DISKUSSION | WIRTSCHAFTSPOLITIK | 20. WAHLPERIODE
Fakten zur Überprüfung von umweltund klimaschädlichen Subventionen
5. November 2021 Zukunftsort Deutschland in der Transformation erhalten Das Sondierungspapier sieht die Überprüfung „umwelt- und klimaschädlicher Subventionen und Ausgaben“ vor. Grundlage des Begriffs scheint dabei die Definition des Umweltbundesamtes (UBA) in den Publikationen der Reihe „Umweltschädliche Subventionen in Deutschland“ zu sein. Dort verwendet das UBA einen sehr erweiterten Subventionsbegriff, der vor allem auf die Umwelt- und Klimawirkung abzielt, Besonderheiten bei der wirtschaftlichen Transformation aber nicht beachtet. Der BDI hat sich diese Beispiele näher angeschaut und kommt zu folgendem Ergebnis: ▪
Die Besondere Ausgleichsregelung des EEG für stromintensive Unternehmen und Schienenbahnen wurde von der rot-grünen Bundesregierung im Rahmen der ökologischen Steuerreform eingeführt und dient dazu, die Wettbewerbsfähigkeit der stromintensiven Industrien durch das EEG nicht zu gefährden. Solche Belastungen wie das EEG gibt es im Ausland oft nicht.
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Energieintensive Prozesse in der Industrie sind laut der EU-Energiesteuerrichtlinie von der Energiebesteuerung bewusst ausgenommen, um den Wettbewerbsschutz der europäischen energieintensiven Industrien zu sichern. Andere Weltregionen kennen derartige Energiesteuern nicht.
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Die Entfernungspauschale für Pendlerinnen und Pendler gilt gleichermaßen für alle Verkehrsträger, z. B. Fahrrad, ÖPNV oder Pkw, in gleicher Höhe und kompensiert eben nicht die Aufwendungen oder schafft gar zusätzliche Anreize. Zudem zählt die Entfernungspauschale zu den Werbungskosten und ist damit per Definition weder eine Finanzhilfe noch eine Steuervergünstigung.
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Bei der Dienstwagenbesteuerung ist die Versteuerung des geldwerten Vorteils des privaten Nutzungsanteils eines hauptsächlich zu beruflichen Zwecken übertragenen Firmenwagens im Vordergrund. Sie ist im Sinne von §12 StabG keine Subvention.
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Sehr einseitig und veraltet scheint die Kritik am sogenannten Dieselprivileg. Die Steuersätze für Benzin und Diesel liegen in Deutschland bereits heute deutlich über dem europäischen Mindeststeuersatz, Dieselfahrzeuge unterliegen einer höheren Kfz-Steuer, und seit Anfang 2021 wird ein jährlich steigender CO2-Preis auf fossile Kraftstoffe erhoben.
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Internationale Abkommen, zum Beispiel bilaterale Luftverkehrsabkommen, die im internationalen Flugverkehr Kerosinsteuer und Mehrwertsteuer ausschließen sollen, sollen lediglich gleiche Wettbewerbsbedingungen sicherstellen. Die deutsche Luftverkehrsteuer übersteigt eine nationale Kerosinsteuer bereits um ein Vielfaches. Der Vorwurf klimaschädlicher Subventionen greift so nicht.
Fakten zur Überprüfung von umwelt- und klimaschädlichen Subventionen
1. Industrie und Energie Im Bereich Industrie und Energie beziffert das UBA umweltschädliche Subventionen mit rund 25 Milliarden EUR und führt dazu u. a. folgende Beispiele auf: ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪
5,4 Mrd. EUR Besondere Ausgleichsregelung des EEG für Unternehmen 3,7 Mrd. EUR Eigenstromprivileg der Industrie 3,6 Mrd. EUR Privileg für Sondervertragskunden 2,0 Mrd. EUR Energiesteuerbegünstigung für die Stromerzeugung 2,1 Mrd. EUR kostenlose Zuteilung von Emissionsrechten 1,7 Mrd. EUR Spitzenausgleich für das Produzierende Gewerbe 1,3 Mrd. EUR Steuerentlastungen für energieintensive Prozesse 1,3 Mrd. EUR Energiesteuerbefreiung für mineralölbasierte Grundstoffe 1,1 Mrd. EUR Strom- und Energiesteuerermäßigung
Nach europäischen Vorgaben verpflichtende Steuerbefreiungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung sind grundsätzlich nicht als Subventionen zu klassifizieren. Hierunter fällt insbesondere die Steuerbegünstigungen zur Stromerzeugung. Entlastungsregelungen für energieintensive Prozesse und Unternehmen fallen gerade nicht in die Kategorie „klimaschädliche Subvention“. Denn hiermit werden Unternehmen lediglich von jenen Zusatzkosten entlastet, die hierzulande durch den Umbau der Energieversorgung entstehen. Europäische und globale Wettbewerber tragen solche Mehrbelastungen nicht oder nur in wesentlich geringerem Umfang. Die Entlastungen dienen dem Erhalt der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und indirekt dem Klimaschutz, denn sie verhindern die Abwanderung dieser Industrien in Regionen mit geringeren Umweltund Klimaschutzregeln und sind somit essenzieller Bestandteil einer effektiven Klimapolitik. Dies gilt umso mehr für Industrien, die für den Klimaschutz notwendige Produkte und Werkstoffe herstellen. Darüber hinaus sind bestehende Entlastungen der energieintensiven Industrien an Energieeffizienzvereinbarungen und effiziente Energie- und Umweltmanagementsystemen gekoppelt. Mineralölbasierte Grundstoffe sind systematisch von der Energiebesteuerung ausgenommen, da diese nicht als Heiz- oder Kraftstoff verwendet werden. Die Nichtbesteuerung stellt keine klimaschädliche Subvention dar, weil sie steuersystematisch nicht vorgesehen ist. Mit der Entscheidung des BVerfG zur Kernbrennstoffsteuer sind der Einführung neuer Verbrauchsteuern enge Grenzen gesetzt. Danach ist die Besteuerung des unternehmerischen Verbrauchs eines reinen Produktionsmittels nicht mit den gesetzlichen Vorgaben zur Verbrauchsbesteuerung vereinbar. Wesentliche Entlastungsregeln in diesem Sinne sind etwa: ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪
die Besondere Ausgleichsregelung (EEG), ermäßigte Sätze bei der KWK-Umlage, Strompreiskompensation, der Energie- und Stromsteuer-Spitzenausgleich, Strom- und Energiesteuerermäßigungen für das Produzierende Gewerbe, die kostenfreie Zuteilung der CO2-Emissionsberichtigungen, das Eigenstromprivileg beim EEG und die Begünstigung der energieintensiven Industrie bei den Stromnetzentgelten.
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Fakten zur Überprüfung von umwelt- und klimaschädlichen Subventionen
2. Verkehr Im Bereich Verkehr beziffert das UBA umweltschädliche Subventionen mit rund 30 Milliarden EUR und führt dazu folgende Beispiele auf: ▪ ▪ ▪ ▪ ▪
8,4 Mrd. EUR Energiesteuerbefreiung für Kerosin 8,2 Mrd. EUR Geringere Steuern auf Diesel im Vergleich zu Benzin (sog. Dieselprivileg) 6,0 Mrd. EUR Entfernungspauschale für Pendler 4,0 Mrd. EUR Mehrwertsteuerbefreiung internationale Flüge 3,1 Mrd. EUR Dienstwagenbesteuerung privater Nutzung
Im Verkehr fokussiert sich die Diskussion über vermeintliche Subventionen v. a. auf die unterschiedliche Besteuerung von Diesel und Benzin, die pauschale Besteuerung privat genutzter Dienstwagen, eine fehlende Besteuerung von Kerosin und keine Mehrwertsteuer auf internationalen Luftverkehr. Niedrigere Steuersätze für Diesel ▪
Die Steuersätze für Benzin (65,45 Cent pro Liter) und Diesel (47,04 Cent pro Liter) liegen in Deutschland bereits heute deutlich über dem europäischen Mindeststeuersatz (35,9 Cent pro Liter für Benzin bzw. 33,0 für Diesel). Zum Ausgleich des niedrigeren Steuersatzes werden für Dieselfahrzeuge höhere Kfz-Steuern erhoben.
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Ergänzend wird in Deutschland seit Anfang 2021 eine CO2-Komponente durch das BEHG auf fossile Kraftstoffe erhoben, die sich aktuell auf 25 Euro pro Tonne CO2-Äquivalent beläuft (entspricht ca. 5,9 Cent pro Liter bei Superbenzin und 6,7 Cent pro Liter bei Diesel) und jährlich kontinuierlich ansteigt.
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Der niedrigere Steuersatz für Diesel spiegelt die Tatsache wider, dass Dieselmotoren ca. 25 Prozent weniger Kraftstoff verbrauchen – und damit auch weniger CO2-Emissionen verursachen – im Vergleich zu einem sonst baugleichen Fahrzeug mit Ottomotor.
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Eine vorschnelle nationale Anpassung würde angesichts des ohnehin angespannten Preisniveaus bei Kraftstoffen die Belastungen für Bürgerinnen und Bürger sowie Transportgewerbe und Unternehmen im innereuropäischen Wettbewerb zusätzlich verschärfen.
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Mit dem Vorschlag der EU-Kommission zur Änderung der europäischen Energiesteuer-Richtlinie wird eine Besteuerung nach Energiegehalt auch für Kraftstoffe im Verkehr angestrebt, die dann keine unterschiedlichen Steuersätze für fossile Kraftstoffe erlaubt.
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Die neue Bundesregierung sollte sich für eine rasche Umsetzung der Novellierung der Energiesteuer-Richtlinie im Rahmen einer konsistenten Umsetzung aller Vorschläge des "Fit-for55"-Pakets auf EU-Ebene einsetzen.
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Fakten zur Überprüfung von umwelt- und klimaschädlichen Subventionen
Dienstwagenbesteuerung Für die private Nutzung eines Dienstwagens entsteht ein geldwerter Vorteil, der pauschal monatlich mit einem Prozent des Listenpreises zu versteuern ist. Dies sind zwölf Prozent im Jahr; bei einer rechnerischen Nutzungsdauer von acht Jahren würde nahezu der volle Listenpreis (i.d.R. mit dem Spitzensteuersatz von 42 Prozent – mindestens jedoch mit dem persönlichen Steuersatz) versteuert. Für Elektrofahrzeuge wird der Bruttolistenpreis für die Anwendung der Ein-Prozent-Regel auf die Hälfte gesenkt. Hinzu kommt aber noch eine Besteuerung der Entfernung zwischen Arbeit und Wohnort in Höhe von 0,03 Prozent des Bruttolistenpreises. ▪
Die Besteuerung der Privatnutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs stellt eben deshalb keine Subvention dar, da die Dienstwagensteuer den geldwerten Vorteil sachgerecht abbildet. Typisierende und pauschalierende Regelungen sind insbesondere aus Gründen der Praktikabilität und Verwaltungsvereinfachung verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Es handelt sich daher auch nicht um eine Privilegierung.
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Vielmehr spiegelt der mit einem Prozent des Bruttolistenpreises pauschal ermittelte Wert der Privatnutzung realistisch den durchschnittlichen Anteil der Gesamtkosten wider, der auf reine Privatfahrten entfällt. Der zugrunde liegende Standardfall bildet den typischen geldwerten Vorteil zutreffend ab. Dies haben Berechnungen des VDA ergeben.
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Die Argumentation der Gegner der Dienstwagenbesteuerung zielt darauf ab, dass je nach Berechnungsmethode zwischen 3,2 und 5,6 Mrd. EUR an entgangenen Einnahmen des Staates auflaufen, wenn man anstelle einer pauschalen Besteuerung eine Besteuerung eines höheren Gehalts ansetzen würde. Zudem richtet sich die Kritik gegen vermeintlich zu große Fahrzeuge (sogenannte SUVs), die besonders viel Kraftstoff verbrauchen. Dabei geraten auch zunehmend PHEVs in den Fokus der Kritik, ohne die deutlich höheren elektrischen Fahranteile der neuen und künftigen PHEV-Generationen zu berücksichtigen.
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Die Nutzung von Pkw als Firmenwagen / Dienstwagen hat vor allem für die deutschen Automobilhersteller eine hohe wirtschaftliche Bedeutung. Der Firmenwagenanteil an allen PkwNeuzulassungen erreichte 2020 mit 35,8 Prozent einen neuen Höchstwert, 2010 lag er noch bei 28,9 Prozent. Von 2,92 Millionen Pkw-Neuzulassungen im Jahr 2020 sind damit 1,04 Millionen Firmenfahrzeuge. PHEV sind ein zentraler Baustein der Dekarbonisierungsstrategie der Hersteller und Zulieferer für den Ersatz von Fahrzeugen, die ausschließlich mit Verbrennungsmotoren betrieben werden. Daher wird der Anteil von PHEVs an den Firmenwagen in der laufenden Markthochlaufphase der E-Mobilität weiterhin eine wichtige Rolle spielen.
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Fakten zur Überprüfung von umwelt- und klimaschädlichen Subventionen
Kerosinsteuer ▪
Die Steuerbefreiung für die gewerbliche Schiff- und Luftfahrt ist nach den europäischen Vorgaben eine verpflichtende Regel zur Sicherung des internationalen Wettbewerbs gemäß internationaler Abkommen, wie zum Beispiel dem Chicagoer Luftverkehrsabkommen.
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Eine Kerosinsteuer würde auch keine klimaschonenden Effekte nach sich ziehen, wenn sich dadurch Flugverkehre auf Drehkreuze außerhalb der EU (z. B. London, Istanbul, Zürich) verlagern. Auch könnte eine rein nationale oder EU-weite Kerosinsteuer dazu führen, dass Fluggesellschaften Treibstoff an Flughäfen außerhalb der Erhebungsgebiete der Kerosinsteuer tanken.
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Überdies rechnet das UBA mit der im Inland abgesetzten Menge Kerosin für den gesamten Luftverkehr, also auch Flügen zu ausländischen Zielen. Diese Berechnung widerspricht den bestehenden bilateralen Luftverkehrsabkommen, die eine Nicht-Besteuerung im internationalen Luftverkehr regeln. Daher kann nur der Kerosinabsatz für innerdeutsche Flüge angesetzt werden, das heißt exemplarisch für das Jahr 2019 nur 570 Mio. EUR statt der vom UBA postulierten 8,3 Mrd. EUR.
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Unberücksichtigt lässt das UBA, dass der Luftverkehr in Deutschland jährlich (Nicht-Krisenjahre) insgesamt mehr als sechs Mrd. EUR an Gebühren und Entgelten für die Infrastrukturnutzung am Boden und in der Luft zahlt. Auch mit der bereits erhobenen, nationalen Luftverkehrsteuer von jährlich ca. 1,75 Mrd. EUR (ohne Corona-Effekte) zahlt der Luftverkehr in Deutschland bereits ein Vielfaches mehr, als eine Kerosinbesteuerung einbringen würde. Eine Doppelbelastung durch Nutzerentgelte und zusätzliche Steuern ist zur Wahrung internationaler Wettbewerbsfähigkeit des deutschen und europäischen Luftverkehrs zu vermeiden.
Mehrwertsteuer auf internationale Flüge ▪
Die Einführung einer Mehrwertsteuer auf internationale Flüge von deutschen Fluggesellschaften würde zu Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten deutscher Unternehmen führen, da aufgrund von Luftverkehrsabkommen eine Besteuerung von ausländischen Fluggesellschaften ausgeschlossen ist, um internationale Reziprozität und Wettbewerbsgleichheit zu gewährleisten.
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Eine Mehrwertsteuer auf Tickets für internationale Flüge könnte der Gesetzgeber maximal nur für den über deutschem Hoheitsgebiet zurückgelegten Flugabschnitt erheben. Eine Mehrwertsteuererhebung im nationalen Alleingang auf internationale Flüge würde zu Wettbewerbsverzerrungen führen, indem internationale Flüge von deutschen Flughäfen gegenüber internationalen Flügen von ausländischen Drehkreuzen verteuert würden.
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Auch ist die Schätzung potenzieller Einnahmen (ca. 300 Mio. EUR) deutlich geringer als die vier Mrd. EUR, die das UBA als vermeintliche Höhe der Subvention ausweist. Dies liegt darin begründet, dass das UBA auch den nicht‐deutschen Streckenanteil in seine Schätzung miteinbezieht. Aufgrund bestehender Abkommen kann aber keine Mehrwertsteuer darauf erhoben werden, sodass hier auch keine Subventionierung in Milliardenhöhe vorliegt.
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Fakten zur Überprüfung von umwelt- und klimaschädlichen Subventionen
Impressum Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) Breite Straße 29, 10178 Berlin www.bdi.eu T: +49 30 2028-0 Redaktion Jürgen Hasler Abteilungsleiter Strategische Planung und Koordination T: +49 30 2028-1629 j.hasler@bdi.eu Cedric von der Hellen Stellvertretender Abteilungsleiter Steuern und Finanzpolitik T: +49 30 2028-1602 c.hellen@bdi.eu Petra Richter Stellvertretende Abteilungsleiterin Mobilität und Logistik T: +49 30 2028-1514 p.richter@bdi.eu Eberhard von Rottenburg Stellvertretender Abteilungsleiter Energie- und Klimapolitik T: +49 30 2028-1542 Katharina Will Stellvertretende Abteilungsleiterin Strategische Planung und Koordination T: +49 30 2028-1446 k.will@bdi.eu
BDI Dokumentennummer: D 1465
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