EU-Warenkaufrichtlinie

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Reg-E EU-Warenkaufrichtlinie

Stellungnahme

Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags

Reg-E EU-Warenkaufrichtlinie Langtitel, Beispiel: (Arial, 20 Pt, fett) Referentenentwurf/ Regierungsentwurf Gesetz zur Modernisierung der Netzentgeltstruktur

Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.

Stand: 19.03.2021 Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.


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Überblick Der Regierungsentwurf (Reg-E) sieht eine weitestgehende Umsetzung der Vorgaben der EU-Warenkaufrichtlinie 2019/771 in den speziellen Normen des Verbrauchsgüterkaufrechts (§§ 474 ff. BGB) vor. Wir befürworten die Umsetzung der Richtlinienvorgaben, welche ausschließlich Verträge zwischen Verbrauchern und Unternehmen (B2C) zum Gegenstand haben, in den speziellen Regelungen des Verbrauchsgüterkaufrechts. Insofern begrüßen wir insbesondere, dass die von der Warenkaufrichtlinie vorgegebene (Software-)Aktualisierungspflicht nur im Verbrauchsgüterkaufrecht vorgesehen ist; im Industriegüterbereich besteht auch kein Bedürfnis für eine solche Pflicht, da (Software-)Aktualisierungen regelmäßig Gegenstand von sog. „Support- und Pflegeverträgen“ sind. Wir begrüßen auch, dass die Dauer der Beweislastumkehr im Verbrauchsgüterkaufrecht nur auf ein Jahr erhöht werden soll und dass an den etablierten Verjährungsfristen des kaufrechtlichen Mängelgewährleistungsrechts festgehalten wird. Durch diese Verjährungsfristen wird ein angemessener Ausgleich zwischen den Interessen der Käufer an Gewährleistung und der Verkäufer an Rechtsfrieden und Planungssicherheit erreicht. Im Übrigen besteht aufgrund der Richtlinie hier auch kein Anpassungsbedarf. Soweit die Vorgaben der Warenkaufrichtlinie jedoch im allgemeinen Kaufrecht und damit auch für Verträge zwischen Unternehmen (B2B) umgesetzt werden sollen, wird verkannt, dass handels- bzw. kaufvertragliche Beziehungen zwischen Unternehmen (B2B) und solche zwischen Unternehmen und Verbrauchern (B2C) sich in der Realität maßgeblich unterscheiden, was auch in den gesetzlichen Rahmenbedingungen zum Ausdruck kommen muss. Die kaufvertraglichen Beziehungen zwischen Unternehmen müssen rein praktisch, auch aus ökonomischen Gesichtspunkten, anderen Anforderungen genügen als Verträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern. Im B2BBereich und speziell dem Industriegüterbereich ist es unerlässlich die Flexibilität des geltenden, allgemeinen Kaufrechts zu erhalten. Eine überschießende Umsetzung verbraucherschützender Vorgaben im B2B-Bereich würde nicht nur unnötig die Unternehmen in ihren Gestaltungsmöglichkeiten beschränken, sie würde die Unternehmen auch erheblich belasten, da die etablierte und anerkannte handels- bzw. kaufvertragliche Praxis im B2B-Bereich umgestellt und unzählige Verträge angepasst werden müssten, ohne dass hierfür in der Realität eine Veranlassung bestünde. Dies würde zudem mit erheblicher Rechtsunsicherheit für die Geschäftspraxis von Unternehmen im B2B-Bereich einhergehen. Seite 2 von 13


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Diese negativen Folgen würden durch die im Reg-E beabsichtigte Änderungen von zwei maßgeblichen kaufvertraglichen Regelungen entstehen, dem § 434 BGB, der den Vorrang von Beschaffenheitsvereinbarungen normiert und der geplanten Streichung der Verjährungsablaufhemmungsfrist in § 445b BGB-E für Ansprüche von Verkäufern gegen ihre Lieferanten. 1. Vorrang der Beschaffenheitsvereinbarung im B2B-Bereich erhalten – § 434 BGB-E 1.1 Status quo Bisher ist in § 434 Abs. 1 Satz 1, 2 BGB ein Vorrang der Beschaffenheitsvereinbarung geregelt: „Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln, [wenn]…“ Das heißt, wenn die Beschaffenheit einer Ware bzw. Sache vereinbart wurde, sind die in der Beschaffenheitsvereinbarung enthalten Spezifikationen der Maßstab für die (Sach-)Mangelfreiheit und nicht die abstrakten und im Einzelfall auslegungsbedürftigen Anforderungen des gesetzlichen Leitbildes. Für Kaufverträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern mögen die abstrakten Anforderungen nach dem gesetzlichen Leitbild des § 434 BGB – Eignung für die vorausgesetzte oder übliche Verwendung (vgl. § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 BGB) – als Beurteilungsmaßstab geeignet sein; Verbraucher stellen regelmäßig keine detaillierten und spezifischen Anforderungen an das erworbene Produkt, weshalb die Auslegung, was die vorausgesetzte oder übliche Verwendung des gleichen Produkts ist, bei der überwiegenden Anzahl von Verträgen zwischen Unternehmen und Verbrauchern über das gleiche Produkt zu gleichen Ergebnissen kommen dürfte. Dementsprechend ist eine Identifikation allgemeingültiger, objektiver Anforderungen an ein Produkt, damit es den Anforderungen an die vorausgesetzte oder übliche Verwendung genügt, für die Mehrzahl von Verträgen zwischen Unternehmen und Verbrauchern möglich. Dies gilt jedoch nicht für den Industriegüterbereich. Einkäufer im B2B-Bereich haben aufgrund ihrer Expertise sehr konkrete und spezifische Produktanforderungen, die sich auch in detaillierten Ausschreibungsunterlagen und Beschaffenheitsvereinbarungen niederschlagen. Überdies ist es aufgrund der Vielzahl von Einsatzbereichen bzw. Verwendungsmöglichkeiten für dasselbe Industriegut deutlich schwerer (wenn überhaupt) möglich, allgemeingültige bzw. „übliche“ objektive Anforderungen an das gleiche Produkt für Seite 3 von 13


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eine Vielzahl von Verträgen zu ermitteln. Im B2B-Bereich kann daher ohne vorrangige Beschaffenheitsvereinbarungen keine Rechtssicherheit bzgl. der Anforderungen erlangt werden, denen das Produkt genügen muss, um mangelfrei zu sein. 1.2 Auswirkungen der Änderungen auf den B2B-Bereich Nach der Neukonzeption in § 434 BGB-E werden die abstrakten und auslegungsbedürftigen Anforderungen an die Mangelfreiheit eines Produkts nun aufgeteilt; es müssen kumulativ, die subjektiven (§ 434 Abs. 2 BGB-E) und objektiven Beschaffenheitsanforderungen (§ 434 Abs. 3 BGB-E) sowie Anforderungen an eine etwaige Montage (§ 434 Abs. 4 BGB-E) vorliegen, damit eine Sache mangelfrei ist. Eine vorrangige Beschaffenheitsvereinbarung soll aber nur noch für die objektiven Beschaffenheitsanforderungen, u. a. deren Eignung „für die gewöhnliche Verwendung“ möglich sein (vgl. § 434 Abs. 3 erster Halbsatz BGB-E: „Soweit nicht wirksam etwas anderes vereinbart wurde, …“). Zudem ist fraglich, was im Rahmen der Beurteilung der „Wirksamkeit“ einer Beschaffenheitsvereinbarung für Anforderungen gestellt werden. Insbesondere ist fraglich, ob Beschaffenheitsvereinbarungen einen konkreten Bezug zu den jeweiligen Anforderungen des gesetzlichen Leitbildes enthalten müssen, von denen abgewichen werden soll und wenn ja, ob die Abweichung auch erläutert werden muss. Im Übrigen ist unklar, welche Bedeutung eine Beschaffenheitsvereinbarung im Hinblick auf die Beurteilung der subjektiven Beschaffenheitsanforderungen des § 434 Abs. 2 BGB-E haben soll. Nach der Neukonzeption des § 434 BGB-E sind diese subjektiven Beschaffenheitsanforderungen in jedem Fall zu prüfen, auch wenn eine Vereinbarung nach § 434 Abs. 3 Satz 1 erster Halbsatz „wirksam“ vereinbart wurde. Zu den subjektiven Beschaffenheitsanforderungen gehört nach § 434 Abs. 2 Nr. 2 BGB-E auch die Eignung der Sache „für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung“. Nach dem geltenden § 434 BGB kommt es jedoch nur auf die „nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung“ an, wenn keine vorrangige Beschaffenheitsvereinbarung vereinbart wurde. Die Gleichrangigkeit von Beschaffenheitsvereinbarung und subjektiven Beschaffenheitsanforderungen würde im B2BBereich zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen; eine Beschaffenheitsvereinbarung hätte zwar Vorrang gegenüber dem Merkmal der „Eignung der Sache für die gewöhnliche Verwendung“, als objektive Beschaffenheitsanforderung, nicht aber Vorrang gegenüber der „Eignung der Sache für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung“, als subjektive Beschaffenheitsanforderung. Wann eine Eignung für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Seite 4 von 13


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Verwendung vorliegt, wird jedoch im Vorfeld oft nur sehr schwer möglich sein, zu bestimmen. Relevant ist dies insbesondere bei sog. „dual-use-Produkten“ mit verschiedenen Verwendungsmöglichkeiten, wie Computertomographen, die für human- wie auch für tiermedizinische Zwecke verwendet werden können. 1.3 Belastung des B2B-Bereichs nicht nach der EU-Richtlinie erforderlich Ohne Erhalt des im geltenden § 434 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB bisher (auch) für den B2B-Bereich normierten, so wichtigen und unerlässlichen Vorrangs der Beschaffenheitsvereinbarung entstünden für die Wirtschaft erhebliche und unnötige Belastungen im B2B-Bereich. Eine Streichung des § 434 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB für Kaufverträge im B2B-Bereich ist zudem nicht durch die Vorgaben der Warenkaufrichtlinie – die Richtlinie enthält nur Vorgaben für Verträge zwischen Verbrauchern und Unternehmen (B2C) – veranlasst. Nach der Gesetzesbegründung (S. 21 ff.) sollen die Richtlinienvorgaben auch nur 1:1 und damit nicht in überschießender Weise auch für den B2B-Bereich umgesetzt werden, um eine zusätzliche Belastung des B2B-Bereichs zu vermeiden. Für Kaufverträge zwischen Unternehmen (B2B), insbesondere im Industriegüterbereich, ist es essenziell, spezielle, umfassende und den abstrakten Beschaffenheitsanforderungen des gesetzlichen Leitbildes des § 434 BGB vorrangige Beschaffenheitsvereinbarungen treffen zu können. Industriegüter sind häufig nicht nur für einen spezifischen Einsatz- bzw. Verwendungszweck geeignet, sondern können je nach Branche in unterschiedlichster Weise genutzt werden. Dies betrifft u. a. die Frage, ob und wie das konkrete Industriegut, z. B. Maschinen, mit anderen Maschinen im Produktionsbereich zusammenwirken soll. Im Hochtechnologiebereich werden so i. d. R. keine „verobjektivierbaren“ Anforderungen an die konkrete Ware rechtssicher und widerspruchsfrei gefunden werden können. Im Bereich der Industrie-Steuerungen gibt es beispielsweise eine Vielzahl von Steuerungen, die in unterschiedlichen Anwendungsbereichen eingesetzt werden. Die konkreten Produkteigenschaften werden aber erst in einer zugehörigen (Produkt-)Spezifikation beschrieben. Ebenso werden in den Bereichen disruptiver High-Tech-Produkte oder auch innovativen Produkten und Lösungen für professionelle Anwendungen – mitunter in Abhängigkeit von Hersteller und/oder Produkt – Waren angeboten, die auf unterschiedlichen technologischen Funktionsweisen und Seite 5 von 13


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technologischen Parametern basieren, aber für die Käufer den gleichen Zweck erfüllen. In einem solch technologisch divergierenden und heterogenen Umfeld ließen sich – auch aus Sicht der Käufer und Verkäufer – kaum objektive Anforderungen rechtssicher etablieren. Dies betrifft auch das nach § 434 Abs. 3 Satz 2 BGB-E zur üblichen Beschaffenheit, wie sie der Käufer erwarten kann, gehörende Merkmal der Haltbarkeit. So könnten technisch und funktional faktisch neuwertige, wiederaufbereitete Geräte unter Umständen nicht den objektiven Anforderungen genügen, obwohl die Produkte der vereinbarten funktionalen Beschaffenheit vollends entsprechen und durch die Wiederaufbereitung („Refurbishment“) regelmäßig sogar zu einem besseren Preis-Leistungs-Verhältnis angeboten werden können. Daher würde die Abschaffung des bisherigen Vorrangs der Beschaffenheitsvereinbarung auch für das Angebot solcher Produkte, die unter ökologischen Gesichtspunkten und zur Förderung einer Kreislaufwirtschaft wünschenswert wären, zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen. 1.4 Vorschlag für eine gesetzliche Klarstellung zum Erhalt des Vorrangs der Beschaffenheitsvereinbarung im B2B-Bereich Um die Rechtsicherheit der kaufvertraglichen Praxis im B2B-Bereich nicht unnötig zu gefährden, muss für Verträge zwischen Unternehmen (B2B) auch weiterhin der Vorrang von Beschaffenheitsvereinbarungen gelten und die Anforderungen an solche Beschaffenheitsvereinbarungen dürfen nicht verändert werden. Dies könnte mittels einer klarstellenden Formulierung in einem neuen § 434 Abs. 1a BGB-E erfolgen, der folgendermaßen lauten könnte: „(1a) Bei Verträgen zwischen Unternehmen ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrenübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen entspricht.“ 2. Klarstellung der Formulierung zu Montaganforderungen in § 434 Abs. 4 Nr. 2 BGB-E – Mangel in der Montageanleitung In § 434 Abs. 4 BGB-E werden die Montageanforderungen normiert, denen eine Sache genügen muss, um sachmangelfrei zu sein. In § 434 Abs. 4 Nr. 2 BGB-E werden Sachmängel aufgrund eines Mangels (Fehlers) in der Montageanleitung erfasst. Nach der Gesetzesbegründung (S. 23) soll die Seite 6 von 13


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Neuregelung des § 434 Abs. 4 BGB-E dem bisherigen § 434 Abs. 2 BGB entsprechen und Art. 8 der Warenkaufrichtlinie umsetzen. Der Wortlaut des § 434 Abs. 2 Satz 2 BGB und von Art. 8 lit. b) Warenkaufrichtlinie bringen jedoch im Gegensatz zur Regelung im Reg-E klar zum Ausdruck, dass der Käufer grundsätzlich darlegen und beweisen muss, dass die Fehlerhaftigkeit der Montage – die nicht zur vertraglichen Pflicht des Verkäufers (oder seiner Gehilfen) gehörte – auf einem Mangel in der Montageanleitung basiert; fehlerhafte Montagen durch den Käufer, die nicht auf einem Mangel der Montageanleitung basieren, sind gerade kein Sachmangel. Diese nach geltendem Recht und auch von der Warenkaufrichtlinie zugrunde gelegte Verteilung der Darlegungs- und Beweislast für Mängel in der Montageanleitung kommt im Wortlaut des § 434 Abs. 4 Nr. 2 BGB-E jedoch nicht ausreichend zum Ausdruck, so dass es hier einer klarstellenden Anpassung des Wortlautes bedarf. Einen Vorschlag für einen entsprechend klargestellten Wortlaut des § 434 Abs. 4 BGB-E finden Sie nachfolgend – Abweichungen vom Wortlaut des Reg-E sind in rot und durch Streichung hervorgehoben: (4) Die Sache entspricht nicht den Montageanforderungen, wenn die Montage 1. durch den Verkäufer oder dessen Erfüllungsgehilfen unsachgemäß durchgeführt worden ist oder 2. bei einer zur Montage durch den Käufer bestimmten Sache aufgrund eines zwar unsachgemäß durchgeführt worden ist, dies jedoch weder auf einer unsachgemäßen Montage durch den Verkäufer noch auf einem Mangels in der vom Verkäufer übergebenen Anleitung beruht unsachgemäß durgeführt worden ist. Alternativ zum obigen Änderungsvorschlag könnte auch durch eine Ergänzung des Wortlautes im Reg-E klargestellt werden, dass der Käufer die Beweislast dafür trägt, dass ein Montagefehler vorliegt. Hierfür käme folgender neuer Halbsatz am Ende von § 434 Abs. 4 Nr. 2 BGB-E in Betracht: „…beruht, die bzw. den der Käufer geltend macht.“ 3. Keine Streichung der Ablaufhemmungsfrist für die Verjährung von Regressansprüchen in der Lieferkette – § 445b Abs. 2 Satz 2 BGB Derzeit sieht § 445b Abs. 2 Satz 2 BGB vor, dass die Hemmung der Verjährung für Mängelgewährleistungsansprüche der Verkäufers gegen seinen Lieferanten und Regressansprüche in der Lieferkette wegen Sachmängeln Seite 7 von 13


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spätestens fünf Jahre nach Ablieferung der Sache endet. Die beabsichtige Streichung der Ablaufhemmungsfrist für die Verjährung solcher Regressansprüche (im Folgenden: „Spätfirst“) würde zu unzumutbarer Rechts- und Planungsunsicherheit für den B2B-Bereich, insbesondere den Industriegüterbereich, führen. Im B2B-Bereich brauchen Unternehmen die mit der Spätfrist verbundene Rechtssicherheit, um verlässlich die notwendigen Rückstellungen zeitlich begrenzen zu können und damit Kapital nicht unnötig lange zu binden. Der Gesetzgeber hatte erst in der letzten Legislaturperiode genau aus diesen Gründen die Spätfrist eingeführt (vgl. BT-Drs. 18/8486, S. 42: „Im Interesse der Rechtssicherheit für den Lieferanten wird […] eine Obergrenze von fünf Jahren ab Ablieferung der Sache gesetzt.“). Ohne die Spätfrist des § 445b Abs. 2 Satz 2 BGB wären Unternehmen, die Lieferanten des Verkäufers sind oder noch weiter in der Lieferkette „vorgeschaltet“ sind, unverhältnismäßig lange dem Risiko einer Inanspruchnahme ausgesetzt. Hier ist insbesondere zu berücksichtigen, dass Lieferanten keinen Einfluss darauf haben, wie lange ein Verkäufer die vom Lieferanten abgelieferten Produkte lagert, bevor er sie tatsächlich weiterverkauft. Auf die gesamte Lieferkette bezogen würde die Streichung der Spätfrist daher zu einer nahezu unendlichen Rückgriffshaftung (§ 445b Abs. 2 BGB) der Unternehmen in der Lieferkette führen. Dies widerspräche dem Grundgedanken von Verjährungsregelungen, die unter angemessener Risikoverteilung Rechtsfrieden schaffen sollen, indem zu einem bestimmten Zeitpunkt feststeht, dass aus dem jeweiligen Rechtsverhältnis, hier Kaufverträge, keine Ansprüche mehr bestehen. Ohne die Spätfrist des § 445b Abs. 2 Satz 2 BGB müssten Unternehmen für den gesamten Zeitraum, in dem sie potenziell einem Sachmangelgewährleistungsanspruch (§ 437 BGB) bzw. Regress-/Rückgriffsansprüchen (§ 445a BGB) ausgesetzt sein könnten, entsprechende Rückstellungsbeträge bilden und vorhalten. Die Kapitalbindung durch solche Rückstellungen stünde nicht nur in zeitlicher, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht außer Verhältnis. Auch die Preiskalkulation der Unternehmen würde maßgeblich beeinflusst, so dass es zu wesentlichen Erhöhungen der Kaufpreise für die Waren käme. Eine solche Erhöhung der Preise wird jedoch weder durch die Warenkaufrichtlinie, die ausschließlich Vorgaben für Verträge zwischen Verbrauchern und Unternehmen enthält, vorgegeben noch bezweckt. Auch die Vorgaben der Warenkaufrichtlinie für (Software-)Aktualisierungen begründen keine Pflicht, die Spätfrist des § 445b Abs. 2 Satz 2 BGB zu streichen, wie es die Gesetzesbegründung (S. 27) vermuten lassen würde. Die Seite 8 von 13


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Aktualisierungspflicht begründet gerade keine abweichende Risikoverteilung im Verhältnis des Verkäufers zu seinen Lieferanten, die eine nahezu unendliche Inanspruchnahme in der Lieferkette rechtfertigen würde. Überdies sieht Art. 18 der Warenkaufrichtlinie sogar explizit vor, dass das nationale Recht die Bedingungen für Rückgriffsansprüche des Verkäufers gegen seine Lieferanten, auch hinsichtlich Verletzungen der Aktualisierungspflicht, bestimmt. Hierzu zählen auch Verjährungsregelungen, wie die Spätfrist des § 445b Abs. 2 Satz 2 BGB, so dass eine Streichung derselben gerade nicht zur Umsetzung der Warenkaufrichtlinie erforderlich oder geboten ist. Die Spätfrist des § 445b Abs. 2 Satz 2 BGB sollte daher unverändert beibehalten und nicht gestrichen werden. 4. Verhinderung einer „Kettengewährleistung“ durch gesetzliche Klarstellung – Hemmung statt Neubeginn der Verjährung bei Nacherfüllung Bereits im geltendem Recht ist nicht normiert, dass Nacherfüllungshandlungen (Reparatur oder Ersatzlieferung) nur eine Hemmung (Pausierung der Verjährungsfrist) statt einen Neubeginn der Verjährungsfristen des § 438 BGB für Mängelgewährleistungsansprüche bewirken. In § 438 BGB werden nur die Verjährungsfristen (Zeiträume) für die Mängelgewährleistungsrechte aus dem Kaufvertrag geregelt. Für die Hemmung oder den Neubeginn der Verjährung von Mängelgewährleistungsansprüchen, wie dem Nacherfüllungsanspruch (§§ 437 Nr. 1, 439 BGB), gelten die allgemeinen Regelungen in §§ 203 ff. BGB. Aus § 439 Abs. 1 BGB ergibt sich zwar, dass die Nacherfüllung an den konkreten Mangel anknüpft, aber nicht, dass ein Nacherfüllungsversuch nur zur Hemmung der Verjährungsfristen des § 438 BGB für den konkreten Mangel betreffende Ansprüche führt. Eine Hemmung (Pausierung) der Verjährung ist nach §§ 203 ff. BGB durch verschiedene Handlungen möglich, u. a. wenn Gläubiger (Käufer) und Schuldner (Verkäufer) über das Bestehen der den Anspruch begründenden Umstände verhandeln (§ 203 BGB). Bezogen auf den Nacherfüllungsanspruch des Käufers gegen den Verkäufer müsste dementsprechend über das Vorhandensein eines Mangels der Kaufsache verhandelt werden. Nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 Var. 4 BGB beginnt die Verjährung eines Anspruchs von neuem zu laufen, wenn der Schuldner gegenüber dem Gläubiger den Anspruch „in anderer Weise anerkennt“. Bezogen auf den Nacherfüllungsanspruch des Käufers gegen den Verkäufer aufgrund eines Mangels der Seite 9 von 13


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Kaufsache kann bereits die Vornahme einer Nacherfüllungshandlung durch den Verkäufer ein „Anerkenntnis“ i. S. v. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB darstellen, wenn aus Sicht des Käufers der Verkäufer die Nacherfüllungshandlung im Bewusstsein, dass er (Verkäufer) zur Nacherfüllung verpflichtet ist, vornimmt (vgl. Grothe in Münchener Kommentar zum BGB, § 212 BGB, Rn. 16); die Vornahme einer Nacherfüllungshandlung aus Gründen der Kulanz oder um den Streit mit dem Käufer gütlich beizulegen, reichen hingegen für ein „Anerkenntnis“ i. S. v. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht aus. Die Frage, ob im konkreten Fall vor einer Nacherfüllungshandlung des Verkäufers zwischen Käufer und Verkäufer über das tatsächliche Vorhandsein eines Mangels verhandelt wurde oder die Nacherfüllungshandlung ein Anerkenntnis darstellt, ist in der Praxis daher mit Rechtsunsicherheit verbunden. Als Folge dessen ist es in der Praxis unklar, wann die Verjährung von Mängelgewährleistungsrechten des Käufers eintritt. Dies läuft dem Zweck von Verjährungsregelungen zuwider, die den Zeitpunkt eindeutig bestimmbar machen sollen, wann Rechtsfrieden eintritt – der Zeitpunkt, ab dem keine Pflichten des Schuldners (Verkäufers) aufgrund eines etwaigen Anspruchs mehr bestehen. Aus der Gesamtkonzeption des Mängelgewährleistungsrechts und der Warenkaufrichtlinie ergibt sich, dass grundsätzlich zwei Jahre nach Ablieferung der Sache Verjährung etwaiger Mängelgewährleistungsansprüche und damit Rechtsfrieden eintreten soll, also dass Mängel der Sache zwei Jahre nach Ablieferung grundsätzlich nicht mehr derart relevant sind, dass das Leistungsverhältnis des Kaufvertrags (Kaufpreis gegen Kaufsache) unangemessen beeinträchtigt wäre. Unter Berücksichtigung dessen darf eine Nacherfüllungshandlung des Verkäufers im Verjährungszeitraum nur zu einer Hemmung (Pausierung) des Verjährungsfristablaufs führen und nicht zu einem gänzlichen Neubeginn. Es sollte daher im Gesetz eine entsprechende Klarstellung aufgenommen werden, z. B. in einem neuen § 438 Abs. 6 BGB oder einem neuen § 439 Abs. 1 Satz 2 BGB: „Handlungen des Verkäufers im Rahmen der Nacherfüllung bewirken keinen Neubeginn der Verjährungsfristen des § 438 BGB.“ Dasselbe Problem besteht auch im Mängelgewährleistungsrecht bei Werkverträgen (§ 631 ff. BGB), so dass auch hier eine entsprechende Klarstellung in einem neuen § 634a Abs. 6 BGB oder § 635 Abs. 1 Satz 2 BGB erfolgen sollte: „Handlungen des Unternehmers im Rahmen der Nacherfüllung bewirken keinen Neubeginn der Verjährungsfristen des § 634a BGB.“ Seite 10 von 13


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5. Bestimmbarkeit der Dauer des Aktualisierungszeitraum bei Verbrauchsgüterkäufen ermöglichen Nach § 475b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BGB-E ist der Unternehmer bei einem Verbrauchsgüterkauf über eine Sache mit digitalen Elementen u. a. verpflichtet, (Software-)Aktualisierungen bereitzustellen, die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit der Sache erforderlich sind und zwar „während des Zeitraums, den der Verbraucher aufgrund der Art und des Zwecks der Sache und ihrer digitalen Elemente, sowie unter Berücksichtigung der Umstände und der Art des Vertrags erwarten kann.“ Die Bestimmung der berechtigten Verbrauchererwartung und damit des Aktualisierungszeitraums muss nach der Gesetzesbegründung (S. 33) objektiv erfolgen und kann nicht durch Vertrag geregelt werden. Es bleibt jedoch offen, welche Aspekte bei einer objektiven Bestimmung der Dauer des Aktualisierungszeitraums heranzuziehen sind. Die Gesetzesbegründung (S. 33) führt insofern nur aus, dass „ je nach den Umständen des Einzelfalls verschiedene Aspekte maßgeblich“ sein können. Im Weiteren listet die Begründung beispielhaft Aspekte auf, die im Einzelfall möglicherweise herangezogen werden können: Aussagen in der Werbung, die zur Herstellung der Kaufsache verwendeten Materialien, etwaige Erkenntnisse über die übliche Nutzungs- und Verwendungsdauer („life-cycle“) bei Sachen gleicher Art sowie gegebenenfalls die Frage, inwiefern die Sache weiterhin vertrieben wird und der Umfang des ohne die Aktualisierung drohenden Risikos. Im Ergebnis bleibt daher unklar, was die maßgeblichen Aspekte zur Bestimmung der Dauer der Aktualisierungspflicht sind, da nicht sicher ist, ob von den genannten Aspekten mehrere, einer oder gänzlich andere (in der Gesetzesbegründung nicht genannte) Aspekte heranzuziehen sind. Damit wird erhebliche Rechtsunsicherheit für die Unternehmer und Verbraucher geschaffen, da beide nicht verlässlich bestimmen können, wann nach dem (Verbrauchsgüter-)Kaufvertrag keine Aktualisierungen mehr geschuldet sind. Insbesondere für langlebige Produkte, wie z.B. Haushaltsgeräte oder Fahrzeuge, die jeweils auch zunehmend vernetzt sind, bieten die in der Gesetzesbegründung genannten Aspekte zudem keine hinreichende Auslegungshilfe. So ist hier bereits nicht klar, was mit der üblichen Nutzungs- und Verwendungsdauer bzw. „life-cycle“ gemeint sein soll. Der Gesetzgeber sollte hier aus Gründen der Rechtsklarheit und der Praktikabilität des Umgangs mit den Anforderungen des Seite 11 von 13


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§ 475b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BGB-E, Anhaltspunkte für eine eindeutige und klare Bestimmung der Dauer des Aktualisierungszeitraums, gerade auch in Bezug auf langlebige Produkte, schaffen. 6. Informationspflicht zu Aktualisierungen als Nebenpflicht ausgestalten Die Informationspflicht des Unternehmers über Aktualisierungen in § 475b Abs. 4 Nr. 2 letzter Halbsatz BGB-E sollte nicht als objektive Beschaffenheitsanforderung, sondern als kaufvertragliche Nebenpflicht, z. B. in einem neuen, eigenständigen Absatz des § 475b BGB-E, ausgestaltet werden. Im Gegensatz zu anderen von Art. 7 Abs. 3 der Warenkaufrichtlinie vorgegeben Anforderungen, die sich unmittelbar auf den Zustand bzw. die Beschaffenheit der Sache auswirken, hat die Informationspflicht keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Zustand der Sache. Denn nicht die Information, sondern die Aktualisierung wirkt sich unmittelbar auf den Zustand der Sache aus. Eine Umsetzung der Informationspflicht als kaufvertragliche Nebenpflicht und nicht als objektive Beschaffenheitsanforderung wäre somit auch im Einklang mit den Vorgaben der Warenkaufrichtlinie. Die Regelung der Informationspflicht als kaufvertragliche Nebenpflicht in einem neuen Absatz des § 475b BGB-E könnte folgenden Wortlaut haben: „Der Unternehmer ist verpflichtet, den Verbraucher über Aktualisierungen nach Absatz 4 Nr. 2 zu informieren.“

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Über den BDI Der BDI transportiert die Interessen der deutschen Industrie an die politisch Verantwortlichen. Damit unterstützt er die Unternehmen im globalen Wettbewerb. Er verfügt über ein weit verzweigtes Netzwerk in Deutschland und Europa, auf allen wichtigen Märkten und in internationalen Organisationen. Der BDI sorgt für die politische Flankierung internationaler Markterschließung. Und er bietet Informationen und wirtschaftspolitische Beratung für alle industrierelevanten Themen. Der BDI ist die Spitzenorganisation der deutschen Industrie und der industrienahen Dienstleister. Er spricht für 40 Branchenverbände und mehr als 100.000 Unternehmen mit rund acht Mio. Beschäftigten. Die Mitgliedschaft ist freiwillig. 15 Landesvertretungen vertreten die Interessen der Wirtschaft auf regionaler Ebene. Impressum Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) Breite Straße 29, 10178 Berlin www.bdi.eu T: +49 30 2028-0 Ansprechpartner Sebastian Freimuth Referent, Abteilung Recht, Wettbewerb und Verbraucherpolitik Telefon: +4930 2028 1455 S.Freimuth@bdi.eu BDI Dokumentennummer: D 1351

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