#Pillar 2: Technische Mängel bei der Mindeststeuer

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POSITION | STEUERPOLITIK | INTERNATIONALES STEUERRECHT

#Pillar 2: Technische Mängel bei der Mindeststeuer beseitigen Notwendige Nachbesserungen, um Vereinfachung zu erreichen

Mai 2022 Umsetzung der Mindeststeuer in der Europäischen Union Die EU-Kommission hat Ende 2021 einen Richtlinienentwurf zur Umsetzung der international abgestimmten Mindeststeuer in der EU vorgelegt. Hintergrund ist eine weltweite Einigung zwischen rund 140 Staaten über eine globale Mindeststeuer für Unternehmensgewinne in Höhe von 15 Prozent („Top-up-Tax“). Damit soll ein „Level Playing Field“ bei der Besteuerung von Unternehmensgewinnen geschaffen und das Steueraufkommen hieraus angemessener zwischen den Staaten verteilt werden.

Erstanwendung erst ab dem Jahr 2024 Der ambitionierte Zeitplan, eine Anwendung der Mindeststeuer in den EU-Mitgliedsstaaten bereits ab dem Jahr 2023 vorzusehen, ist vor dem Hintergrund der enormen Komplexität der hiermit verbundenen Neuregelungen nicht realistisch. Die deutsche Wirtschaft setzt sich daher mit Nachdruck für vereinfachende Übergangsregelungen und eine Verschiebung auf mindestens 2024 ein.

Unverhältnismäßigen Aufwand für Unternehmen und Verwaltung reduzieren Die globale Mindeststeuer kann nur dann effektiv sein, wenn sie für die Unternehmen umsetzbar ist und keine unverhältnismäßige administrative Belastung darstellt. Es ist daher essenziell, die GloBERegeln zu vereinfachen und die GloBE-Ermittlungsvorschriften für Unternehmensgruppen in hochbesteuernden Ländern abzuschaffen. Das Aufkommenspotential der Mindeststeuer ist gering, wohingegen die Befolgungskosten dazu in keiner Proportion stehen. Vereinfachungskonzepte und Anwendungsleitlinien sind notwendig, um die Effizienz der GloBE-Vorschriften zu erhöhen und eine rechtssichere und verlässliche Administration der hochkomplexen Regeln auf Seiten der Unternehmen und der Finanzverwaltung zu schaffen. Aus Sicht der deutschen Industrie gibt es noch wesentliche technische Mängel in den gegenwärtigen GloBE-Regeln, wofür der BDI nachfolgende Lösungsvorschläge anbietet.

BDI | Steuern und Finanzpolitik | www.bdi.eu


#Pillar 2: Technische Mängel bei der Mindeststeuer beseitigen

Vereinfachungsvorschläge des BDI: Latente Steuern umfassend berücksichtigen Die GloBE-Regeln sollen eine Ermittlung des effektiven Steueraufwands einer Unternehmensgruppe sicherstellen und nehmen dabei gravierende Anpassungen vor. Insbesondere die unzureichende Berücksichtigung von latenten Steuern ruft hohen bürokratischen Aufwand und systematische Verwerfungen hervor. Gegenwärtig erlauben die GloBE-Vorschriften lediglich einen Berücksichtigungszeitraum von fünf Jahren für bestimmte latente Steuern und darüber hinaus sind diese auf den Mindeststeuersatz von 15 Prozent gedeckelt. Der Fünfjahreszeitraum ist unrealistisch, da die temporären Effekte häufig über länger als fünf Jahre bestehen. Durch den kurzen Betrachtungszeitraum wird nicht die gesamte Steuerzahlung antizipiert, sondern lediglich ein Bruchteil betrachtet. Zudem entsteht durch die nachträgliche Berücksichtigung und Korrektur von längeren temporären Differenzen ein erheblicher administrativer Zusatzaufwand, da eine Schattenrechnung erforderlich wird, bei der einzelne latente Positionen nachverfolgt und speziell für die GloBE-Vorschriften ermittelt werden müssten. Latente Steuern können in jedem Wirtschaftsgut entstehen, weshalb eine schiere Vielzahl an Einzelposten zu beachten ist. Daneben ist die Deckelung der Berücksichtigung von latenten Steuern auf 15 Prozent inkonsistent. In der Praxis berechnen Unternehmensgruppen die latenten Steuern mit den tatsächlich zu entrichtenden Steuersätzen in ihren Tätigkeitsstaaten, in Deutschland regelmäßig mit 30 Prozent. Die GloBE-Vorschriften verlangen jedoch eine Bewertung zum Mindeststeuersatz i. H. v. 15 Prozent und damit wird im Ergebnis nur noch die Hälfte der Steuern betrachtet, die bei den zugrunde liegenden zeitlichen Differenzen anfallen wird. Wenn zusätzlich Tax Credits in einzelnen Ländern oder eine Investitionsprämie hinzukommen, fällt der effektive Steuersatz rechnerisch aufgrund der GloBE-Vorschrift unter den Mindeststeuersatz und löst eine Top-Up-Tax aus, obwohl die tatsächliche Steuerlast weit über dem Mindeststeuersatz liegt. Das führt nicht nur zu einer faktischen Doppelbesteuerung, sondern steht bei steuerpolitisch gewollten Investitionsanreizen den wirtschaftlichen Effekten entgegen. Lösungsvorschlag: Eine Übernahme von latenten Steuern, wie sie im IFRS-Abschluss ausgewiesen sind, ist erforderlich, um den Befolgungsaufwand der Unternehmen erheblich zu reduzieren und systemwidrige Verwerfungen zu verhindern. Eine abweichende Berücksichtigung von latenten Steuern ruft komplexe Schattenrechnungen hervor, die so vermieden werden können. In jedem Fall müssen die Anpassungen auf ein administrativ machbares Maß zurückgefahren werden. Safe-Harbour Regelungen schaffen – „White List“ für unschädliche Staaten einführen Die meisten Staaten haben eine nominale Unternehmensteuerbelastung, die weit über dem Mindeststeuersatz von 15 Prozent liegt. Die steuerliche Gesamtbelastung in Deutschland liegt bei 31,3 Prozent 1 und der weltweite durchschnittliche Unternehmensteuersatz beträgt nominal 23,5 Prozent2.

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BDI/VCI, Die Steuerbelastung der Unternehmen in Deutschland, 2020/2021, S. 7. Tax Foundation, Corporate Tax Rates around the World, 2021, Fiscal Fact No. 783, Nov. 2021, files.taxfoundation.org/20211207171421/Corporate-Tax-Rates-around-the-World-2021.pdf, (11 April 2022). 2

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Dies zeigt, dass die Unternehmensteuerbelastung zahlreicher Staaten unstreitig über dem Mindeststeuersatz liegt. Eine erhebliche Vereinfachung kann daher geschaffen werden, wenn die GloBE-Berechnung für Gesellschaften in hochbesteuernden Ländern nicht erfolgen muss und diese Länder im Wege einer „White List“ von der Mindeststeuer bzw. der nationalen Minimum Top-up Tax ausgenommen werden. Andernfalls müssten die Unternehmen aufgrund der GloBE-Regeln den komplexen GloBE-Effektivsteuersatz für jedes anwendbare Land berechnen, obwohl die meisten Länder gesetzliche und IFRS-Effektivsteuersätze von deutlich über 15 Prozent aufweisen. Das Ergebnis wären geringe oder gar keine Steuereinnahmen, sondern ein hoher Befolgungsaufwand. Lösungsvorschlag: Mit einer einfachen Safe-Harbour-Regelung für jedes Land, das unstreitig über dem Mindestbesteuerungsniveau liegt kann die Berechnung des effektiven Steuersatzes von GloBE gänzlich überflüssig werden. Eine solche wirksame Safe-Harbour-Regelung könnte auf den Daten der Country-byCountry Berichterstattung beruhen oder in Form einer „White List“ sichergestellt werden, die eine GloBE-Berechnung für Länder ausschließt, die grundsätzlich Effektivsteuersätze von deutlich über 15 Prozent haben. Die „White List“ als Safe-Harbour kann die Fälle reduzieren, in denen multinationale Unternehmen eine große Anzahl von Berechnungen des Effektiven Steuersatzes (ETR) vorbereiten und die Steuerverwaltungen eine große Anzahl von ETR-Berechnungen überprüfen müssen, die Jahr für Jahr zeigen, dass der ETR den vereinbarten Mindeststeuersatz überschreitet. Die Berechnung der ETR, um festzustellen, dass die GloBE-Vorschriften keine Anwendung finden, ist weder zielführend noch gerechtfertigt und verursacht Befolgungskosten bei Unternehmen und Finanzverwaltung. Daher ist dieses Ergebnis bereits vor Entstehung des enormen Aufwands vorwegzunehmen. Die „White List“ könnte anhand der nominalen Steuersätze von mehr als 15 Prozent und bestehender Steueranreize ermittelt werden. Der BDI schlägt zudem vor, dass die OECD periodisch die „White List“ überprüft. Eine solche Aufstellung wäre auch kein Novum für die Finanzverwaltung, sondern kann sich an bereits bestehenden ähnlichen Konzepten orientieren, wie etwa an der Aufstellung des deutschen Finanzministeriums zu der BEPS-Nexus-Konformität im Rahmen der deutschen Lizenzschranke. Country-by-Country-Reporting und IFRS-Abschluss nutzen Eine der größten Herausforderungen für Unternehmen ist die komplexe Datenerfassung, um die GloBE-Vorschriften einzuhalten und Sanktionen zu vermeiden. Dieser Prozess verursacht den größten Teil des Verwaltungsaufwands. Echte Erleichterungen können bewirkt werden, wenn bereits bestehende Berichterstattungspflichten ebenfalls für die GloBE-Regeln herangezogen werden. Synergien können sich dabei nicht nur aus dem IFRS-Reporting, sondern auch aus dem Country-by-Country Reporting ergeben (CbCR). Große multinationale Unternehmen sind verpflichtet, einen CbC-Bericht einzureichen, der Finanzinformationen über die Aufteilung ihrer weltweiten Gewinne und ihre Steuerpflicht enthält. Ein CbC-Bericht enthält bereits die für die Berechnung der ETR nach den GloBE-Regeln relevanten Informationen, nämlich den Gewinn- oder Verlust und die entstandene Steuerlast.

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Lösungsvorschlag: Für die Prüfung, ob ein Unternehmen unter den Anwendungsbereich der GloBE-Vorschriften fällt, sollte die Ermittlung der ETR anhand der CbC-Berichtspflichten ermöglicht werden. Dies würde den Unternehmen keine zusätzliche Arbeit aufbürden, wäre schneller und dokumentationsärmer zu administrieren, aber dennoch aussagekräftig. Diese Vereinfachungsmaßnahme würde es multinationalen Unternehmen ermöglichen, die für die Erstellung ihres jährlichen CbC-Berichts geleistete Arbeit zu nutzen, ohne zusätzlichen Aufwand für die GloBE-Berechnung zu verursachen. Bagatell- und Ausnahmeregeln für unwesentliche Gesellschaften schaffen Weiterhin sollte ein Fokus auf echte Bagatell- und Ausnahmegrenzen gelegt werden, die keine GloBEeigenen Berechnungen erfordern. So sollten Unternehmen, deren wirtschaftliche Aktivität nicht wesentlich ist, aus den Berechnungs- und Dokumentationsvorschriften der Mindeststeuer gänzlich ausgenommen werden, ohne zuvor die GloBE-Ermittlungen vorzunehmen. Die aktuelle „de minimis“-Ausnahme ist nicht ausreichend, da sie zunächst umfängliche Berechnungen erfordert, um dann festzustellen, ob die aggregierten Umsätze bzw. Gewinne aller Gesellschaften eines Landes unter der Schwelle von zehn Millionen Euro bzw. einer Million Euro liegen. Eine zusätzliche GloBE-Ermittlung für kleine Gesellschaften, die grundsätzlich keine Abschlüsse zu Konsolidierungszwecken vorbereiten, wäre überschießend und würde die lokalen Berichtspflichten ausschließlich für die Prüfung von Bagatellfällen erweitern. Diese unwesentlichen Gesellschaften stellen keine Fälle von Relevanz dar, verursachen aber bürokratischen Aufwand, wenn für kleine Gesellschaften plötzlich besondere Bilanzierungsvorschriften anzuwenden wären. Eine echte Ausnahme von den GloBE-Ermittlungsvorschriften senkt die Befolgungskosten für die Unternehmen überproportional. Lösungsvorschlag: Unwesentliche, nicht konsolidierte Gesellschaften sollten von den GloBE-Berechnungen ausgeschlossen werden, um eine deutliche Vereinfachung zu schaffen. Umsatz- und Gewinnschwellen sollten für einzelne Gesellschaften und nicht länderbezogen festgelegt werden, sodass bei Unterschreiten der für den Konzernabschluss angewendeten Wesentlichkeitsgrenzen keine weitere GloBE-Ermittlung erforderlich ist und es müsste lediglich ein Hinweis auf die „de minimis“- Ausnahme in der GloBE-Erklärung erfolgen.

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#Pillar 2: Technische Mängel bei der Mindeststeuer beseitigen

Zusammenfassung:  Befolgungsaufwand reduzieren: „White List“ einführen für Staaten, in denen eine Besteuerung über 15 Prozent sichergestellt ist.  Latente Steuern umfassend berücksichtigen: Schattenberechnungen und systemwidrige Verwerfungen vermeiden  Anwendungsbereich eingrenzen: Nutzung bereits bestehender Berichterstattungspflichten wie die Country-by-Country-Berichterstattung oder den IFRS-Abschluss. Weitestgehende Begrenzung der Abweichungen von IFRS.  Nur Fälle von signifikanter Relevanz erfassen: Bagatellgrenzen schaffen, die keine zusätzlichen komplexen Ermittlungen für unwesentliche, nicht konsolidierte Tochtergesellschaften erfordern.

Impressum Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) Breite Straße 29, 10178 Berlin www.bdi.eu T: +49 30 2028-0 Lobbyregisternummer: R000534 Ansprechpartner Dr. Monika Wünnemann Abteilungsleiterin Steuern und Finanzpolitik T: +49 30 2028 1507 m.wuennemann@bdi.eu David Gajda Referent Steuern und Finanzpolitik T: +49 30 2028 1413 d.gajda@bdi.eu Dokumentennummer: D 1564

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