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BDI-Unternehmensbefragung zur
Gutachtenflut in Verfahren
Verantwortung von Behörden und Betreibern stärken
14. Juli 2023
„Wir haben Werke in verschiedenen Ländern Mitteleuropas – für uns ist Deutschland hier in Genehmigungsprozessen nicht mehr wettbewerbsfähig; Aufwand, Zeit und Auflagen sind teilweise trotz (oder wegen) immer kleinteiligeren Vorschriften nicht mehr vorhersehbar und planbar, und führen zu unkalkulierbaren wirtschaftlichen Risiken bis hin zu dem Punkt, dass der Genehmigungsprozess selbst und die damit verbundenen Risiken Investitionsentscheidungen beeinflussen. Die in den letzten Jahren angewachsenen Möglichkeiten externen Parteien bzgl. Involvierung/Einflussnahme tun ihr Übriges.“
Einleitung
Das Bundeskanzleramt hat den BDI im Sommer 2023 gebeten, die folgenden 10 Fragen in die Mitgliedsunternehmen mit der Bitte um Rückäußerung zu geben. Der Rücklauf war ungewöhnlich hoch, rund 600 Unternehmen haben die Fragen beantwortet. Die Frustration über die Dauer von Planungsund Genehmigungsverfahren ist seit Jahren ungebrochen und hat sich weiter verstärkt. In der Beantwortung der Fragen gibt diese Stellungnahme mit Hilfe von einigen Zitaten in kursiver Schrift die Stimmung in der Industrie wieder.
Aus Sicht des BDI sind die Anzahl und der Umfang sowie die Anforderungen an die fachliche Tiefe der Gutachten in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Dies liegt zum einen an weiteren Verschärfungen und Differenzierungen von gesetzlichen Regelungen, aber auch an Forderungen nach immer detaillierteren Betrachtungen seitens der Behörden. Dokumentations- und Prüfpflichten selbst für kleine Anlagen, für Änderungen an Anlagen und für Vorhaben mit geringer umweltfachlicher Relevanz wurden zunehmend erweitert. Demgegenüber haben die einschlägigen Gutachter- und Kartierbüros kaum oder keine Kapazitäten mehr, um den Bedarf am Markt hinreichend bedienen zu können. Dies liegt nicht nur am Mangel an Gutachtern, sondern auch an den ständig steigenden Ansprüchen, die an diese gestellt werden.
Die drei wesentlichen Forderungen in Bezug auf Genehmigungsverfahren aus Sicht der an der Umfrage beteiligten Industrieunternehmen sind:
▪ Verantwortung von Behörde und Betreiber auf eigenverantwortliche Entscheidungen stärken. Die Behördenvertreter haben verständlicherweise Angst vor der persönlichen Haftung bei Fehlentscheidungen. Daher sichern sie sich mit teils überflüssigen Gutachten gegen Klagen ab.
„Bereits ein Ansatz der Möglichkeit entsprechender negativ nachhaltiger Auswirkungen und Beeinträchtigungen führt regelmäßig zu ausgedehnten Diskussionen zwischen Vorhabensträgern und Behörden. Bestehen derartige Zweifel im Ansatz handelt die Behörde restriktiv. Sie entscheidet sich damit eher für das Beibringen entsprechender Gutachten durch den Vorhabensträger als dagegen, um unbestimmte Rechtsbegriffe wie „angemessen“, „erforderlich“ oder „verhältnismäßig“ gutachterlich im konkreten Fall bewerten zu lassen und um keine formalen Fehler zu begehen. Erkennt ein Vorhabensträger derartige behördliche Zweifel, so entscheidet er sich notgedrungen zur Vorlage von Gutachten, da dies regelmäßig die einzig verbleibende Möglichkeit ist, gleichwohl er anhand seiner betrieblichen, technischen, örtlichen und sonstigen Erfahrungen davon nicht überzeugt ist, ein Antragsverfahren am Laufen zu halten und weitere Planungs-, Verfahrens- und Ausführungsverzögerungen zu vermeiden. Für Unternehmen sind damit Antragsverfahren weder zeitlich noch finanziell planbar.“
„Mehr und mehr ist festzustellen, dass Behörden ihre Ermessenentscheidungen nicht selbst ausüben, sondern sich allein auf gutachterliche Aussagen verlassen.“
„Vielfach wurden hier „unnötige“ und „mit gesundem Menschenverstand verzichtbare“ Gutachten ins Spiel gebracht wie z.B. „Schallgutachten bei einer wesentlichen Änderung einer Anlage, die aber keine Auswirkungen auf den Lärmbereich hat, Naturschutz-Betrachtung bei einer Kessel-Anlage, die mitten im Betriebsgelände und auf versiegelter Fläche gebaut wird“.
▪ Zu viele Gesetzesänderungen und Rechtsprechungen im Umweltrecht führen zu einem Mangel an Gutachtern (Im Jahr 2021 gab es im Umweltrecht und Arbeitsschutz auf Bundes- und Landesebene insgesamt 1.200 neue Normen und 360 Änderung an bestehenden Normen. Hinzu kamen ca. 3.500 relevante Gerichtsurteile aus dem Umweltrecht). Die neuen EU-Berichtspflichten (Taxonomie/Lieferkettengesetz/CSRD) verstärken dies zusätzlich, da hier zusätzlich Experten benötigt/gebunden werden.
„... Einen wesentlichen Beitrag daran liefert allerdings die seit Jahren massiv fortschreitende Ausdifferenzierung der umweltrechtlichen Vorschriften, insbesondere durch die EU, welche in das Recht der Mitgliedsstaaten überführt, in Vollzugsvorschriften ausgestaltet und schließlich in Genehmigungsverfahren in Form von Fachgutachten umgesetzt werden müssen. Als Beispiele seien hier die Industrieemissionsrichtlinie (wird zurzeit von der EU novelliert), die Wasserrahmenrichtlinie und ihre Tochterrichtlinien (werden zurzeit von der EU novelliert), die Abfallrahmenrichtlinie und die Deponierichtlinie, die REACH-Verordnung und die CLP-Verordnung genannt.“
„Bei der Arbeitssicherheit stiegen die Anforderungen in den letzten Jahren exorbitant. Zur Bearbeitung von Themen wie Altanlagenuntersuchung, Konzeptionieren von Ex-Schutzmaßnahmen, Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen und der notwendigen Gefahrstoffkataster, wird ein Fachwissen benötigt, was so im Markt nicht einfach vorhanden ist.“
„Bei der Verabschiedung der 42. BImSchV wurden Anforderungen und Fristen gesetzt, für die es noch keine Vorgaben zur Umsetzung gab und demzufolge auch keine Gutachter, die diese Anforderungen erfüllen konnten. In der gleichen VO wurde ein Hygienebeauftragter für diese Art der Anlagen gefordert; dazu gab es keine klaren Anforderungen zur Ausbildung. Es wurde schwierig, die gesetzten Fristen umzusetzen aufgrund der fehlenden Klarheit.“
• Eindeutige materiell rechtliche Vorgaben würden auch Klarheit bei den Anforderungen an ein Gutachten bedeuten.
„Hilfreich wäre die Verbesserung der Qualität von Vorschriften. Um vorhandene Gesetze/Verordnungen/Verwaltungsvorschriften zu verstehen und umzusetzen benötigt man aktuell den Gesetzestext, Verwaltungsvorschriften, Kommentierungen zu beiden Vorgaben und zusätzlich die Umsetzungshilfen der Bund/Länder-Arbeitsgruppen (z. B. zum Immissionsschutz oder zur Erstellung eines Ausgangszustandsberichts des Bodens (AZB)). Bei unterschiedlichen Auffassungen von Antragsteller und Behörde wird in einigen Fällen auch ein Rechtsbeistand zu Rate gezogen.“
Inhaltsverzeichnis
1. Teilen Sie die Einschätzung, dass es einen Mangel an Gutachtern gibt und dass dies Verfahren in
2. Hatten Sie in den letzten Jahren Probleme, geeignete Gutachter zu finden? 4
3. Wenn ja, welche Genehmigungsverfahren/ Rechtsbereiche betrifft dies insbesondere? 5
4. Welche materiellrechtlichen Verpflichtungen zur Beibringung von Gutachten gibt es in den jeweiligen Planungs- und Genehmigungsverfahren? 5
5. Gibt es Verpflichtungen zum Beibringen von Gutachten, die aus Ihrer Sicht redundant sind, weil sich die abgefragten Informationen doppeln?....................................................................................... 7
6. Können Sie bei bestimmten Verfahren schon auf vorhandene Daten, z. B. aus alten Gutachten oder öffentlichen Daten zurückgreifen und „spart“ dies die Erstellung eines Gutachtens? 7
7. Gibt es in Ihrem Bereich bereits öffentliche Datenpools, auf die man zugreifen kann, die hilfreich für die Beantragung sind? 8
8. Was wären aus Ihrer Sicht geeignete Maßnahmen, um Abhilfe zu schaffen? 10
9. Würden Standards in Form von Verwaltungsvorschriften helfen, um die Inhalte der Gutachten klarer eingrenzen zu können? 13 10. Anmerkungen: 13
Antworten der BDI Mitgliedsunternehmen auf die Fragen des Bundeskanzleramts
1. Teilen Sie die Einschätzung, dass es einen Mangel an Gutachtern gibt und dass dies Verfahren in die Länge zieht?
Die überwiegende Anzahl der Unternehmen hat mit einem eindeutigen Ja geantwortet. Hauptursache sind der Fachkräftemangel und ein Übermaß an neuen materiellrechtlichen Vorgaben.
„Aufgrund der hohen Auslastung der Gutachter werden entsprechende Gutachten entweder zu spät und/oder mit minderer Qualität abgegeben, sodass es zu zusätzlichen Verzögerungen durch eine erforderliche Nachbearbeitung oder durch spätere Rückmeldungen der Behörden kommt.
„Die geschilderten Probleme werden sich in den nächsten Jahren weiter verschärfen, da sich gerade in diesem sehr fachspezifischen Gutachtermarkt der demographische Wandel bemerkbar macht und v. a. viele kleine Büros perspektivisch ohne gesicherte Nachfolge aus dem Markt ausscheiden.“
Wenige Unternehmen haben mit Nein geantwortet, insbesondere da gute regelmäßige Kontakte mit Gutachterbüro oder Rahmenverträge bestehen (insbesondere Unternehmen mit vielen Genehmigungen.)
„Die Zahl der Gutachten nimmt grundsätzlich immer weiter zu, viele Themen könnte man als Betreiber in Eigenverantwortung beantworten. Dies reicht den Behörden allerdings nicht mehr aus. Beispiel Schall: Durch eine überschlägige Rechnung zeigt man, dass die Immissionsgrenzwerte eingehalten werden, die Behörde fordert aber ein umfangreiches Schallgutachten. Man könnte auch die überschlägige Rechnung akzeptieren und nach dem Inbetriebnehmen einer Anlage eine Kontrollmessung fordern, das wäre deutlich unbürokratischer.“
2. Hatten Sie in den letzten Jahren Probleme, geeignete Gutachter zu finden?
Die überwiegende Anzahl der Unternehmen hat mit einem eindeutigen Ja geantwortet. Hier gab es jedoch ca. 1/3 Nein-Stimmen, die aber anmerken, dass es Gutachter gebe, diese aber so überlastet sind, dass die Zeit für die Erstellung von Gutachten aufgrund von erheblichen Wartezeiten viel zu lang ist.
„Verzögerungen bei der Bearbeitung gutachterlicher Fragestellungen und des Verfahrensablaufs ergeben sich insbesondere dadurch, dass auch auf Seiten der zuständigen Behörden keine entsprechenden Kapazitäten bestehen, um zu beraten, um in kurzer Zeit umfangreiche Unterlagen zu prüfen und um ein einheitliches fachliches Verständnis herbeizuführen.“
3. Wenn ja, welche Genehmigungsverfahren/ Rechtsbereiche betrifft dies insbesondere?
Hier ergibt sich kein einheitliches Bild, jedes Unternehmen hat andere Problembereiche, daher ist nur eine grobe Priorisierung möglich:
1. Betriebssicherheitsrecht
2. Artenschutz
3. Gewässerschutz
4. Energieeffizienz
5. Immissionsschutzrecht (insbes. Lärmschutz, Störfall)
6. Baurecht (insbes. Statik, BPlan Erstellung)
7. Bodenschutzrecht
8. Anlagenbezogener Gewässerschutz
9. Umweltverträglichkeitsprüfungen
10. Bergrechtliche Betriebsplanverfahren
11. Sonstiges Naturschutzrecht
„Je spezifischer das Thema (bspw. Erhebungen zu einer bestimmten Tierart, Begutachtung der Auswirkungen bestimmter Immissionen), desto erheblicher das Problem. Vor allem fehlen Fachleute, die die notwendige Kartierung von Biotoptypen und Arten durchführen. Entsprechende Kartierungen sind vorlaufend zur Erstellung der Fachgutachten (z. B. Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag) zwingend erforderlich.“
4. Welche materiellrechtlichen Verpflichtungen zur Beibringung von Gutachten gibt es in den jeweiligen Planungs- und Genehmigungsverfahren?
Die meisten Verpflichtungen für Gutachten ergeben sich nicht direkt in dem Sinne, dass ein Gesetz oder eine Verordnung die explizite Vorlage eines „Gutachtens“ im Wortsinn verlangt. Beispiel: Gutachten zum Landschaftsbild: In den 90er Jahren wurde das Landschaftsbild in Umweltverträglichkeitsprüfungen meist verbal-argumentativ (ca. 1-2 Seiten) bewertet, die Fachbehörden haben dies dann geprüft. Durch Zweifelsfälle/Grenzfälle (ab wie viel Metern Höhe beeinträchtigt eine WKA das Landschaftsbild, wenn das so ist, wie große muss dann der zu erbringende Ausgleich sein) wurde der Druck zu einer konkreteren „Regelung“ immer stärker. Dann erscheinen i.d.R. Fachartikel, die das Thema aufgreifen und Methodiken dazu vorschlagen. Dies verselbständigt sich dann immer mehr, Einzelfälle führen zur Anpassung der Methodik, ggf. werden auch Erlasse auf Landesebene erstellt, bis die Bewertung so detailliert ist, dass man ohne ein Fachgutachten kein Genehmigungsverfahren mehr übersteht. Konkrete Stellen in Gesetzen und Verordnungen, aus welcher sich die konkrete Forderung „Gutachten“ ergibt, sind daher selten.
Vorschlag für die 9. BImSchV: Einfügen als Satz 2 neu in § 4 Abs. 1 nach Satz 1: Die Vorlage von Sachverständigengutachen ist nur erforderlich, sofern dies durch Gesetze oder Verordnungen explizit vorgeschrieben ist.
Abfallrecht
1. Abfallrecht (insbesondere Deponie. Gutachten zur Basisabdichtung, zur Standsicherheit (Böschungsrutschungen), zu Deponiegasvorkommen etc.)
Umweltverträglichkeitsprüfung
2. UVP-Prüfung oder UVP-Vorprüfungen (insbes. Plangenehmigungs- und Planfeststellungsverfahren)
3. Landschaftsgutachten
4. Verkehrsgutachten
5. Analyse der Standortalternativen Immissionsschutzrecht
6. Lärmschutz (Lärmgrenzwerte Schallgutachten)
7. Luftreinhaltung (Luftschadstoffprognose - Emissions- und Immissionsgrenzwerte)
8. Schornsteinhöhengutachten
9. Immissionsprognose Geruch
10. Gutachten elektromagnetische Strahlung
11. Boden (Ausgangszustandsbericht, Schutzkonzepte)
12. Klimaschutzrechtlicher Fachbeitrag
13. Schattenwurf (für WKA)
14. Blendgutachten (z.B. Photovoltaik darf Autoverkehr nicht blenden)
15. Gutachten zur Prüfung des vorgelegten Sicherheitsberichtes (Störfallrecht)
16. Gutachten zur Berechnung des angemessenen Sicherheitsabstandes (Störfallrecht)
17. Gutachten zur Tröpfen- und Nebelbildung bei Einsatz eines Kühlturmes,
18. toxikologisches Gutachten
Arbeitsschutz / Anlagensicherheit
19. Betriebssicherheit (Gutachten der zugelassenen Überwachungsstellen ZÜS)
20. Brand- und Explosionsschutz an Anlagen
21. überwachungsbedürftige Anlagen (ÜAnla)
Wasserrecht
22. Anlagenbezogener Gewässerschutz (AwSV)
23. Hydrogeologische Fachgutachten
24. Modellierung von Schadstoff- oder Wärmeeinträgen in Fließgewässer
25. Grundwasserabsenkung Erläuterungsbericht
26. Wasserrechtliche Eignungsfeststellungen bzw. Gutachten zur Freistellung von Eignungsfeststellung
27. Wasserrechtlicher Fachbeitrag (mit zahlreichen Sonderbetrachtungen wie z.B. Nachweis der Durchgängigkeit des Gewässers, hydraulischen Gutachten, Sedimentation…)
28. Gewässerökologische Gutachten Oberflächenwasseruntersuchungen
Baurecht
29. Baurecht (Statik, Baugrund- und Gründungsverhältnisse)
30. Geotechnische Gutachten
31. Brandschutzgutachten
Naturschutz
32. Artenschutz Fachbeiträge (Für manche Artengruppen gibt es nur eine Handvoll Experten/Expertinnen)
33. Ausgleichs- und Eingriffsbilanzierung (Naturschutz Eingriffsregelung)
34. FFH-Verträglichkeitsstudien bzw. Verträglichkeitsabschätzungen
35. Bewertung Beleuchtungskonzept (Auswirkungen auf Insekten)
Sonstiges
36. Archäologie
37. Agrarstrukturgutachten
38. Denkmalschutzrechtlicher Fachbeitrag
39. energierechtliche Prüfungen (Abwärme, Energienachweise)
40. Fischereirecht
41. Luftverkehrsrechtliche Einschätzungen
42. REACH (Gutachten bei Registrierung – Kapitel 15 EliA)
5. Gibt es Verpflichtungen zum Beibringen von Gutachten, die aus Ihrer Sicht redundant sind, weil sich die abgefragten Informationen doppeln?
Es gibt Verpflichtungen, die sich doppeln, diese sind aber nicht wirklich maßgeblich für zu lange genehmigungsverfahren.
Eine Doppelung gibt es meist, wenn auf unterschiedlichen Planungsebenen Verfahren notwendig sind. Sofern z. B. ein Raumordnungsverfahren durchlaufen werden muss, erfolgen auf Basis der dortigen Planungstiefe bereits gutachterliche Untersuchungen, die für die Planfeststellung vertieft werden müssen. FFH-Verträglichkeitsprüfung und Raumverträglichkeitsprüfung: Durchführung der Alternativenprüfung bei der FFH-Verträglichkeitsprüfung regelmäßig überflüssig, da die Alternativenprüfung bereits auf Ebene der Regionalplanung durchgeführt wurde. Ein Verzicht auf Raumordnungsverfahren würde eine Beschleunigung erreichen.
Bei Verfahren, in denen eine UVP durchzuführen ist, sind Dopplungen in den Unterlagen gegeben, wie z. B. der Artenschutz und die Eingriffsregelung, welche dann Bestandteil des UVP-Berichtes sind, aber auch separat über die Gutachten Artenschutzfachbeitrag und Landschaftspflegerischer Begleitplan abgearbeitet werden müssen.
Eintrag umwelt-/wassergefährdender Stoffe sind nach Störfallrecht, Explosionsschutz, AZB (BImSchG-Recht) und AwSV (Verordnung wassergefährdende Stoffe) gutachterlich zu bewerten. Gutachten nach TRGS für entzündliche und toxische Stoffe überlappen sich teilweise mit Brandschutzkonzepten und Gutachten nach Störfallrecht.
6. Können Sie bei bestimmten Verfahren schon auf vorhandene Daten, z. B. aus alten Gutachten oder öffentlichen Daten zurückgreifen und „spart“ dies die Erstellung eines Gutachtens?
Weder der Rückgriff auf alte Gutachten noch das Zurückgreifen auf alte Daten spart die Erstellung von Gutachten oder führt zu einer Beschleunigung.
Rückgriff auf alte Gutachten:
Es ist Erfahrung der meisten Unternehmen, dass eine neue Gutachtenerstellung für jedes einzelne Genehmigungsverfahren notwendig ist. Die vorhandenen Daten aus alten Gutachten können lediglich die Erfassung der Datengrundlagen unterstützen. Alte Gutachten sind aber selten verwendbar, weil entweder neue projektabhängige Auswirkungen z.B. Emissionen hinzukommen, Bewertungsgrundlagen sich geändert haben oder sich die Vorbelastung/Situation vor Ort geändert hat. Grundsätzlich ist eine Gutachtenerstellung für das spezifische individuelle Vorhaben für die Antragsstellung erforderlich.
Teilweise kann auf erstellte Gutachten zurückgegriffen werden, aber
▪ das hängt stark vom Ermessensspielraum der Genehmigungsbehörde ab,
▪ diese Praxis wird von den Behörden in den letzten Jahren mehr und mehr in Frage gestellt,
▪ es bedarf dafür einer Plausibilitätsprüfung, ob der Gutachtenstand weiter aktuell ist, so dass die Arbeitserleichterung gering bleibt
▪ es sind Urheberrechte zu berücksichtigen, die eine Weiternutzung der Daten erschweren oder nicht ermöglichen.
▪ es ist bereits nicht einheitlich geregelt, wie lang die Aussagen aus einem Gutachten überhaupt haltbar sind. Hierzu gibt es keine gesetzliche Regelung, die Rechtsprechung geht von ca. 5 Jahren aus.
Öffentliche Daten
Der Zugriff auf öffentliche Daten ist allenfalls partiell möglich, sie dienen aber nur der Erstellung von eigenen Gutachten, ersetzen diese aber nicht. Die öffentlichen Daten decken zumeist nicht alle materiell-rechtlich erforderlichen Prüfungen ab und sind zudem selten aktuell. Der Rückgriff auf öffentliche Daten ist in einzelnen Bereichen möglich, wie Hydrogeologie als Ergänzung betrieblicher Daten, Bewertung der natürlichen Bodenfunktionen und bei Immissionsprognose könnte auf Daten des Messstellennetzes der Landesumweltämter zurückgegriffen werden (u. a. Staub, NOX, Metalle, PAK),
„Eine breitere Datenbasis verbessert im besten Fall die Begutachtung, macht aber nicht weniger, sondern mehr Arbeit, weil die Daten ja – so die berechtigte Erwartungshaltung der Fach- und Genehmigungsbehörden − zusammengetragen, bewertet und zusammengeführt werden müssen. Im Bereich der Geowissenschaften, deren Forschungsobjekt einer lückenlosen Erforschung naturbedingt entzogen ist, liegt die Aufgabe darin, möglichst viele (bestenfalls alle verfügbaren) Informationen zusammenzutragen, zu einem widerspruchsfreien Gesamtbild der Gegebenheiten zusammenzuführen und Kenntnislücken schlüssig zu vervollständigen. Da sich die Gegebenheiten mit zunehmender Datenbasis erfahrungsgemäß eher als komplexer denn einfacher erweisen, führt eine breitere Datenbasis in der Regel zwar zu einer Verbesserung des Modells, aber eben weder zu einer Ersparnis von Arbeit noch zu einer Verkürzung der Bearbeitungsdauer, sondern eher zu deren Verlängerung.“
7. Gibt es in Ihrem Bereich bereits öffentliche Datenpools, auf die man zugreifen kann, die hilfreich für die Beantragung sind?
Es existieren Datenpools, diese sind jedoch mangels Detailtiefe und mangelnder Aktualität selten hilfreich.
Beispiele für Datenpools:
Hier wurden insbesondere die Landesumweltämter und die Landesämter für Geologie, Rohstoffe und Bergbau genannt: Diese stellen Daten öffentlich abrufbar zur Verfügung. Allerdings sind die Daten teils nicht in der erforderlichen Untersuchungstiefe bzw. nicht flächendeckend öffentlich verfügbar.
Beispiele:
▪ Bodenbewegungsdienst Deutschland
▪ staatlich ausgewiesene Landschafts- und Wasserschutzgebiete oder aber Anlagen der Trinkwassergewinnung und die Ergebnisse der Grundwasserüberwachung (Konzentrationsentwicklungen, Grundwasserneubildung)
▪ Luftmessstellen des Landesumweltamtes LANUV, NRW
▪ Geologischer Dienst NRW: Ergebnisse über Bodengutachten bzw. von Bohrungen
▪ Biodiversiätsdatenbanken, welche über die Verbände bereitgestellt/zugänglich gemacht werden.
▪ In NRW gibt es Datenbanken für die Fachbereiche Abwasser, Oberflächengewässer und Trinkwasser (ELWAS-Web): Daten für die Betrachtung Wasserrahmenrichtlinie
▪ Biotopkataster von Naturschutzbehörden
Probleme im Hinblick auf deren Nutzung:
▪ Daten sind bei den Landkreisen oder höheren Fachbehörden (z. B. Denkmalbehörde) vorhanden, aber nicht öffentlich bereitgestellt.
▪ Insbesondere fehlt es an einer Gewähr der Richtigkeit der Informationen oder an einer entsprechenden gesetzlichen Fiktion.
▪ Datenpools sind zwar zum Teil vorhanden, die Daten (z. B. zur Ausweisung von Naturschutzgebieten) sind aber in unterschiedlichen Datenbanken abgelegt (unterschiedliche Datenbanken für Stadt/Land).
▪ Daten sind zunehmend veraltet und enthalten keine (privaten) Daten von z. B. Genehmigungsverfahren in der Umgebung.
▪ Datenreihen sind nicht für ausreichend lange Betrachtungszeiträume vorhanden.
Folgende Maßnahmen sollten im Hinblick auf die Informationsbereitstellung umgesetzt werden:
▪ Stärkung der Akzeptanz für Kartierdaten, die älter als fünf Jahre sind (bspw. durch Stichtagsregelungen).
▪ Stärkere Bereitstellung von länderübergreifend verfügbaren, aktuellen Daten durch die Genehmigungsbehörden sowie die zuständigen Stellen bei Bund, Ländern und Gemeinden und Erhaltung der Aktualität der Datengrundlage durch die Länder (Bundesweites Informationsportal).
▪ Zusammentragung und aufbereitete Darstellung der relevanten Umweltinformationen aus jedem genehmigten Vorhaben, z. B. Aufbau und Zurverfügungstellung einer faunistischen Datenbank mit obligatorischem Dateneintrag durch die oberen Naturschutzbehörden/untere Naturschutzbehörden aus allen abgeschlossenen Zulassungsverfahren mit relevanter Datenerhebung.
▪ Daten sollten einheitlich erhoben und barrierefrei bereitgestellt werden, um den Zugang für Vorhabenträger zu erleichtern (öffentlich frei zugänglich).
▪ Ferner wäre zu überlegen, ob nicht − vergleichbar der Handhabe in den Niederlanden − eine Korridorbildung für die wesentlichen Infrastrukturachsen Deutschlands erfolgt, für die dann eine Gesamtkartierung nebst Nachkartierungen in erforderlichen Zeitabständen erfolgt, auf die die Vorhabenträger dann gegen Entgelt unmittelbar zugreifen können. Klar geregelte Inhaltbestimmungen für Gutachten und Betrachtungsräume über Leitfäden, Normen, DIN-Vorschriften etc.
▪ Forschungsprojekte des UBA zu übergreifenden gutachterlichen Fragestellungen (ehemals Umweltforschungsplan) ausweiten
8. Was wären aus Ihrer Sicht geeignete Maßnahmen, um Abhilfe zu schaffen?
Zu dieser Frage haben sich die Unternehmen die Frustration über die Länge und Komplexität von Genehmigungsverfahren von der Seele geschrieben, daher möchte ich hier eine Auswahl an Originalaussagen sprechen lassen. Das Beispiel aus Niedersachsen (Anlage) zeigt, dass die Beantwortung dieser Frage meist ein Drittel der Gesamteingabe ausgemacht hat. Die drei wesentlichen Forderungen hat der BDI am Anfang zusammengefasst.
▪ Klare Fristenregelung für Verfahrensabläufe: Es wäre schon geholfen, wenn die verfahrensführende Behörde die Fristen im Verfahren einhalten würde und sich nicht in endlosen Fristverlängerungen verliert.
▪ Klare Definition der Untersuchungstiefe auf das erforderliche Maß, keine Grundlagenforschung durch den Vorhabenträger für den betroffenen Fachbelang (z. B. im Sinne der Untersuchung für die Abgrenzung eines Wasserschutzgebietes).
▪ Die Anforderungen der Genehmigungsbehörde im Genehmigungsverfahren senken und vereinfachen. Dass sich Verfahren in die Länge ziehen, liegt sicherlich nicht an der Antragstellerin oder den Gutachtern, sondern an den hohen Anforderungen der Informationsbeibringung und -darlegung im Verfahren. Hier versuchen sich die Behörden immer mehr bis ins letzte Detail abzusichern, um weniger Verantwortung und Pflichten bei sich zu lassen. Das spiegelt sich dann in einem, in oft unverhältnismäßig hohem Detailgrad stehenden, Antragsverfahren wider.
▪ Es sollten auch formale Vorgaben erstellt werden, die zu einer Verschlankung der erforderlichen Gutachten führen. Neben inhaltlich formalen Vorgaben kann dies erreicht werden durch die Bereitstellung von z. B. Vordrucken/Formblättern zum Ausfüllen, statt Vorgaben zur Erstellung langer Texte.
▪ Digitale Antrags- und Genehmigungsverfahren weiter ausbauen und Prozesse/Portale für Austausch von Gutachten mit Behörden (uNB, hNB, WWA, LRA, EBA) vereinheitlichen.
▪ Bessere personelle Ausstattung der Behörden zur Beschleunigung von Verfahren. Vorhaltung eigenem Fachpersonal bei Behörden, um den Aufwand für externe Gutachter zu reduzieren. Erreichbarkeit der Ansprechpartner bei den Behörden verbessern. Bewerbung des Berufsbildes für Fachgutachter im Umweltbereich über einschlägige Medien, Anpassung der universitären Lehre an den Bedarf – d. h. z.B. Studienschwerpunkte auf Schulung von Artenkenntnissen abstellen
▪ Änderungen des Verwaltungsverfahrensrechts, die die behördliche (Nach)Forderung von Gutachten nur gestattet, wenn über eine abwägungserhebliche Tatsache qualifiziert gestritten wird. Der Maßstab könnte sich an § 146 Abs. 4 S. 3 VwGO orientieren. Danach wäre die Forderung nach Gutachten einzuschränken, wenn die Darlegungen des Vorhabenträgers nicht qualifiziert unter Auseinandersetzung mit den beigebrachten Unterlagen bestritten werden.
▪ Klare verbindliche Vorgaben seitens der Behörden, was sachlich und fachlich, vor allem in welcher Form und in welchem Umfang die Unterlagen benötigt werden. Hierzu sollte vor immer eine Verhältnismäßigkeit der Vorgaben geprüft werden. Der Gedanke muss wieder mehr weg von Maximalforderungen zu:
- Ist diese Information wirklich erforderlich?
- Ist hier das mildeste Mittel gewählt worden? (so wenig wie möglich und so viel nötig)
- Gerade mit Blick auf die besonderen Umweltschutzanforderungen sind nicht ausschließlich festgelegte Grenzwerte für die Schutzgüter am sinnvollsten.
▪ Einzelfallprüfungen für Ausnahmen sollten einfacher möglich sein, außerdem muss die Technologieoffenheit berücksichtigt werden. Es wäre hilfreich, Maßnahmen zusammen zu fassen, Querverweise und Rechtsvermerk-Updates zu haben und diese zu digitalisieren.
▪ Die Schaffung klarer fachlicher Vorgaben in allen Umweltbereichen würde die Erstellung von Gutachten wesentlich erleichtern und damit auch erheblich beschleunigen. Oft hat der Gesetzgeber zwar in Umweltgesetzen Verordnungsermächtigungen zum Erlass
konkretisierender Verordnungen erlassen, von denen aber auch nach Jahrzehnten kein Gebrauch gemacht wurde (z.B. § 48 Abs. 1 Satz 2 WHG).
▪ Generell fehlen in vielen Bereichen Grenzwerte, Ermittlungs-, Berechnungs- und Bewertungsmethoden, sodass viel Unsicherheit bei den Gutachtern und den Behörden besteht, die versuchen müssen, unbestimmte Rechtsbegriffe auszulegen und anzuwenden. Dies macht die Gutachtenerstellung aufwendiger.
▪ Es werden grundsätzliche Fragenstellungen, die eigentlich v.a. durch Grundlagenforschung zu klären werden, in die Genehmigungsverfahren verschoben, was diese dann gleich in zweifacher Hinsicht verzögert: Nicht nur ist die Fragestellung an sich zeitintensiv zu klären, sondern diese Klärung ist vielfach dann auch Gegenstand von Einwendungen und ggf. verwaltungsgerichtlicher Verfahren, die dann das Projekt weiter verzögern.
▪ Ausweitung der Irrelevanzkriterien (~TA-Luft), dass mit vereinfachten Nachweisen eine Irrelevanz nachgewiesen wird und damit eine eingehende gutachterliche Betrachtung vermieden werden kann. Aber auch hierfür werden i.d.R. Gutachter benötigt
▪ Konsequente Einführung von Mindestschwellenbetrachtungen, großzügigen Bagatellschwellen (analog Leistungswerten UVP-Recht), einfachere Ausnahmebestimmungen für Absolutverbote (wie Verschlechterungsverbot WRRL)
▪ Das Verbandsklagerecht sollte wieder auf ein realistisches Maß zurückgefahren werden, denn häufig dienen Gutachten vor allem dem Zweck, ein Vorhaben gegen solche Angriffe abzusichern.
▪ Zeitpunkt der Umweltkompensation verschieben auf Inbetriebnahme, im Vorfeld Sicherheitsleistung hinterlegen zur finanziellen Absicherung
▪ Vereinfachung oder Verkürzung von Genehmigungsverfahren für bei nahezu identischen Anlagen im Betrieb, die ohnehin Stand der Technik sind und bereits vielfach in gleicher Form im Bundesgebiet errichtet wurden.
▪ Eine vollständig digitale Unterlageneinreichung und Bearbeitung ermöglichen.
▪ Für die Erstellung von Anträgen nach BImSchG wären ein gleicher Formularsatz in allen Bundesländern hilfreich und zeitsparend. Wenn ELIA verwendet werden soll, müsste die Datenübernahme ähnlich Elster ermöglicht werden.
▪ Präklusionsregelungen für nicht rechtzeitig eingebrachte Belange der Behörden.
▪ Bürokratieabbau und gleichzeitig Rolle der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Genehmigungs- und Fachbehörden stärken (z. B. auch den Mut zur Entscheidung stärken).
▪ Proaktive Bereitstellung vorhandener relevanter Daten durch die Behörden gegenüber Vorhabenträger zur Vorantragskonferenz.
▪ Klarstellung zur Anforderung an die Datenqualität. Aufbereitung der öffentlichen Daten durch Behörden, so dass diese für Verfahren anerkannt werden. Schaffen weiterer Datenpools, die explizit von Behörden für Genehmigungsverfahren verwendet werden sollen.
▪ Genehmigungsbehörden sollten die rechtlich zulässigen Ermessensspielräume ausschöpfen
▪ Fachliche Kompetenz bei den Behörden und Vertrauen in die Behörden durch Politik und Vorgesetzte (Rücken stärken, Verantwortung an die Behördenvertreter übergeben, Fehlertoleranz statt „cancel culture“ für vermeintliches Fehlverhalten)
▪ Behördenvertreter müssen bereit und qualifiziert sein, Verantwortung für eigene Entscheidungen zu übernehmen, ohne alle Sachverhalte durch Gutachter prüfen zu lassen. Die Stellungnahmen von betrieblichen Sicherheits- oder Umwelt-Experten (insb. der Betriebsbeauftragten) sollten mehr Gewicht bekommen, schließlich kennen diese die Anlagen besser als jeder Gutachter.
▪ Oft sind Sachverhalte gutachterlich abzuprüfen, die mit ausreichender Fachkunde und „gesundem Menschenverstand“ auch durch Fachpersonal des Antragstellers erläutert werden können. Hinderlich ist dann; insbesondere bei komplexen Verfahren; der behördliche Wunsch nach „Gerichtsfestigkeit“, der die Einholung von bestimmten Gutachten erforderlich macht. Hilfreich könnte es daher sein, in Fachgesetzen wie z. B. unter § 29a bzw. § 29b BImSchG zu regeln, unter welchen Voraussetzungen Gutachten des Fachpersonals von Antragstellern externen Gutachten gleichwertig anzusehen sind. Auch könnte es sich anbieten, dem Antragsteller zu gestatten, auf Erfahrungswerte des eigenen Personals oder Fachgutachten aus anderen Verfahren zurückzugreifen.
▪ Hilfreich wäre es, wenn man zumindest vorab schon wüsste oder in Erfahrung bringen kann, welche Gutachter bei etwaigen Verfahren zwingend benötigt werden. Ggf. auf Basis einer zentralen „Beratungsstelle“ oder einer Webplattform. Da es oftmals von der Behörde abhängt, welche Gutachten benötigt werden, ist hier eine „freiere“ Hand bei gleichzeitiger Fachkompetenz hilfreich (Eigenverantwortung, Fingerspitzengefühl des jeweiligen Fachbereichs für eine eigenständige Entscheidungsfindung). Wenn dies in Verwaltungsvorschriften Anwendung finden kann bzw. es einen Leitfaden gibt, dann kann dies helfen.
▪ Liste mit Gutachtern, nach Themenbereichen sortiert.
▪ Man könnte vieles vereinfachen, wenn Gutachten aus Vergleichsanlagen genutzt werden könnten. Wir haben in Deutschland ein „Personenbezogenes Genehmigungsrecht“. In jeder Behörde werden Vorgaben anders ausgelegt und individuell bewertet. Es sollten gleiche Standards gelten. Zum Beispiel bei der Gaseinspeisung von Biogas hat jeder Netzbetreiber eigene Vorgaben. Dies führt zu erheblichen Verzögerungen, da sich die Antragsteller und auch die ausführenden Firmen bei Anträgen und Planungen in allen Details anpassen müssen. Es gibt eine Bundesnetzagentur und einheitliche Sicherheitsvorgaben in Deutschland. Insofern sollte man auch Anlagen, die in X genehmigt und gebaut wurden in Y ebenfalls ausführen dürfen.
▪ Es sollte überlegt werden, einzelne Gutachten durch die Betriebe selbst oder durch die Umweltbeauftragten des Unternehmens erstellen zu lassen, z.B. Störfall- oder Immissionsschutzbeauftragte. Betreiberverantwortung und Glaubwürdigkeit sollte mehr Gewicht bekommen. Stellungnahmen von Umweltexperten der Unternehmen sollten anerkannt werden, diese kennen die Anlagen am besten. Die Behörden sollten Fachexpertise aufbauen, um bestimmte Prüfungen selbst vornehmen zu können.
▪ Ferner sollten gesetzliche und behördliche Spielräume genutzt werden, um den Umfang der beizubringenden Gutachten auf ein verhältnismäßiges Maß zu begrenzen. Hierzu sind einerseits die europarechtlichen Vorgaben bei der Umsetzung ins nationale Recht nicht zu überspannen, nationale Spielräume zu nutzen und möglichst eindeutige Vorgaben aufzustellen, so dass den Behörden und Vorhabenträgern Art und Umfang der beizubringenden Gutachten, zum Beispiel im Hinblick auf die erforderlichen Alternativenprüfungen bei Planfeststellungsverfahren und dortigen Abschichtungsmöglichkeiten, möglichst gerichtsfest geregelt ist.
▪ Es fehlt eine Möglichkeit einer unternehmensseitig unkomplizierten temporären Mengenüberschreitung (z.B. bei klimatisch wetterbedingten Ausnahmesituationen, Hitze, Hochwasser, Kühlanlagenausfall im Einzelhandel oder in medizinischen Einrichtungen) ohne dass wieder Gutachten dazu vorgelegt werden müssen. Eine Anzeige seitens des Unternehmers zu dieser kurzfristigen Überschreitung wäre dringend verordnungsseitig erforderlich.
▪ Es sind nach unserer Sicht materiellrechtliche Erleichterungen wünschenswert, womit vor allem europarechtliche Vorgaben entschärft werden müssten. Dies könnte im nationalen Recht beispielsweise dadurch geschehen, Richtlinien nicht überschießend umzusetzen, sondern dort enthaltene Spielräume zu Gunsten der Verwaltungsvereinfachung zu nutzen.
Beispiele:
- Artenschutzrechtliche Prüfungen verlangen einen individuenbezogenen Ansatz mit entsprechend hohen Ermittlungs- und Bewertungsschritten. Hier würde ein populationsbezogener Ansatz völlig ausreichen.
- Vielfach sind naturschutzfachliche Fragestellungen wissenschaftlich nicht so geklärt, dass ohne weiteres eine ausreichende materiell-rechtliche Prüfung erfolgen kann. Daher sind Gutachter gezwungen, aufwändige eigene Betrachtungen vorzunehmen und müssen zudem vielfach mit worst-case-Betrachtungen versuchen, wissenschaftliche Erkenntnisdefizite zu überbrücken. Das treibt den Prüfungsaufwand und auch Maßnahmenerfordernisse in die Höhe. Und dennoch bleibt erhebliches Streitpotenzial, da es um Fragen geht, die fachlich unterschiedlich beantwortet werden können.
9. Würden Standards in Form von Verwaltungsvorschriften helfen, um die Inhalte der Gutachten klarer eingrenzen zu können?
Hier geht die Meinung der Industrie stark auseinander, zusammenfassend lässt sich aber sagen: Standards helfen, wenn diese nicht gleichzeitig zu einer weiteren Bürokratisierung führen und die Industrie an der Erarbeitung beteiligt wird. Insbesondere Unternehmen, die naturschutzfachliche Gutachten benötigen (z. B. Verkehr, Abbau) halten Standards für zielführend.
Für bestimmte Fachthemen sind bundeslandübergreifend methodische Vorgabenstandards sinnvoll, um einheitliche Untersuchungen/Unterlagen zu gewährleisten und um Planungssicherheit zu erhalten. TA Luft und TA Lärm, welche durch den Bundestag legitimiert sind, sind hier Vorbilder. Dabei darf es jedoch nicht zu einer Überregulierung dergestalt kommen, dass über die Verwaltungsvorschriften noch zusätzliche Vorgaben zu beachten sind und zusätzliche Komplexität entsteht.
Es kommt jedoch stark darauf an, wer diese Standards erarbeitet. Normenkonkretisierende Verwaltungsvorschriften stellen ein geeignetes Mittel zur Herstellung von Rechtssicherheit dar, wenn die Praktikabilität für die Behörden und Vorhabenträger im Mittelpunkt steht.
10. Anmerkungen
Exemplarisch für viele Aussagen:
„Wir teilen die Ansicht, dass derzeitige Planungs- und Genehmigungsverfahren (mit und ohne öffentliche Beteiligung) durch eine zunehmende Bürokratie und Auflagenflut sowie neue Gesetzgebungen in den vergangenen 2 Jahren deutlich in die Länge gezogen werden. Das Problem liegt nicht an der Verfügbarkeit geeigneter Gutachter oder der Nutzung vorhandener Gutachten, sondern an der zunehmenden Komplexität und Menge an beizubringenden Formularen. Wir sehen das Problem darin, dass sowohl die Unternehmen als auch die Behördenseite nicht mehr die Anzahl von Mitarbeitern zur Verfügung hat, um die Flut der notwendig beizubringenden Unterlagen (Antragsformulare, Beschreibungen, etc.) zu erstellen (Unternehmensseite) und diese dann auch zeitnah zu begutachten (auf Behördenseite). … Die hohe Komplexität von Verfahren und ein stattgefundener Generationswechsel mit einer einhergehenden Verschiebung von Zuständigkeiten (von Amt zu Amt) führt derzeit unweigerlich zu längeren Verfahrenszeiten. Das Problem liegt nicht auf der Gutachterseite, sondern auf den zunehmenden Anforderungen und Randbedingungen von Verfahren (Formularflut und Klagemöglichkeiten durch Dritte). Ich bitte Sie dies in die Diskussionen mit dem Bundeskanzleramt mit einzubringen.“
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