Stellungnahme
Vorschlag f체r einen Beschluss des Europ채ischen Parlaments und des Rates 체ber ein allgemeines Umweltaktionsprogramm der Union f체r die Zeit bis 2030 (8. Umweltaktionsprogramm)
Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.
Stand: 15.12.2020
8. Umweltaktionsprogramm
8. Umweltaktionsprogramm
Einleitung Das geplante 8. Umweltaktionsprogramm (8.UAP) setzt den Rahmen für die mittelfristigen Zielsetzungen und Instrumente der europäischen Klima- und Umweltpolitik und knüpft insoweit an seine Vorgängerprogramme sowie den Europäischen „Green Deal“ an. Es unterstreicht damit den hohen politischen Stellenwert von Umwelt- und Klimaschutz als Element der Nachhaltigkeit in Europa. Die deutsche Industrie erkennt diesen Stellenwert an. Eine wettbewerbsfähige Industrie steht dabei in keinem Gegensatz zu den angestrebten Zielen im Klima- und Umweltschutz. Im Gegenteil: eine wettbewerbsfähige Industrie mit innovativen technologischen Lösungen ist der Schlüssel für eine wirklich nachhaltige Entwicklung und ein ökologisch, ökonomisch und sozial starkes Europa. Es schafft erst die Voraussetzungen, um die nötigen Billioneninvestitionen in Klima- und Umweltschutz aufbringen zu können. Ohne sie kann die Umsetzung des „Green Deal“ und des 8.UAP nicht gelingen. Bei der Ausgestaltung und Umsetzung des „Green Deal“ und des künftigen 8.UAP muss die Wettbewerbsfähigkeit und Zukunftsfähigkeit der Industrie in Europa daher ebenso eine prioritäre Zielsetzung sein. Der Kommissionsvorschlag für ein 8. UAP mahnt zurecht ein „Augenmerk auf Synergien und mögliche Kompromisse zwischen wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Zielen“ als Voraussetzung für die Verwirklichung der prioritären Ziele des Programms an. Der BDI begrüßt dies ausdrücklich und unterstreicht die Wichtigkeit eines solchen integrierten Ansatzes für eine erfolgreiche Implementierung des 8. UAP und des „Green Deal“. Der Vorschlag für ein 8.UAP formuliert keine eigenständigen klima- und umweltpolitischen Ziele, sondern knüpft insoweit an den europäischen „Green Deal" der Europäischen Kommission an. Der BDI wiederholt in dieser Stellungnahme die Bewertung dieser Ziele, die er bereits bei anderer Gelegenheit vorgenommen hat. Die Bedeutung des 8. UAP liegt darin, dass es als mittelfristiger Rahmen der Umwelt- und Klimapolitik, im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren beschlossen, den EU-Institutionen, den Mitgliedstaaten, den Behörden, den Bürgerinnen und Bürgern und den Stakeholdern weitere Orientierung im Hinblick auf die EU-Umwelt- und Klimapolitik zu vermitteln mag. Gerade für die im globalen Wettbewerb stehenden europäischen Industrieunternehmen ist Planungssicherheit von großer Bedeutung. Ein zentrales programmatisches Anliegen des 8. UAP muss die Schaffung von Kohärenz in der europäischen Klima- und Umweltgesetzgebung sein. Inkohärente Gesetzgebung erschwert die Erreichung umwelt- und
klimapolitischer Ziele, erhöht den Erfüllungsaufwand für Behörden und Unternehmen und schwächt letztlich die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft. Um Kohärenz künftig zu stärken, ist ein integrierter, ganzheitlicher themen- und sektorübergreifender Ansatz auf allen Ebenen wesentlich. Ferner muss sichergestellt werden, dass die Mitgliedstaaten europäisches Recht einheitlich um- und durchsetzen und das Funktionieren des EU-Binnenmarkts sowie die kosteneffiziente Erreichung der Ziele des Green Deal sicherstellen. Für eine erfolgreiche Umsetzung der verschärften EU-Klimaziele werden zudem die folgenden Voraussetzungen unerlässlich sein: •
Mobilisierung nachhaltiger Investitionen aus öffentlichen und privaten Quellen, einschließlich der im Rahmen des Unionshaushalts verfügbaren Mittel und Instrumente, über die Europäische Investitionsbank und auf nationaler Ebene.
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Modernisierung des bestehenden Beihilfe- und Wettbewerbsrechts zur Unterstützung des „Green Deal“.
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Nutzung des Potenzials der Digital- und Datentechnik zur Unterstützung der Klima- und Energiewende bei gleichzeitiger Minimierung ihres ökologischen Fußabdrucks: von intelligenten Energienetzen und „aktiven Gebäuden“, die zunehmend Teil des modernen europäischen Energiesystems werden, bis zu modernem Verkehrsmanagement und digitalen Zwillingen in der Industrie, die Digitalisierung bietet vorwärtsgewandte ökonomische, ökologische und soziale Chancen, die es auf dem Weg zur Klimaneutralität zu ergreifen gilt.
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Unterstützung der weltweiten Akzeptanz der Ziele des „Green Deal“ und des 8. UAP, und der globalen Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens mittels gezielter Klimadiplomatie im Besonderen.
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Mobilisierung breiter öffentlicher Akzeptanz für geplante Maßnahmen, einschließlich der Einbeziehung und Durchführung regelmäßiger und strukturierter Konsultationen beteiligter Kreise und von Interessensträgern wie Gegenstand der neuen EU Governance Verordnung des Sauberen Energiepakets.
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Ein ausgewogener, in sich schlüssiger Instrumentenmix über die EUKlimapolitik hinaus, dem auch eine glaubwürdige EUIndustriestrategie, modernisierte Umwelt- und EnergiebeihilfeLeitlinien, wettbewerbsfähige Industriestrompreise oder robuste Carbon Leakage Schutzmechanismen für die auf weltweit höchstem Umweltschutzniveau operierende, europäische Industrie auf dem Weg zu einer global klimaneutralen Ökonomie.
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Zu den Vorschlägen der Europäischen Kommission für ein 8.UAP führt der BDI in der Folge im Einzelnen aus:
1. Zu Artikel 1 – Gegenstand des 8. UAP Gegenstand des 8. UAP ist es, die prioritären thematischen Ziele der EU für die Zeit bis zum 31.12.2030, die Voraussetzungen für deren Verwirklichung und einen Rahmen für die Messung der Verwirklichung der Ziele durch die Mitgliedstaaten festzusetzen. Der BDI begrüßt im Allgemeinen den Beitrag, den das Instrument des UAP als solches zur Planungssicherheit für Unternehmen leisten kann. Gleichzeitig braucht es für eine belastbare Aussage hinsichtlich der Verwirklichung der Ziele komplementäre ökonomische und soziale Indikatoren, um die Wirksamkeit und Auswirkungen der Umsetzung des Green Deal und des 8.UAP verlässlich messen und (politisch) einordnen zu können. Einen Leitindikator für das 8. UAP auszuwählen, wie die Kommission vorschlägt, reicht daher nicht aus, um ein kohärentes Bild des Zustands der Umwelt, der wichtigsten Belastungen, Auswirkungen und Wirksamkeit des 8. UAP zu erhalten. Vielmehr braucht es ein weiterentwickeltes Scoreboard von Indikatoren sowie komplementäre Indikatoren, einschließlich ökonomischer und sozialer, um ein vollständiges Bild zu zeichnen.
2. Zu Artikel 2 – Prioritäre Ziele Schrittweise Senkung der Treibhausgasemissionen und Steigerung des Abbaus von Treibhausgasen zur Erreichung der Zielvorgabe 2030 sowie der Klimaneutralität bis 2050 Die Transformation zu mehr Klimaschutz birgt die Chance neue Wertschöpfungsketten und internationale Leitmärkte mit europäischer Technologieführerschaft weiter auszubauen. Gleichzeitig bedeutet die Transformation für Unternehmen und Erreichung der existierenden 2030 Ziele jährliche Mehrinvestitionen in Höhe von 300 Milliarden Euro (vor Covid) und 470 Milliarden Euro (in der Folge von Covid). Steigende klimaschutzbedingte Kosten in Europa dürfen aber nicht zu Produktionsoder Dienstleistungsverlagerungen führen. Damit wäre weder der Wirtschaft noch dem Klima gedient. Nur wenn die Investitionsbedingungen in der EU richtig gesetzt werden, wird investiert. Die EU-Klimaschutzziele werden grundsätzlich vom BDI unterstützt. Dabei erfordert die erfolgreiche Umsetzung zeitnah einen umfänglichen, www.bdi.eu
ganzheitlichen Instrumentenmix, der den Transformationsprozess und politisch gewollten Umbau der europäischen Volkswirtschaft verlässlich begleitet und auf die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit der deutschen und europäischen Industrie angelegt ist. Um innerhalb der nächsten fünf Jahre die richtigen Weichen für die bezweckten Transformationen der Industrie zu stellen, bedarf es u.a.: •
Des massiven Ausbaus der Versorgung mit erneuerbaren Energien zu wettbewerbsfähigen Preisen und der Energieinfrastruktur, einschließlich intelligenter Stromnetze und einer Wasserstoffinfrastruktur.
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Der EU-Vorreiterrolle und globalen Führerschaft im unverzüglichen Aufbau und Markthochlauf der Wasserstoffökonomie sowie einer EU-weiten Klassifizierung und Zertifizierung klimaneutraler und treibhausgasarmer Gase nach ihrem Kohlenstoffgehalt.
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Der Nutzung des Potenzials der Digital- und Datentechnik zur Unterstützung der Klima- und Energiewende.
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Ambitionierter Anreize und Fördermaßnahmen, einschließlich der Verbesserung der wettbewerbsrechtlichen Rahmenbedingungen: Unternehmen müssen bei kostenintensiven Innovationsprozessen und im Infrastrukturaufbau unterstützt werden, u. a. ist der Ausbau von „wichtigen Vorhaben von gemeinsamem europäischen Interesse“ („IPCEI“) hierfür ein wesentlicher Bestandteil.
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Des effektiven Carbon Leakage-Schutzes, europäischer Industriestrompreise auf international wettbewerbsfähigem Niveau sowie einer abgestimmten CO2-Bepreisung zumindest auf Ebene der G20.
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Stärkung von Forschung und Entwicklung, einschließlich in negative Emissionstechnologien.
Was die Technologieverfügbarkeit anbelangt, so ist es momentan nicht absehbar, inwieweit CO2-freie Industrietechnologien, eine nachhaltige Wasserstoffwirtschaft, klimaneutrale Mobilität, ein erneuerbares Stromangebot im notwendigen Umfang und zu wettbewerbsfähigen Preisen bis 2030 verfügbar sein werden. Während einer Übergangszeit wird es Brückentechnologien brauchen, bevor nach 2030 der verstärkte Umstieg von CO2-armen auf CO2-freie Technologien erfolgt. Es wird einen technologieoffenen Wettbewerb in allen Sektoren brauchen, bei dem auch die Speicherung und Nutzung von CO2 eine wesentliche Rolle spielen wird. In der Zwischenzeit sollten die heute bereits technisch verfügbaren und weitestgehend wirtschaftlich einsetzbaren Technologien, wie die Strom- und Wärmegewinnung aus Erneuerbaren als No-Regret-Option, verstärkt
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ausgebaut werden. Auch hier hat Europa noch einen sehr ehrgeizigen Weg vor sich.
Verbesserung der Anpassungsfähigkeit, Stärkung der Widerstandsfähigkeit und Verringerung der Anfälligkeit gegenüber Klimaänderungen Anpassung an den Klimawandel unterstützt einen besseren Umgang mit den Folgen des Klimawandels, hilft Schäden zu verringern und existierende Chancen zu nutzen, wie zum Beispiel durch moderne und effiziente Wassernutzungs-, Gebäude- oder Verkehrstechnologien, das Bauen von Hochwasserschutzanlagen und Deichen, oder die Umstellung auf resistentere Baum- und Pflanzenarten und digital unterstützter Informationstechnologien, beispielsweise zur Bekämpfung von Waldbränden. Der BDI unterstützt die EU-Anpassungsstrategie, einschließlich des EUweiten, länderübergreifenden Internetportals Climate-ADAPT, um den Informationsaustausch über Anpassungsmaßnahmen zu verbessern, Synergien zu bilden und technologischen Vorsprung zu nutzen.
Regeneratives Wachstumsmodell (Entkopplung des Wirtschaftswachstums von Ressourcennutzung und Umweltzerstörung; Beschleunigung des Übergangs zu einer Kreislaufwirtschaft) Die deutsche Industrie verfolgt den Ansatz, Rohstoffe in Kreisläufen zu führen, um sie effizient zu nutzen. Eine gut konzipierte Kreislaufwirtschaft kann erheblich zur Erreichung der EU-Klimaschutzziele beitragen. Dazu gehört aber auch eine nachhaltige Versorgung der Wirtschaft mit Rohstoffen. Dies muss durch den sicheren Zugang zu heimischen Rohstoffen (Rohstoffgewinnung aus heimischen Lagerstätten), die zunehmende Gewinnung von Sekundärrohstoffen aus Recycling und Verwertung sowie die sichere und langfristige Versorgung mit Rohstoffen aus dem Ausland erfolgen. Gerade in der Kreislaufwirtschaft zeigt sich die Innovationsfähigkeit der deutschen Industrie. Sie investiert beispielsweise erfolgreich in neue Sortier- und Recyclingtechnologien, die die bestehende leistungsstarke Verwertungsinfrastruktur weiterentwickeln. Die Circular Economy ist die Grundlage für nachhaltiges Wirtschaften und bietet außerdem zahlreiche Chancen für innovative Geschäftsmodelle. Die Instrumente der Circular Economy müssen neben den ökologischen Zielen auch die ökonomischen und sozialen Dimensionen der Nachhaltigkeit berücksichtigen. Doppelte und sich widersprechende Regelungen müssen vermieden werden. Europäische Strategien und Maßnahmen zur Förderung der Circular Economy müssen vorrangig eine Antwort auf die Frage finden, wie in Europa funktionierende Märkte für Sekundärrohstoffe etabliert www.bdi.eu
werden können. Grundlage hierfür müssen solide Marktmechanismen sein. Neue Geschäftsmodelle sowie verstärkte Kooperationen entlang der Wertschöpfungsketten, etwa in Form von Unternehmensplattformen, sind hierfür eine maßgebliche Voraussetzung. Circular Economy kann Unternehmen Chancen bieten, sich mit innovativen, nachhaltigeren Produkten Wettbewerbsvorteile zu sichern. Allerdings werden viele Unternehmen auf dem Weg dahin große Herausforderungen zu bewältigen haben. Die Ziele einer nachhaltigen Produktpolitik und der Schaffung von Märkten für Recycling- und Sekundärrohstoffe in ausreichenden Mengen und Qualitäten können nur erreicht werden, wenn den Unternehmen die Bewältigung dieser Herausforderungen gelingt. Die politischen Entscheidungsträger auf europäischer Ebene und in den Mitgliedstaaten sind gefordert, bei der Umsetzung des Action Plans hierbei zielgerichtete Unterstützung zu leisten. Auf EU-Ebene muss deshalb ein passgenauer Förder- und Unterstützungsrahmen entwickelt werden.
Null-Schadstoff-Ziel für eine schadstofffreie Umwelt Das Ziel einer schadstofffreien Umwelt ist abstrakt unbestritten erstrebenswert, aber unrealistisch. Es ist unwahrscheinlich, dass mit verhältnismäßigem Aufwand eine Null-Schadstoff-Umwelt erreicht werden kann. Vielmehr muss ein risikobasierter Ansatz in der Mitte der politischen Diskussion stehen. Denn nicht jeder Stoff ist in jeder Konzentration umweltund gesundheitsgefährdend. Ein Null-Schadstoff-Aktionsplan ist nicht erforderlich. Die bestehende spezifische Gesetzgebung zu Wasser, Luft, Chemikalien usw. erfüllt ihren Zweck und stellt ein hohes Umwelt- und Gesundheitsschutzniveau sicher. Bei einer nachhaltigen Chemikalienpolitik kommt es auf eine verantwortliche Gestaltung umweltpolitischer Rahmenbedingungen an. Im Vordergrund sollte die sichere und nachhaltige Verwendung von chemischen Produkten sowie deren Nutzen stehen. Eine Berücksichtigung neuer Aspekte und Risiken im europäischen Chemikalienrecht muss stets auf Basis von fundierten wissenschaftlichen Risikobewertungen erfolgen. Hierbei müssen alle Aspekte der Nachhaltigkeit berücksichtigt werden. Zielkonflikte, die sich durch die Chemikalienstrategie mit anderen Säulen des Green Deal (EUIndustriestrategie, Aktionsplan Kreislaufwirtschaft, Digitalisierungsstrategie) ergeben könnten, müssen dringend vermieden und Synergien genutzt werden. Die Deutsche Industrie begrüßt einen Ansatz, dass eine Nachhaltigkeitsstrategie für Chemikalien auf Erkenntnissen, die aus aktuellen Bewertungen bestehender Chemikalienregulierungen gewonnen wurden, aufbauen soll. Hierbei sollten die im Rahmen der REFITBewertung identifizierten Verbesserungspotentiale voll ausgeschöpft und Aspekte, die zur Vereinfachung des Rechtsrahmens beitragen können, www.bdi.eu
berücksichtigt werden. REACH muss auch weiterhin das Hauptinstrument zur Evaluierung, Zulassung und Beschränkung von Chemikalien sein. Ein besonderes Augenmerk sollte auf andere sektorspezifische Regelungen mit Chemikalienbezug (z. B. RoHS-Richtlinie) gelegt werden. Um Doppelregelungen und -arbeiten zu vermeiden, ist eine kohärente und konsistente europäische Chemikalienpolitik notwendig. In der europäischen Chemikalienregulierung sollte der risikobasierte Ansatz anerkannt und weiter gestärkt werden. Regulierungsentscheidungen (Verbote, Beschränkungen, Genehmigungen etc.) sollten zwingend auf Basis fundierte wissenschaftliche Risikobewertungen erfolgen. Der BDI plädiert für eine Revision der Wasserrahmenrichtlinie. Die Richtlinie hat sich als Instrument des Gewässerschutzes bewährt und wesentlich zu einer nachhaltigen Wasserpolitik beigetragen. Aufgrund von EuGH-Entscheidungen besteht für die Bewertungsmaßstäbe des Verbesserungsgebots und des Verschlechterungsverbots jedoch eine erhöhte Rechtsunsicherheit in Hinblick auf die wasserrechtlichen Genehmigungsverfahren. In der Wasserrahmenrichtlinie fehlen zudem konkrete Regelungen, die die stärkere Berücksichtigung öffentlicher und wirtschaftlicher Interessen in der notwendigen Abwägung gegenüber Umweltbelangen ermöglichen. Zudem ist bereits jetzt absehbar, dass festgeschriebene Ziele bis 2027 nicht erreicht werden können, was zu starken Unsicherheiten bei den zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten führt. Nur über eine Revision kann Rechts- und Planungssicherheit für künftige Investitionen und bestehende Anlagen in der Industrie geschaffen werden. Eine Revision der Richtlinie über Industrieemissionen ist dagegen nicht erforderlich, da die Ziele der Richtlinie, die Verbesserung der Umweltqualität sowie die Gewährleistung eines Level Playing Field, erreicht werden. Zudem gewährleistet das in der Richtlinie verankerte BVT-Verfahren, dass beste verfügbare Techniken für Industrieanlagen einer ständigen Überprüfung unterliegen und fortlaufend weiterentwickelt werden. Hingegen muss die Aus-gestaltung des Verfahrens zur Festlegung der BVT als solches in erheblichem Umfang verbessert werden. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass auch die Ziele der EU zur Reduzierung von Treibhausgasen keinen Anlass zur Änderung der IED geben. Für die Treibhausgasminderung stehen bereits andere effektive Instrumente – insbesondere das EUTreibhausgasemissionshandelssystem – zur Verfügung. Ebenso wenig ist eine Revision der europäischen Luftqualitätsrichtlinien erforderlich. Die Kommission kommt in ihrem jüngst veröffentlichten Bericht zur Überprüfung dieser Richtlinien zu dem Ergebnis, dass die aktuelle Gesetzgebung die notwendigen Instrumente bereitstellt, um bestehende Herausforderungen zu meistern. Die Richtlinien haben effektiv zur Verbesserung der Luftqualität und der Erreichung hoher Luftqualitätsstandards beigetragen. Soweit diese noch nicht vollständig www.bdi.eu
erreicht wurden, ist dies im Wesentlichen auf eine mangelnde Umsetzung bzw. Anwendung europäischen Rechts in den Mitgliedstaaten zurückzuführen, nicht jedoch auf Schwächen der europäischen Vorgaben. In der Vergangenheit sind Initiativen zur Schaffung eines EU-Rechtsrahmens für den Bodenschutz am Widerstand der Mitgliedsstaaten gescheitert, weil das Umweltmedium „Boden“ keine grenzüberschreitende Wirkung hat („Subsidiarität“). Dies erkennt auch die Kommission in ihrer jüngsten Roadmap zu einer künftigen Bodenschutzstrategie an. Die Einführung eines EU-Rechtsrahmens für den Boden sollte daher auch zukünftig in Hinblick auf das Subsidaritätsprinzip unterbleiben. Hinzu kommt, dass die Belange des Bodenschutzes in mehreren Mitgliedstaaten überzeugend geregelt sind. Es ist also fraglich, warum die Kommission überhaupt Regelungen zum Bodenschutz in Betracht ziehen sollte. Aufgrund der über 300 verschiedenen Bodentypen in Europa und der daraus resultierenden großen nationalen Unterschiede sollte es jedem Mitgliedsland überlassen sein, den Bodenschutz in-dividuell zu regeln.
Schutz, Erhaltung und Wiederherstellung der biologischen Vielfalt und Verbesserung des Naturkapitals Die Fortschreibung der bestehenden Biodiversitätsstrategie 2020 der EU bis 2030 ist selbstverständlich und zu begrüßen. Jedoch lehnt der BDI es ab, die in der Strategie verankerten freiwilligen Ziele auf europäischer Ebene verbindlich festzulegen. Anstatt neue Standards oder Richtlinien für Biodiversität in der Handels-, Industrie-, Landwirtschafts- und Wirtschaftspolitik zu schaffen, sollten viel-mehr die Natura 2000-Richtlinien der heutigen Zeit angepasst werden. Eine stärkere Fokussierung auf Biodiversität und eine bereits von der Kommission diskutierte Einführung von Abgaben auf Ökosystemdienstleistungen lehnt die deutsche Industrie ebenfalls ab, da dies in die Zuständigkeit der nationalen Gesetzgeber fällt.
3. Zu Artikel 3 - Voraussetzungen für die Verwirklichung der prioritären Ziele Gewährleistung einer wirksamen und effizienten Umsetzung der Rechtsvorschriften der Union in den Bereichen Umwelt- und Klimaschutz Der BDI begrüßt die Zielsetzung einer besseren Umsetzung und Anwendung europäischen Umweltrechts auf allen Ebenen. Nur wenn dies geschieht lassen sich die mit den Rechtsvorschriften gesteckten Umweltziele tatsächlich erreichen. Häufig sind mangelnde Erfolge im europäischen Umweltschutz darauf zurückzuführen, dass entsprechende Vorschriften falsch oder unvollständig in nationales Recht umgesetzt bzw. in der Praxis www.bdi.eu
nicht richtig angewendet werden. In ihrer Evaluierung des 7. Umweltaktionsprogramms hat die Kommission zu Recht auf die mangelnde Umsetzung und Anwendung bestehenden Umwelt-rechts in den Mitgliedstaaten hingewiesen. Abgesehen von der Nichterreichung gesetzter Umweltziele führt die unterschiedliche Anwendung europäischer Umweltrechts auch zu wettbewerbsverzerrenden Situationen zwischen den Mitgliedstaaten, die dem europäischen Binnenmarkt zuwiderlaufen und dessen Funktionieren beeinträchtigen. Das Ziel der besseren Umsetzung und Anwendung bestehenden Rechts darf zudem nicht isoliert betrachtet werden. Europäisches Umweltrecht muss in seiner Ausgestaltung auch umsetzbar und anwendbar sein. Darauf ist bei der Gesetzgebung im Rahmen der Grundsätze und Prinzipien der besseren Rechtsetzung verstärkt zu achten.
Stärkung des integrierten Ansatzes für die Politikentwicklung und umsetzung Der BDI unterstützt auch das Ziel eines gestärkten integrierten Ansatzes. Insbesondere ist zu begrüßen, dass neben der Integration der prioritären Ziele des 8.UAP in alle einschlägigen Strategien, legislativen und nichtlegislativen Initiativen, Programmen und Investitionen - neben ökologischen Aspekten auch wirtschaftliche und soziale Belange Beachtung finden soll. Jedoch sollte in diesem Zusammenhang auch die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit der europäischen Wirtschaft und insbesondere der Industrie explizit mit einbezogen werden. Wie bereits dargelegt, ist eine wettbewerbsfähige Industrie mit ihren innovativen technologischen Lösungen der Schlüssel für eine nachhaltige Entwicklung und die Voraussetzungen, für die nötigen Billioneninvestitionen in Klima- und Umweltschutz. Europäisches Umweltund Klimarecht muss diesen Umstand konzeptionell mitdenken.
Nachhaltige Investitionen aus öffentlichen und privaten Quellen Der BDI unterstützt nachdrücklich eine Strategie, mit der die Finanzierung der im europäischen Green Deal formulierten Ziele gewährleistet wird. Der enorme Bedarf an Investitionen in der Industrie, in Gebäuden, im Verkehrswesen und in anderen Bereichen, um die ehrgeizigen mittel- und langfristigen Klimaziele der EU zu erfüllen, ist offensichtlich. Die meisten dieser transformativen Investitionen müssen durch staatliche Beihilfen, entsprechende Regulierung, neue Marktstandards und neue Finanzinstrumente unterstützt werden, die das Risiko einer mittelfristigen Kohlenstoffpreisgestaltung absichern. Die europäischen Institutionen müssen die Regeln für diese Investitionen in einem Binnenmarktrahmen festlegen. Neben den Investitionen in den Klimaschutz müssen auch
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Investitionen in den Umweltschutz, insbesondere im Bereich Circular Economy, entsprechend unterstützt werden. Die Kommission muss Mechanismen einrichten, um sicherzustellen, dass die Mittel der NextGenerationEU auf nationaler Ebene angemessen für Projekte verwendet werden, die zum grünen und digitalen Übergang führen länderübergreifende Projekte sollten gefördert werden, eine Plattform für den Austausch bewährter Verfahren sollte eingerichtet werden. Der BDI fordert nachdrücklich eine Stärkung des integrierten Ansatzes für die Politikentwicklung und -umsetzung, insbesondere durch besonderes Augenmerk auf Synergien und mögliche Kompromisse zwischen wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Zielen, der Vorbereitung von Folgenabschätzungen, der Mobilisierung nachhaltiger Investitionen, der Modernisierung des EU Beihilferechts, der Gewährleistung, dass umweltpolitische Strategien und Maßnahmen auf den besten wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen, der Nutzung des Potenzials der Digital- und Datentechnik, der Transparenz, und der Schaffung weltweiter Akzeptanz der prioritären Ziele, und der Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens im Besonderen.
4. Zu Artikel 4 – Überwachungsrahmen Der BDI begrüßt das Ziel einer effektiveren Überwachung des europäischen Klima- und Umweltrechts. Sie ist die Voraussetzung für eine gute und effektive Anwendung dieses Rechts und erleichtert so die Erreichung der im Umwelt- und Klimarecht festgelegten Ziele. Jedoch darf der geplante neue Überwachungsrahmen nicht zur Schaffung doppelter Überwachungsmechanismen führen. In der Begründung des Vorschlags zum 8. UAP wird darauf verwiesen, dass der geplante Überwachungsrahmen „bestehende Überwachungs-, Berichterstattungs- und Governance-Rahmen und -Tätigkeiten, die die Umwelt- und Klimapolitik betreffen, unberührt“ lasse (S. 5 des Vorschlags). Aus Überwachungsmechanismen resultierende Pflichten zu Berichterstattung, Datenbereitstellung etc. richten sich in erster Linie an Mitgliedstaaten und Behörden. Jedoch sind hiervon auch (indirekt) Unternehmen und andere Stakeholder betroffen. Die Schaffung des neuen Überwachungsrahmens sollte dazu genutzt werden, das bestehende System kritisch auf seine Effizienz zu überprüfen. Ziel sollte es sein, den Aufwand für Berichtspflichten, Datenbereitstellung etc. tendenziell zu reduzieren. Für die Überwachung der Verwirklichung der EU-Klimaziele sind die Nationalen Energie- und Klimapläne sowie die jährlichen Berichte der Europäischen Kommission zum Stand der Energieunion richtungsweisend und weit über den Überwachungsrahmen des 8. UAP hinausgehend. Zudem
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bieten die regelmäßigen Berichte und Veröffentlichungen der Internationalen Energieagentur eine verlässliche Grundlage für die Einordnung der Auswirkungen der EU-Klimamaßnahmen im globalen Kontext. Klimaschutz braucht globale Antworten und insofern auch einen belastbaren globalen Überwachungsrahmen für unseren Planeten. Der BDI fordert die deutsche Bundesregierung und die EU daher auf, die Implementierung des Pariser Klimaschutzabkommens, seine Einhaltung und Überwachung dringend international voranzubringen.
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Über den BDI Der BDI transportiert die Interessen der deutschen Industrie an die politisch Verantwortlichen. Damit unterstützt er die Unternehmen im globalen Wettbewerb. Er verfügt über ein weit verzweigtes Netzwerk in Deutschland und Europa, auf allen wichtigen Märkten und in internationalen Organisationen. Der BDI sorgt für die politische Flankierung internationaler Markterschließung. Und er bietet Informationen und wirtschaftspolitische Beratung für alle industrierelevanten Themen. Der BDI ist die Spitzenorganisation der deutschen Industrie und der industrienahen Dienstleister. Er spricht für 40 Branchenverbände und mehr als 100.000 Unternehmen mit rund 8 Mio. Beschäftigten. Die Mitgliedschaft ist freiwillig. 15 Landesvertretungen vertreten die Interessen der Wirtschaft auf regionaler Ebene.
Impressum Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) Breite Straße 29, 10178 Berlin www.bdi.eu T: +49 30 2028-0 Ansprechpartner Dr. Alexander Kessler Senior Manager – Umwelt, Technik, Nachhaltigkeit Telefon: +3227921007 a.kessler@bdi.eu Sigrid Linher Senior Manager - Energie und Klimapolitik Telefon: +3227921004 s.linher@bdi.eu BDI Dokumentennummer: D 1300
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