WINGbusiness Heft 02 2016

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ISSN 0256-7830; 49. Jahrgang, Verlagspostamt A-8010 Graz; P.b.b. 02Z033720M

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WING

business

Kongressheft: Smart Technologies

Von Smart Technologies zur Smart Factory 14

Strategie und Richtung setzen, mit der Organisation arbeiten... 19

Maschinelles Lernen 24


21. Kongress der Wirtschaftsingenieure


Editorial

Smart Technologies

Dabei haben die heute zur Verfügung stehenden Technologien – bei intelligenter (um das neue Modewort „SMART“ zu vermeiden) Anwendung ungeheure Potenziale. Hierbei kann der Technoökonomie-Denkansatz der Wirtschaftsingenieure helfen, Klarheit zu finden und auf den Boden der „realen“ und dennoch vielversprechenden Realität zurückzukehren.

Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Siegfried Vössner Liebe Leserin, lieber Leser, wie sehr Sprache, oder genauer gesagt NLP, die Realität verändern kann, wurde uns in der Endphase des österreichischen Bundespräsidentschaftswahlkampfes in der Konfrontation der beiden verbleibenden Kandidaten für die ehemals kaiserliche Hofburg vor Augen geführt. Dies ist seit vielen Jahrhunderten bekannt. So lässt unter anderem Goethe seinen Mephisto zu Faust sagen: „Mit Worten lässt sich trefflich streiten, mit Worten ein System bereiten. An Worte lässt sich trefflich glauben. Von einem Wort lässt sich kein Jota rauben!“ Schon damals erschuf man „Systeme“ durch die alleinige Gewalt der Worte. Wenn dazu noch eine Umgebung hinzukommt, die trotz besserem Wissen mitspielt, haben wir eine perfekte virtuelle Realität geschaffen. „Virtual Reality“ und zwar ganz ohne Computer und Datenbrillen – einfach durch bedingungslose Imagination. Dafür gibt es viele Beispiele aus der Geschichte - eines ist vielleicht an dieser Stelle besonders bemerkenswert: Norton der I., Kaiser der Vereinigten Staaten und Schutzherr von Mexiko, regierte von 1859 bis 1880 sein Weltreich von San Francisco aus. Obwohl sich der gelinde gesagt überaus exzentrische Joshua Abraham Norton selbst zum Kaiser proklamierte, spielten die Bewohner von San Francisco mit und huldigten ihren „Kaiser“. Sie liebten den schrulligen Norton und fanden an seinen Ideen so sehr Gefallen, dass sie sich auf eine andere Realität einließen. An seinem Begräbnis nahmen 30.000 Menschen teil - beim Begräbnis des wirklichen österreichischen Staatsoberhaupts Thomas Klestil waren es nur rund 10.000.

Durch die analytische und professionelle Bewertung der Hebel und Potenziale kann zur Schaffung von nachhaltigen Werten beigetragen werden. Dabei hat der euphorische Begriff der 4. Industriellen Revolution (Industrie 4.0) keinen Platz. Wenn sich Dinge dramatisch ändern oder wie in diesem Fall ändern sollen, ist man zwar verständlicherweise versucht, dies „Revolution“ zu nennen. Oftmals jedoch finden angekündigte Revolutionen nicht statt, oder bringen nicht immer eine Änderung zum Besseren. Die wahren Revolutionen finden meist langsamer statt und haben mehr „Evolutions-„ als „Revolutions-Charakter“. Dazu gehört auch die kontinuierliche Informatisierung der Fertigung in den letzten 50 Jahren, über die wir hier eigentlich sprechen. Sie sehen, wir sind mitten in einem sehr kontroversiellen Thema - und das ist gut so. Dazu muss man sich treffen und austauschen. Man muss Erfolgsgeschichten hören und neue Ideen diskutieren. Ein ideales Thema für den 21. Kongress der Wirtschaftsingenieure, den wir vom 19.-21. Mai 2016, in Wien abgehalten haben. Dazu haben wir renommierte Vertreter aus Industrie und Wissenschaft eingeladen und bringen die inhaltlichen und gesellschaftlichen Höhepunkte davon in diesem Heft. Die Fachbeiträge unserer Referenten finden Sie in Form von Artikeln oder Interviews auf mehr als 20 Seiten in dieser Ausgabe. An dieser Stelle möchte ich mich bei meinem Kollegen VR Prof. DI Dr. Kurt Matyas und dem Kongressteam für die Unterstützung bei der Zusammenstellung dieses Heftes bedanken. Ich verbleibe im Namen des Redaktionsteams mit freundlichen Grüßen! Ihr Sieg fried Vössner

Ein weiteres, sehr aktuelles Beispiel dafür ist meiner Meinung nach die industrielle Revolution im 4. Anlauf. Zuerst wurde sie von der Deutschen Politik proklamiert, dann Mantra-artig von Medien, Industrie und ein wenig zögerlicher von angewandten, auf Forschungsförderungsmittel hoffenden, Wissenschaftlern wiederholt. Die Technologieanbieter stimmten, auf Umsatzrekorde hoffend, bald in den Chor derer ein, die der 4. Revolution huldigten. Voilà: die perfekte virtuelle Realität. Diese Realität ist mittlerweile gerade für die Anwender sehr ernüchternd geworden. Die Marketingfloskeln finden immer weniger Gehör und Enttäuschung greift Platz.

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Bildquelle: unbekannter Fotograf, http://www.emperornorton.net/

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TOP-THEMA: Smart Technologies Andreas Schumacher, Philip Geißler, Wilfried Sihn

Von Smart Technologies zur Smart Factory

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Die Basistechnologien der Industrie 4.0 und deren Potential

„Strategie und Richtung setzen, mit der Organisation arbeiten – und das geht nur mit den richtigen Leuten“

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Interview mit Dipl.-Ing. Dr. Georg Pölzl, Generaldirektor der Österreichischen Post AG

„Derzeit leben wir in einer ‚Transition-Zeit‘, in der sehr viel in Bewegung ist“

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Interview mit Christoph Kränkl von SAP Österreich GmbH

Kurt Hofstädter

Maschinelles Lernen

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„Ich erachte es für besonders wichtig ein Innovationsklima zu schaffen“

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Interview mit Dipl.-Ing. Dr. Sabine Herlitschka, MBA Vorstandsvorsitzende der Infineon Technologies Austria AG

„Es gibt unglaublich viele Daten, die aufgezeichnet, ausgetauscht und kommuniziert werden können“

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Interview mit Dipl.-Ing. Bernhard Fischereder von TRUMPF Maschinen Austria GmbH & Co. KG

„Kundennutzen ist unser größtes Anliegen und Technologie ist im weiteren Sinne nur ein Mittel zum Zweck“

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Interview mit Herrn Reinhard Nowak von LineMetrics

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Inhaltsverzeichnis EDITORIAL

Smart Technologies

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FÜHRUNG/PROFESSION Lisa Burgholzer Der HR Business Partner als strategischer Experte des Managements

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LEUTE/KÖPFE Dipl.-Ing. Michael Klein

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WING-INTERN

Hans-Jörg Gress 60. Geburtstag von Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Ulrich Bauer

TOP-THEMA Robert Glawar Das war der 21. Kongress der Wirtschaftsingenieure

Marie-Therese Wagner

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Impulsvorträge rund um das Thema „Smart Technologies“

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CALL FOR PAPERS

Themenschwerpunkt „Supply Management“ in WINGbusiness Heft 04/2016

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UNINACHRICHTEN

9th EPIEM Conference in Wien, 19.-21. Mai 2016

WING-PAPER

Doris Weitlaner

Felix Aumair, Florian Thome

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Smart Maintenance Services: Migration langjährig etablierter Industrieanlagen

WINGnet

Gründungsveranstaltung WINGnet Villach an der FH Villach

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IMPRESSUM

Impressum

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Alexander Haider

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FĂźhrung/Profession

Foto: Hilti

Lisa Burgholzer

Der HR Business Partner als strategischer Experte des Managements HR Management im Wandel. Ein sicherlich oft gelesener Satz, der auch in diesem Artikel einmal wieder Gueltigkeit erhaelt. Basierend auf den eigenen Erfahrungen in der Rolle eines HR Business Partners im deutsch- und englischsprachigen Raum haben sich das Aufgabenfeld und damit auch die Anforderungen an einen HR Business Partner veraendert und werden sich auch zukuenftig weiter wandeln. Anhand eines vielfach zitierten HR Rollenmodells werden im Folgenden die Schwerpunktverschiebungen an ein modernes HR Management diskutiert und moegliche Gruende hierfuer eroertert. Belege aus der Praxis liefert die eigene Erfahrung aus vierjaehriger HR Business Partner Taetigkeit. Das HR Rollenmodell von Dave Ulrich Schon 1997 hat Dave Ulrich ein HR Rollenmodell aufgestellt, welches das Aufgabenspektrum des HR Managements anhand von vier Dimensionen beschreibt und daraus vier HR Rollentypen ableitet. Laut Ulrich reicht das HR Aufgabenspektrum von einem operativen und strategischen Fokus zu weiteren Dimensionen mit Konzentration auf Prozesse und Menschen. Zwei seiner vier identifizierten Rollentypen werden im Folgenden erklaert und fuer Vergleichszwecke herangezogen. Betrachtet man rein die strategische Dimension, dann lassen sich zwei Rollentypen, der Strategic Partner und der Change Agent aus untenstehendem Modell ablesen, die auf den ersten Blick sehr aehnlich scheinen, jedoch bei ei-

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ner genaueren Analyse Unterschiede aufweisen. Waehrend der Change Agent den Fokus auf den Menschen legt und da-

mit als Begleiter und Unterstuetzer bei Veraenderungsprozessen fuer Beschaeftigte und Organisation gesehen wird, uebernimmt der Strategic Partner staerker die Rolle eines strategischen Planers, der die Prozesse im Fokus hat und stark in die Unternehmensplanung eingebunden ist (Conner, J. & Ulrich, D., 1996). Die Anforderungen an beide Rollentypen sind daher gaenzlich unterschiedlich. Das Management sowie Mitarbeiter erwarten von

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Führung/Profession einem Change Agent, dass dieser den Wandel in der Organisation mitbegleitet und steuert und somit alle befaehigt diese Veraenderung tragen zu koennen. Von einem Strategic Partner wird vornehmlich der strategische Weitblick gefordert, der gemeinsam mit dem Management die Weichenstellung fuer die Organisation legt und aktiv die Unternehmensentwicklung vorantreibt. Bedenkt man, dass sich Organisationen staendig veraenderten Marktbedingungen ausgesetzt sehen und sich diese aufgrund neuer Technologien und Globalisierung noch haeufiger veraendern, verwundert es nicht, dass sich auch die Anforderungen an ein modernes HR Management stetig aendern. Taeglich neu anzutreffende Marktbedingungen erfordern eine flexible Organisation und Mitarbeiter, die sich rasch an neue Bedingungen anpassen koennen. Daher ist auch die Nachfrage nach einem Change Agent oder Strategic Partner eine logische Schlussfolgerung. In einer Studie mit dem Titel “Die Rolle und Entwicklung des Human Resource Managements (HRM) in der DACH-Region”, die das Institut für

eine Schwerpunktverschiebung der HR Rollen in Richtung Change Agent und Strategic Partner vom Markt erwartet wurde. Gemein haben beide Rollen eine gewisse Expertenfunktion. Der Change Agent wird als Spezialist im Change Management gesehen. Der Strategic Partner ist Experte im strategischen Bereich. Hiermit sei aufgezeigt, dass sich das HR Management weg von einem generalistischen Ansatz und hin zu einem Expertenbereich entwickelt. Das bedeutet auch fuer die HR Business Partner Rolle eine Ausrichtung in eine Spezialistenfunktion. Den klassischen HR Generalisten wird es nach dieser Logik in der Zukunft so nicht mehr geben. Anhand eigener Erfahrungen kann ich diese Entwicklung nur bestaetigen. In meiner ersten HR Business Partner Position in Oesterreich liess sich eindeutig die Rolle des Change Agent wieder erkennen. Mit 2015 wurde die neue Unternehmensstrategie ausgerollt und die Anforderung, die Organisation und die Beschaeftigen fuer diesen Wandel zu befaehigen und entsprechend mit dem Management in die richtige Richtung zu steuern, wurde zum Schwerpunkt der taeglichen HR Arbeit. Dies zeigte sich in unterschiedlichen Aufgaben, wie zum Beispiel das Abhalten von Trainings, um neue TeamleiterInnen auf dem unternehmensspezifischen Personalentwicklungsprozess zu schulen. Dies spiegelt die Nachfrage nach Abb. 2: Veranderungen der HR Rollen in der DACH- einer hochkompeRegion (Covarrubias Venegas B. et al., 2013) tenten Belegschaft wider, die den neuen Personal & Organisation der FH Wien Umweltanforderungen gewachsen sein der WKW (A) in Zusammenarbeit mit sollte. Das “Fit machen” der eigenen dem Institut für Strategisches Personal- Beschaeftigten fuer Veraenderungen management der Leuphana Universität stand hier also im Vordergrund. Lüneburg (D) und der klingler consulVergleicht man dies mit der jetzigen tants ag (CH) zeitgleich in Deutschland, HR Business Partner Rolle in England, Österreich und der Schweiz (DACH) dann besteht hier vorrangig der Bedarf im Jahr 2013 durchgeführt hat, wurde nach einem Strategic Partner. Dies die inhaltliche und personelle Ausge- laesst sich durch veraenderte Rahmenstaltung der HR-Arbeit im deutschspra- bedingungen, denen sich die Organisachigen Raum untersucht (Covarrubias tion und das Management ausgesetzt Venegas B. et al., 2013) Das Ergebnis aus fuehlt, begruenden. Nach Einfuehrung der Befragung zeigt, dass bereits 2013 der Unternehmensstrategie und erster

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Ausrichtung der Organisation in die gewuenschte Richtung, gilt es nun Prozesse gezielt zu planen, um den neuen Kurs beizubehalten, aber zugleich flexibel zu bleiben, um jederzeit auf Marktveraenderungen reagieren zu koennen. Die derzeitigen HR Aktivitaeten eines HR Business Partners liegen in der strategischen Arbeit und haben entscheidenden Einfluss auf die Organisation als solche. Das Management bindet die HR Business Partner aktiv in die Unternehmensplanung ein und fordert ein strategisches Mindset sowie spezifische Handlungsempfehlungen, wie die Organisation als Ganzes zukuenftig aufgestellt sein soll. Beispielsweise wird intensiv an HR Loesungen gearbeitet welche ein inklusiveres Arbeitsumfeld fuer alle Generationen, Nationalitaeten und Gechlechter im Unternehmen schaffen soll. Auch ein proaktives Performance Management wurde eingefuehrt. Dies sind nur zwei Beispiele neben zahlreichen anderen. Das diese Rolle auch eine Expertenfunktion im Unternehmen einnimmt, laesst sich mit der Tatsache belegen, dass in der jetzigen Organisation die HR Struktur weiter ausdifferenziert ist als in Oesterreich. Anfang 2015 wurde eine HR Hub Struktur eingefuehrt, die eine Spezialisierung in unterschiedliche HR Teams zulaesst. Dies kann wiederum damit begruendet werden, dass ein Bedarf aus der Organisation bzw. aus dem Management besteht, um den komplexeren Rahmenbedingungen durch Expertenwissen noch gezielter und schneller entgegen wirken zu koennen. So gibt es ein eigenes Talente Akquirierungsteam, ein HR Shared Services Team fuer alle administrative Angelegenheiten, das Team der HR Business Partner als Strategic Partner des Managements, Verguetung und ein separates Development & Learning Team. Diese Einteilung in Spezialistenteams ermoeglicht der gesamten Organisation die bestmoegliche Expertise und Beratung zu einem spezifischen Thema und traegt zur schnellen Entscheidungsfindung bei. Und dies wiederum fuehrt zu schnellerer Handlungsfaehigkeit, was ein zeitgerechteres schnelleres Reagieren auf Umweltgegebenheiten zu laesst. Experte in seinem Gebiet zu sein und strategisch zu denken, bildet den Grundbaustein der hiesigen Unternehmensstrategie und gilt nicht nur fuer

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Führung/Profession das HR Management. Slogans, wie “Jeder im Unternehmen ist ein Stratege” unterstreichen diesen Ansatz und zeigen, dass sich jede/r MitarbeiterIn in Hilti – und damit auch im HR – als Entrepreneur im Unternehmen begreifen darf und soll. Wie bereits fruehzeitig von Ulrich erkannt, besteht ein Anspruch aus dem Business fuer ein HR Management, dass strategisch vorausplanen und mitgestalten sowie ein Fachwissen fuer die unterschiedlichen Stakeholder im Unternehmen bereitstellen kann. Insbesondere, der HR Business Partner ist heute zu einem wichtigen “Strategic Asset” des Managements geworden, um den heutigen Herausforderungen und jenen von Morgen gewachsen zu sein. Literatur: Covarrubias Venegas B., Söffker C., Klingler U. (2013). HR-Rollen im Ländervergleich -Deutschland, Österreich, Schweiz (DACH-Region), Arbeitspapierreihe Wirtschaft & Recht/Working

Paper Series in Business and Law, Nr. 17 Conner, J. & Ulrich, D. (1996). Human resource roles: creating value, not rhetoric. Human Resource Planning, Vol 19 No 3 1996, pp.38-49. Ulrich, D. (1997). Human Resource Champions. The next agenda for adding value and delivering results, Boston, Harvard Business Review Press. Autorin: Mag. Lisa Burgholzer ist seit April 2012 im Unternehmen Hilti im Bereich Human Resources beschaeftigt. Nach Abschluss des Wirtschaftsstudiums an der Wirtschaftsuniversitaet Wien mit dem Schwerpunkt Change Management and Management Development sowie International Organizational Behaviour begann sie ihre Karriere bei einem

Mag. Lisa Burgholzer HR Business Partner Sales North, Logistics and Repair in Hilti (Gt. Britain) Ltd deutschen Personalberater im Executive Search bevor sie zum Unternehmen Hilti Austria Ges.m.b.H. als Recruiterin und Lehrlingsverantwortliche wechselte. Nach einem Jahr wurde sie zum HR Business Partner weiterentwickelt. Ihr Aufgabenfeld veraenderte sich stetig, von einem anfaenglich Recruiting und Employer Branding-orientierten zu staerker arbeitsrechtlichen und Mitarbeiterentwicklungs-orientierten Aufgaben. Mit Oktober 2015 wurde sie zum HR Business Partner in England befoerdert. Ihr Schwerpunkt in England liegt dort vermehrt auf strategischen HR Taetigkeiten.

Leute/Köpfe

Dipl.-Ing. Michael Klein Michael Klein hat kürzlich die Leitung des Portfoliomanagements und der Vertriebssteuerung für Strom, Erdgas und Energiedienstleistungen in der KELAGKärntner Elektrizitäts-AG übernommen. Ziel ist es dabei mitzuhelfen, das Vertriebsgeschäft zu einem modernen Energiedienstleistungsgeschäft auszubauen. Nach seinem Studium Wirtschaftsingenieurwesen Maschinenbau an der technischen Universität Graz sammelte er erste berufliche Erfahrung in der Automobilzulieferindustrie eines international tätigen Konzernes. Michael Klein stieg danach bei der KELAG ein und war dort für den vertrieblichen Aufbau der Erdgas- und Wärmesparte des Konzerns verantwortlich. Anschließend war er für einzelne Tochterunternehmen der KELAG im In- und Ausland tätig und begleitete mehrere Merger und deren nachfolgende Integration.

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WING Intern

Fotos: BWL-Institut TU Graz

Hans-Jörg Gress

60. Geburtstag von Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Ulrich Bauer Am 22. April feierte Univ. Prof. Dipl.-Ing. Dr. Ulrich Bauer seinen 60. Geburtstag und unser Verband gratuliert dem langjährigen Vizepräsidenten dazu in großer Verbundenheit!

G

eboren in Lebing/Stmk. absolvierte Ulrich Bauer die HTL für Maschinenbau und studierte ab 1976 Wirtschaftsingenieurwesen-Maschinenbau an der Technischen Universität in Graz. Nach seinem Diplom war er als Universitätsassistent bei Prof. Veit am Institut für Betriebswirtschaftslehre und Betriebssoziologie tätig, wo er 1988 im Fachgebiet betriebliches Energiemanagement promovierte. Seine Industrietätigkeit begann Ulrich Bauer 1989 in der Personalentwicklung der Steirerbrau AG und bekleidete von 1991 bis 1997 leitende Funktionen in der STEG-Steiermärkische ElektrizitätsAG, zuletzt als Leiter Personalwesen und Öffentlichkeitsarbeit. 1997 wurde er als Universitätsprofessor an das Institut für Betriebswirtschaftslehre und Betriebssoziologie an der TU Graz als Nachfolger von Prof. Veit berufen. Als akademischer Lehrer versteht es Prof. Bauer in hervorragender Weise, die wirtschaftlich-theoretischen Grundlagen mit der praxisorientierten Anwendung zu verknüpfen und damit den Studierenden das geeignete Rüstzeug für ein erfolgreiches Wirken

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als Wirtschaftsingenieurin bzw. Wirtschaftsingenieur mitzugeben. In der Forschungstätigkeit liegt sein Fokus auf den Gebieten Controlling, Marketing Management, Personal und Beschaffung in Verbindung mit soziologischen Fragestellungen, wie Kommunikation, Motivation und Mitarbeiterführung. Auch der Weiterentwicklung der TU Graz widmete sich Prof. Bauer in besonderem Maß. Von 2000 bis 2003 als Dekan der Fakultät für Maschinenbau sowie von 2003 bis 2015 als Vizerektor für Finanzen, Personal und Beteiligungen prägte er die Kultur in der Universitätsleitung mit seiner wertschätzenden Zusammenarbeit und der Implementierung eines unternehmerischen Geistes, wie es Rektor Prof. Harald Kainz in seiner Laudatio festhielt. Dem Österreichischen Verband der Wirtschaftsingenieure ist Prof. Bauer seit seiner Zeit als Universitätsassistent aktiv gestaltend verbunden. Als Schriftleiter der Verbandszeitschrift von 1997 bis 2006 schuf er das neue Konzept des WINGbusiness, als Vizepräsident ist er seit vielen Jahren für die Finanzen des Verbandes verantwortlich. Unsere

Arbeit in der Qualitätssicherung der Ausbildungsmarke „Wirtschaftsingenieur“ unterstützt Prof. Bauer durch die „WirtschaftsingenieurInnenstudie“, in der Ausbildungslandschaft, Kompetenzprofil und Karriereweg von WirtschaftsingenieurInnen regelmäßig erhoben werden. Der Österreichische Verband der Wirtschaftsingenieure dankt seinem Vizepräsidenten Prof. Bauer für sein großartiges persönliches Engagement und wünscht ihm weiterhin erfüllte Jahre in Lehre und Forschung sowie viel Freude im Kreise seiner Familie und Freunde.

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Top-Thema

Alle Fotos: Philip Eisner

Robert Glawar

Das war der 21.Kongress der Wirtschaftsingenieure Kongressthema: „Smart Technologies- 4.0 Revolution: Umsetzung & Herausforderungen“

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ieses Jahr stand der 21.Kongress der Wirtschaftsingenieure, welcher vom 19.-21. Mai 2016 in Wien stattfand, ganz unter dem Motto: „Smart Technologies“. Der Kongress bot den zahlreichenden Teilnehmern aus Wirtschaft und Wissenschaft eine einzigartige Plattform für das Pflegen bestehender und das Knüpfen neuer Kontakte. Als Auftakt und zur Einführung in das Thema „Smart Technologies“ präsentierten Wissenschaftler der TU Wien sowie von Fraunhofer Austria, am Donnerstagnachmittag, gemeinsam mit Unternehmensvertretern in Impulsvorträgen und Praxisbeispielen künftige Herausforderungen und Entwicklungen sowie existierende Lösungen im Bereich intelligenter Technologien. Parallel zu dem Veranstaltungsauftakt fand am Donnerstag ebenfalls die 9th EPIEM Conference (European Professors of Industrial Engineering and Management) an der TU Wien statt, wo über die wissenschaftliche Zukunft des Berufs und Studienbildes „Wirtschaftsingenieurs“ in Europa diskutiert wurde. Außerdem wurde bei dem „Dreiländergipfel“ der drei Wirt-

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schaftsingenieurverbände aus Deutschland, Schweiz und Österreich über die internationale Abstimmung der Markenpolitik des Wirtschaftsingenieurs diskutiert. Die offizielle Eröffnung des Kongresses fand im Wiener Neustift am Walde in einer typischen Wiener Heurigen Atmosphäre statt. Nach einer festlichen Ansprache durch Gemeinderat Dipl.-Ing. Omar Al-Rawi konnten erste Kontakte mit den Kongressteilnehmern geknüpft werden. Der Kongresstag am Freitag fand ganz dem Kongressthema entsprechend im Konferenzraum TUtheSky an der Technischen Universität Wien im Plus-Energie-Bürohochhaus am TUCampus Getreidemarkt statt. Dabei handelt es sich um das weltweit erste Bürohochhaus mit dem Anspruch, mehr Energie ins Stromnetz zu speisen, als für Gebäudebetrieb und Nutzung benötigt wird. Und das im Zentrum einer modernen Großstadt.

Nach einer Begrüßung von Herrn Dr. Hans-Jörg Gress und einer Begrüßung von Vizerektor der TU Wien Prof. Kurt Matyas war der Kongresstag durch die Vorträge der renommierten Referenten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung geprägt. So stellten die Vortragenden Dipl.-Ing. Dr. Georg Pölzl (Österreichische Post AG), Dipl.Ing. Dr. MBA Kurt Hofstädter (Siemens AG Österreich), Mag. Christoph Kränkl (SAP Österreich GmbH), Univ. Prof. Wilfried Sihn (TU Wien & Fraunhofer Austria), Dipl.-Ing. Dr. MBA Sabine Herlitschka (Infineon Technologies Austria AG) sowie Dipl.-Ing. Bernhard

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Top-Thema Fischereder (TRUMPF Maschinen Austria GmbH & Co. KG) ihre Gedanken zu der vierten industriellen Revolution in Bezug auf Herausforderungen und konkreten Umsetzungen dar. Das Highlight des Kongress-Dinners im nahen Novomatic-Forum mitten im historischen Stadtkern von Wien war wohl die Dinner Key-Note von Reinhard Nowak (LineMetrics) zum Thema „Neue Geschäftsmodelle mit Hilfe smarter Technologie“. Darüber hinaus bot das gemeinsame Dinner eine ausgezeichnete Gelegenheit zu interessanten Fachgesprächen und zur Pflege von persönlichen Kontakten. Nachdem im Zuge des Kongresses intensiv über die Technologie der Zukunft diskutiert wurde, fand am Samstag der Ausklang der Veranstaltung mit einem technologischen Rückblick

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in die Vergangenheit statt. Im Technischen Museum Wien wurde in einer

individuellen Führung Technik auf über 22.000 m2 geboten.

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Top-Thema

Foto: Philip Eisner

Marie-Therese Wagner

Impulsvorträge rund um das Thema „Smart Technologies“ Zur Einführung in das Thema „Smart Technologies“ des 21. Kongresses der WirtschaftsINGenieure präsentierten WissenschaftlerInnen der TU Wien sowie von Fraunhofer Austria gemeinsam mit Unternehmensvertretern am 19. Mai 2016 in Impulsvorträgen und Praxisbeispielen künftige Herausforderungen und Entwicklungen sowie existierende Lösungen im Bereich intelligenter Technologien. Stärkung des Gütertransportes auf der Donau Im ersten Vortrag „Stärkung des Gütertransportes auf der Donau – Forschungsprojekt „NEWS“ | Herausforderungen des intermodalen Güterverkehrs“ berichteten Sandra Stein (TU Wien, Fraunhofer Austria) und Richard Anzböck (Ziviltechnikerkanzlei Anzböck) über das von der EU finanzierte Forschungsprojekt „NEWS“ (kurz für „Development of a Next generation European inland Waterway Ship and logistics system“). Ziel des Projekts unter der Leitung der TU Wien war die Steigerung der Gütertransporte auf Europäischen Wasserstraßen. Weniger Kosten und Emissionen, mehr Zuverlässigkeit Durch eine Reduktion der Kosten und Emissionen sowie eine Steigerung der Zuverlässigkeit sollte die Effizienz der Binnenschifffahrt gesteigert werden. Entwickelt wurden ein Schiffskonzept,

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ein logistisches Konzept sowie ein Finanz- und Businessplan. Die Ergebnisse können sich sehen lassen: Im Vergleich zu Steinklasse-Schiffen, können durch das „NEWS“-Design beispielsweise 10 % der Treibstoffkosten eingespart werden. Den Frachtraum des Schiffes gestalteten die Projektpartner so, dass sowohl Container, Projektladung, Massengut, Schwergut als auch Autos transportiert werden können. Das redundante Energie- und Antriebssystem mit zwei Propellern ist für die Nutzung in Flachwasser optimiert. Es ist modular aufgebaut und in wenigen Stunden instandzuhalten. Eine Reduktion der Betriebskosten um bis zu 20 % im Vergleich zu Steinklasse-Schiffen wird so möglich. Durch ein aktives Ballasttanksystem mit 13 Pumpen kann der Tiefgang innerhalb weniger Minuten um bis zu 0,8 m reguliert werden. Im Rahmen einer makro-regionalen Analyse wurden außerdem Schleusen, Brückenhöhen, Hafeninfrastruktur, Fahrwassertiefen, Kapazitäten und Services in Häfen betrachtet. Als vielver-

sprechendstes Einsatzgebiet des Schiffs wurde die Obere Donau zwischen Deutschland und Ungarn identifiziert. Basierend auf der makro- und einer mikro-regionalen Analyse wurde ein Routenplanungstool entwickelt, das Echtzeitwasserstände, Durchfahrtshöhen etc. für definierte Transportrouten berechnet. Sicherung der Produktqualität und Anlagenverfügbarkeit Der Vortrag „Sicherung der Produktqualität und Anlagenverfügbarkeit – Forschungsprojekt „Instandhaltung 4.0“ | Anforderungen an eine moderne Instandhaltung aus Sicht der Industrie“ wurde von Tanja Nemeth (TU Wien, Fraunhofer Austria) und Andreas Paar (Opel Wien) gehalten. Eine moderne Instandhaltung hat eine hohe Anlagenverfügbarkeit und optimale Produktqualität bei gleichzeitig reduzierten Instandhaltungsaufwänden zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit zum Ziel. Komponenten einer Anlage sollen

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Top-Thema zum richtigen Zeitpunkt, sowie abgestimmt auf das aktuelle Produktionsprogramm und Abweichungen in der Produktqualität, ausgetauscht werden. Um das zu erreichen, beschäftigt sich das Forschungsprojekt „Instandhaltung 4.0“ mit der Entwicklung eines Instandhaltungsleitstandes. Dieser verknüpft für ein optimales Ergebnis verschiedene Daten miteinander – Echtzeit-Maschinensteuerungsdaten, Condition Monitoring Daten, Vergangenheitsdaten aus dem Messraum und das historische Wissen über Ausfallereignisse. Ein im Hintergrund laufendes Reaktionsmodell verbindet eine zustands- und belastungsabhängige Lebensdauerberechnung mit statistischem Ausfallverhalten. Dieses Modell wird durch Data-Mining Methoden unterstützt, die in den gesammelten Daten Muster erkennen und Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge aufzeigen. Mit Hilfe des hinterlegten Regelwerks ist somit eine antizipative Instandhaltungsplanung möglich. Optimale Instandhaltung durch Verknüpfung von Daten Daraus ergeben sich wesentliche Vorteile: Es kann sehr genau vorhergesagt werden, wann die Anlage ausfallen wird. So können Instandhaltungstätigkeiten zum richtigen Zeitpunkt durchgeführt und damit die Zuverlässigkeit und Anlagenverfügbarkeit entscheidend erhöht sowie die Ressourceneffizienz, beispielsweise in der Ersatzteilbevorratung, gesteigert werden. Die Simulation von Belastungsverläufen erlaubt es darüber hinaus, Instandhaltungsaufwände auch für Klein- und Kleinstserien bereits vor Produktionsstart abzuschätzen. Durch Echtzeitmonitoring und eine Verknüpfung aller Daten können außerdem bereits während der Produktion Qualitätsverschlechterungen erkannt und auf diese reagiert werden. Eine bessere Qualität der Produkte wird somit ermöglicht. Das Montagesystem der Zukunft Lukas Lingitz (Fraunhofer Austria) und Wolfgang Mann (EVVA Sicherheitstechnologie GmbH) berichteten in ih-

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rem Vortrag „Das Montagesystem der Zukunft |Cyber-physikalische Montagesysteme aus Anwendersicht“ über ihr gemeinsames Forschungsprojekt. Entwickelt wird ein Cyber-physikalischesMontagesystem, das zur Beherrschung der stetig steigenden Komplexität in der Montage beitragen soll. Dieses Montagesystem wird durch den Einsatz innovativer IKT-Lösungen und Automatisierungstechniken gekennzeichnet und altersgerecht gestaltet sein, um jeden Mitarbeiter individuell nach seinen Bedürfnissen zu unterstützen. Steigende Komplexität und demografischer Wandel Aktuell fertigt EVVA aus über 60.000 Teilen mehr als 15 Produktfamilien in zig Milliarden Varianten. Das erfordert ein hohes Maß an Flexibilität und Geschwindigkeit in der Fertigung. Neben dieser Komplexität steigen auch die Anforderungen hinsichtlich kurzer Durchlaufzeiten und hoher Liefertreue. Außerdem soll die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter auch im Alter sichergestellt werden. Das Forschungsprojekt »EVVA – Montagesystem der Zukunft« begegnet den genannten Herausforderungen. Einerseits erheben und definieren die Forscher die Anforderungen an Cyber-physikalische Montagesysteme und entwickeln andererseits ein prototypisches, intelligentes und replizierbares Arbeitssystem. Neueste Industrie 4.0-Entwicklungen – etwa informationstechnische Unterstützungssysteme, mobile Werkerführungssysteme und Applikationen zur digitalen Shopfloor-Kommunikation – werden hierbei ebenso berücksichtigt wie hybride Automatisierungstechniken, elektronisch gesteuerte Materialver- und -entsorgungstechnologien und individuell auf den Mitarbeiter abgestimmte Arbeitsplatzsysteme. Die Vernetzung und Digitalisierung einer optimierten Mensch-Maschine-Interaktion steht im Fokus der Betrachtung. Neben der Ausschöpfung zukünftiger Produktionspotentiale bei EVVA soll die steigende Komplexität – vor allem in Hinblick auf die künftige Einzelstückfertigung – für alle Mitarbeiter beherrschbar bleiben und der hohe Qua-

litätsstandard in der Montage gehalten beziehungsweise gesteigert werden. Generative Fertigung in der industriellen Anwendung Der letzte Vortrag des Nachmittages „Generative Fertigung in der industriellen Anwendung – FFG-Leitprojekt AddManu.at | Herausforderungen der generativen Fertigung aus Sicht der Industrie“ wurde von Martin Schwentenwein (Lithoz GmbH) und Arko Steinwender (TU Wien, Fraunhofer Austria Research GmbH) gehalten. In der industriellen Anwendung gewinnen generative Fertigungstechnologien (im Endverbraucher-Bereich auch als »3D-Druck« bekannt) zunehmend an Bedeutung. Die Fertigungsanlagen für den industriellen Einsatz haben sich hinsichtlich Qualität, Produktivität und Prozessstabilität in den letzten Jahren stark weiterentwickelt. Zusätzlich gibt es mittlerweile ein breites Spektrum an Materialien für unterschiedliche Produktanforderungen und Einsatzgebiete. Im österreichischen FFG-Leitprojekt »AddManu – Additive Manufacturing« erforscht die TU Wien gemeinsam mit Technologie- und Industriepartnern ausschlaggebende Kriterien, um die Potenziale dieser neuen industrierelevanten Fertigungstechnologien für Österreich zu identifizieren. Das Leitprojekt widmet sich folgenden Herausforderungen: Weiterentwicklung der Generativen Fertigung und Nutzung der spezifischen Möglichkeiten in Österreich zur Etablierung einer High-TechTechnologie für kleine Losgrößen und komplexe Geometrien. Entwicklung neuer Werkstoffe und neuer Anwendungsfelder für Additive Manufacturing sowohl für Polymere, keramische und metallische Werkstoffe Entwicklung wichtiger Entscheidungsgrundlagen für den Aufbau einer Additive Manufacturing-Industrie in Österreich Leuchtturm für die nächste Zukunft für den Bereich Moderne Produktion und Schaffung internationaler Sichtbarkeit auf diesem Gebiet

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Top-Thema

Foto: IBM

Andreas Schumacher, Philip Geißler, Wilfried Sihn

Von Smart Technologies zur Smart Factory Die Basistechnologien der Industrie 4.0 und deren Potential

I. EINFÜHRUNG In den letzten Jahren ist das nationale und internationale Interesse an einem Themenkomplex der Industrie rasant gestiegen, nämlich jenem der proklamierten Vierten Industriellen Revolution – der sog. „Industrie 4.0“. So hat sich die Anzahl der Treffer für den Suchbegriff „Industrie 4.0“ auf der offenen wissenschaftlichen Suchplattform Google Scholar seit dem Jahr 2013 bis heute fast versiebenfacht (Google Scholar, Mai 2016), sowie die Treffer für den Begriff „Industry 4.0“ in der einschlägigen Wissenschaftsdatenbank Science Direct im gleichen Zeitraum sogar fast verdreißigfacht (Science Direct, Mai 2016). Diese Zahlen belegen eine inflationäre Verwendung der Begrifflichkeit und rechtfertigen somit etwa die Definition des Begriffes “Industrie 4.0“ als „Marketingbegriff der Wissenschaftskommunikation“ im Gabler Wirschaftslexikon (Gabler Wirtschaftslexikon, 2016). Der folgende Beitrag setzt daher, passend zum Thema “Smart Technologies“ des 21. Kongresses der Wirtschaftsingenieure in Wien, einen bewussten Fokus auf die Basistechnologien der Industrie

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4.0 und deren Potentiale. Aus Ingenieursicht mit dem Ziel, ein weiteres Abtriften des Zukunftsprojektes Industrie 4.0 zu verhindern und so die Realisierung der Smart Factory in Ihrem Ursprungsfeld, der produzierenden Industrie, voranzutreiben. II. DER TECHNOLOGIEASPEKT VERGANGENER INDUSTRIELLER REVOLUTIONEN Die Begrifflichkeit “Technologie“ hat ihren Ursprung im Griechischen und bedeutet „Lehre von der Handwerkskunst“, was folglich zu einer Verankerung des Begriffes im deutschen Ingenieurwesen als „Verfahrenskunde“ geführt hat (vgl. Bullinger, 1994). Im heutigen Ingenieurwesen wird diese Verfahrensbetrachtung oftmals mit dem Begriff “Technik“ in Verbindung gebracht, was wiederum eine Verschmelzung der Begriffe Technik und Technologie nach sich zog. In diesem Beitrag wird der Begriff Technologie als Umschreibung aller befähigenden Kenntnisse und physikalischer Hilfsmittel zur Lösung praktischer Probleme verstanden. Der Begriff Technik

hingegen, von uns als die Art der Anwendung von Technologien verstanden, wird in diesem Beitrag impliziert, und daher auch nicht weiter vertieft. Technologische Errungenschaften folgen, abhängig von der Granularität der Betrachtung, gut voraussagbaren Entwicklungsverläufen. Beginnend bei der feinsten Betrachtungsebene beschrieb etwa das sog. „Mooresche Gesetz“ bereits 1965, dass sich die Anzahl der Integrationsdichte der Transistoren in integrierten Schaltkreisen alle ein bis zwei Jahre verdoppelt (Moore, 1965). Eine Prognose, mit der Moore für Dekaden rechthaben sollte, und welche erst kürzlich von der Realität abweicht. Betrachtet man diese integrierten Schaltkreise in einer nächsthöheren Betrachtungsebene als Bestandteil eines größeren Systems, z.B. eines Telefons, so folgt die Entwicklung dieser Technologie ebenfalls einem Entwicklungsverlauf, etwa dem sog. S-Kurvenmodell, welches u.a. Aussagen über den Lebenszyklus einer Technologie zulässt. Der s-förmige Verlauf der Reife einer Technologie über der Zeit dauert

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Top-Thema

Abbildung 1: Gegenüberstellung der Industriellen Revolutionen (oben) und der Kondratjew-Zyklen (unten) im Normalfall einige Jahre bis zur EndReife und wurde von Abernathy und Utterback im Jahre 1975 belegt (Abernathy und Utterback, 1978). Das S-Kurvenmodell besagt, dass sich die Reife einer Technologie, in unserem Beispiel jene des konventionellen Schnurtelefons, nach seiner Einführung anfangs langsam entwickelt, bis alle Kinderkrankheiten beseitigt sind. Danach kommt es zu einer schnellen Ausnutzung des technologischen Potentials bis dieses erschöpft ist und die Weiterentwicklung wieder abflacht. Am oberen Ende der S-Kurve setzt meist eine neue, verwandte Technologie an, welche auf dem erreichten Entwicklungsstand aufsetzt. In unserem Beispiel setzte etwa die Entwicklung des Mobiltelefons auf den Erkenntnissen des Schnurtelefons auf und folgt anschließend in seiner Entwicklung einer weiteren S-Kurve (Nieto et al. 1991). Auch diese S-Kurven-Entwicklung lässt sich wieder in eine höhere Betrachtungsebene einbetten, beschrieben etwa durch die sog. Kondratjew-Zyklen (siehe Abbildung 1 - unten), auf welche sich auch der berühmte österreichische Ökonom Josef Schumpeter bei seinen Beschreibungen der Konjunkturzyklen bezog. Die Kondratjew-Zyklen besagen, dass grundlegende Paradigmenwechsel in der Gesellschaft, z.B. das Bestreben nach flächendeckender Versorgung mit Nahrung und Kleidungsmittel im 17. Jahrhundert zu Veränderungen bei Technologie-Investitionen führen, und

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somit in ca. 50-jährigen Abständen neue Technologien in den Fokus rücken (Händeler 2009). Passend zu den derzeitigen Entwicklungen hat Kondratjew in seinem Werk im Jahre 1980 einen Zyklus vorausgesagt, welcher eine Fokussierung auf Digitale Technologien beschreibt - ein Paradigmenwechsel, welcher in enger Verbindung mit der aktuellen Vision der Vierten Industriellen Revolution steht. Eine klare Basistechnologie festzumachen scheint bei dieser ausgerufenen industriellen Revolution schwerer möglich als in der Vergangenheit. So lässt

sich die Erste Industrielle Revolution in den 1780er Jahren klar auf die Mechanisierung, die Zweite um 1870 auf die Elektrifizierung, sowie die Dritte ab 1970 auf die Automatisierung zurückführen (Bauernhansl et al., 2014). Diese Vierte Industrielle Revolution baut jedoch auf einer Vielzahl von Technologien wie z.B. der Sensorik und Aktorik oder modernen Informations- und Kommunikationstechnologien und den daraus resultierenden technologischen Konzepten wie Embedded Systems oder Cyber-Physical Systems auf. Im Folgenden sollen nun jene Technologien vorgestellt und eingeordnet werden, auf welche diese stattfindende Vierte Industrielle Revolution vermutlich in Zukunft zurückgeführt werden kann. III. BASISTECHNOLOGIEN DER INDUSTRIE 4.0 Wir sprechen somit nicht mehr nur von einer dominierenden, disruptiven Technologie welche eine Revolution auszulösen vermag, sondern von mehreren sogenannten „Enabler“-Technologien, welche erst in ihrem Zusammenspiel zu revolutionsartigen Veränderungen führen. Im Fall der Industrie 4.0 lassen sich fünf Technologiefelder definieren (Abbildung 2), welche sich wiederum aus den einzelnen Enabler-Technologien zusammensetzen (Agiplan, 2015). Das Kerntechnologie-Feld der Industrie 4.0 bildet jenes der „Eingebetten Systeme“, da diese die erforder-

Abbildung 2: Die Technologiefelder der Industrie 4.0 sowie deren Technological Readiness Level (TLR) von 1 bis 9

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Top-Thema liche „Intelligentisierung“ technischer Systeme mittels Integration elektronischer Rechner in zuvor „dumme“ Objekte erlauben. Speziell auf dem Shopfloor-Level ist das Feld der „Sensorik & Aktorik“ von höchster Bedeutung, da diese Elemente jegliche Art der Vernetzung, Steuerung und Überwachung von Produktionsmaschinen sowie Auto-ID-Lösungen ermöglichen. Unter das Technologiefeld der „Kommunikation“ fallen alle Elemente zur Herstellung des drahtlosen, selbstorganisierten und echtzeitbasierten Informationsaustausch zwischen Menschen und Maschinen.“ Lösungen des Feldes „Mensch-Maschine Schnittstelle“ wie z.B. realitätserweiternde Visualisierungen oder Intuitivsteuerungen sollen helfen die Potentiale der Mensch-Maschine Kollaboration zu nutzen. Um die so entstehende Komplexität der Produktionssysteme zu beherrschen sind u.a. Elemente des Feldes „Software/Systemtechnik“ erforderlich, welche die Vernetzung und Integration der Technologien der Industrie 4.0 ermöglichen und diese durch die Nutzung entstehender Daten erweitern. Das Feld „Standards und Normung“ ist als Querschnitts-Thema zu verstehen, welches die passenden Rahmenbedingungen für die Implementierung der Smart Technologies von der Maschinen- bis hin zur Strategieebene schaffen soll. Für die Realisierung von Industrie 4.0-Anwendungen ist nun immer das Zusammenspiel von Elementen aus mehreren Technologiefeldern notwendig. So erfordert etwa der Ansatz der zustandsorientierten Instandhaltung (Instandhaltung 4.0) zumindest die Ausstattung der Produktionsmaschinen mit Sensoren, sowie das Vorhandensein von echtzeitfähiger und drahtloser Kommunikation. Des Weiteren ist eine Softwareumgebung erforderlich, welche Instandhaltungskonzepte auf Basis der erhobenen Daten erarbeitet und bereitstellt. Diese entstehende Abhängigkeit der Technologien voneinander, sowie deren notwendige Integration zur Realisierung von ganzheitlichen Industrie 4.0-Anwendungen erfordert höchste Kompatibilität der Technologien, welche oftmals nur durch einen ähnlichen Entwicklungsstand dieser zu erreichen ist (vgl. Entwicklung einer Technologie im S-Kurvenmodell).

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Die Erhebung der Entwicklungsstufe erforderlichen Enabler-Technologien einer Technologie lässt sich mit sog. mit Eigenentwicklungen auszugleichen Reifegradmodellen durchführen. Diese [Agiplan, 2015]. Dies erklärt auch die Modelle definieren Anforderungen an zögerliche Nutzung der jungen und daeine Technologie wie etwa das Vorhan- mit unreifen Technologien der Indusdensein des theoretischen Wissens über trie 4.0 vor allem in KMUs. Eine der die Technologie, die Verfügbarkeit für Kernanforderungen für die erfolgreiche die Anwender oder die Kompatibilität Realisierung der Vierten Industriellen mit anderen Technologien. Die Bewer- Revolution stellt damit die Vereinheittung des Erfüllungsgrades erlaubt letzt- lichung der Reifegrade erforderlicher endlich eine klare Aussage über die Industrie 4.0-Technologien dar. Reife dieser Technologie. Diese Reifegradbewertung der TechEin Reifegradmodell zur Bewer- nologien lässt sich in ein von Frauntung von Technologien wurde etwa hofer Austria Research bzw. der TU von der NASA entwickelt und gibt den Wien entwickeltes Industrie 4.0-ReiIst-Reifegrad auf einer neunstufigen fegradmodell einbetten, welches die Skala an (Mankins, 1995). Dieses, als Ermittlung der allgemeinen Industrie „Technology-Readiness-Level Modell“ 4.0-Reife eines Industrieunternehmens bezeichnete Framework kann nun auf erlaubt. Bei diesem Modell erfolgt die die beschriebenen Basis-Technologien Bewertung der Reife in neun Unterder Industrie 4.0 angewendet werden nehmensdimensionen (Produkte, Kunund ermöglicht den objektiven und den, Strategie, Leadership, … etc.) bekonsistenten Vergleich der einzelnen ginnend bei der Reifestufe 1 (unreif für Reifegrade. Die neun Levels reichen Industrie 4.0) bis Reifestufe 5 (sehr reif dabei von der „Beobachtung und Be- für Industrie 4.0). Das Fraunhofer-Reischreibung von Grundlagenprinzipien“ fegradmodell soll Unternehmen helfen (entspricht Technology Readyness Le- den Ist-Stand der eigenen Industrie 4.0vel 1 = TRL 1) bis hin zu einem „qua- Kompetenzen zu erheben, um so die lifizierten System mit Nachweis des nötigen Schritte zur Realisierung der, erfolgreichen Einsatzes“ (TRL 9). Als im folgenden Kapitel beschriebenen, wichtigstes Kriterium für die Einstu- smarten Fabrik zu definieren (Schumafung wird bei diesem Modell die „Zeit cher, 2015). bis zur Marktreife der Technologie“ gehandelt, was vor allem auch für die IV. SMART FACTORY UND IHR Industrie 4.0-Anwender in den Indus- WIRTSCHAFTLICHES POTENTIAL triehallen von großer Bedeutung ist. Die Anwendung des Modells auf die Die beschriebenen Technologiefelder Enabler-Technologien der angeführten und deren Elemente ermöglichen nun fünf Technologiefelder der Industrie in ihrem Zusammenspiel den Aufbau 4.0 zeigt, dass sich ein Großteil der der sog. „Smart Factory“ – dem Zielzunotwendigen Technologien noch in der Grundlagenphase befindet, was einer Einstufung in den Reifegrad-Levels TLR1 bis TLR3 entspricht. Die Verwendung von Technologien mit einem niedrigen Reifegrad ist vor allem für mittelständische Unternehmen noch problematisch, da diese nicht über ausreichend finanzielle Mittel verfügen um Technologiedefizite und damit entstehende Inkompatibi- Abbildung 3: Elemente der Smart Factory in der litäten zwischen den Industrie 4.0

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Top-Thema stand einer Fabrikhalle in der Industrie 4.0-Vision (Abbildung 3). Als grundlegendstes Element dienen die sog. „Embedded Systems“, dabei handelt es sich um die Integration von Hardware- und Softwarekomponenten in ein technisches System. Durch diese Kombination können bis dato nichtexistierende Funktionen realisiert werden (z.B. Integration einer Funkanbindung in eine Drehbank zur Abrufung von Echtzeit Daten). Ein weiterer Baustein ist das Internet, welches in diesem Zusammenhang als „Internet of Things - IoT“ oder „Internet of Services - IoS“ bezeichnet wird. Dieses erlaubt die daten- und echtzeit-basierte Integration aller Akteure über BreitbandLeitungen bzw. Funk und wird folglich zum „Internet of Everything - IoE“. Durch die so entstehende Verschmelzung physikalischer Objekte (z.B. einer CNC-Maschine) mit der virtuellen Welt (z.B. einem ERP-System) über das IoE kommt es zur Entstehung der sogenannten „Cyber-Physical Systems - CPS“ (z.B. Assistenzsysteme in der Produktion durch “Virtual Reality“). Die Beherrschung der dadurch entstehenden Systemkomplexität wird durch den Einsatz moderner Informationsund Kommunikationstechnologien (IKT) ermöglicht. Diese IKT kontrollieren das Zusammenspiel der Elemente in der Smart Factory und ermöglichen die geforderte flexibilisierte Standardisierung – ein Widerspruch, den es in der Industrie 4.0 aufzuheben gilt. Eine globale Studie des Beratungsunternehmens McKinsey&Company erhob in 2015 das generierbare wirtschaftliche Potential durch vernetzte Wertschöpfung über das „Internet of Everything“. Hierbei sei erwähnt, dass die vernetzte Wertschöpfung weltweit schon länger unter verschiedenen Bezeichnung vorangetrieben wird – etwa als „Digital Manufacturing“ in den USA. Als Resultat soll diese Vernetzung weltweit einen wirtschaftlichen Mehrwert von bis zu 11 Billionen Dollar pro Jahr, prognostiziert für das Jahr 2025, generieren. Die Grenzen zwischen modernen Technologiefirmen und traditionellen Unternehmen werden dabei verschwimmen und somit disruptive Geschäftsmodelle ermöglicht. Das größte wirtschaftliche Potential der Industrie 4.0 ist derzeit entlang der Wertschöpfungskette noch

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in Konsumentennähe zu finden – etwa im Bereich der smarten Produkte wie Smart Phones, Smart Watches oder Smart Health-Devices. Doch soll die Intelligentisierung und Vernetzung letztendlich im Produktionsbereich mit zusätzlichen 3,7 Billionen Dollar pro Jahr im Jahr 2025 vergleichsweise den größten wirtschaftlichen Mehrwert bringen (McKinsey&Company, 2015). Ermöglicht wird dies vor allem durch erhöhte Produktivität, mehr Energieeffizienz und eine Verbesserung der Arbeitsumgebung. Um diesen wirtschaftlichen Mehrwert in der Produktion realisieren zu können bedarf es neben der Implementierung smarter Technologien auch einer Änderung des Wertschöpfungsfokus. So werden derzeit noch weniger als ein Prozent der erzeugten Daten während des Produktionsprozesses aktiv strukturiert, analysiert und genutzt (CISCO, 2011). Erst die datengestützte Integration innerhalb der Smart Factory vom Shopfloor bis zur Strategieebene, sowie die horizontale Integration in der entstehenden Wertschöpfungslandschaft erlauben das volle Potential der, bis dato als Insellösungen bestehenden, smarten Technologien zu nutzen. V. SCHLUSSBEMERKUNG Anhaltende Diskussionen, ob Industrie 4.0 als Vision einer futuristischen Wertschöpfung, oder als Mission zur Erhaltung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit zu verstehen ist sind letztendlich nebensächlich. Ebenso wie künstlich angeheizte Debatten über den revolutionären oder doch nur evolutionären Charakter der anstehenden Veränderungen der industriellen Wertschöpfungslandschaft. Das deutsche Zukunftsprojekt „Industrie 4.0“ dient, abgesehen von aller Kritik, der Kanalisierung der technologischen Weiterentwicklungen und schafft so u.a. die nötige Kommunikationsgrundlage für Industrie, Wissenschaft und staatliche Entscheidungsträger. Zu dieser Schaffung von allgemeinverständlichen Beschreibungen des Themenkomplexes wollen wir mit der Einordung und Bewertung der EnablerTechnologien beitragen und so dort Bewusstsein schaffen wo die Industrie 4.0-Vision Ihren Ursprung nahm, in den Fabriken und Produktionsstätten.

Literatur: Abernathy, W.J., Utterback, J.M., 1978. Patterns of Industrial Innovations. Technology Review. Bauernhansl, T., Ten Hompel, M., Vogel-Heuser, B. (Eds.), 2014. Industrie 4.0 in Produktion, Automatisierung und Logistik: Anwendung, Technologien, Migration. Springer Vieweg, Wiesbaden. Bischoff, J., Taphorn, C., Wolter, D., Braun, N., Fellbaum, M., Goloverov, A., Ludwig, S., Hegmanns, T., Prasse, C., Henke, M., ten Hompel, M., Döbbeler, F., Fuss, E., Kirsch, C., Mättig, B., Braun, S., Guth, M., Kaspers, M., Scheffler, D., 2015. Studie - “Erschließung der Potenziale der Anwendung von Industre 4.0 im Mittelstand.” Agiplan GmbH, Fraunhofer IML, ZENIT GmbH. Bullinger, H.-J., 1994. Einführung in das Technologiemanagement Modelle, Methoden, Praxisbeispiele. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden. Devezas, T.C. (Ed.), 2006. Kondratieff waves, warfare and world security. IOS Press, Gazelle Books, distributor, Amsterdam : Lancaster. Evans, D., 2011. Das Internet der Dinge So verändert die nächste Dimension des Internet die Welt. CISCO - Whitepaper. Gabler Wirtschaftslexikon, 2016. Definition Begriff “Industrie 4.0.” Google-scholar, 2016. Trefferanalyse “Industrie 4.0” von 2013 -2015. Händeler, E., 2009. Kondratieffs Welt: Wohlstand nach der Industriegesellschaft, 4.Aufl. ed. Brendow, Moers. IBM - Industrie 4.0, n.d. Beitrags-Titelbild. www.ibm.com. Kagermann, H., Wahlster, W., Helbig, J., 2013. Deutschlands Zukunft als Produktionsstandort sichern. Umsetzungsempfehlungen für das Zukunftsprojekt Industrie 4.0- Abschlussbericht des Arbeitskreises Industrie 4.0. DFKI und Deutsche Post. Mankins, J.C., 1995. Technology Readiness Levels. NASA, Washington. McKinsey & Company, 2015. The Internet of Things: Mapping the Value Beond the Hype. Moore, G.E., 1965. Cramming more components onto integrated circuits. Electronics Volume 38. Nieto, M., Lopéz, F., Cruz, F., 1998. Performance analysis of technology using the S curve model: the case of digital

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Top-Thema signal processing (DSP) technologies. Technovation 18, 439–457. doi:10.1016/ S0166-4972(98)00021-2 Schumacher, A., Erol, S., Sihn, W., 2015. Whitepaper - Development of a Maturity Model for assessing the Industry 4.0 Maturity of Industrial Enterprises. Wien. Science direct, 2016. Trefferanalyse “Industry 4.0” von 2013 - 2015. Autoren: Dipl.-Ing. Andreas Schumacher ist als Projektassistent am Institut für Managementwissenschaften (Fachbereich Betriebstechnik und Systemplanung) der Technischen Universität sowie als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Fraunhofer Austria Research GmbH tätig. Sein Studium absolvierte er an der TU Wien in der Studienrichtung Wirtschaftsingenieurwesen-Maschinenbau. Der inhaltliche Schwerpunkt auf Lehrseite liegt im Bereich des Produktions- und Qualitätsmanagement. Auf Forschungsseite liegt der Fokus auf der Implementierung der neuartigen Konzepte des “smart manufacturing“ (Industrie 4.0), sowie der Konzeption und Anwendung von Reifegradmodellen zur Firmenbewertung in diesem Bereich Philip Geißler ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Geschäftsbereich Produktions- und Logistikmanagement der Fraunhofer Austria Research GmbH tätig. Er absolviert derzeit sein Studium an der TU Wien in der Studienrichtung Wirtschaftsingenieurwesen-Maschinenbau. Sein Schwerpunkt liegt im Bereich des „smart manufacturing“ (Industrie 4.0). Der inhaltliche Fokus liegt bei der Erarbeitung von

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Vorträgen und Beiträgen zur Schaffung von Bewusstsein in Industrie und Wissenschaft für das Thema der Industrie 4.0. Univ.-Prof. Prof. eh. Dr.-Ing. Dr. h.c. Dipl.Wirtsch.-Ing. Wilfried Sihn ist seit 2004 Professor am Institut für Managementwissenschaften und seit 2016 Institutsvorstand. Von März 2009 bis Dezember 2010 war er turnusmäßig Vorstand des vorgenannten Institutes; Professor Sihn war stellvertretender Institutsleiter am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) in Stuttgart, und ist Geschäftsführer von Fraunhofer Austria seit Dezember 2008. Professor Sihn ist seit mehr als 25 Jahren im Bereich der angewandten Forschung und Beratung tätig. Seine Schwerpunkte liegen im Bereich Produktionsmanagement, Unternehmensorganisation, Unternehmenslogistik, Fabrikplanung, Auf-

Dipl.-I ng. Andreas Schumacher Projektassistent an der TU Wien, wissenschaftlicher Mitarbeiter Fraunhofer Austria Research GmbH

Philip Geißler Wissenschaftlicher Mitarbeiter Fraunhofer Austria Research GmbH

Univ.-Prof. Prof. eh. Dr.-Ing. Dr. h.c. Dipl.-Wirtsch.-Ing. Wilfried Sihn Prof. und Institutsvorstand am Inst.f. Managementwissenschaften, TU Wien; GF Fraunhofer Austria Research GmbH tragsmanagement und Geschäftsprozessoptimierung. Professor Sihn trug maßgeblich zur konzeptionellen Entwicklung der Fraktalen Fabrik bei.

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Top-Thema

Fotos: © Österreichische Post AG

„Strategie und Richtung setzen, mit der Organisation arbeiten – und das geht nur mit den richtigen Leuten“ Interview mit Dipl.-Ing. Dr. Georg Pölzl, Generaldirektor der Österreichischen Post AG

Herr Pölzl, die Post AG ist, wie man in den letzten Jahren gesehen hat, ein besonders erfolgreiches Unternehmen. Woran liegt das Ihrer Meinung nach? Eine große Herausforderung, die die Post gerade sehr gut bewältigt, ist die Zusammenarbeit über verschiedene Bereiche hinweg. Die Post war – bevor ich in das Unternehmen kam – traditionell in drei Bereiche gegliedert: Den Briefbereich, den Paketbereich und den Filialbereich. Das waren sozusagen drei Silos und die große Herausforderung bestand und besteht auch heute noch darin, gemeinsame Lösungen zu finden, die bereichsübergreifend sind. Eine mögliche Lösung sind zum Beispiel die Selbstbedienungsstellen, bei denen die Leute ihre Post Tag und Nacht abholen können. Solche Lösungen sind keine Raketenwissenschaft, jedoch erfordern sie eine übergreifende Zusammenarbeit mehrerer Bereiche und ein gewisses Maß an organisatorischem Talent. Was ich leider sehr häufig gesehen habe, ist, dass in vielen Unternehmen

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die Kreativität und die Umsetzung von guten Ideen durch vorherrschendes „Silodenken“ gehemmt wird. Gerade für ein Unternehmen wie die österreichische Post AG wird der Begriff Logistik 4.0 sicherlich immer wichtiger. Was tun Sie um zukünftigen Herausforderungen in diesem Bereich begegnen zu können? In der DNA des Unternehmens ist das Thema „Suche nach Neuerungen und Innovation“ fest verankert. Ich weiß, es gibt eine riesige Diskussion darüber, wie Innovation organisiert werden sollte. Einige verlangen nach einer eigenen Innovationsabteilung, andere nach einem Startup-Campus und wieder andere wollen das Innovationsmanagement komplett auslagern. Ich predige, so oft es mir möglich ist, dass Innovation nur von den Leuten selber kommen kann. Und hierbei lege ich mein Augenmerk besonders auf die Führungskräfte, da ich der Überzeugung bin, dass jede Führungskraft nur dann gut sein kann,

wenn sie Neuerungen und frischen Wind in ein Unternehmen bringt. Gerade die Geschäftsprozessinnovationen: Woher sollen die kommen, wenn nicht direkt von den Leuten, die Experten auf ihren Gebieten darstellen? Dabei rede ich nicht von einem betriebsblinden Experten, sondern von einer Person, die um die Welt reist, am Puls der Zeit ist, was Technik und Prozessverständnis betrifft und sich in weiterer Folge von neuen Lösungsansätzen inspirieren lässt. Wenn dann Ideen gefunden werden, muss man auch offen sein, das in unterschiedlichen Organisationseinheiten abzubilden und z.B. ein Startup zu gründen. Im Vortrag erwähnten Sie, dass eines der künftigen Projekte der elektronische Postkasten ist, der es ermöglichen soll, RSb Briefe und andere amtliche Dokumente ähnlich einem E-Mail-Postfach zu empfangen. Wie wollen Sie solche Projekte umsetzen? Wie wollen Sie auch ältere Generationen, die eventuell nicht so techni-

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Top-Thema kaffin sind, überzeugen, auf solche Dienste umzusteigen? Wir setzen hierbei durchaus auf duale Lösungen. Ich will nicht alle dazu bekehren, nur noch digitale Briefe empfangen zu können. Mir ist es besonders wichtig, dass bei allen Lösungen der Kunde entscheiden kann, wie er es gerne hätte. Als Beispiel würden mir hier Kreditkartenfirmen einfallen. Sobald man bei diesen eine E-Mail-Adresse hinterlässt, sparen die sich die Druckkosten und senden alles per Mail. Zu Lasten des Überblicks, der Kontrolle und des Kunden. Bis der Gesetzgeber dieser Praktik einen Riegel vorgeschoben hatte, konnte man dagegen nicht einmal etwas tun. So etwas muss man sich nicht gefallen lassen. Wenn man Post auf der anderen Seite nur per E-Mail haben möchte, dann wollen wir natürlich die Rahmenbedingungen schaffen, um dem Kundenwunsch zu entsprechen. Es wurde von Ihrer Seite häufig das Thema der steigenden Anforderungen durch die Kunden erläutert. Wie glauben Sie, können diese auch in Zukunft noch erfüllt werden? Gerade im Onlinehandel, und das halte ich für besonders interessant, haben wir die Erfahrung gemacht, dass die Leute die Dinge, die sie bestellen, so schnell wie möglich haben wollen. Die gerade aufkommenden 1-StundenZustellungen werden zum Ende des Tages sicher kommen. Es wird sich künftig die Frage stellen, wie viel diese Dienste dem Kunden wert sind, mehr zu bezahlen. Man darf natürlich nicht vergessen, dass durch diese Art von Service erhebliche Kosten entstehen. Man nehme das Beispiel Lebensmittelzustellung: Wenn Sie heute einkaufen gehen, haben Sie eine Anfahrtszeit, dann eine Kommissioniertätigkeit und dann wieder eine Anfahrtszeit zurück an Ihren Wohnort. Wenn Sie hingegen eine Lebensmittelzustellung wählen, bleiben Sie zu Hause, sparen Zeit und erwarten, dass all die Dinge, die Sie auf die Liste geschrieben haben, so schnell wie möglich und vor allem zu geringen Mehrkosten bei Ihnen ankommen. Man darf an dieser Stelle jedoch nicht vergessen,

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dass all jene kostenintensiven Geschäftsprozesse, die Sie einsparen, an jemand anderem – lassen Sie es mich salopp ausdrücken – hängen bleiben. Das ist für Riesen wie Amazon kein großes Problem. Für kleine Einzelhändler nimmt es jedoch einen Teil des Umsatzes weg. Der langen Rede kurzer Sinn: Irgendwann werden diese Bestellungen Geld kosten, da es sich um Tätigkeiten handelt, die mit sehr viel Aufwand verbunden sind. Was erwarten Sie vom Wirtschaftsingenieur der Zukunft? Was muss dieser mitbringen, um erfolgreich zu sein? Also zuerst einmal sei zu erwähnen, dass ich davon ausgehe, dass eine Person das Rüstzeug hat, logisch und analytisch zu denken, wenn sie von einer technischen Universität kommt und zusätzlich etwas Technisches studiert hat. Das wäre die eine Sache. Die zweite Sache sind vor allem Einsatzbereitschaft und auch Teamfähigkeit. Kurz und bündig gesagt: Die Social Skills sind essentiell. Was ein Unternehmen gar nicht brauchen kann, sind Personen, die Arroganz, Überheblichkeit und Egoismus mitbringen. Also wie gesagt: Eine gewisse Arbeitshaltung und ein Interesse sind uns – und sicher auch anderen Unternehmen – besonders wichtig. Insbesondere junge Leute müssen für das, was sie tun, brennen. Und die Erfahrung hat gezeigt, dass gute Leute leicht zu motivieren und zu begeistern sind. Zum Abschluss würde ich gerne wissen, welche Fehlerquellen Sie speziell in Ihrem Geschäftsbereich häufig sehen. Wie glauben Sie, könnten diese vermieden werden? Fehlerquellen gibt es ja, wie sicherlich bekannt ist, mehr als genug. Deswegen würde ich die Frage gerne anders herum formulieren: Was muss man denn richtig machen, um Erfolg zu haben? Es gibt in diesem Bereich 3 Themenkreise, wobei ich diese ganz

Dipl.-Ing. Dr. Georg Pölzl Vorstandsvorsitzender und Generaldirektor der Österreichischen Post AG bewusst nicht nummeriere, da viele der Meinung sind, dass es auch in einer anderen Reihenfolge funktioniert. Zunächst wäre das Element Strategie zu nennen und zu diesem Bereich könnte ich nun einen Vortrag halten, der sicher den ganzen Tag dauert. Hier bauen wir auf den auch im Vortrag erwähnten vier Säulen auf: der Verteidigung der Marktführerschaft, dem profitablen Wachstum, der Effizienzsteigerung und der Kundenorientierung und Innovation. Diese Strategie, die wir bereits im Jahr 2009 entwickelt haben und seither verfolgen, wird dann durch mehrere strategische Programme mit Leben befüllt. In diesen Bereichen kann man einiges gut aber auch jede Menge Fehler machen. Als nächstes nenne ich immer die Bemühung, dass die Organisation auch das leistet, was erwartet wird oder durch die Strategie festgelegt wurde. Es gibt Unternehmen, deren Namen ich jetzt nicht nennen will, die wunderbar theoretisch sind aber unfähig, Projektmanagement zu betreiben. Diese Organisationen wird es auf Dauer nicht geben. Das heißt kurz und prägnant, dass man sich um das Gesamtsystem kümmern muss, das häufig sehr komplex ist und auch nicht immer einheitliche Ziele vorweist. In diesem Bereich gibt es einige Tugenden wie zum Beispiel Teamfähigkeit oder das Vermeiden von „Silobildungen“. Den letzten der drei Themenkreise bilden die Menschen. Man muss sich unbedingt mit den einzelnen Personen im Unternehmen beschäftigen. Ich sage immer ganz stolz, dass ich das beste Führungsteam von Österreich hinter mir habe. Ob das stimmt weiß ich zwar nicht, aber zumindest der Anspruch ist es. Die Post hat in den letzten Jahren einen Imagewandel erlebt. Wie ich zur

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Top-Thema Post gegangen bin, haben mich viele gefragt, wieso ich mir das antue. Heute haben wir viele Mitarbeiter, die aus bekannten Beratungsfirmen kommen und die begeistert sind, für die Post arbeiten zu können. Wir beschäftigen uns also persönlich mit den Menschen, was vor allem in einer alljährlichen Beurteilung gipfelt, in der die Führungskräfte unter dem Vorstand direkt von diesem bewertet werden. Um all das, was ich nun erzählt habe, noch einmal zusammenzufassen: Wir haben eine Zerlegung in drei Komponenten: Strategie und Richtung setzen, mit der Organisation arbeiten, und das geht nur mit den richtigen Leuten. Da-

rauf muss unser Fokus liegen, weil zufällig passiert nichts. Dipl.-Ing. Dr. Georg Pölzl Vorstandsvorsitzender und Generaldirektor der Österreichischen Post AG Georg Pölzl ist seit 1. Oktober 2009 Vorstandsvorsitzender und Generaldirektor der Österreichischen Post AG. Georg Pölzl geht einen konsequenten, wirtschaftlichen und serviceorientierten Weg, das Unternehmen Post in der Marktliberalisierung erfolgreich auf Kurs zu halten sowie fit für die Zukunft zu machen. Ausgehend von der starken Position in Österreich ist die Strategie der Österrei-

chischen Post auf folgende Eckpunkte klar ausgerichtet: Sicherung und Ausbau der Marktführerschaft in Österreich sowie Wachstum in definierten Märkten insbesondere im Bereich Paket & Logistik, laufende Effizienzsteigerung und Flexibilisierung der Kostenstruktur sowie konsequente Kundenorientierung und Innovation in allen Tätigkeitsbereichen. Als Basis für die Unternehmenskultur wurde das Leitbild der Post gemeinsam mit den Mitarbeitern und Führungskräften entwickelt. Es beschreibt die Werthaltungen für den Umgang miteinander, mit Kunden, Geschäftspartnern und Aktionären.

Call for Papers Themenschwerpunkt: „Supply Management“ in WINGbusiness 04/2016 Beschreibung: Beschaffungsmanagement leistet in Unternehmen einen wesentlichen Beitrag zur Steigerung von Wettbewerbsfähigkeit und Profitabilität. Buyer-Supplier Relationshipmanagement, nachhaltige Lieferantenentwicklung, Innovation von und mit Lieferanten, Lieferantenbewertung und -controlling, Lieferantennetzwerkmanagement, Supplier Risk Management oder Supplier Intelligence sind nur einige der aktuell vieldis-

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kutierten Themenbereiche in Theorie und Praxis. Heft 4/2016 widmet sich deshalb dem Thema „Supply Management“ und den damit verbundenen Herausforderungen speziell für Technologieunternehmen. Wir laden Sie herzlich ein, Beiträge zu diesem Themenschwerpunkt einzureichen. Beiträge können entweder als Praxisbericht oder in Form eines wissenschaftlichen Papers mit Reviewverfahren (Er-

gebnisse des Reviews erhalten Sie 4-8 Wochen nach Ende der Einreichfrist) übermittelt werden. Hinweise für AutorInnen: Autorenrichtlinien sind unter http:// www.wing-online.at/de/wingbusiness/medienfolder-anzeigenpreise/ abrufbar. Bitte senden Sie Ihre Beiträge als PDF-Datei an office@wing-online.at. Einreichfrist 30.08.2016

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Top-Thema

Foto: SAP; Bill McDermott, CEO SAP

„Derzeit leben wir in einer ‚Transition-Zeit‘, in der sehr viel in Bewegung ist“ Interview mit Christoph Kränkl von SAP Österreich GmbH Wo stehen wir Ihrer Meinung nach in der Digitalen Transformation?

weise große Unternehmen mit entsprechendem Marketing Etat.

In welche Richtung wird sich die Produktionsplanung in der Zukunft entwickeln?

Ich denke, dass die Digitale Transformation eine der ganz großen Veränderungswellen ist, die in den nächsten Jahren – auch gesellschaftlich gesehen – auf uns zukommen werden. Derzeit leben wir in einer „Transition-Zeit“, in der sehr viel in Bewegung ist.

Wenn Sie mich fragen, wie viel kommt noch auf uns zu, dann würde ich sagen, wir sind bei den ersten Schritten, bei so ca. 10 % des Weges.

Der erste Begriff, der mir zu dieser Frage in den Sinn kommt, ist „Lot Size of One“. In diese Richtung werden wir uns entwickeln – also höchst individualisiert aber wesentlich schneller als bisher. Geschwindigkeit wird eine ganz entscheidende Komponente sein. Einen weiteren Einfluss wird die Individualisierbarkeit der Produkte haben. Dabei meine ich nicht die bereits erwähnte „Lot Size of One“, denn das ist ein produktionstheoretischer Begriff, sondern von der Kundenseite den Produktionsprozess bis ganz nach vorne zur Kundenkonfiguration zu ziehen. Sie können demnach im Internet aussuchen was Ihr „Device“ kann, drücken auf einen Knopf und in zwei Tagen ist besagtes Ding bei Ihnen. An dieser Stelle bin ich dann in weiterer Folge wieder bei meinen Geschäftsprozessen, die rund um die Fertigung liegen und die einen ganz entscheidenden Einfluss auf das Thema haben werden.

Früher wurden große Technologietrends immer von großen Technologiefirmen geprägt. Die Phase, die derzeit im Gang ist, ist eine, die nicht mehr am Device hängt, sondern eine Veränderung, die über die Prozesse und Anwendung kommt. Diese Prozedur findet nicht mehr wie früher von oben nach unten, also von großen Firmen auf kleine, statt. Ganz im Gegenteil: Es wird großer Druck von Startups und anderen kleinen Einheiten nach oben ausgeübt. Das ist eine durchaus spannende Situation. Auf der einen Hand gibt es große Technologieunternehmen, die neue Technologien bringen. Auf der anderen Hand gibt es ganz viele Menschen, die eben genau aus dieser Technologie dann etwas machen. Dass diese Ergebnisse häufig nicht so leicht sichtbar sind, liegt daran, dass Startups nicht so stark auftreten wie vergleichs-

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Welchen Herausforderungen werden sich die Technologieunternehmen durch die Digitale Transformation stellen müssen? Was müssen Lösungsansätze beinhalten? Zuerst einmal Flexibilität. Ein Unternehmen der Zukunft muss sehr flexibel und dynamisch agieren können. Auch das Thema Simplifizierung wird eine große Rolle spielen. Das „Einfacherwerden“ muss sich hier auf mehrere Dimensionen beziehen: Zum einen technologisch einfacher – Produkte müssen zum Beispiel einfacher werden. Aber auch ich als Firma muss einfacher erreichbar und durchlässiger sein. Hierfür wird es maßgeblich sein, Netzwerkknoten zu errichten. Es muss im Grunde ein Netzwerk aufgebaut werden, in dem ich mit kleinen Unternehmen, großen Unternehmen, Kunden, Studenten, Forschungsinstituten etc. in einen Verband komme. Das sehe ich als ganz große Herausforderung, der wir in Zukunft begegnen werden.

Um gleich bei dem Thema zu bleiben möchte ich das Internet der Dinge, oder auch Internet of Things, wie es häufig genannt wird, erwähnen. Welche neuen Geschäftsmodelle werden entstehen? Was

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Top-Thema muss getan werden, um diesen derzeit angestrebten maximalen Nutzen erreichen zu können? Wir haben in diesem Bereich zwei ganz große Gruppen bzw. Bereiche. Die erste Gruppe beschäftigt sich mit „Predictive Maintenance“, also vorrauschauender Instandhaltung und auch mit den Produktionsprozessen. Die zweite Gruppe beschäftigt sich mit „Location Based Services“ und „Logistics Services“ etc., also der Nachverfolgung von Bewegungen entlang der Supply Chain. Idealzustand wäre natürlich, wenn Sie Ihr Produkt mit einem Sensor versehen können, der sämtliche Informationen in sich trägt. Wenn Sie also ein Geschäftsmodell entwickeln können, in dem die Applikation Ihres Produkts der Kern wird, den die Menschen brauchen und lieben, dann haben Sie den Jackpot geknackt. Wenn Sie Produkte herstellen, die keine embedded Chips vertragen, ich nenne da immer das Beispiel von Scharnierbändern, dann können sie darauf achten, dass alle anderen Prozesse optimal sind. Den Jackpot haben Sie jedoch nicht gewonnen. Den kriegen Sie nur, wenn in Ihrem Produkt durch die Digitalisierung ein Mehrwert entsteht. Wie startet ein Unternehmen Innovationsprozesse und wie schafft es ein Unternehmen Ihrer Meinung nach, stetig innovativ zu sein? Diese Frage kann ich nur aus der Sicht beantworten, wie wir bei diesem Thema vorgehen. Zuerst möchte ich erwähnen, dass wir ein fantastisches Innovationsmanagement-Produkt am Markt haben, welches cloud-basiert funktioniert und den Prozess der Innovation begleitet. In diesem Bereich gibt es natürlich standardisierte Prozesse, die eingehalten werden müssen. Zweitens haben große Konzerne wie wir Trendscouts, die auf den Märkten nach passenden Innovationen suchen. In diesem Bereich „screenen“ wir als Unternehmen im Monat zwischen 60 und 80 Startups und suchen gezielt nach Ideen, die zu uns passen. Dazu muss erwähnt werden, dass unser primärer Investitionsfokus darauf liegt, welche Innovationen der Digitalisierung dienen. Natürlich haben wir auch Innovationsentwicklung aus eigener Kraft, aber die richtigen „Game Changer“ bekommt

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man normalerweise durch Zukäufe, da besonders große Organisationen große Veränderungen häufig nicht zulassen. Eigene Innovation ist sicherlich gut – nachdem wir aber ein Unternehmen sind, das „Supporting Technology“ anbietet, ist unser Ziel eher, den Kunden zu Innovation zu verhelfen. Hierfür haben wir spezielle „Innovationslabs“, in denen wir versuchen, mit den Kunden in Innovationsprozesse zu gehen. Nun zum Thema Forschung und Entwicklung: Welchen Stellenwert hat die Forschung in Ihrem Unternehmen? Sehen Sie diese als einen der Kernbausteine Ihres Unternehmens? Kern des Programmes sind eigentlich so gesehen zwei, eher drei Elemente, die wir bei uns eingeführt haben, um im Bereich F&E voranzukommen. Hauptkern sind natürlich Forschungseinrichtungen. Das heißt, wir arbeiten eng mit Instituten von Universitäten etc. zusammen. Diese werden von uns nahezu „for free“ mit unserer Technologie versorgt, die in weiterer Folge auch den Studenten für Entwicklungszwecke zur Verfügung steht. Das zweite Element stellen vielerlei von uns angebotene Programme dar, die speziell auf eine Beteiligung von Studenten abzielen. In diesem Bereich gibt es viele Wettbewerbe, bei denen wir auch versuchen „Design Thinking“ zu implementieren, um Einblicke in das Konzept zu ermöglichen und zusätzlich den Studenten die Chance zu geben, damit zu arbeiten. Als dritten Baustein sehen wir dann unsere Startup-Hubs, in denen wir Startups die Möglichkeit geben, neue Dinge auszuprobieren, um innovative Lösungen für Problemstellungen zu finden. Welche Anforderungen stellen Sie an die Ausbildung der Zukunft, um den Herausforderungen, die uns in nächster Zeit bevorstehen, gewachsen zu sein? Sehr gute Frage. Ich bin der Meinung, und da sind Sie als zukünftiger Wir t schaf t singenieur gleich das beste Beispiel, dass die Ausbildung der

Zukunft eine duale Ausbildung sein sollte. Wir sagen immer, dass wir im Bereich der Industrie 4.0 Leute brauchen werden, die einerseits nicht mehr allzu tief im Detail in die Technik hineinblicken, jedoch ein fundiertes Wissen über die Gesamtlösung haben, also über die Module, die wir zusammenstecken müssen, um Problemstellungen zu lösen. Es geht also primär darum, diese zukünftigen Wertschöpfungsketten zu bauen ohne dabei allzu tief ins technische Detail zu gehen. In den Veränderungsprozessen zu wissen, welche Leistungsmodule, z.B. einer IT, kann ich zusammenbauen, um daraus etwas Neues zu generieren – das wird die Aufgabe darstellen, die wir zu lösen haben werden. Das ist dann genau diese Kombination aus Ingenieurwissen, also dem Wissen um die Vorgänge, gepaart mit einem wirtschaftlichen Verständnis über die Kernprozesse innerhalb eines Unternehmens. Diese ideale Kombination ist dann das, was unserer Meinung nach in der Zukunft gesucht wird. Christoph Kränkl Geboren 24. März 1965, Verheiratet, 2 Söhne mit 24 und 22 Jahren. Akademische Ausbildung: 1985-1989 Wirtschaftswissenschaftsstudium, durch Berufseinstieg abgebrochen. 1989-1991 Hochschullehrgang Akademisch geprüften Markt und Meinungsforscher. Beruflicher Werdegang: Christoph Kränkl begann seine Karriere bei Siemens Nixdorf im Jahre 1990. Danach folgte die Tätigkeit als Investmentmanager in ein einem Startupfund, Management Funktionen bei T-Systems und Microsoft. Derzeit ist er als Sales Manager für die Industrie bei SAP Österreich Tätig.

Mag. Christoph Kränkl Sales Director Manufacturing SAP Österreich GmbH

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Top-Thema

Foto: Siemens Österreich AG; 4:1 Endstand: Im Kräftevergleich zwischen Mensch und Computer hat die Google-Software AlphaGo in fünf Spielen überraschend den Spitzenspieler Lee Sedol im asiatischen Brettspiel Go besiegt. Das Spiel ist für Computer wesentlich komplexer als Schach.

Kurt Hofstädter

Maschinelles Lernen Maschinelles Lernen eröffnet der Industrie noch nie da gewesene Möglichkeiten. Die Basis sind Sensoren, die sich in enormem Ausmaß verbreiten und an Leistung gewinnen. Sie stellen immer mehr Daten zur Verfügung, lokal und in Netzwerken. Dank ausgeklügelter Lösungen können Maschinen diese Daten heute nicht nur intelligent nutzen, sondern auch aus ihnen lernen.

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ie Palette lernender biologischer Systeme in der Natur ist breit: Sie reicht vom Fadenwurm mit seinen rund 300 Nervenzellen bis zum Gehirn eines erwachsenen Elefanten mit 200 Milliarden Neuronen. Doch ob es sich um die Neuronen von Fruchtfliegen oder Kakerlaken, von Schimpansen oder Delfinen handelt: Sie alle verarbeiten und übermitteln Informationen. Der Grund dafür ist in der Biologie immer derselbe. Um Gefahren zu vermeiden und den Erfolg des eigenen Überlebens und der Fortpflanzung zu sichern, müssen alle Organismen ihre Umwelt wahrnehmen und auf sie reagieren. Außerdem müssen sie sich an die Reize erinnern können, die Risiko oder Belohnung anzeigen. Lernen ist also eine Voraussetzung für das Überleben in der Natur, ein ehernes Gesetz. Das gleiche eherne Gesetz gilt mittlerweile jedoch nicht mehr nur in der Natur, sondern zunehmend auch in künstlichen Systemen. Auch sie werden lernfähig, und dies kann zur Optimierung verschiedenster Abläufe beitragen. Laut Dr. Volker Tresp, Informatikprofessor an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Experte für maschinelles Lernen bei Siemens, gibt es drei Arten des Lernens: durch Erinnerung (etwa an bestimmte Fak-

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ten), über Fähigkeiten (wie einen Ball werfen) und durch Abstraktion (zum Beispiel das Ableiten von Regeln aus Beobachtungen). Computer, die auf dem ersten Feld bereits wahre Genies sind, holen nun auch in den anderen beiden enorm schnell auf. Deep Learning Systems brechen Rekorde Was wird in Zukunft möglich sein? Mit steigender Leistung und einer wachsenden Zahl von Sensoren eröffnen sich enorme Chancen, vor allem in der Industrie. Immer mehr Daten werden lokal und über Netzwerke zugänglich. Doch damit sich aus dieser Datenflut ein Nutzen ziehen lässt, müssen sie intelligent analysiert werden. Das heißt, man muss über das Wissen verfügen, wie die Geräte und Anlagen funktionieren und mit welcher Sensorik und Messtechnik man an die wirklich nützlichen Daten herankommt. Dieses „Internet der Dinge“ verändert nicht nur die Industrie grundlegend, sondern auch die gesamte Infrastruktur: zum Beispiel Verkehrssysteme, bei denen Autos miteinander und mit Verkehrsleitzentralen in Kontakt sind, sich selbst steuernde Industrieanlagen oder intelligente Gebäude.

„Maschinelles Lernen spielt bei der Entwicklung neuer Smart-Data-Anwendungen eine wichtige Rolle“, erklärt Tresp. Anders als bei rein statistischen Verfahren, deren Fokus auf den interpretierten Parametern liegt, oder dem Data Mining, bei dem in erster Linie Muster im Datenmeer erkannt werden, liefern Verfahren des Maschinellen Lernens, wie beispielsweise künstliche neuronale Netze, Vorhersagen, die zu automatisierten Entscheidungen führen können. So hat Siemens etwa mit SENN (Simulation Environment for Neural Networks) ein intelligentes System auf Basis neuronaler Netze entwickelt, um verschiedenste Fragestellungen zu beantworten. Die Software dient heute unter anderem zur Vorhersage verschiedener Rohstoffpreise. Das Programm prognostiziert zum Beispiel den Strompreis für die nächsten 20 Tage und sagt in zwei von drei Fällen den Preistrend richtig vorher. Seit 2005 nutzt Siemens diese Methode, um zum günstigsten Zeitpunkt Strom einzukaufen. Weitere mögliche Einsatzfelder sind die Vorhersage zu erwartender Einspeisemengen von erneuerbarem Strom oder die Prognose des Luftverschmutzungsgrads in Großstädten – präzise und mehrere Tage im Voraus.

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Top-Thema Selbststeuernde Gasturbinen Computersysteme, die in der Lage sind, aus verschiedenen Daten zu lernen und eigene Schlussfolgerungen zu ziehen, sind aber auch in weiteren SiemensBereichen im Einsatz. So erforschen Wissenschaftler von Corporate Technology (CT) unter anderem, wie sich Windturbinen dank Maschinellem Lernen an sich wandelnde Wind- und Wetterverhältnisse anpassen können – und damit ihre Stromerzeugung erhöhen. „Grundlage für die Selbstoptimierung der Windturbinen ist die Ableitung von Windeigenschaften aus ihren eigenen Betriebsdaten“, sagt Volkmar Sterzing, der das Thema bei CT betreut. Diese Werte werden von Sensoren in und auf der Windenergieanlage aufgenommen: Messdaten zu Windrichtung, Windstärke, Temperatur, Strom und Spannung und die Vibrationen an größeren Bauteilen wie Generator oder Rotorblatt. „Bisher dienten die Parameter der Sensoren ausschließlich der Fernüberwachung und Diagnostik im Service. Doch mit ihrer Hilfe können Windturbinen nun mehr Strom als bisher erzeugen.“ Derzeit arbeitet der Experte daran, auch den Betrieb von Gasturbinen zu optimieren. Ziel ist ein selbstlernendes System, das die Betriebsdaten der Turbine nicht nur auswertet oder visualisiert, sondern selbstständig interpretiert und den Betrieb automatisch kalibriert. Maschinen denken dank Neuronen Ein neuer Trend im Bereich des maschinellen Lernens sind sogenannte Deep-Learning-Verfahren, die heute mit bis zu 100.000 simulierten Neuronen und zehn Millionen simulierten Verbindungen arbeiten. Damit brechen sie alle bisherigen Rekorde der Künstlichen Intelligenz und ermöglichen bislang nicht mögliche Anwendungen, beispielsweise in der automatischen Bilderkennung. Die neuen Deep-Learning-Methoden arbeiten mit wesentlich mehr Ebenen künstlicher Neuronen. Jede Ebene befasst sich mit jeweils einer bestimmten Abstraktionsebene der zu lernenden Materie. Indem eine Vielzahl von Ebenen miteinander verknüpft werden, sind die Erkenntnisse wesentlich detaillierter als bei früheren Formen der künstlichen neuronalen Netze. Dies ist nicht bloße Theorie,

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vielmehr erleben wir Menschen dies in unserem Alltag, denn die meisten von uns tragen ein künstliches neuronales Netz bei sich: Die Spracherkennung in allen modernen Android-Smartphones arbeitet mit solchen tief geschichteten neuronalen Netzwerken. Das Team von Informatiker und Siemens-Experte Tresp geht noch weiter: Es modelliert mathematische Wissensnetze mit bis zu zehn Millionen Objekten und kann bis zu 1014 mögliche Voraussagen über die Beziehungen dieser Objekte untereinander treffen. Diese unvorstellbare Ziffer mit 14 Nullen entspricht ungefähr der Anzahl von Synapsen des Gehirns eines Erwachsenen. Zum Einsatz können diese Wissensnetze etwa in der Industrie kommen: zum Beispiel beim Projekt „Smart Data Web“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi). Dessen Ziel ist es, eine Brücke zwischen dem öffentlich zugänglichen Internet und den internen Informationswelten großer Unternehmen zu schlagen. So sollen beide Seiten die Informationen des jeweils anderen mithilfe des maschinellen Lernens generalisieren. Auf diese Weise kann die Extraktion von Informationen verbessert werden, was wiederum dazu führt, dass sich beide Seiten gegenseitig mit neuen Fakten speisen können. Die so gewonnenen Informationen könnten produzierenden Unternehmen dabei helfen, Planungs- und Entscheidungsprozesse wie etwa das Lieferkettenmanagement entscheidend zu optimieren. Solche Wissensnetze könnten darüber hinaus auch zur Entscheidungsfindung bei medizinischen Fragestellungen im klinischen Bereich beitragen. Hier entwickelt Siemens etwa Lösungen im Rahmen des vom BMWi geförderten Projekts „Klinische Datenintelligenz“ mit Anwendungen, die zusammen mit der Charité in Berlin und der Uni-Klinik Erlangen erarbeitet werden. Ziel ist es, dass das System lernt, Prognosen und Entscheidungsempfehlungen, etwa zur Therapie, auf Basis der existierenden Patientendaten zu treffen.

AlphaGo: Maschine besiegt Mensch Welche Fähigkeiten lernende Systeme bereits heute erlangen können, zeigt das Beispiel AlphaGo, mit dem Google erst im März 2016 einen Meilenstein in der Entwicklung selbstlernender Maschinen und Künstlicher Intelligenz erreicht hat. Die Software besiegte einen der weltbesten Go-Spieler in einem Spiel über fünf Runden deutlich mit 4:1. Dabei galt das asiatische Strategiespiel aufgrund seiner Komplexität bisher als zu kompliziert für Computer. So gibt es eine nahezu unbegrenzte Zahl möglicher Positionen – die Spieler müssen sich daher meist auf ihre Intuition verlassen. AlphaGo wurde von Google DeepMind entworfen, um komplexe Aufgaben lösen zu können. Dabei nutzt es das gleiche Lernverfahren, das Siemens auch bei seinen Windund Gasturbinen einsetzt. Mit diesem „Reinforcement“-Verfahren erlernt das System eine Funktion zur Bewertung von Spielpositionen, indem es Millionen vergangener Spiele auswertet und dann sozusagen gegen sich selbst spielt. Wie sich zeigte, mit Erfolg. Beitrag aus www.siemens.com/pof (Pictures of the Future)

Dipl.-Ing. Dr. Kurt Hofstädter, MBA Geboren am 1. August 1959 in Wien Seit 10/2014 Leitung Digital Factory CEE, Siemens AG Österreich 2012 – 2014 Leitung Sektor Industry CEE, Siemens AG Österreich 2008 – 2012 Mitglied des Vorstands der Siemens AG Österreich, Sector Cluster Lead für den Siemens-Sektor Industry CEE 2006 - 2008 Bereichsleiter Industrial Solutions and Services und Geschäftsführer der VA Tech Elin EBG, Verantwortung für die Integration der VA Tech Elin EBG in die Siemens AG Österreich 2002 – 2006 Bereichsleiter Industrial Solutions and Services

Dipl.-Ing. Dr. Kurt Hofstädter, MBA Leitung Digital Factory CEE, Siemens AG Österreich

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Top-Thema

Foto: Infineon Technologies Austria AG

„Ich erachte es für besonders wichtig, ein Innovationsklima zu schaffen“ Interview mit Dipl.-Ing. Dr. Sabine Herlitschka, MBA Vorstandsvorsitzende der Infineon Technologies Austria AG Sie haben im Zuge Ihres Vortrages sehr viel zum Thema Innovationsmanagement gebracht. Wie sehen Sie den Status Quo im Innovationsmanagement 4.0? Ich glaube, zum Thema Innovationsmanagement gibt es sehr viele Meinungen und auch Herangehensweisen. Wir vertreten die Meinung, dass Innovationsmanagement etwas Gutes ist, da es eine gewisse Routine und Struktur darstellt. Trotzdem muss man sich gerade in diesem Kontext mit dem sehr wichtigen Element der Innovation auseinandersetzen. Auch bei uns, um jetzt vom Beispiel Infineon auszugehen, gibt es ein strukturiertes Innovationsmanagement, das zunächst alle Dinge aus der Praxis und der Lehre berücksichtigt. Trotzdem braucht es immer wieder etwas Neues. Gerade Industrie 4.0 bzw. die zunehmende Digitalisierung fordert uns natürlich auch im Bereich des Innovationsmanagements. Wo sehen Sie in diesem Bereich ganz konkret die Stärken Ihres Unternehmens? Die größte Gefahr für jedes Unternehmen ist der Erfolg von gestern oder auch der Erfolg von heute. Man muss sich dessen immer bewusst sein, dass der jetzige Erfolg auf den Ideen und Konsequenzen der Vergangenheit beruht und

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dass man heute die Basis für den Erfolg von morgen schaffen muss. Da können Erfahrungen, Verhaltensweisen und Fähigkeiten aus der Vergangenheit natürlich gut und hilfreich sein. Aber man darf sie nicht als Garantie nehmen, sondern ganz im Gegenteil eher als Gefahr sehen. Das „Das habe ich immer so gemacht und es hat funktioniert“Denken muss somit durchbrochen werden. Man muss auf der einen Seite aus den Erfolgen der Vergangenheit lernen und positive Dinge mitnehmen, darf auf der anderen Seite jedoch nie in den alten Prozessen festhängen. Das ist es, was wir uns immer vor Augen führen und versuchen, in weiterer Folge auch umzusetzen. Was für Anforderungen stellen Sie an die Ausbildung im Bereich Industrie 4.0? Zu dieser Frage möchte ich mich auf ein Buch mit dem Titel „Die Digitale Bildungsreform“ von Jörg Dräger und Ralph Müller-Eiselt beziehen. Das fasst einige Themen ganz gut zusammen, von denen ich glaube, dass sie hilfreich sind, wenn man sich mit diesem Bereich auseinandersetzen möchte. Es zeigt unter anderem, wo heutzutage Bildung überall stattfindet. Da hätten wir z.B. Internetplattformen, Apps etc. – viele Dinge also, die heute im privaten Bereich stattfinden. Ein Beispiel: Sie kennen sicher das Bild von dem Kleinkind,

das auf einem Tablet herumdrückt und bei allem Herumspielen bei der Wischbewegung landet. Was lernen wir daraus? Wir lernen, dass viele Dinge intuitiv passieren. Und wenn wir es schaffen, die Leute bei ihrem intuitiven Verhalten abzuholen, wird das ein echter Vorteil sein. Beim Thema Bildung gehen wir meiner Meinung nach immer noch einem sehr alten Paradigma nach, bei dem man glaubt, Bildung muss sprichwörtlich weh tun, man muss sich anstrengen und schwitzen. Heute wissen wir, dass Menschen besser Dinge aufnehmen können, wenn sie mit Freude lernen. Wir haben folglich bei uns im Unternehmen das Prinzip 70/20/10 eingeführt: 70 % entsprechen dem so genannten „Learning on the Job“, 20 % der Interaktion mit Kollegen und die restlichen 10 % sollen aus Büchern und theoretischen Einheiten bestehen. Hier merken wir, dass die Lernerfolge, die Freude und die Auseinandersetzung mit Themen schlussendlich höher sind. Auch auf Universitäten ist es häufig so, dass sehr viele Informationen über die Studenten „geschüttet“ werden und wenig überlegt wird, was auch wirklich ankommt. Wenn man sich das als Metapher vorstellen möchte: „Der Wurm muss nicht dem Angler schmecken, sondern dem Fisch.“ Das mag zwar manchmal etwas unpraktisch sein, aber es ist nun einmal so.

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Top-Thema Es wird ja häufig gesagt, das Innovation de facto nicht gelehrt werden kann. Wie versuchen Sie, Innovation zu vermitteln? Ich erachte es für besonders wichtig, ein Innovationsklima zu schaffen und vor allem eine Innovationskultur zu etablieren. Bahnbrechende Innovationen und Ideen können leider nicht verordnet werden. Permanent aber das Bewusstsein darauf zu lenken, eine Diskussion mit anderen Organisationseinheiten und anderen Partnern zu führen und einen Blick in andere Themenfelder zu wagen, kann eine große Hilfe sein – der Blick über den Tellerrand hinaus wie es oft so schön heißt. Wie geht Ihr Unternehmen mit dem Thema Wissensmanagement um? Wie gewährleisten Sie einen ungestörten und effizienten Informationsfluss? Das Thema Wissensmanagement ist wie auch das Innovationsmanagement eine unendliche Geschichte und man ist de facto nie richtig fertig. In den letzten 20 Jahren gab es mehrere Versuche, das Wissensmanagement zu organisieren. Dies geschah bis dahin immer auf den Gedanken aufbauend, dass irgendwelche Personen Wissen hergeben müssen und irgendwo ablegen. Daraufhin sollen andere hingehen und schauen, ob etwas zu dem Thema, zu dem sie etwas finden möchten, dabei ist. Ich bin der Meinung, dass dieses System so nicht funktioniert. Man muss sich davon lösen, zu glauben, dass man die Leute dazu anhalten kann, Wissen irgendwo abzulegen, zu schreiben oder zu veröffentlichen. Der größere Fokus muss daher auf der Suche liegen, weil permanent wahnsinnig viele neue Dinge entstehen. Nehmen Sie zum Beispiel meine Präsentation heute oder diverse wissenschaftliche Papers. Sie können hoffen, dass diese Beiträge in irgendeiner Datenbank zu finden sein werden, aber das wird es voraussichtlich nicht spielen. Daher lautet die Frage eher: Wie kann ich etwas intelligent suchen, damit ich es auch finde? Was erwarten Sie sich im Kontext der Industrie 4.0 von einem Wirtschaftsingenieur der Zukunft? Was auch in der Zukunft sicher weiterhin gebraucht wird, ist substanzielles Basiswissen. Dass sich die Mitarbeiter

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in den diversen Fächern und Bereichen auskennen. Was dann sicherlich zusätzlich von Nöten sein wird, sind Metafähigkeiten, die über dieses Grundlagenwissen hinausgehen. Damit meine ich Systemverständnis. Wie funktionieren Systeme? Wie werden Systeme gesteuert? Wie handhabe ich Komplexität? Zu diesen Fragestellungen findet man derzeit leider keine Lehrveranstaltungen. Mir ist es wichtiger, dass die Leute ausgehend von einem substanziellen Basiswissen in weiterer Folge wissen, woher sie Informationen holen können, wenn sie diese brauchen. Das heißt konkret, dass man zukünftig nicht mehr alles zu wissen braucht, jedoch innerhalb seiner Community gut genug vernetzt sein sollte, um zu wissen, wo fehlende Informationen abrufbar sind. Zum Schluss möchte ich auch noch bemerken, dass soziale Intelligenz sehr wichtig ist. Gerade im technischen Bereich kommt das ab und an leider zu kurz. Ihr Unternehmen stellt Produkte her, die als Basis für Industrie 4.0 bzw. das Internet of Things (IoT) dienen. Wie schätzen Sie die Entwicklung des IoT ein? Was sind die Potentiale/Gefahren? Wir wenden Industrie 4.0 im Rahmen unserer Prozesse selbst an und „ermöglichen“ des Weiteren durch unsere Produkte die Industrie 4.0. Wenn sie mich nach einer Grenze fragen, würde ich antworten, dass es keine gibt. Werden wir in ein paar Jahren noch über das Internet reden? Das kann ich mir nicht vorstellen, da es dafür viel zu selbstverständlich geworden ist. Wir werden uns in der Welt bewegen und auf alle möglichen Services zugreifen, weil sie uns eine hohe „Convenience“ gebracht und wir uns komplett an sie gewöhnt haben. Die Digitalisierung an sich wird voraussichtlich aus denselben Gründen ebenfalls kaum noch diskutiert werden. Wo wir in diesen Bereichen sehr gefordert sein werden, ist die persönliche Ve r a nt wo r t u n g. Je mehr Möglichkeiten Ihnen offenbart werden, desto mehr müssen Sie sich überlegen, wie Sie diese Services nutzen wollen. Fa-

cebook ist hierfür ein gutes Beispiel. Leute posten unbedacht, dass sie für drei Wochen auf Urlaub fahren und wundern sich dann, wenn in diesem Zeitraum bei ihnen eingebrochen wird. Deshalb müssen wir uns alle die Frage stellen: Wie werde ich persönlich diese oft sehr verlockenden und bequemen Dienste nutzen? Wie gehe ich damit um? Was halten Sie von gesetzlich verbindlichen Rahmenbedingungen im Bereich Industrie 4.0? Glauben Sie, dass hier Vorkehrungen getroffen werden sollten? Oder sollte man diesen aufstrebenden Zweig einfach wachsen lassen? Ich bin sehr wohl der Meinung, dass es ein paar Regulationsmechanismen geben sollte, aber wieder im Kontext der Dualität. Auf der einen Seite werden Datenschutz und auch Datenschutzgesetze diskutiert, während auf der anderen Seite Leute freiwillig Informationen auf öffentliche Plattformen stellen, die der Datenschutz so gesehen nicht zulassen würde. Wir brauchen also sicherlich ein regulatorisches Rahmenwerk. Dieses muss aber mit der entsprechend notwendigen Geschwindigkeit kommen. Dipl.-Ing. Dr. Sabine Herlitschka, MBA Geboren am 1. Februar 1966 in Pfarrkirchen/Deutschland, Nationalität Österreich. Studium der Lebensmittel- und Biotechnologie an der Universität für Bodenkultur, Wien. Dissertation sowie Post Doc in der industriellen Forschung eines internationalen Biotechnologie-Unternehmens. Abschluss als diplomierte Wirtschaftstechnikerin und Master of Business Administration in „General Management“. Ab April 2014 Vorstandsvorsitzende der Infineon Technologies Austria AG.

Dipl.-Ing. Dr. Sabine Herlitschka, MBA Vorstandsvorsitzende der Infineon Technologies Austria AG

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Top-Thema

Foto: TRUMPF GmbH & Co. KG

„Es gibt unglaublich viele Daten, die aufgezeichnet, ausgetauscht und kommuniziert werden können“ Interview mit Dipl.-Ing. Bernhard Fischereder von TRUMPF Maschinen Austria GmbH & Co. KG

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ie Firma TRUMPF Maschinen Austria GmbH & Co. KG legt sehr großen Wert auf Innovationsmanagement, weswegen dieses Thema sehr umfangreich bearbeitet und in Folge in zwei Stufen untergliedert ist: Der erste Bereich ist die Wachstumsstrategie, im Zuge dessen ein Strategieplan festgelegt wird, der für mehrere Jahre maßgeblich sein soll. In weiterer Folge wird dieser dann im Jahreszyklus mit entsprechenden konkreten Produkten geplant. Ein Beispiel für die Umsetzung des Innovationsmanagements fokussiert Investitionen im Bereich Vorentwicklung, d.h. wir haben eine separate firmeninterne Gruppe, die sich in der Entwicklung mit völlig neuen Themen beschäftigt. Diese fließen nicht unbedingt in Produkte ein, sondern werden sozusagen losgelöst vom Serienentwicklungsprozess für die Grundlagenforschung verwendet. Das Innovationsmanagement beschäftigt sich aber nicht nur mit der Entwicklung eigener

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Produkte sondern sieht auch vor, sich an besonders interessanten Geschäftsfeldern wie Startups’s oder ähnliche zu beteiligen. Was bedeutet Industrie 4.0 für TRUMPF? Wir bei TRUMPF sehen Industrie 4.0 als den nächsten „Wachstums-Enabler”. Die Maschine selbst wird in der Form, in der sie in den letzten Jahrzehnten für uns eine wichtige Rolle gespielt hat, nicht mehr alleine konkurrenzfähig sein, sondern zukünftig nur durch intelligente Softwaresysteme und Vernetzung/Verkettung eine Chance haben. Mit Industrie 4.0 und den entsprechenden Vernetzungen und zugehörigen Softwarelösungen sehen wir den nächsten großen Wachstumsschritt für das Unternehmen. Es ist durchaus möglich, dass der Anteil des Umsatzes, der mit Software erzielt wird, exponentiell steigt. Sie haben in Ihrem Vortrag einiges über Smart Factories erzählt. Sehen Sie die

ideale Vernetzung für eine Smart Factory bereits erreicht? Die ideale Vernetzung in Fabriken wird vermutlich länger noch nicht erreicht werden. Erreicht wurden aber bisher erste Lösungen, um die Maschine im lokalen Netzwerk als auch im Internet unter Beachtung der Sicherheitsrichtlinien standardisiert einbinden zu können. Es gibt unglaublich viele Daten, die aufgezeichnet, ausgetauscht und kommuniziert werden können. Um den Kunden ein entsprechendes Mitwachsen mit den Prozessen der Zukunft ermöglichen zu können, muss ein Umfeld geschaffen werden, das sich nicht ständig verändert und überholt. Daher sind wir im höchsten Maße daran interessiert, standardisierte Prozesse und Lösungen in diesen Bereichen zu entwickeln damit diese Schnittstellen konstant bleiben. Was soll eine Fabrik Ihrer Meinung nach „können“, um de facto als eine Smart Factory zu gelten?

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Top-Thema Im Fokus steht auf jeden Fall das „intelligente Produkt“, welches sozusagen Wissen trägt. Wenn Sie ein Blechteil betrachten, dass bisher gefertigt wurde, hat dieses heute meist keine eigene Intelligenz. Das Blechteil der Zukunft wird ein entsprechendes Wissen über seine Form, Historie, Bestandteile und auch über seinen späteren Nutzungszweck haben. Dies kann im einfachsten Fall über Data-Matrix-Codes und einer Zuordnung in einer Datenbank geschehen, jedoch gibt es auch eine Vielzahl an anderen Möglichkeiten. Auf der anderen Seite wird der Mensch im Mittelpunkt stehen, der auch nach dem Automatisieren vieler Prozesse letztendlich die Entscheidungsgewalt haben wird, jedoch mit intelligenten Assistenzsystemen ideal unterstützt wird. Ein weiterer wichtiger Aspekt sind dann intelligente Maschinen, die im Netzwerk miteinander kommunizieren können und vom lokalen Netzwerk dann skalierend über das Internet mit entsprechenden Partnern ein globale „Smart Factory“ darstellen. Welche Empfehlungen würden Sie einem Unternehmen geben, das sich auf Industrie 4.0 vorbereiten will? Wenn sich unsere Kunden für Industrie 4.0 bei TRUMPF interessieren, bieten wir ein entsprechendes Produkt mit dem Namen „TruConnect“ an, welches nicht nur aus Software- und HardwareElementen besteht, sondern im Sinne eines ganzheitlichen Aspektes vor allem auch eine Beratungsleistung beinhaltet. Das bedeutet, wir haben Experten, die vor Ort Prozesse analysieren und maßgeschneiderte Kundenlösungen entwickeln. Diese können iterativ, so wie es für den Kunden am besten wirksam ist, in die Prozesse implementiert werden. Das heißt, wir sehen das Thema Industrie 4.0 nicht als einen Schalter, den man von Null auf Eins umlegt, sondern als einen Wachstumspfad, auf dem man gemeinsam mit dem Kunden wächst. Dieser ganzheitliche Ansatz ist

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ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal. Was werden die größten operativen und strategischen Herausforderungen sein, denen sich Unternehmen in Zukunft stellen müssen? Die größten strategischen Herausforderungen werden vor allem den Bereich der neuen Geschäftsmodelle betreffen. Nehmen wir zum Beispiel das Thema Software. War es uns in der Vergangenheit möglich, Software als Produkt an sich zu verkaufen, können wir in Zukunft mit webbasierten Services ein „Pay per Use“ Modell anbieten. Hier braucht es Erfahrungswerte wie z.B. solche Dienste und Services bepreist werden können um einerseits dem Kunden einen Vorteil zu verschaffen andererseits jedoch die eigenen Entwicklungsaufwände langfristig amortisieren zu können. Man darf also das strategische und technische Risiko bei Industrie 4.0 nicht außer Acht lassen. Industrie 4.0 ist sehr breit gefächert und es muss kontinuierlich geprüft werden, in welche Richtung man sich als Unternehmen bewegt und in weiterer Folge man dann auch investiert. Der WorstCase ist, dass man sehr viel Entwicklungskapazität in Lösungen steckt, die im Nachhinein am Markt vom Kunden nicht angenommen werden. Bei TRUMPF investieren wir jedenfalls viel. Nun noch eine abschließende Frage: Was erwarten Sie vom Wirtschaftsingenieur der Zukunft? Auf technischer Ebene spielt die IT bei Industrie 4.0 eine sehr wichtige Rolle. Das heißt konkret: ein Wirtschaftsingenieur der Zukunft wird sich besonders mit dem Thema IT und auch IT-Sicher-

Dipl.-Ing. Bernhard Fischereder Leiter Forschung und Entwicklung TRUMPF Maschinen Austria GmbH & Co. KG heit im Falle globaler Vernetzungen auseinandersetzen müssen. Dort fallen Begriffe, mit denen ich für meinen Teil – kommend von einer klassischen Maschinenbau-Ausbildung - anfangs wenig anfangen konnte. Mit der Vernetzung kommt das Denken in der horizontalen Ebene – also den verketteten Anlagen als auch der vertikalen Ebene – also der Verkettung der Geschäftsabläufe. Auf der wirtschaftlichen Seite muss er ebenso ein Wissen über neue Geschäftsmodelle mitbringen. Den Umgang mit diesen neuen Geschäftsmodellen sowie wichtigen Einflussgrößen wird man vor allem auch in der Ausbildung vermitteln müssen. Dipl.-Ing. Bernhard Fischereder Leiter Forschung und Entwicklung TRUMPF Maschinen Austria bernhard.fischereder@at.trumpf.com Beruflicher Werdegang 2012 bis dato Leiter Forschung und Entwicklung TRUMPF Maschinen Austria 2005 bis 2012 Leiter Entwicklung Mechatronik TRUMPF Maschinen Austria 2002 bis 2005 Technischer Projektleiter TRUMPF Maschinen Austria 2007/2008 Internationaler Projekt Manager für Laserschneidmaschinen TRUMPF Inc. Connecticut/USA Ausbildung bis 2002 Studium Mechatronik JKU Linz

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Top-Thema

Foto: LineMetrics

„Kundennutzen ist unser größtes Anliegen und Technologie ist im weiteren Sinne nur ein Mittel zum Zweck“ Interview mit Herrn Reinhard Nowak von LineMetrics Herr Nowak, wir befinden uns derzeit in einer Art Aufbruchsstimmung in Richtung Industrie 4.0. Wie ist der derzeitige Status Quo Ihrer Meinung nach und vor allem welche Herausforderungen werden uns in Zukunft begegnen? Es ist jedenfalls ein großes Interesse vom Markt zu erkennen, jedoch teilweise noch recht zögerlich. Was hier auffällt, ist, dass häufig die Technologie im Vordergrund steht anstatt des Kundennutzens. Eine zentrale Herausforderung wird es somit noch darstellen, langsam den Kundennutzen in den Vordergrund zu stellen. Ein Beispiel: Wir haben bei Linemetrics recht viele Kunden, die sagen, dass die Geschäftsführung aufgetragen hat, im Bereich Industrie 4.0 aktiv zu werden. Wenn wir von Linemetrics innerhalb eines von uns abgehaltenen Workshops dann nachfragen, was denn das Ergebnis sein soll, beziehungsweise welchem Zweck das Vorhaben dient, wissen viele Kunden auf diese Fragen – die essentiell wären um optimale Lösungen zu finden – keine Antwort. Genau in diesem Bereich scheitert es meiner Meinung nach noch ein bisschen. Im Zuge des Kongresstages wurde in vielen Vorträgen über das Internet of Things (IOT) gesprochen. Auch in Ihrem Vortrag wurde dieses zukunftsweisende Thema angeschnitten. Wie sehen Sie die weitere

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Entwicklung? Welche Potentiale hat es und welche Gefahren kann es mit sich bringen? Das Internet of Things oder auch Internet der Dinge wird auf jeden Fall einer der technologischen Treiber der Zukunft werden. Dass jedes, ich möchte es einmal umgangssprachlich ausdrücken, „Ding“ irgendwie miteinander kommunizieren wird, ist nur eine Frage der Zeit. Alleine wenn man sich ansieht, wie rasant die Preise für Hardware-Komponenten in den letzten Jahren gefallen sind, sieht man eine unglaubliche Entwicklung. Da geht es technologisch meiner Meinung nach sicherlich in die richtige Richtung. Gefahren aus ethischer Sicht gesehen wird es sicher auch einige geben, nachdem einige Firmen einfach unheimlich viel Wissen über Menschen und Märkte haben werden. Das kann man heute schon beobachten, wenn man Beispiele wie Facebook etc. betrachtet. So gesehen wird der Mensch gläserner werden. Der Nutzen jedoch wird sein, dass viele Tätigkeiten einfacher werden – sei es im privaten oder auch geschäftlichen Alltag. Gefährlich könnte es für Branchen werden, die diesen Trend übersehen oder auch verschlafen. Die wird es dann in Zukunft wahrscheinlich nicht mehr geben, Stichwort „Digitaler Darwinismus“.

Welchen Stellenwert werden Startups in der Zukunft haben? Nachdem ich selber Mitbegründer und Geschäftsführer eines Startups bin, hoffe ich natürlich sehr, dass Startups einen großen Stellenwert haben werden. Ich glaube, als Startup kann man offener an die Dinge herangehen, da man im Gegensatz zu großen Unternehmen meist noch keine eingefahrenen internen Strukturen aufweist. Startups fangen so gesehen auf einer bildlich gemeinten grünen Wiese an und sind demnach schneller und agiler. Wir können somit zu einem Bruchteil der Kosten, die von großen Organisationseinheiten aufgebracht werden müssen, Innovationen am Markt entwickeln und auch direkt am Markt testen. Daher bin ich der Überzeugung, dass vor allem Startups Innovationstreiber sein werden. In weiterer Folge könnte es durchaus sein, dass große Firmen den Startups Innovationen abkaufen werden. Wo sehen Sie die Stärken Ihres Unternehmens? Die primäre Stärke unseres Unternehmens liegt in der Einfachheit der Gesamtlösung. Zuerst möchte ich erwähnen, dass es sich bei uns hauptsächlich um das Thema Asset-Monitoring dreht, also die Überwachung von Objekten

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Top-Thema in der realen Welt. Dieser Bereich ist sehr breit gefächert, so kann das betrachtete Objekt sowohl eine Produktionsmaschine als auch ein gesamtes Gebäude darstellen. Wir haben hierbei Kunden, die in den unterschiedlichsten Branchen vertreten sind. Was wir anders machen als vergleichbare Unternehmen, bzw. wo unser USP liegt, ist meines Erachtens die Simplizität der Gesamtlösung. Wir haben die Hardware und zusätzlich die globale Kommunikation, die über GSM und Cloud Analytic Services funktioniert, was im Prinzip einer „Plug and Play“Implementierung entspricht. Durch eben diese Integration aller benötigten Objekte funktioniert dann in weiterer Folge das gesamte System sehr simpel. Welchen Stellenwert hat Forschung und Entwicklung im Unternehmen Linemetrics? Grundlagenforschung wird bei uns keine betrieben. Ich bin jedoch der Überzeugung, dass gerade ein Startup wie wir es sind, zu 90% aus Research and Development besteht. Wie erwähnt, geschieht das nicht auf eine wissenschaftliche Weise sondern eher über einen praktischen Zugang. Man könnte es sich so vorstellen: Man baut etwas, bringt es auf den Markt und wartet ab, wie das Feedback dazu ist. Das Ganze ist also ein sehr agiler Prozess. Wenn wir unser Vorgehen mit größeren wissenschaftlichen Studien vergleichen, sehen wir, dass wir in Themen wie zum Beispiel dem „Internet of Things“ zu sehr ähnlichen Ergebnissen gekommen sind, jedoch auf einem praxisorientierten Weg. Was erwarten Sie vom Wirtschaftsingenieur der Zukunft? Auch diese Frage muss ich wieder aus der Sicht eines Startups beantworten. Es hat sich in unserem Bereich gezeigt, dass die Erfahrung und die fachliche Kompetenz nicht mehr ganz so im Vordergrund stehen wie bisher, sondern eher der „Entrepreneur-Spirit“, den eine Person mitbringt. Wir legen also besonderen Wert auf Softskills und Eigenständigkeit von Mitarbeitern. Zusätzlich muss eine wirtschaftliche Denkweise an den Tag gelegt werden können. Kundennutzen ist unser größtes Anliegen und Technologie ist

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im weiteren Sinne nur ein Mittel zum Zweck. In welcher Hinsicht sind Kooperationen und Netzwerke insbesondere mit anderen Unternehmen für Ihr Unternehmen relevant? In diesem Bereich haben wir bereits viele Erfahrungen machen können, weshalb es mir nicht möglich ist, eine pauschale Antwort auf diese Frage zu geben. Wir waren als Startup am Anfang – als unsere Idee noch recht neu war –sehr stark „gehyped“ und dementsprechend kamen einige größere Unternehmen auf uns zu, um Kooperationen einzugehen. Leider hat sich gezeigt, dass sich diese häufig dann im weiteren Vorgehen als „Bremsklötze“ erwiesen haben. Das lässt sich damit begründen, dass wir es uns als Startup nicht leisten können, uns in mehrere aufeinanderfolgende Meetings zu setzen, bei denen nichts Konkretes herauskommt. Als Startup ist immer die Zeit der größte Feind und man muss folglich auf schnelle, effektive Lösungen setzen. Von dem her war das anfangs immer wieder ein Problem. Wir haben im Gegensatz dazu jedoch auch einige Kooperationen mit großen Unternehmen gestartet, bei denen wir aufgrund dieser genannten Erfahrungswerte ein Umfeld geschaffen haben, von dem jeder profitieren kann. Bei diesen Interessensgemeinschaften gibt es gemeinsame Ziele und es läuft großteils sehr gut. Solche Projekte sind für uns natürlich von besonderem Wert, da sie tolle Reputations- als auch Reichweitenthemen sind. Wie gesagt: Hier kommt es wirklich auf den Partner an. Im Bereich von Lösungen kooperieren wir natürlich mit anderen Firmen, zum Beispiel mit Firmen, die ein großes Domain Know-how mitbringen, auf unsere Lösung aufsetzen und diese in weiterer Folge ergänzen. Auch auf Seiten der Hardware setzen wir auf Komponenten von Partnern. Welche Fehler werden von Unternehmen häufig gemacht? Wie könnten diese vermieden werden?

Größte Fehlerquelle, und das betrifft häufig eher größere Unternehmen, ist es, in festgefahrenen Strukturen zu denken. Nur weil man in der Vergangenheit auf ein Problem auf eine bestimmte Art und Weise eingegangen ist, heißt das nicht, dass dies auch die richtige Strategie in der Zukunft sein wird. Uns ist es besonders wichtig, Mitarbeiter zu motivieren, etwas Neues auszuprobieren. Sollte der Worst-Case eintreffen und es nicht funktionieren, dann haben wir vielleicht einen Monat Entwicklungsarbeit verloren. Sollte jedoch der Best-Case eintreffen und das Unterfangen gelingen, bewegen wir uns mit unserer Lösung wieder auf Augenhöhe mit großen Konzernen. Ein besonderer Vorteil, den wir als Startup haben, ist, dass wir besonders schnell wieder von der gescheiterten Idee auf eine neue Lösung bauen können. Die „Kultur des Scheiterns“ sollte von den Gründern aufs gesamte Team übertragen werden. Reinhard Nowak Geboren am 12. Dezember 1977 in Steyr Berufslaufbahn: Seit 06/2012 LineMetrics GmbH, Haag Mitgründer und gesellschaftlicher Geschäftsführer (CEO) 10/2010 – 06/2012 Selbständigkeit Business-Model-Development und technische Realisierung Startups 07/2006 – 09/2010 K+K Industrial Controls GmbH, Haag Leiter Softwareentwicklung 06/2000 – 06/2006 K+K Industrial Controls GmbH, Haag Softwareentwickler 09/1998 - 05/2000 Selbständigkeit Entwicklung eines web-basierten Kartenreservierungssystems 06/1997 - 12/1997 Klausriegler GmbH, Dietach Programmierung der Steuerung einer Pelletsheizung

Reinhard Nowak Mitgründer und gesellschaftlicher Geschäftsführer LineMetrics

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Uninachrichten

Fotos: Philip Eisner

Felix Aumair, Florian Thome

9th EPIEM Conference in Wien, 19. – 21. Mai 2016 Im Rahmen der 9th European Professors of Industrial Engineering and Management (EPIEM) Conference kamen europäische Wirtschaftsingenieur- ProfessorInnen und Studierende nach Wien, um gemeinsam die Wirtschaftsingenieurausbildung in Europa weiter zu entwickeln und einen Beitrag für ein gemeinsames, einheitliches und wirtschaftsstarkes Europa zu leisten. An der internationalen Konferenz nahmen insgesamt 25 Lehrende und Studierende aus 10 europäischen Ländern teil. Da das Netzwerk in kürzerer Vergangenheit einige große Umstrukturierungen vornehmen musste, wurden auftretende Schwächen des bestehenden Systems offenbart und eine grundlegende Debatte über Veränderungen innerhalb des Netzwerks war daher notwendig, um in Zukunft produktiv weiter zu bestehen. Daher gab es Vorträge und Arbeitsgruppen im Bereich der Wirtschaftsingenieursausbildung aber auch von Teilnehmenden des ESTIEM (European Students of Industrial Engineering and Management) Netzwerks, um beispielhaft ein Vorbild von einem schon funktionierenden Netzwerk vorzuführen. Zu Beginn der Konferenz wurde seitens der TU Wien unter Moderation von Robert Glawar und Andreas Schumacher, das Modell des Wirtschaftsingenieurs vorgestellt. Die Besonder-

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heiten dieses Modells brachten für die Teilnehmenden Professoren neue Erkenntnisse, um in ihrem Heimatland eventuelle Neuerungen besser zu implementieren. Die Pilotfabrik und damit die angewandte Theorie an der TU Wien wurde von Selim Erol vorgestellt. Das große Interesse an diesem Projekt veranschaulicht dabei wie innovativ unsere österreichischen Forschungsund Lehrstandorte sind. Im Rahmen der Fachvorträge von Cristian Mustata (Polytechnische Universität Bukarest) und Miro Hegedic (Universität Zagreb) wurden neue Methoden vorgestellt, die im EPIEM Netzwerk eingebracht werden können, um eine Attraktivitätssteigerung für Lehrende vorzunehmen. Dadurch kann ein besserer Austausch zwischen Studierenden und Lehrenden erfolgen, der auch zeitgleich einen Nutzen für beide Seiten bringt. Die Beziehung und die Kooperation zwischen EPIEM und ESTIEM waren Kernelemente, zusammen mit der Ausarbeitung von Zielen des Professorennetzwerkes und den erforderlichen Handlungen, um diese auch zu erreichen. Hierbei wurden durch Brainstorming in kleinen Gruppen und gemeinsamen Diskussionen vielversprechende Ansätze erarbeitet. Weiterführend kamen die Workshops über das „IEM Education Forum“ und Methoden für Projekte von Masterarbeiten zur

Sprache. Jukka-Matti Turtainen (Aalto Universität Finnland) brachte zusätzlich Ansätze über das Lean Six Sigma Projekt ein, das europaweit an anderen Universitäten mit großem Interesse verfolgt wird und regte Überlegungen an wie dieses besser in den Universitätsalltag einfließen kann. Die Attraktivität des EPIEM Netzwerkes, sowie eine Restrukturierung waren die Kernelemente dieser Konferenz auf Organisationsbasis und nach einer Feedbackrunde über Fortschritt und Ablauf der neunten EPIEM Conference und der Klärung letzter offener Fragen, wurde diese erfolgreich beendet. Das Abendprogramm zur allgemeinen Auflockerung und dem offiziellen Abschluss wurde mit dem zeitgleich stattfindenden 21. WING-Kongress beim Kongressdinner im NovomaticForum gefeiert, einer wunderschönen Location im Stadtzentrum Wiens, bei der sich alle Kongressteilnehmer amüsierten.

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Smart Maintenance Services: Migration langjährig etablierter Industrieanlagen Doris Weitlaner

Abstract—Der heutige Technologiestand macht es möglich, Industrieanlagen und -systeme zu entwickeln, die Betriebsdaten remote zum jeweiligen Hersteller übermitteln. Dort lassen sich in Folge durch systematische Analysen wertvolle Informationen gewinnen, die mitunter für die Wartungsprognose und die Störungsvorbeugung verwendet werden können. Während junge Unternehmen bereits unmittelbar mit solchen Lösungen in den Markt eindringen, müssen sich wohletablierte durchaus großen Herausforderungen stellen. Deren Anlagen verfügen oft nicht über die technische Reife, um ein solches Szenario zu realisieren. Es muss nach Möglichkeiten gesucht werden, um die alte mit der neuen Welt zu verflechten. Problemstellungen dieser Art widmet sich das Artemis Arrowhead Projekt, in welchem ca. 70 internationale Partner aus Industrie und Forschung beteiligt sind. Dieser Artikel gewährt Einblicke in die, im Projekt involvierte, AVL List GmbH, die sich aktuell in der Übergangsphase zur Instandhaltung 4.0 befindet. Index Terms—Auswirkungsanalyse, Industrie 4.0, Praxiseinblick, Smart Services.

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I. EINFÜHRUNG

leben heute in einem Zeitalter der Vernetzung, welches von Industrie 4.0, dem Internet der Dinge und dem Connected Life bestimmt wird. Digitale Technologien nehmen immer stärker Einzug in Unternehmen. Zwar unterstützen sie u. a. die Abwicklung des Tagesgeschäfts, jedoch schaffen sie gleichzeitig auch Abhängigkeit. Hinzu kommt, dass nicht nur die Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) beständig einem Wandel unterliegt, sondern auch die Wirtschaft an sich: hybride Wertschöpfung, ProduktDienstleistungs-Bündel und Lösungen aus einer Hand rücken immer stärker ins Zentrum des Interesses (Weitlaner et al. 2015). Der Servicegedanke des Konsumgüterbereichs ist ferner auch in der Industrie weiter am Vormarsch (Busch 2015). Mitunter geprägt durch diesen Kontext ist das Schlagwort Smart Maintenance mittlerweile in aller Munde und gilt als Enabling Technology der Industrie 4.0 (acatech 2015). Die Frage ist aber, was sich eigentlich dahinter verbirgt: ein reines IR

Paper was accepted on 01/06/2016 by Siegfried Vössner. The paper was revised once. Doris Weitlaner arbeitet für die CAMPUS 02 Fachhochschule der Wirtschaft GmbH und ist unter doris.weitlaner@campus02.at erreichbar.

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Modewort der heutigen Zeit oder etwas Altbewährtes, das unter neuem Namen publik gemacht wird? Die Literatur verspricht jedenfalls immense Vorteile, was naturgemäß Erwartungshaltungen und Besitzbedürfnisse seitens vieler Unternehmen weckt. Wie auch in anderen Disziplinen – stellvertretend sei das Prozessmanagement angeführt – beruhen diese Erwartungen mehr auf Anekdoten, Hype und Publicity als auf fundierten empirischen Belegen. Dies ist u. a. dadurch bedingt, dass Boulevardpresse ohne Mühe für Organisationen zugänglich ist (Forsberg et al. 1999). Dass ein Umstieg von einer traditionellen zu einer smarten Lösung Veränderungen in den Arbeitsweisen und v. a. enorme Anstrengungen resp. großen Aufwand mit sich bringt, wird zumeist verschwiegen. Der vorliegende Artikel widmet sich diesem Defizit. Es wird ein Überblick gegeben, mit welchen positiven wie auch negativen Auswirkungen etablierte Industriebetriebe bei der Umstellung ihrer Instandhaltung rechnen müssen. Dabei wird sich auch eines konkreten Fallbeispiels bedient, um den Sachverhalt in der Praxis zu illustrieren. II. SMART MAINTENANCE Die Bemühungen, den Service für Anlagen zu verbessern, reichen bereits vor die Zeit von Pferdewägen zurück (Busch 2015). Die Instandhaltung umfasst gemeinhin die Planung, Organisation, Durchführung und Überwachung von Aktivitäten zur Inspektion, Wartung, Instandsetzung und Verbesserung von Anlagen und Maschinen (acatech 2015). Sie muss sich jedoch den neuen Anforderungen der Industrie 4.0 und der Smart Factory anpassen und sich zu Smart Maintenance weiterentwickeln. Es ist naheliegend, dass der Ursprung dieses Begriffs am Beginn des Digitalen Zeitalters liegt und mit E-Maintenance (Lee et al. 2006) und E-Services (Glazer 2002) seinen Lauf nimmt. Erste, wenngleich weniger neue, Serviceideen dieser Schiene sind heute schon etabliert: Condition Monitoring und Remote Services (Busch 2015). Smart Maintenance geht jedoch weiter. Aus der Menge verfügbarer Definitionen lässt sich ableiten, dass es sich um eine intelligente Art der Instandhaltung handelt, die die menschliche Expertise ergänzt. Durch den Einsatz von unterschiedlichen Technologien wird eine Entscheidungsunterstützung zum Festlegen von Wartungszeitpunkten geboten, die Leistung bzw. Auslastung über den gesamten Lebenszyklus einer An-

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lage überwacht und Probleme dadurch rasch diagnostiziert sowie vorhergesagt. Instandhaltungsmaßnahmen sollen dadurch planbar gemacht werden. Die Verzahnung von Instandhaltungsaktivitäten und Informationsinfrastruktur ermöglicht es, autonom Serviceprozesse zu triggern und Ersatzteile zu bestellen sowie Ausfallzeiten nahe Null zu erreichen (Breuker, Rossi & Braun 2000; Lee et al. 2006; Lesjak et al. 2014a). Aus obigem Verständnis lässt sich schließen, dass Smart Maintenance den Prozess der Instandhaltung von der Wahrnehmung über Planung und Realisierung bis hin zur Wirkanalyse IT-gestützt abdeckt. Dies kann als Spezialfall eines Smart Services angesehen werden – der IKT-basierten, proaktiven Dienstleistungserbringung (Aschbacher 2014). Vor diesem Hintergrund wird Smart Maintenance im weiteren Verlauf als Smart Maintenance Service verstanden. Nichtsdestotrotz sei angemerkt, dass Smart Maintenance auch breiter gefasst werden kann. Bspw. übersteigt es lt. Fraunhofer IML (Heller 2015) die reine zustandsorientierte Instandhaltung. Als zusätzliche Elemente sieht das IML u. a. die selbststeuernde Materialwirtschaft, risikoorientiertes Ersatzteilmanagement sowie Wissensmanagement und nicht zuletzt den Menschen – der letztendlich immer noch entscheidende Faktor in der Smart Maintenance (acatech 2015). Am Zukunftstag der steirischen Wirtschaft 2015 wurde postuliert, dass der smarte Wartungsfall bzw. Instandhaltungsvorgang nichts Neues mehr sei. Es stelle ein Sprungbrett in das smarte Zeitalter dar, welches mittlerweile jeder Industriebetrieb nutze. Dies ist allerdings einfacher gesagt als getan. Leistungsfähige mobile Geräte und Netzwerke haben zum Selbstverständnis der Gesellschaft für die jederzeitige Konnektivität und Möglichkeit des Informationsabrufs beigetragen (Priller, Aldrian & Ebner 2014). Dies soll auch in der Instandhaltung 4.0 zur Geltung kommen. Prinzipiell lässt sich sagen, dass es auf Basis der heute vorhandenen Technologien an sich nicht schwierig ist, eine Industrieanlage bzw. ein system zu entwickeln, welches seine Betriebsdaten resp. den Wartungsstatus remote zum Hersteller sendet. Gerade wohletablierte Unternehmen, die bereits auf langjährige, mitunter jahrzehntelange, Erfahrung zurückblicken können, stehen aber vor einer großen Herausforderung. Ihre quasi alten, aber voll funktionsfähigen Anlagen verfügen oft nicht über die technische Reife, um ein solch smartes Vorhaben zu realisieren, welches bei damaligem Kenntnisstand auch nie vorgesehen bzw. denkbar war. Diese sind vielfach auf spezialisierte Einzelnutzung ausgelegt und weisen eine eher beschränkte Kommunikationsfähigkeit und Rechenleistung auf, da sie mit Ressourcen-begrenzten Embedded Controllern konzipiert wurden, die die Basiskonnektivität via Feldbussen herstellen. Ergänzend ist anzumerken, dass eine grundlegende Neugestaltung der Anlagen und Geräte aus wirtschaftlichen Gründen oder aufgrund langwieriger Zertifizierungsverfahren oft nicht durchführbar ist (Priller, Aldrian & Ebner 2014). Es muss folglich nach Möglichkeiten gesucht

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werden, um die alte und neue Welt synergetisch zu verheiraten. Dies bedeutet (1) Migration von Altsystemen mittels smarter Lösungen, (2) neue Architekturkonzepte als gleichzeitige Basis für Nachfolgegenerationen, und (3) Sicherstellung der Interoperabilität und Konsistenz zwischen Geräten unterschiedlicher Generationen (Priller, Aldrian & Ebner 2014). III. ARTEMIS ARROWHEAD Dieser Problemstellung widmet sich das internationale Projekt Artemis Arrowhead, an dem aus österreichischer Sicht die AIT Austrian Institute of Technology GmbH, AVL List GmbH, CAMPUS 02 Fachhochschule der Wirtschaft GmbH, Evolaris next level GmbH, Infineon Technologies Austria AG, und Technische Universität Graz als Vertreter von Industrie und Forschung beteiligt sind. Hauptziel des durch ARTEMIS Joint Undertaking, EU FP7 und nationalen Fördergesellschaften finanzierten Projektes ist es, die Themen Effizienz und Flexibilität auf einer globalen Dimension zu adressieren. Dabei wird kollaborative Automation, auf Basis eingebetteter Systeme mit Netzwerkfunktionalität, in fünf Pilotdomänen (z. B. Produktion oder Elektromobilität) realisiert. Letztlich soll dadurch ein standardisierter technischer Rahmen geschaffen werden, der Entwurfsmuster, Dokumentationsvorlagen und Richtlinien beinhaltet. IV. WIRKUNGSRAUM BEIM „SMART-UP“ Die Industrie 4.0 erfordert, dass sich auch die Instandhaltung auf vollkommen neue Abläufe einlässt (Busch 2015): vom klassisch reaktiven und konservativen Vorgehen (Feuerwehr) hin zu präventiver Vorbeugung (acatech 2015). Generell finden sich in der Literatur zahlreiche strategische und operative Leistungsversprechen die bzgl. smarter Dienstleistungserbringung abgegeben werden – siehe (Aschbacher 2014) für eine Übersicht. Die Vorteile werden kunden- und unternehmensseitig generiert und finden sich im Business-toBusiness (B2B) und Business-to-Consumer (B2C) Geschäft wieder – im Idealfall profitieren alle Stakeholder entlang der Wertkette (van den Heuvel & Papazoglou 2010). So werden bspw. optimierte/r Prozesse und Maschineneinsatz, reduzierte Kosten, (Voll-)Automation, Lernchancen oder ein verbessertes Nutzererlebnis genannt (Weitlaner et al. 2015). Gesamt betrachtet lässt sich der Wirkungsraum jedoch noch viel weiter fassen. Smart bedeutet nämlich nicht nur ein neues IT-System im Hintergrund! Die Dimensionen der Dienstleistung – Potenzial, Prozess und Ergebnis (Hilke 1989), siehe Abb. 1 – und die damit verbundenen Anforderungen an die Leistungserbringung verändern sich maßgeblich. Im Kontext von Smart Maintenance erfolgt v. a. eine Verschiebung hin zur IT-basierten, planenden Instandhaltung mit gleichzeitiger Abkehr von überwiegend körperlichen Tä-

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Abb. 1. Dimensionen einer Dienstleistung (Hilke 1989)

Abb. 2. Strategiegerechte IT-Systeme (Suter, Vorbach & Weitlaner 2015)

tigkeiten (acatech 2015). Nicht selten bringt ein Smart Service ein neues, ggf. heute noch unklares (Busch 2015), Geschäftsmodell mit sich (acatech 2015) – eine strategische Veränderung. Dies bedarf der Neuausrichtung des Unternehmensdesigns (siehe Abb. 2) und somit der Rollen, Verantwortlichkeiten sowie Mikroprozesse. Erst dann kann eine potenzielle IT-Unterstützung oder Automatisierung wirklich wirksam werden, indem das System an die optimierten Prozesse angepasst wird. Dieser Vorgang muss durch adäquates Change Management begleitet werden, wie etwa ein Topdown-Rollout mit stufengerechter Erweiterung des Beteiligtenkreises (Suter, Vorbach & Weitlaner 2015).

darf der geeigneten Konzeptualisierung und Operationalisierung – zwei anspruchsvolle Aufgaben, da sich die Messbarkeit im Dienstleistungsbereich weiterhin als schwierig erweist (Höber et al. 2015; Weitlaner & Kohlbacher 2015). Hinzu kommt, dass jedes Unternehmen einzigartig ist (Suter, Vorbach & Weitlaner 2015), was bei Betrachtung der jeweiligen wirtschaftlichen Ausgangslage, des Geschäftsauftrags, der Kernfähigkeiten, etc. ersichtlich wird. Allgemeingültige Aussagen können daher schwer getroffen werden. Während Startups häufig unmittelbar mit smarten Lösungen ins Rennen gehen und somit auf kein vorher zurückblicken können, ist es in etablierten Unternehmen oft nahezu unmöglich, die notwendigen Vergleichsdaten von Altsystemen zu ermitteln. Letzteres geht auch einher mit Verfahren wie Total Cost of Ownership oder Total Economic Impact – ambitionierte Aufgaben, denen sich nur wenige Unternehmen stellen (wollen).

V. OFFENE FRAGEN UND HERAUSFORDERUNGEN Obwohl die Wurzeln der Begriffe Smart (Maintenance) Service bereits mehr als eine Dekade zurückreichen und aktuell ein Industrie 4.0-Hype vorherrscht, hält sich die Zahl (wissenschaftlicher) Publikationen in Grenzen. Die verfügbaren Quellen heben zumeist die positiven Effekte smarter Lösungen hervor. Die Kehrseite der Medaille (zu tätigende Investitionen, aufbau- und ablauforganisatorische Veränderungen, Aufbau von Kompetenzen, etc.) bleibt häufig unberücksichtigt. Wenige widmen sich den Herausforderungen, denen sich vor allem traditionelle Industriebetriebe stellen müssen – siehe (Priller, Aldrian & Ebner 2014) für eine technische Perspektive. Dies weckt teilweise gar überzogene unternehmensseitige Erwartungen. Zwar gibt es, wie in anderen Disziplinen, klassische Erfolgsgeschichten, jedoch mangelt es bisweilen an deren empirisch fundierter Überprüfung und Dokumentation. Denn obwohl Smart Services bereits in zahlreichen B2B- und B2CSituationen Teil der Realität sind (Allmendinger & Lombreglia 2005; Wünderlich, von Wangenheim & Bitner 2012), fehlen selbst praktische Erfahrungsberichte. Dies geschieht wohl durchaus bewusst, etwa zum Schutz vor Mitbewerbern. Erforderlich wäre ebenso ein ganzheitliches Bild der Auswirkungen (positiv wie negativ), die mit einem Umstieg zu einer smarten Leistungserbringung verbunden sind. Dies be-

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VI. FALLBEISPIEL AVL LIST GMBH AVL ist ein etablierter Anbieter von Testsystemen für Antriebe und Automobile. Das Unternehmen hat sich im Rahmen von Artemis Arrowhead zum Ziel gesetzt, den Wartungsprozess der weltweit betriebenen Prüfstände und dessen Zyklen zu optimieren. A. Ausgangssituation Die hohen industriellen Qualitätsziele verlangen ausgeklügelte Instandhaltungsstrategien für Anlagen, die Ausfallzeiten weitestgehend vermeiden (acatech 2015). Die Wartung ist von unterschiedlichen Faktoren abhängig (Betriebszeit und -bedingungen), wobei die Zyklen häufig das Service-Personal auf Basis überkonservativer Erfahrungsregeln festlegt. Für mehr Präzision und Realitätsnähe muss die Instandhaltung Kenntnis über den tatsächlichen Verschleiß erlangen. Bei AVL soll der aktuelle Zustand von Sensoren und Geräten durch die Analyse der tatsächlichen Nutzung (Betriebsstunden), Verunreinigungen sowie Beanspruchungen ermittelt werden (Priller, Aldrian & Ebner 2014). Dies schafft die Grundlage zur Ableitung neuer Service-Modelle und Ge-

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schäftsideen (siehe Abschnitt IV). Es sollen (1) proaktiv bevorstehende Ereignisse (inkl. Ausfälle) vermieden, (2) präemptiv notwendige Verbrauchsgüter für den Betrieb bereitgestellt, und (3) reaktiv auf vordefinierte Ausfallmuster reagiert werden. AVL erhofft sich dadurch Verbesserungen in den Entscheidungen hinsichtlich der Wartungs- und Ersetzungsvorgänge sowie der Terminierung der Kalibrationszyklen. Ziel ist, die Systemverfügbarkeit kundenseitig maximal aufrecht zu erhalten. Insgesamt soll das Smart Maintenance Service Konzept die Planung, Disposition und rechtzeitige Kontrahierung von Wartungs- und Instandhaltungsaufträgen optimieren und zu signifikanten Verbesserungen in Produktivitätsgewinnen, der Energieeffizienz und Abfallreduzierung beitragen (Priller, Aldrian & Ebner 2014). Gemeinsam mit der Studienrichtung IT & Wirtschaftsinformatik (IWI) der FH CAMPUS 02 wird ermittelt, ob die konkreten Erwartungen erfüllt, übertroffen oder gar enttäuscht werden. B. Technische Umsetzung AVL ist mit der beschriebenen Situation der Altsysteme (Abschnitt II) konfrontiert, welche keine zuverlässige, gesicherte Kommunikation sensibler Daten über Netzwerke unterstützen. Im Sinne der Wirtschaftlichkeit galt es, die Anlagen in die Smart Services Welt zu migrieren. Letztendlich entstand ein Smart Maintenance Service auf Basis einer modularen Erweiterung der Anlagen – ein als Gateway fungierender Mediator. Ferner wird dem Ansatz der serviceorientierten Architektur (SOA) Rechnung getragen, die auf einer Publish & Subscribe Message Queue beruht. In der konkreten Umsetzung handelt es sich somit um einen IT-Netzwerk-basierten Service (Allmendinger & Lombreglia 2005). Technische Details können (Priller, Aldrian & Ebner 2014) entnommen werden. C. Analysekonzept Das IWI-Projektteam entwickelte einen Leitfaden (siehe Abb. 3), womit die Auswirkungen eines Wechsels von traditioneller zu smarter Dienstleistungserbringung unternehmensspezifisch analysiert werden können – nähere Details siehe (Weitlaner et al. 2015). Der Fokus wurde aufgrund der in Abschnitt V geschilderten Problematik auf operative Aspekte und somit die Dienstleistungsdimensionen gelegt. Der Leitfaden verbindet, möglichst synergetisch, Elemente der Business Impact Analyse, Vorgehensweisen des Performance Journey Mapping (Höber et al. 2015) sowie Methoden und Werkzeuge des Projekt- und Prozessmanagements. Für AVL sind Ressourcen von enormer Bedeutung. Dies wird im Rahmen der Analyse gemeinsam mit der Kundenund Mitarbeiterzufriedenheit in den Mittelpunkt gerückt. Hinsichtlich der Rahmenbedingungen kann gesagt werden, dass ERP-Daten vorliegen, die Kundenzufriedenheit im Prozess bereits erhoben wird sowie unterschiedliche Prozessbeschreibungen und Organigramme vorhanden sind. Aufgrund der besseren Dateneignung wurde jedoch beschlossen, beide Zu-

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friedenheitsbetrachtungen über ein adaptiertes SERVQUALVerfahren (Parasuraman, Berry & Zeithaml 1988) zu erheben. Die Prozessdokumente beider Wartungsvarianten wurden in einheitliche Darstellungsformen gebracht – Service Blueprints (Shostack 1984) mit Makromodellen (Suter, Vorbach & Weitlaner 2015) als Zwischenschritt v. a. für die Schnittstellenidentifikation. Darauf aufbauend wurden, jeweils aktivitätsweise, potenziell betroffene Ressourcen identifiziert, Kennzahlen abgeleitet sowie Abhängigkeiten und generische Prozesscharakteristika betrachtet. Die resultierenden Kennzahlenmengen wurden in Folge auf ihre Sinnhaftigkeit und Zielorientiertheit hin überprüft und anschließend deren Schnitt gebildet. Diese Endmenge diente als Ausgangspunkt für die Datenerhebung. D. Erste Ergebnisse und Erkenntnisse Aus dem bisherigen Projektverlauf geht hervor, dass sich die Realisierung des Smart Maintenance Service für AVL als durchaus anspruchsvoll und herausfordernd erweist. Ausgehend von den Überlegungen in (Priller, Aldrian & Ebner 2014) musste mitunter hoher Entwicklungsaufwand betrieben werden, um u. a. die Anlagen nachzurüsten oder eine gesicherte, transparente, ad hoc-Transmission von Daten sicherzustellen – siehe bspw. (Fitzek et al. 2015; Lesjak et al. 2014a; Lesjak et al. 2014b). Dies verzögerte auch das Service-Prototyping mitsamt Systemgestaltung (IKT) immens, was auch die Analysemöglichkeiten einschränkte. Bisweilen konnten nur Daten zum traditionellen Vorgehen erhoben werden, da der Smart Service noch nicht gänzlich einsatzfähig ist. Aus analytischer Sicht stellte sich die Wahl des Detaillierungsgrades als kritisch heraus (Unternehmens- vs. Verrichtungsebene), die sich sowohl in der Visualisierung als auch in den Kennzahlenmengen niederschlägt. Aggregationen mögen zwar im ersten Moment den Index klein halten, die Endberechnung kann bei Nichtvorhandensein von Kennziffern aber wieder eine verfeinerte Betrachtung erfordern. Der Analyseraum und das Kennzahlenmaterial konnte beim Vergleich der Dienstleistungsvarianten deutlich eingeschränkt werden, da die Veränderungen im Informations- und Wertschöpfungsfluss v. a. die Phasen vor und nach der Realisierung betreffen. Im Idealfall sind in der Realisierung Verbesserungen in den

Abb. 3. Auswirkungsanalyse (Weitlaner et al. 2015)

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Wartungsstraßen (etwa Nutzungsgrad oder Terminierung) zu erwarten. Generell sind Inspektion und Wartung noch als repetitiv und somit automatisierbar zu erachten, Instandsetzung und Verbesserung werden jedoch einmalig und kontextsensibel bleiben (acatech 2015).

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VII. CONCLUSION Dieser Beitrag verfolgte das Ziel, die potenziellen Auswirkungen eines Umstiegs zu Smart Maintenance Services für etablierte Industrieunternehmen aufzuzeigen. Gerade aus dem IT-Kontext ist bekannt, dass Unternehmen oft enttäuscht von ihren IT-Management-Anstrengungen betreffend die Verbesserung der Effizienz von Betriebsabläufen sind, da sich die erwarteten Erträge nicht einstellen. Dies wird mitunter dem unzureichenden Wissen hinsichtlich der Umsetzung solcher Investitionen zugeschrieben (Diao & Bhattacharya 2008). Ein „smart-up“ einer bestehenden Lösung kann ebenso als Verbesserungsmaßnahme gewertet werden. Es ist jedoch bisweilen unklar, ob die Leistungsversprechen von Smart Services auch tatsächlich gehalten werden. Der vorgestellte Leitfaden soll Hilfestellung geben, um die operativen Effekte der Umstellung analysieren zu können. Letzten Endes darf dennoch nicht vergessen werden, einen Blick über den Tellerrand des operativen Bereichs zu werfen. Die real entstandenen Kosten (v. a. für die Entwicklung) sind, im Sinne der Investitionsrechnung, dem Nutzen (u. a. neue Einnahmequellen) gegenüberzustellen. Nur in Kombination lässt sich auch für etablierte Industrieunternehmen einschätzen, ob für sie ein Umstieg auf Smart Maintenance Services rentabel ist. Gesamt betrachtet wären jedoch weitere (empirische) Einblicke in die Smart Service-Praxis relevant und wünschenswert. Denn nur so können zuverlässige Informationen gewonnen werden, die als Entscheidungshilfe bei einem Veränderungsvorhaben herangezogen werden können. Für AVL bleibt bis zum Projektende 2017 abzuwarten, ob der Smart Maintenance Service tatsächlich den Ansprüchen gerecht werden kann. REFERENCES 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

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Dipl.-Ing. Doris Weitlaner, BSc ist Absolventin des Bachelorund Masterstudiums Softwareentwicklung-Wirtschaft der Technischen Universität Graz (März 2012). Dabei erfolgte eine Vertiefung in den Bereichen Informationssysteme, Recht und Prozessmanagement. Seit Frühjahr 2011 ist sie als Assistentin in Forschung & Lehre an der Studienrichtung Informationstechnologien & Wirtschaftsinformatik der CAMPUS 02 Fachhochschule der Wirtschaft GmbH in Graz beschäftigt. In ihrer dortigen Tätigkeit ist sie vorwiegend in Projekte involviert, die die Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle sowie Dienstleistungen behandeln. Das im Paper beschriebene Projekt ist in die Forschungsschwerpunktfelder der Studienrichtung eingebettet – diese sind Service Engineering, Smart Services und Data Science. Ferner ist Frau Weitlaner als Lektorin für Prozessmanagement tätig und (Co-)Autorin zahlreicher wissenschaftlicher Konferenzund Journalbeiträge sowie des Buchs „Die Wertschöpfungsmaschine“. Dipl.-Ing. Weitlaner ist Mitglied des WING.

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Medieninhaber (Verleger) Österreichischer Verband der ­Wirtschaftsingenieure Kopernikusgasse 24, 8010 Graz ZVR-Zahl: 026865239

Gerade in Zeiten wie diesen stellen ein reizvoller Workshop, das Verteilen von lukrativen Flyern oder eine interessante Firmenpräsentation effiziente und kostengünstige Möglichkeiten zur Werbung für Unternehmen in Fachkreisen dar.Hervorzuheben ist der Zugang zur Technischen Universität als Innovations- und Forschungsstandort der besonderen Art, denn im Zuge von Bachelor- und/oder Masterarbeiten können Sie Studenten in Ideen für Ihre Firma miteinbeziehen und mit ihnen innovative Lösungen ausarbeiten. Nicht zuletzt wird auf diesem Weg auch für die Zukunft vorgesorgt. Denn schließlich sind es die heutigen Studenten der Technischen Universität, die morgen als Ihre Kunden, Händler oder Lieferanten fungieren. Mit WINGnet-Werbemöglichkeiten kann man diese nun schon vor dem Eintritt in das Berufsleben von sich und seiner Firma überzeugen und somit eine gute Basis für eine langfristige und erfolgreiche Zusammenarbeit schaffen. WINGnet Wien veranstaltet mit Ihrer Unterstützung Firmenpräsentationen, Workshops, Exkursionen sowie individuelle Events passend zu Ihrem Unternehmen. WINGnet Wien bieten den Studierenden die Möglichkeit- zur Orientierung, zum Kennenlernen interessanter Unternehmen und Arbeitsplätze sowie zur Verbesserung und Erweiterungdes universitären Ausbildungsweges. Organisiert für Studenten von Studenten.Darüber hinaus bietet WINGnet Wien als aktives Mitglied von ESTIEM (European Students

Editor Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Siegfried Vössner E-Mail: voessner@tugraz.at Redaktion/Layout Chefin vom Dienst & Marketingleiterin: Mag. Beatrice Freund Tel. +43 (0)316 873-7795, E-Mail: office@wing-online.at Redakteure Dipl.-Ing. Julia Soos E-Mail: julia.soos@tugraz.at Dipl.-Ing. Thomas Böhm E-Mail: thomas.boehm@tugraz.at Dipl.-Ing. Harald Wipfler E-Mail: harald.wipfler@tugraz.at Dipl.-Ing. Julia Brugger E-Mail: julia.brugger@tugraz.at Dipl.-Ing. Alfred Kinz E-Mail: alfred.kinz@wbw.unileoben.ac.at Mag. Dipl.-Ing. Lena Paar E-Mail: lena.paar@tugraz.at Anzeigenleitung/Anzeigenkontakt Mag. Beatrice Freund Tel. +43 (0)316 873-7795,E-Mail: office@wing-online.at

of Industrial Engineering and Management) internationale Veranstaltungen und Netzwerke. In 24 verschiedenen Ländern arbeiten 66 Hochschulgruppen bei verschiedenen Aktivitäten zusammen und treten so sowohl untereinander als auch zu Unternehmen in intensiven Kontakt. Um unser Ziel - die Förderung von Studenten - zu erreichen, benötigen wir Semester für Semester engagierte Unternehmen, die uns auf verschiedene Arten unterstützen und denen wir im Gegenzug eine Möglichkeit der Firmenpräsenz bieten. Die Events können sowohl in den Räumlichkeiten der TU Wien als auch an dem von Ihnen gewünschten Veranstaltungsort stattfinden. Weiters können Sie die Zielgruppe individuell bestimmen. Sowohl alle Studienrichtungen als auch z.B. eine Festlegung auf Wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen ist möglich. Außerdem besteht die Möglichkeit eine Vorauswahl der Teilnehmer, mittels Ihnen vorab zugesandten Lebensläufen, zu treffen. Auf unserer Webseite http://www.wing-online.at/de/wingnetwien/ finden Sie eine Auswahl an vorangegangenen Events sowie detaillierte Informationen zu unserem Leistungsumfang WINGnet Wien: Theresianumgasse 27, 1040 Wien, wien@wingnet.at ZVR: 564193810

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Druck Universitätsdruckerei Klampfer GmbH, 8181 St. Ruprecht/Raab, Barbara-Klampfer-Straße 347 Auflage: 2.500 Stk. Titelbild: Fotolia WING-Sekretariat Kopernikusgasse 24, 8010 Graz, Tel. (0316) 873-7795, E-Mail: office@wing-online.at WING-Homepage: www.wing-online.at Erscheinungsweise 4 mal jährlich, jeweils März, Juni, Oktober sowie Dezember. Nachdruck oder Textauszug nach Rück­sprache mit dem Editor des „WINGbusiness“. Erscheint in wissenschaftlicher Zusammen­arbeit mit den einschlägigen Instituten an den Universitäten und Fachhochschulen Österreichs. Der Wirtschaftsingenieur (Dipl.-Wirtschaftsingenieur): Wirtschaftsingenieure sind wirtschaftswissenschaftlich ausgebildete Ingenieure mit akademischem Studienabschluss, die in ihrer beruflichen Tätigkeit ihre technische und ökonomische Kompetenz ganzheitlich verknüpfen. WING - Österreichischer Verband der Wirtschaftsingenieure ist die Netzwerkplattform der Wirtschaftsingenieure. ISSN 0256-7830

WINGbusiness 2/2016


WINGnet

Alle Fotos: Manuela Wilpernig, Sepia Film

Alexander Haider

Gründungsveranstaltung WINGnet Villach an der FH Villach „Wer etwas bewegen will, muss sich bewegen.“

A

us diesem Gedanken heraus, entstand vor ca. einem Jahr die Initiative „WINGnet Villach“. Unserem Ziel, eine Plattform zum Wissensaustausch, zum Networking und zur Karrierebildung, mit Anbindung an den Verband der Wirtschaftsingenieure aufzubauen, stand nichts mehr im Wege. Bei jahrgangsübergreifenden Veranstaltungen und laufenden Stammtischen, wurde das Interesse hinterfragt, und unser Vorhaben bestätigt. Aus diesen Gründen freut es uns besonders, dass wir am 03.03.2016 offiziell WINGnet Villach gegründet haben. Die 60 Veranstaltungsteilnehmer konnten einen spannenden Fachvortrag vom Präsidenten des WING-Verbandes, Herrn DI Dr. Hans-Jörg Gress beiwohnen. Außerdem durften wir die Geschäftsführerin DI Ing. Hedwig Höller sowie die Herren DI Siegfried Spanz, DI Dr. Erich Hartlieb, DI Dr. Bernd Neuner, Rektor Mag. Dr. Peter Granig und Herrn Felix Aumair vom WINGnet Wien begrüßen. Den Höhepunkt der Veranstaltung und Abschluss bildete die Unterzeichnung des Kooperationsvertrages mit Frau DI Ing. Hedwig Höller. Im Namen des gesamten Gründungsteams möchten wir uns über die zahlreiche Teilnahme an der Veranstaltung, das Mitdiskutieren und die gemeinsame Zeit im Anschluss bedanken. Des weiteren möchten wir uns bei Herrn DI Dr. Erich Hartlieb mit Team für die tolle Unterstützung bedanken.



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