Umbau von Industrieanlagen für Klimaschutz stärker in Blick nehmen

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Umbau von Industrieanlagen für Klimaschutz stärker in Blick nehmen Sieben-Punkte-Plan zur Beschleunigung des Planungs- und Genehmigungsmarathons

10. Februar 2022 Vorwort Deutschland steht vor einem gewaltigen Genehmigungsmarathon für das Erreichen der Klimaziele. Vor allem in den energieintensiven Industrien wie Stahl, Chemie, Zement sowie in der Energieerzeugung braucht es umfangreiche Umbaumaßnahmen, etwa für die Erzeugung von Wasserstoff sowie den Einsatz von Gas und Elektrizität als alternative Energieträger. Der Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) geht von einer Verdopplung der Genehmigungsverfahren für Windenergie- und Industrieanlagen in den kommenden acht Jahren aus. In der Praxis heißt das, dass Behörden in Bund und Ländern bis 2030 je rund 20.000 Genehmigungen sowohl für Industrieanlagen als auch für Windräder erteilen müssen. Diese Mammutaufgabe ist nur mit einer umfassenden Reform von Planungen und Genehmigungen, die Verfahren für industrielle Anlagenstrukturen einschließt, zu bewältigen. Die im Koalitionsvertrag angekündigte Halbierung der Verfahrensdauer ist völlig unzureichend. Die Bundesregierung muss die Verfahrensdauer um mindestens 75 Prozent reduzieren, um die notwendigen Investitionen sicherzustellen und die Klimaziele rechtzeitig zu erreichen. Verschleppte Verfahren kosten die Unternehmen Geld und Wettbewerbsfähigkeit. Der BDI legt einen Sieben-Punkte-Plan mit konkreten Handlungsempfehlungen für die Politik zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren von industriellen Infrastrukturvorhaben vor: 1. Stichtagsregelungen einführen und überprüfen: Heutzutage müssen Unternehmen ihre Antragsunterlagen bis zum Zeitpunkt der Genehmigung, also der Erteilung des Bescheides, aktuell halten. Ändern sich im Zuge des Verfahrens die gesetzlichen Vorgaben müssen Unternehmen ihre Unterlagen nachbessern. Der BDI schlägt eine Stichtagsregelung vor, um das zeitaufwendige Nachreichen von Unterlagen zu verhindern und Rechtssicherheit zu schaffen. 2. Detaillierungsgrad der Unterlagen festlegen (§ 4 der 9. BImSchV): Im Umweltrecht kommt es bei Unternehmen häufig zu Unsicherheiten. Abhilfe könnte der Gesetzgeber durch klare Vorgaben in der 9. Bundesimmissionsschutzverordnung (BImSchV) zum Detaillierungsgrad der Bewertung von Umweltauswirkungen schaffen.

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3. Vollständigkeit der Unterlagen zügig feststellen (§ 7 der 9. BImSchV): Die Genehmigungsbehörde hat einen Monat Zeit zu prüfen, ob die eingereichten Unterlagen des Antragstellers vollständig sind. Danach hat die Behörde nochmals weitere sieben Monate Zeit für die Entscheidung über die Genehmigung. Die Folge ist, dass die Vollständigkeitserklärung entweder gar nicht oder sehr verspätet abgegeben wird, um die Frist für die Erteilung der Genehmigung zu verlängern. Der Gesetzgeber muss deutlich machen, dass eine Vollständigkeitserklärung nach einem Monat zwingend erfolgen muss und die Frist zur Erteilung der Genehmigung beginnt, sobald die Antragsunterlagen vollständig eingereicht sind. 4. Erörterungstermin fakultativ ausgestalten (§ 10 Abs. 6 BImSchG oder nur § 14 9. BImSchV): Ein Erörterungstermin, also die Aussprache über gegensätzliche Positionen zu einem Projekt, ist sinnvoll. Voraussetzung ist allerdings, dass der Termin einer verbesserten Akzeptanz des Vorhabens in der Nachbarschaft dient. In der Praxis hat sich in den vergangenen Jahren gezeigt, dass der Informationsgewinn weder für Behörden noch für Einwender und weitere Betroffene bei Erörterungsterminen besonders groß war. Die öffentliche Auslegung der Antragsunterlagen informiert die Nachbarschaft und interessierte Öffentlichkeit bereits sehr umfangreich über das Vorhaben. Ein Erörterungstermin sollte künftig daher nur noch auf Wunsch des Antragstellers erfolgen. 5. Regelungen zum vorzeitigen Baubeginn konkretisieren (§ 8 a BImSchG): Unternehmen nutzen den vorzeitigen Baubeginn kaum, da die Voraussetzungen im Gesetz zu vage sind. Der Gesetzgeber sollte rasch die notwendige Prognoseentscheidung über die Genehmigungsfähigkeit streichen. Das Risiko des Baus liegt beim Antragsteller. Die Behörde kann das Insolvenzrisiko durch eine Sicherheitsleistung minimieren, etwa durch die Eintragung einer Grundschuld oder Bürgschaft. 6. Zustimmung der Fachbehörden nach Ablauf der Monatsfrist fingieren (§ 11 9. BImSchV und § 10 Abs. 5 BImSchG): Die federführende Genehmigungsbehörde wartet häufig zahlreiche Monate auf die rechtlich notwendige Zuarbeit der Fachbehörden. Die Frist dafür ist allerdings auf einen Monat festgelegt. Um mehr Tempo innerhalb der Behörden zu schaffen, empfiehlt der BDI, die Zustimmung nach Ablauf eines Monats als erteilt anzusehen. 7. Einführung eines Änderungstatbestands im Wasserrecht (§ 8 Abs. 1a WHG): Wird beim Betrieb einer Industrieanlage Wasser genutzt, braucht es hierfür eine Genehmigung. Für kleinste, unwesentliche Änderungen oder eine Zweckerweiterung einer Anlage sollte im Wasserrecht künftig eine Änderungsgenehmigung statt eines vollständigen neuen und zeitaufwendigen Genehmigungsverfahrens ausreichen.

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Impressum Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) Breite Straße 29, 10178 Berlin www.bdi.eu T: +49 30 2028-0

Redaktion Catrin Schiffer, Referentin Umwelt, Technik und Nachhaltigkeit T: +49 30 2028-1589 s.weimer@bdi.eu BDI Dokumentennummer: D 1502

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