Datenstrategie der Bundesregierung
Dateninnovationen fördern, Prioritäten setzen, Maßnahmen umsetzen
Vorbemerkung
Die Bedeutung von Daten für die digitale Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft kann nicht oft genug betont werden. Die rechtlichen, technischen und ökonomischen Rahmenbedingungen dieser Transformation bedürfen deshalb einer größeren politischen Aufmerksamkeit. Nach der sehr umfassenden und zugleich ambitionierten Datenstrategie (2021) der vormaligen Bundesregierung ist es deshalb richtig, dass die neue „Strategie für mehr und bessere Daten für neue, effektive und zukunftsweisende Datennutzung” auf der Vorgängerstrategie aufbaut und sich als Weiterentwicklung versteht.
Dementsprechend enthält die Strategie wenig Neues und verweist inhaltlich auf viele Maßnahmen, die bereits im Koalitionsvertrag (2021) sowie in der Digitalstrategie (2022) verankerten waren. Analog zu anderen Strategien der Bundesregierung handelt es sich bei der vorliegenden Datenstrategie leider weniger um eine „Top-Down“-Strategie mit klaren Zielvorgaben und inhaltlichen Zuständigkeiten, sondern eher um eine “Bottom-Up“ Sammlung von vielfach bekannten Maßnahmen, die aus den verschiedenen Ressorts eingebracht worden sind Tatsächlich neu in der vorliegenden Datenstrategie ist nur, dass der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) und die Anwendung von „Large Language Models (LLM)“ auch für die öffentliche Hand sowie der Einsatz von Reallaboren für „Privacy Enhancing Technologies (PET)“ geprüft werden soll Dennoch enthält die Strategie viele wichtige Maßnahmen, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie bei der Nutzung von Daten zu steigern. Es gilt deshalb die zweite Hälfte der laufenden Legislatur für die Umsetzung zentraler Maßnahmen der Strategie zu nutzen.
1. Mehr Daten
Zu 1.1.2.: Wir erweitern den Zugang zu staatlichen Datenbeständen
Die größere Verfügbarkeit und der praktikable Zugang zu öffentlichen Daten ist eine langjährige Forderung der deutschen Industrie. Deshalb ist es positiv, dass die Informationsfreiheitsgesetze zu einem Bundestransparenzgesetz weiterentwickelt und der einklagbare Rechtsanspruch auf Open-Data eingeführt werden soll. Wo keine Schutzinteressen entgegenstehen, sind Daten der Verwaltung by-default öffentlich verfügbar zu machen. Ungeachtet dessen bedarf es für eine echte Open-Data-Kultur gleichermaßen Investitionen in die technische Bereitstellungspraxis (Aufbereitung und Bereitstellung der Daten) und in die entsprechenden Bereitstellungskompetenzen, damit eine realistische Nutzbarkeit gewährleistet wird.
Zu 1.1.3.: Wir eröffnen den Zugang zu Daten aus Förderprojekten und Forschungsaufträgen des Bundes
Die Förderung von Forschungskooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft ist für den Forschungsstandort Deutschland von großer Bedeutung. Dem vertraglich geregelten Austausch von Daten innerhalb solcher Konsortien kommt dabei bereits heute ein hoher Stellenwert zu. Der politische Fokus sollte insbesondere im Rahmen des geplanten Forschungsdatengesetzes deshalb auf einer Stärkung der bereits heute gut funktionierenden, freiwilligen Kooperationen liegen. Um die Attraktivität derartiger Kooperationen zu erhöhen, muss die Wahrung der berechtigten Schutzinteressen sämtlicher Akteure –insbesondere gegenüber Nicht-Projektpartnern – sehr ernst genommen werden und mit echten Ausnahmeregelungen versehen werden. Nicht zuletzt die Diskussionen auf europäischer Ebene rund um den EU-Data Act haben gezeigt, dass eine rechtliche Ausbalancierung zwischen einer Datenbereitstellung und dem effektiven Schutz von IP-Rechten sowie Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen noch nicht abschließend erfolgt ist.
Zu: EU-Rechtsakte mit Datenbezug
Auf europäischer Ebene wurden in der laufenden Legislatur in Umsetzung der EU-Digital- und Datenstrategie zahlreiche Gesetzgebungsverfahren verhandelt und (ganz überwiegend) abgeschlossen, die den bestehenden Rechtsrahmen der europäischen Datenwirtschaft beim Umgang und beim Austausch von Daten ganz erheblich modifiziert haben. Für die Industrie stehen dabei vor allem der EU-Data Act sowie der EU-AI Act im Fokus. Diese sehr umfassenden neuen gesetzlichen Vorhaben greifen tief in die unternehmerischen Prozesse zur Produkt- und Vertragsgestaltung ein und führen zu einem großen Implementierungsaufwand in den kommenden Jahren.
In Anbetracht dessen muss die Bundesregierung von etwaigen nationalen Alleingängen über die neuen EU-Vorgaben hinaus absehen. Dies gilt exemplarisch für etwaige Bestrebungen, Datenbereitstellungspflichten gegenüber öffentlichen Stellen (B2G-Data Sharing) auszuweiten, wie es in Kapitel 1.1.4. anklingt Der Fokus der kommenden Jahre muss vielmehr darauf gerichtet werden, die auch weiterhin bestehenden Friktionen der neuen EU-Digitalgesetze mit dem bestehenden Rechtsrahmen (insb. zur Datenschutzgrundverordnung, zum Vertragsrecht, zum IP-Recht und zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen) auszuräumen. Nationale Bestrebungen, etwa zur Erstellung von Mustervertragsklauseln (1.2), müssen insofern sehr eng mit entsprechenden europäischen Initiativen gebündelt werden.
Damit sich die Chancen und Möglichkeiten der neuen europäischen Vorgaben für die deutsche und europäische Datenwirtschaft realisieren lassen, fordert der BDI frühzeitig Klarheit, welche zuständigen Stellen für die Aufsicht und Durchführung künftig zuständig sind. Leider fehlt in der Datenstrategie das
klare Bekenntnis, hier eine zeitnahe Lösung zu schaffen, um den Unternehmen frühzeitig einen Ansprechpartner zur Verfügung zu stellen.
Zu 1.2.4.: Wir machen Daten im Gesundheitswesen einfacher zugänglich
Die Datenstrategie knüpft konsequent an die BMG-Digitalstrategie an. Die mit dem laufenden Gesetzgebungsvorhaben zum Digital-Gesetz (Digi-G) und zum Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) enthaltene Öffnung für die industrielle Gesundheitswirtschaft ist notwendig und überfällig, darf aber nur der erste Schritt bei der Aufholjagd im digitalen Gesundheitswesen sein. Wie zugänglich Daten für Forschung und Entwicklung für die Industrie wirklich werden, werden allerdings erst die nächsten Schritte zeigen: Die Ausgestaltung weiterer Rechtsverordnungen und die Praxis des Forschungsdatenzentrums werden Aufschluss darüber geben, ob der in der Strategie geäußerte Anspruch wirklich eingehalten wird.
Die Stärkung von Opt-Out Ansätzen und Broad Consent ist ein guter Ansatz, um gerade im Gesundheitsbereich mehr übergreifende Kenntnisse aus den Diagnosen und Behandlungsansätzen zu erhalten und die Betreuung von Patientinnen und Patienten zu verbessern. Um das nicht ausufern zu lassen, braucht es klare Zweckvorgaben und Transparenz gegenüber den Betroffenen.
Zu 1.2.5 : Wir vereinfachen den Datenschutz und erleichtern die praktische Umsetzung
Der BDI unterstützt die geplanten datenschutzrechtlichen Maßnahmen eines ermöglichenden Datenschutzes als positives Signal. Auch fünf Jahre nach Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung sehen sich Unternehmen weiterhin großen Rechtsunsicherheiten ausgesetzt, die es auszuräumen gilt. Die Entwicklung von Techniken und Standards für eine rechtssichere Anonymisierung und Pseudonymisierung sind dabei ebenso zu begrüßen wie die Entwicklung weiterer einheitlicher Vorgaben, die die Interpretationsspielräume einzelner Aufsichtsbehörden vereinheitlichen und nachvollziehbarer machen. Die hieraus resultierende Stärkung der Rolle der Datenschutzaufsichtsbehörden in der datenschutzrechtlichen Beratung von Unternehmen ist zu begrüßen.
Zu 1.2.6.: Wir schaffen Datensicherheit durch „Security by design“
Der BDI unterstützt den flächendeckenden Einsatz von Security-by-design, um die Cyberresilienz und damit die Datensicherheit von Hard- undSoftware-Lösungen zustärken. Die angedachten Umsetzungsschritte bleiben unkonkret. Nationale Alleingänge lehnen wir konsequent ab. Die Bundesregierung sollte vielmehr auf den Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens zum EU-Cyber Resilience Act setzen, der europaweit einheitliche, auf dem NLF basierende verpflichtende Anforderungen an die Cybersicherheit für Produkte mit digitalen Elementen formulieren wird.
2. Bessere Daten
Zu 2.1.: „Labelling von Daten by Design und by Default“.
Aus der Strategie geht nicht eindeutig hervor, ob dieses Labelling gesetzlich (flächendeckend) vorgeschrieben werden soll. Zugleich stellt sich die Frage, welcher Aufwand mit einem solchen Labelling einhergeht und welche Reichweite vorgesehen ist – schließlich ist ein (neues) Labelling nur für solche Daten sinnvoll, die auch tatsächlich geteilt werden. Wenn Unternehmen hingegen alle ihre Daten labeln müssten, könnte das zu erheblichen (vielfach überflüssigen) Kosten führen.
Zu 2.2. / 2.3.: Entwicklung von Standards
Die Entwicklung und Implementierung einheitlicher Normen und Standards ist eine Grundvoraussetzung zum Erhalt der internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Das von der Bundesregierung formulierte Ziel einer größeren Beteiligung von Vertreterinnen und Vertretern aus Deutschland in den entsprechenden internationalen Normungsgremien greift jedoch zu kurz, um der seit Jahren bestehenden Dominanz asiatischer Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der internationalen Standardisierung entgegenzutreten. Normung und Standardisierung muss in Deutschland als geostrategischer Faktor erkannt und Aktivitäten gestärkt werden. Damit insbesondere KMU diesem Wettbewerb standhalten können, ist die Einführung einer steuerlichen Normungsförderung nach Vorbild der steuerlichen Forschungsförderung zu prüfen
3. Datennutzung und Datenkultur
Zu 3.1.1.: Wir setzen auf allen Verwaltungsebenen auf datenbasiertes staatliches Handeln
Der BDI fordert die Bundesregierung mit Nachdruck zur Implementierung einer nutzendenzentrierten, agilen und digitalen öffentlichen Verwaltung auf. Verwaltungshandeln muss Ende-zu-Ende volldigital und sicher möglich sein. Hierfür ist es zwingend, dass die 575 OZG-Leistungen nach dem Einer-fürAlle-(EfA)-Prinzip entwickelt und bis spätestens 2026bundesweit eingeführt sind. Ferner bedarf es einer Registermodernisierung. Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürger müssen das Recht haben, nur einmal zur Übermittlung von Daten an staatliche Stellen verpflichtet werden zu können (Once-only). Anschließend bedarf es des Austauschs dieser Daten nach dem „Need-to-know-Prinzip“ zwischen Verwaltungseinheiten.
Zu 3.2.1.: Wir unterstützen Datenräume und ihre Vernetzung als Instrument der Datennutzung
Die Bundesregierung unterstreicht die Bedeutung eines kollaborativen Datenaustauschs insbesondere durch die Entwicklung und Implementierung verschiedener sektorspezifischer Datenräume als Grundlage einer funktionierenden Datenökonomie. Damit die Datenräume zu einem echten Erfolgsmodell werden, müssen Best Practices über verschiedene Datenraumprojekte hinweg entwickelt, Redundanz vermieden und stets die Anschlussfähigkeit an korrespondierende EU-Datenräume berücksichtigt werden. Am Ende müssen sich Datenrauminitiativen jeder Art an ihrer Anschlussfähigkeit in der Wirtschaft messen lassen.
Zu 3.2.3.: Wir setzen uns für zuverlässigen grenzüberschreitenden Datenaustausch ein („Data Free Flow with Trust“)
Der BDI unterstützt die Initiative Physische und digitale Wertschöpfung wachsen in der deutschen Wirtschaft zunehmend zusammen und erfordern internationale Datenflüsse. Diese sind unter Wahrung und Berücksichtigung europäischer Werte und Prinzipien sowohl bei der Ausgestaltung der Regelungen als auch bei deren Umsetzung zu stärken, ohne dass sich die europäische Datenwirtschaft aus falsch verstandener Souveränität abschottet Internationale Rechtskonflikte sind wo immer möglich aufzulösen.
4. Umsetzung
Der Erfolg der Datenstrategie und der mit ihr verknüpften Maßnahmen steht und fällt mit ihrer tatsächlichen Umsetzung. Leider fehlt es der Strategie sowohl an messbaren KPIs als auch an einer klaren Kompetenz- und Zuständigkeitszuteilung sowie einer Evaluierung der formulierten Strategieziele innerhalb der verbleibenden Legislatur und – nicht zuletzt – eines entsprechenden Budgets für die konkrete Umsetzung der Maßnahmen Insofern ist zu befürchten, dass sich die vielen Einzelmaßnahmen nicht den übergeordneten Zielen der Datenstrategie unterordnen werden
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