Unternehmensbefragung zu Genehmigungsverfahren

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DISKUSSIONSPAPIER | UMWELTPOLITIK | VERFAHRENSRECHT

Genehmigungsverfahren BDI-Unternehmensbefragung zu Genehmigungsverfahren nach BundesImmissionsschutzgesetz (BImSchG).

07. November 2022 Einleitung Deutschland braucht dringend eine fundamentale Reform der Planungs- und Genehmigungsverfahren. Die Situation hat sich weiter verschlechtert, die Anzahl der Genehmigungsverfahren verdoppelt sich, aufgrund von Fuel-Switch und Transformationsprozessen in der Industrie. Hinzu kommt, dass die Behörden ob der Fülle der Anträge überlastet sind. Konkrete Vorschläge seitens der Industrie für Änderungen im deutschen Verfahrensrecht wurden innerhalb der Bundesregierung zwar diskutiert, bisher aber verworfen. Die neuen gesetzlichen Regelungen zum Fuel-Switch haben aber gezeigt, dass ein beherztes und zügiges Handeln der Bundesregierung durchaus möglich ist. In der angespannten Energieversorgungslage sind nun für eine befristete Zeit schnellere Verfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz möglich. Die Ergebnisse einer repräsentativen Unternehmensumfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach beispielsweise zeigen, dass jedes sechste Unternehmen die öffentliche Verwaltung als kaum oder gar nicht leistungsfähig einschätzt. Massive Kritik äußern die Unternehmen ebenfalls an der Dauer von Planungs- und Genehmigungsverfahren. 90 Prozent dieser Verfahren betreffen die Änderungen an bestehenden Anlagen. Muss beispielsweise in einer Anlage ein Filter ausgetauscht werden oder eine Brennertechnologie, weil sich die gesetzlichen Vorgaben oder der Stand der Technik geändert haben, bedarf es einer Änderungsgenehmigung. Der BDI hat in einer internen Mitgliederbefragung ebenfalls deutliche Verzögerungen in Genehmigungsverfahren in verschiedensten Branchen feststellen können. Über 250 Verfahrensbeispiele sind vom BDI systematisch ausgewertet worden. Die im Folgenden vorgestellten Ergebnisse zu der Dauer von Genehmigungsverfahren zeigen, dass die Achillesferse der Verfahren die Zeit zwischen Projektstart und Fertigstellung der Antragsunterlagen ist. Die Auswertung von über 250 Verfahren aus 27 verschiedenen Branchen der letzten fünf Jahre hat ergeben, dass es im Schnitt ab Projektstart anderthalb Jahre dauert, bis die Behörde alle Unterlagen zusammen hat. Brauchte es früher 2 Gutachten für die Entscheidung sind es heute 5 - 10 Gutachten. Verfahren nach Bundesimmissionsschutzgesetz dauern ab Antragsstellung bei der Behörde im Schnitt sechs Monate zu lang. Von der Vollständigkeit der Unterlagen bis hin zur Genehmigungserteilung vergehen im Durchschnitt sieben Monate. Vorgesehen im Gesetz sind jedoch insgesamt – von

Ninetta Meier | Abteilung Umwelt, Technik und Nachhaltigkeit | T: +49 30 2028-1544 | n.meier@bdi.eu | www.bdi.eu


Genehmigungsverfahren

Antragseinreichung bis Genehmigungserteilung – maximal drei beziehungsweise sieben Monate, je nach Verfahrensart. Im Schnitt dauern die Verfahren also ca. ein halbes Jahr länger als vom Gesetzgeber vorgesehen.

Methodik Die Befragung richtete sich an Verbände und Unternehmen innerhalb der Verbandslandschaft des BDI. Im Zeitraum von zwei Monaten (08/22 – 09/22) sind Rückmeldungen aus 27 verschiedenen Unternehmen sowie verschiedensten Industriesektoren zu insgesamt über 250 Genehmigungsverfahren eingegangen. Der Erhebungszeitraum konzentrierte sich auf fünfeinhalb Jahre – also Verfahren mit Bescheidsdatum ab 2017. Gegenstand der Untersuchung waren Verfahren nach BImSchG (vereinfachte (V) und vollständige Verfahren (G). Eine Auswertung der Median-Werte ergab keine signifikante Abweichung der Ergebnisse.

Eckdaten ▪

Es wurden 250 Verfahren (Verfahren nach BImSchG (V oder G) untersucht – bei nahezu allen Verfahren (98 %) liegt eine Genehmigung bereits vor;

Davon sind 89 sog. G-Verfahren (37 %) und 130 sog. V-Verfahren (54 %) – der Rest sind sonstige Verfahren;

Bei lediglich 54 von 250 Verfahren (22,5 %) liegt eine Vollständigkeitserklärung vor.

Befragungsergebnisse im Einzelnen Insgesamt haben alle Verfahren zusammengenommen eine durchschnittliche Verfahrensdauer (Einreichung-Bescheid) von elf Monaten. Dies erscheint zunächst gering, entwirrt man die Verfahren allerdings nach G- und V-Verfahren, so ergibt sich ein anderes Bild: Im Durchschnitt dauern sowohl G-Verfahren als auch V-Verfahren rund sechs Monate zu lang (siehe Grafik 1 und 2): G-Verfahren (gemessen an der gesetzlichen Vorgabe von sieben Monaten) dauern im Schnitt 13 Monate (Dauer von Einreichung bis Bescheid), also insgesamt sechs Monate zu lang (Grafik 1). V-Verfahren hingegen dauern im Schnitt neun Monate (Dauer von Einreichung bis Bescheid), also ebenfalls insgesamt sechs Monate zu lang, gemessen an der gesetzlichen Vorgabe von drei Monaten (Grafik 2).

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Genehmigungsverfahren

Verfahren mit einer Vollständigkeitserklärung (22,5 % aller Verfahren): ▪

Verfahren nach BImSchG (V oder G) mit einer bereits vorliegenden Vollständigkeitserklärung dauern von Einreichung bis Bescheid im Schnitt elf Monate.

Verfahren nach BImSchG (V oder G) mit einer bereits vorliegenden Vollständigkeitserklärung dauern von Projektstart bis Vollständigkeitserklärung im Schnitt 18 Monate.

Verfahren nach BImSchG (V oder G) mit einer bereits vorliegenden Vollständigkeitserklärung dauern von Vollständigkeitserklärung bis Genehmigung im Schnitt sieben Monate.

Ergebnisse Allensbach-Studie Das Institut für Demoskopie Allensbach kommt in einer aktuellen repräsentativen Unternehmensumfrage zu ähnlichen Ergebnissen. Diese Studie ergab, dass eine große Mehrheit der befragten Wirtschaftsführenden größere Defizite in der öffentlichen Verwaltung in Deutschland beklagen1. Lediglich vier Prozent der Befragten halten die Genehmigungsprozesse für ausreichend kurz, weitere 22 Prozent sehen hier kleinere Defizite. Unter den Unternehmen, die von Problemen im Zusammenhang mit Genehmigungsverfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz berichten, beklagen 37 Prozent, dass der Verfahrensaufwand zu groß war; 34 Prozent, dass das Verfahren zu lange gedauert hat. Allein die durchschnittliche Vorbereitungszeit bis zum Vorliegen der Vollständigkeitserklärung seitens der Behörde dauerte im Durchschnitt fast elf Monate. Bei rund jedem neunten Unternehmen, das sich einem solchen Verfahren unterziehen musste, sogar zwei Jahre oder länger.

Handlungsempfehlungen Das Erreichen der ambitionierten Klimaziele bis 2030 ist nur durch eine Verfahrensbeschleunigung auf allen Ebenen und Verfahrensstufen möglich. Konkret sind folgende Schritte notwendig. ▪

Der BDI-Sieben-Punkte-Plan: Bereits im Februar 2022 hat der BDI einen Sieben-Punkte-Plan mit konkreten Handlungsempfehlungen für die Politik vorgelegt. Vorschläge, wie die Einführung einer Stichtagsregelung (1), die Festlegung des Detaillierungsgrades der Unterlagen (2), die Definition der Vollständigkeitserklärung als zwingenden Verfahrensschritt (3), die fakultative Ausgestaltung des Erörterungstermins (4), die Konkretisierung der Regelungen zum vorzeitigen Baubeginn (5) sowie die Fingierung der Zustimmung der Fachbehörden nach Ablauf der Monatsfrist (6) und die Einführung eines Änderungstatbestands im Wasserrecht (7) haben bisher keine Berücksichtigung gefunden.

Standardisierung schafft Rechtssicherheit: Die Unternehmen sind auf klare Vorgaben angewiesen, um Planungssicherheit zu haben. Juristische Auseinandersetzungen machen das Recht noch komplizierter. Zu Problemen führen immer wieder unbestimmte Rechtsbegriffe, die nicht

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Allensbach Archiv, IfD-Umfrage 8298 (Ergebnisse aus Unternehmensbefragung 2022)

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Genehmigungsverfahren

immer in gleicher Weise ausgelegt werden. Ein Gericht darf die Entscheidung der Behörde vollumfänglich überprüfen und sogar eigene Grenzwerte festlegen. ▪

Bessere Personalausstattung der Behörden und Gerichte: Klare Verantwortlichkeiten und Organisationsstrukturen sind eine Voraussetzung dafür, dass Unsicherheiten in den Genehmigungsverfahren vermieden werden. Fachbehörden müssen generell personell besser ausgerüstet sein und es bedarf einer Kontinuität in der Zuständigkeit zwischen Kommunal- und Landesebene.

Änderung der europäischen Umweltrichtlinie: Das Europäische Umweltrecht ist sehr kompliziert und veraltet. Für den großen Wurf ist eine Änderung der europäischen Umweltrichtlinien und deren praktikablere Auslegung durch den EuGH dringend erforderlich. Das europäisch geprägte Umweltrecht, wie insbesondere die Richtlinie über Industrieemissionen (IED), die Wasserrahmenrichtlinie und die Natura 2000-Richtlinien, bilden die Grundlage von Genehmigungsverfahren. Die geltende Rechtslage erfordert extrem aufwendige Prüfungen, der Mehrwert für den Umweltschutz bleibt dabei fraglich.

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Genehmigungsverfahren

Übersicht Grafiken

Verfahren

Grafik 1: Verfahrensdauer von G-Verfahren nach BImSchG

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Mittelwert: 13 Monate

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Verfahrensdauer in Monaten

Verfahren

Grafik 2: Verfahrensdauer von V-Verfahren nach BImSchG

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Mittelwert: 9 Monate

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Verfahrensdauer in Monaten

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Impressum Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) Breite Straße 29, 10178 Berlin www.bdi.eu T: +49 30 2028-0 Lobbyregisternummer: R000534

Redaktion

Ninetta Meier Abteilung Umwelt, Technik und Nachhaltigkeit T: +49 30 2028-1544 n.meier@bdi.eu Catrin Schiffer Abteilung Umwelt, Technik und Nachhaltigkeit T: +49 30 2028-1582 c.schiffer@bdi.eu

BDI Dokumentennummer: D 1654

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