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Digitalisierung und Bürokratieabbau in Zollverfahren Vereinfachungen für Wirtschaftsbeteiligte und Behörden September 2021 Kernforderungen ▪ Die Digitalisierung bietet eine wichtige Chance zur Vereinfachung von Zollverfahren und für einen Bürokratieabbau. Davon profitieren nicht nur die Wirtschaftsbeteiligten, sondern auch die Zollbehörden. Eine Digitalisierung von Zollverfahren muss daher auf allen Ebenen konsequent durchgeführt werden und sollte immer auch zu einem Abbau bürokratischer Anforderungen an die Wirtschaftsbeteiligten führen. Die Digitalisierung bietet auch die Möglichkeit zu einer effizienteren und zielgerichteteren Risikoanalyse, die durch die daraus resultierende Verbesserung der Kontrollen zu einer Entlastung der Behörden und Wirtschaftsbeteiligten führen kann. ▪ Die deutsche Zollverwaltung nimmt eine Vorreiterrolle hinsichtlich der Digitalisierung innerhalb der EU ein. Die mangelnde und in vielen Bereichen gar fehlende Vernetzung der nationalen IT-Systeme der Zollverwaltungen zwischen den Mitgliedstaaten untereinander und mit der Europäischen Kommission stellt aus Sicht der Wirtschaftsbeteiligten das zentrale Problem dar. Eine konsequente Vernetzung über digitale Schnittstellen könnte Zollverfahren signifikant vereinfachen und zu einer deutlichen bürokratischen Entlastung führen. ▪ Der Umfang der erforderlichen Daten in Zollanmeldungen nimmt stetig zu. Hier sollte die Angemessenheit hinsichtlich der für die Risikoanalyse und Kontrollerfordernis wirklich benötigten Daten gewahrt werden. Reduzierte Datenanforderungen würden nicht nur für Wirtschaftsbeteiligte eine Entlastung darstellen. Auch die Auswertung der Daten zu Kontrollzwecken seitens der Zollbehörden könnte effizienter und schneller gestalten werden. So würden beispielsweise für immer wiederkehrende und somit bekannte Geschäftsvorgänge periodische (zum Beispiel monatliche) Sammelmeldungen mit reduzierten Datensätzen ausreichen. ▪ Ein effizienter und digitaler Austausch von zollanmeldungsrelevanten Daten bietet weitere Möglichkeiten zur Vereinfachung von und für den Bürokratieabbau in Zollanmeldungen. Gerade die Schaffung digitaler Schnittstellen kann zu signifikanten Erleichterungen führen, Ressourcen einsparen und die Abwicklung von Zollverfahren beschleunigen. ▪ Insbesondere für Zugelassene Wirtschaftsbeteiligte (Authorized Economic Operators, AEOs) sollten prozessuale Zollkontrollen anstelle von transaktionsbezogenen Kontrollen erfolgen. Diese sowie ein effektiveres Risikomanagement mit zielgerichteteren Kontrollen und damit Reduzierung der Kontrollerfordernis für risikoärmere Transaktionen und Wirtschaftsbeteiligte wird durch die Digitalisierung ebenfalls unterstützt
Matthias Krämer | Außenwirtschaftspolitik | T: +49 30 2028-1562 | m.kraemer@bdi.eu | www.bdi.eu Anna Kantrup | Außenwirtschaftspolitik | T: +49 30 2028-1526 | a.kantrup@bdi.eu | www.bdi.eu
Digitalisierung und Bürokratieabbau in Zollverfahren
Vereinfachung von Zollverfahren Die Digitalisierung bietet eine wichtige Chance zur Vereinfachung von Zollverfahren und Bürokratieabbau. Davon profitieren nicht nur die Unternehmen, sondern auch die Zollbehörden. Digitalisierung und Bürokratieabbau bieten großes Potenzial zur Ressourceneinsparung. In Anbetracht der Tatsache, dass der deutsche Zoll im durch die Corona-Pandemie geprägten Jahr 2020 noch immer über 251 Millionen Zollverfahren abgewickelt hat1, könnten diese Ressourcen auf Seiten der Zollverwaltung beispielsweise für eine effektivere und systemgestützte Risikoanalyse genutzt werden. Eine Digitalisierung von Zollverfahren muss daher auf allen Ebenen konsequent durchgeführt werden und sollte immer auch zu einem Abbau bürokratischer Anforderungen an die Wirtschaftsbeteiligten führen. Die vollständige Implementierung der im Unionszollkodex (UZK) vorgesehenen elektronischen Systeme sollte wie geplant im Jahr 2025 abgeschlossen sein. Es darf nicht zu einer weiteren Verschiebung kommen, da so den Wirtschaftsbeteiligten Verfahrenserleichterungen vorenthalten bleiben. Dies stellt einen Wettbewerbsnachteil für die deutsche und europäische Industrie dar. Gerade kleinen und mittelständischen Unternehmen fehlen häufig personelle und finanzielle Ressourcen, um komplizierte Zollformalitäten zu erfüllen. Je weniger Waren ein Unternehmen exportiert, desto stärker fallen Zölle und bürokratische Kosten ins Gewicht und desto schwerer fällt ein Einstieg ins Exportgeschäft. Sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene gibt es viel ungenutztes Potenzial für die Vereinfachungen der Zollverfahren, die sich durch flächendeckende Digitalisierung und konsequenten Bürokratieabbau ergeben, zum Beispiel durch ▪ die Flexibilisierung der Prozesse und Verfahren sowie notwendigen Pragmatismus, beispielsweise durch eine vereinfachte Abwicklung und reduzierte Kontrollen für regelmäßig wiederkehrende Geschäftsvorfälle; ▪ die systemgestützte prozessuale Überprüfung und Risikoanalyse anstelle von transaktionsbasierten Kontrollen. Bei der Ausarbeitung und Implementierung digitaler Lösungen sowohl auf EU- als auch auf nationaler Ebene muss unbedingt enger mit den Wirtschaftsbeteiligten zusammengearbeitet werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Digitalisierung zu wirklichen Vereinfachungen auf Seiten der Wirtschaft führt. Zudem bedarf es pragmatischer Übergangsregelungen, die es den Wirtschaftsbeteiligten erlauben, Zollverfahren und zollrechtliche Vereinfachungen effizient anzuwenden. Zur Begleitung der Ausarbeitung und Implementierung digitaler Verfahren sollte eine enge und stetige Kooperation zwischen der Zollverwaltung und den Wirtschaftsbeteiligten angestrebt werden. Hierzu schlägt der BDI eine strukturierte Zusammenarbeit zwischen der deutschen Wirtschaft auf der einen Seite und dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) sowie der Generalzolldirektion (GZD) auf der anderen Seite vor. Durch eine solche strukturierte Zusammenarbeit können Fach- und Implementierungsfragen dezentral und effizient diskutiert sowie gemeinsame Lösungsvorschläge erarbeitet werden. Vernetzung von nationalen und EU-Zollsystemen Die mangelnde und in vielen Bereichen gar fehlende Vernetzung der nationalen IT-Systeme der Zollverwaltungen zwischen den Mitgliedstaaten untereinander und mit der Europäischen Kommission stellt aus Sicht der Industrie das zentrale Problem dar. Dies führt aktuell zu signifikanten Mehraufwänden auf Seiten der Wirtschaft, die die eigentlichen Vorteile der Zollverfahren teilweise erheblich
Generalzolldirektion, Der Zoll – Daten und Fakten im Überblick, April 2021, <https://www.zoll.de/SharedDocs/Downloads/DE/Links-fuer-Inhaltseiten/Der-Zoll/zdf_zoll_daten_fakten_ueberblick_2020.pdf?__blob=publicationFile&v=2>. 1
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übersteigen. Eine konsequente Vernetzung über digitale Schnittstellen könnte Zollverfahren signifikant vereinfachen und zu einer deutlichen bürokratischen Entlastung führen. Dabei macht der Gesetzgeber bei der Schaffung des Unionszollkodex in der Präambel bereits deutlich, dass „Voraussetzung für die Erleichterung des legalen Handels und die Betrugsbekämpfung […] einfache, schnelle, standardisierte Zollverfahren und Arbeitsabläufe [sind].“ Daher sei angezeigt, zollrechtliche Vorschriften zu vereinfachen. Damit solle dazu beigetragen werden, die Grundlage für einfache und effiziente Abwicklungsverfahren zu gewährleisten, um die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu erhöhen.2 Ein aktuelles Beispiel für die Generierung von massivem Mehraufwand durch mangelnde Vernetzung von Zollsystemen ist die derzeitige Version des Systems für den Standardinformationsaustausch INF STP über das EU-Trader Portal, welches für den Datenaustausch bei Anwendung von Zollverfahren implementiert wurde. Obwohl die erforderlichen Daten entweder in den nationalen Zollanmeldungen oder in der Bewilligung enthalten sind, ist eine zusätzliche manuelle Dateneingabe im INF STP erforderlich. Eine Vernetzung der nationalen Zollsysteme untereinander, durch die eine Datenübermittlung zwischen den unterschiedlichen Systemen hergestellt werden würde, dürfte den beteiligten Zollstellen nicht nur eine digitale – statt einer manuellen – Überwachungsmöglichkeit bieten und zugleich den Wirtschaftsbeteiligten eine Doppelerfassung ersparen. Sowohl auf Seiten der Zollverwaltung als auch bei Unternehmen könnten so erhebliche Ressourcen eingespart und Prozesse beschleunigt werden. Die Entwicklung von digitalen Lösungen muss aus Sicht der deutschen Industrie anwenderfreundlich sein. Dazu gehört die Einführung eines echten EU-weiten one-stop-shop für alle mit der Zollabwicklung verbundenen Prozesse. Gegenwärtig wendet die deutsche Zollverwaltung nicht unerhebliche Ressourcen für die Einführung von nationalen IT-Lösungen auf, die ebenfalls von EU-Seite bereitgestellt werden. Beispiele hierfür sind das Bürger- und Geschäftskundenportal sowie der Internetantrag AEOBewilligung, die von deutschen Wirtschaftsbeteiligten für Anträge für verbindliche Zolltarifauskünfte oder eine AEO-Bewilligung genutzt werden müssen, obwohl diese Funktionen bereits über das Customs Trader Portal von der Europäischen Kommission vorhanden sind. Hingegen sind weitere Verfahren wie beispielsweise der Standardinformationsaustausch INF ausschließlich über das EUTrader Portal möglich. So sind Unternehmen teilweise gezwungen, sich für unterschiedliche Portale zu registrieren und mit diesen verschiedenen Anwendungen zu arbeiten. Auch Spanien, Frankreich, Kroatien und Polen streben nationale Einzellösungen an. Hier fordert die deutsche Industrie mehr Einheitlichkeit der Anwendungen sowie mehr Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten. Ziel einer effektiven Zollunion muss auch sein, dass es bei einer mitgliedstaatenübergreifenden Nutzung von Zollverfahren nicht zu einem Mehraufwand für die Wirtschaftsbeteiligten kommt. Eine „ITUnion“ mit einer gemeinsamen EU-weiten IT-Infrastruktur würde einen echten Wettbewerbsvorteil der Zollunion darstellen. Sollten Digitalisierungsvorhaben der Europäischen Union (EU) von jedem Mitgliedstaat einzeln implementiert werden, ist es wichtig, dass es klare Richtlinien für die nationale Umsetzung gibt, um gleiche Rahmenbedingungen in allen Mitgliedstaaten sicherzustellen und Mehraufwand der Wirtschaftsbeteiligten so weit wie möglich zu vermeiden.
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Amtsblatt der Europäischen Union, Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (Neufassung), 10. Oktober 2013, <https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32013R0952&from=EN>. 3
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Datenanforderungen in Zollanmeldungen Der Umfang der erforderlichen Daten in Zollanmeldungen nimmt stetig zu. Steigende Anforderungen aufgrund von Änderungen im EU-Zollrecht werden ergänzt durch zusätzliche Anforderungen der nationalen Zollbehörden. Hier sollte die Angemessenheit hinsichtlich der für die Risikoanalyse und Kontrollerfordernis tatsächlich benötigter Daten gewahrt werden. Reduzierte Datenanforderungen würden nicht nur für Wirtschaftsbeteiligte eine Entlastung darstellen. Auch die Auswertung der Daten zu Kontrollzwecken seitens der Zollbehörden könnte effizienter und schneller gestaltet werden. Daher sollte eine Reduktion der Datenfelder auf das erforderliche Maß im Einklang mit den gesetzlichen Grundlagen angestrebt werden. Derzeit ist es für die Wirtschaftsbeteiligten beispielsweise nicht verständlich, dass mehrere Mitgliedstaaten in Ausfuhranmeldungen die Angabe des vom Ausführer abweichenden Verkäufers (Seller) fordern, da der Ausführer der maßgebliche Beteiligte für das Ausfuhrgeschäft darstellt. Auch die Angabe des vom zollrechtlichen Ausführer abweichenden außenwirtschaftsrechtlichen Ausführers sollte ausschließlich bei Ausfuhren von genehmigungspflichtigen Gütern erfolgen, um unnötigen Mehraufwand für Wirtschaftsbeteiligte weitestgehend zu reduzieren. Ebenfalls blicken wir mit Sorge auf die steigende Anzahl von zu meldenden Unterlagencodierungen, die im Zusammenhang mit Rechtsverordnungen unterschiedlichster Art und damit einhergehenden Verboten und Beschränkungen (VUB) stehen. Hier wird die Zollanmeldung benutzt, um neue und oftmals nicht praxisgerechte Kontrollmechanismen einzuführen. So nehmen trotz Digitalisierung die Bürokratieanforderungen für Wirtschaftsbeteiligte in der Zollabwicklung zu. Auch bei der in Zollanmeldungen benötigten Warenbeschreibung stellt die deutsche Zollverwaltung hohe Anforderungen an die Wirtschaftsbeteiligten. Diese Anforderungen können von IT-Systemen nicht umgesetzt werden. Gerade das Warenspektrum von AEO-zertifizierten Wirtschaftsbeteiligten wird im Rahmen des AEO-Monitorings regelmäßig geprüft. Zumindest für diese Unternehmen sollten Vereinfachungen etabliert werden. Hinzu kommt, dass die Anforderungen an die Warenbeschreibung oftmals nicht nur von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat, sondern auch innerhalb Deutschlands ungleich und somit noch schwerer umsetzbar sind. So stellt die deutsche Industrie fest, dass einzelne Hauptzollämter auf außerordentliche Anforderungen in Hinblick auf die Warenbeschreibung setzen. Dies führt selbst innerhalb Deutschlands zu Wettbewerbsnachteilen. Effizienter digitaler Austausch von Informationen und Unterlagen Ein effizienter und digitaler Austausch von zollanmeldungsrelevanten Daten bietet weitere Möglichkeiten zur Vereinfachung in Zollanmeldungen, die ebenfalls nicht nur den Wirtschaftsbeteiligten, sondern auch der Zollverwaltung zugutekommen können. Gerade die Schaffung digitaler Schnittstellen kann zu signifikanten Erleichterungen führen, Ressourcen einsparen und die Abwicklung von Zollverfahren beschleunigen. Neben dem digitalen Austausch von zollanmeldungsrelevanten Daten sollte auch die gesamte Antragstellung, beispielsweise bei Anträgen für Bewilligungen oder auf Erstattungen, konsequent digitalisiert werden. Die Einrichtung einer Single-Window-Anwendung, die die Zollbehörde als zentrale Kontaktbehörde für die Wirtschaft etabliert, um einen digitalen Austausch sowohl von Zoll- als auch Nichtzollinformationen zu konsolidieren, würde zu deutlichen Vereinfachungen führen. Eine Single-Window-Anwendung würde eine zentrale Anlaufstelle – einen sogenannten one-stop-shop – etablieren, in der die Wirtschaftsbeteiligten alle für die Zollabfertigung nötigen Dokumente an einem Ort hinterlegen können und auf die alle relevanten Behörden zugreifen können. Eine Mehrfachangabe nötiger Informationen an unterschiedlichen Stellen kann so vermieden werden. Bei der Einrichtung dieser Anwendung ist zu beachten, dass sie zu einer wirklichen Vereinfachung wird und nicht zu zusätzlichen bürokratischen Anforderungen führt. Auch muss sichergestellt sein, dass es nicht zu einer Verzögerung der
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zollrechtlichen Überlassung kommt, sondern diese tatsächlich beschleunigt wird. Zudem muss die funktionierende Einbindung anderer Verfahrenserleichterungen, wie beispielsweise der zentralen Zollabwicklung oder der Eigenkontrolle, in eine Single-Window-Anwendung sichergestellt sein. Der BDI begrüßt das Vorhaben der Europäischen Kommission, eine solche Single-Window-Anmeldung in der EU zu etablieren. Der im Herbst 2020 vorgestellte Verordnungsvorschlag ist somit grundsätzlich ein Schritt in die richtige Richtung. Konkret ist der Vorschlag allerdings unzureichend, um eine wirkliche Vereinfachung für die Wirtschaftsbeteiligten zu bieten. Mit Sorge betrachtet wird insbesondere die Tatsache, dass in jedem Mitgliedstaat eine eigene nationale Single-Window-Umgebung etabliert werden soll, da so die Vorteile einer einzigen Anlaufstelle fast vollständig eliminiert werden würden. Sollte der europäische Gesetzgeber auf nationalen Single-Window-Anwendungen beharren, muss garantiert werden, dass es klare Richtlinien für die nationale Umsetzung gibt, um gleiche Rahmenbedingungen in allen Mitgliedstaaten sicherzustellen. 3 Auch die zentrale Zollabwicklung hat enormes Vereinfachungspotenzial für Wirtschaftsbeteiligte durch den effizienten digitalen Austausch von Informationen und notwendigen Dokumenten. Die zentrale Zollabwicklung erlaubt die Gestellung von Waren bei Zollstelle A (am Lagerort der Waren), während die dazugehörige Zollanmeldung bei Zollstelle B (beispielsweise am Hauptgeschäftssitz eines Unternehmens) abgegeben wird. Während für die Anwendung dieser signifikanten Vereinfachung auf EUEbene noch Fragen insbesondere zur Abwicklung der Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer geklärt werden müssen – was nach erteilter Bewilligung aber möglich ist –, wäre eine zentralisierte Zollabwicklung auf nationaler Ebene bereits heute umsetzbar. Dies würde die Aufwendungen für Zollkontrollen an den Ein- und Ausgangszollstellen minimieren und somit diese Zollstellen entlasten. Gleichzeitig könnten, insbesondere für AEO-zertifizierte Unternehmen, Zollkontrollen prozessorientiert im Rahmen des jährlichen AEO-Monitorings erfolgen. Die zusätzliche transaktionsbezogene Kontrolle an Ein- und Ausgangszollstellen könnte weitestgehend entfallen und somit zusätzliche Ressourcen auf Seiten der Zollverwaltung einsparen. Für die deutsche Industrie ist es nicht nachvollziehbar, weshalb die deutsche Zollverwaltung die nationale Anwendung dieses Instruments bisher ablehnt, insbesondere vor dem Hintergrund, dass andere EU-Mitgliedstaaten (wie beispielsweise Ungarn) eine zentrale Zollabwicklung bereits zulassen und damit ihre Standorte stärken. Vereinfachungen für AEOs Für die Zertifizierung zum Authorized Economic Operator (AEO) ist ein hoher Aufwand seitens der Wirtschaftsbeteiligten erforderlich, wie zum Beispiel die Implementierung und Dokumentation einer entsprechenden Organisation sowie von Prozessen oder die Schaffung eines internen Compliance Systems. Die Einhaltung dieser Anforderungen unterliegt einer regelmäßigen Kontrolle seitens der Zollbehörden. Da sich AEOs als generell zuverlässige und vertrauenswürdige Wirtschaftsbeteiligte erweisen, sollte der Status mit spürbaren Vereinfachungen einhergehen. Folgende Erleichterungen wären hier zum Beispiel denkbar, die auch im Rahmen einer strukturierten Zusammenarbeit zwischen der Wirtschaft und der Zollverwaltung genauer diskutiert und konkretisiert werden können: ▪ Ein deutlich reduzierter Datenkranz für AEOs, der auch Prozesssicherheit und Stabilität hinsichtlich der unternehmensinternen IT-Umsetzung bietet;
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Der BDI hat am 8. Dezember 2020 eine Stellungnahme zum Vorschlag der Europäischen Kommission zur Einrichtung der Single-Window-Umgebung der Europäischen Union für den Zoll veröffentlicht. Sie ist unter folgendem Link abrufbar: https://bdi.eu/media/publikationen/#/publikation/news/einrichtung-der-single-window-umgebung/. 5
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▪ eine Eigenkontrolle (Self-Assessment) für wiederkehrende Geschäftsvorfälle und Standardvorgänge; ▪ prozessbasierte anstatt transaktionsbasierter Kontrollen für AEOs: – Die Zertifizierung als AEO erleichtert den Zugang zu vereinfachten Verfahren bei der Zollanmeldung. In den Bewilligungen für das jeweilige Verfahren werden bereits umfangreiche Festlegungen und Einschränkungen getroffen (zum Beispiel Einschränkung der Vereinfachung auf einen bestimmten Warenkreis), die regelmäßig kontrolliert werden. Die Durchführung von prozessualen Kontrollen anstelle von transaktionsbezogenen Kontrollen ist daher ohne weitere IT-Anpassungen für diese zuverlässigen Wirtschaftsbeteiligten bereits durch eine Aktualisierung der Dienstanweisungen möglich. ▪
Die Möglichkeit der EU-weiten zentralen Zollabwicklung auch bei der Einfuhr sowie die deutschlandweite zentrale Zollabwicklung bei Ein- und Ausfuhren.
Die Einführung solcher Vereinfachungen und die Reduktion bürokratischer Anforderungen würde nicht nur AEOs entlasten. Auch der deutsche Zoll würde durch den Wegfall eines „doppelten“ Kontrollaufwandes bei AEOs entlastet werden.
Vereinfachungen durch Bürokratieabbau Auch über eine konsequente Digitalisierung von Zollverfahren hinaus bieten sich eine Reihe weiterer Möglichkeiten zur Vereinfachung durch einen Abbau von unnötiger Bürokratie. Auch hier würden nicht nur Entlastungen für die Wirtschaftsbeteiligten, sondern auch für die Zollbehörden geschaffen. Ein systematischer Abbau bürokratischer Hürden und Anforderungen würde zu Ressourceneinsparungen führen, die an anderer Stelle effektiver eingesetzt werden und so den Standtort Deutschland stärken können. Folgende Beispiele aus der Praxis zeigen deutlich, dass unterschiedliche Zollverfahren großes Potenzial zum Bürokratieabbau bieten und somit zu deutlichen Vereinfachungen führen können: Bewilligung eines Anschreibeverfahrens Im Rahmen des Antrags für die Bewilligung eines Anschreibeverfahrens (A1) wird vom Antragsteller gefordert, eine Warenaufstellung mit jeder einzelnen Zolltarifnummer auf Unterpositionsebene der Kombinierten Nomenklatur (8-stellinge KN-Nummer) anzufertigen, für die das Anschreibeverfahren genutzt werden soll. Häufig kann eine solche Warenaufstellung über 1.000 Zolltarifnummern beinhalten. Nachdem das zuständige Hauptzollamt die entsprechende Warenaufstellung erhalten und in die Bewilligung eingearbeitet hat, wird diese samt Anlagen postalisch an das antragstellende Unternehmen zugesandt. Bei der Aufnahme einer einzigen neuen Zolltarifnummer in die Warenaufstellung muss der Antragsteller den gesamten Prozess erneut durchlaufen. Dieser Mehraufwand könnte durch einen einfachen zusammenfassenden Vermerk der verwendeten Positionen des Harmonisierten Systems (4-stellige HS-Nummer) vermieden werden. Zudem würde der elektronische Versand von Bewilligungen, beispielsweise als Datei per E-Mail oder über andere Wege der elektronischen Kommunikation, ebenfalls zu einer Erleichterung führen.
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Gesamtsicherheiten Für alle besonderen Zollverfahren gemäß Artikel 210 Unionszollkodex ist eine Sicherheit in Höhe des sogenannten Referenzbetrags zu leisten. Eine wesentliche Neuerung des UZK war die Einführung der Möglichkeit, eine „einzige Gesamtsicherheit“ für mehrere Zollverfahren zu leisten. Gleichwohl wird diese Erleichterung seit Inkrafttreten des UZK bis heute in Deutschland nicht gewährt und sogar durch eine interne Dienstvorschrift bis auf weiteres ausgeschlossen. Aktuell werden Unternehmen von der deutschen Zollverwaltung gezwungen, für jedes Verfahren eine individuelle Sicherheit zu hinterlegen. So kommt es in der Praxis beispielsweise vor, dass Unternehmen eine neue, zusätzliche Bürgschaft brauchen, wenn die Sicherheit in einem Verfahren nicht ausreichend hoch ist. Dies ist auch der Fall, wenn in einem parallel laufenden Verfahren noch große, ungenutzte Sicherheiten bestehen. Für die deutsche Industrie ist die Anwendung einer „einzigen Gesamtsicherheit“ für alle Verfahren unabdingbar und stellt eine deutliche Vereinfachung dar. Daher fordert der BDI die zeitnahe Umsetzung der „einzigen Gesamtsicherheit“ in Deutschland. Überlassung von Waren Derzeit stellt die deutsche Industrie fest, dass der Erhalt einer Bewilligung zur Überlassung von Waren bei der Einfuhranmeldung zum Zeitpunkt der innerbetrieblichen Anschreibung (Überlassungstyp C) für AEOs im Zuständigkeitsbereich einiger Hauptzollämter kaum noch möglich ist. Für industrielle Logistikund Produktionsprozesse ist die klassische Überlassung mit Fristablauf während der Öffnungszeiten des Zollamtes keinesfalls ausreichend, um wirtschaftlich arbeiten zu können. Zum Beispiel kann bei der Entnahme von Waren aus einem Zolllager in den freien Verkehr der EU im Mehrschichtbetrieb nachts nicht auf die Freigabe der Zollbehörden am nächsten Morgen, bis das Zollamt wieder öffnet, gewartet werden. Dies führt zu unnötigen Verzögerungen und bürokratischem Aufwand. Beides kann durch die oben genannte entsprechende Bewilligung vermieden werden. Zugelassener Empfänger (ZE) und Verwahrungslager Obwohl die Delegierte Verordnung DA (EU) 2018/1063 in Artikel 115 bei der vorübergehenden Verwahrung unter bestimmten Voraussetzungen (Anmeldung zu einem Zollverfahren oder spätestens drei Tage nach Warengestellung) einen Verwahrort ohne Bewilligung erlaubt, sieht der deutsche Zoll ein zwingend erforderliches Verwahrungslager vor: „Für die Bewilligung als zugelassener Empfänger ist in Deutschland die Bewilligung eines Verwahrungslagers Voraussetzung, so dass die Verwahrung an einem nach Art. 115 Abs. 2 UZK-DA zugelassenen Ort nicht in Betracht kommt.“ 4 Aus diesem Erfordernis ergibt sich für viele Firmen ein erheblicher zusätzlicher bürokratischer Aufwand (Bewilligung, Sicherheitsleistung), wenn sie ihre Importe innerhalb von drei Tagen in ein Zollverfahren (beispielsweise Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr) überführen und die Verwahrungsfrist von bis zu 90 Tagen nicht in Anspruch nehmen.
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Generalzolldirektion, Vorübergehende Verwahrung, <https://www.zoll.de/DE/Fachthemen/Zoelle/Erfassung-Warenverkehr/Voruebergehende-Verwahrung/Allgemeines/allgemeines_node.html> (Zugriff am 24.08.2021). 7
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BDI Dokumentennummer: D 1441
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