Novellierung der EU-Kommunalabwasserrichtlinie

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Position

BDI zum Vorschlag der Kommission zur Wasserverschmutzung – Aktualisierung der EU-Vorschriften über die Behandlung von kommunalem Abwasser

Novellierung der EUKommunalabwasserrichtlinie Langtitel, Beispiel: (Arial, 20 Pt, fett) (UWWTD) Referentenentwurf/ Regierungsentwurf Gesetz zur Modernisierung der Netzentgeltstruktur

Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.

Stand: 07.03.2023


Novellierung der EU-Kommunalabwasserrichtlinie (UWWTD)

Inhaltsverzeichnis Einleitung ......................................................................................... 3 1. Ausbau 4. Reinigungsstufe (Artikel 8) .................................... 4 2. Einführung des Verursacherprinzips/Finanzierung der 4. Reinigungsstufe (Artikel 9) ............................................................. 4 3. Entscheidungen auf Basis wissenschaftlich fundierter Analysen .......................................................................................... 7 4. Organisation für erweiterte Herstellerverantwortung ............ 7 5. Wasserwiederverwendung (Artikel 15) ................................... 7 6. Abwassermonitoring (Artikel 17) ............................................. 8 7. Anhang I – Anforderungen an kommunale Abwässer ........... 8 Über den BDI.................................................................................. 10 Impressum ..................................................................................... 10


Novellierung der EU-Kommunalabwasserrichtlinie (UWWTD)

Einleitung Die Europäische Kommission hat am 19. Oktober 2022 den Entwurf zur Novellierung der EU-Kommunalabwasserrichtlinie (UWWTD) veröffentlicht, gemeinsam mit Ergebnissen des Impact Assessment. Die europäische Richtlinie über die Behandlung von kommunalem Abwasser (91/271/EWG) – kurz: UWWTD – vom 21. Mai 1991 hat die Ableitung und Reinigung von Abwasser insbesondere aus Haushalten und auch der Industrie zum Ziel und trägt damit zum Gewässerschutz bei. Eine Weiterentwicklung und Aktualisierung der UWWTD ist aus Sicht der deutschen Industrie sinnvoll, damit die kommunale Abwasserbeseitigung in Europa auch zukünftig einen wichtigen Beitrag zur Reinhaltung der Gewässer und zur Erreichung eines guten Gewässerzustandes leisten kann. Die Zielerreichung des guten Gewässerzustandes nach der Wasserrahmenrichtlinie unterstützt die deutsche Industrie nachdrücklich und ist bereit, hier weiterhin einen großen Beitrag zu leisten, auch im Rahmen des Verursacherprinzips. Die Umsetzung der Kommunalabwasserrichtlinie ist in den Mitgliedsstaaten sehr unterschiedlich weit fortgeschritten, daher muss es neben der Überarbeitung der Richtlinie vordringliches Ziel sein, die bisherigen Vorgaben der EU in allen Mitgliedsstaaten umzusetzen.

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1. Ausbau 4. Reinigungsstufe (Artikel 8) Aufgrund der Vielzahl an Spurenstoffen hält die deutsche Industrie einen Ausbau der 4. Reinigungsstufe in kommunalen Kläranlagen grundsätzlich für zielführend, wenn durch ein eindeutiges Monitoring relevante Konzentrationen von Spurenstoffen über einen zu definierenden Zeitraum nachgewiesen werden und schädliche Auswirkungen auf den ökologischen Zustand oder die menschliche Gesundheit (Trinkwasser) besorgt werden müssen. Ein zielgerichteter sowie auf belastete Regionen bezogener Ausbau ist für die Erreichung der Ziele der WRRL sinnvoll. Einen starrer auf die Größe der Kläranlagen (> 100.000 EW) ausgerichteter flächendeckender Ausbau ist aus Sicht der deutschen Industrie nicht zielführend. Effizienter und zielgerichteter sehen wir einen Ausbau von vier Reinigungsstufen in Regionen an, bei denen Grund zur Besorgnis und damit konkreter Handlungsbedarf besteht. Eine Risikoabschätzung sollte den Mitgliedstaaten im ersten Schritt, also bei der Entscheidung welche Kläranlage eine 4. Reinigungsstufe benötigt, offenstehen. Zudem sollte ein wesentlich besseres Gewässer-/Abwassermonitoring und ein digitalisierter Datenaustausch, sowie die zentralisierte Erfassung der Daten stärker in den Fokus der Richtlinie rücken. Die Mitgliedsstaaten der EU müssen entsprechend zum Aufbau und Betrieb dieser Dateninfrastrukturen beitragen, so dass in Zukunft ein wesentlich feineres und punktgenaues Maßnahmenset getroffen werden kann. 2. Einführung des Verursacherprinzips/Finanzierung der 4. Reinigungsstufe (Artikel 9) Der Entwurf implementiert in Artikel 9 die sogenannte erweiterte Herstellerverantwortung im Wasserrecht für die Inverkehrbringer von Humanarzneimitteln und Kosmetikprodukten und sieht somit eine einseitige Belastung von zwei Industriezweigen vor. Somit wären speziell die Humanarzneimittelund Kosmetikhersteller von den Änderungen in der UWWTD massiv betroffen, da sie die verpflichtende Einführung der 4. Reinigungsstufe vollständig finanzieren sollen. Zur Umsetzung der Kreislaufwirtschaftsziele der EU, welche unter anderem im European Green Deal oder der Null-Schadstoff-Strategie verdeutlicht werden, ist eine verursachergerechte Finanzierung der 4. Reinigungsstufe geboten. Lenkungsanreize zur Vermeidung an der Quelle sind ökologisch und

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teils auch ökonomisch sinnvoll, da das Reinigen der Abwässer im Nachhinein gesamtwirtschaftlich teurer ausfallen kann als eine Reduktion der Eintragungen in das Abwassersystem. Basis für den Einbezug bestimmter Stoffe sollte eine neutrale Bewertung der gesundheitlichen und ökologischen Risiken sein. Der BDI ist der Auffassung, dass eine einseitige finanzielle Belastung einzelner Industriezweige zur Konkretisierung des Verursacherprinzips nicht sachgerecht und nicht verhältnisgemäß ist. Grundsätzlich müssen im Rahmen des Verursacherprinzips alle verantwortlichen Verursacher einer Umweltbelastung die Kosten für deren Vermeidung oder Beseitigung tragen. Der Eintrag von Spurenstoffen in Gewässer unterliegt unterschiedlichen Kausalketten, es kommen somit verschiedene Verursacher in Betracht. Bei der konkreten Auswahlentscheidung im Hinblick auf die Heranziehung oder Nichtheranziehung eines Verursachers ist zunächst zu erfassen, welcher unmittelbare Beitrag der Gewässerbelastung vorliegt. Des Weiteren ist zu prüfen, welche Belastung welchem Akteur zugewiesen wird. In diesem Zusammenhang ist es ist nicht schlüssig und nachvollziehbar, warum die pharmazeutische und die kosmetische Industrie einseitig mit der Finanzierung einer 4. Reinigungsstufe belastet werden sollen. Nur ein kleiner Teil der sogenannten Mikroverunreinigungen, welche sich über eine 4. Reinigungsstufe entfernen lassen, stammt tatsächlich von Arzneimittelrückständen. Die Europäische Kommission geht davon aus, dass 66 Prozent der Spurenstoffe in EU-Abwässern von Arzneimitteln stammen. Unserer Kenntnis nach basieren diese Annahmen jedoch nicht auf wissenschaftlich fundierten Analysen und führen mithin zu fehlgeleiteten politischen Entscheidungen. Die Zahl von 66 Prozent Anteil des Pharmasektors an der Mikroschadstoffbelastung ist wissenschaftliche fragwürdig und stellt keine zuverlässige Verteilung dar, da der Ansatz der Umweltverträglichkeitsprüfung zur Berechnung der Mikroverunreinigungsbelastung nicht transparent ist: Die wichtigsten Prozentsätze für die Belastung mit Mikroverunreinigungen stammen aus dem Bericht "Durchführbarkeit eines EPR-Systems für Mikroverunreinigungen“, der keine klare Beschreibung der Datenberechnung enthält. Außerdem stammen die Daten teilweise aus nicht überprüften und nicht öffentlich zugänglichen Datenquellen. Zudem konzentrieren sich die im Impact Assessment (IA) genannten und von der Kommission berücksichtigten Studien hauptsächlich auf pharmazeutische Mikroverunreinigungen. In der im Rahmen der wissenschaftlichen Untersuchung durchgeführten Literaturrecherche wurden hingegen 22 zusätzliche Studien identifiziert, die im IA keine

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Berücksichtigung fanden. Diese Studien befassen sich mit weiteren Mikroverunreinigungen, wie beispielsweise Bioziden, Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS), Mikroplastik oder Kunststoffzusätze, Nanopartikel, Metalle oder Metalloide, Wasch- und Reinigungsmittel oder andere Haushalts- und Industriechemikalien. Eine Berücksichtigung dieser zusätzlichen Studien hätte folglich ein ausgewogeneres Bild ergeben. Vergleicht man zudem die Anzahl der vorhandenen Studien über Arzneimittel mit der Gesamtzahl der Studien über Mikroverunreinigungen, so zeigt sich, dass Arzneimittel die am besten untersuchte Gruppe von Mikroverunreinigungen sind. Das führt dazu, dass ihr Anteil an der Zuteilung von Schadstoffbelastungen nicht repräsentativ ist und die Ableitung der 66 Prozent nicht der Realität entsprechen. Unter Berücksichtigung dieser Ergebnisse ist nicht nachvollziehbar, warum ein systemrelevanter Sektor wie die pharmazeutische Industrie einseitig durch zusätzliche Kosten benachteiligt werden soll, obwohl Mikroverunreinigungen nachweisbar durch viele unterschiedliche Stoffgruppen hervorgerufen werden. Arzneimittelwirkstoffe machen nur einen geringen Anteil aller registrierten chemischen Stoffe aus und werden auch nur in geringeren Konzentrationen eingesetzt. Ein einseitig ausgelegtes Finanzierungsmodell zu Lasten der pharmazeutischen Industrie wäre diskriminierend. Im Rahmen des Verursacherprinzips sind sämtliche Akteure – Hersteller, Handel, private und gewerbsmäßige Verbraucher wie zum Bespiel auch Krankenhäuser und Landwirtschaft – zu berücksichtigen. Wie eine möglichst hohe Umweltqualität erreicht werden kann, welche Lösung sich als wirtschaftlich und verwaltungstechnisch günstig erweist, ob die Auswahl für die Betroffenen zumutbar ist, welche rechtlichen Schranken im Einzelfall bestehen und wie hoch die politischen Durchsetzungschancen sind, ist politisch mit allen relevanten Akteuren abzuwägen.

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3. Entscheidungen auf Basis wissenschaftlich fundierter Analysen Gesundheitsgefährlichkeit und Umweltrelevanz zahlreicher Spurenstoffe können heute noch nicht abschließend bewertet werden. Die Beurteilung der von Spurenstoffen ausgehenden Wirkungen auf den ökologischen Zustand der Gewässer ist vielfach noch nicht naturwissenschaftlich nachgewiesen. Grundlage jeder umweltpolitischen Diskussion und Entscheidung über die Bedeutung von Spurenstoffen in Gewässern sollte eine fundierte wissenschaftliche Analyse und Bewertung sowie eine realistische Risikoabschätzung sein. Allein der analytische Befund aufgrund der in jüngerer Zeit erheblich leistungsfähigeren Mess- und Analyseverfahren ist im Hinblick auf die Tragweite der Entscheidung keine ausreichende Begründung für die Einleitung von Maßnahmen. 4. Organisation für erweiterte Herstellerverantwortung Die Hersteller sollen laut Entwurf ihre erweiterte Herstellerverantwortung kollektiv wahrnehmen, indem sie sich einer Organisation für erweiterte Herstellerverantwortung anschließen. Die Mitgliedstaaten sollen sicherstellen, dass die Hersteller die vollen Kosten für die Einführung der 4. Reinigungsstufe einschließlich der Kosten für die Überwachung und für die Berichterstattung tragen. Die Einführung der erweiterten Herstellerverantwortung im Wasserrecht schafft damit ein Übermaß an Bürokratie, deren Kosten sinnvollerweise in die Verbesserung des ökologischen Zustands der Gewässer investiert werden sollten. Beispielsweise verursacht der bürokratische Aufwand für die Beteiligung der Hersteller an dem „Cleanup“ Kosten im öffentlichen Raum (Zigaretten, Feuchttücher, „ToGo“-Becher etc.) in Höhe von zirka 400 Mio. €/a für 40 Planstellen. 5. Wasserwiederverwendung (Artikel 15) Der allgemein gehaltene und ohne klare Ziele geschriebene Artikel 15 steht im Widerspruch zum EU-Ziel von umwelt- und klimafreundlichen Wasserkreisläufen. Vor dem Hintergrund vermehrter und langer Dürreperioden können Wasserwiederverwendungssysteme und die Speicherung von Regenwasser ein wichtiger Lösungsbeitrag sein. Die Kommission sollte die Mitgliedsstaaten dazu verpflichten, im Einklang mit dem geltenden Wasserrecht

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Wiederverwendungssysteme in besonders betroffenen Gebieten einzuführen. Ein gutes Anwendungsgebiet wäre die Bewässerung des Stadtgrüns. 6. Abwassermonitoring (Artikel 17) Die deutsche Industrie begrüßt die Anerkennung der Potenziale des Abwassermonitorings zur Prävention und Kontrolle von Pandemien durch die EUKommission. Unsere Mitgliedsunternehmen haben in den vergangenen zwei Jahren gut mit den Kommunen und zuständigen Behörden kooperiert und zur Aufklärung beigetragen. Insofern halten wir den Artikel 17 zum Aufbau eines Kontrollsystems mit der entsprechenden Rollenverteilung für sinnvoll. Allerdings bleibt die Finanzierungsfrage ungeklärt. Die Kosten für das Monitoring sollten aus unserer Sicht von den nationalen Gesundheitshaushalten getragen werden. 7. Anhang I – Anforderungen an kommunale Abwässer Gemäß Annex 1 C Nr. 1 c (Indirekteinleitung von Industrieabwasser) ist sicherzustellen, dass alle im Industrieabwasser enthaltenen Schadstoffe in der kommunalen Abwasseranlage verringert werden können („the polluting substances contained in the non-domestic wastewater can be abated by the urban wastewater treatment plant“). Eine solche undifferenzierte Pflicht zur Verringerung von Schadstoffen ist weder erforderlich noch sachgerecht. Vielmehr ist für die Frage, wie mit den im Abwasser enthaltenen Stoffen in der Abwasseranlage umzugehen ist, insbesondere maßgeblich, welche Anforderungen sich aus den Regelungen der EU-Wasserrahmenrichtlinie ergeben. Eben dieser Gesichtspunkt ist jedoch bereits abschließend unter Anhang I, C, Nr. 1 e) berücksichtigt. Daher sollte Anhang I, C, Nr. 1 c) unbedingt gestrichen werden. Ungeachtet dieser grundsätzlichen Bedenken, ist aber auch die Regelung selbst nicht nachvollziehbar. Anhang I, C Nr. 1 c) bezieht sich uneingeschränkt auf alle im Abwasser enthaltenen Schadstoffe – unabhängig von deren Konzentration im Abwasser und deren Relevanz für den aufnehmenden Wasserkörper. Dies ist nicht sachgerecht. Vielmehr sollte allenfalls – wie bisher gängige Praxis - auf die relevanten Schadstoffe abgestellt werden. Die Anforderungen an die Verringerung von Schadstoffen im Abwasser können sich zudem nur nach dem Stand der Technik (sofern vorhanden und anwendbar) bzw. nach den Anforderungen der EU-Wasserrahmenrichtlinie

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richten. Und schließlich sollte klargestellt werden, dass die Hintergrundkonzentration des aufnehmenden Oberflächengewässers Berücksichtigung finden sollte (z. B. bei Stoffen, die natürlicherweise im aufnehmenden Gewässer in erhöhten Konzentrationen vorkommen). Angesichts der oben genannten grundsätzlichen Bedenken sollte Anhang I, C, Nr. 1 c) gestrichen werden. Hilfsweise sollte Anhang I, C, Nr. 1 c zumindest wie folgt geändert werden: “(c) the relevant polluting substances contained in the non-domestic wastewater can be abated by the urban wastewater treatment plant according to the current state of the art - if applicable - and according to the requirements of Directive 2000/60/EC. Background concentration of the receiving water body should be considered.”

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Über den BDI Der BDI transportiert die Interessen der deutschen Industrie an die politisch Verantwortlichen. Damit unterstützt er die Unternehmen im globalen Wettbewerb. Er verfügt über ein weit verzweigtes Netzwerk in Deutschland und Europa, auf allen wichtigen Märkten und in internationalen Organisationen. Der BDI sorgt für die politische Flankierung internationaler Markterschließung. Und er bietet Informationen und wirtschaftspolitische Beratung für alle industrierelevanten Themen. Der BDI ist die Spitzenorganisation der deutschen Industrie und der industrienahen Dienstleister. Er spricht für 40 Branchenverbände und mehr als 100.000 Unternehmen mit rund acht Mio. Beschäftigten. Die Mitgliedschaft ist freiwillig. 15 Landesvertretungen vertreten die Interessen der Wirtschaft auf regionaler Ebene. Impressum Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) Breite Straße 29, 10178 Berlin www.bdi.eu T: +49 30 2028-0 Lobbyregisternummer: R000534

Ansprechpartner RAin Catrin Schiffer Referentin Abteilung Umwelt, Technik und Nachhaltigkeit T: +49 30 2028-1582 C.Schiffer@bdi.eu BDI Dokumentennummer: D 1738

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