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Bis 2030 sollen alle Treibhausgas-Emissionen vermieden, verringert oder – falls beides nicht möglich ist –kompensiert werden. Dafür müssen in folgenden Bereichen Maßnahmen ergriffen werden: Liegenschaften, Mobilität (darunter fallen Fuhrpark, Arbeitswege, Dienstreisen), Beschaffung, Veranstaltungen sowie der Kantinenbetrieb. Es klingt erstmal einfach: Aber um dies umzusetzen, muss man zunächst wissen, wieviel Treibhausgas-Emissionen die Bundesverwaltung eigentlich verursacht.

Basis: Emissionsbilanz

Der erste Schritt ist daher die Erfassung der eigenen Emissionen, häufig mit Hilfe eines Umweltmanagementsystems. Das aufwendige Verfahren zur Erhebung von Daten orientiert sich an dem Treibhausgasprotokoll (Greenhouse Gas Protocol, GHG). Dieses liefert Methoden zur Erstellung des CO2-Fußabdrucks und ist ein globaler Bilanzierungsstandard für Unternehmen, Länder und Organisationen. Im Jahr 2022 wird die KKB

Wir wollen vorangehen!

Bis 2030 will die Bundesverwaltung klimaneutral sein

(BS/Victoria Bittner/Viola Maurer*) Das Ziel ist ehrgeizig, aber machbar und soll eine Vorbildwirkung für Wirtschaft und andere Institutionen haben: In § 15 Klimaschutzgesetz sowie im Klimaschutzprogramm 2030 der Bundesregierung zur Umsetzung des Klimaschutzplans 2050 ist festgelegt, dass die Bundesverwaltung bis 2030 klimaneutral zu organisieren ist. Koordiniert und begleitet wird das Vorhaben für die Bundesverwaltung mit ihren rund 120 Einrichtungen und etwa 300.000 Beschäftigten durch die Koordinierungsstelle Klimaneutrale Bundesverwaltung (KKB), welche nun im neuen Bundesministerium für Wirtschaft und Klima (BMWK) angesiedelt ist.

Über EMAS:

erstmals eine Emissionsbilanz der gesamten Bundesverwaltung erstellen und mögliche Reduktionspfade skizzieren. Im Rahmen einer jährlichen Aktualisierung dieser Bilanz überwacht die KKB zukünftig Fortschritte und Wirkungen eingeleiteter Maßnahmen und macht Vorschläge zur Weiterentwicklung. Was machen wir bereits Immer mehr Bundesbehörden kommen der Verpflichtung aus dem Klimaschutzprogramm 2030 nach und führen ein Umweltmanagementsystem ein. Meist ist dies das Eco-Management and Audit Scheme, kurz EMAS (siehe Hinweiskasten). Dadurch werden u.a. im Bereich der Bundesliegenschaften die Energieverbräuche kontinuierlich analysiert und geeignete Maßnahmen zur Re duzierung eingeleitet (z.B. Regelung der Heizlasten). Mit der Eigenpro duktion von Strom, Wärme und Kälte durch erneuerbare Energien auf Bundesliegenschaften soll darüber hinaus die Versorgung nachhaltig sichergestellt und die Nachfrage insgesamt nach erneuerbaren Energien entlastet werden. Die öffentliche Beschaffung hat mit ihrem Auftragsvolumen von jährlich mehr als 500 Mrd. Euro eine Leitfunktion in Sachen Umweltfreundlichkeit und Klimaneutralität. Die neue Allgemeine Verwaltungsvorschrift Klima vom 19. Oktober 2021 stellt bei allen Beschaffungsvorgängen des Bundes ein hohes Maß an Energieeffizienz sicher und zielt beim Einkauf auf besonders klimafreundliche

Produkte und Dienstleistungen ab.

Mit Umstellungen in den Kantinen will die Bundesverwaltung Vorreiter werden in gesunder und nachhaltiger Gemeinschaftsverpflegung und glei chzei tig nachhaltige und am Tierwohl orientierte Landwirtschaft unterstützen. Neben der Steigerung des Anteils an Bio-Lebensmitteln und dem Angebot an CO2-armen Speisen spielen auch Kriterien wie Einsatz von Mehrwegsystemen, messbare Lebensmittelabfallreduzierung und Nachhaltigkeitsschulungen eine wichtige Rolle. Die Wahl klimaschonenderer Transportmittel für Dienstreisen, insbesondere Bahn – statt Flugreisen für innerdeutsche Verbindungen, die Umstellung auf rein elektrisch betriebene Fuhrparke, die Reduzierung von Präsenzveranstaltungen sowie die Stärkung der Nutzung des ÖPNV durch ein attraktives Jobticket sind weitere konkrete Maßnahmen zur Emissionsminderung der Bundesverwaltung im Bereich Mobilität. EMAS ist ein effektives Instrument, um wirksame Beiträge zu mehr Klimaschutz zu leisten. Es wird von der EU Kommission und den Mitgliedstaaten unterstützt und ist das weltweit anspruchsvollste System für Umweltmanagement. Erfüllen Organisationen die hohen Anforderungen der europäischen EMAS-Verordnung (EG, Nr. 1221/2009), werden sie mit dem EMAS-Logo ausgezeichnet. Weitere Informationen zu EMAS finden Sie hier: https://www.emas.de/

Victoria Bittner arbeitet im Referat “Klimaneutrale Bundesverwaltung” im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz Foto: BS/Photografic-Vivian Werk

Grafik: ChaotiC_PhotographY, adobe-stock.com Viola Maurer arbeitet im Referat “Beihilfe-, Reise-, Umzugskostenrecht; Arbeitsschutz” im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat.

Foto: BS/privat

Herausforderungen

Im Jahr 2023 muss laut Klimaschutzgesetz ein Maßnahmenprogramm vorgelegt werden. Dafür werden derzeit in sogenannten Innovationsteams, die interdisziplinär und behördenübergreifend mit Experten besetzt sind, zu den einzelnen Bereichen neue Ideen erarbeitet und Anstrengungen unternommen, das eigene Ambitionsniveau stetig zu steigern.

Revolution durch Diversität

Vielfaltförderung in der Arbeitswelt

(BS/Büsra Tasdemir) Rund 16 Jahre nach Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) gibt es in Unternehmen und in der öffentlichen Verwaltung weiterhin große Unterschiede im Umgang mit Vielfalt und im Hinblick auf Strategien gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz. Eine neue Studie zeigt: Das Thema ist präsent, wird jedoch vielerorts auf einige wenige Bereiche fokussiert.

Rechtshilfe leicht gemacht

Justiz soll Dokumente europaweit elektronisch zustellen

(BS/Benjamin Hilbricht) Der EU-weite Rechtshilfeverkehr in Zivil- und Handelsrechtsachen soll schneller und einfacher werden. Künftig sollen deutsche Gerichte und Behörden Schriftstücke elektronisch ins Ausland senden. Auch Beweisaufnahmen sollen per Videokonferenz oder anderen Fernmeldetechnologien durchgeführt werden können. So zeitgemäß die Maßnahmen sind, an einer Stelle setzt der Gesetzgeber enge Grenzen.

Obwohl das AGG darauf abzielt, Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern, gibt es nach dessen Einführung immer noch ethnisch diskriminierendes Verhalten. Das geht aus der Studie “Der Schutz vor Diskriminierung und die Förderung personaler Vielfalt im Arbeitsleben” des Instituts für Mittelstandsforschung (ifm) Bonn und “pro diversity” im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes hervor. Wird dieses Verhalten nicht bekämpft oder verhindert, können nicht nur psychische Belastungen der Mitarbeitenden erhöht werden, sondern auch die Unzufriedenheit. Letzteres kann zur hohen Fluktuation des Personals führen.

Starke Sensibilisierung, schwache Umsetzung

Bei allen befragten Organisationen, Behörden und Unternehmen steht das Thema Gleichstellung der Geschlechter im Vordergrund, gefolgt von Maßnahmen zu Behinderung und Alter. Generell habe die Umsetzung des Gesetzes dazu beigetragen, eine Sensibilisierung und ein stärkeres Bewusstsein für das Thema Diskriminierung umzusetzen. Dies liege unter anderem daran, dass sich ohnehin viele Unternehmen, Verwaltungen und Organisationen des Dritten Sektors damit befassen mussten. Zudem sind sich viele der befragten Experten einig, dass es bei der Umsetzung hake. Oft seien sie eher formal gehalten und daher habe sich strukturell nicht wirklich viel verändert. Insgesamt gäbe es sehr wenig Bereitschaft zu Veränderungen, Prozesse intensiver zu analysieren und

16 Jahre Allgemeines Gleichhandlungsgesetz: Studie zeigt große Unterschiede beim Umgang mit Vielfalt in Unternehmen und Verwaltungen.

Ressourcen für Zeit, Personal und Finanzen bereitzustellen. Abwehrreaktionen seien dabei auch häufig zu erkennen. Zum Teil seien auch viele Unternehmen noch unsicher mit dem Thema. Dies liege daran, dass die AGGRegelungen zu offen oder unklar formuliert seien.

Wirtschaft und Verwaltung gleichermaßen betroffen

Doch im Vergleich wurde das AGG in größeren Unternehmen stärker umgesetzt als in kleineren Unternehmen. In den öffentlichen Verwaltungen falle die Umsetzung insgesamt weitgehender als bei Unternehmen. Dies liegt daran, dass sie bereits vor Inkrafttreten des AGG über die gesetzlichen Regelungen – gerade in den Bereichen Gleichstellung von Frauen und Männern sowie Behinderung mit dem Thema Diskriminierung befasst und verpflichtet gewesen sind. Anders in der öffentlichen Verwaltung. Vor allem auf Landesebene und bei Großstädten sei eine Veränderung der DiversitätsMaßnahmen zu beobachten. Öffentliche Verwaltungen hätten größtenteils erkannt, dass sie in puncto Vielfalt und Antidiskri-

Foto: BS/Rawpixel.com, stock.adobe.com minierung eine Vorbildfunktion haben und sind aufgrund rechtlicher Verpflichtungen viel eher zu strukturellen Veränderungen bereit. Hier liegt der Fokus insbesondere auf sozialrechtlichen Pflichten, etwa bei schwerbehinderten Menschen. Werden diese beispielsweise nicht zum vorstellungsgespräch eingeladen, könnte dies als Benachteiligung und damit als Verstoß gegen das AGG angesehen werden. Regionaler Arbeitmarkt im Blick

Darüber hinaus nehmen die Länder stärker den regionalen Arbeitsmarkt in den Fokus. So fördert das Land Niedersachsen seit Kurzem das Projekt Regionale Initiativen und Kooperationen für Frauen am Arbeitsmarkt (RIKA). Damit sollen Frauen bessere Chancen am Arbeitsmarkt erhalten. Dazu sagte die Sozial- und Gleichstellungsministerin Daniela Behrens: “Die Förderungsmöglichkeiten durch RIKA sind breit gefächert, um möglichst viele Frauen zu erreichen. Frauen in Führungspositionen werden ebenso angesprochen, wie Alleinerziehende oder geflüchtete und zugewanderte Frauen.” Im Moment gelten nur die Post und das Fax vor dem Gesetz als ein sicherer Kommunikationsweg. Wenn eine deutsche Behörde Schriftstücke im Ausland zustellen will, sendet sie sie zuerst an die deutsche Auslandsvertretung in dem entsprechenden Land. Diese schickt die Dokumente weiter an den Empfänger: per Post. Dieser Umweg soll wegfallen. Ab Mitte 2025 sollen deutsche Behörden ihre Dokumente direkt an die Empfänger in EU-Mitgliedsstaaten zustellen. Dazu ist im Bundestag ein entsprechender Gesetzentwurf vorgelegt worden.

E-Codex als Standard

Die technische Umsetzung ist noch nicht entschieden. Das Bundesministerium für Justiz (BMJ) spricht von einem “sicheren und zuverlässigen dezentralen IT-System wie beispielsweise E-Codex”, das für die internationale Zustellung genutzt werden solle. Das Landesjustizministerium Nordrhein-Westfalen betont hingegen: “Grundlage für eine geeignete Kommunikationsstruktur wird der E-Codex -Standard sein.” Die Abkürzung steht für “E-Justice Communication via Online Data Exchange”, also etwa: elektronische Justizkommunikation über Online-Datenaustausch. Das Landesjustizministerium NRW unterstreicht die Sicherheit des Systems: “Eine elektronische Kommunikation ist jeweils nur zwischen bekannten Empfängern möglich. Es findet sowohl eine Verschlüsselung auf Dokumentenebene, auf Nachrichtenebene als auch auf Transportebene statt.” NRW hat den ECodex -Standard mit entwickelt. Daneben stellt sich die Frage, welche Form die Akten haben sollen, die verschickt werden. Das Justizministerium NRW schlägt das E-Akten-System e2A vor – ebenfalls in NRW entwickelt. Denkbar sei aber auch eine Webanwendung der Europäischen Kommission. Diese müsse jedoch noch programmiert werden. Deutsches Recht muss gewahrt bleiben

Der Gesetzesentwurf sieht zudem eine teilweise Kooperation mit sogenannten “pre-trial discovery of evidence”-Verfahren vor. Das sind Dokumentenherausgabeverlangen, die beispielsweise in Großbritannien und den USA Teil eines Zivilrechtsprozesses sind. Deutschland verweigert bisher die Kooperation mit solchen Dokumentenherausgabeverlangen. Denn die Discovery erlaubt sogenannte Ausforschungsbeweise. Das heißt: bei einer Klage kann eine Seite von der Gegenpartei Beweise anfordern, selbst wenn die erstere Partei noch nicht weiß, worin diese Beweise bestehen. Die andere Partei ist dann verpflichtet, diese Beweise beizubringen. Nach deutschem Recht sind Ausforschungsbeweise verboten. Ein Versuch, eine Kooperation mit solchen Dokumentenherausgabeverlangen zu ermöglichen, scheiterte 2017 im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz.

Nicht gegen deutsches Recht

Der neue Gesetzesentwurf zieht enge Grenzen für eine Kooperation mit Dokumentenherausgabeverlangen aus Common-LawStaaten. Die Dokumente müssen genau bezeichnet werden, ihre Bedeutung für das Verfahren eindeutig erkennbar sein und sie müssen sich im Besitz einer der Prozessparteien befinden. Ihre Herausgabe darf deutschem Recht nicht widersprechen. “Unter diesen engen Voraussetzungen kann die geplante Änderung mitgetragen werden”, heißt es aus dem Justizministerium NRW.

Behörden Spiegel: Was sind die wichtigsten Schritte zur Erreichung der Klimaneutralität, die die Landesregierung Nordrhein-Westfalens, des bevölkerungsreichsten Bundeslandes, sich gesetzt hat?

Heinen-Esser: Um die Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen, muss die Energieversorgung konsequent auf Erneuerbare Energien umgestellt werden. Mit der Fortschreibung der Energieversorgungsstrategie hat das Land das Tempo hierfür weiter gesteigert. Bis 2030 wollen wir die Windkraft verdoppeln, die Photovoltaik möglichst vervierfachen. Gleichzeitig gilt es, die Energieeffizienz zu optimieren. Das Land unterstützt den Übergang zur Green Economy mit breiten Förderangeboten. Als Vorreiter möchten wir zeigen, wie Klimaneutralität und Nachhaltigkeit in einem Industrieland gelingen können. Damit positionieren wir uns gleichzeitig auch in wichtigen Zukunftsmärkten. Einhergehen muss dies mit einer konsequenten KlimawandelVorsorge. Mit dem ersten eigenständigen Klimaanpassungsgesetz sind wir dabei bereits bundesweit Vorreiter.

“Herzstück: grün-blaue Infrastruktur”

Klimaschutz und Klimaanpassung in Nordrhein-Westfalen

(BS) Die Auswirkungen des Klimawandels werden bereits sichtbar und spürbar. Im Interview erläutert Ursula Heinen-Esser, Nordrhein-Westfalens Umweltministerin, welche Maßnahmen für Klimaschutz und Klimaanpassung bereits umgesetzt werden und was zukünftig noch angegangen werden muss. Die Fragen stellten Uwe Proll und Malin Jacobson.

Blaue und grüne Infrastruktur, wie hier der Schlossgarten der Gemeinde Nordkirchen in Nordrhein-Westfalen, sind nicht nur idyllische Erholungsorte, sondern dienen auch der Klimaanpassung von Städten. Foto: BS/Erich Westendarp, pixabay.com

Behörden Spiegel: Welche Konsequenzen müssen aus Ihrer Sicht aus den Flut-Ereignissen in der Eifel gezogen werden?

Heinen-Esser: Die Hochwasserkatastrophe hat gezeigt, mit welcher Wucht uns Wetterextreme treffen können, worauf wir uns im Klimawandel vorbereiten müssen. Parallel zum Wiederaufbau arbeiten wir mit den beteiligten Stellen intensiv an der Analyse und Verbesserung der Vorsorge. Hierzu haben wir den zehnPunkteArbeitsplan “Hochwasserschutz in Zeiten des Klimawandels” erarbeitet. Ein zentraler Punkt dabei ist die Verbesserung von Hochwasservorhersagesystemen für so viele Gewässer wie möglich. Unser Ziel ist, dass Kommunen zukünftig resilienter gegenüber Hochwasser und anderen Wetterextremen werden. Dabei herrschen vor Ort ganz unterschiedliche naturräumliche, städtebauliche und technische Rahmenbedingungen. Wir brauchen daher in den Kommunen spezifische Lösungen, um die Klimaresilienz zu verbessern. Neben Fördermitteln für Hochwasserschutz und Klimaanpassungsmaßnahmen unterstützen wir dies zum Beispiel mit Förderangeboten für Starkregengefahrenkarten und handlungskonzepte. Behörden Spiegel: Gibt es Konzepte für den Ausbau grüner Infrastruktur und für nachhaltige Flächennutzung?

Behörden Spiegel: Regen- und Tauwasser lokal zu halten beziehungsweise deren Fließgeschwindigkeit zu verlangsamen, ist ein wichtiger Faktor für Resilienz. Welche Handlungsoptionen hat das Land Nordrhein-Westfalen diesbezüglich? Wie wollen Sie sogenannte Schwammstädte fördern? Heinen-Esser: Wichtiges Herzstück hierfür ist ein starke und vitale grünblaue Infrastruktur: Flächen, die einerseits Stadtgrün beherbergen, andererseits als Versickerungsflächen dem urbanen Wasserkreislauf dienen und Retentionsflächen für Starkregenereignisse bieten. Ein gutes Beispiel ist das Projekt “Klimaresiliente Region mit internationaler Strahlkraft” im Rahmen der RuhrKonferenz. Das Projekt stärkt die Widerstandskraft des Ruhrgebiets gegen die “Als Vorreiter möchten wir zeigen, wie Klimaneutralität und Nachhaltigkeit in einem Industrieland gelingen können.” Folgen des Klimawandels. Die Kommunen werden dabei unterstützt, konkrete Maßnahmen zur Regenwasserversickerung, zur Flächenentsiegelung und zur Begrünung im Sinne des Schwammstadtgedankens umzusetzen. Insgesamt werden 250 Millionen Euro vom Land und den Wasserverbänden investiert.

Heinen-Esser: Indem wir die Bodenversiegelung eindämmen, stattdessen Altflächen sanieren und die grünblaue Infrastruktur stärken, beugen wir Hitze und Überschwemmungen vor. Für NordrheinWestfalen haben wir hierfür ein ressortübergreifendes Maßnahmenpaket zur intelligenten Flächennutzung erarbeitet. Bausteine sind unter anderem die Entwicklung eines Brachflächenkatasters und eines Flächenzertifikathandels unter Kommunen. Ziel ist es, den Flächenverbrauch so weit wie möglich zu reduzieren. Gleichzeitig bieten wir umfangreiche Förderangebote zur Stärkung der grünen Infrastruktur. Die Förderprogramme werden ausgesprochen gut angenommen und viele wichtige Projekte können wir damit unterstützen. Das ist gut für die Biodiversität und den Klimaschutz, steigert die Lebensqualität im urbanen Raum und fördert die Gesundheit. Neben den bestehenden Instrumenten wie der Biodiversitätsstrategie oder der Landschaftsplanung ist ein Landeskonzept zur grünen Infrastruktur in Planung.

Behörden Spiegel: NordrheinWestfalen ist ein Bundesland der Fläche, aber vor allem der Städte. Klimaanpassung der Städte ist eine besondere Herausforderung. Was sind Ihre Vorhaben diesbezüglich für die Ballungsgebiete?

Heinen-Esser: Die Kommunen sind zentrale Partner bei der Klimaanpassung, denn dort findet in der Regel die Umsetzung der Maßnahmen statt. Das Land bietet den Kommunen dabei breite Unterstützung durch Beratung, Vernetzung und zusätzliche finanzielle Mittel. Über die verschiedenen Förderprogramme wird derzeit eine Vielzahl von Maßnahmen umgesetzt – Flächen werden entsiegelt, Versickerungsflächen angelegt, Dächer und Fassaden begrünt, Schulhöfe klimaresilient gestaltet und die grüne Infrastruktur gestärkt. Das Landesumweltamt stellt zudem umfangreiche Fachinformationen zur Verfügung, zum Beispiel ein Gründachkataster oder ein OnlineTool für Kommunen und Planer.

Behörden Spiegel: Wie werden kommunale Klimaanpassungskonzepte erstellt und wie wird die Umsetzung der daraus resultierenden Maßnahmen unterstützt?

Heinen-Esser: Klimaanpassung muss integraler Bestandteil der Kommunalentwicklung sein und als Querschnittsthema mitgedacht und mitgemacht werden. Klimaanpassungskonzepte sind hierfür wichtige Instrumente, die im Klimaanpassungsgesetz NRW ausdrücklich empfohlen werden. Die Konzepterstellung und auch die Einstellung von Klimaanpassungsmanagerinnen und managern werden durch den Bund gefördert. Die Konzepte enthalten in der Regel eine Vielzahl an Leitlinien und Maßnahmen. Für viele dieser Maßnahmen stehen wiederum Fördergelder von Landes oder Bundesebene zur Verfügung, um der Kommune trotz knapper Haushaltskasse eine Umsetzung zu ermöglichen. Zur Unterstützung und Orientierung berät hierzulande unsere “Kommunalberatung Klimafolgenanpassung NRW”.

Behörden Spiegel: Es wird künftig weitere Hitze- und Trockenperioden geben. Wie kann ein so bevölkerungsreiches Land wie Nordrhein-Westfalen, das zudem eine Ballung an Industriestandorten hat, damit umgehen?

Heinen-Esser: Wir haben in den vergangenen Jahren gesehen, wie heftig die Folgen von Dürren sein können. Laut aktuellem Klimabericht NRW war 2020 das wärmste Jahr seit Messbeginn, Sommer und Hitzetage sowie Tropennächte treten immer häufiger auf. Aktuell ist bereits jeder dritte NordrheinWestfale von Hitze betroffen. Auch die Hitzevorsorge muss als Querschnittsthema berücksichtigt werden. Über unser KlimaresilienzProgramm für Kommunen konnten wir bereits zahlreiche Maßnahmen unterstützen. Für den Baustein “Städte und Hitze” konnten Gelder für Dach und Fassadenbegrünung sowie investive Maßnahmen zur Hitzeminderung beantragt werden. Der Baustein “Klimaresiliente Schulen” ermöglichte zum Beispiel Entsiegelungs, Verschattungs und Begrünungsmaßnahmen. Das neu gegründete Netzwerk Klimaanpassung & Unternehmen NRW bietet Unterstützung für Unternehmen bei der KlimawandelVorsorge. Mit einem neuen Konzept für langanhaltende Trockenheit verfolgen wir zudem das Ziel, Hotspots zu identifizieren und zusammen mit allen Beteiligten Lösungsansätze zu erarbeiten, um Wassernutzungen abzustimmen.

“Ziel ist es, den Flächenverbrauch so weit wie möglich zu reduzieren.”

Ursula Heinen-Esser ist die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen.

Foto: BS/Anke Jacob

Behörden Spiegel: Neben Flut und Hochwasser sind hohe Windgeschwindigkeiten in den letzten Jahren eine weitere Gefährdung. Welche Initiativen hat das Land hier ergriffen, um Menschen, aber auch deren Hab und Gut sowie die allgemeine Infrastruktur vor solchen Windereignissen zu schützen?

Heinen-Esser: Im Bereich des Umweltministeriums sind insbesondere die Wälder von Stürmen betroffen. Vor allem in Fichtenwäldern sind dadurch große Schäden entstanden. In den vorgeschwächten Wäldern konnten sich dann Borkenkäfer ausbreiten und zu weiteren Schäden führen. Wir unterstützen daher die Entwicklung von vielfältigen und klimastabilen Mischwäldern aus verschiedenen Baumarten. Diese sind ökologisch wertvoll, weniger anfällig gegenüber Stürmen und ermöglichen eine Risikominimierung für die Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer. Allein in diesem Jahr umfassen unsere forstlichen Förderprogramme mehr als 45 Millionen Euro.

Behörden Spiegel: Welche Initiativen hat das Land unternommen, um Ressourcen zu schonen und Stoffkreisläufe zu fördern und was soll in nächster Zeit umgesetzt und erreicht werden?

Heinen-Esser: Das Umweltministerium unterstützt die Kreislaufwirtschaft durch Förderung, Beratung, Netzwerkarbeit und einen passenden rechtlichen Rahmen. So berät die EffizienzAgentur NRW zum Beispiel Un

KOLUMNE Y-Generation – wichtig für die Teamkultur

Ob sich die Generation Y ihrer Rolle im Zusammenspiel der Generationen bewusst ist? Zusammen mit der Generation “Z” und “X” kann ein gutes Miteinander aus viel Erfahrung und unbeschwertem Probieren entstehen. Über kaum eine Generation ist soviel geschrieben worden wie über die “GenerationWhy”. Und genau dieses “Warum”, das Infragestellen alter Strukturen und etablierter Prozesse, setzt viele wichtige Diskussionen in Gang. In einer guten Teamkultur haben alle Generationen die Chance, aus unterschiedlichen Blickwinkeln auf konkrete Fragestellungen zu schauen. Und darin liegt ein großes Potenzial, kreative, stabile und manchmal auch überraschende Lösungen zu finden. Und wie bei interdisziplinären Gruppen üblich, ergänzen sich unterschiedlich gelagerte Erfahrungen, Kompetenzen sowie ein guter Mix aus Vorsicht und Mut bestens. Es gibt also viel voneinander zu lernen; die Generation X kann mit viel praktischer Erfahrung und Soveränität punkten, die Generation Y bringt neben frischem Wind auch Kompetenzen in modernen Technologien und Ansätzen mit. So habe ich mich immer sehr gefreut, wenn die beiden Generationen aufeinander zugegangen sind und ihre jeweiligen Stärken eingebracht und sich als Teamplayer gezeigt haben. Häufig braucht dieses Zusammenspiel der Generationen eine Begleitung und gezielte Impulse der Führungsebene. Denn sowohl Dosieren als auch wechselseitig Raum für andere Meinungen zuzulassen, klappt nicht immer auf Anhieb und kann zu Friktionen führen. Allen jedoch ihre Rolle im Team zu verdeutlichen, ist eine wichtige Führungsaufgabe. Auch wenn gerade die Generation Y mit ihren zahlreichen “WarumFragen” das Team ein ums andere Mal herausfordern kann, so reagieren sie andererseits sehr sensibel darauf, nicht ernst genommen zu werden. Nehmen wir die Herausforderungen an, hören aktiv zu und sorgen für ausgeglichene Wertschätzung für Gruppen jedes Alters. Denn für eine gute Teamkultur brauchen wir die Impulse aller Generationen!

Beate van Kempen ist IT-Architektin – LVR-Digitalisierungsdezernat.

Foto: BS/privat ternehmen zu Ressourceneffizienz und Circular Economy. Förderprogramme setzen wichtige Umsetzungsimpulse, zum Beispiel das EFREProgramm und die Strukturwandelförderung. Branchenübergreifende Vernetzung beseitigt Informationsdefizite und löst Handlungsdynamiken aus. Dies geschieht im Rahmen des “Runden Tisches zirkuläre Wertschöpfung” und durch das Kompetenznetzwerk Umweltwirtschaft. Und schließlich stärkt das neue LandesKreislaufwirtschaftsgesetz die Abfallhierarchie und betont dabei auch die Bedeutung der öffentlichen Hand.

Behörden Spiegel: Sie stehen gerade im Wahlkampf. Welche Rolle spielen Klima- und Umweltschutz hier?

Heinen-Esser: Klima und Umweltschutz haben im Bewusstsein der Öffentlichkeit in den letzten Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen. Das ist gut und gibt Rückenwind für die Initiativen meines Hauses. Wir konnten bereits viel erreichen, haben aber auch noch viel vor, um die klimaneutrale und nachhaltige Transformation voranzutreiben. Mit dem russischen Angriff auf die Ukraine sind nach der CoronaPandemie weitere große Sorgen hinzugekommen. Neben unermesslichem Leid führt der Krieg auch zu großen Verwerfungen bei Energie und Lebensmittelversorgung, wobei viele Bezüge zu Landwirtschaft, Natur und Klimaschutz bestehen. Wir müssen diese Themen daher gemeinsam lösen. Auf keinen Fall dürfen wir jetzt die Ziele im Klima und Umweltschutz nach unten schrauben, denn auch sie sind nach wie vor existenziell.

Behörden Spiegel: In der aktuellen Krise um die Ukraine ist von einer Verlängerung der Nutzung von Kohlekraftwerken die Rede. Wie stehen Sie zu diesem Thema?

Heinen-Esser: Der Angriff Russlands gegen die Ukraine ist schrecklich und eine humanitäre Katastrophe, ein Krieg mit heftigen Auswirkungen auf verschiedenste Bereiche. Hierzu gehört auch die Sicherung der Energieversorgung in Deutschland. NordrheinWestfalen hat sich auf eine Beendigung der Kohleverstromung 2030 vorbereitet. Die globale Transformation des Energiesystems ist weiterhin zentral, denn die Klimakrise hat nicht an Gefahr verloren. Das hilft uns auch, um unabhängiger von Energieimporten zu werden.

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