Russland-Ukraine-Krieg: Sanktionen managen_April08

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INFORMATION | RUSSLAND-UKRAINE-KRIEG | ARBEITSPAPIER

Sanktionen managen Maßnahmen zur Risikominimierung

22. April 2022 Einleitung Der militärische Überfall Russlands auf die Ukraine hat richtigerweise harte und entschiedene Sanktionen nach sich gezogen. Die deutsche Industrie sieht sich dadurch mit gestörten Lieferketten, ungewisser Energieversorgung, Gegensanktionen der russischen Seite und anderen Beeinträchtigungen des Kerngeschäfts konfrontiert. Auch wenn die deutsche und europäische Wirtschaft vom Handelsvolumen nicht stark von Russland abhängig ist, so sind doch strategisch bedeutsame Rohstoffe betroffen, und es steigt bei länger anhaltenden Sanktionen auch die Belastung auf die gesamte Gesellschaft. Höhere Energie- und Spritpreise, punktuelle Einbrüche am Arbeitsmarkt durch die rückläufige Produktion und Einschränkungen der Mobilität sind hier nur drei der zu erwartenden nachgelagerten Effekte. Um eine größtmögliche Wirkung der Sanktionen sicherzustellen, gilt es, den Schaden auf europäischer Seite möglichst gering zu halten und die eigene Handlungsfähigkeit aufrechtzuhalten. Der BDI schlägt der Bundesregierung nachfolgende Maßnahmen zur Risikominimierung vor. Sanktionspolitik ▪

Sanktionen auf der Grundlage nationaler Sicherheitsrisiken werden grundsätzlich nicht entschädigt. Die deutsche Industrie wird hier keine Ansprüche erheben und steht zu ihrem Bekenntnis, im Dienste von Frieden und Sicherheit in Europa auch Einbußen zu schultern.

Mittelfristig bedarf es einer sehr klaren Analyse über die Betroffenheit, damit die Exposition deutscher Industrieunternehmen in Russland quantifizierbar ist und weitere Entscheidungen auf bestmöglicher Informationsgrundlage getroffen werden können.

Sicherheit ▪

Die deutsche Sicherheits- und Verteidigungsindustrie unterstützt die Bundesregierung in ihren prioritären Zielen der Ukraine beiseitezustehen und die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr rasch herzustellen.

Entscheidend dabei ist, dass Bundesregierung und Bundesbehörden vor allem hinsichtlich der dafür nötigen Vergabe- und Beschaffungsprozesse den Modus des business as usual rasch überwinden.

Jürgen Hasler | Strategische Planung und Koordination | T: +49 30 2028-1629 | j.hasler@bdi.eu | www.bdi.eu


Sanktionen managen

Die Bundesregierung muss zudem deutlich machen, dass die Ausgrenzung von Unternehmen der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie aus den Geschäftsportfolios des Finanz- und Versicherungssektors nicht angemessen ist. Gleiches gilt für Zuliefer-Unternehmen, die eine Belieferung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie per se ablehnen.

Sicherheit kann nur in einem umfassenden Ansatz hergestellt werden: militärisch, zivil, technologisch, gesellschaftlich – im Zusammenspiel mit unseren europäischen Partnern und Alliierten weltweit.

Cybersicherheit ▪

Unternehmen und staatliche Einrichtungen in Deutschland sollten ihre IT- und OT-Systeme durch geeignete Maßnahmen entsprechend der Empfehlungen des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) härten. Auch sollten Unternehmen die Empfehlungen des BSI hinsichtlich einer russischen Antivirensoftware berücksichtigen.

Unternehmen sollten ferner prüfen, ob für Standorte in Russland und der Ukraine weiterhin die bisher im Einsatz befindlichen IT-Lösungen durch den entsprechenden Anbieter unterstützt werden. Insbesondere muss die weitere Verfügbarkeit von Updates und Patches gewährleistet sein – diese könnte durch freiwillige Embargos oder staatliche Sanktionen beeinträchtigt werden.

Im Zuge der Ankündigung des russischen Enteignungsgesetzes sollten Unternehmen mit Standorten in Russland sicherstellen, dass eine Enteignung – und damit der potenzielle Zugriff russischer Stellen auf die Unternehmens-IT – keine negativen Auswirkungen auf die Cyberresilienz der globalen IT-Infrastrukturen des Unternehmens hat. Eine Eskalationsspirale im Cyberraum muss vermieden werden. Gleichwohl müssen auch die Cyberfähigkeiten der Bundeswehr im Rahmen des Sondervermögens gestärkt werden.

Energie ▪

Das Risiko eines Versiegens der Energielieferungen aus Russland ist immens und in drei Szenarien vorstellbar: (1) Russland könnte als Reaktion entscheiden, kein Erdgas, Erdöl und Kohle mehr zu liefern. (2) Die Pipelineinfrastruktur könnte beschädigt werden oder Lieferungen werden aufgrund fehlender Zahlungsmöglichkeiten unmöglich. (3) Die EU könnte von sich aus entscheiden, keine russischen Energielieferungen mehr zu akzeptieren. Dieses Szenario betrifft zunächst das Importverbot von Steinkohle aus Russland. Bei Öl und Erdgas haben sich die Mengen aber bereits signifikant reduziert.

Ein kompletter Stopp der Energielieferungen aus Russland hätte Auswirkungen auf ganz Europa und könnte unsere Handlungsfähigkeit politisch und wirtschaftlich deutlich schwächen. In diesem Fall muss die Bundesregierung vorbehaltlos alle denkbaren Optionen prüfen.

Rohstoffe ▪

Im Bereich der nichtenergetischen Rohstoffe, insbesondere kritische Metalle, wird kein Komplettausfall der Versorgung erwartet, aber ein Teilausfall ist möglich. Das Risiko einer Verknappung und enormen Preiserhöhung bei einigen kritischen Rohstoffen, die aus Russland und der Ukraine bezogen werden, ist vorhanden. Infolgedessen könnte die Abhängigkeit von China weiter ansteigen. Die Entwicklung auf den Rohstoffmärkten ist jedoch sehr dynamisch und muss genau beobachtet werden.

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Sanktionen managen

Auch wenn die Substitution bzw. Diversifizierung häufig grundsätzlich möglich ist, ist die Umstellung der Lieferketten zeitintensiv (insbesondere bei ausgewählten Ferrolegierungen wie Nickel und Titan). Kurzfristig sind Lieferausfälle ohne ausreichende Lagerhaltung schwer zu kompensieren.

Um die strategischen Abhängigkeiten zu verringern, ist es entscheidend, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten alle drei Säulen einer nachhaltigen Rohstoffversorgung verfolgen: (1) Die Stärkung der heimischen Rohstoffgewinnung, (2) die Sicherung eines fairen Zugangs zu Rohstoffen aus dem Ausland und (3) den Ausbau der Kreislaufwirtschaft. Der Bund muss die Rahmenbedingungen hierfür setzen und Unternehmen insbesondere bei den Themen Diversifizierung, Rohstoffmonitoring für kritische Rohstoffe sowie der unternehmenseigenen Lagerhaltung unterstützen.

Technologietransfer ▪

Die Versorgungslage mit Halbleitern war schon vor der russischen Invasion der Ukraine global sehr angespannt. Durch den Wegfall von Rohstoffen aus der Ukraine und Russland sowie Produktionskapazitäten für Vorprodukte in Russland, wird diese nochmals angespannter.

Europa muss alternative Bezugsquellen für Gase und Metalle, die von hoher Relevanz für die Halbleiterindustrie sind, auch in der EU identifizieren und erschließen. Die europäische Halbleiterwertschöpfungskette sollte als Kernbestandteil der europäischen Industriepolitik gestärkt werden.

Logistik ▪

Alle Verkehrsträger sind von den kriegerischen Auseinandersetzungen und den Sanktionen betroffen, sodass Transportkapazitäten insgesamt eingeschränkt sind und Transportkosten steigen. Das Anlaufverbot für russische Schiffe in europäischen Häfen betrifft nur rund 0,3 Prozent aller Schiffsanlandungen, aber rund neun Prozent des Gesamtumschlags deutscher Seehäfen.

Noch sind keine Engpässe aufgrund eines möglichen verschärften Fahrermangels im Straßengüterverkehr zu erkennen, das Risiko ist indes nicht zu unterschätzen. Das BMDV hat jedoch bereits mögliche Instrumente vorbereitet, um im Bedarfsfall schnell gegensteuern zu können. Diese Instrumente umfassen zeitlich befristete Maßnahmen, die der BDI bereits im Zusammenhang der Coronakrise empfohlen hatte und die zum Teil umgesetzt wurden.

Fiskalpolitische Maßnahmen ▪

Die extremen Preissteigerungen bei Energieträgern und Kraftstoffen belasten Wirtschaft und Privathaushalte gleichermaßen. Zur Abdämpfung des gesamtwirtschaftlichen Schadens muss die Stromsteuer sowohl zur gewerblichen als auch privaten Verwendung auf den EU-Mindeststeuersatz gesenkt werden. Weiter schaffen die Verlängerung des bisherigen Spitzenausgleichs als befristete Übergangsregelung und die staatliche Kofinanzierung der Netzentgelte eine breite Entlastung.

Darüber hinaus bedarf es Fördermaßnahmen der KfW – flankiert von Haushaltsmaßnahmen des Bundes – um akute Liquiditäts- und Eigenkapitalprobleme energieintensiver Unternehmen adressieren zu können.

Volkswirtschaftliche Auswirkungen ▪

Die OECD schätzt, dass das Wirtschaftswachstum aufgrund des Krieges in der Ukraine um mehr als ein Prozent niedriger ausfällt als noch im Dezember 2021 prognostiziert. Für den Euroraum werden Wachstumseinbußen von 1,5 Prozent erwartet.

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Sanktionen managen

Auch wenn sich die genauen Auswirkungen der Russland-Krise auf die deutsche Wirtschaft noch nicht quantifizieren lassen, wären die Folgen eines Export-Verbotes überschaubar. Nur etwa 2,4 Prozent (33,5 Mrd. Euro) aller deutschen Exporte gingen im vergangenen Jahr nach Russland, Belarus und in die Ukraine. Die Ausfuhren in die USA sind im Vergleich viermal so hoch.

Importseitig ist die Bedeutung dieser Länder mit einem Anteil von 3,1 Prozent (37 Mrd. Euro) aller deutschen Importe stärker. Größtenteils werden Energieträger, aber auch Stahl und Metalle aus diesen Ländern bezogen. Abgesehen von Energieimporten lassen sich mittelfristig andere Bezugsquellen erschließen.

Impressum Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) Breite Straße 29, 10178 Berlin www.bdi.eu T: +49 30 2028-0 Lobbyregisternummer: R000534

Redaktion Jürgen Hasler Abteilungsleiter Strategische Planung und Koordination T: +49 30 2028-1629 j.hasler@bdi.eu Luca Fölkel Trainee Strategische Planung und Koordination T: +49 30 2028-1587 l.foelkel@bdi.eu

BDI Dokumentennummer: D1525

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