European Health Data Space (EHDS)

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BDI-KURZPOSITION | GESUNDHEITSPOLITIK | GESUNDHEITSDATENRÄUME

European Health Data Space (EHDS) Kernforderungen der industriellen Gesundheitswirtschaft zum EU-Trilog

16. Februar 2024 EHDS – ein Gesundheitsdatenraum für die EU Die Implementierung des European Health Data Space (EHDS) markiert einen bedeutenden Schritt in Richtung datenbasierter Gesundheitsinnovationen und einer datengetriebenen Gesundheitsversorgung in Europa. Der Europäische Raum für Gesundheitsdaten ist einer der Eckpfeiler der europäischen Gesundheitsunion. Der EHDS wird deswegen von den Akteuren der industriellen Gesundheitswirtschaft (iGW) begrüßt. Er kann als Katalysator fungieren, um die Gesundheitsversorgung durch den grenzüberschreitenden Fluss von Patientendaten effizienter, präziser und individualisierter zu gestalten. Darüber hinaus verbessern fortschrittliche Datenmodelle und die Etablierung interoperabler Standards die Rahmenbedingungen für den europäischen Forschungsstandort. Vor diesem Hintergrund sollte bei der Ausgestaltung des EHDS vor allem der Gestaltung der Sekundärdatennutzung besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Für die Trilog-Verhandlungen stellt sich der BDI entschieden gegen die Position des Rates, denn nationale Öffnungsklauseln bergen das Risiko von Sonderlösungen und unvollständigen, für die Forschung nicht nutzbaren Datenbeständen. Daneben sollte die Ausgestaltung von Datenteilungsverpflichtungen im EHDS besonders berücksichtig werden, da die Sicherung von Geschäftsgeheimnissen und geistigem Eigentum entscheidend für die Förderung von Innovationen ist. Außerdem setzt sich der BDI für Klarheit in Bezug auf die Interaktion des EHDS mit anderen relevanten Rechtsrahmen ein und betont die Notwendigkeit der Einbindung der industriellen Gesundheitswirtschaft in die Governance-Strukturen des EHDS.

Rabea Knorr | Industrielle Gesundheitswirtschaft | T: +49 30 2028-1495 | r.knorr@bdi.eu | www.bdi.eu


European Health Data Space (EHDS)

BDI-Kernforderungen für den weiteren Trilog Gestaltung der Sekundärdatennutzung und Datenzugang der Industrie1 Für die Erforschung innovativer Medizintechnik und Arzneimittel ist die Verfügbarkeit umfassender und hochwertiger Gesundheitsdaten von entscheidender Bedeutung. Die Leistungsfähigkeit von Forschung und Entwicklung (F&E) steigt mit der Größe und Qualität des potenziell verfügbaren Datenbestandes. Die Ausgestaltung eines Widerspruchs- bzw. Einwilligungsmechanismus, insbesondere auch im Hinblick auf die Bereitschaft der Bevölkerung, ihre Daten zu teilen, bedingt wiederum die verfügbare Datenmenge maßgeblich. Der Trilog vermittelt zwischen folgenden Positionen: 1.

Kommission: Verzicht auf Opt-out und Opt-in

2.

Rat: Nationale Öffnungsklausel für die Sekundärdatennutzung

3.

Parlament: Feingranularer Opt-out mit spezifischem Opt-in

Die deutsche Industrie stellt sich entschieden gegen die Position des Rates. Nationale Öffnungsklauseln bergen das Risiko von Sonderlösungen bzw. einer heterogenen Landschaft mit vielen diversen Regelungen, die dem Innovationsstandort Europa schadet. Die negativen Auswirkungen einer länderspezifischen Öffnungsklausel würden sich für das betreffende Land verstärken, wenn wenige andere EU-Mitgliedstaaten eine vergleichbare Regelung anwenden. Im Sinne großer, einheitlicher und unverzerrter Datensätze wäre aus Sicht der Industrie für den Forschungsstandort Europa perspektivisch eine Sekundärdatennutzung notwendig, die sich einzig auf die im EHDS und in der DSGVO vorgegebenen Mechanismen zur Garantie sicherer Datennutzung verlassen kann. Sollte sich diese, dem Kommissionsvorschlag entsprechende Version, nicht durchsetzen können und ein Opt-out Grundlage der Sekundärdatennutzung des EHDS werden, so sollte dieser folgende Ansprüche erfüllen. Ein Opt-out-Mechanismus sollte für alle Gesundheitsdatenzugriffsstellen in den EU-Mitgliedstaaten anwendbar sein, wodurch der Spielraum für nationale Abweichungen begrenzt und sichergestellt würde, dass die technischen Spezifikationen einheitlich sind. Dabei ist es wichtig, die Auswirkungen auf Gesundheits- und Pflegefachkräfte sowie andere Dateninhaber zu berücksichtigen. Die Implementierung sollte EU-weit möglich sein, ohne die rechtmäßige und ethische Datenfreigabe für sekundäre Zwecke einzuschränken. Zudem sollte sie regelmäßig im Rahmen eines aktualisierten Datenverwaltungsrahmens überwacht werden. Dabei ist es entscheidend, dass der Anwendungsbereich begrenzt, aber klar, konsistent und transparent definiert ist. Schließlich sollte ausreichende Investitionen, Infrastruktur und Budget bereitgestellt werden, um sicherzustellen, dass Bürgerinnen und Bürger ausreichend über die Möglichkeiten informiert sind.

Geistiges Eigentum und IP-Schutz Die Sicherung von Geschäftsgeheimnissen und geistigem Eigentum (IP) ist von entscheidender Bedeutung für die Förderung von Innovationen, sowohl aus der Wissenschaft als auch Wirtschaft. Schließlich werden die hierfür erforderlichen Investitionen nur durch einen effektiven und verlässlichen

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Die Brainlab AG unterstützt die vorliegende Position zur Gestaltung der Sekundärdatennutzung und dem Datenzugang der Industrie nicht.

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IP-Schutz und den dadurch für den Akteur geschaffenen Vorsprung attraktiv. Besonders angesichts der vorgesehenen Datenteilungsverpflichtungen im EHDS ist es unabdingbar, einen innovationsfreundlichen Schutz von IP-Rechten und Geschäftsgeheimnissen zu gewährleisten. Der BDI setzt sich für zustimmungsbasierte Bereitstellungspflichten von Daten ein, die Geschäftsgeheimnisse oder geistiges Eigentum beinhalten. Die Bestimmungen der EHDS-Verordnung sollten dabei das ohnehin bereits unzureichende Schutzniveau des EU-Data Acts nicht noch weiter unterschreiten. So plädieren wir etwa für eine angemessene Schutzfrist für die Veröffentlichung von im Rahmen der Produktentwicklung erhobenen Daten von mindestens 36 Monaten. Zudem sei darauf hingewiesen, dass die iGW bereits gut funktionierende Datenteilungsmechanismen betreibt, einerseits durch die Selbstverpflichtung und andererseits über eine Vielzahl von Konsortien und Kollaborationen. Schließlich sollte der EHDS die Nutzung von Maschinendaten nicht betreffen, da diese bereits durch den EU-Data Act reguliert wird. Die Positionen des Europäischen Parlaments und des Rates werden daher kritisch betrachtet, da sie Inkonsistenzen und Unsicherheiten bezüglich des Schutzes von geistigem Eigentum und Geschäftsgeheimnissen aufwerfen und nicht im Einklang mit aktueller Regulierung sind. Insbesondere die Rolle der Health Data Access Bodies (HDAB) als Entscheider für den Schutz kommerziell vertraulicher Informationen (CCI) bedarf einer Klärung. Hier sollte darauf geachtet werden, dass keine divergierenden Verfahren in den Ländern etabliert werden. Klar definierte Datenkategorien sind von großer Bedeutung, um einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Forschungszugang und dem Schutz von IP und Geschäftsgeheimnissen zu finden. Es gilt, Definitionsunklarheiten zu beseitigen und sicherzustellen, dass der EHDS-Rahmen im Einklang mit dem bestehenden EU-IP-Rahmen und den spezifischen Datentypen steht, um zu vermeiden, dass der zusätzlich nötige Aufbau von Administration sowohl für Behörden als auch Unternehmen möglichst geringgehalten wird.

Trennung der zuständigen staatlichen Stellen Im Sinne einer gesunden Governance-Struktur sollten die Datenzugangsstelle und die Stelle, welche über die Erteilung von Datengenehmigungen entscheidet, getrennt aufgesetzt werden. Statt die „Pseudonymisierungsstelle“ nur intern von der Zugangsstelle zu trennen (wie im Vorschlag des Parlaments enthalten), schlagen wir darüber hinaus eine unabhängige, multinationale Stelle nach dem Vorbild der EMA vor. So könnten Gesundheitsdaten longitudinal über mehrere Institutionen und Mitgliedstaaten hinweg zusammengeführt werden. Diese Stelle könnte auch anderen Registern und Zugangswegen außerhalb des EHDS als technologische Lösung dienen und damit rechtssicher einen einheitlichen Pseudonymisierungsprozess implementieren.

Klare Definitionen und Vermeidung von Mehrfachregulierung Der EHDS muss hinsichtlich seiner Wechselwirkungen mit dem bestehenden Rechtsrahmen sowie anderen relevanten Legislativverfahren, wie DSGVO, Data Governance Act, Data Act, AI-Act, MDR, IVDR, Clinical Trials Regulation, überprüft werden. Derzeit besteht hier ein erheblicher Interpretationsspielraum. Um Rechtssicherheit und Konsistenz im Rahmen des EU-Rechts zu gewährleisten, ist es wichtig, Überschneidungen und Doppelregulierungen in der Interaktion des EHDS mit den genannten Rechtsrahmen zu vermeiden.

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Wichtig ist hierfür, Begriffe wie „EHR“ (electronic health record) und „EHR-System“ genau zu definieren und voneinander abzugrenzen. So bestehen beispielsweise Unklarheiten, ob EHR-Systeme auch Produkte sind, die Patientendaten zu anderen Zwecken als zur Verwaltung von ebendiesen speichern. Es könnte dementsprechend sein, dass ein datengenerierendes Device wie ein Herzschrittmacher zusätzlich als EHR zertifiziert werden müsste, da dort personenbezogene Patientendaten (wenn auch nur die aus dem Schrittmacher) verwaltet werden. Daher sollte das EHR-System als "primär zur Verwaltung von Patientendaten" eingegrenzt werden.

Datenlokalisierung Der EHDS sollte übermäßige Anforderungen an die Datenlokalisierung und die internationale Übermittlung von Gesundheitsdaten vermeiden. Während die Speicherung personenbezogener elektronischer Gesundheitsdaten durch Stellen für den Zugang zu Gesundheitsdaten und sichere Verarbeitungsumgebungen (Legislativposition des Rates) eine vernünftige Schutzmaßnahme sein könnte, würden umfassendere Anforderungen an die Datenspeicherung (Legislativposition des EP) erhebliche Risiken mit sich bringen, z. B. im Hinblick auf ihre potenziell negativen Auswirkungen auf internationale Gesundheits- und F&E-Kooperationen oder das Funktionieren europaweiter medizinischer Register. Die Bestimmungen zur internationalen Übermittlung nicht personenbezogener / anonymer elektronischer Gesundheitsdaten leiden darunter, dass der Begriff „elektronische Gesundheitsdaten" nicht klar definiert ist, was zu einer uneinheitlichen Umsetzung der Vorschriften führen könnte (sowohl nach dem Standpunkt des Rates als auch nach dem des EP). Die in Kapitel V der DSGVO vorgesehenen Möglichkeiten legen die Rechtsgrundlage für die internationale Übermittlung personenbezogener Daten fest. Wenn der EHDS den Mitgliedstaaten erlauben würde, weitere Bedingungen beizubehalten oder einzuführen, einschließlich Beschränkungen für die internationale Übermittlung und den Zugang zu personenbezogenen elektronischen Gesundheitsdaten, dann würde dies dem Ziel des EHDS widersprechen, „den Datenfluss zu harmonisieren, um natürliche Personen dabei zu unterstützen, den Schutz und den freien Verkehr elektronischer Gesundheitsdaten zu nutzen".

Teilnahme der iGW an EHDS-Governance-Strukturen Die Einbindung der Industrie in die Governance des EHDS ist von entscheidender Bedeutung. Das EHDS-Board sollte folgerichtig eine Vertretung der iGW umfassen. Es ist essenziell, die Anforderungen an den Datenzugang, die Verfahren und die Bewertung von Anträgen auf Datenzugang innerhalb der gesamten EU zu harmonisieren und die Rollen sowie Pflichten von Dateninhabern und -nutzern klar zu definieren. Der aktive Einbezug verschiedener Interessengruppen erleichtert die verantwortungsbewusste, vertrauenswürdige und wirkungsvolle Umsetzung des Datenraums. Die Komplexität bei der Schaffung des EHDS im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens hat die Bedeutung der Expertise von Stakeholdern aus dem gesamten Gesundheitssektor hervorgehoben. Die Funktionsweise des EHDS-Boards könnte auf einer Kombination von Top-Downund Multi-Stakeholder-Governance-Ansätzen basieren. Das EHDS-Board könnte ein Forum bieten, um die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission zu erleichtern, unter Einbeziehung des Europäischen Datenschutzausschusses und von Bewertungsstellen für Gesundheitstechnologien. Neben der Beteiligung der Industrie am EHDS-

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Board, möchte der BDI für die Schaffung eines Beratungsgremiums plädieren, um ein zukunftsfähiges und funktionierendes Ökosystem für den Zugang zu Gesundheitsdaten und deren Austausch zu etablieren.

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Über den BDI Der BDI transportiert die Interessen der deutschen Industrie an die politisch Verantwortlichen. Damit unterstützt er die Unternehmen im globalen Wettbewerb. Er verfügt über ein weit verzweigtes Netzwerk in Deutschland und Europa, auf allen wichtigen Märkten und in internationalen Organisationen. Der BDI sorgt für die politische Flankierung internationaler Markterschließung. Und er bietet Informationen und wirtschaftspolitische Beratung für alle industrierelevanten Themen. Der BDI ist die Spitzenorganisation der deutschen Industrie und der industrienahen Dienstleister. Er spricht für 39 Branchenverbände und mehr als 100.000 Unternehmen mit rund acht Mio. Beschäftigten. Die Mitgliedschaft ist freiwillig. 15 Landesvertretungen vertreten die Interessen der Wirtschaft auf regionaler Ebene.

Impressum Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) Breite Straße 29, 10178 Berlin www.bdi.eu T: +49 30 2028-0 Lobbyregisternummer: R000534

Redaktion Rabea Knorr Leiterin Abteilung Industrielle Gesundheitswirtschaft T: +49 30 2028-1495 r.knorr@bdi.eu Richard Bildat Referent Gesundheit digital T: +49 30 2028-1714 r.bildat@bdi.eu Dr. Michael Dose Referent Digitalisierung und Innovation T: +49302028-1560 m.dose@bdi.eu

BDI Dokumentennummer: D1884

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