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Interview mit Dipl.-Ing.

Wirtschaftsingenieur

Nach Stationen bei Stuag, STRABAG und PORR ist Hubert Wetschnig seit 2017 CEO der HABAU GROUP. Der TU-Graz-Absolvent verantwortet nicht nur das Geschick der aus 15 Bauunternehmen bestehenden Gruppe, sondern treibt auch mit großem Erfolg interne Change-Prozesse und den Bereich der Digitalisierung voran.

Das Interview führte Prof. Christian Hofstadler

13 nachhaltige Fragen an einen CEO

1. Wofür steht Ihre Unternehmensgruppe HABAU GORUP?

Die HABAU GROUP befindet sich seit mittlerweile 110 Jahren in Familienbesitz. Nachhaltiges Wachstum und eine partnerschaftliche Projektabwicklung bilden das Rückgrat unseres Erfolges. Wie für einen Baukonzern üblich bilden wir alle Bereiche einer stabilen und modernen Bauindustrie gemeinsam mit unseren Konzernunternehmen ab. Aufgrund unserer langfristig angelegten Expansionsstrategie ist es uns gelungen, mittlerweile 15 Traditionsunternehmen innerhalb unserer „construction family“ nachhaltig im Konzern zu vereinen, um gemeinsam anspruchsvolle Aufträge mit höchsten Qualitätsansprüchen im In- und Ausland zu akquirieren und erfolgreich umsetzen zu können. Den höchsten Stellenwert nehmen aber unsere mittlerweile über 6.500 Mitarbeiter*innen ein, denen wir die besten Voraussetzungen für das Gelingen ihrer persönlichen Leistungsbereitschaft zur Verfügung stellen wollen. Denn eines ist klar: Nachhaltiger Wohlstand gelingt nur mit ehrlicher Leistung im fairen Wettbewerb. Wenn eins und eins etwas anderes als zwei ergibt, dann stimmt etwas nicht.

2. Welche drei generellen Themen sehen Sie für die nächsten 10 Jahre als die wichtigsten an?

Wir wissen heute, dass insbesondere das Jahr 2030 ein wichtiger Meilenstein nicht nur in der Geschichte der HABAU GROUP, sondern auch für die gesamte Bauindustrie sein wird, denn es gilt: 55 % weniger CO2 entlang der gesamten österreichischen Wertschöpfungskette im Vergleich zu 1990 zu emittieren.

Ökologie, Soziales und Ökonomie bilden dabei die drei Säulen der Nachhaltigkeit. Um dauerhaft nachhaltig agieren zu können, müssen alle drei Säulen im Einklang miteinander stehen. Aufgrund dessen ist es nicht mehr möglich allein den ökonomischen Aspekt isoliert zu betrachten.

Aus dieser Überlegung heraus ergeben sich für die HABAU GROUP folgende Themen- und Handlungsfelder:

1. DIGITALISIERUNG – darunter fallen alle Maßnahmen zu Effizienzsteigerung im gesamten Prozessgeschehen der HABAU GROUP

2. FORSCHUNG – Entwicklung zukunftsweisender Technologien zur Steigerung der Ressourceneffizienz

3. NACHHALTIGES BAUEN – eine Strategie zur Erreichung nachhaltiger Baustellen

4. MOBILITÄT

5. ERNEUERBARE ENERGIEN

3. Welche Chancen und Risiken hinsichtlich der Nachhaltigkeit sehen Sie für Ihr Unternehmen?

Die HABAU GROUP ist seit ihren Anfängen an ihren Herausforderungen gewachsen. Daher blicken wir selbstbewusst in die Zukunft und sehen die aktuellen, disruptiven Entwicklungen unserer Zeit – insbesondere den Klimaschutz – grundsätzlich als Chance.

Wir müssen jedoch prüfen, welches Risiko sich hinter jeder Chance verbirgt. Klar ist aber immer, dass ein Baukonzern mit der Verantwortung für rund 6.500 Mitarbeiter*innen nicht so agil wie ein Startup-Unternehmen bewegt werden kann und daher viele Möglichkeiten von langer Hand überprüft und geplant werden müssen, um eine ausreichende Stabilität und Qualität sicherstellen zu können.

Das Thema Nachhaltigkeit – darunter verstehen wir eigentlich das „Nachhaltige Bauen“ – gewinnt immer mehr an Bedeutung, wobei anzumerken ist, dass die gesamte Branche diesbezüglich nach wie vor am Anfang steht. Um nachhaltig agieren zu können, müssen umweltfreundliche und ressourcenschonende Standards erst entwickelt werden.

Ein nachhaltiger Ansatz kann dazu beitragen, die Attraktivität für potenzielle Kunden zu erhöhen. Neben den ökologischen Vorteilen können auch die Kosten gesenkt werden, indem beispielsweise Ressourcen geschont und die Energieeffizienz erhöht wird.

4. Wie identifizieren Sie die relevanten Nachhaltigkeitsthemen für Ihr Unternehmen? (z.B. mit einer Wesentlichkeitsmatrix, Umweltzuständen, Stakeholder-Befragungen)

Im Rahmen einer Stakeholder-Analyse haben wir alle jene, die an der Wertschöpfung der HABAU GROUP beteiligt sind (Mitarbeiter/innen, Eigentümer, Lieferanten sowie Kunden und Investoren) befragt, um ein Bild darüber zu bekommen, was von uns im Bereich ESG (Environmental, Social, Governance) erwartet wird. Die Themenchampions in den einzelnen Bereichen sind folgende:

„ Nachhaltiges Bauen sowie Ressourcen- und Abfallmanagement im Bereich Environmental (kurz: E)

„ Arbeitssicherheit- und Gesundheitsschutz im Bereich Soziales (kurz: S)

„ Fairness im Bereich der Governance (kurz: G)

Auf Basis der Stakeholder-Analyse konnten anschließend die wesent- lichen Indikatoren identifiziert sowie der Datenerhebungsprozess entwickelt und organisiert werden.

5. Welche nachhaltigkeitsbezogenen Themen sehen Sie als die zentralsten für ihr Unternehmen an? Wo sehen Sie die größten Nachhaltigkeitspotentiale (umweltbezogen, wirtschaftlich, sozial) Ihrer Branche?

Auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit konnten wir insgesamt 12 Handlungsfelder ableiten. Folgende Themen, die den unterschiedlichen Bereichen zuzuordnen sind, haben das größte Potential:

„ Umweltbezogene Handlungsfelder Nachhaltige Gebäude und Infrastrukturen, Verwendung von ökologisch wertvollen Baumaterialien, Energieeffizienzsteigerung und Verwendung von erneuerbaren Energien, Einsparung von Materialressourcen sowie Kreislaufwirtschaft im Abfallmanagement, aber auch eine durchgängige Mobilitätsstrategie für alle Fahrzeuge, Maschinen und Geräte.

„ Sozialer Bereich

Hier spielen insbesondere die Arbeitssicherheit, Chancengleichheit, die Aus- und Weiterbildung sowie die Arbeitgeberattraktivität eine entscheidende Rolle.

„ Governance

Im Bereich Governance wurden vor allem die Themen Compliance sowie Forschung und Technologieentwicklung identifiziert.

6. Welche Strukturen besitzt Ihr Unternehmen derzeit im Nachhaltigkeitsmanagement und welche planen Sie zukünftig aufzubauen?

Wir bei der HABAU GROUP denken das Thema Nachhaltigkeit zu Beginn als offenes System, um laufend auf Impulse unterschiedlicher interner und externer Stakeholder reagieren und sie anschließend für unseren Konzern umsetzen zu können. Zentrale Stelle bilden bei uns sogenannte Themen-Champions, welche als Manager, Unterstützer und Partner in den jeweiligen Bereichen der Bauindustrie fungieren. Hier sind wir intern also gut aufgestellt, wenn es darum geht, auf nachhaltigkeitsbezogene Themen zu reagieren.

In Zukunft ist es denkbar, dass anstelle des offenen Systems eine zentrale Stabstelle für Nachhaltigkeit mit Reporting-Verantwortung integriert wird.

7. Spielen ESG-Kriterien in Ihren Finanzentscheidungen eine Rolle? Wenn ja, welche? (beispielsweise bei der Akquise von Projekten oder in der variablen Vergütung von Mitarbeitenden)

Bei den meisten unserer Projekte können wir als Bauunternehmen nicht frei entscheiden, was und wie gebaut wird. Das wird vom Auftraggeber festgelegt. Wir als HABAU GROUP versuchen jedoch unser Nachhaltigkeits-Know-how stets bei Bauherren einzubringen, um möglichst früh in der Planungsphase einen Einfluss darauf zu haben, wie nachhaltig geplant und in weiterer Folge gebaut (Strategie: Nachhaltiges Bauen) wird.

Ansonsten haben ESG-Kriterien eine wesentliche Rolle bei all unseren Entscheidungen, da diese Themen stark in unserem Leitbild und unserer Strategie verankert sind. Beispielsweise ist Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung sowie Nutzung von erneuerbaren Energieträgern auch bei unseren eigenen Gebäuden ein wichtiges Kriterium. Ebenso achten wir bei der Auswahl von Lieferanten auf soziale Aspekte entlang der gesamten Lieferkette und evaluieren laufend, wie die Bedingungen für Sicherheit und Gesundheit unserer Mitarbeiter*innen noch weiter verbessert werden können.

Und im Bereich Governance kräftigen wir unsere Position eines fairen Geschäftspartners beispielsweise durch Zertifizierungen nach ISO 37001 und ISO 37301.

8. Wie lassen sich Ihrer Meinung nach wirtschaftliche, soziale und ökologische Ziele miteinander vereinbaren?

Eine mögliche Strategie die drei Ziele der Nachhaltigkeit (ESG) zu errei- chen, wäre beispielsweise mithilfe einer integralen Planung, die alle Aspekte der Nachhaltigkeit von Beginn der Planung an berücksichtigt. Dadurch können alle Dimensionen des Planungsprozesses von Anfang an miteinander abgestimmt und in Einklang gebracht werden. Dabei ist wichtig zu beachten, dass die Vereinbarung der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Ziele ein kontinuierlicher Prozess ist, der über die gesamte Dauer eines Projekts hinweg fortgesetzt werden muss und nicht bei Übergabe des Gebäudes oder des Bauwerkes an den Betreiber endet.

9. Die EU will bis 2050 klimaneutral sein und dafür in bereits sieben Jahren, also bis 2030, ihre THGEmissionen um 55 % (im Vergleich zu 1990) gesenkt haben. Wie sieht Ihr persönlicher Unternehmensweg zur Klimaneutralität aus? (Meilensteine etc.) Ist dieser realisierbar?

Das Ziel der 55 %-Reduktion stellt ja grundsätzlich eine Bedingung dar, mit der das übergeordnete 1,5°-Ziel erreicht werden kann. Daher setzen wir uns in der HABAU GROUP natürlich mit Thema Klimaneutralität intensiv auseinander und haben auch einen 7 Punkte-Plan ausgearbeitet, der die Basis einer möglichen „Transition 2 Zero Strategy“ der HABAU GROUP ist.

Im Wesentlichen beinhaltet der 7 Punkte-Plan die Entwicklung einer Carbon Accounting, sowie Digitalisierungs- und Technologie-Strategie in enger Abstimmung mit den aktuell gültigen Verordnungen der EU-Taxonomie.

Die Realisierbarkeit des 7 PunktePlans hängt auch davon ab, wie sehr sich die Rahmenbedingungen bis 2030 gestalten. Zum Gelingen tragen hier sowohl einheitliche politische Strategien auf allen Ebenen als auch stabile wirtschaftliche und soziale Verhältnisse bei.

10. Welche Rolle spielen Mitarbeitende in Ihren Nachhaltigkeitsprozessen? Wie werden diese eingebunden?

Als Baukonzern nehmen wir uns selbst in die Pflicht – für unsere Lebensgrundlagen sowie für unsere Mitarbeiter*innen. Wir verfolgen die Strategie, durch Innovationen Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit miteinander zu verbinden. So sichern wir Jobs für unsere construction family und nehmen unsere Verantwortung wahr – in ökologischer, ökonomischer sowie sozialer Hinsicht.

Viele Mitarbeiter*innen der HABAU GROUP sehen sich bereits heute sozusagen als Botschafter*innen für eine lebenswerte Zukunft und bringen sich auch aktiv mit ihren Ideen und Tätigkeiten den Klimaschutz betreffend ein. Dadurch nimmt unsere Strategie „Transition 2 Zero“ für Nachhaltiges Bauen erst Gestalt an und verleiht dieser zudem einen persönlichen Charakter.

Die zahlreichen Ideen werden in der eigenen Forschungs- & Entwicklungsabteilung der HABAU GROUP gesammelt und analysiert. Nicht selten entsteht dabei auch das ein oder andere Patent.

11. Wo sehen Sie bei den derzeitigen Nachhaltigkeitsvorschriften den größten Handlungsbedarf? Wo wünschen Sie sich mehr Klarheit bzw. mehr Informationen?

Die EU-Taxonomie ist ein gutes Instrument des europäischen GreenDeals, um Investitionen hin zu ökologisch nachhaltigen Tätigkeiten zu lenken. Die Verordnung soll Anreize schaffen, Kapitalflüsse in der EU nachhaltiger zu gestalten. Die Verordnung bildet dabei die Grundlage aller Gesetze, welche bereits ab 2025 für österreichische Baukonzerne gelten werden. Darunter fällt u.a. auch die Bilanzierung aller CO2 Emissionen, welche durch die eigene Geschäftstätigkeit verursacht werden. Dies mit dem Ziel, die Transparenz voranzutreiben, in der Absicht Unternehmen mit einer grünen Performance zu stärken. Vor diesem Hintergrund stellt die Etablierung einer seriösen und tiefgreifenden Nachhaltigkeitsstrategie eine besondere Herausforderung dar.

Hier würden wir uns eine einheitlich, aussagekräftige leicht verständliche Messmethode wünschen, welche die Unternehmen der Bauindustrie untereinander vergleichbar macht. Der Nachhaltigkeitsbericht ist unserer Meinung nach, nur bedingt geeignet.

12. Wie stellen Sie sich eine nachhaltige Zukunft 2050 vor und welche Rolle spielt dabei Ihr Unternehmen?

2050 bzw. eigentlich schon 2040 bedeutet für Österreich, dass wir keine klimaschädlichen Emissionen mehr produzieren, welche das 1,5°C-Ziel gefährden. Ob uns dies tatsächlich gelingen wird, können wir heute nicht seriös beantworten, da dies nicht einzig und allein von uns abhängt. Grundsätzlich aber gilt, dass wir Teil der Lösung sein wollen.

Eines aber kann heute schon gesagt werden – und das gilt heute wie morgen gleichermaßen: Wir sind daran gewöhnt auf neue Herausforderungen zu reagieren und dies mit einem gewissen Anspruch!

Klimaaktivist*innen wird es vielleicht auch nach 2050 noch geben, denn dann müssen wir uns den nächsten Aufgaben bis vielleicht 2100 stellen, nämlich der Reduktion von CO2 aus der Atmosphäre, welche ja bekanntlich ca. 13-fach mit Emissionen übersättigt zu sein scheint.

13. Wo sehen Sie die HABAU GROUP in 10 Jahren?

Die HABAU GROUP wird auch in zehn Jahren ein Traditionsunternehmen sein, deren Leistungen im Inund Ausland aufgrund ihrer hohen Qualität stark nachgefragt werden.

Best- und Billigstbieterprinzipien werden um hoch gewichtete Klimakriterien ergänzt. Die Kompetenz der Konzernunternehmen liegt nach wie vor im Bauwesen, jedoch wird sie um mindestens eine Abteilung erweitert, nämlich der des Nachhaltigen Bauens, welche zentrale Anlaufstelle für Klimafragen sein wird, und eine entsprechende Qualitätssicherung diesbezüglich sicherstellt.

Johannes Wall, Katharina Aspalter

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