August 2018 GLOBALER WACHSTUMSAUSBLICK
Risiko ist Trump(f) Handels- und Währungskonflikte gefährden die Expansion der Weltwirtschaft
Die Handelskonflikte der Vereinigten Staaten mit der Volksrepublik China, der EU und anderen Ländern haben die Unsicherheit für Investitionen und die Risikoscheu auf den Finanzmärkten erheblich erhöht. Die Konflikte gefährden die weltwirtschaftliche Expansion.
Die handelspolitischen Aktionen der Trump-Administration haben vor allem den Außenwert des Renminbi, den Aktienmarkt in Shanghai, das weltweite Stahl- und Alugeschäft und die Geschäftserwartungen der Unternehmen weltweit getroffen. Eine Eskalation des Konflikts mit China oder der EU könnte viele Industriebranchen treffen und Produktionsnetzwerke stören.
Die US-Notenbank führt derzeit den Zug der geldpolitischen Straffung an, während die EZB vorsichtig nachzieht. Die Finanzpolitik ist in den nicht-europäischen Industrieländern mit Konsolidierungsproblemen konfrontiert, während sich die Lage in der EU allmählich bessert. Die Risiken in Italien sind jedoch stark gestiegen. Der Spielraum der Geld- und Finanzpolitik wäre im Fall einer neuen Rezession gering.
Wir rechnen 2018 mit einem weltwirtschaftlichen Wachstum in Höhe von vier Prozent. Ein Strohfeuer in den USA und robustes Wachstum in China, Japan und Europa stützen die Konjunktur im zweiten Halbjahr. Bei den Schwellenländern trennt sich stärker die Spreu vom Weizen. Während der asiatisch-pazifische Raum und die meisten Ölexporteure zulegen, kommt Lateinamerika nur mäßig voran. Argentinien und die Türkei sind Krisenfälle.
Risiko ist Trump(f) | Handels- und Währungskonflikte gefährden die Expansion der Weltwirtschaft 28/08/2018
Inhaltsverzeichnis Handelskonflikte gefährden weltwirtschaftliche Expansion und Genesung .......................................... 3 Weltweites Wachstum zeigt im ersten Halbjahr gespaltenes Muster ................................................... 8 Welthandel........................................................................................................................................... 14 Ausländische Direktinvestitionen......................................................................................................... 14 Starkes US-Wachstum, aber prozyklische Fiskalpolitik und US-Protektionismus bergen Gefahren .. 14 China: Wachstum weiterhin stabil ....................................................................................................... 16 Europas Konjunktur hat den Höhepunkt überschritten ....................................................................... 19 Leichte Abschwächung in Japan ......................................................................................................... 21 Regionaler Ausblick: größere Differenzierung der Konjunktur ............................................................ 22 Globale Industrieproduktion nimmt weiter zu ...................................................................................... 23 Steigende Verschuldung belastet die Finanzstabilität ........................................................................ 25 Konsequenzen für Deutschland .......................................................................................................... 26 Quellenverzeichnis .............................................................................................................................. 27
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Risiko ist Trump(f) | Handels- und Währungskonflikte gefährden die Expansion der Weltwirtschaft 28/08/2018
Handelskonflikte gefährden weltwirtschaftliche Expansion und Genesung Die wirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Treiber der Weltkonjunktur sollten eigentlich für eine gedeihliche Fortsetzung der weltwirtschaftlichen Expansion sorgen, wäre da nicht die Außenpolitik und Außenwirtschaftspolitik der US-Administration. Diese sorgt durch eine Vielzahl von Kehrtwenden in der grundsätzlichen Ausrichtung der Politik und in den zahlreichen umgesetzten und angedrohten handelspolitischen Maßnahmen nicht nur für ein gerütteltes Maß an Ungewissheit über die Zukunft der Weltwirtschaftsordnung, sondern auch für eine Neubewertung von Risiken in einzelnen Märkten der Weltwirtschaft. Gleichwohl fällt die Beurteilung des Gefahrenausmaßes derzeit allen schwer, weil weder die Szenarien verschiedener Konflikte noch die kurz- und langfristigen Konsequenzen leicht einzuschätzen bzw. klar im Hinblick auf die konjunkturellen Wirkungen zu quantifizieren sind. Gleichwohl wäre es völlig verfehlt, die bereits jetzt eingetretenen Auswirkungen zu vernachlässigen und die Risiken einer Eskalation auch für die konjunkturelle Entwicklung der Weltwirtschaft aus dem Blick zu verlieren. Es mag durchaus sein, dass die großen Ökonomien der Weltwirtschaft, die Bankensysteme und die Finanz- und Immobilienmärkte in einer stabileren Verfassung als vor der großen Krise von 2007 sind, das heißt aber nicht, dass jedwede wirtschaftspolitische Fehlentwicklung einfach weggesteckt werden kann. Dies gilt gleichermaßen im Kleinen für einen ungeordneten Brexit wie im Großen für eine Abkehr von der multilateralen Handelsordnung durch die Vereinigten Staaten von Amerika (Posen 2018). Insofern haben die internationalen Wirtschaftsorganisationen Recht, wenn sie auf die Gefahren für die Konjunktur in klaren Worten hinweisen (OECD 2018, EZB 2018, IWF 2018a). Bevor die Erörterung der weltwirtschaftlichen Lage im Detail vorgenommen wird, muss die Kamera daher auf die Totale gerichtet werden, um die vielfältigen Effekte der Kehrtwenden zu erfassen.
Weltwirtschaftliche Erholung nicht selbstragend, aber verwundbar Zunächst ist festzuhalten, dass sich die weltwirtschaftliche Lage erst 2017 durch einen moderaten, synchronen Aufschwung aller großen Volkswirtschaften und die Wiederbelebung von Investitionstätigkeit und Welthandel durchgreifend verbessert hat. Allerdings gelang diese Belebung zurück zu „normalen“ Wachstumsraten von vier Prozent nur in Folge von fortgesetzt außerordentlicher geldpolitischer Stimulierung und ungewöhnlichen makroökonomischen Rahmenbedingungen, einer konjunkturell unangemessenen Finanzpolitik der Vereinigten Staaten und einer nach wie vor zu hohen Kreditdynamik in der Volksrepublik China (Summers 2018). Auch in Europa und Japan blieb die Politik expansiv. Die langfristigen Realzinsen sind zum Beispiel in Europa und in Japan noch negativ, in China nahe null und in den USA erst allmählich positiv. Sie liegen nicht etwa bei zwei bis drei Prozent weltweit, wie es bei einer gesunden makroökonomischen Lage der Fall wäre. Trotz der notwendigen und noch immer komfortablen Flankierung der Konjunktur durch die Geldpolitik, ziehen die Kerninflationsraten weltweit erst allmählich und sehr schwach an, während kurzfristig die Ölpreise für höhere Inflationsraten sorgen und die Schlagzeilen bestimmen. Die Geldpolitik mag zwar trotz der Nähe zur Nullzinsgrenze noch einen geringen Spielraum aufweisen, auf Schocks zu reagieren, aber die üblichen drastischen Zinssenkungen in einer Rezession um mehrere Prozentpunkte sind derzeit schlicht nicht möglich, und eine ersatzweise Ausweitung der quantitativen Politik wäre je nach Land entweder kaum durchführbar oder nicht so wirksam. Da die Inflation in den Vereinigten Staaten, gemessen sowohl als Gesamtindikator wie auch als um Öl- und Nahrungsmittelpreise bereinigte Kernrate, mittlerweile wieder über zwei Prozent angestiegen ist, setzt die US-Notenbank ihre Politik der sukzessiven Zinserhöhungen fort. Zinsanhebungen in den USA sind angemessen, erhöhen aber typischerweise die Risiken für Dollar-
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verschuldete Länder und Unternehmen in aller Welt und setzen Schwellenländer oftmals unter Stress. Dies ist insbesondere in den wirtschaftlich schwächeren Staaten bereits zu spüren. Hausgemachte Probleme in Argentinien, der Türkei, Brasilien und Mexiko kommen erschwerend hinzu. Die Geldpolitik der USA hat auch immer stärkere Auswirkungen auf die globalen Finanzmärkte, da die Korrelation insbesondere der Aktienmärkte stark zugenommen hat (Jorda et al. 2018) und sich die relative Attraktivität von Anleihen und Aktien zentral von der US-Geldpolitik beeinflusst wird. Zudem führt die Geldpolitik angesichts der wachsenden Zinsunterschiede (Leitzinsen wie Kapitalmarktrenditen) zur Aufwertung des US-Dollars. Die Rücknahme des geldpolitischen Expansionsgrads im Euroraum ist ebenfalls abzusehen, während die japanische Notenbank noch mehrere Jahre fortgesetzter Expansion signalisiert hat. Gleichwohl schwächte sich die Erholung in Europa, Japan und einigen Schwellenländern im ersten Halbjahr ab, so dass im Sommer 2018 nicht mehr von einer synchronen Erholung gesprochen werden kann. Die Finanzpolitik ist in den großen Volkswirtschaften, insbesondere in den drei größten Ökonomien, mit erheblichen Konsolidierungsanforderungen konfrontiert. Angesichts stark steigender Verschuldungsquoten in den Vereinigten Staaten, einer weiterhin sehr expansiven fiskalischen Position der Volksrepublik mit Defiziten in Höhe von gut zehn Prozent der Wirtschaftsleistung1 und einer ohnehin hohen Schuldenquote in Japan sowie in einigen europäischen Volkswirtschaften2 ist der Spielraum für konjunkturelle Stabilisierung sehr viel eingegrenzter als vor einem Jahrzehnt. Insofern gibt es überhaupt keinen Grund, sich entspannt zurückzulehnen und etwaige Risiken im Hinblick auf deren etwaige Beherrschbarkeit das Gefahrenpotenzial abzusprechen.
Risiken in kurzer und langer Frist Die Risiken lassen sich prinzipiell in solche mit kurzfristig eintretenden Effekte und solche mit längerfristiger Wirkung einteilen. Klarheit und Konsens bestehen bereits jetzt darin, dass die Abkehr der USA von der multilateralen Ordnung und die Eskalation von Handelskonflikten nicht nur den Außenhandel, die ausländischen Direktinvestitionen in den USA, die globalen Wertschöpfungsketten, insbesondere im asiatisch-pazifischen Raum, die Produktivitätsentwicklung, die Einfuhrpreise (und damit die Inflationsraten) und die Kaufkraft der Konsumenten, nicht zuletzt in den USA, gefährden. Betroffen sind durch die Konflikte zwischen den USA und der Volksrepublik China nicht nur Landwirte in den USA und Exporteure in China, Mexiko, Kanada oder der EU, sondern Unternehmen aus aller Welt. Wenn die Wertschöpfungsketten gestört werden oder der Export von Endprodukten aus der Fertigung transnational tätiger Unternehmen in der einen Großregion für die andere Großregion mit hohen Zollsätzen belastet werden, wie zum Beispiel für einige deutsche Automobilunternehmen, die den chinesischen Markt teilweise aus der US-Produktion bedienen, erleiden Handel und Produktion nicht nur im Land der Maßnahmen, sondern weltweit Einbußen. Die durch die Konflikte verursachte Unsicherheit über
Der IWF schätzt regelmäßig das sogenannte „augmented deficit“ der öffentlichen Hand in China und sieht auch im jüngsten Artikel-IV-Bericht keine Anpassung in den letzten Jahren, sondern eine Seitwärtsbewegung bei leicht über zehn Prozent für das gesamtstaatliche Defizit (IWF 2018b). Dies liegt in etwa auf der Höhe des nominalen Wachstums der chinesischen Volkswirtschaft und ist mit einem leichten Zuwachs der Staatsschuldenquote vereinbar. 2 Die Staatsschuldenquote in der Abgrenzung des Maastricht-Vertrags belief sich 2017 auf folgende Werte: Belgien 103 Prozent, Frankreich 97 Prozent, Griechenland 179 Prozent, Italien 132 Prozent, Portugal 126 Prozent, Spanien 98 Prozent, Vereinigtes Königreich 88 Prozent, siehe OECD (2018: Anhang, S. 48). 1
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die Perspektiven des Marktzugangs zu den größten Märkten der Welt belasten zudem auch das weltweite Investitionsgeschehen. Die Eintrübungen in den Stimmungsindikatoren der Wirtschaft spiegeln dies wider. Die kurzfristigen Risiken der US-amerikanischen Handelspolitik sind ebenso wenig zu unterschätzen, sie sind nur nicht medial so gut aufbereitet. US-Agrarexporte sind in einzelnen Produktgruppen erheblich durch Gegenmaßnahmen der vergeltenden Handelspartner der USA in Mitleidenschaft gezogen worden. Europäische, mexikanische und kanadische Stahl- und Aluminiumexporte sind durch die USSanktionen getroffen. Der US-Policymix wird zudem die außenwirtschaftlichen und fiskalischen Defizite der USA ausweiten und in der Logik der US-Administration eine weitere Verschärfung der Handelskonflikte auslösen. Die Direktinvestitionen in die USA sind 2018 drastisch gesunken, ähnlich wie im Brexit-gerüttelten Vereinigten Königreich, was die Verunsicherung der Unternehmen widerspiegelt (Posen 2018b). Eigentlich hätten die Steuerreform, die die Belastung der unternehmerischen Gewinne um mehr als zehn Prozentpunkte senkt, und die absehbare Verschärfung der US-Gesetze für zufließende ausländische Direktinvestitionen derzeit das Gegenteil in den USA hervorrufen müssen. Die US-Politik verunsichert auch weltweit Kapitalanleger. Ganz generell sind die internationalen Kapitalanleger seit dem Herbst 2017 in einer abwartenden Haltung und haben ihren Risikoappetit in der Summe reduziert (Roubini 2018). Die weltweiten Aktienmärkte tendieren trotz einer starken Konjunktur- und Gewinnlage der Unternehmen seitwärts. Die Aktienmärkte in Shanghai und Hongkong sind durch den Konflikt mit den USA unter erheblichen Verkaufsdruck geraten. Die Dämpfung von Industrieproduktion, Exporten und vor allem Geschäftserwartungen durch die US-Sanktionen in China geht bereits über das erwünschte Maß hinaus und hat die chinesische Führung dazu veranlasst, die geldpolitischen Zügel zu lockern und die finanzpolitische Linie aufzuweichen, um das Wachstumsziel von etwa 6,5 Prozent nicht zu gefährden. Die Devisen- und die Ölmärkte weisen die stärksten Effekte auf. Insbesondere der chinesische Renminbi ist angesichts der Handelskonflikte und erwarteter Einbußen für chinesische Exporteure innerhalb weniger Wochen stark eingebrochen und hat den Zuwachs beim Außenwert gegenüber dem US-Dollar seit dem Sommer 2017 wieder verloren. Ein Mix aus starker Nachfrage, Produktionsengpässen und Risikoaufschlägen in Folge des US-Irankonflikts hat zudem einen starken Anstieg der Ölpreise ausgelöst, die der Inflation in den Ölimportländern Auftrieb geben wird (ifo 2018). Insgesamt muss daher vor der Klammer der Analyse der weltwirtschaftlichen Entwicklung festgehalten werden, dass die Effekte der US-Politik auf Investorenvertrauen und Risikoappetit an den Kapitalmärkten, auf die reale Investitionstätigkeit, den Außenhandel, die Aktienmärkte und die Produktion bereits spürbar sind. Im Falle einer fortgeführten Eskalation der Handels- und Währungskonflikte ist ebenfalls mit zunehmenden realen Effekten, vor allem in asiatisch-amerikanischen Wirtschaftsbeziehungen, zu rechnen. Sollte die Konfliktspirale und der wirtschaftliche Nationalismus sich fortsetzen, dann kann dies allein die Weltmärkte in die Rezession stürzen. Es bedarf nicht immer einer Finanzkrise, um eine Rezession auszulösen. Verfehlte Politik reicht auch. Verwundbarkeiten finden sich dann wie von selbst. Im Anblick dieser Risiken halten wir gleichwohl vorerst an der Einschätzung fest, dass die Weltwirtschaft in diesem Jahr mit gut vier Prozent realem Wachstum zulegen dürfte. Ein ähnliches Wachstumstempo sollte auch im nächsten Jahr erreichbar bleiben, wenn die verschiedenen Schwelfeuer nicht zu lodern beginnen. Phasen geldpolitischer Straffung in den USA sind typischerweise mit höheren Risiken für Schwellenländer verbunden. Dies bleibt auch dieses Mal richtig.
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Die wichtigsten Zollerhebungsmaßnahmen der Trump-Administration und Gegenmaßnahmen der Handelspartner
US-Zölle auf Stahl und Aluminium, erhoben nach Abschnitt 232 des Trade Expansion Act of 1962
Datum
Partei
Durch die Maßnahme betroffene Produkte, u.a.
Höhe und betroffenes Importvolumen, in USDollar1
23.3.
USA
Stahl und Aluminium
10/25% auf 48 Mrd. (vor allen Ausnahmen)
Gegenmaßnahmen der Handelspartner 2.4.
China
Altmetall und Schweinefleisch, Obst und Nüsse
15/25% auf 2,4 Mrd.
5.6. & 5.7.
Mexiko
Schweinefleisch, Käse, Stahl und weitere Agrarprodukte
10-25% auf 2,6 Mrd.
21.6.
Türkei2
Automobile, Whiskey, Tabak, Kohle, Kosmetik, Maschinen, Papier, Petrochemische Produkte
4-70% auf 1,8 Mrd.
22.6.
EU
Stahl und Aluminium, Agrarprodukte, Konsumgüter
25% auf 3,34 Mrd. (2,8 Mrd, EUR)
1.7.
Kanada
Stahl- und Aluminium, Konsumgüter und Lebensmittel
10/25% auf 12,8 Mrd.
6.7.
Russland
Baumaschinen, Glasfasertechnik, Metallverarbeitung, Ölund Gastechnik
25-40%3
19.7.
EU
Globaler Schutzzoll auf Stahlimporte; ab Erreichen einer Quote (durchschnittliches Importvolumen 2015-2017) werden Importe mit zusätzlich 25 % besteuert
tbd
EU
Diverse Produkte4
10-50 % auf ca. 4,2 Mrd. (3,6 Mrd. EUR)
Androhung eines globalen US-Zolls auf Importe von Automobilen nach Abschnitt 232 des Trade Expansion Act of 1962
Datum
tbd
Partei
USA
Durch die Maßnahme betroffene Produkte, u.a.
Höhe und betroffenes Importvolumen, in USDollar
Automobile und Autoteile
20-25% auf bis zu 350 Mrd.6 (EU trotz Deal in Rechnung mit einbezogen)
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US-Zölle auf chinesische Importe nach Abschnitt 301 des Trade Act of 1974 und chinesische Zölle auf US-Importe als Gegenreaktion
Datum
Partei
Durch die Maßnahme betroffene Produkte, u.a.7
Höhe und betroffenes Importvolumen, in USDollar8
6.7.
USA
Zwischenprodukte, Investitionsgüter; u.a. Flugzeugteile, Batterietechnik, Plastik, Med. Geräte, Halbleiter
25% auf 34 Mrd.
6.7.
China
Agrarprodukte und Lebensmittel, (insbesondere Soja), Zwischenerzeugnisse, Transportmittel
25% auf 34 Mrd.
23.8.
USA
Zwischenprodukte, Investitionsgüter; u.a. Flugzeugteile, Batterietechnik, Plastik, Med. Geräte, Halbleiter
25% auf 16 Mrd.
23.8.
China
Diesel. Kohle, Stahlprodukte, Medizintechnik, Motorräder, Kunststoffe
25% auf 16 Mrd.
tbd
USA
Zwischenprodukte, Investitionsgüter, Konsumgüter, u.a. Computer(teile), Autoteile, Handys, Möbel
10 oder 25% auf 200 Mrd.
tbd
China
tbd
5/10/20/25% auf 60 Mrd.
1
Die aufgeführten Volumina entsprechen in der Regel den Angaben der jeweiligen Regierungen. Aufgrund zahlreicher Ausnahmen und Änderungen in der Implementierung können Differenzen bei den Volumina entstehen. 2 Die gegenwärtige Eskalation des Konfliktes zwischen der Türkei und den USA ist hier nicht berücksichtigt. Die sicherheitspolitisch motivierten Sanktionen der USA gegenüber Russland und dem Iran sind ebenfalls außen vor. 3 Unbekannt. Schaden in Höhe von 0,538 Milliarden, Ausgleich allerdings nur 0,088 Milliarden. Die russische Regierung hat keine weiteren Informationen hierzu veröffentlicht. 4 Implementierung erst nach positiver WTO-Entscheidung. Teil 2 der Zölle vom 22.6. (Implementierung geplant für den 23.3.2021 oder früher). 5 Angekündigt und bei der WTO notifiziert, jedoch noch nicht implementiert und bei der WTO Verlängerung der Fristen zur Implementierung beantragt. 6 Bown (2018). 7 Teilweise wurden die Listen laufend aktualisiert – die Angaben sind deshalb als indikativ zu verstehen und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit beziehungsweise Aktualität. 8 Die aufgeführten Volumina entsprechen in der Regel den Angaben der jeweiligen Regierungen.
Quelle: BDI
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Weltweites Wachstum zeigt im ersten Halbjahr gespaltenes Muster Wachstumsausblick intakt, aber größere Differenzierung Das weltwirtschaftliche Wachstum dürfte im ersten Halbjahr die Welt etwa auf Kurs in Richtung vier Prozent gehalten haben. Die USA wiesen ein starkes Wachstum auf, das für drei Prozent in diesem Jahr reichen dürfte. China tendierte seitwärts bis zum Juni und wird mit 6 ½ bis 6 ¾ Prozent zulegen. In Japan und einigen europäischen Volkwirtschaften schwächten sich die Auftriebskräfte ab. Gleichwohl rechnen wir für das Gesamtjahr weiterhin noch mit einem realen Wachstum in Höhe von gut vier Prozent. Angesichts der Handelskonflikte und der europäischen Abflachung könnte es auch einen bis zwei Zehntelpunkte weniger werden. Die Industrieländer werden mit knapp 2½ Prozent kräftig wachsen, während die Entwicklungs- und Schwellenländer leicht auf knapp fünf Prozent zulegen dürften. Auch der IWF rechnet trotz der angestiegenen Risiken im Welthandel weiterhin mit einer weltwirtschaftlichen Expansion von 3,9 Prozent 2018/19, die OECD mit 3,8 bzw. 3,9 Prozent (IWF 2018, OECD 2018).
Ölpreise zogen an Die weltwirtschaftliche Expansion hat im zweiten Quartal die Ölnotierungen bis Juni um gut 15-20 Prozent nach oben getrieben; Brent notierte Anfang August bei knapp 75 US-Dollar (nach 65 US-Dollar zum Jahresanfang), und West Texas Intermediate stieg von unter 60 US-Dollar zum Jahresanfang auf fast siebzig US-Dollar an. Produktionsstörungen in Venezuela und in anderen Staaten und die OPECPolitik trugen ebenfalls leicht dazu bei. In kurzer Frist wird es keine Entspannung geben. Die Ölnotierungen tragen wiederum dazu bei, die Inflation in den USA und in Europa anzuheizen. Gleichzeitig sorgen sie für eine bessere Lage in den Ölförderländern, während die dämpfenden Effekte auf die Industrieländer über den Kaufkraftentzug in Grenzen bleiben dürften.
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Prognoseübersicht: Wachstum der realen Wirtschaftsleistung 2017/18/19 in Prozent 2017
2018
2019
IWF1
OECD2
EUKOM3
IWF1
OECD2
EUKOM3
IWF1
Welt
3,7
3,74
3,7
3,9
3,84
3,9
3,9
3,94
3,9
USA
2,3
2,3
2,3
2,9
2,9
2,9
2,7
2,8
2,7
China
6,9
6,9
6,9
6,6
6,7
6,6
6,4
6,4
6,3
Japan
1,7
1,7
1,7
1,0
1,2
1,3
0,9
1,2
1,1
EU
2,4*
OECD2
2,1*
EUKOM3
2,0*
Eurozone
2,4
2,6
2,4*
2,2
2,2
2,1*
1,9
2,1
2,0*
Deutschland
2,5
2,5
2,2*
2,2
2,1
1,9*
2,1
2,1
1,9*
Frankreich
2,3
2,3
2,2*
1,8
1,9
1,7*
1,7
1,9
1,7*
Italien
1,5
1,6
1,5*
1,2
1,4
1,3*
1,0
1,1
1,1*
Spanien
3,1
3,1
3,1*
2,8
2,3
2,8*
2,2
2,1
2,4*
Großbritannien
1,7
1,8
1,7*
1,4
1,4
1,3*
1,5
1,3
1,2*
Indien
6,75
6,5
6,4
7,35
7,4
7,4
7,55
7,5
7,6
Brasilien
1,0
1,0
1,0
1,8
2,0
2,4
2,5
2,8
2,6
Russland
1,5
1,5
1,5
1,7
1,8
1,7
1,5
1,5
1,6
1: IWF (2018). Stand Juli. 2: OECD (2018). Stand Mai. 3: Europäische Kommission (2018). Stand Mai.*Stand Juli. 4: Prognose auf Grundlage von 70 Prozent des Welt-BIP (in Kaufkraftparitäten von 2013) 5: Angaben zu Indien für das Fiskaljahr und in laufenden Preisen
Inländische Komponenten noch robust, Außenhandel kaum Wachstumstreiber Ganz generell zeigt sich in den meisten Volkswirtschaften, dass trotz der Widerbelebung des Welthandels, der dieses Jahr in Mengenbetrachtung um gut fünf Prozent zulegen wird, der Außenbeitrag, also die Nettoexporte, in den großen Volkswirtschaften nur geringe Wachstumsbeiträge leisten werden. Der Löwenanteil der Auftriebskräfte dürfte dagegen auf den privaten Verbrauch, sprich die Kauflaune der privaten Haushalte, entfallen. Dies liegt an der guten Entwicklung der Beschäftigung, und in sehr begrenztem Umfang an einer leichten Steigerung der Löhne; die Reallöhne werden voraussichtlich in der Triade um geschätzt 1,2 Prozent (USA), 0,6 Prozent (Euroraum) und 1,3 Prozent (Japan) im Schnitt der Jahre 2017-2019 zulegen. Die Stützung durch den privaten Verbrauch gilt insbesondere für die USA, China und Europa. Die Investitionstätigkeit ist zwar nicht ganz so stark wie zu Jahresbeginn erwartet angestiegen, hält sich aber in den großen Ökonomien noch gut. Der Höhepunkt der Wiederbelebung scheint jedoch bereits wieder überschritten zu sein; immerhin zogen in der OECD die
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Bruttoanlageinvestitionen gegenüber Vorjahr von mageren unter zwei Prozent Anfang 2016 auf solide vier Prozent im ersten Quartal 2018 an, dürften aber in den nächsten Quartalen wieder leicht unter vier Prozent absinken (OECD 2018). Die öffentliche Hand spielt in der Regel keine große Rolle. Insgesamt stützt die inländische Nachfrage ganz überwiegend das Wachstum (IWF 2018). Eine größere Prognoseunsicherheit besteht im Hinblick auf die Investitionstätigkeit in den großen Regionen. Während in den USA die Investitionstätigkeit leicht anzieht, sind die Stimmungsindikatoren und die ersten harten Daten in Europa eher verhalten ausgefallen, obwohl die globale Nachfrage, die Wirtschaftslage und die Auslastungsgrade für mehr Dynamik hätten sorgen können. Offenbar überprüfen viele Unternehmen derzeit ihre Investitionspläne angesichts unsicherer gewordener Absatzerwartungen bei robustem laufendem Geschäft. Da Wirtschaft laut Erhard zur Hälfte Psychologie sei, stimmt diese wohl derzeit nicht. Wer kann das verdenken. Leicht enttäuscht haben weltweit auch die Industrieproduktion und die Exportaufträge. Zudem sind die Einkaufsmanagerindizes für das Verarbeitende Gewerbe rückläufig, wenn auch von hohen Niveaus aus. Die Dienstleistungen haben derzeit einen leicht besseren konjunkturellen Lauf. Kein Eitel Sonnenschein in einigen Schwellenländern Unter den Schwellenländer stechen insbesondere drei Länder hervor, deren Entwicklung im ersten Halbjahr nicht so positiv verlief wie erwartet. Am schlimmsten hat es Argentinien erwischt, das in die Rezession zu geraten droht, eine Inflationsrate von über 20 Prozent aufweist und eine Abwertung des Peso um mehr als 30 Prozent seit Jahresauftakt verzeichnet. Die Notenbank erhöhte die Zinsen drastisch auf über 40 Prozent, und die Macri-Regierung einigte sich mit dem IWF auf ein Hilfsprogramm in Höhe von 50 Milliarden US-Dollar, das die stark angestiegene externe Verschuldung Argentiniens aus dem Feuer nimmt. Gleichwohl fehlt der Regierung eine parlamentarische Mehrheit für die schmerzhaften fiskalischen Anpassungen, die das laufende Haushaltsdefizit von knapp vier Prozent bis 2020 auf null zurückführen helfen sollen. Eine Dürre belastet zudem die Produktion und den Export. Zwillingsdefizite im Haushalt und der Leistungsbilanz hatten Kapitalanleger im Zuge der Zinserhöhungen der FED aus dem Land vertrieben, zumal der seit 2015 floatende Kurs überbewertet geblieben war. Die Türkei ist ebenfalls in Folge einer Reihe von Faktoren in schweres Fahrwasser geraten. Während das Jahr 2017 mit über sieben Prozent Wachstum abschloss, getragen vom privaten Verbrauch, sorgten eine hohe Inflation von zuletzt über 15 Prozent, eine den Wahlen geschuldete verspätete Leitzinsanhebung, ein hohes Leistungsbilanzdefizit von mehr als fünf Prozent und ein politischer Konflikt mit den USA, Ende Juli für einen massiven Absturz der türkischen Lira. Die Ratingagenturen stuften die Türkei schon zurück, und angesichts der hohen Dollarverbindlichkeiten türkischer Unternehmen bleibt die Außenwirtschaft die Achillesverse, trotz einer guten Entwicklung der Exporte. Ob der Türkei noch eine makroökonomische Stabilisierung ohne ein Hilfsprogramm des IWFs gelingen kann, steht derzeit noch in den Sternen. Auch Brasiliens Währung hat deutlich gelitten und im ersten Halbjahr knapp neun Prozent gegenüber dem US-Dollar nachgegeben. Immerhin befindet sich das Land trotz Streiks und politischer Konflikte weiterhin auf moderatem Wachstumskurs und könnte laut IWF noch 1,8 Prozent erreichen. Höhere Öl- und Rohstoffpreise könnten dabei durchaus hilfreich sein.
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Makroökonomische Politik Die internationalen Organisationen schätzen den Kurs der Finanzpolitik weltweit als leicht expansiv ein. Dies liegt vor allem an den Vereinigten Staaten und an Deutschland, während in China und Japan keine größeren Entscheidungen in diesem Jahr anstehen. Angesichts hoher Schuldenstände in vielen Volkswirtschaften wäre in der derzeitigen Konjunkturlage in diesen Ländern eine restriktivere Linie vorzuziehen, während in wenigen Ländern die Finanzpolitik noch Spielraum für produktivitätssteigernde Ausgaben aufweist. In der Geldpolitik bleibt die Welt insgesamt auf einem moderat expansiven Kurs. Die US-Notenbank hat zuletzt am 13. Juni den Leitzins auf eine Spanne von 1,75 bis zwei Prozent erhöht und zwei weitere Zinsschritte (25 Basispunkte) in diesem Jahr und drei weitere im nächsten Jahr angekündigt. Dies ist angesichts der bereits normalen Inflationsrate, der Auslastung auf dem Arbeitsmarkt und der ungebührlich expansiven Finanzpolitik auch zu erwarten. Da die Kernrate ebenfalls schon über zwei Prozent angestiegen ist und zuletzt die Lohnentwicklung nachzog, dürfte die FED wenig Spielraum für einen weicheren Kurs haben. Nicht nur der IWF befürchtet, dass die Finanzmärkte das Ausmaß und Tempo der Zinsanhebungen unterschätzen und sich die Kapitalmarktrenditen noch deutlich über die 2,85 Prozent derzeit auf Jahressicht erhöhen dürften. Die chinesische Notenbank, die People’s Bank of China, reagierte zuletzt auf wachsende Spannungen und konjunkturelle Sorgen mit expansiven Maßnahmen wie der Senkung des hohen Mindestreservesatzes für Geschäftsbanken, obwohl dies den seit einem Jahr gefahrenen Kurs der finanziellen Konsolidierung und der Bremsung der Verschuldung von Unternehmen entgegensteht. In welchem Umfang die Handelskonflikte die chinesischen Exporte und die Leistungsbilanz, die im ersten Quartal erstmals defizitär war (mit umgerechnet 21 Milliarden US-Dollar), beeinträchtigen, ist noch nicht abzusehen. Angesichts des weiterhin expansiven finanzpolitischen Kurses mit bereinigten Defiziten in Höhe von mehr als zehn Prozent des BIP und einer Kreditausweitung von ebenfalls mehr als zehn Prozent auf Jahresbasis (IWF 2018b) wird die Pekinger Führung einen Balanceakt aus Konsolidierung und Stabilisierung der wirtschaftlichen Leistung in den nächsten Quartalen bewerkstelligen müssen. Die japanische Notenbank hat Ende Juli Marktspekulationen über einen geldpolitischen Kurswechsel mit einer Entscheidung, die derzeitige Linie fortzusetzen, beendet. Ihre Geldpolitik bleibt angesichts einer enttäuschender Inflationsentwicklung und einer sich leicht abschwächenden Konjunktur auf bestehendem Kurs. Die deutlich anziehenden Nominal- und Reallöhne könnten endlich den Preisdurck aufbauen, den sich die Notenbank seit zwei Jahren erhofft. Die Europäische Zentralbank hat im zweiten Quartal eine Anpassung der Geldpolitik an die bessere wirtschaftliche Entwicklung und den sich aufhellenden Preisausblick vorgenommen und eine Änderung ihres Wertpapierkaufprogramms angekündigt. Die Käufe werden bis zum Jahresende auf 15 Milliarden Euro im Monat zurückgeführt und dann eingestellt. Die Zinspolitik wird bis weit ins Jahr 2019 beibehalten werden. In Anbetracht der immer noch hohen Arbeitslosigkeit im Euroraum sind reale kurzfristige Renditen von minus zwei Prozent und reale langfristige Renditen von knapp unter null weiterhin zielführend, um die Finanzierungsbedingungen der Realwirtschaft so lange zu stützen, bis sich der Arbeitsmarkt richtig gefestigt und die Preisentwicklungen normalisiert haben werden. Immerhin ermöglicht die erneute Aufwertung des US-Dollars gegenüber dem Euro voraussichtlich die Beibehaltung des Kurses, wenn auch die durch temporäre und zyklische Faktoren bedingte Abschwächung des Wachstums im ersten Halbjahr in der Eurozone für ein vorsichtiges Vorgehen spricht. Die britische Notenbank hat Anfang August erstmals seit der Krise den Leitzins angehoben.
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Risiko ist Trump(f) | Handels- und Währungskonflikte gefährden die Expansion der Weltwirtschaft 28/08/2018
Finanzmärkte und Wechselkurse An den Finanzmärkten haben die gestiegenen internationalen Risiken bislang nur in einzelnen Segmenten Wirkung entfaltet. An den internationalen Anleihemärkten driften die Verhältnisse weiter auseinander. In den USA stiegen im Zuge der geldpolitischen Straffung durch die FED die Renditen für zehnjährige Staatsanleihen bereits jüngst über drei Prozent und dürften im zweiten Halbjahr auch in Richtung 3½ Prozent weiter anziehen. Die Renditen im Euroraum sind (gewichtet) bis Mitte Juni auf 1,2 Prozent angestiegen. Dagegen sind Renditen deutscher Staatsanleihen zwar zum Jahresbeginn bis Februar leicht auf über 0,5 Prozent angestiegen, fielen danach jedoch wieder auf rund 0,3 Prozent bis Ende Juni ab. Die französischen Renditen notierten zwischen 0,75 und einem Prozent. Die italienischen Papiere fielen zunächst von rund zwei Prozent auf unter 1,8 Prozent, stiegen aber im Juni auf gut 2,8 Prozent wieder an. Offenkundig reagieren die Kapitalmärkte nervös auf die unerwartet schlechte Konjunktur und die ungeklärten Probleme in der Fiskalpolitik der neuen Regierung, die hohe Zusatzausgaben diskutiert, statt dessen aber regelorientiert eher einen Betrag von einigen Milliarden Euro in diesem Jahr und von über zehn Milliarden Euro an Haushaltskonsolidierung im Jahr 2019 leisten müsste. Die spanischen Renditen zogen dagegen nur leicht auf knapp 1,4 Prozent an. Die britischen Renditen lagen bei gut 1,5 Prozent. Die mäßige Konjunkturentwicklung im Euroraum wird trotz der etwas weniger expansiv ausfallenden Geldpolitik der EZB den zu erwartenden Renditeanstieg im zweiten Halbjahr wohl etwas abbremsen. Die japanischen Renditen werden von der Notenbank im Zuge ihrer Renditekurvenkontrolle bei null Prozent gehalten. Die Renditen in vielen großen Schwellenländern steigen angesichts des Drucks auf Währung, Inflation und Leistungsbilanz sowie strafferer geldpolitischer Maßnahmen deutlich an (Argentinien, Indien, Indonesien, Mexiko, Türkei).
Anleihenrenditen 4
3
2
1
0
-1 Jan 2016
Deutschland
Jul 2016
Frankreich
Jan 2017
Italien
Spanien
Jul 2017
V. Königreich
Jan 2018
USA
Jul 2018
China
Japan
Quelle: Macrobond
Auf den Märkten für Unternehmensanleihen ist das Emissionsgeschehen weiterhin stark geblieben, wenn auch die Qualität etwas leidet. Generell haben sich trotz der anziehenden Kapitalmarktrenditen die Risikoaufschläge zwischen hochverzinslichen Unternehmensanleihen und Staatsanleihen aber seit Sommer 2016 in den USA und dem Euroraum in einer Spanne von 300-400 Basispunkten seit-
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Risiko ist Trump(f) | Handels- und Währungskonflikte gefährden die Expansion der Weltwirtschaft 28/08/2018
wärts bewegt (OECD 2018). Die Verschuldung der Unternehmen, gemessen an der Wirtschaftsleistung, ist jedoch nur in China, Japan und der Türkei im letzten Jahrzehnt nennenswert angestiegen und weist höhere Risiken auf; Frankreichs Unternehmen weisen auch einen deutlichen Anstieg in der Verschuldung auf. An den Aktienmärkten sind die Hauptindizes in den USA im ersten Halbjahr einstellig gestiegen. Allein die Finanzinstitute notierten leicht schwächer. In Europa steigen die Kurse der nicht-finanziellen Unternehmen leicht an, während Bankwerte im Schnitt mit über zehn Prozent nachgaben. Der Nikkei entwickelte sich seitwärts. Den größten Einbruch musste Shanghai mit Einbußen in Höhe von mehr als zehn Prozent wegstecken. Die Aktienmärkte der Schwellenländer kamen insgesamt unter Druck. Auf den Devisenmärkten hat es insbesondere den Renminbi und einige Schwellenländer-Währungen (argentinischer Peso, brasilianischer Real, russischer Rubel, türkische Lira, südafrikanischer Rand) hart getroffen. Während der US-Dollar zuletzt angesichts der guten Konjunkturdaten, der Zinserhöhungen und der damit verbundenen Kapitalströme in realer handelsgewichteter Sicht um fünf Prozent zugelegt hat, tendierten Yen, Pfund und Euro seitwärts. Die chinesische Führung ist zudem mit einigen Maßnahmen zur Stabilisierung des Renminbi engagiert und will offenbar eine noch deutlichere Abwertung über einen Kurs von sieben Renminbi zum US-Dollar vermeiden. Der Außenwert des Euro bewegte sich gegenüber den 38 wichtigsten Partnerländern im ersten Halbjahr mit leichtem Auf und Ab (in realer, handelsgewichteter Betrachtung). So stieg er im ersten Quartal erst leicht an, um dies dann im zweiten Quartal wieder abzugeben und ab Juli wieder zuzulegen. Gegenüber dem US-Dollar stieg der Euro im ersten Quartal erst um rund drei Prozent an, verlor aber im zweiten wiederum fünf Prozent. So legte der Kurs von 1,20 Euro pro US-Dollar auf 1,25 bis Mitte April zu, verlor danach jedoch wieder Boden und notiert Anfang August bei etwa 1,15. Dies spiegelt vor allem den divergierenden Konjunkturverlauf und den stetig wachsenden und historisch ungewöhnlichen hohen Zinsspread zwischen USund europäischen Anleihen wieder.
Entwicklung der Wechselkurse zum US-Dollar
1,30
0,85
120
0,80
115
7,0 6,9
1,25
6,8
1,20 0,75
6,7
110
6,6
1,15 0,70
105
0,65
100
6,5
1,10 1,05
6,4 6,3
1,00
0,60
Euro (linke Achse) Pfund Sterling (rechte Achse)
6,2
95
Renminbi (rechte Achse) Yen (linke Achse)
Quelle: Macrobond
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Welthandel
Nach Einschätzung des Internationalen Währungsfonds vom Juli hat der Welthandel im vergangenen Jahr um 5,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr zugelegt. Im ersten Quartal 2018 hat der Welthandel laut vorläufiger Angaben des Netherlands Bureau for Economic Policy gegenüber dem Vorquartal kräftig angezogen und um 3,9 Prozent gegenüber dem Vorquartal zugelegt. Dieses Wachstum zum Jahresbeginn war vor allem durch die steigende Importnachfrage in den Industrieländern getrieben. Die Exporte der Schwellen- und Entwicklungsländer konnten vom Wachstum des Welthandels zu Jahresbeginn zu gleichen Teilen profitieren. Der RWI/ISL-Containerumschlag-Index, mit dem die Entwicklung des Welthandels auf Grundlage der Auslastung der weltweit wichtigsten Containerhäfen prognostiziert wird, war im Juli 2018 etwas zurückgegangen (auf 132,7 Index-Punkte). Der Rückgang könnte laut Angaben von RWI/ISL schon eine Auswirkung der Einführung erhöhter Zölle der USA sein.
Ausländische Direktinvestitionen Die UNCTAD stellt einen starken Rückgang der weltweiten Investitionen um 23 Prozent (Ströme) für 2017 gegenüber Vorjahr fest (UNCTAD 2018). Diese Entwicklung steht im deutlichen Gegensatz zum globalen Wachstum des Welthandels und der Weltproduktion. Ausschlaggebend war hier der Rückgang von Unternehmensübernahmen um 22 Prozent, aber auch die „zukunftsweisenden“ GreenfieldInvestitionen waren rückläufig (minus 14 Prozent). Als Grund für die Verringerung nennt die UNCTAD den globalen Rückgang der Rentabilität von Auslandsinvestitionen in den letzten Jahren, aber auch die Verschärfung von Investitionskontrollen in verschiedenen Ländern wie den USA (CFIUS), der EU, Deutschland oder Italien wird zur Erklärung der Investitionstrends angeführt. Darüber hinaus senken die politischen Unsicherheiten wie die US-Handelspolitik, der Brexit und der US-Irankonflikt das Vertrauen der Investoren. Deutlich sind die Investitionsströme in die Industrieländer gefallen (minus 37 Prozent). Besonders stark fiel der Rückgang für Großbritannien (minus 92,2 Prozent) aus. Hier schlägt sich allerdings nieder, dass die Investitionsströme im Vorjahr durch einige große Übernahmen besonders hoch ausgefallen waren.
Starkes US-Wachstum, aber prozyklische Fiskalpolitik und US-Protektionismus bergen Gefahren Der in Folge der US-Steuerreform prognostizierte Wachstumsschub zeichnet sich ein halbes Jahr nach Verabschiedung der Reformen nun auch in der Wirtschaft ab. Der im Februar verabschiedete Bipartisan Budget Act, der die öffentlichen Ausgaben um weitere 1,5 Prozentpunkte des US-BIP steigern wird, stützt diesen Aufschwung. Während das US-BIP im ersten Quartal noch um 2,2 Prozent wuchs, betrug das Wachstum der US-Wirtschaft im zweiten Quartal 2018 nach der ersten Schätzung des U.S. Bureau of Economic Analysis (BEA) auf das Jahr gerechnet 4,1 Prozent. Dies ist der höchste Quartalswert seit 2014. Vor allem private Konsumausgaben, Anlageinvestitionen, Exporte, öffentliche Ausgaben und Anlageinvestitionen trugen positiv zum Wachstum im vierten Quartal bei, während private Lagerinvestitionen, Investitionen in Immobilien und höhere Importe das Wachstum dämpften. Der IWF und andere Organisationen haben ihre mittelfristigen Wachstumsprognosen deshalb auf hohem Niveau belassen. Der IWF prognostizierte im Juli für 2018 ein Jahreswachstum von 2,9 Prozent und für 2019 mit 2,7 Prozent ein nur leicht schwächeres Wachstum der US-Wirtschaft. Dies steht im Kontrast
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zu den vor der Steuerreform erstellten Prognosen, die für 2018 und 2019 ein Wachstum von 2,3 respektive 1,9 Prozent vorausgesagt hatten. Die Investitionsquote, also der Anteil der privaten Investitionen am BIP, sank im zweiten Quartal 2018 erstmals wieder von 17,7 auf nun 17,5 Prozent, nachdem die Quote zuvor für die Dauer von fast zwei Jahren moderat, aber stetig von 16,8 Prozent (Q3/2016) auf 17,7 (Q1/2018) Prozent gewachsen war. Obwohl sich die US-Wirtschaft gegenwärtig in einer starken Wachstumsphase befindet, ist ab 2020 von einer Abschwächung der Konjunktur und einem Wertverlust des US-Dollars auszugehen, da der Konjunkturzyklus der US-Wirtschaft bereits weit fortgeschritten ist. Steigendes Haushaltsdefizit in Folge der prozyklischen Fiskalpolitik Obwohl die Stimuli der Steuerreform das Wirtschaftswachstum kurzfristig weiter ankurbeln, werden solche prozyklischen Maßnahmen kritisch gesehen. Der IWF merkt an, dass sich private Konsumausgaben bereits vor der Reform auf einem hohen Niveau befunden hätten, und dass auch die Arbeitslosigkeit einen historischen Tiefstand erreich habe (IWF 2018a). Die durch die Reform erleichterte Repatriierung von Auslandsaktiva multinationaler US-Konzerne ermöglicht weitere Investitionen und wird das BIP weiter steigern. Die guten Konjunkturdaten und die Zinserhöhung haben den US-Dollar im Jahresverlauf aufwerten lassen und vergünstigen damit Importe. Auch die Zinserhöhungen durch die Fed tragen zur Aufwertung des US-Dollars bei, während andere wichtige Zentralbanken noch zögern. Da bedingt durch die Steuerreform Investitionen und private Konsumausgaben weiter ansteigen, ist damit zu rechnen, dass sich das US-Handelsbilanzdefizit weiter vergrößern wird. Die durch die Steuersenkungen ausbleibenden Steuereinnahmen wirken sich negativ auf das USHaushaltsdefizit aus. Die durch den Bipartisan Budget Act steigenden Staatsausgaben und die niedrigeren Steuereinnahmen kurbeln zwar die Wirtschaft in den nächsten Jahren um rund einen Prozentpunkt an, führen jedoch gleichzeitig dazu, dass das Haushaltsdefizit und die Staatsverschuldung wachsen (Weltbank 2018). Das Haushaltsdefizit lag Ende 2017 bei 3,5 Prozent des BIP und könnte bereits Ende 2019 einen Wert von knapp fünf Prozent erreichen. Die Staatsschulden („gross federal debt“) erreichten Ende 2017 105,4 Prozent des BIP (White House 2018). Eine protektionistische Handelspolitik gefährdet sowohl globales als auch US-Wachstum Die Unbekannte in den Konjunkturprognosen ist die protektionistische Handelspolitik des US-Präsidenten, deren reale Auswirkungen sich sukzessive in der globalen Wirtschaft manifestieren. Als Reaktion auf die US-Schutzzölle auf bestimmte Warenimporte haben die wichtigsten Handelspartner der USA Ausgleichszölle in verschiedenen Höhen implementiert, die spätestens seit dem 6. Juli US-Exporte im Wert von fast 60 Milliarden US-Dollar betreffen. Darüber hinaus droht der US-Handelskonflikt mit China endgültig zu eskalieren, sollten die Vereinigten Staaten weitere Importe aus China mit zusätzlichen Einfuhrzöllen von zehn bis 25 Prozent belegen. Auch wenn eine weitere Eskalation zumindest des transatlantischen Handelskonflikt vorerst abgewendet scheint, so birgt der US-Handelsstreit mit China unkalkulierbare Gefahren sowohl für die Wirtschaften beider Konfliktparteien als auch für die globale Wirtschaft. Dem IWF zufolge könnte die Weltwirtschaft bis zum Jahr 2020 bedingt durch die Zölle 0,5 Prozent hinter ihrem Potential zurückbleiben (IWF 2018a). Sollten alle WTO-Mitglieder ihre Zölle auf die bei der WTO gebundenen Höchstgrenzen anheben, hätte dies laut der Weltbank einen Rückgang des Welthandels in Höhe von neun Prozent zur Folge. Dies würde dem Einbruch während der letzten Finanz- und Wirtschaftskrise entsprechen (Weltbank 2018).
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Arbeitslosenquote auf historisch niedrigem Stand Bedingt durch das starke Wirtschaftswachstum nähert sich der US-Arbeitsmarkt der Vollbeschäftigung. Die Arbeitslosigkeit hat dementsprechend historische Tiefstände erreicht: Im Juli 2018 betrug die Arbeitslosigkeit offiziellen Angaben zufolge 3,9 Prozent. Im Mai hatte sie sogar den Stand von 3,8 Prozent erreicht und war damit so niedrig wie zuletzt in den sechziger Jahren. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen – also derjenigen, die seit mindestens 27 Wochen arbeitslos sind –, lag im Juli bei 1,44 Millionen. Ein Jahr zuvor, im Juli 2017, waren es noch 1,76 Millionen gewesen. Langzeitarbeitslose machten im Juli 2018 22,7 Prozent aller Arbeitslosen aus. Die durchschnittliche Arbeitslosendauer lag bei 23,2 Wochen. Im Juli 2017 hatte sie noch 23,6 Wochen betragen. Die gute Konjunktur und der wachsende Arbeitsmarkt haben sich nur moderat auf den Anstieg von Löhnen und die Produktivität ausgewirkt. Die Produktivität der US-Wirtschaft stieg im ersten Quartal 2018 nur um 0,4 Prozent, im zweiten Quartal jedoch immerhin um 2,9 Prozent. Die US-Wirtschaft expandiert seit Ende der Krise 2009. Im Vergleich zu vorangegangenen Expansionsphasen ist der Anstieg der Löhne um insgesamt rund 20 Prozent seit 2009 gering (Weltbank 2018). Nach wie vor lässt sich nicht eindeutig einschätzen, wie knapp das Angebot auf dem Arbeitsmarkt tatsächlich ist. Die Partizipationsrate (auch Erwerbsbeteiligungsquote genannt), also der Anteil derjenigen, die einen Arbeitsplatz haben oder aktiv auf Arbeitssuche sind, lag im Juli 2018 bei 62,9 Prozent. Seit Ende 2013 liegt sie fast durchgehend bei knapp unter 63 Prozent. Im Gegensatz zur Arbeitslosenquote, die seit Jahren rückläufig ist, ist die Partizipationsrate somit seit Jahren relativ stabil und liegt weiterhin deutlich unter ihrem Vorkrisenniveau von rund 66 Prozent (2007). Dies ist ein Hinweis darauf, dass es einen Teil der Bevölkerung gibt, der sich vom Arbeitsmarkt zurückgezogen hat und nicht vom aktuellen Aufschwung profitiert. Eine unerwartete Gefahr für den US-Arbeitsmarkt stellt wiederum die Handelsagenda des US-Präsidenten dar. Allein die Einfuhrzölle auf Stahl und Aluminium gefährden Berechnungen zufolge – Ausgleichsmaßnahmen von US-Handelspartnern mit eingerechnet – bis zu 400.000 Arbeitsplätze in den USA (Francois et al. 2018). Bei den angedrohten Zöllen auf Automobilimporte wären es bis zu 624.000 Arbeitsplätze, wenn alle Handelspartner in gleichem Umfang wie die US-Zölle Ausgleichsmaßnahmen ergreifen (Robinson et al. 2018). Die Eskalation des Handelskonfliktes zwischen China und den Vereinigten Staaten könnte eine bisher noch nicht absehbare Anzahl von Arbeitsplätzen gefährden.
China: Wachstum weiterhin stabil Auch nach 40 Jahren „Reform und Öffnung“ setzt die chinesische Wirtschaft ihre starke Performance fort und verzeichnet im ersten Halbjahr 2018 ein stabiles Wachstum von 6,8 Prozent, die Dynamik hat sich im zweiten Quartal mit 6,7 Prozent etwas verlangsamt. Das Wachstum befindet sich oberhalb der angestrebten Schwelle von 6,5 Prozent. Die Primärindustrie wuchs dabei um 3,2 Prozent, der industrielle Sektor um 6,1 Prozent und der Dienstleistungssektor um 7,6 Prozent. Neben Wachstum sorgt sich Peking vor allem um strukturelle Veränderungen am Arbeitsmarkt und finanzielle Stabilität. Real dürfte 2018 die Wirtschaftsleistung mit leichtem Abwärtspotenzial um 6¾ Prozent steigen und sich mittelfristig bei 6½ Prozent einpendeln, vorausgesetzt größere externe Effekte bleiben aus. Bei leichten Schwankungen justiert die Regierung in bewährter Manier nach. Nachdem die Verschuldung im Nicht-Bankenbereich strenger reglementiert wird, hat die Notenbank den Mindestreservesatz für
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Banken 2018 bereits dreimal verringert und hohe Beträge ins Bankensystem injiziert. Monetäre Reaktionen auf die letzten FED-Ankündigungen der USA sind dieses Jahr nicht auszuschließen, bisher liegt der chinesische Leitzins stabil bei 4,35 Prozent. Auf der Fiskalseite hat der chinesische Staatsrat Mitte des Jahres Steuersenkungen und Infrastrukturausgaben beschlossen. Der Renminbi hat sich in den ersten Monaten des Jahres gegenüber dem US-Dollar weiter behauptet, notierte aber zur Jahresmitte wieder deutlich schwächer. Die chinesischen Leitzinsindizes haben seit Jahresbeginn mehr als 20 Prozent an Wert verloren.
Indikatoren weitestgehend positiv Die Investitionen in Sachanlagen sind um sechs Prozent gestiegen, der Anteil der privaten Investitionen hat mit einem Zuwachs von 8,4 Prozent dabei etwas an Dynamik gewonnen. Investitionen im Bereich der Hochtechnologie-Fertigungsindustrie sind um 13,1 Prozent deutlich angezogen. Investitionen am Immobilienmarkt verzeichnen zwar noch ein Wachstum von 9,7 Prozent, die Regierung steuert gleichzeitig mit Beschränkungen einer Überhitzung entgegen. Das Geschäftsklima hat sich zur Mitte des Jahres weitestgehend erholt. Im Juni lag der offizielle Purchasing Managers Index (PMI) der Verarbeitenden Industrie bei 51,5 Punkten, im Dienstleistungssektor bei 55 Prozentpunkten, was bei beiden auf eine anhaltende Ausweitung der Geschäftstätigkeit hindeutet. Die Industrieproduktion stieg insgesamt um 6,7 Prozent, der staatliche Sektor allein um 7,6 Prozent. Vor allem die Sektoren Energie und Hochtechnologie waren mit 10,5 Prozent und 11,6 Prozent Wachstum besonders stark. Die Gewinne stiegen sogar um 16,5 Prozent. Aufstrebende und strategische Industriesektoren, die unter der „Made in China 2025“-Initiative besonders gefördert werden, stiegen um 8,7 Prozent. Die Produktion von sogenannten „new energy vehicles“, darunter hauptsächlich Elektro- und Hybridmodelle, stieg mit dem Einsetzen der staatlichen NEVQuote um 88,1 Prozent an. Industrieroboter legten um 23,9 Prozent und integrierte Schaltkreise um 15 Prozent zu. Die Dienstleistungen zeigten sich mit einem Wachstum von acht Prozent ebenfalls sehr stark, vor allem die Felder Informationsübertragung, Software und Vermietung. Der private Verbrauch erreichte ein reales Wachstum von 6,7 Prozent und das Pro-Kopf-Einkommen stieg real um 6,6 Prozent. Die Umsätze von Konsumgütern im Einzelhandel stiegen um 9,4 Prozent. Der Online-Einzelhandel stieg kräftig um 30,1 Prozent. Die Inflationsrate liegt mit zwei Prozent weiterhin unterhalb des Inflationszieles. Die Produzentenpreise für Industrieprodukte sind um 3,9 Prozent gestiegen, die Einkaufspreise für Industrieproduzenten um 4,4 Prozent. Der Außenhandel (gerechnet in RMB) stieg um 7,9 Prozent, darunter Exporte um 4,9 Prozent und Importe um 11,5 Prozent. Im Zuge des Handelskonflikts ist mit Störungen zu rechnen.
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Stabilität, Reformen und neue Wachstumsimpulse Im Zuge der „Neuen Normalität“ sind die Sorgen einer harten Landung längst verstummt. Nachdem in den letzten Jahren vor allem auf Infrastrukturstimuli gesetzt wurde, sollen Binnenkonsum, aber auch die „Belt and Road“-Initiative, neue Wachstumsimpulse setzen. Ob die Initiative die gewünschten Erfolge bringt, bleibt jedoch abzuwarten. In vielen Ländern wurde Kritik laut. Laufende Projekte werden teilweise nachverhandelt und gerade kleinere Staaten leiden unter der Schuldenlast. Die „Angebotsseitigen Strukturreformen“ konzentrieren sich weiterhin auf den Abbau von Überkapazitäten, von Wohnungsüberbeständen und Unternehmensschulden. Die Produktion soll gleichzeitig effizienter und stärker auf komplexe Zulieferprodukte sowie hochtechnologische Felder ausgeweitet werden. Die Reformen in den Staatsunternehmen machen aufgrund der möglichen sozialen Folgen nur mäßige Fortschritte, und Überkapazitäten konnten bisher nicht fundamental abgebaut werden. Bei den Staatsbetrieben geht der Trend hin zu zentral gelenkten Fusionen weiter. Damit soll der Staatssektor weiter konsolidiert und „nationale Champions“ für den Wettbewerb auf internationalen Märkten fit gemacht werden. Für 2018 sind weitere größere Fusionen in den Bereichen Kohle, Telekommunikation, Energieversorgung und Chemie angekündigt. Verschuldung weiterhin ein Problem Trotz regulatorischer Eingriffe und anhaltender Finanzdisziplin steigt die Gesamtverschuldung weiter an. Derzeit liegt die Verschuldungsquote, je nach Schätzung, zwischen 250 und 300 Prozent des BIP. Da sich ein Großteil der Schulden auf Banken in der zweiten Reihe im Inlandsgeschäft konzentriert und der Staat in vielen Fällen gleichzeitig Kreditgeber und -nehmer ist, bestehen entsprechende Eingriffsmöglichkeiten. Im Privatsektor könnten notleidende Kredite und daraus entstehende Schneeballeffekte während eines Abschwungs zum Systemrisiko werden und so auch ausländische Wirtschaftsund Finanzströme tangieren. Dies hätte globale Ausstrahleffekte, nicht zuletzt auch für die eng mit China verflochtene deutsche Volkswirtschaft. Positiv wirken sich dagegen die hohen Fremdwährungsreserven aus, die seit Ende 2017 wieder auf über drei Billionen US-Dollar angestiegen sind. Marktwirtschaftliche Reformen bleiben aus Die Kommunistische Partei (KP) hat bei ihrem letzten Parteitag betont, ihren Einfluss auf die Wirtschaft zu verstärken und die Hoffnung auf marktwirtschaftliche Reformen weiter gedämpft. Ob sich staatliche Eingriffe in den Markt und auf Unternehmensentscheidungen negativ auf das Investitionsklima auswirken, bleibt weiter abzuwarten. Auf die Versprechungen der Regierung für mehr Freihandel und weitere Öffnung sind zwar erste Schritte gefolgt. So wurden z.B. im Automobil- und Konsumgüterbereich die Zölle reduziert und eine neue Negativliste für ausländische Investitionen veröffentlicht. Strukturelle Marktreformen sind derzeit allerdings nicht absehbar. Für ausländische Unternehmen sind neben Zöllen und Investitionsbeschränkungen die nicht-tarifären Handelshemmnisse ein zunehmendes Problem. Risikofaktor USA Mit der Neuausrichtung der US-Politik gegenüber China ist ein großer Risikofaktor hinzugekommen. Das US-Handelsdefizit ist trotz mehrerer Verhandlungsversuche und eskalierenden Zollrunden weiter gestiegen. Neben den Handels- und Investitionsbarrieren kritisieren die USA vor allem nicht-tarifäre Handelshemmnisse und Subventionen, die zu globalen Marktverzerrungen führen. Auch der erzwungene Technologietransfer als Bedingung für Marktzugang ist ein großer Streitpunkt, der von den USA
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und der EU vor die WTO gebracht wurde. Bisher sind die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen des Handelskonflikts gering, mittelfristig könnten sich jedoch die Stimmung für Investitionen verschlechtern oder globale Handels- und Finanzströme zu Ungunsten Chinas verschieben.
Europas Konjunktur hat den Höhepunkt überschritten Im Jahr 2017 haben die EU und Eurozone mit jeweils 2,4 Prozent Wachstum den Konjunkturhöhepunkt erreicht (Europäische Kommission 2018a). In den ersten beiden Quartalen 2018 zeigen sich bereits deutliche Abschwächungen. Nach Wachstumsraten von 0,6 bis 0,7 Prozent in allen Quartalen 2017 gegenüber Vorquartal startet 2018 mit abgekühlten Werten von jeweils 0,4 Prozent Quartalswachstum für die ersten beiden Vierteljahre. Von den großen Volkswirtschaften haben Frankreich und Italien mit mageren 0,2 Prozent im zweiten Quartal 2018 besonders enttäuscht, das Vereinigte Königreich hatte mit 0,6 Prozent ein gutes zweites Quartal, und die deutsche Wirtschaft setzte mit einem Quartalswachstum von 0,5 Prozent seine Expansion über der Potentialrate fort. Auch Spanien liegt mit 0,6 Prozent über dem Schnitt. Die großen Institutionen haben nach der gemischten ersten Jahreshälfte ihre Prognosen für das Gesamtjahr 2018 um einige Zehntelpunkte nach unten korrigiert. Die Europäische Kommission (2018) geht im Juli für EU und Euroraum nun von 2,1 Prozent Wachstum aus (minus 0,2 Prozentpunkte gegenüber der Maischätzung). Die EZB (2018) hatte im Juni ebenfalls 2,1 Prozent Wachstum im Euroraum für 2018 veranschlagt. Die internationalen Organisationen liegen mit ihren Prognosen etwas höher bei 2,2 Prozent (OECD 2018, IWF 2018a). Für 2019 und darüber hinaus sehen die Institutionen eine weitere Abkühlung auf etwas unter zwei Prozent Wachstum voraus. Im Zyklus befindet sich Europa damit nun in einer Wachstumsphase mit abgeschwächtem Tempo. 2017 lag das Wachstum der EU mit 2,4 Prozent deutlich über dem Potentialwachstum von 1,7 Prozent. (Europäische Kommission, 2018b). Die Outputlücke dürfte sich damit geschlossen haben. Im Vergleich zu vorherigen Hochkonjunkturphasen blieb 2017 eine Überhitzung der Arbeitsmärkte aus. Wesentliche Gründe dafür sind immer noch eine Unterbeschäftigung, insbesondere in einigen Ländern des Südens, und das schwache Produktivitätswachstum von unter einem Prozent.
Entwicklung des realen BIP in der EU in Prozent 3
2
2,3
2,3
2,1 1,7
2,1 (P)
2,0
1,8
1 0,3 0 -0,4 -1 I
II III IV I
II III IV I
II III IV I
II III IV I
II III IV I
II III IV I
II III IV I
II III IV I
II III IV
2010
2011
2012
2013
2014
2015
2016
2017
2018
Veränderung ggü. Vorjahresquartal
Veränderung ggü. Vorquartal
Veränderung ggü. Vorjahr
Quelle: Macrobond
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Investitionen und Konsum stützen das Wachstum, Außenhandel bleibt volatil Das Wachstum 2018 wird von Konsum und Investitionen bestimmt. Die erstgenannte Komponente dürfte rund 1,5 Prozent zulegen und damit ca. einen Prozentpunkt zum Gesamtwachstum beitragen. Das zweitgenannte BIP-Element sollte um die vier Prozent wachsen und somit etwas unter einem Prozentpunkt beitragen. Die Entwicklung des Außenhandels ist in Hinblick auf die anfangs beschrieben Spannungen im Welthandel schwer absehbar. Jüngste Daten haben enttäuscht und im Mai 2018 gingen im Vergleich zum Vorjahresmonat die extra-EU-Exporte um 2,7 Prozent und die Importe um 1,4 Prozent zurück. Der Beitrag des Außenhandels zum BIP dürfte in diesem Jahr wohl maximal knapp positiv sein. Der Konsum wird durch die steigende Beschäftigung und moderate Lohnsteigerungen geprägt. Die Reallöhne werden 2018 im Einklang mit der Arbeitsproduktivität mit knapp einem Prozent steigen (Europäische Kommission, 2018b) und die Konsumlaune der Haushalte ist nach wie vor gut. Die Arbeitslosigkeit in der EU liegt mit 6,9 Prozent nahezu am Vorkrisenlevel, und im Euroraum ist man mit 8,3 Prozent noch ca. einen Prozentpunkt darüber. Die sich langsam abkühlende Konjunktur ist am Arbeitsmarkt noch nicht sichtbar. Preissteigerungen bei Immobilien und Aktien wirken sich ebenfalls positiv auf den Konsum aus. Der Aufwärtstrend bei den Investitionen ist der hohen Kapazitätsauslastung von knapp 84 Prozent geschuldet. Damit liegt die EU nahe an der 85-Prozent-Grenze, die seit Datenverfügbarkeit ab 1980 noch nie überschritten wurde. Wenngleich sich die Stimmungsindikatoren seit dem ersten Quartal eintrüben, bleibt der Kapitalaufbau robust. Sowohl das ifo-Wirtschaftsklima in der Eurozone und der Einkaufsmanagerindex haben nach Rekordwerten Anfang 2018 nun wieder an Boden verloren. Die Industrieproduktion lag im Juni 2018 Im Vergleich zum Vorjahresmonat in EU und Euroraum um 2,6 bzw. 2,5 Prozent höher. Engpässe am Arbeitsmarkt in zahlreichen Sektoren und Ländern bremsen jedoch die Dynamik. Das Wachstum in der EU schwächt sich etwas ab, der Gleichlauf der Mitgliedstaaten stärkt sich jedoch. 2018 werden die Anstiegsraten zwischen 1,5 und 5,5 Prozent liegen. Das Vereinigte Königreich und Italien werden die Schlusslichter sein, Malta und Rumänien mit über fünf Prozent Steigerung die Spitzenreiter. Bandbreite der Wachstumsraten* in der EU 12 Höchste
8 Median
4 0
Niedrigste -4 -8 -12 -16 2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
2016
2017
2018
2019
*Bandbreite des Wachstum des realen BIP in der EU (Höchste, niedrigste und durchschnittliche Wachstumsrate in der EU), Irland auf Grund statistischer Ausreißer nicht mitberücksichtigt Quellen: Macrobond, AMECO
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Risiko ist Trump(f) | Handels- und Währungskonflikte gefährden die Expansion der Weltwirtschaft 28/08/2018
Konjunkturrisiken nach unten überwiegen Die Spannungen im Welthandel belasten die exportorientierte EU-Wirtschaft besonders stark. Auch wenn im Sommer 2018 eine weitere Eskalation des Handels- und Zollkonflikts mit den USA abgewendet wurde, bleibt die Gefahr latent. Unsicherheiten überschatten Produktions- und Investitionsaktivitäten. Ein ungeordnetes Ausscheiden des Vereinigten Königreichs aus der EU ist in den letzten Monaten zudem wahrscheinlicher geworden. In vielen Bereichen scheint der „harte Brexit“ nun das realistischere Szenario zu sein. Die Fortschritte bei der Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion halten sich nach dem Gipfel im Juni 2018 in Grenzen und wesentliche Entscheidungen werden erst im Dezember getroffen. Der IWF (2018b) weist in der jährlichen „Artikel-IV-Konsultation“ für die Eurozone darauf hin, dass lediglich die Bankenunion substantielle Entwicklungen aufweist. Makroökonomische Ungleichgewichte bleiben groß und Politiken zum Abbau fehlen. Mittel- bis langfristig wird die geldpolitisch Wende Herausforderungen bringen, weniger für die Unternehmensfinanzierung, sondern für die öffentlichen Haushalte. Nach wie vor hohe Schuldenstände einiger Länder in Kombination mit steigenden Zinsen und schwachem Wachstum sind eine brisante Kombination.
Leichte Abschwächung in Japan Nach einem ungewöhnlich guten Konjunkturjahr 2017 (1,7 Prozent gegenüber Vorjahr) wird Japan dieses Jahr wohl gerade die Ein-Prozent-Schwelle beim Wachstum schaffen. Das erste Quartal schloss sogar mit einem Minus ab. Das zweite Quartal schloss ersten Schätzungen des japanischen Statistikamts zufolge immerhin mit einem Plus von einem halben Prozent gegenüber Vorquartal und damit viel kräftiger als im Markt erwartet ab. Im Vorjahresvergleich reicht es im ersten Halbjahr nur für plus 0,2 Prozent. Der private Verbrauch erwies sich im ersten Halbjahr als halbwegs robust, aber die Dynamik hat sich im letzten Jahr von Quartal zu Quartal auf zuletzt 0,7 Prozent gegenüber Vorquartal abgeschwächt. Der Ausblick für das zweite Halbjahr ist sogar noch etwas schwächer. Die erhoffte Belebung der Löhne zeichnet sich gleichwohl allmählich ab. Die Nominallöhne stiegen im zweiten Quartal erstmals seit 1994 wieder mit mehr als vier Prozent an (4,3 Prozent im Vorjahresvergleich), die Reallöhne um 3,8 Prozent. Die privaten Ausrüstungsinvestitionen nahmen bisher leicht zu, aber die Bautätigkeit schwächte sich seit einigen Quartalen ab. Dies gilt auch für die öffentlichen Investitionen. Die Aufwertung des Yen gegenüber dem US-Dollar und die Auswirkungen von Handelsbeschränkungen haben eine Stagnation im Außenhandel verursacht und lassen keinen nennenswerten Impuls von den Nettoexporten aufkommen; im zweiten Quartal war der Beitrag minus 0,1 Prozent (Deutsche Bank 2018).
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Risiko ist Trump(f) | Handels- und Währungskonflikte gefährden die Expansion der Weltwirtschaft 28/08/2018
Regionaler Ausblick: größere Differenzierung der Konjunktur Die weltwirtschaftliche Entwicklung in den Entwicklungs- und Schwellenländern im ersten Halbjahr 2018 war durch wachsende Unterschiede geprägt. Während der Ausblick für die Ländergruppe insgesamt zwar bei fünf Prozent für das Gesamtjahr gehalten werden kann, spielten steigende Ölpreise und Anleiherenditen, Wechselkurseffekte und Handelskonflikte eine wesentliche Rolle für einzelne Ländergruppen. Während Indien mit einem rascheren Wachstumstempo als im Vorjahr unterwegs ist, die ASEAN-Länder weiter solide über fünf Prozent realem Wachstum notieren und die Ölexportländer des Nahen und Mittleren Ostens einen satten Punkt zulegen dürften (auf rund 3½ Prozent), sind in Lateinamerika mit Argentinien, Brasilien, Mexiko und Venezuela gleich vier Schwergewichte in jeweils unterschiedlichem schwerem Fahrwasser. Daher reicht es für die Region insgesamt nur für eine leichte Belebung des Wachstums auf gut 1½ Prozent. Im Afrika südlich der Sahara verhelfen die Rohstoffpreise vor allem Südafrika und Nigeria zu stärkerem Wachstum, für die Region insgesamt ist mit 3½ Prozent zurechnen. Die Entwicklung in Russland und den GUS-Staaten verläuft zufriedenstellend, Russland dürfte mit gut 1½ Prozent zulegen. Regionaler Konjunkturausblick* 2018 Südamerika
1,7
Zentralamerika
3,9
Karibik
3,8
Asien-Pazifik, Fortgeschrittenen Volkswirtschaften1
2,1
Asien-Pazifik, Entwicklungsländer2
6,5
GUS-Staaten3
2,2
Naher Osten, Nordafrika, Afghanistan, Pakistan
3,5**
Israel
3,3
Sub-Sahara Afrika
3,5**
1Japan, Südkorea, Taiwan, Singapur, Hongkong, Australien, Neuseeland, Macau 2 inklusive China und Indien 3 Russland, Ukraine, Georgien, Turkmenistan, kaukasische und zentralasiatische Staaten * Wachstum des realen BIP ggü. Vorjahr in Prozent Quelle: IWF (April 2018 und **Juli 2018)
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Globale Industrieproduktion nimmt weiter zu Wachstumstempo aus dem ersten Quartal 2018 wird nicht gehalten Nachdem die weltweite Industrieproduktion im Jahr 2017 im Jahresmittel um 3,5 Prozent gestiegen war, erfolgte zum Jahresbeginn 2018 erneut eine kräftige Ausweitung der Aktivitäten. Im ersten Quartal 2018 stieg die Industrieproduktion nach den vom Netherlands Bureau for Economic Policy Analysis (CPB) veröffentlichten Daten mit vier Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal deutlich stärker als zum Jahresende 2017. Im zweiten Quartal 2018 hat das Wachstumstempo etwas nachgelassen. Der Rückgang der Zuwachsrate auf nur noch 3,6 Prozent war vor allem den deutlich abnehmenden Industrieaktivitäten in den entwickelten Volkswirtschaften geschuldet. In den Schwellenländern war die Produktionsausweitung mit plus 4,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal noch immer recht kräftig. Die etwas langsamere Gangart dürfte sich im weiteren Jahresverlauf fortsetzen. Der Einkaufsmanagerindex für die Industrie weltweit ist im Juli das dritte Mal in Folge gesunken und hat gegenüber dem Spitzenwert von Dezember 2017 knapp zwei Indexpunkte verloren. Bei 52,7 Indexpunkten ist aber weiterhin mit einer Ausweitung der globalen Industrieproduktion zu rechnen. Industrieproduktion der entwickelten Volkswirtschaften US-Industrie derzeit größter Impulsgeber In den entwickelten Volkswirtschaften ist die Industrieproduktion im ersten Quartal des laufenden Jahres mit 3,5 Prozent zwar nicht ganz so stark gestiegen, wie zum Jahresende 2017. Die jahresdurchschnittliche Wachstumsrate von drei Prozent aus dem Vorjahr wurde dennoch übertroffen. Im zweiten Quartal stieg der Ausstoß der Industrie im Vergleich zum Vorjahr mit 2,9 Prozent nicht mehr ganz so stark. Für das erste Halbjahr ergab sich hieraus aber immerhin eine Produktionsausweitung, die über dem Jahresdurchschnitt des Vorjahres lag. Im weiteren Jahresverlauf dürfte sich das Wachstumstempo leicht abschwächen. Der Einkaufmanagerindex für die Industrie ist im Juli das dritte Mal in Folge gesunken. Der Wert von 54,1 Indexpunkten signalisiert aber weiterhin eine Produktionssteigerung. restliche entw. Volkswirtschaften
Industrieproduktion* in entwickelten Volkswirtschaften
Euroraum Japan
5
USA
4 3 2 1 0 -1 -2 2014
2015
2016
2017
2018
*Produktionsindex: 2-Monatsdurchschnitt, kalender- und saisonbereinigt in Prozent zum Vorjahr Quellen: Macrobond, Netherlands Bureau for Economic Policy Analysis (CPB)
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Risiko ist Trump(f) | Handels- und Währungskonflikte gefährden die Expansion der Weltwirtschaft 28/08/2018
Die Industrie der Vereinigten Staaten hat zum Jahresbeginn 2018 in den entwickelten Volkswirtschaften die Rolle als Impulsgeber von Japan und dem Euroraum übernommen. Mit Wachstumsraten von 3,4 Prozent im ersten Quartal und 3,6 Prozent im zweiten Quartal expandierte die US-Industrie so kräftig wie seit vier Jahren nicht mehr. Die Industrien im Euroraum konnten ihre Produktion in der ersten Jahreshälfte nur noch um 2,8 Prozent steigern. In Japan fiel das Produktionsplus mit 2,5 Prozent im ersten Quartal und 1,9 Prozent im zweiten Quartal deutlich niedriger aus als noch vor einem Jahr. In den restlichen entwickelten Volkswirtschaften stieg die Industrieproduktion mit 4,4 Prozent im ersten Quartal und 3,5 Prozent im zweiten Quartal nicht nur überdurchschnittlich an. In diesen Ländern befindet sich die Industrie damit seit zwanzig Quartalen in Folge auf Wachstumskurs. Industrieproduktion in den Schwellenländern Asien auf stabilem Wachstumskurs, Lateinamerika enttäuscht In den Schwellenländern ist die Industrieproduktion im ersten Quartal des laufenden Jahres mit 4,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum so stark gestiegen wie seit fünf Jahren nicht mehr. Im zweiten Quartal fiel der Anstieg mit 4,2 Prozent ähnlich stark aus. Damit wurde im ersten Halbjahr die jahresdurchschnittliche Wachstumsrate von 2,9 Prozent aus dem Vorjahr deutlich übertroffen. Im weiteren Jahresverlauf dürfte das Produktionswachstum etwas an Schwung verlieren, sollte man der Entwicklung des Einkaufmanagerindex für die Industrie in den Schwellenländern Glauben schenken. Dieser sank zuletzt auf den niedrigsten Wert seit Juli 2017. Trotz des niedrigen Wertes ist mit einer weiteren Produktionssteigerung zu rechnen, zumal sich der Rückgang in engen Grenzen hielt und ein Indexwert von 51 noch immer Expansion anzeigt. Afrika/Mittlerer Osten
Industrieproduktion in den Schwellenländern
Lateinamerika Zentral- und Osteuropa Asien
5
4
3
2
1
0
-1 2014
2015
2016
2017
2018
*Produktionsindex: 2-Monatsdurchschnitt, kalender- und saisonbereinigt in Prozent zum Vorjahr Quellen: Macrobond, Netherlands Bureau for Economic Policy Analysis (CPB)
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Die asiatischen Schwellenländer dürften maßgeblich zu dieser Produktionsausweitung beigetragen haben. Einen Anstieg von sechs und mehr Prozent in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen gab es zuletzt im Jahr 2014. In den Ländern Mittel- und Osteuropas stieg die Industrieproduktion nach einem schwachen Jahresabschlussquartal im ersten Quartal 2018 um drei Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Im darauffolgenden Quartal sank das Expansionstempo leicht auf 2,8 Prozent. Auch die Industrieproduktion Afrikas und des Mittleren Ostens befindet sich auf Wachstumskurs. Nach einem Plus von 2,4 Prozent im ersten Quartal erhöhte sich die Industrieproduktion im darauffolgenden Quartal nur noch um 1,3 Prozent. In Lateinamerika dürfte die Industrieproduktion aller Voraussicht das fünfte Jahr in Folge zurückgehen. Nach einer leichten Erholung zu Beginn der zweiten Jahreshälfte des Vorjahres ging die Produktion um den Jahreswechsel 2017/2018 um 0,7 Prozent und im zweiten Quartal 2018 um 1,3 Prozent zurück.
Steigende Verschuldung belastet die Finanzstabilität Die Expansive Geldpolitik nach der Krise hat die Erholung der globalen Wirtschaft maßgeblich gefördert. Die Stabilisierung von Wachstum und Finanzmärkten kam dabei jedoch nicht ohne Risiko. Ohne den richtigen Mix aus Fiskal-, Struktur- und makroprudentieller Politik können Niedrig- oder Negativzinsen zu exzessivem Schuldenaufbau führen. In nahezu allen Volkswirtschaften stiegen nach 2008 die öffentlichen Schulden signifikant an. Die Entwicklung der Schulden der Haushalte und Unternehmen verlief jedoch unterschiedlich. Die Gesamtverschuldung der großen Volkswirtschaften weist dabei sehr unterschiedliche Trends auf. Während die USA, Italien und das Vereinigte Königreich sich rund um 250 Prozent des BIP halten, reduzierte Deutschland die Verschuldung seit 2010 und liegt bei 175 Prozent. Frankreichs Verschuldung stieg von 2006 bis 2016 um 70 Prozentpunkte auf 285 Prozent des BIP. Noch drastischer gestaltet sich die Aufwärtsdynamik in China. Im selben Zeitraum kam es zu einem Plus von über 100 Prozentpunkte, sodass die Gesamtverschuldung bei 230 Prozent liegt.
Entwicklung der Gesamtverschuldung 300 275 250 225 200 175 150 125 2006
2007
Deutschland
2008
2009 Frankreich
2010
2011 Italien
2012
2013
V. Königreich
2014
2015 USA
2016 China
*Verschuldung des Staates, der privaten Haushalte und der nicht-finanziellen Unternehmen in Prozent des BIP Quelle: Macrobond
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Hohe Verschuldung muss keine direkte Auswirkung auf die Finanzstabilität dieser Länder haben, macht sie aber anfälliger für Schocks. Problematisch sind jedenfalls die hohen Schulden des Unternehmenssektors in China mit 150 Prozent des BIP. Überkapazitäten, niedriges Wachstum und schwache Produktivität rufen geradezu nach Turbulenzen auf den Finanzmärkten. Die Volksrepublik hat Kredit- und Kapitalmärkte unter strenger Kontrolle. Mit zunehmender Öffnung der Volkswirtschaft liegt jedoch nahe, dass Marktkräfte zu einer Korrektur führen. Das oft zitierte „Hard Landing“ Chinas bei der Umstellung von einer investitions- zu einer konsumorientierten Wirtschaft ist lange noch nicht vom Tisch.
Konsequenzen für Deutschland Kein großes oder mittleres Industrieland der Welt ist so weltwirtschaftlich verflochten wie Deutschland. Insofern sind protektionistische Maßnahmen generell gefährlich und bedrohen den Wohlstand in Deutschland direkt und unmittelbar. Bislang sind die umgesetzten Maßnahmen noch von begrenzter Wirkung, aber das Eskalationsszenario verdirbt dem ein oder anderen Unternehmen bereits die Geschäftserwartung. Die unmittelbar gemessene Entwicklung der Wirtschaftsleistung trotzt derzeit noch den Widernissen. Das erste Halbjahr wies gute Wachstumsraten auf, gegenüber Vorjahr legte die deutsche Wirtschaft im ersten Halbjahr mit mehr als zwei Prozent zu. Vom Außenbeitrag kam jedoch kein Impuls, vielmehr treibt die Inlandsnachfrage den Prozess. Eine Abschwächung außenwirtschaftlicher Impulse könnte aber noch im Jahresverlauf eintreten und über die Auftragseingänge schwächend auf den Ausblick für Produktion und Export für das nächste Jahr wirken. In kurzer Sicht zieht die deutsche Lokomotive vorerst einmal weiter auf Kurs, und liegt über Potenzial.
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Quellenverzeichnis Bown, Chad, Euijin Jung, Zhiyao Lu (2018). Trump’s Latest $200 Billion Tariffs on China Threaten a Big Blow to American Consumers. Peterson Institute for International Economics: Washington, D.C.. Deutsche Bank (2018). Japan: 2Q 2018 GDP (1st perlim. Release). Data Flash. 10. August. Europäische Kommission (2018a). European Economic Forecast. Summer 2018 (Interim), Juli. Brüssel. --- (2018b). European Economic Forecast. Spring 2018, Mai. Brüssel. Europäische Zentralbank (2018). Economic Bulletin 3, S. 21- 25. --- (2018b). Von Experten des Eurosystems erstellte gesamtwirtschaftliche Projektionen für das EuroWährungsgebiet. Juni. Frankfurt/M. Francois, Joseph, Laura M. Baughman, Daniel Anthony (2018). Policy Brief Round 3: ‘Trade Discussion’ or ‘Trade War’? The Estimated Impacts of Tariffs on Steel and Aluminum. 5. Juni. Ifo (2018). Ifo Konjunkturprognose Sommer 2018: Gewitterwolken am deutschen Konjunkturhimmel. Ifo Schnelldienst 71: 33-87. Internationaler Währungsfonds (2018a). World Economic Outlook. Update. Washington, D.C.: 16. Juli. --- (2018b). IMF Country Report No. 18/240. People’s Republic of China. 2018 Article IV Consultation. Washington, D.C. --- (2018c). Euro Area Policies – Article IV Consultation. Washington D.C. Jordà, Òscar, Moritz Schularick, Alan M. Taylor, Felix Ward (2018). Global financial cycles and risk premiums. NBER working Paper 24677. NBER. Cambridge, Mass. OECD (2018). Economic Outlook. Mai. Paris. Posen, Adam (2018a). The Post-American World Economy. Foreign Affairs 97(2): 28-38. --- (2018b). The Cost of Trump’s Economic Nationalism: A Loss of Foreign Direct Investment in the United States. Peterson Institute for International Economics. 24. Juli. Robinson, Sherman, Karen Thierfelde, Jeffrey J. Schott, Euijin Jung, Zhiyao (Lucy) Lu, Melina Kolb (2018). Trump's Proposed Auto Tariffs Would Throw US Automakers and Workers Under the Bus. Peterson Institute for International Economics. Trade and Investment Policy Watch. 31. Mai. Roubini, Nouriel (2018). Trump may kill the global recovery. Project Syndicate. 18. Juli. Summers, Lawrence (2018). The threat of secular stagnation has not gone away. Financial Times. 7. Mai. UNCTAD (2018). World Investment Report 2018. Genf: 6. Juni. Weltbank (2018). Global Economic Prospects. The Turning of the Tide?. Washington, D.C. Juni. White House (2018). Historical Tables.
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