BEWERTUNG | WIRTSCHAFTSPOLITIK | SPD
Das Zukunftsprogramm der SPD „Wichtige Antworten fehlen“
Mai 2021 ▪
Auf ihrem außerordentlichen Bundesparteitag am 9. Mai wird die SPD über ihr Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2021 abstimmen. Unter der Überschrift „Das Zukunftsprogramm – Wofür wir stehen. Was uns antreibt. Wonach wir streben.“ zeichnet die SPD ihre Vision für den Weg Deutschlands der kommenden Jahre.
▪
Das Programm ist in weiten Teilen eine Wunschliste ohne Konkretisierung, wie diese Ziele erreicht werden sollen. In den seltenen Fällen einer Konkretisierung richtet sich diese leider oft gegen diejenigen, die maßgeblich Verantwortung in der Gesellschaft übernehmen.
▪
Positiv sind die zentrale Bedeutung öffentlicher Investitionen und das Ziel, auf Ebene des Bundes ein hohes Investitionsniveau halten zu wollen. Notwendig ist es darüber hinaus aus Sicht der deutschen Industrie, die Anreize für private Investitionen zu erhöhen. Dabei sind die Vorschläge der SPD insbesondere mit Blick auf die Steuerpolitik kontraproduktiv, denn die Pläne zur Wiedereinführung der Vermögensteuer und zur Erhöhung der Einkommensteuer sowie die geplante Verschärfung der Erbschaftsteuer sind Gift für Investitionen und gefährden Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung.
▪
Bei den gut gemeinten Ansätzen der Leitanträge in der Energiepolitik bleiben zentrale Fragen offen. Es ist richtig, für wettbewerbsfähige Industriestrompreise zu sorgen oder die EEG-Umlage vollständig aus dem Bundeshaushalt zu bezahlen. Doch die SPD scheut sich, deutlich zu machen, wie die zukünftige Ausrichtung des Systems aus Steuern, Abgaben und Umlagen aussehen soll. Damit bleibt viel zu vage, wie der Umstieg von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energien in der Industrie auch nur kleine Schritte vorankommen soll, zumal die Belastung auf den Strompreis hoch bleibt.
▪
In der EU-Handelspolitik verfolgt das Zukunftsprogramm sehr einseitig die Durchsetzung sozialökologischer Interessen. So verliert es entscheidende wirtschaftspolitische Impulse des regelbasierten Freihandels aus den Augen, auch zum Nachteil unserer Partnerländer. Die Gefahr, dass Wettbewerber, die unsere Ambitionen auf Nachhaltigkeit nicht teilen, Terrain gewinnen, wird übersehen. Weil jeder zweite Arbeitsplatz in Deutschland vom Export abhängt, trägt dies wenig zur Zukunftssicherung der Beschäftigten in der deutschen Industrie bei.
Das Zukunftsprogramm der SPD
▪
Für ein Programm, das sich selbst als Zukunftsprogramm bezeichnet, wird die technologische Zukunftsfähigkeit wenig zielgerichtet in den Blick genommen. Wenn überhaupt geschieht dies primär aus einer Haltung der Risikominimierung und Regulierung heraus. Positive Innovationskräfte der deutschen Wissenschaft und Wirtschaft zu entfesseln steht jedenfalls an keiner Stelle im Mittelpunkt.
▪
Insgesamt bleiben die Leitanträge weit hinter den Erwartungen der deutschen Industrie zurück. Es fehlt an Visionen und konkreten Ausführungen, wie die großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gelöst werden können. Lösungsvorschläge betreffen überwiegend Maßnahmen auf nationaler Ebene. Zu kurz kommt die Rolle, die Deutschland in der EU und international spielen kann und muss – gerade angesichts weltweiter Herausforderungen. Dazu zählen Covid-19, Nationalismus, Protektionismus, Handelskonflikte, aber auch der Gestaltungswillen für digitalen Wandel und Klimaschutz. Die wichtigen Antworten, wie unsere wirtschaftliche Stärke auch künftig gewährleistet werden soll, fehlen leider weitgehend.
2
Das Zukunftsprogramm der SPD
Inhaltsverzeichnis Industrie- und Wirtschaftspolitik ....................................................................................................... 4 Energie- und Klimapolitik ................................................................................................................... 4 Umwelt, Technik, Nachhaltigkeit ....................................................................................................... 5 Mobilität und Logistik ......................................................................................................................... 5 Steuer- und Finanzpolitik ................................................................................................................... 7 Digitalisierung ..................................................................................................................................... 8 Recht, Wettbewerb und Verbraucherschutz ..................................................................................... 9 Industrielle Gesundheitswirtschaft ................................................................................................. 10 Mittelstand.......................................................................................................................................... 12 Europa ................................................................................................................................................ 12 Außenwirtschaft und Internationale Zusammenarbeit .................................................................. 14 Sicherheit ........................................................................................................................................... 17 Rohstoffe ............................................................................................................................................ 19 Raumfahrt........................................................................................................................................... 19 Impressum ......................................................................................................................................... 20
3
Das Zukunftsprogramm der SPD
Industrie- und Wirtschaftspolitik Staat und Verwaltung können einen wichtigen Beitrag zur Innovations- und Zukunftsfähigkeit des Standorts beitragen, indem Voraussetzungen geschaffen werden, die Forschung, Entwicklung und Innovationen fördern. Wenngleich in den Leitanträgen zum SPD-Zukunftsprogramm historische Beispiele für die Erfolge staatlichen Engagements angeführt werden, kann damit nicht belegt werden, dass Staat und Verwaltung immer gute Innovationstreiber und strategische Investoren sind. Da Deutschland ohnehin über eine forschungsstarke Industrie verfügt, die sich zudem im internationalen Wettbewerb behaupten muss, können staatliche Interventionen auch zu Wettbewerbsnachteilen führen, wenn sie nämlich notwendige unternehmerische Prozesse konterkarieren. Der BDI begrüßt, dass die SPD die zentrale Bedeutung öffentlicher Investitionen betont und auf Ebene des Bundes ein hohes Investitionsniveau halten will (Kapitel 2.5). Notwendig ist es darüber hinaus aber auch, die Anreize für private Investitionen zu erhöhen – hier sind die Vorschläge der SPD insbesondere mit Blick auf die Steuerpolitik äußerst kritisch zu sehen. Eine verstärkte Fokussierung auf Innovationen und Investitionen ist dringend vonnöten und daher unterstützenswert. Jedoch sollte hierbei die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) als erfolgreiche deutsche Förderbank nicht in eine moderne Innovations- und Investitionsagentur weiterentwickelt werden müssen. Die KfW muss ihren Status und erfolgreiche Funktion als Förderbank weiterführen können. Es ist begrüßenswert, dass die SPD u. a. auf öffentliche Fonds für Wachstumskapital setzt, um mehr Unternehmensgründungen anzuregen und mittelständischen Unternehmen eine sinnvolle Nachfolgeplanung zu ermöglichen. Offen bleibt, ob damit nur der Status quo beschrieben oder neue Initiativen gemeint sind, die z. B. das Angebot an Venture Capital für Wachstumsunternehmen in Deutschland erhöhen könnte. Der Schutz vor Bankenpleiten ist erstrebenswert, jedoch existiert hierzu bereits die erste und zweite Säule der Bankenunion. Die Errichtung einer Kapitalmarktunion und die Vollendung der Bankenunion sind zwei auch aus unserer Sicht wichtige Vorhaben.
Energie- und Klimapolitik Der BDI begrüßt den Plan, die EEG-Umlage ab 2025 vollständig aus dem Bundeshaushalt zu bezahlen (Kapitel 2.1). Es bleibt jedoch offen, wie die zukünftige Ausrichtung des Systems aus Steuern, Abgaben und Umlagen aussehen soll. Damit bleibt ebenfalls fraglich, wie die Elektrifizierung der Industrie vorankommen soll, wenn die Belastung auf Strom weiter so hoch bleibt. Ebenso positiv ist es, dass die SPD für wettbewerbsfähige Industriestrompreise sorgen will. Das ist jedoch ein Thema mit sehr hoher Relevanz für den europäischen Binnenmarkt und daher auf europäischer Ebene gemeinsam mit den anderen 26 Mitgliedstaaten zu regeln. Konkret wären hier mögliche Länderallianzen auszuloten. Zu allen anderen Kostenfragen, wie beispielsweis der Frage, wie Netzkosten im Zaum gehalten werden können, sagt das Programm nichts. Die SPD nennt Windkraft, Sonne und Wasserstoff als die drei Energietechnologien der Zukunft. Um klimaneutral werden zu können, wird Deutschland jedoch auch Biomasse nutzen und wohl in Teilen auch weniger akzeptierte Carbon Capture and Utilisation/Storage (CCU/S) Technologien anwenden müssen, z.B. in der Baustoffindustrie. Bei dem von der SPD angestrebten Ausbau der Stromnetze, Wasserstoffleitungen und Ladesäulen für Elektroautos fehlt es an Ausführungen, wie der Staat den
4
Das Zukunftsprogramm der SPD
Rahmen so setzen kann, dass diese von Unternehmen effizient und effektiv zur Verfügung gestellt („gebaut“) werden können. Positiv ist das Ziel der SPD, Deutschland bis 2030 zum Leitmarkt für Wasserstofftechnologien zu machen. Deutschland kann das jedoch nicht allein schaffen. Wünschenswert wären Aussagen zu Länderallianzen und konkreten nächsten Schritten für den Markthochlauf von Wasserstofftechnologien. Insgesamt lässt die an vielen Stellen verwendete Formulierung „wir sorgen dafür, …“ konkrete Lösungswege für die Energie- und Klimapolitik vermissen. Der gefährdeten internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie und deren Erhalt wird nicht der nötige Stellenwert im Programm eingeräumt. Dabei birgt der Umbau der Wirtschaft mit Blick auf das Ziel Klimaneutralität 2050 neben Chancen auch sehr große Risiken für Unternehmen und Arbeitsplätze, für die es belastbare Antworten der Politik braucht.
Umwelt, Technik, Nachhaltigkeit Positiv ist, dass die SPD die große Bedeutung des Ausbaus der Photovoltaik an Gebäuden betont (Kapitel 2.1). Dabei ist es wichtig, dass bei der Umsetzung bestehende Beschränkungen abgebaut bzw. berücksichtigt werden, und dass dabei Technologieoffenheit gewährleistet wird. Eine gesetzliche Regelung, die den CO2-Preis bei Vermieterinnen und Vermietern verbleiben lässt, sieht der BDI kritisch. Es muss eine Umlagemöglichkeit orientiert an dem energetischen Zustand des Gebäudes geben. Bemerkenswert ist, dass die öffentliche Hand ein Vorbild bei der Verwendung klimaneutraler Grundmaterialien für Bauten werden soll und dass diese ab 2030 ausschließlich klimaneutrale Materialien verwenden soll. Dadurch kann die Entwicklung entsprechender Grund-/Baumaterialien vorangebracht werden. Daraus darf allerdings keine Verpflichtung für die Wirtschaft folgen. Die SPD will die Kreislaufwirtschaft konsequent fördern (Kapitel 3.15). So soll die Wirtschaft zur Kreislaufwirtschaft umgebaut und die Abfallmengen in Deutschland deutlich verringert werden. Der BDI unterstützt dieses Ziel mit der Maßgabe, dass die richtigen politischen Instrumente dafür eingesetzt werden. Insbesondere müssten regulatorische Hemmnisse beseitigt werden, um Kreislaufwirtschaft zu ermöglichen. Ein Beispiel sind öffentliche Ausschreibungen, die derzeit nur Primärbaustoffe zulassen. Produkte sollen so gestaltet werden, dass man sie wiederverwenden, recyceln und reparieren kann. Hier fehlt der entscheidende Hinweis, dass dies nur europäisch zu regeln ist und auch schon so geschieht (Ökodesign-Richtlinie). Darüber hinaus will die SPD den “Wildwuchs an selbst kreierten Labeln” von Unternehmen zur Nachhaltigkeit ihrer Produkte beenden und ein verbindliches staatliches Label entwickeln. Der BDI gibt zu bedenken, dass es bereits seit über 40 Jahren das staatlich organisierte umfassende Umweltlabel “Blauer Engel” gibt. Ein weiteres staatliches Nachhaltigkeitslabel würde keinen Sinn machen und nur zur Irritierung bei den Verbrauchern führen.
Mobilität und Logistik Das Programm enthält gute Ansätze zur Stärkung des öffentlichen Verkehrs (Kapitel 2.2), die weiter konkretisiert werden müssen und betont zugleich die Bedeutung der individuellen Mobilität. Positiv ist der technologieoffene Ansatz für den Einsatz von Wasserstofftechnologien, der neben der Industrie auch Pkw, Lkw, Luft- und Seeverkehr sowie Schiene umfasst. Richtig ist auch die weitere
5
Das Zukunftsprogramm der SPD
Unterstützung von Forschung, Entwicklung und Pilotprojekten für alternative Antriebe und Kraftstoffe sowie Schwerpunkte zur weiteren Stärkung insbesondere von Batteriezellfertigung und Recycling oder der Transformation der Zulieferindustrie. Ein Hochlauf auf von der SPD angestrebte 15 Millionen E-Fahrzeuge bis zum Jahr 2030 im Bestand ist äußerst ambitioniert und müsste mit umfangreichen Maßnahmen eng flankiert werden, die gegenüber den bereits heute bestehenden Maßnahmen nicht nur verstetigt, sondern weiter gesteigert werden müssten. Allein für einen Bestand von 10,5 Millionen E-Fahrzeugen bis 2030 müssten nach neuesten Abschätzungen der AG 1 der Nationalen Plattform zur Zukunft der Mobilität (NPM) mindestens rund 13 Millionen E-Fahrzeuge bis 2030 neu zugelassen werden, davon würden ca. zwei Millionen. Fahrzeuge exportiert und 800.000 Fahrzeuge verschrottet. Um einen Bestand von 15 Millionen EFahrzeugen zu erreichen, wären kumulierte Neuzulassungen von mind. 19 bis 20 Millionen E-Fahrzeugen erforderlich. Angesichts der Größe und Herausforderung der Aufgabe wäre es wünschenswert, diesen Anspruch im Wahlprogramm mit konkreteren Maßnahmen zu untermauern. Die wenigen Ideen zum weiteren Aufbau der Ladeinfrastruktur spiegeln diese Ambitionen nicht wider. Außerdem sollte der Ausbau an Tankstellen nicht über verpflichtende Infrastrukturmandate erfolgen, sondern an Kriterien von Nachfrageorientierung und Wirtschaftlichkeit orientiert sein. Der Ausbau an Tankstellen ließe sich über Anreiz- und Förderprogramme mit weniger bürokratischen Hürden rascher voranbringen. Pauschale Beschränkungen auf ein Tempolimit von 130 km/h auf Bundesautobahnen sieht der BDI kritisch. Sie stehen dem Ziel einer intelligenten, Echtzeit-gesteuerten Verkehrslenkung und einem zunehmend automatisiertem Verkehr entgegen. Zudem sind Autobahnen heute fast viermal so sicher wie andere Straßen. Dort, wo aus Gründen der Verkehrssicherheit Beschränkungen geboten sind, kann das heute schon rasch umgesetzt werden. Auch ist der Beitrag zum Klimaschutz äußerst überschaubar: Je nach Abschätzung werden nur zwischen 1,9 bis 1,1, Millionen t CO2-Äquivalente pro Jahr eingespart. Für eine rasche und wirksame Reduktion der Treibhausgasemissionen des Verkehrs um ca. 40 Prozent bis 2030 muss sich die Politik auf die zentralen Hebel fokussieren: Antriebswechsel und Einsatz CO2-neutraler Kraftstoffe, ergänzt um Maßnahmen zur Förderung des Verkehrsträgerwechsels und von Effizienzsteigerungen. Die SPD möchte Bahnfahren innereuropäisch günstiger und attraktiver als Fliegen werden lassen. Aus Sicht des BDI ist ein Ausspielen von Verkehrsträgern gegeneinander zum Erreichen der Klimaschutzziele im Verkehrssektor nicht zielführend. Es bedarf nachhaltiger und anhaltender Förderkonzepte nicht nur in Forschung und Entwicklung, sondern in bereits bestehende innovative Technologien, wie nachhaltige alternative Kraftstoffe und Antriebstechnologien im Luftverkehr. Hierzu schweigt sich das Programm gänzlich aus. Für den Luftverkehr und auch die Schifffahrt zeigt sich das Programm visionslos. Es fehlt an konkreten Ideen und Konzepten. Die bloße Förderung von „Projekten zum Aufbau einer umweltfreundlichen Wasserstoffwirtschaft“ ist bei weitem nicht ausreichend, um CO 2-Neutralität im Luftverkehr zu erreichen. Der BDI begrüßt, dass das Potenzial der Wasserstraße erkannt wird. Darüber, wie diese genau gestärkt werden soll, um mehr Güterverkehr auf das „umweltfreundliche Binnenschiff“ zu verlagern, schweigt sich das Programm leider aus. Aus Sicht des BDI muss der Erhalt und Ausbau der Wasserstraßeninfrastruktur klar durch mehr Investitionen gefördert werden, damit eine Güterverkehrsverlagerung auch in Zeiten von Niedrigwasserperioden langfristig gelingen kann.
6
Das Zukunftsprogramm der SPD
Bezüglich der beabsichtigten Stärkung des Schienengüterverkehrs erscheint die Anführung konkreter Maßnahmen wünschenswert, wie etwa die Trassenpreisförderung, die Anlagenpreisförderung, die Sicherung des Einzelwagenverkehrs und die Senkung der Energiesteuerbelastung für den Schienensektor. Dagegen wäre eine Verteuerung anderer Verkehrsträger der falsche Weg, da diese die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen gefährdet.
Steuer- und Finanzpolitik Der BDI begrüßt die Finanz- und Haushaltspolitik der SPD, die die großen Zukunftsinvestitionen finanzieren und dadurch Wachstum ermöglichen will (Kapitel 2.7). Nur durch nachhaltiges Wirtschaftswachstum sichern wir künftige Steuereinnahmen und führen die hohe Staatsverschuldung zurück. Diskussionen um Steuererhöhungen sind Gift in einer Wirtschaftskrise. Das Gebot der Stunde lautet, öffentliche Investitionen vorzuziehen und eine wettbewerbsfähige Steuerbelastung der Unternehmen in Deutschland zu schaffen. Eine gesetzliche Begrenzungspflicht der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Managergehältern sieht der BDI kritisch. Die Vergütungshöhe ist Teil des Gestaltungsspielraums, die dem Aufsichtsrat bei der Vergütung zukommt. Der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) empfiehlt bereits die Einführung von Gehaltsobergrenzen. Viele Unternehmen folgen dieser Empfehlung. Bereits jetzt ist der Aufsichtsrat verpflichtet, die Vergütungsstruktur auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung auszurichten. Damit wird verhindert, dass Boni Anreize schaffen, für kurzfristige Ziele hohe Risiken einzugehen, die die Geschäftsentwicklung auf längere Sicht beschädigen können. Die steuerpolitischen Pläne der SPD zur Wiedereinführung der Vermögensteuer, der Erhöhung der Einkommensteuer und die Verschärfung der Erbschaftsteuer gefährden Wohlstand und Beschäftigung in Deutschland. Mit Steuererhöhungen und der Wiedereinführung der Vermögensteuer würde die wirtschaftliche Krise verschärft und die Erholung ausgebremst. Die Unternehmen brauchen jetzt jegliche Unterstützung, um die Krise zu überstehen und wieder auf Wachstumskurs zu gelangen. Die Aussicht auf zusätzliche Steuerbelastungen ist jedoch das genaue Gegenteil. Eine Vermögensteuer, höhere Einkommensteuer und eine verschärfte Erbschaftsteuer treffen vor allem auch die familiengeführten Unternehmen des Mittelstands. Diese Unternehmen leiden schon jetzt besonders unter einer international nicht mehr wettbewerbsfähigen Unternehmensbesteuerung. Statt Steuererhöhungen gehören jetzt mutige Strukturreformen auf die Tagesordnung. Insbesondere die überfällige Modernisierung der Unternehmenssteuern sollte in der neuen Legislaturperiode verfolgt werden, um Investitionen und Wachstum nach der Krise zu stärken. Mit Blick auf die Vermögensteuer ist es nicht zufriedenstellend, wenn die SPD immer wieder eine „Verschonung“ von Betriebsvermögen in Aussicht stellt, dies aber nicht mit einem konkreten Vorschlag unterlegt. Eine solche Verschonung ist verfassungsrechtlich und administrativ nicht trivial – das zeigt die Erbschaftsteuer. Neue EU-Eigenmittel, wie eine Finanztransaktionsteuer, lehnt der BDI ab. Diese würden mit negativen Folgen für Wachstum und Beschäftigung einhergehen. Die deutsche Wirtschaft setzt sich auf Ebene der OECD für eine weltweite Lösung für die Besteuerung von internationalen Unternehmensgewinnen ein. Insellösungen einzelner Staaten oder nur innerhalb der EU, sind nicht zielführend. Es bedarf weltweit einheitlicher Besteuerungsregeln, um eine Doppelbesteuerung der Unternehmen zu vermeiden.
7
Das Zukunftsprogramm der SPD
Der BDI unterstützt die Bestrebungen gegen unlauteren Steuerwettbewerb und Steuervermeidung vorzugehen. Dennoch stellt der Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb und zur Änderung weiterer Gesetze“ Steuerpflichtige unter Generalverdacht, wenn Begriffe, wie „Steuerhinterziehung, Steuervermeidung und unfairer Steuerwettbewerb“ in einem Satz zur Rechtfertigung der Gesetzesinitiative genannt und damit fälschlich als Synonyme verstanden werden könnten. Zur Versachlichung der Diskussion ist nach Ansicht des BDI eine trennscharfe Differenzierung der vorgenannten Begrifflichkeiten unabdingbar.
Digitalisierung Die SPD adressiert ihre digitalpolitischen Vorhaben unter dem Label „Digitale Souveränität in Deutschland und Europa“ (Kapitel 2.3). Dort setzt sie sich für eine gezielte und koordinierte Unterstützung der deutschen und europäischen Digitalwirtschaft auf allen Technologie-Ebenen und entlang der gesamten Wertschöpfungsketten ein. Der BDI unterstützt die Bestrebungen der SPD, die digitale Resilienz Europas zu stärken und hierfür zielgerichtet Technologien zu fördern, Kompetenzen auf- und auszubauen sowie geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen. Ziel muss es sein, dass Bürger, Unternehmen, Staaten sowie die EU als Ganzes digital souveräner agieren können. Dabei muss die Politik Abstand nehmen von protektionistischen Ansätzen sowie dirigistischen Maßnahmen, die Unternehmen zur Teilung von durch Innovationen generierte Daten verpflichten. Zur Wahrung der Digitalen Souveränität Europas ist vielmehr eine smarte Standortpolitik im Sinne der Förderung zukunftsweisender Technologien, wie z. B. die Halbleiterfertigung, aber auch künstliche Intelligenz (KI), Quantentechnologie und Cybersicherheit, von herausgehobener Bedeutung. Es gilt, einen ganzheitlichen Rahmen zu etablieren, der die Entwicklung und Implementierung innovativer Geschäftsmodelle ermöglicht. Für die Teilhabe an der digitalen Transformation sind ein fundiertes Wissen über gängige IT-Anwendungen sowie der sichere Umgang mit digitalen Anwendungen und Geräten eine Grundvoraussetzung. Damit die digitale Souveränität Deutschlands nachhaltig gestärkt werden kann, bedarf es souveräner und digital kompetenter Anwender. Von der schulischen Bildung über die berufliche und hochschulische Bildung bis hin zu Weiterbildungsangeboten, müssen zumindest anwendungsbezogene Digitalkompetenzen zukünftig flächendeckend gestärkt werden. Andernfalls wird das Ziel, die digitale Souveränität Deutschlands und Europas wiederzuerlangen, zum Scheitern verurteilt sein. Die SPD erachtet Cybersicherheit als Voraussetzung für eine sichere digitale Transformation. Zu diesem Zweck sollen security-by-design und security-by-default konsequent umgesetzt werden und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) in Verschlüsselungsforschung investieren. Die konsequente Implementierung von security-by-design und security-by-default soll gewährleisten, dass Konsumentinnen und Konsumenten risikoadäquat cyberresiliente Produkte erwerben können. Der BDI begrüßt, dass die Verschlüsselungsforschung gestärkt werden soll. Gleichzeitig fehlt dem SPD-Programm ein klares Bekenntnis, von jedweder Schwächung kryptographischer Maßnahmen, z. B. durch die Einführung von Generalschlüsseln oder einer Pflicht zum Einbau von Backdoors, abzusehen. Richtig ist, dass das BSI eine Zentralstellenfunktion bei Cybersicherheitsthemen einnehmen soll. Gleichzeitig muss jedoch kritisch geprüft werden, welche Aufgaben das BSI zwingend übernehmen muss und welche Aufgaben durch die deutsche IT-Sicherheitswirtschaft übernommen werden können. Aus Sicht des BDI muss auch von einer unbefristeten, kostenfreien Updatepflicht abgesehen werden, da diese für Unternehmen nicht ökonomisch darstellbar ist.
8
Das Zukunftsprogramm der SPD
Recht, Wettbewerb und Verbraucherschutz Ziel der SPD ist es, die öffentliche Beschaffung so auszurichten, dass sie Innovationsimpulse setzt und den Zielen des sozial-ökologischen Wandels dient. Dafür möchte sie die Vergabekriterien stärker auf Innovation, Tarifbindung, Geschlechtergerechtigkeit und klimafreundliche Nachhaltigkeit ausrichten (Kapitel 2.5). Der BDI begrüßt dieses Ziel, merkt jedoch an, dass das Vergaberecht für öffentliche Auftraggeber bereits die Möglichkeit eröffnet, soziale und ökologische Kriterien vorzugeben. Für eine intensivere Nutzung dieser Möglichkeiten, können entsprechende Schulungen von öffentlichen Beschaffern beitragen. Auch für die von der SPD angestrebte Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen durch Billiganbieter mittels der Verpflichtung zur Tariftreue und der Gewährleistung guter Arbeitsbedingungen im Vergaberecht (Kapitel 2.2), bietet das Vergaberecht bereits Möglichkeiten. Dazu, dass diese Möglichkeiten intensiver genutzt werden, können entsprechende Schulungen von öffentlichen Beschaffern beitragen. Die SPD setzt sich für den rechtlichen Zwang zur Datenteilung ein. Dabei geht es um eine Teilungspflicht für „große Konzerne“ von Daten zu gemeinwohlorientierten Zielen sowie der zwingende „Rückfluss“ von Daten, die im Rahmen von öffentlichen Aufträgen erhoben werden (Kapitel 2.3). Aus Sicht des BDI gehen diese Bestrebungen in die falsche Richtung und würden auch mit Blick auf öffentliche Interessen unter Umständen sogar kontraproduktiv wirken. Sinnvoll wäre demgegenüber eine Anregung und Förderung künftig verstärkter vertraglicher Vereinbarungen zur Datenteilung. Zudem sind im Wettbewerbsrecht erst im Januar mit dem GWB-Digitalisierungsgesetz nationale Sondervorschriften zum Datenzugang in Kraft getreten; diese müssen erst einmal wirken, angewandt und nach drei Jahren evaluiert werden, bevor ein Bedarf nach neuen Regelungen festgestellt werden kann. Wir brauchen innovationsfördernde Rahmenbedingungen für die Datenwirtschaft und keine staatlich angeordnete Innovationspolitik. Die Forderung der SPD, eine starke und präzise Regulierung für globale Plattformkonzerne zu schaffen und neue europäische Instrumente zu entwickeln, um übermächtige Plattformen “zu zähmen oder notfalls zu entflechten” (Kapitel 2.3.), muss ausdifferenziert werden. Der BDI befürwortet grundsätzlich das Ziel der Europäischen Kommission, einen ausgewogenen und effektiven Wettbewerb auf digitalen Plattformen zu schaffen. Eine Harmonisierung auf EU-Ebene ist nationalen Alleingängen in der Plattformregulierung, wie sie in Deutschland in der 10. GWB-Novelle erfolgt sind, klar vorzuziehen. Insofern bedarf es auf nationaler Ebene auch keiner neuen „ex-ante-Kontrollen“. Es gilt, zunächst die Neuregelungen der GWB-Novelle in der Missbrauchskontrolle wirken zu lassen und entsprechend nach drei Jahren zu evaluieren. Die im Digital Markets Act vorgeschlagenen regulatorischen Maßnahmen stellen allerdings einen starken Eingriff in die unternehmerische Freiheit und den Leistungswettbewerb dar, der begründet werden muss. Jede Überregulierung würde positive Innovationsanreize von Unternehmen verringern. Neue Regulierung im Plattformbereich muss daher stets mit Augenmaß erfolgen, es dürfen nicht Plattformen in Nischenmärkten oder sich erst entwickelnde B2B-Plattformen im Keim erstickt werden. Der im Vorschlag vorgesehene Adressatenkreis sollte daher nicht ausgeweitet werden. Die im Digital Markets Act vorgeschlagenen Verbote und Gebote sollten nicht automatisch nach einem „one-size-fits-all“-Ansatz für sämtliche Gatekeeper unabhängig von deren jeweiligen Geschäftsmodellen greifen. Ein solcher Ansatz kann überbordend und innovationshemmend wirken und zu unnötigen Einschränkungen der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit führen. Unternehmen sollten außerdem immer die Möglichkeit haben, ihr Verhalten auf der Grundlage von Effizienzerwägungen oder objektiven Gründen zu rechtfertigen, zum Beispiel zum Schutz der Sicherheit oder Integrität der Plattform.
9
Das Zukunftsprogramm der SPD
Die Ergänzung des Gesellschaftsrechts um eine spezielle Form der GmbH, die das „Verantwortungseigentum“ stärken soll, bewertet der BDI kritisch. Zum einen ist der Grundsatz der fehlenden Gewinnbeteiligung umgehungs- und missbrauchsanfällig. Zum anderen verstößt der zwingende und unveränderliche Asset-Lock gegen die Prinzipien der Privat- und Verbandsautonomie, da sogar künftige Generationen an das heute für richtig Befunde gebunden werden sollen. Folgende Punkte fehlen aus Sicht des BDI für die anstehende Legislaturperiode im SPD-Zukunftsprogramm und sollten adressiert werden: Die Förderung von Unternehmenskooperationen. Innovationen durch die digitale und grüne Transformation der Wirtschaft verursachen erheblichen Aufwand, den selbst große Unternehmen nur durch Kooperationen stemmen können. Die kartellrechtlichen Grenzen solcher Unternehmenskooperationen sind jedoch unklar, sodass hierdurch Innovationsstimulierungen gehemmt werden. Europäische Unternehmen drohen im internationalen Wettbewerb abgehängt zu werden. Der BDI spricht sich daher für – national und europäisch – klare kartellrechtliche Regeln, erleichterte Genehmigungsverfahren, regulatorische Experimentierräume und einen verlässlichen Katalog für zulässige Themen des Informationsaustauschs aus. Ein fairer Wettbewerb zwischen kommunalen und privaten Unternehmen soll u. a. durch steuerliche Gleichbehandlung hergestellt werden. Die wirtschaftliche Betätigung kommunaler Unternehmen benachteiligt private Unternehmen, weil dadurch Betätigungsfelder dem Wettbewerb entzogen werden und kommunale Unternehmen günstiger anbieten können, z. B. durch Nichterhebung der Umsatzsteuer. Fairer Wettbewerb heißt nicht nur gleiche Regeln für alle Marktteilnehmer, sondern auch gleiche Kontrolle bei deren Einhaltung. § 130 Abs. 1 GWB a. F. sollte wieder eingeführt werden, wonach das GWB auch auf Unternehmen angewandt wird, die ganz oder teilweise im Eigentum der öffentlichen Hand stehen oder die von ihr verwaltet oder betrieben werden und Gebühren erheben, statt Entgelte zu nehmen. Denn sonst bleibt es beim Fehlanreiz, sich dem GWB zu entziehen.
Industrielle Gesundheitswirtschaft Erfreulich ist, dass die SPD Gesundheit als Zukunftsmission nennt (Kapitel 2.4). Allerdings muss aus Sicht des BDI noch deutlicher werden, dass die gesamte Gesundheitswirtschaft in Deutschland eine wichtige Rolle spielt, die keinesfalls vom Staat übernommen werden kann. Aktuell wird als Schlüsselindustrie vor allem die Pharmaindustrie genannt. Das Fokussieren auf diese eine Teilbranche der industriellen Gesundheitswirtschaft greift zu kurz, wenn man bedenkt, dass in der Bekämpfung der Coronapandemie vor allem auch Medizintechnik (z. B. Beatmungsgeräte) und Biotechnologie (z. B. Impfstoff von BioNTech) eine maßgebliche Rolle spielen. Außerdem würdigt die SPD, dass Innovationen im Gesundheitswesen die treibende Kraft für den Wohlstand der Bevölkerung sind. Dieser Einsicht müssen konkrete Taten in Form von Innovationsförderung am Standort Deutschland folgen, damit wir gegenüber China und den Vereinigten Staaten wettbewerbsfähig bleiben können. Im Bereich personalisierter Medizin müssen nicht nur, wie von der SPD geplant, die Zulassungsverfahren angepasst werden, sondern auch die Vergütung an diese individuellen Produkte. Positiv ist, dass die SPD das Potenzial der Digitalisierung sowie den Mehrwert der Nutzung von Gesundheitsdaten anerkennt. Allerdings bleibt das Programm bisher eine Antwort schuldig, wie das
10
Das Zukunftsprogramm der SPD
Potenzial gehoben und die Daten auch für die private Gesundheitsforschung genutzt werden können. Dieser Zugang zu Gesundheitsdaten für private und öffentliche Forschung ist entscheidend. Dafür fordert der BDI eine Gleichberechtigung der privaten und öffentlichen Forschung, einschließlich Antragsrecht der privaten Forschung zu Forschungsdaten, über das Forschungsdatenzentrum nach dem Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) (§ 303 d SGB V). Bisher existiert kein direkter Zugang der Industrie zu aggregierten Gesundheitsdaten über das Forschungsdatenzentrum nach dem DVG, obwohl die Industrie eine zentrale Säule der medizinischen Forschung und damit entscheidend für die Zukunftsfähigkeit des Forschungsstandortes Deutschland ist. Vor diesem Hintergrund sieht es der BDI als besonders wichtig an, die Datenschutzgesetzgebung zu harmonisieren, bundeslandübergreifende Forschung zu ermöglichen und somit die Datennutzung zu verbessern. Dies stärkt die Gesundheitsversorgung und den Wirtschaftsstandort Deutschland. Für die Förderung der Forschung mit anonymisierten Gesundheitsdaten, müssen einheitliche und rechtssichere Standards für die Anonymisierung personenbezogener Daten entwickelt werden. Gesundheitsdaten in Forschung und Entwicklung nutzen zu dürfen, ist darüber hinaus auch eine Standortfrage. Die Forschung öffentlich finanzierter Einrichtungen und ebenso Unternehmen der privaten Wirtschaft ermöglichen Innovation und bessere Versorgung. Die private Forschung muss gleichberechtigten Zugang zu Gesundheitsdaten für Forschungszwecke erhalten. Hinzu kommt ein föderaler Flickenteppich landes- und kirchenrechtlicher Vorgaben für die klinische medizinische Forschung, der im internationalen Wettbewerb ein Standortnachteil ist. Durch unterschiedliche Rechtsauslegung der jeweils zuständigen Datenschutzbehörden werden Innovationen für die Gesundheitsversorgung gehemmt. Entscheidend ist, Datenschutzbestimmungen in Deutschland und Europa zu harmonisieren und einheitlich anzuwenden Darüber hinaus kommt es auf die europäische Anschlussfähigkeit an: Ein vernetzter und interoperabler Europäischer Gesundheitsdatenraum (EHDS) ist unerlässlich, um das Potenzial von Gesundheitsdaten in Europa zu erschließen. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist ein „Level Playing Field“ für die Nutzung von Gesundheitsdaten. Es bedarf unter anderem einer einheitlichen Umsetzung der DSGVO in den Mitgliedsstaaten. Weitere Handlungsfelder sind die Sicherstellung der Interoperabilität, die Schaffung von Vertrauen und die Ermöglichung von datengetriebenen Geschäftsmodellen. Die Umsetzung des EHDS sollte auf Basis eines Public-Private-Partnership-Modells erfolgen. Kern eines solchen Modells ist eine dezentrale Struktur, die verschiedene Datenquellen durch ein sicheres Netzwerk verknüpft, ohne dass die aggregierten Daten ihre eigentlichen Speicherorte verlassen. Der BDI begrüßt die Schaffung einer souveränen Europäischen Gesundheitsunion mit einer starken und widerstandsfähigen Gesundheitswirtschaft in Europa (Kapitel 4.2). Allerdings sind die Leistungen und Innovationskraft der internationalen Gesundheitswirtschaft (iGW) nicht nur in Pandemiezeiten relevant. Eine konkrete Anerkennung und Unterstützung der iGW als strategische Leitbranche muss sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene erfolgen. Verlässliche Rahmenbedingungen können nur unter Berücksichtigung der Implikationen von EU-Gesetzgebung auf die industrielle Gesundheitswirtschaft in Deutschland geschaffen werden. Eine Resilienz Europas in Krisenfällen wird nur erreichbar sein, wenn Europa ein starker und wettbewerbsfähiger Knotenpunkt im Netz der internationalen Liefer- und Wertschöpfungsketten bleibt. Es bedarf daher einer europäischen Industriestrategie zur Stärkung der gesamten Industriellen Gesundheitswirtschaft. Positiv sieht der BDI die Nennung des Aus- und Aufbaus öffentlicher Gesundheitssysteme sowie die Verbesserung des Zugangs. Die anhaltende COVID-19-Pandemie zeigt sehr klar, wie wichtig die
11
Das Zukunftsprogramm der SPD
Stärkung von Gesundheitssysteme weltweit ist. Ebenso ist es richtig, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gestärkt werden soll. Deutschland könnte als einer der großen Geldgeber der WHO stärker in die WHO eingebunden werden und gemeinsame Interessen besser adressieren. Gesundheit sollte mit starkem Fokus auf Gesundheitssystemstärkung wieder als ein echter Schwerpunkt in der deutschen EZ ausgeprägt werden, die Zahl von zuletzt nur noch zehn Ländern mit Gesundheitsschwerpunkt in der EZ sollte wieder deutlich erhöht werden. Daher ist es begrüßenswert, dass die Mittel der Entwicklungszusammenarbeit mindestens 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens betragen sollen. Leider fehlt es an einer näheren Ausgestaltung und Präzision dieser Punkte.
Mittelstand Die SPD unterschätzt, wie nicht zuletzt in Mittelstand und Familienunternehmen viele Schaffer, Tüftler und Visionäre mit Unternehmergeist, Erfinderlust, Zuverlässigkeit, Geduld, Disziplin und Augenmaß unterschiedliche Wege nach vorn weisen – auch im Sinne von wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Transformation. Aus Sicht des BDI überzeichnen die Leitanträge die Rolle des Staates als „strategischen Investor“. Zu Recht will die SPD eine Unternehmensnachfolge auch im Mittelstand fördern. Es folgen dann aber Vorschläge mit vermutlich hohem Bürokratieaufwand sowie die Ankündigung, die Erbschaftsteuer reformieren zu wollen um „die Überprivilegierung großer Betriebsvermögen“ abzuschaffen. Noch dazu wird offen eine Vermögensteuer angekündigt, die Arbeitsplätze und die „Grundlage von Betrieben“ verschont, ohne näher darauf einzugehen, wie diese ausgestaltet werden könnte. Sowohl die Vorschläge zur Erbschaftssteuer als auch zur Vermögenssteuer sind geeignet, um Unternehmen – die ohnehin in digitaler und ökologischer Transformation stehen und mit Blick auf Zugang zu Kapital von „Taxonomie“ oder „sustainable finance“ bedrängt werden – finanzseitig weiter unter Druck zu setzen. Richtig ist das Ziel, auf gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Deutschland hinzuwirken. Es braucht starke ländliche Räume, auch um Mittelstand und Familienunternehmen, die dort oft seit Generationen wurzeln, eine zukunftsfähige Perspektive zu geben. Wer für attraktive Standortbedingungen mit effizienten Anbindungen sorgt, hält Investitionen und Arbeitsplätze vor Ort und beugt Wegzug vor.
Europa Die SPD fordert, dass sich die EU geschlossen für eine gerechtere, friedlichere und nachhaltigere Welt einsetzen solle (Kapitel 1.3). Der internationale politische Einfluss der EU wird dabei als gegeben vorausgesetzt. Übersehen wird aber, dass sich dieser Einfluss maßgeblich aus der europäischen Wirtschaftskraft sowie seiner Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit schöpft. Die Frage, wie Europas wirtschaftliche Stärke angesichts der massiven Herausforderungen durch Covid-19, Nationalismus, Protektionismus, Handelskonflikte, Digitalisierung und Klimaschutz auch künftig gewährleistet werden soll, fehlt leider weitgehend. Der Binnenmarkt oder die EU-Industriestrategie werden beispielsweise kein einziges Mal im Papier erwähnt. Die wachstumsfreundliche Ausgestaltung des „Green Deal“, die notwendigen Maßnahmen zur Realisierung der Klimaneutralität Europas bis 2050 oder die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Digitalisierung und Innovation werden ebenfalls nicht thematisiert. Die meisten Problemlösungsvorschläge im Programm betreffen überwiegend Maßnahmen auf nationaler Ebene.
12
Das Zukunftsprogramm der SPD
Die SPD fordert Investitionen in die gemeinsame Wirtschafts- und Innovationskraft, durch die Europa zum „modernsten, sozialsten, nachhaltigsten und wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt werde[n] [solle]“ (Kapitel 1.3). Außerdem fordert sie „umfangreiche Investitionen in den klimaneutralen Umbau industrieller Wertschöpfungsketten“ (Kapitel 2.6). Der BDI begrüßt die Forderung solcher Investitionen, vermisst im Programm aber konkrete Hinweise zur praktischen Umsetzung. Die digitale und grüne Transformation der Industrie ist mit einem enormen Kostenaufwand verbunden. Um nicht Teile der deutschen Wirtschaft abzuhängen, müssen die beihilferechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Zum einen sollten die nationalen Beihilfenprogramme ausgebaut werden, zum anderen müssen auf EU-Ebene im Rahmen der Modernisierung der EU-Beihilferegelungen angemessene Grundlagen geschaffen werden, die eine solche nationale Beihilfengewährung erlauben. Bestehende Beihilfemöglichkeiten sind zu erhalten und zusätzliche Regelungen zugunsten nachhaltiger Maßnahmen zu schaffen, welche auch mittelbar nachhaltige Maßnahmen einbeziehen. Hiervon sollten u. a. Umgestaltungen der Unternehmensprozesse und -tätigkeiten erfasst sein, die zum Beispiel zu einer Reduktion von Risiken für die Umwelt im Verhältnis zur vorherigen Tätigkeit führen oder zu einer schonenderen Ressourcennutzung beitragen. Den im Programm diskutierten Vorschlag, gemeinsame Ausgaben durch neue gemeinsame Einnahmen abzudecken (Kapitel 4.1), wie durch die Digitalsteuer, die CO2-Grenzabgabe oder Einnahmen aus dem EU-Emissionshandel, lehnt der BDI ab. Zusätzliche Belastungen für Unternehmen müssen in Anbetracht der ohnehin bereits schwierigen ökonomischen Situation vermieden werden. Der Forderung, sich für ein neu geordnetes Wettbewerbs- und Beihilferecht einzusetzen, das Wettbewerbsnachteile gegenüber anderen großen Wirtschaftsräumen verringert, damit Europa im internationalen technologischen Wettbewerb bestehen und seine Souveränität behaupten kann (Kapitel 2.6.), stimmt der BDI zu. Wir unterstützen die Europäische Kommission darin, wettbewerbsverzerrenden Drittstaatssubventionen effektiv zu begegnen. Neue Instrumente müssen zügig geschaffen werden, um den fairen Wettbewerb und ein „Level Playing Field“ im Binnenmarkt zu gewährleisten. Genauso wichtig wie eine zügige Rechtsetzung ist die richtige Balance zwischen effektiver Drittstaatssubventionskontrolle einerseits und Erhalt der Investitionsoffenheit der EU sowie geringer zusätzlicher bürokratischer Belastungen der Unternehmen andererseits. Hierzu gehören u. a. strenge Fristenregime und adäquate Schwellenwerte für die Kontrollen. In jedem Fall muss Kohärenz der neuen Instrumente zueinander und zu bestehenden Regelungen des EU-Wettbewerbsrechts, wie der EU-Fusionskontrolle, den Regelungen zum öffentlichen Auftragswesen, inklusive dem geplanten „International Procurement Instrument“ sowie dem Außenwirtschaftsrecht, insbesondere der FDI-Screening-Verordnung, geschaffen werden; Parallelprüfungen gilt es zu vermeiden. Die Anwendung der neuen Kontrollinstrumente sollte ausschließlich der auch für das EU-Beihilfenrecht zuständigen Kommission obliegen. Die Duldung von wettbewerbsverzerrenden Drittstaatssubventionen aufgrund aktueller, allgemeinpolitischer Ziele der EU („EU interest test“) lehnen wir ab, da hierdurch weder der Wettbewerb geschützt noch ein „Level Playing Field" gefördert wird. Der BDI begrüßt die Forderung der SPD nach einem Übergang zu Mehrheitsentscheidungen im Rat im Bereich der Außenpolitik (Kapitel 4.4). Wir begrüßen außerdem die Forderung, das Amt des Hohen Vertreters der EU für Außen- und Sicherheitspolitik langfristig zu einem EU-Außenminister weiterzuentwickeln. Beides kann die EU außenpolitisch handlungsfähiger machen. Die Überwindung des Einstimmigkeitsprinzips in Steuerfragen (Kapitel 4.1) lehnen wir ab. Die Festsetzung der Besteuerungsregeln stellt typischerweise eines der originären Hoheitsrechte der nationalen Parlamente dar. Bei einem Übergang zur qualifizierten Mehrheit besteht die Gefahr, dass wichtige
13
Das Zukunftsprogramm der SPD
Bedürfnisse einzelner Mitgliedsstaaten nicht hinreichend berücksichtigt werden, denn die Steuersysteme der EU-Mitgliedsstaaten unterscheiden sich erheblich. Schließlich fordert die SPD eine Vervollständigung der Mitentscheidungsrechte des Europäischen Parlaments, einschließlich eines echten Initiativrechts. Doch solange das Europäische Parlament nicht in gleicher Wahl („one person - one vote“) gewählt wird, fehlt aus Sicht des BDI eine hinreichende Anbindung an den Bürgerwillen, die ein echtes Initiativrecht und starkes Haushaltsrecht legitimieren würden.
Außenwirtschaft und Internationale Zusammenarbeit Kritisch zu bewerten ist die Position der SPD zur EU-Handelspolitik, denn sie ist zu einseitig auf die Durchsetzung von sozial-ökologischen Interessen ausgerichtet (Kapitel 4.2). Den wirtschaftlichen Interessen nach regelbasiertem Freihandel räumt die SPD zu wenig Platz ein, obwohl in der deutschen Industrie mehr als jeder zweite Arbeitsplatz am Export hängt. So wird die Messlatte für das Abkommen der EU mit den Mercosur-Staaten zum Beispiel durch die Forderung nach zusätzlichen verbindlichen und sanktionierbaren Überprüfungs-, Umsetzungs- und Durchsetzungsmechanismen wahrscheinlich unerfüllbar hochgelegt. Dies lässt den Rückschluss zu, dass die SPD internationale Wirtschaftsverträge offensichtlich allein als Hebel sieht, um internationale Partner auf die Umsetzung von Sozial-, Umwelt- und Menschenrechtsverpflichtungen zu bewegen. Die Aufgabe, Märkte zu öffnen und moderne Handelsregeln zu schaffen, um in Deutschland und der EU Arbeitsplätze zu sichern, fehlt. Die SPD sollte stärker beachten, dass wir als EU ebenfalls die Abkommen dringend benötigen und die Partnerländer eigene regulatorische Freiheiten beanspruchen. Wir können unsere Standards nicht anderen als Voraussetzung für Freihandelsabkommen aufzwingen, sondern müssen einen partnerschaftlichen Prozess anstoßen, der Unterschiede mitberücksichtigt. Die Erwartungen an ökonomische Durchsetzungsmechanismen für Nachhaltigkeitsverpflichtungen sind übertrieben. Sofern mit „öffentlichen Gerichten“ die von der Kommission angedachten Investment Courts gemeint sind, kann das funktionieren. Staatliche Gerichte wären aber kein adäquater Ersatz für Investor-StaatSchiedsverfahren. Erste Wahl aus Sicht des BDI wären weiterhin die etablierten und bewährten privaten Schiedsgerichte. Der Schutz vor Diskriminierung ist eine wichtige Funktion bilateraler Investitionsförder- und schutzabkommen (IFV). Genauso wichtig ist aber der Schutz vor ungerechtfertigter Enteignung, der Schutz vor ungerechter Behandlung sowie die Gewährung des Finanztransfers. Auch Schirmklauseln, die vor dem Bruch staatlicher Zusagen schützen, sind ein wichtiges Element. Die Reduzierung auf bloßen Diskriminierungsschutz geht zu weit. Leider erwähnt das SPD-Zukunftsprogramm die für die deutsche Exportwirtschaft so wichtige Außenwirtschaftsförderung mit keinem Wort. Dabei gilt es, diese zukunftsfähig zu machen. Für Exporteure sind die Exportkreditgarantien von zentraler Bedeutung. Die Kriterien der Hermesdeckung gilt es, um zusätzliche Faktoren zu erweitern, auch im Hinblick auf die weltweite Liquiditätsklemme infolge der Coronapandemie. Die Reform des OECD-Konsensus muss weiter vorangetrieben werden. Die geplanten Nachhaltigkeitsanforderungen für die Finanzindustrie müssen die Bedarfe der Exportindustrie berücksichtigen. Die Auslandsmesse- und Markterschließungsprogramme sollten aufgestockt werden.
14
Das Zukunftsprogramm der SPD
Grundsätzlich ist die angestrebte Modernisierung der Handels- und Investitionspolitik auch mit Hinblick auf Nachhaltigkeit und Durchsetzung von multilateralen Regeln zu begrüßen (Kapitel 4.5). Die Reform der Welthandelsorganisation und eine funktionierende Streitschlichtung wird von SPD und BDI gleichermaßen angestrebt. Inwiefern die geforderte Integration der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen in Handelsregeln sinnvoll sind, muss im Einzelfall sorgfältig geprüft werden. Das Programm enthält einen kurzen Absatz zur Zusammenarbeit mit den USA (Kapitel 4.4.). Es wird ein Neustart in den transatlantischen Beziehungen gefordert und die transatlantischen Partner sollten die Zusammenarbeit „bei Themen wie Klimaschutz, globaler Gesundheitspolitik, Handel, Abrüstung und Sicherheitsfragen intensivieren“. Diese Forderung deckt sich mit den Interessen des BDI, geht aber nicht sehr stark ins Detail. Im Handel ist für den BDI neben einer endgültigen Lösung der transatlantischen Handelskonflikte auch eine tiefere Integration des transatlantischen Markes wichtig. Der Ruf nach einem geschlossenen, konstruktiven und kritischen Dialog zwischen Europa und China (Kapitel 4.4) klingt wohlfeil, wenn die konkreten Interessenlagen und Herausforderungen ungenannt bleiben. Angesichts der vielfältigen Herausforderungen mit China und der auch im Antrag genannten geopolitischen Bedeutung des Landes, enthält das „Zukunftsprogramm“ kaum konkrete Vorschläge, wie sich Deutschland und die EU strategisch gegenüber China positionieren sollten. Das ist ein fatales Versäumnis, das an den aktuellen Diskussionen um eine europäische Außenwirtschaftspolitik der Zukunft vorbeigeht. Die SPD bekennt sich dazu, die Partnerschaft zwischen Europa und Afrika politisch und wirtschaftlich deutlich ausbauen und auf ein neues Level der Zusammenarbeit heben zu wollen. Dies begrüßt der BDI ausdrücklich. Es wird allerdings nicht ausgeführt, wie dies erreicht werden kann. So wird Afrika im Papier nur mit einem Satz erwähnt. Dies wird dem Potenzial des Kontinents nicht gerecht. Afrika ist, trotz bestehender Herausforderungen, ein Chancenkontinent. Die folgenden Punkte sollten aus Sicht des BDI ins Wahlprogramm aufgenommen werden: An oberster Stelle sollte die Umsetzung der panafrikanischen Freihandelszone (AfCFTA) der Afrikanischen Union stehen. Richtig umgesetzt, kann sie mehr als jeder andere Faktor das Wirtschaftswachstum Afrikas ankurbeln. Bis 2050 könnte die AfCFTA die extreme Armut erheblich reduzierten. Langfristig erleichtert sie Investitionen und Handel deutscher Unternehmen mit den über 50 afrikanischen Ländern. Darüber hinaus müssen die Bestrebungen der WHO und der Afrikanischen Union (AU) für eine faire, globale Verteilung von Corona-Impfstoffen unterstützt werden. Dazu gehört weiterhin die finanzielle Unterstützung der Impfstoffplattform COVAX, welche Impfstoffe für Entwicklungsländer beschafft, finanziert und gerecht verteilt. Die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen, die sogenannten Economic Partnership Agreements (EPAs), der EU mit afrikanischen Staaten, sind ein wichtiges Instrument zur Ankurbelung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen Afrika und Europa. Richtig umgesetzt, beseitigen sie tarifäre und nichttarifäre Hemmnisse für den regionalen und internationalen Handel und bieten große Chancen für Afrika und Europa. Um Handel und Investitionen zu stärken und regionale Wertschöpfungsketten zu fördern, sollten die EPAs als Bausteine für den kontinentalen Freihandel in Afrika genutzt werden. Auf lange Sicht sollten die EPAs in einen Freihandelsvertrag zwischen EU und AU aufgehen. Die derzeit neu verhandelte EU-Afrika-Strategie kann insbesondere durch eine stärkere Einbindung der Privatwirtschaft und einer Ausweitung des Green Deals auf die afrikanischen Länder positive Impulse setzen. Es gilt, den Ausbau der Infrastrukturfinanzierung in afrikanischen Ländern durch die EU
15
Das Zukunftsprogramm der SPD
zu unterstützen. Die EU hat sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu werden. Für die hierfür dringend notwendige Energiewende in allen Sektoren ist Wasserstoff ein entscheidender Faktor. Afrika hat sehr viel Potenzial für erneuerbare Energien. Mit Wind-, Wasser-, und Solarkraft lässt sich saubere Energie und grüner Wasserstoff gewinnen. Dies schafft Arbeitsplätze und bedeutet eine nachhaltige Einnahmequelle. Durch Wasserstoff-Partnerschaften können afrikanische und europäische Akteure profitieren und nachhaltige Wirtschaftsbeziehungen aufgebaut werden. Für mehr Investitionen in den Handel mit Afrika braucht es eine Verbesserung der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen. Es gilt, gute Regierungsführung und regionale Integrationsprozesse aktiv zu unterstützen. Von zentraler Bedeutung für Investitionen in Afrika sind zudem die Instrumentarien der Investitionsgarantien und Hermesdeckungen. Der erweiterte Selbstbehalt sollte abgesenkt werden, analog zu den Compact-Ländern. Das Post-Cotonou-Abkommen wird für weitere 20 Jahre die Grundlage für die wirtschaftlichen und entwicklungspolitischen Beziehungen bilden und betrifft 1,5 Milliarden Menschen auf vier Kontinenten. Mit dem Abkommen kann daher die Umsetzung der AfCFTA und der EPAs mit den afrikanischen Ländern weiter vorangebracht werden. Um junge Menschen gut in den Arbeitsmarkt zu integrieren, haben sich viele afrikanische Länder den Ausbau ihrer Bildungssysteme vorgenommen. Dieses Ziel sollte unterstützt werden. Ein partnerschaftlicher Ansatz mit allen relevanten Akteuren, insbesondere mit der Privatwirtschaft, in der Entwicklungspolitik ist wichtig. Dem Ziel, den Anteil der öffentlichen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit (ODA-Quote) von mindestens 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens zu erreichen (Kapitel 4.5), der Erhöhung der EU-Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit (Kapitel 4.3) sowie ihrer gemeinsamen Ausrichtung durch Bündelung der Kräfte in Europa (Kapitel 4.4) stimmt der BDI grundsätzlich zu. Viel wichtiger als die Höhe der Ausgaben, und dies lässt das SPD-Zukunftsprogramm komplett vermissen, ist jedoch die Effizienz der Entwicklungszusammenarbeit. Dabei gilt es, die Entwicklungspolitik strategischer auszurichten und innovativer zu gestalten. Die Sustainable Development Goals (SDGs) erkennen die Rolle der Privatwirtschaft für nachhaltige Entwicklung an. Dieser Paradigmenwechsel muss entschieden vorangetrieben werden und sich im BMZ-Haushalt ausdrücken. Die Zusammenarbeit mit Entwicklungs- und Schwellenländern muss stärker geopolitisch betrachtet und Förderinstrumente konditioniert werden. Ziel muss ein Mehr an politischer Kohärenz und Effizienz der Durchführungsorganisationen sein. Der Einsatz neuer Technologien sollte forciert werden. Der BDI unterstützt die Zielsetzung, Menschenrechtsverletzungen in globalen Lieferketten zu verhindern. Die menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten dürfen aber nicht zu einer systemfremden und nicht umsetzbaren Erfolgspflicht und Gefährdungshaftung für die Lieferkette ausgeweitet werden. Im Gegenteil, Schutz und Durchsetzung von Menschenrechten ist primär eine staatliche Aufgabe; Unternehmen können nicht für etwas in die Pflicht und Haftung genommen werden, was durch die jeweiligen Staaten nicht rechtlich anerkannt und gewährleistet wird. Grundsätzlich ist der BDI der Ansicht, dass eine EU-weit einheitliche Regelung, die auf klaren Kriterien, Definitionen und Standards, Handhabbarkeit der Prozesse sowie Einflussmöglichkeiten zielt, einem Flickenteppich nationaler Regelungen (Kapitel 4.5) vorzuziehen ist. Aber auch eine europäische Regelung sollte in ihrer Wirkung auf effektiven Menschenrechtsschutz vor Ort, zumal im internationalen Wettbewerb, nicht überschätzt werden.
16
Das Zukunftsprogramm der SPD
Sicherheit Die SPD fordert mehr Eigenständigkeit für mehr Handlungsfähigkeit der EU (Kapitel 4.4). Sie fordert Mehrheitsentscheidungen, eine Bündelung europäischer Rüstungskooperation, genauso wie neue Rüstungskontroll- und Abrüstungsinitiativen für den europäischen Kontinent. Neue Technologien im Sicherheits- und Verteidigungssektor, Cyberbereich und Weltraum inklusive, werden als Risiken, nicht als Chance beschrieben, auf die „zu reagieren ist“. Der BDI teilt diese Einschätzung nicht. Neue Technologien bieten große Chancen für Sicherheit und Verteidigung. Innovationen können das Leben unserer Soldatinnen und Soldaten und der Bevölkerung in den Einsatzorten schützen, sie können zu Kosteneinsparungen und Effizienz beitragen. Deutschland sollte nicht auf technologische Entwicklungen anderer „reagieren“, sondern die Innovationskraft der deutschen Unternehmen nutzen, um europäische Standards zu setzen und die langfristige Gestaltung der künftigen europäischen Industrielandschaft in die Hand zu nehmen. Insbesondere weltraumbasierte Technologien spielen hier eine bedeutende Rolle: abhörsichere Kommunikation, Aufklärung oder Lagebilderstellung sind ohne Raumfahrttechnologie nicht möglich, genauso wie die Entwicklung von Kampfsystemen der nächsten Generation. Dies erhöht auch die Notwendigkeit von Responsive Space, der Fähigkeit, militärische und nachrichtendienstliche Systeme präzise und kurzfristig im Weltraum zu platzieren, zu nutzen und im Falle von Störungen oder Angriffen schnell zu ersetzen. Eine Stärkung der Eigenständigkeit und der Handlungsfähigkeit der EU in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bedarf eines Ausbaus weltraumgestützter Technologien. Deutschland sollte als Hochtechnologiestandort hier vorangehen. Die NATO wird als tragender Pfeiler der transatlantischen Partnerschaft und als unverzichtbar für Europas Sicherheit anerkannt. Die SPD fordert, die EU müsse sicherheits- und verteidigungspolitisch eigenständiger werden. Der BDI unterstützt diese Forderung. Was fehlt ist ein Bekenntnis zum ZweiProzent-Ziel, zu einer notwendigen Erhöhung der Verteidigungsausgaben. Aktuell werden über 80 Prozent der NATO-Verteidigungsausgaben von Nicht-EU-Staaten geleistet. Der europäische Pfeiler bedarf einer deutlichen Stärkung, um eine faire Lastenverteilung zwischen den NATO-Partnern zu erreichen. Die im Rahmen des Bündnisses gemeinsam beschlossene Investitionsquote von 20 Prozent und die Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts sind hierfür Voraussetzung – und schaffen gleichzeitig die Basis einer modernen Ausstattung der Bundeswehr. Die SPD fordert eine Bündelung europäischer Rüstungskooperation. Der BDI unterstützt diese Forderung. Die Bündelung europäischer Rüstungskooperation gilt es durch EU-europäische Programme, multi- und binationale Vorhaben anzuschieben. Die deutsche Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (SVI) begrüßt die Ansätze für eine europäische Rüstungskooperation auf Augenhöhe („Level Playing Field“) auf Basis der EU-Programme (PESCO, EDIDP und EDF). Sie erwartet eine klare Strategie mit einer Leitlinie, wie sich Deutschland bei europäischen Rüstungskooperationsvorhaben sowohl bilateral (siehe deutsch-französische Projekte (FCAS, MGCS, Eurodrohne) als auch im Rahmen der o. g. Programme zusammen mit anderen europäischen Nationen industriell einbringen will. Dieses Engagement bei europäischen Rüstungskooperationsvorhaben sollte aus Sicht des BDI als Stärkung des europäischen Pfeilers innerhalb der NATO verstanden werden, zur Stärkung der transatlantischen Beziehungen beitragen und zugleich der Erfüllung der gegenüber der NATO von deutscher Seite gegebenen Zusagen („NATO-Quote“) dienen. Auch dürfen den Kooperationsvorhaben keine weiteren sachfremde Hürden in den Weg gestellt werden, wie beispielsweise durch Kritik an Kosten für Forschung und Entwicklung für neue Technologien, ideologische Vorbehalte oder Exportbeschränkungen.
17
Das Zukunftsprogramm der SPD
Die SPD legt einen breiten Sicherheits- und Friedensbegriff zugrunde (Kapitel 4.5). Bei der Entschärfung internationaler Krisen und der Vermittlung von Frieden wird die weltweite Führungsrolle Deutschlands und der verantwortungsvolle Beitrag der Bundeswehr anerkannt. Dem stimmt der BDI uneingeschränkt zu. Deutschland trägt eine Mitverantwortung für globale Sicherheit, Stabilität und Wohlstand. Dafür bedarf es einer verlässlichen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Diese setzt klar formulierte Interessen, die Bereitschaft zur Umsetzung sowie eine bestmögliche technische Ausstattung der staatlichen Sicherheitsorgane voraus. Nur so kann der Schutz der Bürgerinnen und Bürger sichergestellt werden. Die SPD plädiert für bessere Ausrüstung der Soldaten und ihren Schutz durch Drohnen. Ob diese zu bewaffnen sind oder nicht, soll noch debattiert werden. Der BDI ist der Ansicht, dass das Für und Wider bewaffneter Drohnen zum Schutz von Soldatinnen und Soldaten bereits lange genug diskutiert wurde. Der BDI setzt sich für eine Ächtung offensiver, letaler autonomer Waffensysteme ein. Die Verhandlungen zeigen jedoch, dass es nicht zu einem globalen Verbot kommen wird. Die Bundeswehr muss deshalb zukünftig in der Lage sein, auf KI-unterstützte Angriffe zu reagieren. Der Einsatz von Drohnen und digitalen Waffen sollte grundsätzlich möglich sein, solang der Mensch die Kontrolle über Zielerfassung, Zielbekämpfung und Zielzerstörung behält. Es drängt die Zeit, denn die technologische Entwicklung im Rahmen von Kriegsführung schreitet voran. Unsere Soldatinnen und Soldaten brauchen den bestmöglichen Schutz, der Einsatz auch bewaffneter Drohnen gehört hier dazu. Gleiches gilt für das Nachfolgesystem des Kampfflugzeugs Tornado. Eine Entscheidung ist überfällig und darf nicht weiter verzögert werden. Die SPD setzt sich für eine Rüstungsexportpolitik im Verbund mit den Europäischen Partnern ein. Dem stimmt der BDI zu. Hinsichtlich der Rüstungsexportpolitik ist eine Harmonisierung der Exportkontrolle, -genehmigung und -praxis anzustreben. Entscheidungen müssen im Verantwortungsbereich der Mitgliedstaaten verbleiben. Zukünftige und politisch angestrebte Kooperationsvorhaben dürfen durch etwaige Exportrestriktionen nicht verhindert werden. Ein von der SPD gefordertes Rüstungsexportgesetz lehnt der BDI ab. In Deutschland unterliegen Rüstungsexportentscheidungen strikt dem Primat der Politik. Für deutsche Rüstungsexporte besteht bereits ein umfangreiches rechtliches Regelwerk, dem sich die Industrie aus Überzeugung unterordnet. Die SPD weist auf verschiedene Sicherheitsrisiken für Demokratie und Bevölkerung hin (organisierte Kriminalität, Cyberattacken, Desinformation und Terrorismus) (Kapitel 3.10 und 3.13). Der BDI unterstützt uneingeschränkt das Ziel der SPD, dass Bund, Länder und Kommunen zur Gewährleistung von Sicherheit „besser und schneller Hand in Hand arbeiten können“. Ein kohärenteres Wirken von Sicherheitsbehörden in Bund, Ländern und Kommunen ist ein Schlüssel für den Schutz der Menschen. Was jedoch keinerlei Erwähnung findet, ist der Schutz der Wirtschaft vor externen Angriffen, ob politisch oder krimineller Natur, ob über digitale oder analoge Angriffswege. Der Schutz der Wirtschaft muss gewährleistet werden, damit Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, deren Arbeitsplätze, Know-how und Produkte nicht entwendet, sabotiert oder zerstört und nicht gefährdet werden. Wertschöpfungsund Lieferketten müssen so ausgestaltet sein, dass ihre Basis – die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – nicht gefährdet werden und unsere Versorgung mit unverzichtbaren Gütern und kritischer Infrastruktur nicht unterbrochen werden kann. Desinformationskampagnen, Spionage, Sabotage, Erpressung und Betrug gefährden die Basis unserer sozialen Marktwirtschaft und unseres demokratischen Systems. Umfassender Wirtschaftsschutz als bedeutender Standortfaktor muss daher als Teilbereich von Sicherheit anerkannt und prioritär behandelt werden.
18
Das Zukunftsprogramm der SPD
Rohstoffe Rohstoffe stehen am Anfang jeder Wertschöpfungskette. Eine sichere und nachhaltige Versorgung mit Rohstoffen ist somit unabdingbar. Der BDI unterstützt die Forderung der SPD, dass mit Ressourcen sparsam umzugehen ist (Kapitel 2.1). In diesem Zusammenhang ist auch der geplante Ausbau einer Kreislaufwirtschaft zu begrüßen. Dieser sollte entlang der gesamten Wertschöpfungskette zügig vorangebracht werden und bisher nicht genutzte Potenziale ausschöpfen. In Produkten verbaute Materialien können mit einer geeigneten Recyclinginfrastruktur wiederverwendet werden. Besonders bei Rohstoffen für Zukunftstechnologien können so Abhängigkeiten verringert werden. Notwendig sind geeignete politische Rahmenbedingungen, die eine Verwendung von Recyclingmaterialien und private Investitionen fördern und hierfür Rechtssicherheit schaffen. Das von der SPD geplante Rohstoffsicherungskonzept zur Sicherung der für die umweltfreundliche Produktion nötigen Rohstoffe sollte auf drei Säulen basieren: Dem diskriminierungsfreien Zugang zu Rohstoffen aus dem Ausland (Säule 1), der Stärkung der heimischen Rohstoffsicherung sowie -gewinnung (Säule 2) und dem Recycling von Rohstoffen (Säule 3).
Raumfahrt Der Raumfahrtsektor wird im Wahlprogramm der SPD nicht erwähnt. Die SPD fordert allerdings, dass Deutschland bis 2030 über eine digitale Infrastruktur auf Weltniveau verfügt (inklusive digitalisierter Verwaltung und Bildungssystem) (Kapitel 2.3). Dafür soll eine entsprechend notwendige Infrastruktur ausgebaut werden. Der BDI unterstützt diese Forderung. Eine klarere Haltung zu Umsetzungsschritten, wie die dafür notwendige Infrastruktur ausgebaut werden soll wäre jedoch wünschenswert. Weder terrestrische noch raumfahrtbasierte Technologien finden eine Erwähnung – und das, obwohl die SPD darauf abzielt, rasch flächendeckenden, sicheren, schnellen, bezahlbaren Internetzugang für alle, vor allem im ländlichen Raum zu gewährleisten. Der Fokus wird dabei auf global agierende mittelständische Unternehmen gesetzt, die auf schnelles Internet angewiesen sind, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Um flächendeckendes Internet in ländlichen oder infrastrukturell weniger erschlossenen Räumen bereitzustellen, muss jedoch der Aufbau eines unabhängigen europäischen Breitband-Satellitennetzes stark beschleunigt werden. Als Ergänzung von Glasfasernetzen und 5G-Technologien ist dies der entscheidende Schritt für die Schaffung bundesweit gleichwertiger Lebensverhältnisse – nicht nur für Alltag und Beruf, sondern vor allem für Möglichkeiten der digitalen Gesundheitsversorgung, des Bildungswesens und der Informationsvielfalt. Um eine europäische Cloud-Infrastruktur auszubauen muss der Raumfahrtsektor stärker an marktwirtschaftlichen Prinzipien ausgerichtet werden. Projekte müssen vermehrt ausgeschrieben und Startups sowie KMU gezielt einbezogen werden. Mit stärker wettbewerbsorientierten Ansätzen kann sichergestellt werden, dass die Ergebnisse aus staatlich geförderten Projekten tatsächlich auch zu Innovation und Wachstum führen.
19
Impressum Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) Breite Straße 29, 10178 Berlin www.bdi.eu T: +49 30 2028-0
Redaktion Jürgen Hasler Leiter Abteilung Strategische Planung und Koordination T: +49 30 2028-1629 J.Hasler@bdi.eu Katharina Will Referentin Abteilung Strategische Planung und Koordination T: +49 30 2028-1446 K.Will@bdi.eu
BDI Dokumentennummer: D 1365