Mehr Tempo für wasserrechtliche Gestattungen
Änderungsgenehmigung, Anzeige und Verfahrensfristen
23.07.2024
Einleitung
Nur mit den Produkten, Innovationen und dem technischen Fortschritt der deutschen Industrie kann die Klimawende gelingen. Investitionen in hundertfacher Milliardenhöhe müssen eingesetzt und verbaut werden. Branchen wie die Stahl-, Chemie- sowie Zementindustrie und Energieerzeugung benötigen umfangreiche Umbaumaßnahmen, etwa für die Erzeugung von Wasserstoff sowie den Einsatz von Gas und Elektrizität als alternative Energieträger. Deren (Stahl, Zement, Kunststoffe und chemische Basisprodukte) Produkte sind unerlässlich für die Klimaneutralität aller Bereiche beispielsweise für den Bau von Windrädern oder Photovoltaikanlagen.
Jede Produktionsumstellung und jede Erneuerung der Infrastruktur benötigten jedoch eine Genehmigung. Häufig ist eine Produktionsumstellung auch mit (ggf. nur leicht) veränderten Entnahme- und/oder Einleitbedingungen von Wasser verbunden. Die dafür erforderlichen Verfahren müssen schneller laufen. Hier hat die Bundesregierung einen blinden Fleck; Industrie und Verkehr stehen bisher auf der Prioritätenliste nicht ganz oben. Auch das Wasserrecht benötigt Regelungen für die Beschleunigung von Verfahren in Form von Anzeigen, Änderungsgenehmigungen und Verfahrensfristen. Der Entfall von Genehmigungsverfahren bei unwesentlichen Änderungen bewirkt eine deutliche Verringerung behördlichen Aufwandes sowie eine Verringerung des Aufwandes für die Anlagenbetreiber. Gleiches gilt, wenn anstatt eines zwingenden Genehmigungsverfahrens eine Anzeigepflicht für Vorhaben besteht.
Forderung des BDI: Verfahrensfristen und Änderungsgenehmigung im Wasserrecht
1. Verfahrensfristen einführen
Bei wasserrechtlichen Erlaubnissen fehlen verbindlich einzuhaltende Fristen für die Bearbeitung und Bescheidung von Erlaubnisanträgen für „wesentliche“ Änderungen. Im WHG sollte analog zu § 7 der 9. BImSchV oder § 15 Abs. 2 BImSchG für „wesentliche“ Erlaubnisanträge eine Frist von einem Monat für die Vollständigkeitsprüfung eingeführt werden. Anschließend sollte analog zu § 10 Abs. 6a BImSchG über Erlaubnisanträge zu wesentlichen Änderungen innerhalb einer Frist von sieben Monaten, zu unwesentlichen innerhalb einer Frist von drei Monaten, wahlweise bei einfachen Anzeigen, bei denen keine nachteiligen Änderungen auf ein Gewässer hervorgerufen werden können, innerhalb eines Monats entschieden werden. Die zuständige Behörde kann die Frist um jeweils drei Monate verlängern, wenn dies wegen der Schwierigkeit der Prüfung oder aus Gründen, die dem Antragsteller zuzurechnen sind, erforderlich ist. Grundlage der Genehmigungsentscheidung sollte die zum Zeitpunkt der Erklärung der Vollständigkeit geltende Rechtslage sein.
2. § 8 Abs. 1 WHG ergänzen um Anzeige oder Änderungsgenehmigung
▪ In Anlehnung an § 46 WHG könnte in § 8 Abs. 1 folgender Satz 2 angefügt werden:
Satz 2 Keiner Erlaubnis oder Bewilligung bedarf das Entnehmen, Zutagefördern, Zutageleiten oder Ableiten von Wasser soweit keine signifikanten nachteiligen Auswirkungen auf den Wasserhaushalt zu besorgen sind. Die Wassernutzung ist der Behörde anzuzeigen.
▪ In Anlehnung an § 16 BImSchG könnte § 8 folgender Abs. 1a angefügt werden:
(1) Die Benutzung eines Gewässers bedarf der Erlaubnis oder der Bewilligung soweit nicht durch dieses Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes erlassener Vorschriften etwas anderes bestimmt ist.
(1a) Die Änderung einschließlich der Verlängerung einer erlaubnis- oder bewilligungsbedürftigen Benutzung bedarf der Änderungserlaubnis oder -bewilligung, wenn durch die Änderung nachteilige Auswirkungen auf das Gewässer hervorgerufen werden können und diese für die Prüfung nach § 12 Absatz 1 Nummer 1 erheblich sein können (wesentliche Änderung). Unwesentliche Änderungen sind der zuständigen Behörde mindestens einen Monat, bevor mit der Änderung begonnen werden soll, schriftlich oder elektronisch anzuzeigen. Der Anzeige sind Unterlagen beizufügen, soweit diese für die Prüfung erforderlich sein können, ob die Änderung erlaubnis- oder bewilligungsbedürftig ist. Die zuständige Behörde hat unverzüglich, spätestens innerhalb eines Monats nach Eingang der Anzeige und der erforderlichen Unterlagen, zu prüfen, ob die Änderung einer Erlaubnis oder Bewilligung bedarf.
Begründung
Zu 1. Verfahrensfristen einführen
In zahlreichen Planungs- und Genehmigungsverfahren der Industrie, im Bereich des EE-Ausbaus und im Infrastrukturbereich spielt die Benutzung von Gewässern eine herausragende Rolle und damit sind auch die wasserrechtlichen Verfahren von großer Bedeutung, um die Genehmigung zu erlangen. Bezogen auf wasserrechtliche Verfahren ist es erforderlich, dass analog zum Bau- oder Immissionsschutzrecht zeitliche Fristen für die Prüfung, Bearbeitung und Antragsbescheidung eingeführt werden.
Zu 2. § 8 WHG ergänzen um Anzeige und Änderungsgenehmigung
Der Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für Geothermieanlagen, Wärmepumpen und Wärmespeichern sieht vor, die Erschließung des energetischen Potentials der Geothermie sowie den Ausbau von Wärmepumpen zu beschleunigen. Aus der Begründung: „Im Bereich der Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung sollen zu diesem Zweck Verfahrensdauern halbiert werden. Dies erfordert insgesamt effektive, kohärente und transparente Rahmenbedingungen, die die direkten Förderinstrumente optimal ergänzen. Hierbei nimmt die Vereinfachung und die daraus folgende Beschleunigung von Genehmigungsverfahren insbesondere im wasser- und bergrechtlichen Genehmigungsverfahren eine zentrale Rolle ein.“ Zu Beschleunigung der wasserrechtlichen Gestattung von Großwärmepumpen wird mit Absatz 8 ein Anzeigeverfahren bei der Wasserbehörde eingeführt. Für den Fall, dass sich die Wasserbehörde nicht innerhalb eines Monats auf die Anzeige zurückmeldet, wird die wasserrechtliche Gestattung fingiert beziehungsweise das Vorhaben als erlaubnisfrei gelten. Diese Regelung sollte für weitere Anlagen und deren wasserrechtlichen Gestattungen ausgeweitet werden.
Die wasserrechtliche Erlaubnis/Bewilligung ist nicht von der Konzentrationswirkung nach § 13 BImSchG erfasst, so dass Unternehmen neben der BImSchG-Genehmigung eine wasserrechtliche Erlaubnis/Bewilligung beantragen müssen.
Anders als im BImSchG oder anderen Fachzulassungen wurde im WHG bislang auf verfahrensoptimierte Regelungen wie ein Anzeige-, Änderungs- und ggf. vereinfachtes Verfahren verzichtet, weil das Wasserrecht von den Bundesländern teils bereits im 19. Jahrhundert in Landeswassergesetzen geregelt wurde. Das WHG ist 1960 in Kraft getreten. Das BImSchG hingegen erst 1974.
Die wasserrechtlichen Erlaubnisse waren in der Behördenpraxis ursprünglich sehr langfristig angelegt, bis zu 30 Jahre. Zudem waren die wasserrechtlichen Benutzungen hinsichtlich des Umfanges und der Zweckbestimmung regelmäßig offener formuliert. Daher bedurfte es seltener Änderungsgenehmigungen. Heute weisen wasserrechtliche Erlaubnisse hingegen regelmäßig deutlich kürzere Befristungen auf, 10 Jahre und kürzer sind keine Seltenheit. Zudem sind sie auf entsprechende spezifische Benutzungen hinsichtlich des Umfanges und der Zweckbestimmung konkret tenoriert. Änderungen – unabhängig von Wesentlichkeit der Veränderung etwa hinsichtlich Mengen oder Zweckbestimmung – erfordern aus Sicht der Behörden dementsprechend häufig ein vollständiges neues Erlaubnisverfahren
Teilweise wird die Notwendigkeit von Vollverfahren damit begründet, dass der Behörde im WHG ein Bewirtschaftungsermessen zukommt und der erforderliche vorsorgende Gewässerschutz dementsprechend eine Neuprüfung auch bei einer nur veränderten Benutzung erforderlich macht. Letzteres halten wir allerdings nicht für zwingend, da die Behörde auch bei einem Anzeige- und/oder (vereinfachten) Änderungsverfahren die (Un-)Wesentlichkeit einer Änderung für das Gewässer prüfen und die Erforderlichkeit eines Erlaubnisverfahrens vorgeben kann/muss. Zudem hat die Behörde im Wasserrecht (im Gegensatz beispielsweise zum BImSchG) sehr weitgehende Möglichkeiten nachträglicher Anordnungen, mit der sie jederzeit nachsteuern kann.
Fallgruppen und Beispiele für unwesentliche Änderungen
▪ Die wasserrechtliche Entnahme aus einem Fließgewässer ist für eine Anlage der Papierproduktion (zur Papierherstellung) genehmigt. Es wird nun eine Nebenanlage oder eine benachbarte kleinere „andere“ Anlage (z. B. ein Heizwerk zur Dampfversorgung) neu geplant. Diese benötigt Wasser, beispielsweise zur Verdunstungskühlung (ohne Wiedereinleitung). Die erteilte Erlaubnis ist sowohl auf den Anlagentyp (Papierproduktion) als auch auf den Verwendungszweck des Wassers (zur Herstellung von Papier) fixiert. Ist hier der Umfang der bestehenden Erlaubnis etwas größer als der tatsächliche Mengenbedarf der Papiermaschine, könnte die bestehende Anlage die Nebenanlage oder den Nachbarn problemlos mit Wasser versorgen. An der Entnahmemenge oder den sonstigen Parametern der Entnahme ändert sich nichts, trotzdem muss derzeit ein wasserrechtliches Erlaubnisverfahren durchgeführt werden. Dies gilt auch für Einleiterlaubnisse. Auch wenn sich an den Einleitbedingungen nichts ändert, führen Änderungen in der Produktionsanlage (z. B. neue Technologien) dazu, dass die Erlaubnis neu beantragt werden muss, da die ursprüngliche Zweckbestimmung der Einleitung die neue Technologie nicht abbildet. Wenn durch die Änderung andere Parameter (Temperatur, Menge) oder andere einzuleitende Stoffe ins Spiel kommen, ist eine erneute Erlaubnis sicherlich gerechtfertigt. Wenn man sich jedoch innerhalb der genehmigten Parameter bewegt, scheint eine erneute Erlaubnis entbehrlich.
▪ Ergänzend ein ähnlicher Fall aus dem Bereich Wasserstoff: Auf einem bestehenden (Kraftwerk-)Standort soll ein Elektrolyseur errichtet werden, der in die vorhandene Wasserver- und -entsorgung (Wasser für die Elektrolyse und das Kühlwasser) eingebunden wird. Aufgrund betrieblicher Optimierung und/oder (Teil-)Stilllegung des Kraftwerks ändert sich an den erlaubten Entnahme- und Einleitmengen nichts (die Menge wird durch die Stilllegung geringer oder sie erhöht sich nur geringfügig, beispielsweise um ein bis drei Prozent), selbst die Kühlwassereinleitung des Elektrolyseurs unterliegt demselben Anhang der AbwV wie die bisherige (Kraftwerks-)Einleitung. Allerdings ist die Erlaubnis (wie üblich) ausdrücklich auf den Zweck für die bestehende (Kraftwerks-) Nutzung beschränkt. Eine Neuerteilung des Wasserrechts für den hinzukommenden Elektrolyseur sollte dementsprechend entbehrlich oder zumindest
verfahrensrechtlich vereinfacht werden, wenn sich an den erlaubten Entnahme- und Einleitwerten nichts oder nur geringfügig etwas ändert oder sich ggf. sogar reduziert.
▪ Gerade die Transformation von Bestands-Standorten löst immer auch Anpassungen bei wasserrechtlichen Benutzungen aus (beispielsweise, wenn eine Elektrolyse-Anlage als weiterer Wassernutzer hinzukommt und bei gleicher Wassermenge der Verwendungszweck der Entnahme erweitert wird). Da das WHG keinen unwesentlichen Änderungstatbestand kennt, steht die Praxis – einschließlich der Behörden – immer vor der Frage, ob nun ein komplett neues Erlaubnisverfahren durchzuführen ist und/oder wie dies ggf. effizienter geregelt werden kann. Es würde daher erheblich beschleunigend wirken und die Behörden entlasten, wenn auch im Wasserrecht ein Änderungstatbestand eingeführt und klargestellt wird, dass nicht jede unwesentliche Änderung oder Zweckerweiterung bestehender Erlaubnisse ein vollständiges Erlaubnisverfahren erfordert.
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