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Reformbedarf Verlustabzug „Corona-Verluste“ vollständig steuerlich anerkennen
4. Mai 2020
Zusammenfassung
Aufgrund der aktuellen Corona-Krise entstehen bei den Unternehmen umfangreiche Verluste. Eine Verlustnutzung in tatsächlicher Höhe ist aufgrund der bestehenden Regelungen zum Verlustabzug (§ 10d EStG) nicht möglich. Ein zeitlich und betragsmäßig deutlich erweiterter Verlustrücktrag und die Abschaffung des begrenzten Abzugs von Verlustvorträgen ist daher dringend notwendig. Dies würde ebenfalls zur Verbesserung der Liquiditätslage von Unternehmen beitragen. Neben weiterem steuerlichen Reformbedarf ist hier dringender Anpassungsbedarf geboten. Hierzu sollte eine deutliche Verbesserung von Verlustrücktrag und Verlustvortrag (nachfolgend unter 1) erfolgen. Weiterhin sollte die Möglichkeit eines unterjährigen Verlustabzugs verbessert werden (nachfolgend unter 2.). Dies ist im Interesse der verfassungsrechtlich gebotenen leistungsgerechten Besteuerung, wonach gerade in Krisenzeiten die Besteuerung nach der subjektiven wirtschaftlichen Stärke entscheidend ist. Das Vorziehen der Verlustnutzungsmöglichkeit stellt eine Entlastung für die Unternehmen dar. Sie gibt Liquidität, die jetzt so dringend gebraucht wird, um die Unternehmen wieder aus der Krise zu führen und Arbeitsplätze zu erhalten. Diese Anpassungen stellen demnach keine zusätzlichen Wirtschaftssubventionen dar, sondern sollen lediglich der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit Rechnung tragen.
Dr. Monika Wünnemann | Abteilung Steuern und Finanzpolitik | T: +49 30 2028-1507 | m.wuennemann@bdi.eu Eva Greil | Abteilung Steuern und Finanzpolitik | T: +49 30 2028-1458 | e.greil@bdi.eu | www.bdi.eu
Reformbedarf Verlustabzug
1. Gesetzliche Anpassungen notwendig – Verluste realitätsgerecht berücksichtigen Mit den Unternehmensgewinnen der Vorjahre muss nicht nur die Krise selbst, sondern auch der Neustart finanziert werden. Notwendig ist, dass alle aktuellen und künftigen Verluste, die in der Zeit der Corona-Krise entstehen, vollständig und steuerlich wirksam genutzt werden können. Die geltende Vorschrift zum Verlustabzug (§ 10d EStG) wirkt aufgrund der betragsmäßigen Begrenzung zu starr und kann dem Prinzip der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit nicht gerecht werden. Erforderlich ist somit eine gesetzliche Reform des Verlustabzugs mit nachhaltiger Wirkung. Hierzu schlagen wir nachfolgende Änderungen des bestehenden Regelungssystems vor: Verlustrücktrag Aktuell können Verluste ausschließlich in den unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraum zurückgetragen werden. Dieser Zeitraum muss erweitert werden. Dabei schlagen wir vor, den Verlustrücktrag über den einjährigen Zeitraum hinaus auch in weitere Vorjahre zu ermöglichen. Andere Staaten ermöglichen einen Verlustrücktrag beispielsweise in die fünf vorangegangenen Jahre. Zusätzlich muss das Rücktragvolumen ausgeweitet werden. § 10d Abs. 1 EStG sieht derzeit eine betragsmäßige Beschränkung des Rücktragvolumens auf maximal eine Million Euro vor. Diese Höchstgrenze muss angesichts der aktuellen gesamtwirtschaftlichen Situation deutlich angehoben werden, sodass eine vollständige, rückwirkende Verrechnung aller krisenbedingten Verluste möglich ist. Verlustvortrag und Mindestbesteuerung Die Regelung zur sog. Mindestbesteuerung (§ 10d Abs. 2 EStG) hat zur Folge, dass ein Teil der Einkünfte nicht durch einen Verlustvortrag ausgeglichen werden kann. Somit entspricht die Steuerbelastung nicht der tatsächlichen wirtschaftlichen Unternehmenssituation. Dies kann besonders nach längerfristig defizitären Zeiträumen das Wiedererstarken der Wirtschaftskraft hemmen. Daher sollte die Mindestbesteuerung teilweise ausgesetzt werden, sodass eine Verlustnutzung in den folgenden Jahren ohne Beschränkung möglich ist. Konkret schlagen wir vor, die Mindestbesteuerung zunächst für den Veranlagungszeitraum 2019 auszusetzen. Hierdurch würden in den Krisenzeiten fällige Steuerzahlungen vermindert, sodass wichtige Liquidität in den Unternehmen erhalten bliebe. Weiterhin sollten Verluste aus den Krisenjahren (mindestens Veranlagungszeitraum 2020, ggf. zusätzlich für den Veranlagungszeitraum 2021) als sogenannte „Corona-Verluste“ gesondert festgestellt werden, welche dann in einer späteren Verlustverrechnung vorrangig und unbegrenzt geltend gemacht werden können. Dies würde gleichzeitig einen möglichen konjunkturellen Aufschwung positiv begleiten. Bisher ist noch nicht abzusehen, wie schnell die Folgen der derzeitigen Krise überwunden werden können bzw. wie lange die Krise noch andauert. Insoweit ist von erheblicher Bedeutung, dass die Mindestbesteuerung zunächst und wie beschrieben angepasst wird.
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Reformbedarf Verlustabzug
Gewerbesteuer Wir sehen die Herausforderungen, welche eine Anpassung der Verlustverrechnung in der Gewerbesteuer (§ 10a GewStG) mit sich ziehen würde. Gleichwohl macht die Gewerbesteuer rund die Hälfte der ertragsteuerlichen Belastung von Unternehmen aus. Daher sollten die vorstehend dargestellten Möglichkeiten eines Verlustrücktrags zur Abmilderung der finanziellen Folgender Corona-Krise für gewerbesteuerliche Zwecke zumindest diskutiert und in Erwägung gezogen werden. Unabhängig von einer Anpassung des gewerbesteuerlichen Verlustabzugs regen wir an, nach der Krise über eine grundlegende Reform der Gewerbesteuer nachzudenken, die zu einer Integration der Gewerbesteuer in die Ertragsteuer führen kann. Dies würde aus unserer Sicht die finanzielle Lage der Kommunen auf Dauer stabilisieren und krisenfester gestalten. Dies auch deshalb, da aus unserer Sicht insbesondere die Kommunen durch die Corona-Krise und die entsprechend ausfallenden Mindereinnahmen kaum finanzielle Handlungsspielräume haben.
2. Sofortigen, unterjährigen Verlustrücktrag verbessern Die im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder neu geschaffene Möglichkeit einer pauschalen unterjährigen Verlustnutzung (BMF-Schreiben vom 24. April 2020) ist grundsätzlich zu begrüßen. Sie führt insoweit zu einer Verbesserung der krisenbedingt angespannten Liquiditätslage der Unternehmen, als die Steuererstattung für das (Gewinn-)Vorjahr zeitnah realisiert werden kann und nicht bis zur Abgabe der Steuererklärung für das Verlustjahr verzögert wird. Diese Möglichkeit zur unterjährigen Verlustnutzung greift jedoch zu kurz und wird für einen Großteil der Unternehmen keine wirksame liquiditätsfördernde Hilfe sein. Es ist bereits jetzt abzusehen, dass gerade mittelständische Unternehmen erhebliche Verluste mindestens im zweistelligen Millionenbereich erleiden werden und ein pauschaler prozentualer Verlustausgleich mit einer Höchstgrenze von einer Million Euro nicht ausreichen wird. In der Wirkung ist diese Regelung daher zu begrenzt, da eine gleichzeitige gesetzliche Anpassung der zeitlichen und betragsmäßigen Verlustrücktragbeschränkung in § 10d Abs. 1 EStG unterblieben ist. Wir appellieren daher eindringlich, ▪
die Höchstgrenze von einer Million Euro deutlich an- sowie die zeitliche Rücktragbeschränkung aufzuheben,
▪
die sogenannte Mindestbesteuerung zumindest teilweise auszusetzen, sodass eine Verlustnutzung in den folgenden Jahren ohne Beschränkung möglich ist,
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den unterjährigen Verlustrücktrag für die Verluste des Jahres 2020 betragsmäßig unbegrenzt zuzulassen.
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Dokumenten-Nummer: D 1176
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