POSITION | STEUERPOLITIK | INTERNATIONALES STEUERRECHT
#tax2025: Die EU-Umsetzung der globalen Mindeststeuer EU-Kommission veröffentlicht Richtlinienentwurf zu Pillar 2
4. März 2022 Mindeststeuer für Unternehmensgewinne soll Level Playing Field schaffen Die EU-Kommission hat Ende 2021 einen Richtlinienentwurf zur Umsetzung der international abgestimmten Mindeststeuer in der EU vorgelegt. Hintergrund ist eine weltweite Einigung zwischen rund 140 Staaten über eine globale Mindeststeuer für Unternehmensgewinne in Höhe von 15 Prozent („Top-up-Tax“). Damit soll ein „Level Playing Field“ bei der Besteuerung von Unternehmensgewinnen geschaffen und das Steueraufkommen hieraus angemessener zwischen den Staaten verteilt werden. BDI fordert hohen Umsetzungsaufwand durch vereinfachende Übergangsvorschriften abfedern Die Umsetzung der Mindeststeuer wird nicht nur in den Unternehmen, sondern auch bei der Finanzverwaltung hohen Aufwand begründen. Es ist daher dringend notwendig, die Regelungen weiter zu vereinfachen und den Anwendungsbereich zu begrenzen. Ziel muss eine praxistaugliche Umsetzbarkeit der Vorschläge durch die Unternehmen und die Finanzverwaltung sein. Der ambitionierte Zeitplan für eine Umsetzung ab dem Jahr 2023 ist nicht realistisch. Die Unternehmen benötigen dringend EU-weit geltende vereinfachende Übergangsregelungen und ansonsten ist eine Verschiebung der Erstanwendung auf das Jahr 2024 erforderlich. Auf die Anwendung von Sanktionen sollte in einer Übergangszeit vollständig verzichtet werden. BDI fordert Gesamtkonzept für die Besteuerung von Unternehmensgewinnen schaffen Eine Mindeststeuer in der EU sollte im Rahmen des Gesamtkonzepts der OECD/G20-Staaten („Zweisäulenkonzept“) eingeführt und mit einer gewissen Neuverteilung des Steueraufkommens zwischen den Staaten verknüpft werden. Auf zusätzliche Digitalsteuern muss verzichtet und bestehende Anti-Missbrauchsregelungen sollten angepasst werden. Ebenso müssen zukünftige Anpassungen der weltweiten Regeln über eine Mindeststeuer folgerichtig auch bei der Umsetzung in der EU berücksichtigt werden. Wird die Mindeststeuer nicht auch in allen anderen wesentlichen Industrieländern eingeführt, sollten die EU und Deutschland ebenfalls hierauf verzichten bzw. gegebenenfalls bereits geschaffene Regelungen umgehend wieder abschaffen.
BDI | Steuern und Finanzpolitik | www.bdi.eu
#tax2025: Die EU-Umsetzung der globalen Mindeststeuer
Gemeinsamer Weg in der EU durch eine Mindeststeuer Die Mindeststeuer in der EU soll verhindern, dass Unternehmen ihre Gewinne in Niedrigsteuerländer verlagern, während sie ihre Kosten in Hochsteuerländern wie Deutschland anrechnen. Grundlage dafür ist ein weltweites effektives Mindestbesteuerungsniveau von 15 Prozent für Unternehmensgewinne. Die Konzernmuttergesellschaft wird dadurch verpflichtet, weltweit für ihre Tochterunternehmen in jedem Land separat die effektive Steuerbelastung zu berechnen. Grundlage ist der Gewinn des Unternehmens auf Basis der handelsrechtlichen Rechnungslegung (IFRS oder HGB). Sofern der effektive Steuersatz auf Gewinne eines Tochterunternehmens in einem Staat unter 15 Prozent liegt, erfolgt eine Nachversteuerung bei der Muttergesellschaft („Top-up-Tax“). Zusätzlich wird der Betriebsausgabenabzug bei zu niedrig besteuerten Zahlungen ins Ausland versagt. Dies gilt jedoch nur, wenn das zu niedrig besteuerte Einkommen keiner Nachversteuerung unterlag. Für die Wirtschaft ist eine weltweit einheitliche Ausgestaltung der globalen Mindeststeuer entscheidend, um Doppelbesteuerung und Steuerkonflikte zwischen den Staaten zu vermeiden. Der EURichtlinienvorschlag sollte daher mit den internationalen Regeln abgestimmt werden.
Umsetzung der Mindeststeuer für Unternehmensgewinne Die Mindeststeuer für Unternehmensgewinne in Europa ist angelehnt an das Zweisäulenmodell der OECD/G20-Staaten, auf das sich diese im Jahr 2021 geeinigt haben. Hiermit soll zum einen das Steueraufkommen aus Unternehmensgewinnen weltweit gerechter verteilt werden („Pillar 1“) und zum anderen eine globale Mindeststeuer für Unternehmensgewinne geschaffen werden („Pillar 2“).Die Mindeststeuer zielt darauf ab, eine effektive Mindestbesteuerung von Unternehmen in Höhe von 15 Prozent in ihrem Sitzstaat zu erreichen. Sie soll in Europa durch folgende Maßnahmen umgesetzt werden:
Nachbesteuerung durch „Zusatzsteuer“ im Sitzstaat der Unternehmen: ▪
Weltweit tätige Konzerne, die einen jährlichen Gesamtumsatz von mindestens 750 Millionen Euro erzielen und in einem Land nicht mindestens einer Durchschnittsbesteuerung von 15 Prozent unterliegen, werden durch eine Zusatzsteuer („Top-up-Tax“) nachbesteuert. Im Unterschied zu den OECD Model Rules sieht der EU-Richtlinienvorschlag diese Zusatzsteuer in Europa auch für rein national tätige Konzerne ohne Auslandsaktivitäten und für inländische Tochtergesellschaften vor.1
▪
Die Steuerbelastung des Unternehmens wird in dem Land der Muttergesellschaft auf das globale Mindeststeuerniveau von 15 Prozent aufgestockt („Top-up-Tax“ infolge der sogenannten „Income Inclusion Rule“). Multinationale Konzerne, die nur mit Tochtergesellschaften in der EU vertreten sind, unterliegen ergänzend einem Betriebsausgabenabzugsverbot, bis der Mindeststeuersatz von 15 Prozent erreicht ist („Undertaxed Profit Rule“).
▪
Die Ermittlung der Unternehmensgewinne erfolgt auf Basis bestehender Rechnungslegungsstandards (IFRS oder HGB) mit einigen Anpassungen. Zusätzlich zu der bisherigen Gewinnermittlung müssen die Unternehmen eine eigene Steuer- und Informationserklärung abgeben, die weitreichende Unternehmensdaten zu einzelnen Gesellschaften, Einheiten und Ländern enthält.
1
Gemäß EU-Kommission soll dadurch eine mögliche Diskriminierung zwischen grenzüberschreitenden und inländischen Sachverhalten ausgeschlossen und die Einhaltung der Grundfreiheiten gewährleistet werden . 2
#tax2025: Die EU-Umsetzung der globalen Mindeststeuer
BDI-Bewertung Der BDI unterstützt unter gewissen Bedingungen die globale Mindeststeuer, um ein „Level Playing Field“ bei der Besteuerung von Unternehmensgewinnen zu schaffen. Hiermit kann eine mögliche überschießende Steuervermeidung von Unternehmen über Steuergestaltung und Verlagerung von Gewinnen in Niedrigsteuerländer verhindert werden. Wichtig ist nun allerdings eine einheitliche und weltweite Umsetzung der Regelungen. Dabei ist entscheidend, dass Nachteile für die deutsche und europäische Industrie vermieden werden. Bei der konkreten Umsetzung sind für die Unternehmen zeitnahe Rechtssicherheit, klare Regeln, ähnliche Belastungswirkungen auch in anderen Ländern und die Vermeidung von Doppelbesteuerung entscheidend.
Europäische Unternehmen im weltweiten Wettbewerb nicht benachteiligen Der Missbrauch von Steuergestaltungen durch manche große, multinationale Digitalkonzerne war Anlass für die Diskussionen auf internationaler Ebene (BEPS-Projekt der OECD/G20-Staaten). Auslöser waren u. a. die Enthüllungen über die aggressive Steuerplanung von Digitalkonzernen, bei der diese ihre Gewinne in Staaten mit niedrigen Effektivsteuersätzen (Niedrigsteuerländer) verlagerten. Mit Blick auf den Wettbewerb zwischen europäischen und US-amerikanischen Unternehmen muss im Rahmen der Mindeststeuer berücksichtigt werden, dass die USA bereits ein Mindeststeuerregime („GILTI“) kennen, bei dem allerdings eine weltweite Verrechnung von Unternehmensgewinnen möglich ist („global blending“)2. US-Unternehmen können daher den Mindeststeuersatz als weltweiten Durchschnitt ermitteln und somit ihre Gewinne in Steueroasen mit Gewinnen in Hochsteuerländern verrechnen. In der EU ansässige Unternehmen haben diese Möglichkeit nicht und müssen die Steuerbelastung für ihre Gewinne ohne Verrechnung und für jedes Land einzeln ermitteln. Durch die weltweite Betrachtung können US-Unternehmen aus dem Regelungsbereich herausfallen, die bei einzelstaatlicher Betrachtung miteinzubeziehen wären. Für die europäische Wirtschaft entstehen hierdurch massive Wettbewerbsverzerrungen gegenüber US-Unternehmen. Zum Schutz eines fairen und wirksamen Wettbewerbs muss daher sichergestellt sein, dass das US-Mindeststeuersystem nur dann als äquivalent mit der Mindestbesteuerung der Säule 2 betrachtet wird, wenn hier auch eine länderbezogene Betrachtung zur Anwendung kommt.
Hohen Zusatzaufwand für die deutsche Wirtschaft vermeiden In Anbetracht der Ausgangslage und des eigentlichen politischen Ziels sieht sich die deutsche Wirtschaft mit unverhältnismäßigen Belastungen konfrontiert. So müssen Unternehmen künftig nicht nur bereits bestehende nationale und internationale Bilanzen erstellen, sondern zusätzlich umfassende Berechnungen für die Mindeststeuer durchführen und vorhalten. Die Berichterstattung fällt zudem in eine Periode, die von Unternehmen in Fachkreisen als „busy season“ bezeichnet wird – dem Jahresende, in das viele Compliance-Verpflichtungen fallen. Darüber hinaus steht das Tempo, mit dem die EU-Kommission die Maßnahmen zur globalen Mindestbesteuerung in der EU umsetzen möchte, in keinem Verhältnis zu der damit verbundenen Komplexität. Viele Vorschriften sind noch unklar bzw. noch nicht hinreichend definiert. So arbeitet die OECD aktuell an wichtigen Auslegungs- und Definitionsfragen, die erst künftig veröffentlicht werden. Aus Anwenderperspektive ist es daher kritisch, dass der Richtlinienentwurf keine Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung enthält und unklare Begriffsdefinitionen für Rechtsunsicherheit
2
Grundlage ist ein 2017 mit dem Tax Cuts and Jobs Act eingeführtes Gesetz (GILTI, Global intangible low-taxed income). Es verfolgt eine ähnliche Intention, sieht aber keine Einzelstaatbetrachtung („jurisdictional blending“) vor. 3
#tax2025: Die EU-Umsetzung der globalen Mindeststeuer
sorgen. Es sollte unter anderem sichergestellt werden, dass bei der Ermittlung des effektiven Steuersatzes alle relevanten Ertragsteuern in den jeweiligen Ländern berücksichtigt werden. Dies gilt bei Personengesellschaften auch für die Einkommensteuer der betreffenden Gesellschafter.
Vereinfachende Übergangsvorschriften sicherstellen Angesichts der Komplexität der Regelungen benötigen die Unternehmen ausreichend Zeit, um die neuen Regeln in ihre betrieblichen Abläufe aufzunehmen, Mitarbeiter zu schulen und die Maßnahmen zielführend umzusetzen. Bei weltweit agierenden Konzernen sind bisher weder die erforderlichen Daten noch eine Struktur für eine Anpassung der Rechnungslegungssysteme an die hochkomplexen Neuregelungen vorhanden. Die deutsche Wirtschaft setzt sich daher mit Nachdruck für vereinfachende Übergangsregelungen ein, die auf europäischer Ebene in den Richtlinientext Eingang finden sollten. Beispielsweise könnten für eine Übergangszeit bestehende Standards wie die Berichterstattung nach IFRS in den ersten Jahren ohne weitergehende Anpassungen als für GloBE-Zwecke ausreichend erachtet werden. Weitgehende Anpassungen an das GloBE-Regime sollten zwecks einer rechtssicheren Umsetzung erst später Anwendung finden. Ebenso sollten Unternehmenseinheiten, die aus Wesentlichkeitsgründen nicht IFRS-konsolidiert werden, aus dem Anwendungsbereich der Mindeststeuer herausgenommen werden. Ohne eine erhebliche Vereinfachung der hochkomplexen Regelungen können die betroffenen Unternehmen eine Einführung der neuen Regelungen zum 1. Januar 2023 auch mit größten Mühen nicht sicherstellen. Auf die Anwendung von unverhältnismäßigen Sanktionen (fünf Prozent des Jahresumsatzes) sollte in einer Übergangszeit vollständig verzichtet werden.
Anwendungsbereich durch Ausnahmeregeln begrenzen Mit Blick auf den hohen Zusatzaufwand ist der umfassende Anwendungsbereich des Richtlinienvorschlags unverhältnismäßig und es wäre sowohl für die Steuerbehörden als auch für die Unternehmen zweckmäßig, nur Fälle von echter Relevanz zu erfassen. Dazu wurden auf internationaler Ebene bereits frühzeitig sogenannte „Safe-Harbour“- und „Carve-out“-Regeln – also Ausnahmefälle – diskutiert, die sich gegenwärtig nicht adäquat in dem EU-Richtlinienentwurf oder in den OECD-Mustervorschriften wiederfinden. Dazu zählt insbesondere, dass Gewinne aus Ländern, die definitiv nicht einer Minderbesteuerung unterliegen, von den umfangreichen Dokumentationspflichten ausgenommen werden sollen. Eine einfache Umsetzung dieser Erleichterung wäre die Einführung einer „Whitelist“ für Staaten, die unstreitig über dem Mindeststeuerniveau liegen, d. h. eine „Positivliste“.
Notwendige Anpassung der Unternehmensbesteuerung in Deutschland Im Rahmen des globalen „Level Playing Fields“ für die Besteuerung von Unternehmensgewinnen ist auch eine durchgreifende Reform der Unternehmensbesteuerung in Deutschland geboten. Wettbewerbsfähige Unternehmensteuern sind ein wesentlicher Standortfaktor im internationalen Wettbewerb. Im Zuge der Einigung auf einen globalen Mindeststeuersatz von 15 Prozent ist zumindest eine Absenkung der Niedrigbesteuerungsgrenze bei der Hinzurechnungsbesteuerung auf 15 Prozent überfällig. Darüber hinaus sollten in Deutschland bestehende Anti-Missbrauchsregelungen abgeschafft bzw. zumindest nachgebessert werden, insbesondere die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung, aber auch die Lizenz- und Zinsschranke und weitere Missbrauchsvermeidungsvorschriften.
4
#tax2025: Die EU-Umsetzung der globalen Mindeststeuer
Summary: EU-Richtlinienentwurf zur Mindeststeuer nachbessern ▪ Mindeststeuer in der Europäischen Union im Rahmen des Gesamtkonzepts der OECD/G20-Staaten („Zweisäulenkonzept“) einführen. ▪ Vereinfachende Übergangsregelungen mindestens für das Jahr 2023 ermöglichen: Anerkennung bisheriger Standards ohne hochkomplexe Anpassungen. ▪ Wenn keine Übergangsregelung erfolgt: Verschiebung des Erstanwendungszeitraums einheitlich in der EU auf den 1.1.2024. ▪ Anwendungsbereich eingrenzen: Ausnahmeregelungen schaffen („Safe Harbour“Regelungen). ▪ Bürokratieaufwand reduzieren: Bagatellregelung ermöglichen („Carve Outs“) und „White List“ für Hochsteuerländer einführen. ▪ Einzelfragen klarstellen: EU-Umsetzung mit weltweiten Anwendungsregeln abstimmen. ▪ Zukünftige Anpassungen sicherstellen: an internationalen Entwicklungen ausrichten.
EU-Richtlinie
regelmäßig
evaluieren
und
▪ Unverhältnismäßige Sanktionen vermeiden: Angemessene und umsatzunabhängige Sanktionen bei Nichteinhaltung der formalen Anforderungen.
Impressum Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) Breite Straße 29, 10178 Berlin www.bdi.eu Ansprechpartner Dr. Monika Wünnemann Abteilungsleiterin Steuern und Finanzpolitik T: +49 30 2028 1507 m.wuennemann@bdi.eu David Gajda Referent Steuern und Finanzpolitik T: +49 30 2028 1413 d.gajda@bdi.eu Philipp Gmoser Senior Manager Steuern und Finanzpolitik T: +3227921012 p.gmoser@bdi.eu Dokumentennummer: D1494
5