Empfehlungen der Wirtschaft zur Elektromobilität an den 20. Deutschen Bundestag

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Empfehlungen der Wirtschaft zur Elektromobilität an den 20. Deutschen Bundestag


Fit for green mobility - mit den richtigen strategischen Maßnahmen Die deutsche Industrie gestaltet den Wandel der Mobilität hin zu einer immer klimafreundlicheren, emissionsarmen bzw. emissionsfreien Mobilität durch die Entwicklung innovativer Technologien und Lösungen sowie durch verbesserte Effizienz. Elektromobilität spielt dabei insbesondere im Pkw Segment eine zentrale Rolle, aber auch im Nutzfahrzeugsegment nehmen Marktteilnehmer verstärkt batterieelektrische Fahrzeuge in den Blick. Klar ist aber auch: Neben batterieelektrischer und wasserstoffgetriebener Mobilität werden künftig auch CO2-arme und CO2-neutrale Kraftstoffe einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung des Verkehrs leisten. Deshalb gilt es für einen erfolgreichen Klimaschutz im Verkehr weiterhin, einen technologieoffenen Ansatz für Antriebe, Kraftstoffe und den Aufbau von entsprechenden Lade- und Tankinfrastrukturen zu verfolgen. Mit ihrer Elektromobilitätsoffensive im Jahr 2020 hat die deutsche Industrie einen entscheidenden Schritt vollzogen, dass innovative Produkte, Dienstleistungen und Lösungen für Elektromobilität weltweit verfügbar sind. Die Herausforderung der kommenden Jahre für den Standort Deutschland besteht darin, in einem sich dynamisch verändernden internationalen Wettbewerbsumfeld, die bestehenden Wertschöpfungsketten zu stärken und zu erweitern sowie Arbeitsplätze zu sichern. Grundvoraussetzung dafür ist, dass die Politik Planbarkeit für THG-Minderungsziele und -pfade sicherstellt. Für den Erfolg von Elektromobilität in Deutschland ist ein systemischer Ansatz weiterhin geboten. Das schließt eine intelligente Sektorkopplung der bisher getrennten klassischen Teilsysteme Fahrzeug, Verkehr und Energie hinsichtlich der Einbindung in die Stromnetze, der Digitalisierung und eines Hochlaufs des Wasserstoffmarktes ein. Die Experten in der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität (NPM) verfolgen gemeinsam den systemischen Ansatz und entwickeln Empfehlungen für die Politik. Deshalb sollte die NPM in der kommenden Legislaturperiode neu ausgerichtet fortgeführt werden. Ziel für Deutschland muss es sein, den Wandel der Mobilität erfolgreich zu gestalten. Das heißt: Die Klimaschutzziele im Verkehr werden erfüllt, Deutschland kann sich als Leitanbieter und Leitmarkt für Elektromobilität behaupten und die deutsche Industrie kann ihre Spitzenpositionen bei Klimaschutztechnologien im Verkehr sichern. Dafür haben die Mitglieder des Industriekreises Elektromobilität Empfehlungen für flankierende Rahmenbedingungen erarbeitet.

Elektromobilität – Markthochlauf mit passgenauen Maßnahmen voranbringen Markthochlauf von Elektromobilität absichern! ▪ Bestehende Förderung für Elektrofahrzeuge (Pkw, Leichte Nutzfahrzeuge) und für Flottenumstellungen in der Markthochlaufphase passgenau gestalten, insbesondere die Antragsverfahren für gewerbliche Unternehmen vereinfachen, weiteren Hochlauf eng monitoren und bei Bedarf nachsteuern ▪ Attraktivität von Elektrofahrzeugen und wirtschaftliche Integration durch adäquate Gesetzgebung im Rahmen von Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und Energiewirtschaftsgesetz (EnWG, u. a. Eigenverbrauch, Netzintegration) erhöhen ▪ Plug-In-Hybride als ein Instrument der Transformation unter Berücksichtigung der Optimierung der elektrischen Reichweite und entsprechender Ladeleistung mit maximalem Grünstromanteil fördern

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Rahmenbedingungen für den Markthochlauf von CO2-armen und CO2-neutralen Nutzfahrzeugen schaffen! ▪ Entwicklung CO2-neutraler Fahrzeuge für den Einsatz im Schwerlastverkehr (batterieelektrischer Lkw und Wasserstoff-Brennstoffzellensystem-Lkw) weiter fördern ▪ Anschaffung batterieelektrischer Lkw und Wasserstoff-Brennstoffzellensystem-Lkw fördern ▪ Ausbau Tankinfrastruktur für Wasserstoff (Wasserstoff-Brennstoffzellen-Lkw) und Ladeinfrastruktur (batterieelektrische Lkw) im Depot und an den Hauptverkehrsachsen fördern ▪ Attraktive Rahmenbedingungen für Flottenumstellung analog zur Anreizkulisse für Pkw in der Markthochlaufphase schaffen, z. B. steuerliche Entlastungen für Fahrstrom und Wasserstoff (bspw. kurzfristig steuerfinanzierte Senkung der EEG-Umlage, mittelfristig Reform des EEG) und Verstetigung der LkwMaut-Befreiung

Mehr Tempo beim Ausbau einer bedarfsgerechten öffentlichen und privaten Ladeinfrastruktur erhöhen! ▪ Umbaukosten für Ladeinfrastruktur (LIS) vermeiden durch stabile Rahmenbedingungen für den Betrieb und Förderung des Aufbaus von LIS mit Ziel einer zeitnahen Wirtschaftlichkeit verstetigen ▪ Masterplan Ladeinfrastruktur konsequent umsetzen, LIS bedarfsgerecht ausbauen ▪ Noch vorhandene Wirtschaftlichkeitslücken bei Errichtung flächendeckender Schnellladeinfrastruktur an Hauptverkehrsachsen besonders fördern mit klarer Perspektive zur Überführung in den Wettbewerbsmarkt ▪ Attraktive Rahmenbedingungen für LIS in der Markthochlaufphase schaffen, z. B. durch steuerliche Entlastungen für Fahrstrom (kurzfristig z. B. durch Attraktivierung des Eigenstromverbrauchs, steuerfinanzierte Senkung der EEG-Umlage, mittelfristig Reform des EEG) ▪ Ausbau privater Ladeinfrastruktur unter Berücksichtigung des Sanierungsbedarfs von Hausanlagen fördern ▪ Rahmenbedingungen für die Förderung öffentlicher, innerstädtischer Lade-Hubs mit den Kommunen schaffen und wettbewerbliche Flächenverfügbarkeit für öffentliche LIS erhöhen ▪ Unnötige Hürden bei der Errichtung von Ladeinfrastruktur beseitigen, v. a.: –

Förderung vereinfachen durch unkomplizierte, kürzere Antragsverfahren

Genehmigungsverfahren der öffentlichen Hand für Netzbetreiber beschleunigen

Prozesse zur Einrichtung von Hausanschlüssen vereinfachen

Ausnahmegenehmigungen bei baulichen Vorgaben für LIS an Tankstellen flexibel gestalten, z. B. zur Breite der Stellfläche für Ladestationen

▪ Ausbau von LIS an Tankstellen nachfrageorientiert und nach Wirtschaftlichkeitskriterien ausrichten: –

Keine verpflichtenden Infrastrukturmandate für Tankstellen einführen

Ausbau über Anreiz- und Förderprogramme mit weniger bürokratischen Hürden voranbringen

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Elektromobilität – Durch strategische Weichenstellungen den Industriestandort Deutschland stärken Nachhaltigkeit der Elektromobilität sicherstellen! ▪ Die Verwendung von Fahrzeugtraktionsbatterien in Second Life Anwendungen ermöglichen, z. B. zur Speicherung erneuerbarer Energien ▪ Geschäftsmodelle für den Aufbau von Rücknahme- und Recycling-Strukturen entwickeln, um die Importabhängigkeit von Rohstoffen zu verringern, z. B. durch Verminderung des Exports von gebrauchten Fahrzeugtraktionsbatterien ▪ Anlagen mit Mindestrecycling-Standards für Fahrzeugtraktionsbatterien entwickeln, z. B. analog zur CEN 50625-Reihe für Elektro- und Elektronikaltgeräte ▪ Klare rechtliche Definitionen von Zielwerten für Recycling und Rückgewinnungsraten für ausgewählte wichtige Batteriematerialien, bspw. für Fahrzeugtraktionsbatterien, schaffen ▪ Politik ist aufgefordert, das Festsetzen von Standards für die Berechnung von CO2-Fußabdrücken für relevante Elemente wie Rezyklate, Primärmaterialien und Batteriesysteme zu unterstützen ▪ Regulatorische Anforderungen erarbeiten, um relevante Informationen über den Lebenszyklus hinweg (z. B. Herkunft, Rezyklatanteil, CO2-Fußabdruck, Zustand der Batterie etc.) bereitzustellen, etwa durch Batteriepässe und Data Spaces

Beschäftigung am Standort Deutschland sichern und ausbauen! ▪ Arbeitsplätze, z. B. im Bereich Batteriezellproduktion, Batterierecycling, schaffen ▪ IT-Kompetenzen, z. B. in der Berufsausbildung, in den Fachbetrieben, in der betrieblichen Weiterbildung, vermitteln ▪ Curricula an Hochschulen und Universitäten in den Ingenieur-Studiengängen entwickeln ▪ Betriebliche Weiterbildungen unterstützen, z. B. durch modulare Mitarbeiterqualifizierung zur Elektromobilität ▪ Übergreifende Transferprogramme von der Innovation in die Applikation durch geeignete übergreifende Transfercluster entwickeln

Fit for the future – Innovationen stärken! ▪ Forschung und Entwicklung entlang der gesamten Wertschöpfungskette Elektromobilität (BEV, FC) inklusive Fahrzeugentwicklung und angrenzenden Sektoren konsequent fortführen, v. a. durch –

insbesondere Mittelstand + Startups zu Innovationen befähigen, z. B. durch Ausweitung der steuerlichen Forschungsförderung und Ausbau der industriellen Gemeinschaftsforschung

Schlüsseltechnologien weiter entwickeln, v. a. Antriebstechnologie, Plug & Charge, Materialforschung und -recycling, Mikroelektronik, Leistungselektronik, Vernetzung und Digitalisierung im Fahrzeug, Vernetztes und Automatisiertes Fahren (VAF),

Produktionsforschung, z. B. im Bereich neue Mobilität und grünem Wasserstoff, stärken

▪ Ganzheitlichen Ansatz für Anreize und Regulierungen von Antrieben und CO 2-neutralen Kraftstoffen im Verkehr auf nationaler und EU-Ebene forcieren (Energiesteuerrichtlinie, RED II; ETS hinsichtlich des Luft- und Seeverkehrs, Effort Sharing, Flottenregulierung) 4


▪ Ursprungsregeln in EU-Freihandelsabkommen verankern, die – unter Berücksichtigung des heutigen und künftigen Ausbaus europäischer Wertschöpfung in der Batteriewertschöpfungskette – den zollfreien bzw. zollbegünstigten Export für europäische Elektrofahrzeuge ermöglichen ▪ Zusammenarbeit wichtiger Akteure im Rahmen der NPM fortführen

Wettbewerbsfähigkeit durch kluge Standortbedingungen in Deutschland verbessern! ▪ Attraktive Standortbedingungen durch wettbewerbsfähige Energiekosten und Entlastung bei Stromkosten, z. B. kurzfristig durch Senkung von Steuern und Umlagen, schaffen ▪ Level Playing Field auch für die Wettbewerbsfähigkeit in der Produktion absichern ▪ Sicherstellen, dass Hürden für den Export von im Fahrzeug verbauter VAF-relevanter Technologie im Bereich Exportkontrolle vermieden werden

Elektromobilität – Sektorkopplung des Verkehrs konsequent weiterdenken Markthochlauf von Wasserstoff und PtX-Technologien sicherstellen! ▪ Markthochlauf von Wasserstofftechnologien über Verkehrssektor und Raffinerien (Co-Processing, H2 im Raffineriebereich) unterstützen; Wasserstoff technologieoffen nutzen, Kraftstoffmarkt ganzheitlich betrachten ▪ Aufbau einer wettbewerbsfähigen Zulieferindustrie für Brennstoffzellen und Elektrolyseure flankieren ▪ Nationale Wasserstoffstrategie rasch und konsequent umsetzen ▪ Eine transparente und EU-anschlussfähige Methodologie zur Wasserstoffherstellung beim Netzbezug von Strom in der 37. BImSchV implementieren ▪ Klimaziele im Verkehrssektor durch weitere gezielte Maßnahmen für strombasierte Kraftstoffe unterstützen, v. a. durch: –

Marktanreizprogramm zur Förderung von Investitionskosten von Anlagen zur Wasserstoffherstellung (Elektrolyseure) im industriellen Maßstab umsetzen

freiwillige Anrechenbarkeit in EU-CO2-Flottenregulierung, insbesondere für Nutzfahrzeuge einführen, die zusätzlich zu den Vorgaben der RED II treibhausgasmindernd wirkt

Neuausrichtung der Energiesteuerrichtlinie hinsichtlich Kraftstoffe auf CO 2, übergangsweise Ausnahme gemäß Art. 19 EU-Energiesteuerrichtlinie für synthetische strombasierte Kraftstoffe beantragen

▪ Ambitionierte Revision der Renewable Energy Directive (RED II) hinsichtlich des Verkehrs auf EUEbene voranbringen

Digitalisierung der Mobilität voranbringen! ▪ Öffentliche Verkehrsinfrastrukturen (Ampeln, Baustellen) befähigen, statische sowie dynamische Infrastrukturdaten digital bereitzustellen mit dem Ziel, einen sogenannten digitalen Zwilling im Kontext des

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Datenraums Mobilität zu schaffen und den Verkehrsteilnehmern alle verkehrsrelevanten Daten zur Verfügung zu stellen ▪ Sektorübergreifende Plattformen für den Datenaustausch gestalten, die auf europäischen Werten basieren ▪ Rahmenbedingungen für attraktive anreiz- und nicht zwangsbasierte Marktplätze im Sinne des Datenraums Mobilität schaffen, die sowohl von den technischen Grundvoraussetzungen als auch durch ihre Governance-Strukturen einen einfachen und schnellen Austausch von Daten ermöglichen ▪ Freiwillige Teilnahme der Akteure und Vertragsfreiheit für den Austausch von Daten als eine wesentliche Voraussetzung sicherstellen, um ausreichenden Anreiz für einen wettbewerbsfähigen und innovativen Marktplatz zu schaffen

Industriekreis Elektromobilität

Ansprechpartner Koordinierungsstelle des Industriekreises Elektromobilität im VDA E-Mail: Elektromobilitaet@vda.de Stand: Juni 2021

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