Behörden Spiegel April 2022

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Aktuelles Öffentlicher Dienst

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Wir wollen vorangehen!

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is 2030 sollen alle Treibhausgas-Emissionen vermieden, verringert oder – falls beides nicht möglich ist –kompensiert werden. Dafür müssen in folgenden Bereichen Maßnahmen ergriffen werden: Liegenschaften, Mobilität (darunter fallen Fuhrpark, Arbeitswege, Dienstreisen), Beschaffung, Veranstaltungen sowie der Kantinenbetrieb. Es klingt erstmal einfach: Aber um dies umzusetzen, muss man zunächst wissen, wieviel Treibhausgas-Emissionen die Bundesverwaltung eigentlich verursacht.

Basis: Emissionsbilanz Der erste Schritt ist daher die Erfassung der eigenen Emissionen, häufig mit Hilfe eines Umweltmanagementsystems. Das aufwendige Verfahren zur Erhebung von Daten orientiert sich an dem Treibhausgasprotokoll (Greenhouse Gas Protocol, GHG). Dieses liefert Methoden zur Erstellung des CO2-Fußabdrucks und ist ein globaler Bilanzierungsstandard für Unternehmen, Länder und Organisationen. Im Jahr 2022 wird die KKB

Behörden Spiegel / April 2022

Bis 2030 will die Bundesverwaltung klimaneutral sein (BS/Victoria Bittner/Viola Maurer*) Das Ziel ist ehrgeizig, aber machbar und soll eine Vorbildwirkung für Wirtschaft und andere Institutionen haben: In § 15 Klimaschutzgesetz sowie im Klimaschutzprogramm 2030 der Bundesregierung zur Umsetzung des Klimaschutzplans 2050 ist festgelegt, dass die Bundesverwaltung bis 2030 klimaneutral zu organisieren ist. Koordiniert und begleitet wird das Vorhaben für die Bundesverwaltung mit ihren rund 120 Einrichtungen und etwa 300.000 Beschäftigten durch die Koordinierungsstelle Klimaneutrale Bundesverwaltung (KKB), welche nun im neuen Bundesministerium für Wirtschaft und Klima (BMWK) angesiedelt ist. und macht Vorschläge zur Weiterentwicklung. Victoria Bittner arbeitet im Referat “Klimaneutrale Bundesverwaltung” im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz

Was machen wir bereits

Immer mehr Bundesbehörden kommen der VerFoto: BS/Photografic-Vivian Werk pflichtung aus dem Klimaschutzprogramm 2030 erstmals eine Emissionsbilanz nach und führen ein Umweltder gesamten Bundesverwaltung managementsystem ein. Meist ist erstellen und mögliche Redukti- dies das Eco-Management and onspfade skizzieren. Im Rahmen Audit Scheme, kurz EMAS (sieeiner jährlichen Aktualisierung he Hinweiskasten). Dadurch dieser Bilanz überwacht die KKB werden u.a. im Bereich der zukünftig Fortschritte und Wir- Bundesliegenschaften kungen eingeleiteter Maßnahmen die Energieverbräuche kontinuierlich analysiert und geeignete Maßnahmen zur Reduzierung eingeleitet (z. B. Rege­lung der EMAS ist ein effektives Instrument, um wirksame Beiträge zu mehr Klimaschutz zu leisten. Es wird von der EU Kommission und den Heizlasten). Mitgliedstaaten unterstützt und ist das weltweit anspruchsvollsMit der Eite System für Umweltmanagement. Erfüllen Organisationen die genprohohen Anforderungen der europäischen EMAS-Verordnung (EG, Nr. duktion von 1221/2009), werden sie mit dem EMAS-Logo ausgezeichnet. Strom, Wärme und Kälte durch erneuerbare Energien auf BunWeitere Informationen zu EMAS finden Sie hier: desliegenschaften soll darüber https://www.emas.de/ hinaus die Versorgung nachhaltig

Über EMAS:

Einsatz von Mehrwegsystemen, messbare Lebensmittelabfallreduzierung und Nachhaltigkeitsschulungen eine wichtige Rolle. Die Wahl klimaschonenderer Transportmittel für Dienstreisen, insbesondere Bahn – statt Flugreisen für innerdeutsche Verbindungen, die Umstellung auf rein elektrisch betriebene Fuhrparke, die Reduzierung von Präsenzver-

sichergestellt und die Nachfrage insgesamt nach erneuerbaren Energien entlastet werden.

Umwel t f reu n dlichkeit und Klimaneutralität. Die neue Allgemeine Verwaltungsvorschrift Klima vom 19. Oktober 2021 stellt bei allen Beschaffungsvorgängen des Bundes ein hohes Maß an Energieeffizienz sicher und zielt beim Einkauf auf besonders klimafreundliche Produkte und Dienstleistungen ab. Mit Umstellungen in den Kantinen will die Bundesverwaltung Vorreiter werden in gesunder und nachhaltiger Gemeinschaftsverpflegung und gleichzeitig nachhaltige und am Tierwohl orientierte Landwirtschaft Grafik: ChaotiC_PhotographY, adobe-stock.com unterstützen. Die öffentliche Beschaffung hat Neben der Steigerung des Anteils mit ihrem Auftragsvolumen von an Bio-Lebensmitteln und dem jährlich mehr als 500 Mrd. Eu- Angebot an CO 2-armen Speiro eine Leitfunktion in Sachen sen spielen auch Kriterien wie

Viola Maurer arbeitet im Referat “Beihilfe-, Reise-, Umzugskostenrecht; Arbeitsschutz” im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat. Foto: BS/privat

anstaltungen sowie die Stärkung der Nutzung des ÖPNV durch ein attraktives Jobticket sind weitere konkrete Maßnahmen zur Emissionsminderung der Bundesverwaltung im Bereich Mobilität.

Herausforderungen Im Jahr 2023 muss laut Klimaschutzgesetz ein Maßnahmenprogramm vorgelegt werden. Dafür werden derzeit in sogenannten Innovationsteams, die interdisziplinär und behördenübergreifend mit Experten besetzt sind, zu den einzelnen Bereichen neue Ideen erarbeitet und Anstrengungen unternommen, das eigene Ambitionsniveau stetig zu steigern.

Revolution durch Diversität

Rechtshilfe leicht gemacht

Vielfaltförderung in der Arbeitswelt

Justiz soll Dokumente europaweit elektronisch zustellen

(BS/Büsra Tasdemir) Rund 16 Jahre nach Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) gibt es in Unternehmen und in der öffentlichen Verwaltung weiterhin große Unterschiede im Umgang mit Vielfalt und im Hinblick auf Strategien gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz. Eine neue Studie zeigt: Das Thema ist präsent, wird jedoch vielerorts auf einige wenige Bereiche fokussiert.

(BS/Benjamin Hilbricht) Der EU-weite Rechtshilfeverkehr in Zivil- und Handelsrechtsachen soll schneller und einfacher werden. Künftig sollen deutsche Gerichte und Behörden Schriftstücke elektronisch ins Ausland senden. Auch Beweisaufnahmen sollen per Videokonferenz oder anderen Fernmeldetechnologien durchgeführt werden können. So zeitgemäß die Maßnahmen sind, an einer Stelle setzt der Gesetzgeber enge Grenzen.

Obwohl das AGG darauf abzielt, Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern, gibt es nach dessen Einführung immer noch ethnisch diskriminierendes Verhalten. Das geht aus der Studie “Der Schutz vor Diskriminierung und die Förderung personaler Vielfalt im Arbeitsleben” des Instituts für Mittelstandsforschung (ifm) Bonn und “pro diversity” im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes hervor. Wird dieses Verhalten nicht bekämpft oder verhindert, können nicht nur psychische Belastungen der Mitarbeitenden erhöht werden, sondern auch die Unzufriedenheit. Letzteres kann zur hohen Fluktuation des Personals führen.

Im Moment gelten nur die Post und das Fax vor dem Gesetz als ein sicherer Kommunikationsweg. Wenn eine deutsche Behörde Schriftstücke im Ausland zustellen will, sendet sie sie zuerst an die deutsche Auslandsvertretung in dem entsprechenden Land. Diese schickt die Dokumente weiter an den Empfänger: per Post. Dieser Umweg soll wegfallen. Ab Mitte 2025 sollen deutsche Behörden ihre Dokumente direkt an die Empfänger in EU-Mitgliedsstaaten zustellen. Dazu ist im Bundestag ein entsprechender Gesetzentwurf vorgelegt worden.

Starke Sensibilisierung, schwache Umsetzung Bei allen befragten Organisationen, Behörden und Unternehmen steht das Thema Gleichstellung der Geschlechter im Vordergrund, gefolgt von Maßnahmen zu Behinderung und Alter. Generell habe die Umsetzung des Gesetzes dazu beigetragen, eine Sensibilisierung und ein stärkeres Bewusstsein für das Thema Diskriminierung umzusetzen. Dies liege unter anderem daran, dass sich ohnehin viele Unternehmen, Verwaltungen und Organisationen des Dritten Sektors damit befassen mussten. Zudem sind sich viele der befragten Experten einig, dass es bei der Umsetzung hake. Oft seien sie eher formal gehalten und daher habe sich strukturell nicht wirklich viel verändert. Insgesamt gäbe es sehr wenig Bereitschaft zu Veränderungen, Prozesse intensiver zu analysieren und

16 Jahre Allgemeines Gleichhandlungsgesetz: Studie zeigt große Unterschiede beim Umgang mit Vielfalt in Unternehmen und Verwaltungen. Foto: BS/Rawpixel.com, stock.adobe.com

Ressourcen für Zeit, Personal und Finanzen bereitzustellen. Abwehrreaktionen seien dabei auch häufig zu erkennen. Zum Teil seien auch viele Unternehmen noch unsicher mit dem Thema. Dies liege daran, dass die AGGRegelungen zu offen oder unklar formuliert seien.

Wirtschaft und Verwaltung gleichermaßen betroffen Doch im Vergleich wurde das AGG in größeren Unternehmen stärker umgesetzt als in kleineren Unternehmen. In den öffentlichen Verwaltungen falle die Umsetzung insgesamt weitgehender als bei Unternehmen. Dies liegt daran, dass sie bereits vor Inkrafttreten des AGG über die gesetzlichen Regelungen – gerade in den Bereichen Gleichstellung von Frauen und Männern sowie Behinderung mit dem Thema Diskriminierung befasst und verpflichtet gewesen sind. Anders in der öffentlichen Verwaltung. Vor allem auf Landesebene und bei Großstädten sei eine Veränderung der DiversitätsMaßnahmen zu beobachten. Öffentliche Verwaltungen hätten größtenteils erkannt, dass sie in puncto Vielfalt und Antidiskri-

minierung eine Vorbildfunktion haben und sind aufgrund rechtlicher Verpflichtungen viel eher zu strukturellen Veränderungen bereit. Hier liegt der Fokus insbesondere auf sozialrechtlichen Pflichten, etwa bei schwerbehinderten Menschen. Werden diese beispielsweise nicht zum vorstellungsgespräch eingeladen, könnte dies als Benachteiligung und damit als Verstoß gegen das AGG angesehen werden.

Regionaler Arbeitmarkt im Blick Darüber hinaus nehmen die Länder stärker den regionalen Arbeitsmarkt in den Fokus. So fördert das Land Niedersachsen seit Kurzem das Projekt Regionale Initiativen und Kooperationen für Frauen am Arbeitsmarkt (RIKA). Damit sollen Frauen bessere Chancen am Arbeitsmarkt erhalten. Dazu sagte die Sozial- und Gleichstellungsministerin Daniela Behrens: “Die Förderungsmöglichkeiten durch RIKA sind breit gefächert, um möglichst viele Frauen zu erreichen. Frauen in Führungspositionen werden ebenso angesprochen, wie Alleinerziehende oder geflüchtete und zugewanderte Frauen.”

E-Codex als Standard Die technische Umsetzung ist noch nicht entschieden. Das Bundesministerium für Justiz (BMJ) spricht von einem “sicheren und zuverlässigen dezentralen IT-System wie beispielsweise E-Codex”, das für die internationale Zustellung genutzt werden solle. Das Landesjustizministerium Nordrhein-Westfalen betont hingegen: “Grundlage für eine geeignete Kommunikationsstruktur wird der E-Codex -Standard sein.” Die Abkürzung steht für “E-Justice Communication via Online Data Exchange”, also etwa: elektronische Justizkommunikation über Online-Datenaustausch. Das Landesjustizministerium NRW unterstreicht die Sicherheit des Systems: “Eine elektronische Kommunikation ist jeweils nur zwischen bekannten Empfängern möglich. Es findet sowohl eine Verschlüsselung auf Dokumentenebene, auf Nachrichtenebene als auch auf Transportebene statt.” NRW hat den ECodex -Standard mit entwickelt. Daneben stellt sich die Frage, welche Form die Akten haben sollen, die verschickt werden. Das Justizministerium NRW schlägt das E-Akten-System e2A

vor – ebenfalls in NRW entwickelt. Denkbar sei aber auch eine Webanwendung der Europäischen Kommission. Diese müsse jedoch noch programmiert werden.

Deutsches Recht muss gewahrt bleiben Der Gesetzesentwurf sieht zudem eine teilweise Kooperation mit sogenannten “pre-trial discovery of evidence”-Verfahren vor. Das sind Dokumentenherausgabeverlangen, die beispielsweise in Großbritannien und den USA Teil eines Zivilrechtsprozesses sind. Deutschland verweigert bisher die Kooperation mit solchen Dokumentenherausgabeverlangen. Denn die Discovery erlaubt sogenannte Ausforschungsbeweise. Das heißt: bei einer Klage kann eine Seite von der Gegenpartei Beweise anfordern, selbst wenn die erstere Partei noch nicht weiß, worin diese Beweise bestehen. Die andere Partei ist

dann verpflichtet, diese Beweise beizubringen. Nach deutschem Recht sind Ausforschungsbeweise verboten. Ein Versuch, eine Kooperation mit solchen Dokumentenherausgabeverlangen zu ermöglichen, scheiterte 2017 im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz.

Nicht gegen deutsches Recht Der neue Gesetzesentwurf zieht enge Grenzen für eine Kooperation mit Dokumentenherausgabeverlangen aus Common-LawStaaten. Die Dokumente müssen genau bezeichnet werden, ihre Bedeutung für das Verfahren eindeutig erkennbar sein und sie müssen sich im Besitz einer der Prozessparteien befinden. Ihre Herausgabe darf deutschem Recht nicht widersprechen. “Unter diesen engen Voraussetzungen kann die geplante Änderung mitgetragen werden”, heißt es aus dem Justizministerium NRW.

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Der internationale Rechtshilfeverkehr soll einfacher, schneller und digitaler werden. Foto: BS/stockpics, stock.adobe.com


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