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Datenaustausch
Unternehmen berücksichtigt werden, aus deren unternehmerischer Sphäre die Daten stammen bzw. entstanden oder erzeugt worden sind. Hierbei sind z. B. Transaktionskosten zu berücksichtigen, die den Unternehmen aus Erhebung, Speicherung und Strukturierung entstanden sind. Dabei sind sowohl Unternehmen gemeint, deren Geschäftsmodelle darin bestehen, mit monetärem und technologischem Aufwand Daten zu erheben und zu verwerten, als auch solche Unternehmen, die in ihrem Bereich anfallende Daten selbst nutzen oder weiterverwerten wollen.
Eine innovative Datenpolitik sollte so gestaltet sein, dass Daten freiwillig geteilt werden können und eine faire Datennutzung gestärkt wird. Nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit müssen Unternehmen im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen frei entscheiden können, mit wem und unter welchen Bedingungen sie selbst erhobene nicht-personenbezogene Daten teilen, sei es durch vertragliche Vereinbarungen, durch privatwirtschaftliche Datenpartnerschaften oder durch einen freiwilligen OpenData-Ansatz.
Der BDI begrüßt ausdrücklich die Debatte auf politischer Ebene darüber, wie ein kontrollierter Austausch von Daten verbessert und gefördert werden kann. Darüber hinaus fordern einige politische und gesellschaftliche Akteure ein allgemeines gesetzliches Recht zum Zugang zu Unternehmensdaten. Der BDI lehnt ein solches allgemeines gesetzliches Datenzugangsrecht entschieden ab. Eine effektive und faire Datennutzung bedarf keiner allgemeinen gesetzlichen Verpflichtung zur Gewährung von Datenzugang und Datenteilung. Ein solcher legislativer Eingriff hätte zur Folge, dass bestehende vertragliche Regelungen, wie Vereinbarungen zu Nutzungsbeschränkungen und Vertraulichkeit, konterkariert und Innovationen künftig verhindert würden. Es besteht auch keine Notwendigkeit für eine horizontale Regulierung in Bezug auf den Zugang zu privatwirtschaftlichen Daten, da die Datennutzung grundsätzlich zufriedenstellend durch privatautonome Verträge oder branchenspezifische Selbstregulierung (sowohl Verbands- als auch Unternehmenslösungen) zwischen den einzelnen Marktteilnehmern und Wettbewerbern gelöst werden kann.
Nach Überzeugung des BDI muss vielmehr die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit, über die Weitergabe und Nutzung von Daten selbstbestimmt entscheiden zu können (sog. Grundsatz der Datensouveränität), für Privatpersonen und Unternehmen gleichermaßen gelten. Um einen funktionsfähigen Wettbewerb bei Erhaltung von Innovationen zu gewährleisten, ist eine gesetzliche Regulierung des Datenzugangs deshalb nur im Falle von wettbewerbswidrigen Marktzutrittsschranken oder einem Marktversagen in Erwägung zu ziehen. Es bestehen bereits heute im europäischen Wettbewerbsrecht einzelfallabhängige Möglichkeiten, einen Datenzugang herzustellen, um wirksamen Wettbewerb zu gewährleisten. Sofern es dennoch in einzelnen Bereichen zu systematischem und strukturellem Marktversagen kommt, ist eine sektorspezifische Zugangsregulierung, wie sie bspw. für den Finanzsektor im Rahmen der Umsetzung der PSD2 erfolgte, einer grundlegenden Regulierung vorzuziehen. Schließlich hat der Gesetzgeber die Aufgabe, die Verhältnismäßigkeit eines potenziellen staatlichen Eingriffs in die Vermögensrechte der Unternehmen sorgfältig zu prüfen. Hierbei sind auch die verschiedenen legitimen Interessen der beteiligen Akteure, wie etwa Eigentums- und Investitionsschutz, in einen schonenden Ausgleich zu bringen.
Datenaustausch
Government-to-Business (G2B)
Der BDI begrüßt grundsätzlich die politischen Bestrebungen der Bundesregierung, mehr qualitativ hochwertige Datensätze des öffentlichen Sektors für eine Weiterverwendung zur Verfügung zu stellen. Hierbei ist darauf zu achten, dass möglichst viele Datensätze in standardisierter, maschinenlesbarer Form mit offenen Anwenderprogrammierschnittstellen (sog. API) zur Verfügung gestellt werden. Die
Ankündigung der Bundesregierung, im Rahmen ihrer nationalen Datenstrategie die Verfügbarkeit und Nutzbarkeit von Daten des öffentlichen Sektors zu erhöhen und den „Staat zum Vorreiter“ 1 zu machen, ist zu begrüßen. Allerdings muss bei der Verfügbarmachung von Daten der öffentlichen Hand beachtet werden, dass keine Daten zur Verfügung gestellt werden, die vertrauliche Angaben, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse oder personenbezogene Daten von Wirtschaftsteilnehmern oder ihren Angestellten zum Inhalt haben, so wie es teilweise in § 12a EGovG bereits geregelt ist.
Business-to-Government (B2G)
Zudem hält der BDI freiwillige Kooperationen im Bereich „Business-2-Government“ gegenüber einer gesetzlichen Zugangsverpflichtung für Daten „im öffentlichen Interesse“ für weiterhin vorzugswürdig. Eine Vielzahl von Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen kooperiert bereits heute erfolgreich mit öffentlichen Stellen, beispielsweise wenn es um intelligentes Verkehrsmanagement durch entsprechende Analysen und Auswertungen von Standortinformationen geht. Ein strukturelles (Markt-)Versagen, das legislatives Einschreiten in Form einer Zugangsverpflichtung rechtfertigen würde, ist hier bislang jedenfalls nicht erkennbar. 2
Eine verpflichtende Weitergabe von Unternehmensdaten könnte nur in klar definierten Einzelfällen, falls eine freiwillige Weitergabe an den öffentlichen Sektor nicht zielführend ist, im Rahmen der datenschutzrechtlichen Anforderungen als ultima ratio in Betracht gezogen werden. In jedem Fall muss dabei aber sichergestellt sein, dass der Zugang zu Daten des Privatsektors auf ein vorab definiertes und eng umschriebenes öffentliches Ziel einzahlt, um Rechtssicherheit für Unternehmen zu gewährleisten. Solche eng definierten Anwendungsfälle sind etwa im Bereich der Gefahrenabwehr oder zum Schutz von Leib und Leben denkbar. Dies bedeutet zugleich, dass öffentliche Behörden nicht zum Wettbewerber in Bezug auf bereits bestehende kommerzielle Initiativen im Markt aufrücken (etwa im Bereich Smart City, Mobilität). Gleichzeitig sind langfristig nachhaltige Kooperationen zwischen Industrieunternehmen und öffentlicher Verwaltung nur durch einen adäquaten Kompensationsmechanismus zu erreichen, der die oftmals aufwändige Datenaufbereitung und -analyse auf Unternehmensseite entsprechend würdigt.
Business-to-Business (B2B)
Auf privatwirtschaftlicher Ebene schließen Unternehmen untereinander Datenpartnerschaften und Datenkooperationen ab, um einen sicheren, innovationsfördernden Zugang zu Daten zu gewährleisten. Darüber hinaus werden von Unternehmen und aus solchen Kooperationen heraus Daten der Allgemeinheit teilweise kostenlos zur Verfügung gestellt.
Um solche Kooperationen zu fördern, sollte der Gesetzgeber durch klarstellende Regelungen im Kartellrecht größere Rechtssicherheit für Kooperationen zum Datenaustausch zwischen Wettbewerbern schaffen. Eine entsprechende Forderung des BDI wurde unlängst von der Wettbewerbskommission 4.0 aufgegriffen und an den Gesetzgeber adressiert. 3 Die Grenzen der kartellrechtlichen Zulässigkeit von Datenpartnerschaften sind de lege lata sehr unscharf. Durch das Prinzip der Selbsteinschätzung von Freistellungsvoraussetzungen im europäischen und nationalen Kartellrecht sehen sich die Unternehmen in diesem Bereich einer großen Rechtsunsicherheit ausgesetzt, die angesichts der drastischen Sanktionen, die bei einem Kartellrechtsverstoß drohen (z. B. Bußgelder und
1 Eckpunkte einer Datenstrategie der Bundesregierung, S. 5. 2 Dies wurde bspw. auch durch die Europäische Kommission selbst in ihrer Mitteilung aus 2018 (SWD (2018) 125), die entsprechende Guidance im B2B, B2G Bereich ausgibt, bestätigt: „A broad stakeholder dialogue was conducted on the basis of that Communication. It concluded that the issue at stake did not justify horizontal legislative intervention at this stage and that guidance would be more appropriate.” 3 Bericht der Wettbewerbskommission 4.0 (September 2019), S. 58 ff.
Schadensersatzzahlungen), zu einer großen Zurückhaltung in der Praxis führt. Die 10. GWB-Novelle greift aktuell einige Petita des BDI für die nationale Ebene auf. Sie sieht Ansprüche der Unternehmen auf ein sog. Negativattest zur Ermutigung neuer Kooperationsformen im digitalen Umfeld vor und führt ein entsprechendes Vorsitzendenschreiben ein. 4 Dies sind Schritte in die richtige Richtung. Entsprechende Lösungen sollten auch auf europäischer Ebene umgesetzt werden.
Große praktische Unsicherheit besteht in der Unternehmenspraxis außerdem hinsichtlich der rechtssicheren Anonymisierung personenbezogener Daten. Für die deutsche Industrie steht außer Frage, dass die in der DSGVO normierten Regelungen und die grundrechtlich geschützten Freiheiten, insbesondere das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Einzelnen, wichtige Grundpfeiler für das hohe Datenschutzniveau ausmachen, das Europa im internationalen Vergleich vorweisen kann. Deshalb haben viele Industrieunternehmen ein großes Interesse daran, in deutlich größerem Maße mit anonymisierten Daten zu arbeiten. Mit Blick auf die legislativen Vorgaben ist zu konstatieren, dass die DSGVO keine konkreten Vorgaben zur Anonymisierung personenbezogener Daten enthält. Aufgrund der hieraus resultierenden Rechtsunsicherheit und in Ermangelung einheitlicher Standards nehmen Unternehmen derzeit häufig von diesem Vorhaben Abstand. Um das wirtschaftliche Potenzial anonymisierter Daten nutzen zu können und gleichzeitig das hohe europäische Datenschutzniveau aufrechtzuerhalten, sind aus Sicht des BDI rechtssichere und zugleich praktikable Vorgaben für eine datenschutzkonforme Anonymisierung personenbezogener Daten von zentraler Bedeutung.
Data-Governance
Einzelne Branchen entwickeln Data-Governance-Richtlinien oder branchen- oder marktspezifische Datennutzungs- und Datenzugangsregeln, mit denen sie sich auf allgemeine, klare und faire Datennutzungsregeln innerhalb ihres jeweiligen digitalen Ökosystems einigen. Aufgrund der unterschiedlichen Anwendungsfälle und Stakeholder-Beziehungen in den Wirtschaftsbranchen befürwortet der BDI eine sektorspezifische Selbstregulierung als adäquate Lösung. Daneben haben Geheimhaltungs- und Nutzungsbeschränkungsvereinbarungen in der Industrie innerhalb der letzten Jahrzehnte zunehmende inhaltliche Standardisierung und eine hohe Durchsetzung am Markt erfahren. Das Ziel muss sein, weitere branchenspezifische Lösungen im Sinne von Selbstverpflichtungen zu etablieren.
4 Vgl. Referentenentwurf des BMWi zum Zehnten Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen für ein fokussiertes, proaktives und digitales Wettbewerbsrecht 4.0 (GWB-Digitalisierungsgesetz) vom 24.01.2020.