Verlängerung der Gruppenfreistellungsverordnung für Seeschifffahrtskonsortien

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Stellungnahme

Konsultation der Europäischen Kommission zur Verlängerung der Gruppenfreistellungsverordnung für Seeschifffahrtskonsortien (GVO)

Langtitel, Beispiel: (Arial, 20 Pt, fett) Referentenentwurf/ Regierungsentwurf Gesetz zur Modernisierung der Netzentgeltstruktur

Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.

Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. Stand: 22 09 2022

Hintergrund

Die 2009 erlassene Verordnung über eine Gruppenfreistellung für Seeschifffahrtskonsortien (GVO) wurde konzipiert, um die Leistungsfähigkeit und Effizienz der Seeschifffahrt zu stärken Die Verordnung soll hierdurch einen Beitrag zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie auf den Weltmärkten leisten.

Die Gruppenfreistellungsverordnung sieht vor, dass Reedereien gemeinsame Seefrachtverkehrsdienstleistungen als Konsortium durchführen können, ohne dabei in den Verdacht eines kartellrechtswidrigen Verhaltens zu geraten. Voraussetzung ist, dass der gemeinsame Marktanteil der Mitglieder des Konsortiums auf dem relevanten Markt nicht mehr als 30 Prozent der insgesamt beförderten Gütermenge beträgt.

Die Europäische Kommission leitete im August 2022 eine öffentliche Konsultation ein, um die Kommission bei der Bewertung der Auswirkungen und Zweckdienlichkeit der Gruppenfreistellungsverordnung für Seeschifffahrtsunternehmen zu unterstützen. Im Zuge der letzten Evaluierung im Herbst 2018 wurde die Gruppenfreistellungsverordnung unverändert bis zum 24. April 2024 verlängert.

Die Lage in den maritimen Lieferketten: fehlende Transportkapazitäten, Unpünktlichkeit und Qualitätsdefizite

DieaktuelleSituation iminternationalenSeeverkehr weist grundlegendeDifferenzen gegenüber dem Zeitpunkt der letztmaligen Evaluierung im Herbst 2018 auf. Fehlende Transportkapazitäten, unpünktliche Schiffsankünfte sowie Qualitätsdefizite in der Zusammenarbeit und der Erbringung von Dienstleistungen beeinträchtigen seit Ende 2020 sektorenübergreifend Lieferketten, Produktionsabläufeunddamit diewirtschaftlicheErholung derEuropäischen Union nach der Corona Pandemie, welche für die aktuell angespannte Situation im Container Seeverkehr mitverantwortlich ist.

Eine Reihe von Blitzumfragen des BDI zur Situation im Container Seeverkehr unter den Unternehmen der seeverladenden Industrie aus den Sektoren Chemie, Stahl, Metalle und Papier illustriert diese Entwicklungen und deckt Defizite in allen Bereichen der maritimen Lieferketten auf:

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Ergebnisse der BDI Blitzumfrage zur aktuellen Situation im Container Seeverkehr1

Parallel zu diesen negativen Entwicklungen ist eine Vervielfachung der Kosten für maritime Transportdienstleistungen zu verzeichnen. Dies gilt insbesondere für Containerfrachtraten, die im August 2022 im weltweiten Durchschnitt fast 350 Prozent über dem Niveau des Januars 2020 lagen. Zwischenzeitlich war ein Anstieg von mehr als 600 Prozent gegenüber dem Wert aus dem Januar 2021 zu verzeichnen

Vervielfachung der Containerfrachtraten im weltweiten Durchschnitt seit Beginn der Corona Pandemie2

1 BDI Blitzumfrage unter den Unternehmen der seeverladenden Industrie aus den Sektoren Chemie, Stahl, Metalle und Papier (n nach Untersuchungszeitraum: 23.03 06.04.2022 = 22; 17.12 21.12.2021 = 10; 21.06. 02.07.2021 = 20)

2 Freightos Baltic Index (2022): Global Container Freight Index. Online verfügbar unter: https://fbx.freightos.com/, zuletzt abgerufen am 01.09.2022.

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Die teils unkalkulierbaren Frachtkosten für Containertransporte in Kombination mit längeren Transit und Lagerzeiten bedeuteten für Unternehmen eine erschwerte Planbarkeit von Logistikprozessen, eine längere Kapitalbindung und die Notwendigkeit zum Aufbau zusätzlicher Lagerflächen zur Abfederung von Kapazitätsengpässen. Die Folge hiervon sind steigende Produktpreise für Verbraucher

Die Situation in der Seeschifffahrt: hohe Gewinne für Linienreedereien bei sinkender Marktvielfalt

Die gegenwärtige Situation zahlreicher Unternehmen der Seeschifffahrt steht in starkem Kontrast zur Lage ihrer Kunden. Insbesondere Linienreedereien mit einem Schwerpunkt auf die Container-Seefracht profitierten massiv von den gegenwärtigen Entwicklungen: Die Gewinne der zehn größten Containerschifffahrtsunternehmen der Welt3 stiegen von etwa 17 Milliarden USD im Jahr 2020 auf schätzungsweise 160 Milliarden USD im Jahr 2021.4 Die operativen Gewinnmargen der Branche haben seit Anfang 2020 ein kontinuierlich wachsendes und zuvor nie dagewesenes Niveau erreicht. Analysten erwarten, dass die Gewinne der Linienreedereien trotz einer Angleichung von Angebot und Nachfrage im Jahr 2022 weiter steigen werden.5

Gleichzeitig sinkt die Marktvielfalt im internationalen Container-Seeverkehr massiv Neun der zehn größten Containerschifffahrtsunternehmen haben sich in drei Allianzen zusammengeschlossen, die 80 Prozent der weltweit verfügbaren Frachtkapazitäten der Containerschifffahrt kontrollieren.

3 Die zehn größten Seeschifffahrtsunternehmen der Welt sind: Maersk, MSC, CMA CGM, COSCO, Hapag Lloyd, ONE, Evergreen, HMM, Yang Ming und ZIM

4 Alphaliner (n.d.): Idle containership database. Online verfügbar unter: https://public.alphaliner.com/

5 Bloomberg (2022): Container Lines Are Set to Smash Year Old Profit Record by 73% Online verfügbar unter: https://www.bloomberg.com/news/articles/2022 08 09/container lines to smash year old profit record with 73 surge?leadSource=uverify%20wall, zuletzt aktualisiert am 09.08.2022.

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Die drei Allianzen 2M, THE und Ocean Alliance kontrollieren etwa 80 Prozent der weltweiten Containerkapazitäten. Containerkapazitäten werden hierbei in Millionen TEU erfasst, wobei ein TEU einem 20 Fuß Container entspricht.67

Eine umfassende Darstellung der Entwicklung der Kapazitäten, Preise und Qualität maritimer Transportdienstleistungen sowie der Marktmacht der Linienreedereien leistet die Studie „Performance of Maritime Logistics“ des International Transport Forum der OECD aus dem Juli 2022.8 Sie kommt zum Ergebnis, dass Anpassungen der Governance der internationalen Seeschifffahrt unabdingbar sind, um Transparenz zu gewährleisten und den Wettbewerb anzukurbeln

Fazit: Die GVO verfehlt in ihrer gegenwärtigen Form ihr Ziel

Mit der Gruppenfreistellungsverordnung für Seeschifffahrtskonsortien (GVO) hat sich die Europäische Kommission das Ziel gesetzt, die

6 S&P Global (2020): Infographic: Shipping alliances help container industry boost freight rates in coronavirus pandemic. Online verfügbar unter: https://www.spglobal.com/commodityinsights/en/market insights/latest news/shipping/091120 infographic shipping alliances help container industry boost freight rates in coronavirus pandemic, zuletzt aktualisiert am 11.09.2020

7 Bloomberg (2022): Container Lines Are Set to Smash Year Old Profit Record by 73%. Online verfügbar unter: https://www.bloomberg.com/news/articles/2022 08 09/container lines to smash year old profit record with 73 surge?leadSource=uverify%20wall, zuletzt aktualisiert am 09.08.2022.

8 ITF (2022): Performance of Maritime Logistics. International Transport Forum Policy Papers, No. 106, OECD Publishing, Paris.

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„Leistungsfähigkeit und Leistungsqualität der Liniendienste zu verbessern“9 Darüber hinaus fordert die GVO, dass ein „angemessener Anteil der Effizienzgewinne […] an die Verkehrsnutzer weitergegeben werden“10 sollte.

Keines dieser Ziele konnten die Seeschifffahrtskonsortien seit der letztmaligen Verlängerung der GVO erreichen. Die Qualität des Angebots und der Zusammenarbeit temporär auch durch die Corona Pandemie bedingt sinkt dramatisch, während die Preise für Transportdienstleistungen auf dem Seeweg exorbitant steigen. Gleichzeitig wächst die Marktkonzentration im Container Seeverkehr.

Die Begründung der Europäischen Kommission für die letztmalige Verlängerung geringere Kosten für Reeder und Verkehrsnutzer bei gleichbleibender Leistungsqualität ist somit überholt.11 Vielmehr verdeutlichen die gegenwärtigen Entwicklungen, dass eine Reform der GVO dringend erforderlich ist. Darüber hinaus sollte die Europäische Kommission weitere Maßnahmen zur Stärkung des Wettbewerbs im Seeverkehr ergreifen, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie auf den Weltmärkten zu sichern

Forderungen der seeverladenden Industrie

Zuverlässige und robuste maritime Lieferketten sind für die seeverladenden Industrien in Deutschland und Europa von fundamentaler Bedeutung. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der gegenwärtigen wirtschaftlichen und geopolitischen Unsicherheiten.

Bereits vor der Coronakrise waren Defizite im Seeverkehrs Transportmarkt erkennbar. Der BDI hat daher bereits im Zuge der letztmaligen Evaluierung dererst im April 2020vonderEuropäischenKommission verlängertenGruppenfreistellungsverordnung für Seeschifffahrtskonsortien (GVO) auf die Notwendigkeit vonErgänzungen,diedieQualitätderTransportdienstleistungen und die Pünktlichkeit der Schifffahrtskonsortien nachweisbar gewährleisten, deutlich hingewiesen. Aktuell fehlt es an regulatorischen

9 Verordnung (EG) Nr. 906/2009 der Europäischen Kommission vom 28. September 2009 Erwägungsgrund 5.

10 Verordnung (EG) Nr. 906/2009 der Europäischen Kommission vom 28. September 2009 Erwägungsgrund 5.

11 Europäische Kommission (2020): Kartellrecht: Kommission verlängert Gruppenfreistellung für Seeschifffahrtskonsortien. Online verfügbar unter: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_20_518, zuletzt geprüft am 24. März 2020.

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Mechanismen, um Defizite in Qualität, Pünktlichkeit von Schiffsankünften und Verfügbarkeit von Containern und Frachtkapazitäten geltend zu machen. Dieses Anliegen hat der BDI im Juni 2021 zusammen mit VDA, VCI, VDMA, VKS, VDP, WV Metalle und WV Stahl nochmals in einem Verbändebrief zur Lage im internationalen Seeverkehr an die Bundesregierung adressiert. In gleicher Sache hat sich der BDI außerdem an die Europäische Kommission (DG Comp und DG Move) gewandt.

Der BDI befürwortet eine Weiterführung der Gruppenfreistellungsverordnung für Seeschifffahrtskonsortien nur unter der Voraussetzung, dass die Genehmigung von Konsortien verbindlich an die Erfüllung ihrer Ziele Verbesserung von Leistungsfähigkeit und qualität, Effizienzgewinne, Produktivitätssteigerungenund Kostenreduktionenfürdie Verbraucher geknüpftist. Hierzu sind aus Sicht des BDI als Anlage zur GVO verbindliche Leitlinien mit klar definierten Qualitätskriterien erforderlich. Derartige Leitlinien für GruppenfreistellungsverordnungensindgängigePraxisderKommission,wie insbesondere die Leitlinien zu den „Horizontal“ und „Vertikal“ Gruppenfreistellungsverordnungen zeigen.

Folgende Punkte sollten im Fokus der Überarbeitung der GVO stehen und von den neu zu definierenden Leitlinien umfasst werden:

1. Qualitäts und Produktivitätssteigerung sowie Weitergabe von Effizienzgewinnen an Verkehrsnutzer rechtlich verankern: Das zentrale Ziel der regulatorischen Ermöglichung der Konsortienbildung, eine Steigerung der Produktivität und Qualität der Transportdienstleistung, sollte deutlicher als bisher im Text der GVO und den neu aufzusetzenden Leitlinien fixiert werden. Ein planbares Kapazitätsmanagement muss gewährleistet sein, wenn die Vorzüge der Konsortienbildung in der Linienschifffahrt wettbewerbskonform genutzt werden sollen. Darüber hinaus sollten Konsortien Effizienzgewinne an Verkehrsnutzer in angemessenem Umfang weiterreichen. Hierfür sind in den Leitlinien faire Maßstäbe und klare Mechanismen zu erarbeiten.

2. Transparenz schaffen: Inwieweit die mit der Verordnung verbundenen Ziele erreicht werden, muss transparenter werden. Hierzu sollte die Kommission einheitliche, mit wenig Aufwand erfüllbare Berichts und Transparenzpflichten einführen, die etwa regelmäßig zu veröffentlichende Berichte bezüglich der Ankunftspünktlichkeit auf den von Konsortien betriebenen Routen, der von ihnen angebotenen

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Verkehre und der Weitergabe von Effizienzgewinnen umfassen Hierbei sollten auch die Auswirkungen des zunehmenden Engagements von Seeschifffahrtsunternehmen auf der Landseite durch eigene Terminals und Speditionen betrachtet werden. Darüber hinaus muss eine Transparenzpflicht über die Zugehörigkeit von Seeschifffahrtsunternehmen zu Konsortien eingeführt werden. Im Zuge dessen sind Verknüpfungen zwischen Konsortien im Sinne der GVO und internationalen Allianzen wettbewerbsrechtlich zu prüfen.

3. Voraussetzungen für Freistellung prüfen und durchsetzen: Vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Marktmacht der Konsortien sollteder aktuelleSchwellenwert für eineGruppenfreistellung von30 Prozent kritisch hinterfragt und deutlich abgesenkt werden. Die strengere Kontrolle und Durchsetzung der Anforderungen für eine Gruppenfreistellung sind dringend erforderlich. Die effektive Durchsetzung des Schwellenwerts erfordert eine klarere Definition des Kriteriums des relevanten Markts Dies könnte erreicht werden, indem der relevante Markt auf Basis der bedienten Hafenpaare („Port Pairs“) oder auf Ebene der „Trade Routes“ festgesetzt wird.

ErgänzendzurÜberarbeitungderGVOundderEinführungzugehöriger Leitlinien sowie Berichts und Transparenzpflichten gilt es, den Wettbewerb im Seeverkehr wiederzubeleben. Die aktuellen Entwicklungen deuten klar auf ein abnehmendes Wettbewerbsniveau in der Containerschifffahrt hin. Besonders spürbar für Kunden sind die Verknappungen des Schiffsraums, das bisherige Ausbleiben einer Erhöhung der Schiffsabfahrtfrequenzen, exorbitante Frachtratensteigerungen auf einzelnen Strecken und die Abnahme angebotener Hafenpaare mit direkten Diensten. Hier sollte die Europäische Kommission Impulse für einen stärkeren Wettbewerb setzen.

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Über den BDI

Der BDI transportiert die Interessen der deutschen Industrie an die politisch Verantwortlichen. Damit unterstützt er die Unternehmen im globalen Wettbewerb. Er verfügt über ein weit verzweigtes Netzwerk in Deutschland und Europa, auf allen wichtigen Märkten und in internationalen Organisationen. Der BDI sorgt für die politische Flankierung internationaler Markterschließung. Underbietet InformationenundwirtschaftspolitischeBeratung füralle industrierelevanten Themen. Der BDI ist die Spitzenorganisation der deutschen Industrie und der industrienahen Dienstleister. Er spricht für 40 Branchenverbände und mehr als 100.000 Unternehmen mit rund acht Mio. Beschäftigten. Die Mitgliedschaft ist freiwillig. 15 Landesvertretungen vertreten die Interessen der Wirtschaft auf regionaler Ebene.

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