOM3

1,4

Euroraum

1,2

1,2

1,1

1,3

1,1

1,2

1,4

1,2

1,2

Deutschland

0,5

0,6

0,4

1,1

0,8

1,0

1,4

0,9

1,0

Frankreich

1,3

1,3

1,3

1,3

1,2

1,3

1,3

1,2

1,2

Italien

0,2

0,2

0,1

0,5

0,4

0,4

0,7

0,5

0,7

Spanien

2,0

2,0

1,9

1,6

1,6

1,5

1,6

1,6

1,4

V. Königreich

1,3

1,2

1,3

1,4

1,0

1,4

1,5

1,2

1,4

Indien

4,85

5,8

5,6

5,85

6,2

6,1

6,55

6,4

6,3

Brasilien

1,2

0,8

0,8

2,2

1,7

1,5

2,

1,8

1,8

Russland

1,1

0,9*

1,0

1,9

1,6*

1,4

2,0

-*

1,5

1: IWF (2020). Stand Januar. 2: OECD (2019). Stand November.*September. Daten für Deutschland ohne Arbeitstagbereinigung. 3: Europäische Kommission (2019). Stand November. 4: Prognose auf Grundlage von 70 Prozent des Welt-BIP (in Kaufkraftparitäten von 2013) 5: Angaben zu Indien für das Fiskaljahr und in laufenden Preisen

Insofern liegen die Prognosen der internationalen Wirtschaftsorganisationen für dieses und für nächstes Jahr auch eng beieinander. Zwar sieht der Internationale Währungsfonds bereits Anzeichen für eine Erholung (IWF 2020, 2019), vor allem in einigen Schwellenländern, OECD, Europäische Kommission und EZB haben für die Welt jedoch leicht schwächere Prognosen vorgelegt. Auch die EZB sieht im laufenden Jahr im Euroraum sogar einen Rückgang auf 1,1 Prozent Wachstum voraus, bevor für 2021 wieder ein Anziehen von Wachstum und Inflation plausibel erscheint (EZB 2019). Wir teilen diese Skepsis und betonen, dass die wirtschaftliche Unsicherheit, die u.a. von der Trump-Administration massiv erhöht wurde, keinesfalls eingegrenzt worden ist. Daran vermag auch die Phase-Eins-

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Einigung im Handelskonflikt mit China wenig zu ändern, da die effektiven Zollsätze beider Nationen für den bilateralen Handel bei etwa zwanzig Prozent verharren werden und die Zusagen China, die Einfuhren aus den USA stark zu steigern, kaum voll umgesetzt werden können. Die Schätzungen der OECD legen nahe, dass die Handelskonflikte kumuliert das weltwirtschaftliche Wachstum bis 2021/22 um 0,3-0,4 Prozentpunkte, die Investitionstätigkeit um gut zwei Prozentpunkte und den Welthandel um knapp anderthalb Prozentpunkte dämpfen werden (OECD 2019: 16-17). Der IWF rechnet sogar mit einer Dämpfung des Welthandels um 0,8 Prozentpunkte in diesem Jahr (IWF 2019).

Welthandel stagniert*

Exporte und Importe großer Volkswirtschaften**

128

160 150 140

126

130 120

124

110 100

122 2018 Welt (Exporte)

2019 Welt (Importe)

2018 Euroraum (Exporte) USA (Exporte) China (Export) Japan (Export)

2019 Euroraum (Importe) USA (Importe) China (Import) Japan (Import)

* Ex- und Importvolumina, Weltexporte und Weltimporte in Mengen und laufenden Preisen (USD) ** Ex- und Importvolumina, saisonbereinigte Werte Quelle: Macrobond

Sorgen bereitet uns vor allem die Entwicklung von Welthandel und Industrieproduktion. Der Welthandel hat im Jahresverlauf 2019 de facto stagniert. Der weltweite Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe ist immerhin jüngst wieder in die Expansionszone zurückgekehrt. Erst im zweiten Halbjahr dürfte der Halbleiterzyklus in Ostasien wieder anziehen. Die Industrieproduktion durchläuft eine ausgeprägte Schwächephase in den Industrieländern. Weltweit ist jedoch auch mit einer fortwährenden Schwäche des Automarkts zu rechnen, der nach Schätzungen des VDAs von zuletzt 80 Millionen Einheiten auf 79 Millionen Pkw sinken dürfte. Der zentrale chinesische Markt sank letztes Jahr um acht Prozent, eine Erholung zeichnet sich erst ganz allmählich ab. In Deutschland nahm die Industrieproduktion 2019 sogar um vier Prozent ab, die Produktion in der Automobilbranche sank um neun Prozent, in Stückzahlen gerechnet. Ein weiterer Rückgang der deutschen Industrieproduktion im Jahresverlauf ist nicht auszuschließen. Die deutschen Warenexporte erhöhten sich ebenfalls nur mäßig; bis November lag der Zuwachs nur bei 0,6 Prozent gegenüber Vorjahr. Hier ist bestenfalls mit einer leichten Erholung in diesem Jahr zu rechnen.

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Einkaufsmanagerindex* Welt 56

54

52

50

48 2017

2018

PMI Verarbeitendes Gewerbe

2019

PMI Dienstleistung

2020

PMI gesamt

*PMI Quelle: Market Quelle: Macrobond

Einkaufsmanagerindizes* 65

65

Deutschland

Euroraum

60

60

55 55 50 50 45 45

40 2017

2018 2019 PMI Verarbeitendes Gewerbe PMI Diensteistung PMI gesamt

2017

2020

2018

2019

2020

PMI Verarbeitendes Gewerbe PMI Diensteistung PMI gesamt

58

56

USA

China

56 54 54 52 52 50

50 48

48 2017

2018

2019

PMI Verarbeitendes Gewerbe PMI Diensteistung PMI gesamt

2020

2017

2018

2019

2020

PMI Verarbeitendes Gewerbe PMI Diensteistung PMI gesamt

*PMI Quelle: Market Quelle: Macrobond

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Weltweite Industrieproduktion tritt auf der Stelle Im Jahre 2019 ist die weltweite Industrieproduktion nur noch marginal gestiegen. Nach Daten des Netherlands Bureau for Economic Policy Analysis (CPB) verminderte sich das Produktionswachstum im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 1,5 Prozent im ersten Quartal 2019 auf 0,3 Prozent im dritten Quartal. Zum Jahresende dürfte die Quartalswachstumsrate erneut auf der Stelle treten, so dass für das Gesamtjahr nur noch mit einem Produktionsplus von einem halben Prozent zu rechnen ist. Dies wäre die niedrigste die Expansionsrate seit zehn Jahren. In den Schwellenländern ist die Industrieproduktion im ersten Quartal 2019 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zwar um 2,2 Prozent gestiegen. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich das Expansionstempo allerdings halbiert. Im weiteren Jahresverlauf nahm der Produktionsanstieg auf zuletzt nur noch ein Prozent im vierten Quartal ab. Im Jahresergebnis dürfte die Industrieproduktion noch um 1,5 Prozent gestiegen sein. In den entwickelten Volkswirtschaften wird das Mini-Wachstum aus der ersten Jahreshälfte den seit Juni 2019 zu beobachtenden Produktionsrückgang nicht mehr kompensieren können. In dieser Ländergruppe wird die Industrieproduktion erstmals seit zehn Jahren sinken. Der Einkaufsmanagerindex (PMI) für die weltweite Industrie signalisiert seit Mai 2019 eine sinkende Produktion. Zur Jahresmitte hat sich der Indikator etwas von seinem Tief erholt. Mit zuletzt 50,3 und 50,1 Indexpunkten sind wieder erste Anzeichen einer Expansion zu erkennen.

Welt: Industrieproduktion* Schwellenländer entwickelte Volkswirtschaften

5 4 3 2 1 0 -1 -2 2016

2017

2018

2019

*Produktionsindex: 2-Monatsdurchschnitt, kalender- und saisonbereinigt in Prozent zum Vorjahr Quellen: Macrobond, Netherlands Bureau for Economic Policy Analysis, eigene Berechnungen

Entwickelte Volkswirtschaften: USA erneut Wachstumsmotor Nach Euroraum und Japan zeigt auch die US-Industrie Schwächen Im Euroraum hat sich der seit Jahreswechsel 2018/19 anhaltende Produktionsrückgang in der Industrie mittlerweile das fünfte Quartal in Folge fortgesetzt. Nach minus 0,7 Prozent im ersten Quartal nahmen die Produktionseinbußen im Jahresverlauf weiter zu. Wir rechnen für das Jahr 2019 mit einem

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Minus von 1,5 Prozent. Das wäre der erste Rückgang seit sechs Jahren. In Japan ging die Industrieproduktion in den ersten drei Quartalen des Jahres jeweils um 1,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurück. Zum Jahresende geriet die Produktion so sehr ins Stocken, dass ein Jahresergebnis von minus zwei Prozent zu erwarten ist. Während die US-Industrie in der ersten Jahreshälfte noch die Rolle des Wachstumsmotors in den entwickelten Volkswirtschaften spielte, hat sie im Herbst an Schwungkraft verloren und dürfte zum Jahresende sogar Produktionseinbußen hinnehmen. Mit nur noch einem Prozent Wachstum wird das Vorjahresplus von knapp vier Prozent deutlich verfehlt. In den restlichen entwickelten Volkswirtschaften ist die Industrie mit einem Produktionsplus von 1,2 Prozent im ersten Quartal in das Jahr gestartet. Bis zur Jahresmitte stieg das Expansionstempo nochmals leicht an. In der zweiten Jahreshälfte stieg die Industrieproduktion mit knapp unter einem Prozent nicht mehr ganz so kräftig. Dennoch löste diese Ländergruppe die US-Industrie als Wachstumsmotor ab. Wir erwarten in den restlichen entwickelten Volkswirtschaften auf Jahresbasis einen Anstieg um etwas mehr als ein Prozent. Beim Einkaufsmanagerindex (PMI) für die Industrie in den entwickelten Volkswirtschaften scheint sich seit Mai 2019 eine Bodenbildung abzuzeichnen. Am aktuellen Rand war zwar ein leichter Anstieg zu beobachten. Werte von über 50 Indexpunkten, die eine Expansion anzeigen, wurden allerdings noch nicht erreicht.

Entwickelte Volkswirtschaften: Industrieproduktion* restliche entw. Volkswirtschaften Euroraum Japan USA

5 4 3 2 1 0 -1 -2 -3 2015

2016

2017

2018

2019

*Produktionsindex: 2-Monatsdurchschnitt, kalender- und saisonbereinigt in Prozent zum Vorjahr Quellen: Macrobond, Netherlands Bureau for Economic Policy Analysis (CPB)

Industrieproduktion in den Schwellenländern Tempoverluste in Asien; Lateinamerika im fünften Rezessionsjahr Die Industrieproduktion ist in China mit plus 6,3 Prozent im ersten Quartal 2019 kräftig gestiegen. In den darauffolgenden beiden Quartalen waren die Wachstumsraten mit 5,5 Prozent und fünf Prozent deutlich kleiner. Der Zollstreit mit den USA dürfte eine Ursache für die deutlich niedrigeren Expansionsraten gewesen sein. Am aktuellen Rand hat es zwar eine leichte Erholung gegeben. Wir erwarten aber für das gesamte Jahr 2019 nur einen Produktionsanstieg von 5,5 Prozent. In den restlichen asiatischen Schwellenländern trat die Industrieproduktion quasi auf der Stelle. Nur im zweiten Quartal

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2019 war eine leichte Produktionsausweitung zu beobachten. Das Jahresergebnis 2019 dürfte leicht negativ ausfallen. Die Belebung der Industrie in den Ländern Afrikas und des Mittleren Ostens war nur von kurzer Dauer. In den ersten beiden Quartalen des laufenden Jahres sank die Industrieproduktion um jeweils 1,8 Prozent. In der zweiten Jahreshälfte kam es zu einem deutlichen Produktionseinbruch von jeweils fünf Prozent. Nach fünf Jahren Wachstum erwarten wir für das Jahr 2019 einen Rückgang der Industrieproduktion um rund 3,5 Prozent. In den Ländern Zentral- und Osteuropas dürfte die Industrieproduktion mit 1,9 Prozent zwar nicht so kräftig zulegen wie in den beiden Jahren zuvor, dafür aber das vierte Jahr in Folge. Damit trugen nur die Industrien dieser Ländergruppe und Chinas zum Produktionswachstum der Schwellenländer bei. Der Einkaufsmanagerindex (PMI) für die Schwellenländer hat sich seit seinem Tiefpunkt im Juni 2019 um etwas mehr als einen Indexpunkt erholt und befindet sich seither im Expansionsbereich.

Afrika/Mittlerer Osten Lateinamerika Zentral- und Osteuropa Asien (ohne China) China

Schwellenländer: Industrieproduktion* 5,0 4,0 3,0 2,0 1,0 0,0 -1,0 -2,0 -3,0 2016

2017

2018

2019

*Produktionsindex: 2-Monatsdurchschnitt, kalender- und saisonbereinigt in Prozent zum Vorjahr Quellen: Macrobond, Netherlands Bureau for Economic Policy Analysis (CPB)

Welthandel Nach Einschätzung des IWF vom Januar 2020 hat der Welthandel im vergangenen Jahr nur schwach um ein Prozent gegenüber dem Vorjahr zugelegt. Im Jahr 2018 betrug die Wachstumsrate noch 3,7 Prozent. Im dritten Quartal 2019 hat das Volumen des Welthandels laut vorläufiger Angaben des Netherlands Bureau for Economic Policy um 0,6 Prozent gegenüber dem Vorquartal zugelegt. Die Zunahme im dritten Quartal war importseitig auf das Wachstum der Nachfrage in den Industrieländern (0,9 Prozent) zurückzuführen. Auf der Seite der weltweiten Exporte waren hingegen die Schwellenländer Treiber des globalen Wachstums (1,2 Prozent), die Exporte der Industrieländer sind gleich hoch geblieben. Der RWI/ISL-Containerumschlag-Index, mit dem die Entwicklung des Welthandels auf Grundlage der Auslastung der weltweit wichtigsten Containerhäfen prognostiziert wird, ist zuletzt im Dezember wie schon in den Monaten zuvor zurückgegangen (auf 134,1 Index-Punkte). Hier machen

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sich die Auswirkungen der weltweit zunehmenden Handelskonflikte bemerkbar. Im Januar hat der Internationale Währungsfonds seine Prognose für das Wachstum des Welthandels für das laufende Jahr um 0,3 Prozentpunkte reduziert, geht aber immerhin von einem Jahreswachstum in Höhe von 2,9 Prozent aus. Wir rechnen wie die OECD nur mit einem geringeren Wachstum in Höhe von anderthalb Prozent.

Ausländische Direktinvestitionen Die UNCTAD meldete im Januar für das Jahr 2019 einen erneuten Rückgang der globalen Investitionsströme (um minus ein Prozent auf 1,39 Billionen US-Dollar). Das war der vierte jährliche Rückgang in Folge. Die globalen FDI-Bewegungen bleiben damit unter dem Niveau vor der weltweiten Finanzkrise. Besonders betroffen von dem Einbruch waren auch 2019 wieder die Industrieländer, in die ganze sechs Prozent weniger investiert wurde. Der Trend zur globalen Verlagerung von Investitionen in Richtung der Schwellenländer setzt sich damit fort. Besonders stark betroffen war die EU, hier sind die Investitionszuflüsse um 15 Prozent zurückgegangen. Die Auslandsinvestitionen in die USA blieben hingegen weiterhin stabil. Bemerkenswert waren 2019 der Einbruch der Investitionsströme nach Hongkong um 48 Prozent im Zuge der dortigen Unruhen sowie die Zunahme der Investitionen in Brasilien um 26 Prozent im Zuge eines Privatisierungsprogramms. Im Dezember hat die UNCTAD in einem Bericht den Trend festgestellt und untersucht, dass Staaten ausländische Direktinvestitionen immer stärker kontrollieren und unterbinden. Seit 2011 wurden solche Maßnahmen von elf Ländern eingeführt, 41 Staaten haben ihre Instrumente nachgeschärft. Allein im Berichtszeitraum November 2018 bis Februar 2019 waren 34 Prozent der weltweiten investitionspolitischen Maßnahmen restriktiver Natur – das waren 50 Prozent mehr als noch im Berichtszeitraum zuvor (Mai bis Oktober 2018). Die Phase der anhaltenden Marktöffnungen für ausländische Investoren droht ein Ende zu finden, eine wohlstandsfeindliche Spirale des Investitionsprotektionismus hat sich in Gang gesetzt. Für das Jahr 2020 erwartet die UNCTAD dennoch eine marginale Steigerung der globalen FDI-Ströme.

Geldpolitische Expansion schützt Weltwirtschaft vor Rezession In diesem Umfeld abnehmender Wachstumsdynamik und sinkender Erwartungen haben sich die Arbeitsmärkte zwar weltweit weiter erholen können, die Preisdynamik hat jedoch deutlich gelitten. In Europa und Japan sind die Inflationsraten sehr niedrig, während in den USA in etwa die Zielmarke der Notenbank erreicht wird. Gleichwohl waren die Notenbanken im letzten Halbjahr 2019 damit beschäftigt, geldpolitische Versicherungen gegen eine Rezession zu kaufen. Die FED, die EZB und die chinesische Notenbank kalibrierten daher den Expansionsgrad deutlich hinauf, während die japanische Notenbank dank der finanzpolitischen Aktivität der Abe-Administration zunächst geradeaus fahren konnte. Die Federal Reserve hat sich 2019 mit Kräften gegen eine mögliche Eintrübung der US-Konjunktur und die vom Finanzmarkt signalisierten Rezessionsrisiken gestemmt. Und tatsächlich ist es der FED auch gelungen, den Leitzins unter die Rendite der zehnjährigen Staatsanleihen zurückzuführen und zu einer normalen, aber sehr flachen Zinsstrukturkurve zurückzukehren. So hat sie in mehreren Schritten den Leitzins von einer Spanne von 2¼-2½ Prozent zum Jahresende 2018 auf eine Spanne von 1½ - 1¾ Prozent gesenkt. Da die Inflationsrate und die Kerninflationsrate zuletzt leicht unter zwei Pro-

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zent lagen (1,5 bzw. 1,6 Prozent 2019) und in der Median-Sicht der Mitglieder des Offenmarktausschusses für 2020 je 1,9 Prozent erwartet werden, sieht die FED derzeit keinen weiteren geldpolitischen Handlungsbedarf. Wir rechnen damit, dass die konjunkturelle Entwicklung in den USA zwar eine weitere Abschwächung erfahren wird. Die FED dürfte die Abkühlung der Konjunktur mit Sorge sehen, da die Preistrends auch eher schwächer werden. Sie wird daher Gewehr bei Fuß stehen, um gegebenenfalls expansiv gegenzusteuern. Auch die Europäische Zentralbank setzte im September einen starken Akzent und erhöhte den geldpolitischen Stimulus, um der deutlichen Eintrübung des Inflations- und Wachstumsausblicks im Euroraum entgegenzuwirken. Nach anfänglich kontroverser Diskussion hat sich die Aufregung gelegt. Der Stimulus war angesichts des Datenkranzes angemessen. Die EZB hat mehrere Teilbeschlüsse gefasst. So wurde einerseits der Zinssatz für die Einlagenfazilität auf minus 0,5 Prozent herabgesetzt, andererseits aber wurden die Konditionen für die längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte günstiger für die Geschäftsbanken gestaltet und die Laufzeit von zwei auf drei Jahre verlängert. Eine gestaffelte Mindestreserveverzinsung wurde eingeführt. Dies entlastet vor allem Banken in Ländern mit Überschussliquidität wie Deutschland deutlich. Zudem wurden die Nettoankäufe von Wertpapieren ab dem 1. November in Höhe von 20 Milliarden Euro pro Monat wieder aufgenommen. Die Erträge aus dem Kaufprogramm sollen weiterhin vollständig reinvestiert werden. Die Beschlüsse haben zu einer leichten Belebung der Kreditvergabe an den Privatsektor um zuletzt 3,5 Prozent gegenüber Vorjahr (Oktober-Wert) beigetragen. Die Kredite an private Haushalte stiegen im November ebenfalls um 3,5 Prozent auf Vorjahresbasis, die an Unternehmen um 3,4 Prozent. Auf Unternehmen aus den Dienstleistungsbranchen entfiel der Löwenanteil (EZB 2019b). Trotz dieser Maßnahmen rechnet die EZB in diesem Jahr nur mit einer Inflationsrate von 1,1 Prozent, die dann in den Folgejahren auf 1,4 und 1,6 Prozent weiter ansteigen soll. Die Kernrate soll sich von einem Prozent (2019) auf je 1,3 Prozent in den Jahren 2020/21 erhöhen (EZB 2019a). Im laufenden Jahr sind keine größeren geldpolitischen Beschlüsse zu erwarten, kleinere Anpassungen im Lichte der vermutlich schwächer als erwarteten Konjunkturentwicklung sind aber durchaus möglich. Die neue EZB-Präsidentin hat eine strategische Überprüfung der Geldpolitik für dieses Jahr auf den Weg gebracht, jedoch bisher keine Signale ausgesendet, am eingeschlagenen geldpolitischen Kurs kurzfristig etwas ändern zu wollen. Da unserer Ansicht nach die Industrie weiterhin die gesamtwirtschaftliche Entwicklung trotz der Widerstandskraft der Bauwirtschaft und vor allem der Dienstleistungen in Mitleidenschaft zu ziehen droht, kann auch keinesfalls geldpolitische Entwarnung gegeben werden. Der Ausblick bleibt zunächst fragil, und nach EZB-Einschätzung wird man auch 2022 noch nicht auf einem befriedigenden Inflationsniveau angekommen sein. Low for longer bleibt daher auf absehbare Zeit die Devise für Kapitalmarktrenditen und Leitzinsen. Die japanische Notenbank fährt angesichts des geschwächten Wachstumsausblicks zunächst geradeaus und hat zuletzt auch ihren Spielraum für Kaufprogramme überhaupt nicht ausgeschöpft, sich stattdessen auf die Steuerung der zehnjährigen Renditen konzentriert. Die Kerninflationsrate dürfte unter einem Prozent verharren, was zwar unterhalb des Ziels, aber angesichts des schwächelnden Wachstumsausblicks akzeptabel zu sein scheint. Angesichts des kräftigen Konjunkturpakets scheint eine Seitwärtsbewegung in der Geldpolitik auch angemessen. Die chinesische Notenbank hat letztes Jahr mehrfach die Geldpolitik gelockert. Sie hat aber angesichts einer recht hohen Inflationsrate von 4,5 Prozent insbesondere in Folge der Schweinepest und den kräftigen Steigerungen bei den Nahrungsmittelpreisen keinen großen Spielraum für zusätzliche Maßnahmen. Zum Jahresanfang senkte

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die Notenbank erneut den Mindestreservesatz auf 12,5 Prozent, machte aber deutlich, dass das Zinsniveau derzeit als angemessen angesehen wird. Anfang Februar stellte die Notenbank noch weitere 1,2 Billionen Renminbi bereit, um die kontraktiven Effekte der Coronaepidemie aufzufangen. Die finanzpolitischen Maßnahmen des letzten Jahres scheinen die KP-Führung zunächst beim Wachstumsausblick rund um die sechs Prozent zufriedenzustellen.

Leitzinsen im internationalen Umfeld 3

2

1

0

-1

Europäische Zentralbank (Einlagefazilität)

Federal Reserve Bank

Bank of England

Bank of Japan

Quelle: Macrobond

Aus der Finanzpolitik kommen 2020 nur in wenigen Ländern Impulse Die Regierungen der G20 haben die jüngste, durch den US-chinesischen Konflikt beförderte Abkühlung der Weltwirtschaft vergleichsweise passiv hingenommen. Allein Japan hat mit einem kräftigen Maßnahmenpaket gegensteuert. Es ist schon in einem negativen Sinn bemerkenswert, wie man in den Hauptstädten Europas eine konstruktive Reaktion auf die absehbare Eintrübung geradezu verweigert hat. Sieht man von Frankreich einmal ab, verfolgt derzeit keines der großen Länder auch nur eine klar erkennbare Strukturreform, die Wachstum, Produktivität und wirtschaftliche Aktivität mittelfristig erheblich erhöhen dürfte. Im Aggregat dürfte die Finanzpolitik in den OECD-Ländern zwar leicht expansiver ausfallen, aber die Änderung wirkt zu schwach. Reformen sind zum Teil auch aufgrund der prekären Regierungskonstellationen in den großen Ländern schlicht politisch unmöglich. Die Finanzpolitik wird für die konjunkturelle Entwicklung in der Welt 2020 keine bedeutende Rolle spielen. In den USA ist die Finanzpolitik trotz Vollbeschäftigung und Wachstum leicht über Potenzial durch erhebliche Defizite in allen Kategorien geprägt (das vergleichbare Haushaltsdefizit liegt 2020 voraussichtlich bei 5,5 Prozent der Wirtschaftsleistung, das Primärdefizit bei 3,6 Prozent, konjunkturbereinigt liegt das Defizit bei 6,3 Prozent und das Primärdefizit bei 4,3 Prozent (IWF 2019b)). Die US-Finanzpolitik wird sich in den nächsten Jahren strukturell seitwärts bewegen und konjunkturell neutral wirken.

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Die Volksrepublik China verfolgte ab 2018 eine expansive Finanzpolitik und weitete das Defizit von 4,8 auf 6,3 Prozent in diesem Jahr aus, die Primärsalden änderten sich ähnlich; die konjunkturbereinigten Werte haben sich parallel entwickelt. Im Vergleich zum Vorjahr sind dieses Jahr kaum neue Impulse vorgesehen. Daher wird die chinesische Finanzpolitik weitgehend neutral wirken. Korea, Deutschland, Griechenland, die Niederlande und Schweden steuern dagegen einen expansiven Kurs. Japans Konjunkturpaket aus dem Dezember des letzten Jahres wird von Beobachtern dagegen als nur mild expansiv eingeschätzt, während die allgemeine Ausrichtung der Finanzpolitik von 2019-2021 kontraktiv ist. Echter finanzpolitischer Spielraum existiert vor allem in Deutschland und in einigen nordwesteuropäischen Staaten wie Schweden oder den Niederlanden (OECD 2019).

Finanzmärkte und Wechselkurse Die Finanzmärkte wiesen im zweiten Halbjahr Anzeichen von Entspannung auf. Weltweit erholten sich die Aktienindizes. Allein seit September zogen der US-Index S&P 500, der breite Europaindex Stoxx 600, der japanische Nikkei und der Leitindex von Hongkong, der Hang Seng, um etwas mehr als zehn Prozent an. Der NASDAQ Composite der Technologiewerte legte sogar um knapp 20 Prozent zu. Etwas schwächer schnitten die chinesischen Indizes ab (der breite Shanghai-Index für 380 Werte legte rund fünf Prozent zu); Anfang Februar sackten die Märkte Corona-bedingt wieder ab. Die türkischen und brasilianischen Märkte profitierten von der Erholung in beiden Ländern besonders. Gleichwohl reagierten die Aktienmärkte im August 2019 scharf auf die Verschärfung des Handelskonflikts zwischen den USA und China. Die Aktienmärkte sind mittlerweile wieder sehr hoch bewertet, was angesichts des trüben weltweiten Konjunkturausblicks eher überrascht; dies liegt u.a. an hohen Aktienrückkaufprogrammen in den USA Das zyklisch bereinigte Kurs-Gewinn-Verhältnis für den S&P 500 liegt mittlerweile mit einem Niveau von über 30 wieder sehr hoch, europäische Aktien notieren mit einem durchschnittlichen KGV von 19 und japanische von 15 mäßig über langfristigen Werten.

Kurs-Gewinn-Verhältnisse von Leitindizies 22

34

20

33

18

32

16

31

14

30

12

29

10

28 2018 STOXX 600-Index

2019

2020

Nikkei 225-Index Shiller-Index (S&P 500), zyklisch bereinigt (rechte Achse) Quelle: Macrobond

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Die Renditen auf Anleihen fielen bis zum September stark, erholten sich dann aber wieder um rund 50-70 Basispunkte bis Dezember und gaben seither wieder etwas nach. Gleichwohl gibt es noch viele Länder, in denen rund die Hälfte der Anleihe negativ rentieren, u.a. auch Deutschland. Etwa ein Fünftel des Weltmarkts ist davon betroffen. Mit der synchronisierten geldpolitischen Expansion ab Frühjahr 2019 sanken jedoch die Rezessionsängste. Zuletzt notierten US-Zehnjährige bei 1,7 Prozent, italienische bei 1,25, britische bei 0,5, französische und japanische knapp unter null und deutsche bei minus 0,3 Prozent. Seit dem Sommer letzten Jahres hat sich insbesondere „lo spread“, die Renditedifferenz italienischer zu deutschen Staatsanleihen, von über 300 Basispunkten auf gut 150 Punkte halbiert. Die Finanzmärkte werteten den Risikoausblick für Italien nach der Regierungsumbildung zu Conte II als sehr positive Nachricht. Angesichts der aktuellen Schwäche der Cinque Stelle ist jedoch offen, ob sich dieses Bild im laufenden Jahr nicht auch wieder eintrüben könnte. Auch andere europäische Staaten profitierten von einem deutlichen Abbau der Spreads. Anleiherenditen* (tägliche Werte) 5 4 3 2 1 0 -1 -2 Deutschland V. Königreich

Frankreich USA

Italien China (monatlich)

Spanien Japan

*Renditen zehnjähriger Staatsanleihen Quelle. Macrobond

An den Devisenmärkten ergaben sich nur bei engen Währungen heftige Bewegungen. Der Euro hatte zwischen Mai und September nominal handelsgewichtet gegenüber den größten 42 Handelspartnern um zwei Prozentpunkte zugelegt, gab dies jedoch bis zum Jahresanfang 2020 wieder ab. Dies hängt vor allem mit der Erholung einiger stark schwankender Schwellenländerwährungen ab, etwa der türkischen Lira. In realer Rechnung wertete der Euro zuletzt um drei Prozent ab. Der US-Dollar hatte seit Sommer ebenfalls zunächst um zwei Punkte nominal zugelegt, gab einen jedoch wieder bis zum Jahresanfang ab. Der chinesische Yuan hat sich nach einer harten Abwertung in der ersten Jahreshälfte 2019 dagegen im letzten Halbjahr nominal und effektiv stabilisiert. Der zentrale bilaterale Wechselkurs zum US-Dollar war im August erstmals unter sieben RMB pro Dollar gefallen, stabilisierte sich zum Jahresauftakt aber wieder und lag Ende Januar sogar wieder leicht unter 6,9. Der Corona-Effekt ließ den Kurs wieder unter sieben RMB pro Dollar fallen. Der japanische Yen gab dagegen real und nominal effektiv um rund drei Prozent seit September nach.

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Handelsgewichtete Wechselkurse* des US-Dollars und des Euros 130 120 110 100 90 80 2018

2019

Euro, nominal effektiver Wechselkurs, breiter Index Euro, real effektiver Wechselkurs, breiter Index *Index: 2015=100 Quelle: Macrobond

US-Dollar, nominal effektiver Wechselkurs, breiter Index US-Dollar, real effektiver Wechselkurs, breiter Index

Entwicklung der Wechselkurse zum US-Dollar 1,30 1,25

0,85

120

7,4

0,80

115

7,2

0,75

110

0,70

105

0,65

100

6,4

0,60

95

6,2

7,0

1,20

6,8

1,15

6,6

1,10 1,05 1,00

Euro (linke Achse) Pfund Sterling (rechte Achse)

Renminbi (rechte Achse) Yen (linke Achse)

Quelle: Macrobond

US-Konjunktur BIP Wachstum Nach einem Jahr mit starkem Wachstum 2018 verzeichnete die US-Wirtschaft auch 2019 einen soliden, wenn auch schwächeren Aufwärtstrend. Die positiven Impulse der Steuerreform unter Präsident Donald Trump haben sich abgenutzt. Die mit der aktuellen Wirtschafts- und Außenpolitik der USA verbundenen Unsicherheiten und die weltweit schwächelnde Konjunktur dämpfen zunehmend die Wachstumsaussichten.

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Nach Zahlen des Bureau of Economic Analysis (BEA) verzeichnete die US-Wirtschaft im ersten Quartal 2019 noch ein annualisiertes Wachstum von 3,1 Prozent. Danach wuchs die Wirtschaft nur noch um 2 Prozent im zweiten Quartal und 2,1 Prozent im dritten und vierten Quartal. Besonders der Rückgang von privaten Sachinvestitionen dämpfte das Wirtschaftswachstum. Rückläufig waren vor allem Investitionen in gewerbliche Bautätigkeit sowie in Maschinen und Anlagen. Dem standen höhere Investitionen in Software und Wohnungsbau gegenüber. Gestützt wird das Wirtschaftswachstum durch einen Anstieg der öffentlichen Ausgaben und durch eine deutliche Steigerung privater Konsumausgaben. Insgesamt dürfte das Wachstum der US-Wirtschaft im Jahr 2019 laut aktuellen Schätzungen des BEA mit 2,3 Prozent um mehr als einen halben Prozentpunkt geringer ausfallen als 2018, als es bei 2,9 Prozent gelegen hatte (BEA 2020a). Beitrag zum BIP-Wachstum nach Komponenten Quartalsweise im Vergleich zum Vorjahresquartal in Prozentpunkten Öffentliche Ausgaben

Nettoausfuhren 1. Quartal 2019 2. Quartal 2019 3. Quartal 2019 4. Quartal 2019

Lagerinvestitionen

Private Sachinvestitionen

Private Konsumausgaben

Gesamtwachstum -1,5

-1,0

-0,5

0,0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

3,0

3,5

Quelle: Bureau of Economic Analysis

Bemerkenswert waren im vierten Quartal zudem ein starker Rückgang der Warenimporte sowie ein merklicher Abbau nicht-landwirtschaftlicher Lagerbestände. Im Zuge des Handelskonfliktes zwischen den USA und China war es vermehrt zu Hamsterkäufen gekommen, um die für das vierte Quartal angekündigten Zollerhöhungen zu umgehen. Diese Lagerbestände werden nun abgebaut. Damit ist auch mit einem Wiederanstieg der Importe zu rechnen. Da die US-Sonderzölle gegenüber China trotz des Mitte Januar 2020 unterzeichneten sogenannten Phase-Eins-Abkommen größtenteils bestehen bleiben, werden die entsprechenden Preiseffekte nach Abbau der Lagerbestände voll auf die Wirtschaft durchschlagen. Auch für das Jahr 2020 ist von einer weiteren Abschwächung der Konjunktur auszugehen. Stimulierende wirtschaftspolitische Maßnahmen vor der Präsidentschaftswahl im November 2020 dürften für die Demokraten im Kongress nur von geringem Interesse sein, da eine stark wachsende US-Wirtschaft die Chancen des Präsidenten zur Wiederwahl erhöhen würden.

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Der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet in seinem World Economic Outlook von Januar 2020 mit einem Gesamtwachstum des US-BIP von 2,3 Prozent für 2019 und einer weiteren moderaten Abschwächung auf zwei Prozent für 2020 und 1,7 Prozent für 2021. Der IWF begründet dies mit der Erwartung nachlassender fiskalischer Impulse und kleinerer Spielräume für eine geldpolitische Lockerung. Als Risikofaktoren für das (weltweite) Wachstum werden geopolitische Spannungen mit dem Iran, Handelskonflikte und Zollerhöhungen, Finanzmarktkrisen und mit dem Klimawandel zusammenhängende Extremwetterereignisse genannt (IWF 2020). Wir rechnen mit 1,9 Prozent 2020. Außenwirtschaftliche Entwicklung unter dem Stern des US-chinesischen Handelskonflikts Obwohl die Vereinigten Staaten aufgrund ihres großen Binnenmarktes auch heute noch im relativ geringen Maße vom Außenhandel abhängen, stieg die Relation zwischen Handelsvolumen (Summe aus Exporten und Importen an Waren und Dienstleistungen) und BIP von 10,8 Prozent im Jahr 1970 auf 27,5 Prozent für das Jahr 2018. Der US-Außenhandel ist traditionell geprägt durch ein hohes Defizit im Warenhandel und einem Überschuss im Dienstleistungshandel. Im Zeitraum Januar bis November 2019 betrug das Handelsbilanzdefizit 563 Milliarden US-Dollar, nach 567 Milliarden US-Dollar im Vorjahreszeitraum. Das Defizit setzt sich aus einem Überschuss im Dienstleistungshandel von 228 Milliarden US-Dollar (Vorjahreszeitraum 240 Milliarden US-Dollar und einem Defizit von 791 Milliarden USDollar im Warenhandel zusammen (Vorjahreszeitraum 806 Milliarden US-Dollar) (BEA 2020b). Dahinter stecken ein Rückgang bei Warenexporten von 1538 auf 1521 Milliarden US-Dollar und ein Anstieg bei Dienstleistungsexporten von 758 auf 775 Milliarden US-Dollar. Auf der Einfuhrseite fielen die Warenimporte von 2344 auf 2312 Milliarden US-Dollar, die Dienstleistungsimporte stiegen von 518 auf 546 Milliarden US-Dollar (BEA 2020b). Alle Vergleiche basieren, jeweils saisonal bereinigt, auf den Daten von Januar bis November 2018. Bisher ist damit kein großer Effekt der von der Trump-Administration betriebenen Politik der Zolleskalation auf die US-Handelsbilanz abzulesen. Hierbei müssen jedoch ein Sonderfaktor und weitere Anpassungsprozesse bedacht werden: Die Anfang 2018 in Kraft getretene US-Steuerreform wirkt sich über fiskalische und wettbewerbliche Kanäle auch auf die US-Importe und Exporte aus und überlagert damit handelspolitische Maßnahmen. Außerdem führten die Zollankündigen der US-Regierung zu Hamsterkäufen unmittelbar bevor die Zölle in Kraft traten oder treten sollten. Letztlich finden Marktanpassungen in den Lieferketten zeitverzögert statt, weshalb etwa US-Unternehmen erst nach und nach die mit Zöllen belegten chinesischen Komponenten substituieren werden. Daher wird die Datenverfügbarkeit es erst im Laufe des Jahres 2020 erlauben, die nachhaltigen Auswirkungen der Zölle auf die Handelsströme zu beurteilen.

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US Handelsbilanz Waren und Dienstleistungen in Millionen US-Dollar

300.000 250.000 200.000 150.000 100.000 50.000 0 -50.000

Handelsbilanz

Exporte

2019

2018

2017

2016

2015

2014

2013

2012

2011

2010

2009

2008

2007

2006

2005

2004

2003

2002

2001

2000

-100.000

Importe

Quelle: Bureau of Economic Analysis

In einer Studie von Mitte Januar 2020 untersucht die Bundesbank die volkswirtschaftlichen Auswirkungen des US-Protektionismus gegenüber China. Laut ihren Berechnungen wird das reale US-BIP bei einer Beibehaltung der Zusatzzölle mittelfristig um 0,5 Prozent niedriger ausfallen als im Alternativszenario ohne Zusatzzölle. Zudem werden die Kosten der Zölle hauptsächlich von US-Unternehmen und Verbrauchern getragen. Chinesische Exporteure machen demnach keine großen Preiszugeständnisse. Für die These, Drittländer könnten durch Handelsumlenkung substanziell von der USChinesischen Zolleskalation profitieren, findet die Bundesbank keine empirische Evidenz. Die Weltwirtschaft, und damit auch Drittstaaten, sind vielmehr von der erhöhten Unsicherheit negativ betroffen. Diese wirkt sich insbesondere negativ auf die Investitionstätigkeit aus. Zudem warnt die Bundesbank, eine Eskalation des Handelskonfliktes zwischen den USA und der EU könnte weltweit noch deutlich schwerwiegendere ökonomische Schäden verursachen, als dies aktuell bereits der Fall ist (Bundesbank 2020). Die Zölle zwischen den USA und China bleiben auf Rekordhöhe Das Phase-Eins-Abkommen sorgt für Entspannung im Handelskonflikt zwischen den USA und China. Zugleich bleiben die Zölle auf Importe der jeweils anderen Seite auf einem hohen Niveau. Nach den im Phase-Eins-Abkommen vereinbarten Zollsenkung läge der durchschnittliche US-Zoll auf Importe aus China bei 19,3 Prozent. Vor der ersten Erhebung von Sonderzöllen im Juli 2018 hatte der entsprechende durchschnittliche US-Zollsatz noch bei 3,1 Prozent gelegen. Der durchschnittliche chinesische Zoll auf Importe aus den USA läge bei 20,9 Prozent, Anfang 2018 hatte er noch bei acht Prozent gelegen (Peterson Institute for International Economics 2020).

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Unternehmen werden sich darauf einstellen müssen, dass ein hohes Zollniveau zukünftig den neuen ‚Normalzustand‘ darstellt und Anpassungen in den Lieferketten vornehmen. In vielen Fällen werden US-Unternehmen in den von erhöhten Zöllen betroffenen Produktkategorien nach und nach chinesische durch nicht-chinesische Produkte und Komponenten ersetzen. Andersherum ist die Sachlage unklar, da sich China im Abkommen zu massiven Käufen von US-Produkten verpflichtet hat. Halten sich beide Seiten an das Abkommen, ist davon auszugehen, dass China mehr aus den USA importieren wird, wohingegen die USA weniger aus China importieren werden. In welchem Umfang dies geschehen wird, bleibt allerdings abzuwarten. US-Haushalt und Staatsfinanzen Seit den 1990er Jahren liegen die Staatseinnahmen und -ausgaben relativ konstant bei etwa 20 Prozent des BIP, wobei die Ausgaben die Einnahmen im Regelfall übersteigen. Laut Zahlen des US-Finanzministeriums betrug das Haushaltsdefizit im Fiskaljahr 2019 rund 984 Milliarden US-Dollar, was 4,6 Prozent des BIP entspricht (U.S. Department of the Treasury 2019). 2018 hatte das Defizit 779 Milliarden US-Dollar oder 3,9 Prozent des BIP betragen (CRB 2018). Das zum Weißen Haus gehörende Haushaltsbüro, das Office of Management and Budget, rechnet für die kommenden Jahre mit einem sinkenden Haushaltsdefizit: während die Schätzung für das Fiskaljahr 2020 noch bei minus 4,9 Prozent liegt, beträgt die Prognose für 2021 minus 4,5 Prozent (OMB 2019a). Hintergrund des im Vergleich zum Vorjahr um 16 Prozent gestiegenen Defizits des Fiskaljahres 2019 – dem höchsten Wert seit der Rezession im Fiskaljahr 2012 – sind vor allem die mit dem Bipartisan Budget Act of 2018 und dem Consolidated Appropriation Act 2018 verbundenen Mehrausgaben. In Verbindung mit der Steuerreform 2017 haben steigende Staatsausgaben und niedrigere Steuereinnahmen die Wirtschaft zwar angekurbelt, gleichzeitig führte dies aber auch dazu, dass das Haushaltsdefizit und die Staatsverschuldung langfristig gewachsen sind. Zudem wird erwartet, dass der Bipartisan Budget Act of 2019, der die Budgetgrenze für diskretionäre Ausgaben anhebt, das Defizit für das Fiskaljahr 2020 weiter erhöht. Dann könnte das Defizit zum ersten Mal seit dem Fiskaljahr 2012 eine Billion US-Dollar übersteigen (Committee for a Responsible Federal Budget 2019). Nach Angaben des Office of Management and Budget (OMB) liegen die Staatsschulden (gross federal debt) für das Haushaltsjahr 2019 bei 22,7 Billionen US-Dollar. Die (Brutto-)Staatsschuldenquote entspricht 107 Prozent des BIP und liegt somit leicht über dem Vorjahreswert von 106,1 Prozent. Die um von öffentlichen US-Institutionen gehaltene Schuldtitel bereinigte Netto-Staatsschuldenquote (debt held by the public) steht bei 79,3 Prozent des BIP (OMB 2019b).

Europas Konjunktur schwächt sich weiter ab Die wirtschaftliche Entwicklung in der EU und im Euroraum wird in diesem Jahr noch etwas schwächer ausfallen als im Vorjahr, das mit 1,2 Prozent abgeschlossen hat. Wir rechnen mit einem Wachstum von nur 0,9 Prozent (ohne Kalenderbereinigung) für die EU und 0,8 Prozent für den Euroraum bei einem positiven Kalendereffekt von 0,2 Prozentpunkten in diesem Jahr. Die Europäische Kommission ist etwas positiver gestimmt und rechnet mit 1,2 Prozent Wachstum (Europäische Kommission 2019) und die EZB mit 1,1 Prozent, was v.a. an der besseren Einschätzung Deutschlands liegt; ähnliches gilt für IWF, OECD.

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Schwaches Wachstum, noch steigende Jobs Im vierten Quartal 2019 ist der Euroraum gerade noch 0,1 Prozent gewachsen, nach 0,3 Prozent im dritten und 0,2 Prozent im zweiten Quartal. Die Konjunktur im Euroraum ist zweigeteilt. Die Bauwirtschaft und die Dienstleistungen expandieren schwach, während das Verarbeitende Gewerbe weiter in der Rezession steckt. Der Arbeitsmarkt entwickelt sich noch immer leicht positiv, mit steigender Beschäftigung und abnehmender Arbeitslosigkeit, aber die Dynamik weicht zusehends. Die Preisentwicklung dürfte mit Raten von unter 1,5 Prozent 2019-2021 sehr niedrig ausfallen und deutlich von der Zielmarke der EZB entfernt sein. Der private Verbrauch dürfte zwar auch dieses Jahr wieder mit etwa einem Prozent zulegen. Auch der öffentliche Verbrauch sollte mit einer Rate von etwa anderthalb Prozent gegenüber Vorjahr anziehen. Dafür wird die Investitionstätigkeit durch die zunächst noch anhaltende Industrierezession, die abnehmende Kapazitätsauslastung, die schwache interne und ausländische Nachfrage und niedrigere Unternehmensgewinne gedämpft werden. Die Wachstumsdynamik der Bruttoanlageinvestitionen im Euroraum, bereinigt um Irland, sank vom ersten Quartal 2019 von vier über drei auf unter ein Prozent im dritten Quartal 2019, jeweils gegenüber Vorjahr, ab. Die Kommission rechnet mit einem Zuwachs in diesem und im nächsten Jahr in Höhe von etwa zwei Prozent gegenüber Vorjahr, dies erfordert bereits eine Trendumkehr zum Besseren. Gut die Hälfte entfällt auf eine recht stetig wachsende Bauinvestitionstätigkeit, während die Ausrüstungs- und sonstigen Investitionen schwächer als in den letzten zehn Jahren zulegen werden. Auch die Kreditvergabe an die nicht-finanziellen Unternehmen verlor trotz expansiver geldpolitischer Impulse an Schwung. Es ist zudem erneut mit einem negativen Außenbeitrag zu rechnen, da die Belebung der Exporttätigkeit nur sehr moderat ausfallen dürfte, während die Einfuhren etwas stärker zulegen werden. Zudem werden die internationalen Handelskonflikte, die schwache Industriegüternachfrage und die spezifischen Probleme der Automobilbranche insbesondere Deutschland, Tschechien, die Slowakei und Ungarn stark und Spanien, Italien und Frankreich leicht belasten, da hier der Anteil der inländischen Bruttowertschöpfung an den Exporten, insbesondere im Automobilsektor, sehr hoch ist (Europäische Kommission 2019: 13). Jüngste Indikatoren deuten keine grundlegende Erholung an In den Exporten des Euroraums ist bisher noch keine Rückkehr zum Wachstum zu erkennen, auch die Auftragseingänge für die Industrie blieben auf schwachem Niveau, wenn auch die Auslandsorders jüngst anzogen, dafür aber die Bestellungen aus dem Euroraum nachgaben. Die Einkaufsmanagerindizes für den Euroraum spiegeln die gespaltene Konjunktur. Während sich der Wert für die Dienstleistungen bei etwa 52 noch im Expansionsfeld befindet und sich die Bauwirtschaft nach einer Sommerdelle wieder auf Expansion begab, dümpelt der Index für das Verarbeitende Gewerbe bei gut 47,9 vor sich hin. Der Gesamtwert lag stets über 50, aber derzeit nur sehr knapp. Die Umfragewerte für den Index des Wirtschaftsvertrauens und des Verbrauchervertrauens für die EU und für den Euroraum zeigen zwar Stabilität bei den Verbrauchererwartungen, aber weiterhin Schwäche bei der Industrie und moderate Zuversicht bei den Dienstleistungen an.

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Industrielle Rezession in Deutschland prägt die europäische Landschaft stark Bereits jetzt hat die Industrie in Deutschland eine außergewöhnliche lange Dursttrecke durchlitten. Nur zwei andere Rezessionen in den letzten 25 Jahren dauerten überhaupt fünf Quartale an, nämlich die Rezession von 1995 und die von 2008. In den Jahren 1998 und 2001 (Dotcom-Blase) dauerte es jeweils ein Jahr und 2004 und 2011 nur jeweils ein halbes Jahr, bevor sich die Bruttowertschöpfung wieder ins Positive drehte. Je länger die Schwächephase anhält, desto eher werden auch die eng verbundenen osteuropäischen Mitgliedstaaten, Italien (in der Automobil- und Maschinenbaubranche) und andere Staaten in Mitleidenschaft gezogen werden. Für Entwarnung ist es jedoch noch zu früh, zumal zu einigen zyklischen Aspekten dieses Mal strukturelle Probleme im Welthandel und in der Automobilbranche hinzukommen.

Einkaufsmanagerindex* Euroraum 62 60 58 56 54 52 50 48 46 44 2017

2018

PMI Verarbeitendes Gewerbe

2019

PMI Dienstleistung

PMI Bau

2020 PMI gesamt

*PMI Quelle: Market Quelle: Macrobond

Wirtschafts- und Verbrauchervertrauen EU und Euroraum, saisonbereinigt 20

EU

15

120 115

10

110

20

Euroraum

15

120 115

10

110

5

5

105

105 0

0 100

-5 -10 -15 2018 2019 2020 Verbraucher Dienstleistungen Industrie Vertrauensindiktor der EU* (rechte Achse) *Services Confidence Indicator

100

-5

95

-10

90

-15

95 90 2018

2019

2020

Verbraucher Dienstleistungen Industrie Vertrauensindiktor der EU* (rechte Achse)

Quelle: Macrobond

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Euroraum: Auftragseingänge* im Verarbeitenden Gewerbe 116 114 112 110 108 106 104 102 2017

2018

2019

*Index, kalenderbereinigt Quelle: Macrobond

Euroraum: Entwicklung des realen BIP in Prozent 3

2,6 2,3

2,2 2

2,0

2,0

1,8

1,7 1,1 (Prognose)

1 0,3 0 -0,4 -1 I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV 2010

2011

2012

2013

Veränderung ggü. Vorjahresquartal

2014

2015

2016

2017

Veränderung ggü. Vorquartal

2018

2019

Veränderung ggü. Vorjahr

Quelle: Macrobond

Abschwächung fast überall in Europa In den allermeisten Ländern Europas wird sich die wirtschaftliche Aktivität dieses Jahr leicht abschwächen. Mit Zuwächsen von wenigsten einem Viertel Prozentpunkt mehr an Wachstum können wohl nur Griechenland und Italien rechnen. Alle anderen verlieren an Dynamik. Unter den großen Volkswirtschaften wird auch dieses Jahr die spanische Wirtschaft noch am stärksten zulegen. Das Jahr 2019 dürfte mit 1,9 Prozent abgeschlossen haben. Die internationalen Organisationen rechnen für das laufende Jahr mit einem Wachstum von 1,4-1,6 Prozent. Das Wachstumstempo des privaten Verbrauchs

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dürfte sich zwar abkühlen, aber die Investitionen und die Exporttätigkeit werden mit gut 2½ Prozent zulegen (Europäische Kommission 2019). Die Lage auf dem Arbeitsmarkt wird sich weiter erholen, mit über 13 Prozent bleibt die Arbeitslosenquote aber noch immer hinter Griechenland mit 15 Prozent viel zu hoch. Finanzpolitisch geht es seitwärts, die öffentlichen Defizite liegen konjunkturbereinigt und strukturell weiterhin etwas über drei Prozent, das Staatsdefizit nach Maastricht jedoch nur bei etwas mehr als zwei Prozent. Es bleibt abzuwarten, ob die jüngst gebildete Minderheitsregierung wirtschaftspolitische Akzente setzen wird. Im Fokus steht u.a. die Erhöhung des Mindestlohns. Die französische Wirtschaft wuchs in den ersten drei Quartalen mit Raten von 0,3-0,4 Prozent, schrumpfte aber im vierten Quartal streikbedingt um einen Zehntelpunkt. In diesem Jahr sollte Frankreich das Tempo von einem Prozent in etwa halten können und mit 1,2 Prozent wachsen. Der private Verbrauch wird wohl mit 1,4 Prozent zulegen, der Staatsverbrauch nur mit einem Prozent. Die Investitionen dürften um knapp zwei Prozent zulegen. Vom Außenbeitrag werden eher leichte Bremseffekte ausgehen. Die Industrie ist seit dem Frühjahr 2019 in der Rezession, Bau und Dienste halten sich dagegen solide. Die Konsolidierung im Staatshaushalt sollte nach den Sondermaßnahmen im letzten Jahr, die das Defizit leicht über drei Prozent erhöht haben dürften, voranschreiten und das Defizit auf knapp über zwei Prozent hinabschleusen. Die zyklisch bereinigten und strukturellen Werte liegen etwa einen halben Punkt höher. Über die nächsten Jahre dürften sich die Vielzahl der strukturellen Reformen auf dem Arbeitsmarkt, im Steuer- und im Rentensystem Schritt für Schritt positiv auf Wachstum und Beschäftigung auswirken. Die angestrebte finanzpolitische Kurskorrektur mit einer Überprüfung der Staatsaufgaben ist vordringlich und muss einen Beitrag zum allmählichen Abbau der zu hohen Schuldenstandquote leisten. Italien dürfte nach der Stagnation im letzten Jahr (plus 0,2 Prozent 2019, minus 0,3 Prozent im vierten Quartal gegenüber Vorquartal) 2020 wirtschaftlich leicht zulegen. Dies hängt hauptsächlich von der Einigung über die Haushaltspolitik mit der EU ab. Würde das Defizit zwischen Soll und Plan vollständig kreditfinanziert, dürfte das Wachstum einen halben Prozentpunkt erreichen, bei vollständiger Konsolidierung bliebe Italien in der Stagnation (Confindustria 2019). Man darf sicher mit einem Kompromiss in der Mitte rechnen, der einen guten Viertelpunkt Wachstum ermöglichen sollte. Die Kommission ist etwas optimistischer und sieht Spielraum für 0,4 Prozent Wachstum, ebenso wie die OECD. Eine leichte Zunahme des privaten Verbrauchs (plus ½ Prozent), ein kleines Plus beim Staatsverbrauch und ein Wachstum der Investitionen um 1½ Prozent sind zu erwarten. Trotz einer weiter robusten Exportperformance ist keine Wachstumsbeitrag vom Außenbeitrag zu erwarten. Politische Instabilität im Jahresverlauf ist ein nennenswertes Risiko. Die Conte-I-Regierung hatte das Defizit auf 2,2 Prozent des BIP zurückführen können. Die Conte-II-Regierung von Cinque Stelle und PD wird eine Reihe von Beschlüssen fassen und umsetzen, deren Gesamteffekt derzeit noch nicht gut absehbar ist. Die Rückkehr zu Investitionsanreizen für Industrie 4.0, eine Reihe von Erhöhungen von Sozialleistungen, strengere Steuervorschriften und eine stärkere Umweltbesteuerung stehen an. Die mit der EU vereinbarte Notfalllösung einer Erhöhung der Mehrwertsteuer zur Gestaltung eines regelkonformen Haushalts ist zwar nicht sehr wahrscheinlich, aber die italienische Regierung wird im laufenden Jahr einen Konsolidierungsschritt von bis zu zehn Milliarden Euro auf den Weg bringen müssen; das genaue Ausmaß hängt vom Konjunkturverlauf und den Zinskosten für die Staatsschulden ab. Immerhin liegen die Anleiherenditen seit Juli 2019 beständig unter 1,5 Prozent und dürften zu Einsparungen beim Schuldendienst führen. Ansonsten würde das strukturelle Defizit von derzeit 2,2 Prozent bis nächstes Jahr auf drei Prozent anwachsen, und das Staatsdefizit auf etwa 2,8 Prozent.

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Im Euroraum werden Irland und Malta in diesem Jahr mit mehr als drei Prozent wachsen, die baltischen Staaten, Griechenland, Luxemburg, die Slowakei, Slowenien und Zypern sollten mit mehr als zwei Prozent zulegen, Portugal mit 1,7 Prozent und alle anderen Eurostaaten (Belgien, Finnland, die Niederlande und Österreich) zwischen ein und anderthalb Prozent, mit Ausnahme Deutschlands. In der restlichen EU dürften Bulgarien, Polen und Rumänien ebenfalls über drei Prozent zulegen, Kroatien, Ungarn und Tschechien mit mehr als zwei Prozent, und Dänemark mit 1½ Prozent. Schweden und das Vereinigte Königreich dürften nur unterhalb dieser Marke zulegen.

Wachstumsprognosen Europa

2019

2020

2021

Belgien

1,1

1,0

1,0

Deutschland

0,4

1,0

1,0

Estland

3,2

2,1

2,4

Irland

5,6

3,5

3,2

Griechenland

1,8

2,3

2,0

Spanien

1,9

1,5

1,4

Frankreich

1,3

1,3

1,2

Italien

0,1

0,4

0,7

Zypern

2,9

2,6

2,3

Lettland

2,5

2,6

2,7

Litauen

3,8

2,4

2,4

Luxemburg

2,6

2,6

2,6

Malta

5,0

4,2

3,8

Niederlande

1,7

1,3

1,3

Österreich

1,5

1,4

1,4

Portugal

2,0

1,7

1,7

Slowenien

2,6

2,7

2,7

Slowakei

2,7

2,6

2,7

Finnland

1,4

1,1

1,0

Euroraum

1,1

1,2

1,2

Quelle: Europäische Kommission

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China: Wachstum auch 2019 stetig gesunken – Risiken könnten 2020 steigen Im Jahr 2019 ist Chinas Bruttoinlandsprodukt weiterhin relativ stark um 6,1 Prozent auf umgerechnet 14,2 Billionen US-Dollar (USD) angewachsen. Im dritten und vierten Quartal lag der Zuwachs gegenüber dem Vorjahreszeitraum jedoch nur noch bei 6,0 Prozent. Die wirtschaftliche Dynamik schwächt sich somit kontinuierlich ab. In absoluten Werten sind die Zuwächse im Vergleich zu anderen Wirtschaftsräumen weiterhin immens. Für 2019 hatten Pekings Wirtschaftsplaner den Wachstumskorridor mit einem Ziel zwischen sechs und 6,5 Prozent bereits herabgesetzt und für 2020 ist ebenfalls ein Wert um die sechs Prozent angestrebt. Zwei Drittel der Provinzen haben jedoch ihre Wachstumsziele für 2020 bereits nach unten korrigieren müssen. Die Primärindustrie wuchs im Gesamtjahr 2019 um etwas über drei Prozent, der industrielle Sektor um 5,7 Prozent und der Dienstleistungssektor um 6,9 Prozent. Neben dem Wachstum sorgt sich Peking immer mehr um strukturelle Veränderungen am Arbeitsmarkt, die Verschuldung der Kommunen und Unternehmen sowie die Liquidität an den Finanzmärkten. Monetäre und fiskalische Maßnahmen zur Stabilisierung werden zwar ergriffen, doch die Spielräume werden kleiner. Große Stimuli, wie wir sie im Zuge der Finanzkrise 2008/09, oder abrupte Interventionen, wie bei den Währungs- und Kapitalturbulenzen 2015/16, blieben 2019 weitestgehend aus. Meist bedient man sich einer Kombination verschiedener Stellschrauben, wie z.B. der Anpassung des Mindestreservesatzes (RRR) der Zentralbank und Steuererleichterungen, um den Binnenkonsum anzukurbeln. Für 2020 wird aufgrund der globalen Konjunkturlage, Handelsstreitigkeiten und Unsicherheiten am Binnenmarkt mit einer weiteren Abkühlung der Wirtschaft gerechnet. Regierung und Notenbank werden also weitere Maßnahmen vorbereiten müssen, um das Wachstum und die Wirtschaft auch in unsicheren Zeiten auf Kurs zu halten. Bereits Ende Januar 2020 teilte die Chinesische Zentralbank (PBoC) mit, der Volkswirtschaft über Rückkaufvereinbarungen umgerechnet 173,8 Milliarden US-Dollar an frischer Liquidität zukommen zu lassen. Zudem beschloss China m 5. Februar, im Rahmen des Phase Eins-Abkommens ab Mitte Februar 2020 Zölle auf US-Importe im Wert von 75 Milliarden USDollar zu halbieren. Wir rechnen für 2020 mit einem Wachstum in Höhe von 5,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Nachdem sich China mit den USA zu einem Phase-Eins-Abkommen durchringen konnte, hatte man Hoffnung, dass sich das Wachstum etwas nach oben korrigiert. Mit Einsetzen des Coronavirus Ende 2019 muss man jedoch mit einer zusätzlichen Abwärtsdynamik für 2020 rechnen. Die Regierung wird wohl mit deutlich höher dotierten Gegenmaßnahmen zur Stimulierung der inländischen Nachfrage gegenhalten müssen, um das selbst erklärte Ziel, das Bruttoinlandsprodukt innerhalb von zehn Jahren zu verdoppeln, bis 2021 noch zu erreichen. Konjunkturindikatoren 2019 schwächer Derzeit gibt es mehrere Faktoren, die eine Bremswirkung auf die Wirtschaft ausüben. Dazu zählen vor allem die anhaltenden Spannungen mit den USA. Trotz des Phase-Eins-Abkommen bleiben weiterhin Zölle im Umfang von etwa 70-80 Milliarden US-Dollar in Kraft. Damit gehen sicherlich weitere Lieferkettenverschiebungen einher. Viele Unternehmen setzen mittlerweile auf eine China+1 Strategie, um ihre Risikoexposition gegenüber China zu reduzieren. Der Chinesische Renminbi (CNY) hat sich gegen Ende des Jahres 2019 im Vergleich zum USD wieder etwas stabilisiert. Jedoch gesellen sich vor allem zyklische und strukturelle Komponenten am Binnenmarkt dazu, die bereits seit längerem unter dem Begriff des „New Normal“ angekündigt wurden.

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Die Industrieproduktion – gemessen an Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 20 Millionen CNY – wuchs 2019 zwar langsamer, aber immer noch stabil um sechs Prozent, darunter vor allem der High-Tech Bereich, der unter der „Made in China 2025“-Initiative besonders gefördert wird, mit 8,8 Prozent. Die Dienstleistungen zeigten sich mit einem Wachstum von 6,9 Prozent immer noch sehr stark, vor allem in Feldern, wie z.B. Informationsübertragung (18,7 Prozent) und Software bzw. IT-Services (8,7 Prozent). Der derzeitige Ausbau der 5G-Infrastruktur dürfte 2020 für entsprechende Wachstumsraten sorgen. Der Einzelhandel zeigte sich mit einem Jahresumsatz von Konsumgütern im Wert von ca. 41,2 Billionen CNY noch relativ robust und wuchs um acht Prozent. Die Zuwächse im Online-Handel haben mit 16,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr etwas nachgelassen. Insgesamt wurden im Internet Waren und Dienstleistungen im Wert von ca. 10,7 Billionen CNY umgesetzt. Der Trend steht auch weiter im Einklang mit Chinas Ziel einer stärkeren Binnennachfrage. Einzelne Branchen mussten jedoch empfindliche Einbußen hinnehmen. Nachdem es im Automobilsektor, der mehr als zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmacht, Ende 2018 zu einem starken Umsatzeinbruch kam, sind 2019 die Absatzzahlen für Personenfahrzeuge um 8,2 Prozent zurückgegangen und lagen bei ca. 25,8 Millionen Fahrzeugen. Auch 2020 wird für die Autobauer ein schwieriges Jahr, da die Zentralregierung die Subventionen weiter kürzt und strengere Emissionsziele durchsetzen möchte. Bis zum Jahr 2025 soll mindestens ein Fünftel der verkauften Autos elektrisch oder hybrid sein, was für die Hersteller zu zusätzlichen Kostenbelastungen bei der Umstellung ihrer Produktion führt. Die Investitionen in Sachanlagen stiegen 2019 um 5,4 Prozent und erreichten einen Gesamtwert von 55,2 Billionen CNY. Der Anteil der privaten Investitionen hat mit einem Zuwachs von nur noch 4,7 Prozent an Dynamik verloren. Die Investitionen im Bereich der Hochtechnologie-Fertigungsindustrie waren mit 17,7 Prozent noch relativ hoch. Ebenso waren Investitionen am Immobilienmarkt mit einem Wachstum von 9,9 Prozent weiterhin stark. Die Jahre zuvor hatte die Regierung mit Beschränkungen immer wieder einer Überhitzung des Immobilienmarktes entgegengesteuert. Der Außenhandel ist 2019 um magere 3,4 Prozent gestiegen und hat einen Wert von ca. 31,6 Billionen CNY erreicht. Die Exporte legten zwar noch um 5,0 Prozent zu, die Importe dafür nur noch um 1,6 Prozent. Der Handelsbilanzüberschuss liegt derzeit bei 2,9 Billionen CNY. Beim Export hatten elektronische und mechanische Produkte mit 58,4 Prozent den größten Anteil. Die EU, die ASEANLänder sowie die USA sind weiterhin die wichtigsten Handelspartner. Aufgrund des Handelskrieges sind die Importe aus den USA zwar noch leicht um 0,5 Prozent gestiegen, die Exporte sind jedoch um 2,8 Prozent zurückgegangen. Die Im- und Exporte mit Ländern der Belt-and-Road-Initiative (BRI) konnten überproportional um 10,8 Prozent wachsen. Der Phase-Eins-Abkommen betont sehr stark US-Exporte nach China. So dürfte sich das Handelsdefizit verringern und zur Entspannung der Beziehung beitragen. Negative Ausweicheffekte zu Ungunsten der EU-Länder sind jedoch nicht ausgeschlossen. Hier könnten die Spannungen 2020 steigen, sollte wider Erwarten kein bilaterales Investitionsabkomme zwischen der EU und China zustande kommen. Die Verbraucherpreise (CPI) sind 2019 um 2,9 Prozent gestiegen. Durch die afrikanische Schweinepest sind die Preise für Schweinefleisch mit 42,5 Prozent besonders stark gestiegen. Die Produzentenpreise (PPI) sind dagegen um 0,3 Prozent gefallen. Die Arbeitslosenquote für den städtischen Bereich lag im Dezember mit 5,2 Prozent wieder etwas höher als im Vorjahr. Der von Markit erhobene Caixin Einkaufsmanagerindex (PMI) für das Produzierende Gewerbe notierte mit 51,3 Punkten im Januar 2020 wieder deutlich im positiven Bereich. Im Juni letzten Jahres lag

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er noch bei 49,4 Punkten und somit unterhalb der kritischen Marke von 50 Punkten, die die Schwelle zwischen Expansion und Kontraktion markiert. Der offizielle NBS Einkaufsmanagerindex (PMI) für das Produzierende Gewerbe lag im Januar 2020 bei 50.0 Punkten. Der Caixin Einkaufsmanagerindex für Dienstleistungen lag im Dezember etwas niedriger bei 52,5 Punkten (Vormonat 53,5 Punkte), befindet sich jedoch weiterhin deutlich im Wachstumsbereich. Die Zentralregierung hatte auf den sich abschwächenden Trend im Zuge des Handelskonflikts reagiert, indem sie Steuern gesenkt und die Kreditvergabe erleichtert hat. Dies hat letztendlich zu mehr Nachfrage geführt. Der offizielle NBS Einkaufsmanagerindex für Dienstleistungen lag Januar bei 53,5 Punkten und somit auch noch deutlich im Expansionsbereich. Der Ausbruch des Coronavirus könnte sich jedoch negativ auf die kommenden Werte auswirken. Stabilität, Reformen und Wachstumsimpulse Die Diskussion um die mit der „Neuen Normalität“ aufgekommenen Sorgen einer harten Landung ist in den letzten Jahren weitestgehend verstummt, dafür sind durch den Handelskonflikt mit den USA und die abschwächende globale Konjunktur neue Unsicherheitsfaktoren hinzugekommen. Nachdem bisher vor allem auf Infrastrukturstimuli gesetzt wurde, sollen in Zukunft der Binnenkonsum, aber auch die „Belt and Road“-Initiative entsprechende Wachstumsimpulse setzen. Die „Angebotsseitigen Strukturreformen“ (Supply-Side Structural Reform) werden fortgesetzt und zielen auf den Abbau von Überkapazitäten in der Produktion, Wohnungsüberbeständen und Unternehmensschulden. Die Produktion soll effizienter und stärker auf komplexe Zulieferprodukte sowie hochtechnologische Felder ausgerichtet werden. Die Reformen in den Staatsunternehmen (SOE) machen aufgrund der möglichen sozialen Folgen nur mäßige Fortschritte. Die Wirtschaftsplaner in Peking streben nach eigenen Angaben sogar eine Stärkung des Staatssektors an. Bei den Staatsbetrieben geht der Trend, hin zu zentral gelenkten Fusionen, weiter. Damit soll die Wirtschaft weiter konsolidiert, Überkapazitäten abgebaut und „nationale Champions“ bzw. „global Champions“ für den Wettbewerb auf internationalen Märkten fit gemacht werden. International wettbewerbsrechtlich relevant sind die Fusionen jedoch meist nicht, da die Geschäftstätigkeit der Unternehmen weitestgehend auf den Binnenmarkt ausgerichtet ist. Verschuldung ein Dauerproblem Trotz regulatorischer Eingriffe und anhaltender Finanzdisziplin ist die Gesamtverschuldung weiterhin eines der großen Probleme. Derzeit liegt die Verschuldungsquote, je nach Schätzung, bei ca. 300 Prozent des BIP. Da sich ein Großteil der Schulden auf Banken in der zweiten Reihe im Inlandsgeschäft konzentriert und der Staat in vielen Fällen gleichzeitig Kreditgeber und -nehmer ist, bestehen entsprechende Eingriffsmöglichkeiten. Im Privatsektor, der durch die straffere Kreditvergabe der großen Banken an Liquidität verloren hat, könnten notleidende Kredite und daraus entstehende Schneeballeffekte während eines Abschwungs zum Systemrisiko werden. So würden auch ausländische Wirtschafts- und Finanzströme in den Sog geraten. Dies hätte globale Ausstrahleffekte, nicht zuletzt auch für die eng mit China verflochtene deutsche Volkswirtschaft. Auch Chinas zusätzliche Öffnungsschritte im Finanzbereich erhöhen das globale Ansteckungsrisiko, sollte es zu einer Bereinigung kommen. Positiv wirken sich dagegen die hohen Fremdwährungsreserven aus, die sich weiterhin auf einem Wert von über drei Billionen US-Dollar belaufen.

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Strukturelle marktwirtschaftliche Reformen derzeit unwahrscheinlich Die Kommunistische Partei (KP) hat bei ihrem letzten Parteitag Ende 2017 betont, ihren Einfluss auf die Wirtschaft zu verstärken und den Staatssektor stärker in den Mittelpunkt zu stellen. Die Hoffnung auf marktwirtschaftliche Reformen erhielt somit einen weiteren Dämpfer. Langsam zeigt sich aber Widerstand. Staatliche Eingriffe in den Markt und auf Unternehmensentscheidungen wirken sich nicht nur negativ auf das Investitionsklima aus, sondern führen auch immer mehr zu internationalen Verstimmungen mit den Handelspartnern. Auf die Versprechungen der Regierung für mehr Freihandel und weitere Öffnung sind zwar einzelne Schritte gefolgt. So wurden in einigen Bereich zwar die Zölle reduziert, der Banksektor weiter geöffnet und eine neue Negativliste sowie ein neues Gesetz für ausländische Investitionen (FDI-Law) veröffentlicht. Strukturelle Marktreformen, wie sie auch die USA und auch die EU im Zuge ihrer trilateralen Gespräche fordern, sind derzeit allerdings nicht absehbar. Auch eine Reform der Welthandelsorganisation (WTO) kommt derzeit nur schleppend voran. Für ausländische Unternehmen stellen neben Zöllen und Investitionsbeschränkungen die nicht-tarifären Handelshemmnisse ein sehr großes Problem dar. Darunter vor allem das Cybersicherheitsgesetz, das den Spielraum auf dem Digitalmarkt für ausländische Akteure sehr stark einschränkt. Ein für 2020 geplantes Soziales Punktesystem, dass sich auch auf die Unternehmen ausstrecken und etliche „moralische“ Faktoren beinhalten soll, sorgt derzeit für starke Unsicherheiten im Geschäftsumfeld. China baut derzeit auch ein neues Exportkontrollregime auf, ein entsprechendes Gesetz könnte in diesem Jahr verabschiedet werden. Es wird jedoch befürchtet, dass sich das Gesetz durch seine vagen Formulierungen auch als Instrument für zukünftige Handelskonflikte nutzen lassen könnte, oder um Chinas Wettbewerbsfähigkeit zu schützen und Technologieabflüsse zu verhindern.

Japan trotz Olympischer Spiele in Schwächephase Die japanische Wirtschaft hat das Jahr 2019 nach der Erhöhung der Mehrwertsteuer von acht auf zehn Prozent im Oktober voraussichtlich mit einem deutlichen Einbruch im vierten Quartal (ca. ein Prozent minus gegenüber Vorquartal) beendet. Es dürfte zwar noch für ein Prozent Wachstum im Jahresverlauf 2019 gereicht haben, aber in diesem Jahr ist wohl eher mit einem bescheidenen Zuwachs von einem Viertelprozentpunkt zu rechnen; OECD und IWF sind etwas optimistischer und halten einen halben Prozentpunkt an Wachstum für möglich. Die Reallöhne haben sich seit 2018 mit gut 1,3 Prozent und damit vergleichsweise stark erhöht. Angesichts des leergefegten Arbeitsmarkts ist dies jedoch noch immer überraschend niedrig. Gleichwohl dürften der private Verbrauch nahezu stagnieren und die Wohnungsbauinvestitionen zurückgehen, während die sonstigen Investitionen, die Staatsausgaben und die öffentlichen Investitionen dagegen leicht zulegen werden. Vom Außenbeitrag könnten leichte Impulse ausgehen, während die Lagerhaltung belastend wirken wird. Trotz der Steuererhöhung wird das Staatsdefizit leicht über 2½ Prozent liegen. Die wirtschaftliche Aktivität in Japan weist derzeit ein ähnliches Muster auf wie das in Deutschland. Die Bautätigkeit zieht an, die Dienstleistungen halten sich, aber die Industrieproduktion ist notleidend und liegt noch gut fünf Prozent unter dem Durchschnitt der letzten Quartale. In Asien zieht die Aktivität jedoch wieder leicht an, und insofern dürften sich die industrielle Entwicklung und der Außenhandel wieder allmählich beleben. Die Abe-Administration hatte bereits 2019 einige kompensierende Maßnahmen beschlossen, um dem kontraktiven Impuls der Mehrwertsteuererhöhung (-1% BIP) im Oktober entgegenzuwirken (plus ½ Prozent ). Angesichts der Eintrübung der Konjunktur in Asien generell und der Nachfrageschwäche in der weltweiten Automobil- und Elektroindustrie sah die Regierung im Dezember 2019 genügend Anlass, mit einem Programm von 26 Billionen Yen gegenzuhalten. Die Hälfte wird der Staat

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öffentlich investieren, die andere Hälfte wird private Ausgaben stimulieren. Dies dürfte die Wirtschaft um 0,1 – 0,2 Prozentpunkte stützen. Von den Olympischen Spielen dürften trotz zu erwartender reger Reisetätigkeit keine Effekte auf die Gesamtwirtschaft ausgehen. Positiv wird sich die jüngst getroffene Einigung der Abe-Regierung mit der Trump-Administration zu den bilateralen Handelsbeziehungen auf die Stimmung auswirken, da neue Zölle auf japanische Automobilexporte in die USA vermieden werden konnten. Die Autoexporte haben sich ohnehin besser gehalten als die Elektronikexporte (siehe auch OECD 2019, Deutsche Bank Research 2019, 2020). Die Lage ist zwar schwach, aber Japan könnten 2020 noch positiv überraschen.

Regionaler Ausblick Die Entwicklungs- und Schwellenländer haben ein vergleichsweise schwaches Jahr 2019 durchlitten und lagen mit 3,7 Prozent gut ein Dreiviertelprozentpunkt unter Vorjahr (IWF 2020). Insbesondere Brasilien, Indien, Mexiko und Russland wiesen kaum Wachstum auf. Die Industrieländer hatten einen halben Prozentpunkt eingebüßt. Im Jahr 2020 sollte sich die Konjunktur in einigen Ländern und Regionen wieder etwas erholen. In den asiatischen Entwicklungs- und Schwellenländern dürfte das Wachstum auf 5,8 Prozent leicht anziehen, in Indien könnte es auch wieder zu dieser Dynamik aufschließen. Lateinamerika und die Karibik dürften auf gut anderthalb Prozent als Region anziehen. Brasilien wird dank kräftiger Zinssenkungen dieses und nächstes Jahr auf leicht über zwei Prozent anziehen, Mexiko könnte aus der Stagnation zu einem Prozent Wachstum zurückkehren. Auch Russland sollte dieses Jahr zu einem Wachstum von knapp zwei Prozent zurückfinden und damit die Region hinaufziehen. Ähnliches gilt für den Nahen Osten und Zentralasien und Afrika südlich der Sahara. Regionaler Konjunkturausblick*

2019

2020

2021

Europa, Fortgeschrittenen Volkswirtschaften und Entwicklungsländer

1,8*

2,6*

2,5*

Naher Osten, Nordafrika, Afghanistan, Pakistan

0,5

2,7

Israel

3,1

3,1

Sub-Sahara Afrika

3,3*

3,5*

Südamerika

-0,2

1,8

Zentralamerika

2,7

3,4

Karibik

3,3

3,7

Asien-Pazifik, Fortgeschrittenen Volkswirtschaften1

1,3

1,3

Asien-Pazifik, Entwicklungsländer2

5,6*

5,8*

3,5*

5,9*

1Japan, Südkorea, Taiwan, Singapur, Hongkong, Australien, Neuseeland, Macau 2 inklusive China und Indien * Wachstum des realen BIP ggü. Vorjahr in Prozent Quelle: IWF (Oktober 2019; *Januar 2020)

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Konsequenzen für Deutschland Die abgeschwächte weltwirtschaftliche Entwicklung und der erstmals seit dem Jahr 2009 rückläufige weltweite Warenhandel haben das Wirtschaftswachstum in Deutschland deutlich ausgebremst. Wie im Jahr zuvor war auch 2019 der Wachstumsbeitrag des Außenhandels negativ. Der Private Konsum, eine trotz Überschüssen expansive öffentliche Haushaltspolitik und die weiterhin kräftige Bautätigkeit haben im vergangenen Jahr die Konjunktur gestützt und einen BIP-Rückgang verhindert. Das Verarbeitende Gewerbe, das im erheblichen Umfang vom Außenhandel lebt, wird nach ersten Schätzungen des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2019 Produktionseinbußen von 3,6 Prozent verkraften müssen. Für das laufende Jahr gibt es kaum Anzeichen für eine Trendwende. Es zeichnet sich bestenfalls eine Bodenbildung ab. So ist der Auftragseingang in der Industrie am aktuellen Rand nicht weiter eingebrochen. Die Inlandsnachfrage ist weiter schwach und die Impulse von der Auslandsnachfrage sind eher Sondereffekten bzw. Großaufträgen aus dem sonstigen Fahrzeugbau geschuldet. Die Warenexporte dürften im laufenden Jahr leicht zulegen, während die Wareneinfuhren etwas stärker anziehen werden, getrieben vom privaten Verbrauch und Ölpreisen. Vom Außenbeitrag wird somit erneut eine kräftige Bremswirkung ausgehen. Die Industrie befindet sich daher weiterhin in der Rezession. Jüngste Daten ließen zwar eine leichte Stabilisierung erkennen, deren Tragfähigkeit sich jedoch erst noch erweisen muss. Für eine zugkräftige Erholung fehlen die Rückenwinde der Weltnachfrage. Die Bundesregierung hat in ihrem Jahreswirtschaftsbericht 2020 ihre Prognose auf 1,1 Prozent nach oben revidiert, wobei allein durch Kalendereffekte 0,4 Prozentpunkte Wachstum generiert werden. Sie rechnet mit steigenden Exporten und einer leichten Aufwärtsbewegung bei den Ausrüstungsinvestitionen. Mit Blick auf die rezessive Lage in der deutschen Industrie scheint dieser Optimismus vielleicht etwas verfrüht zu sein. Angesichts schwelender Handelskonflikte, die auch auf die Europäische Union ausstrahlen können, noch bestehender Unterauslastung im Verarbeitenden Gewerbe und einer möglichen Ausbreitung des Coronavirus, das schon heute die wirtschaftlichen Aktivitäten in China bremst, dürfte das Anspringen eines Investitionszyklus noch auf sich warten lassen. Zudem sind die Wachstumsaussichten unserer wichtigsten Handelspartner sehr verhalten. Wir rechnen daher im laufenden Jahr nur mit einem leichten Anstieg der Exporte von knapp unter einem Prozent.

Quellenverzeichnis Bureau of Economic Analysis (2020a). Gross Domestic Product. 30. Januar. --- (2020b). International Trade in Goods and Services. 07. Januar. Committee for a Responsible Federal Budget (2019). Treasury: 2019 Deficit was $984 Billion. 25. Oktober. Congressional Budget Office (2020). The Budget and Economic Outlook: 2020 to 2030. 28. Januar. Confindustria (2019). Italian Economic Outlook 2019/2020 and the Economic Policy Scenario. Rom. Deutsche Bank Research (2019). Japanese Economy in 2020 - Part 1: On real economy. Tokio. 11. Dezember. ---(2019b). Japanese economy in 2020 – Part 2: Economic Policy. Tokio. 19. Dezember.

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Deutsche Bundesbank (2020). Folgen des Zunehmenden Protektionismus.20. Januar. Europäische Zentralbank (2019a). Eurosystem staff macroeconomic projections for the euro area. Dezember. Frankfurt/M. ---(2019b). Bulletin. Dezember. Frankfurt/M. Internationaler Währungsfonds (2020). Tentative Stabilization, Slugish Recovery? World Economic Outlook Update. Washington, D.C.. 20. Januar. ---(2019). World Economic Outlook. Global Manufacturing Downturn, Rising Trade Barriers. Washington, D.C.. Oktober 2019. Peterson Institute for International Economics (PIIE) (2019). US-China Trade War Tariffs: An Upto-Date Chart. 19. Dezember. U.S. Department of the Treasury (DoT) (2019). Mnuchin and Vought Release Joint Statement on Budget Results for Fiscal Year 2019. 25. Oktober. White House Office of Management and Budget (2019a). Table 1.2 - Summary of Receipts, Outlays, and Surpluses or Deficits (-) as Percentages of GDP. --- (2019b). Budget of the U.S. Government – Mid-Session Review. 17. Juli. OECD (2019). Economic Outlook. November. Paris.

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