Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen Dienst
ISSN 1437-8337
Nr. IV / 38. Jg / 15. Woche
Berlin und Bonn / April 2022
“Herzstück: grün-blaue Infrastruktur” Ursula Heinen-Esser über Klimaschutz in Nordrhein-Westfalen ............................. Seite 5
Ressourcen bündeln (BS/bhi) Die meisten Geflüchteten aus der Ukraine kommen zuerst in Berlin an. Für ihre Betreuung sucht die Berliner Verwaltung neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Finanzverwaltung, das Bezirksamt Neukölln und andere Bezirksämter vereinen jetzt ihre Kräfte, um möglichst schnell neues Personal einzustellen. “Krisen lassen sich nur mit einer starken öffentlichen Verwaltung bewältigen”, erklärt die Staatssekretärin der Senatsverwaltung für Finanzen Berlin, Jana Borkamp. Die Finanzverwaltung will deshalb Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter, Personal für soziale, medizinische und psychologische Betreuung sowie Dolmetscherinnen und Dolmetscher einstellen. Das Bezirksamt Neukölln will die erforderlichen Prozesse übernehmen. Mehr zur Aufnahme und Verteilung von Geflüchteten lesen Sie auf Seite 13.
www.behoerdenspiegel.de
Was braucht das Heer?
Den Fluss lesen lernen
Generalleutnant Alfons Mais zur Verteidigungsfähigkeit ....................... Seite 51
Stefan Keck über seine Arbeit als DLRGBundesausbilder für Strömungsretter ...... Seite 63
Defizite der Völkergemeinschaft
Ausweiskontrolle soll Pflicht werden (BS/mfe) Luftfahrtunternehmen sind hierzulande derzeit nicht verpflichtet, die Ausweispapiere ihrer Passagiere zu kontrollieren und mit den Daten aus der Buchung abzugleichen. Eigentlich schreibt eine EU-Verordnung dies vor. Deren Umsetzung in Deutschland erfolgte bislang jedoch nicht. Offizielle Begründung: Für Kinder gebe es in der Bundesrepublik keine gesetzlich vorgeschriebene Ausweispflicht. Aus gut informierten Kreisen heißt es hingegen, dass die Implementierung der Richtlinie auf Druck einflussreicher Fluggesellschaften nicht erfolgte. Das könnte sich nun ändern. Der Bundesrat hat einen vom Land Niedersachsen eingebrachten Gesetzentwurf verabschiedet, wonach die Airlines künftig derartige Abgleiche vornehmen müsse. Dafür soll das Luftsicherheitsgesetz reformiert werden. Im Bundestag, dem das Vorhaben nun weitergeleitet wurde, haben dazu noch keine Beratungen stattgefunden.
G 1805
Die Ungleichheit der Länder vor dem Recht (BS/Dorothee Frank) Mit seinem Angriff auf die Ukraine zeigte der russische Präsident Wladimir Putin alle Defizite des Völkerrechts und der Weltgemeinschaft auf. Die Weltordnung funktioniert nur so lange, wie sich die Großmächte an die selbstauferlegten Regeln halten – und wie die USA bereit waren, der Weltpolizist zu sein, der das Völkerrecht durchsetzt. Der russische Angriff auf die Ukraine verstößt gegen das Völkerrecht, die Generalversammlung der Vereinten Nationen verurteilt ihn mit großer Mehrheit und fordert Russland auf, das ukrainische Staatsgebiet zu verlassen. Sollten wirklich russische Soldaten für das Massaker an über 400 Zivilisten im ukrainischen Ort Butscha verantwortlich sein, wären dies zudem eindeutige Kriegsverbrechen nach der internationalen Kriegsordnung. All dies ist verboten und Russlands politische und militärische Führung könnte dafür nach dem Völkerrecht verurteilt werden. Dazu wird es allerdings kaum kommen, weil den Vereinten Nationen die wichtigsten Säulen eines Rechtsstaats fehlen: Gewaltenteilung, Judikative und Exekutive. Russland zog zwei Joker, um das Völkerrecht auszuhebeln. Zum einen sein Vetorecht im UN-Sicherheitsrat, sodass dieser keine Resolution gegen Russland beschließen kann. Zum zweiten seine Atomwaffen, womit ein mögliches Eingreifen der USA unterbunden wurde. Darüber hinaus gibt es kein Gericht, vor dem die russische Führung verurteilt werden könnte. Zwar existieren Präzedenzfälle, besonders die UNKriegsverbrechertribunale, die beispielsweise für Ruanda sowie Jugoslawien eingerichtet wurden,
Der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien wurde durch die Resolution 827 des UN-Sicherheitsrats vom 25. Mai 1993 geschaffen. Foto: BS/Julian Nyča/CC BY-SA 4.0
um die dort geschehenen Kriegsverbrechen zu untersuchen und gegebenenfalls zu bestrafen. Die Einrichtung eines solchen Tribunals müsste allerdings der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beschließen. Russland ist aktuell nicht nur Vorsitzender dieses Sicherheitsrates, sondern besitzt wie erwähnt Vetorecht. Es wird also keine UN-Resolution und somit auch kein UNKriegsverbrechertribunal geben. Eine weitere Institution wäre der Internationale Strafgerichtshof,
vor dem Staaten gegen andere Staaten klagen können. Ein Beispiel hierfür wäre die Klage Gambias gegen Myanmar mit dem Vorwurf des Völkermords an den Rohingya. Dies ist allerdings ein sehr langfristiger Prozess. So fand die zur Klage stehende Ermordung der Rohingya 2017 statt, die Klage wurde vom Internationalen Gerichtshof 2019 angenommen und im Februar dieses Jahres erst final entschieden, dass der Gerichtshof tatsächlich zuständig und die Klage
statthaft ist. Zudem kennt der Internationale Strafgerichtshof nur Unterlassungserklärungen und Wiedergutmachungen, keine Verurteilung von Verbrechern bzw. Personen. Dafür wäre ein Tribunal der Vereinten Nationen zuständig. Die NATO wiederum hat keinerlei Befugnisse zur Verurteilung von Kriegsverbrechen. Einziges Vorbild könnte der nach dem Zweiten Weltkrieg aufgestellte Internationale Militärgerichtshof sein, der von den Alliierten zur
Bestrafung der Verbrechen der Nationalsozialisten eingerichtet wurde. Um die militärische und politische Führung vor ein solches Gericht zu stellen, müsste Russland allerdings erst einmal besiegt sein. Damit es auch Rechtsprechung unabhängig von militärischen Erfolgen gibt, wurde später die Instanz der bereits erwähnten UN-Tribunale geschaffen, die das ausführende Organ des UN-Sicherheitsrats sind. Das Völkerrecht ist eindeutig in der Verurteilung von Gewalt gegen Zivilisten in bewaffneten Konflikten. Allerdings ist jedes Gesetz nur so viel wert wie die urteilenden Gerichte und die durchsetzenden Strafverfolgungsbehörden. Blieben nur die USA als Weltpolizist mit Unterstützung der NATO, aber beide haben mehrfach erklärt, dass sie sich nicht mit der Atommacht Russland auf einen Konflikt einlassen wollen. So konnte auch der amerikanische Außenminister Antony J. Blinken nur erklären: “Wie dieser Krieg endet, hängt von zwei Dingen ab. Zum einen vom ukrainischen Volk und seinen gewählten Vertretern, einschließlich Präsident Selenskyj. Wir werden sie bei allen ihren Handlungen unterstützen, die sie durchführen wollen, um diesen Krieg zu beenden. Und was die Zukunft von Herrn Putin angeht, so liegt das in der Hand des russischen Volkes.”
Kommentar
Mehr souveräne Dezentralität (BS) Die Gleichung klingt einfach: Je schneller der Ausbau der Erneuerbaren Energien und der Stromnetze erfolgt, je mehr die Effizienz gesteigert und der Verbrauch gesenkt werden kann, desto unabhängiger wird Deutschland vom Import fossiler Energie aus Russland – und um so besser werden wir beim Klimaschutz. Das kann jedoch nur mit den regional handelnden Akteuren gelingen. Viele Maßnahmen sind in den letzten Wochen unternommen worden, um bei der Energieversorgung unabhängiger von Russland zu werden, insbesondere beim Gas. Katar, die Niederlande, Norwegen und die USA steigern ihre Lieferungen. Die Frühwarnstufe des Notfallplans Gas wurde ausgerufen. All diese Maßnahmen sind richtig und wichtig. Sämtliche Akteure sind sich ihrer Verantwortung bewusst. Das bestreitet niemand. Und trotzdem es ist bedauerlich, dass erneut erst ein einschneidendes Ereignis geschehen musste, damit sich etwas bewegt. Wie lange wird schon über Maßnahmen zur Beschleunigung der Energiewende gesprochen?
Im Mai soll ein Gesetzgebungspaket auf den Weg gebracht werden, um das Planungsund Genehmigungsverfahren zu vereinfachen und die Flächenverfügbarkeit zu erhöhen. Im Sinne des Bürokratieabbaus und der schnelleren Umsetzung von Entscheidungen ist dies dringend notwendig. Auf der anderen Seite darf die Akzeptanz in der Bevölkerung nicht verloren gehen. Der Fehler wurde schon beim Ausbau der Windenergie gemacht. Gegen große Off-Shore-Parks regte sich wenig Widerstand. Beim Bau der Stromleitungen durch Deutschland hingegen sehr viel. Aktuell in Thüringen, wo Bürgerinitiativen gegen die Verlegung der Stromkabel durch Na-
turschutzgebiete demonstrieren. Langjährige Diskussionen und Gerichtsverfahren können wir uns nicht erlauben. Gleichzeitig dürfen Beteiligungsmöglichkeiten für die Bevölkerung nicht gänzlich gestrichen werden. Die Lösung kann nur im Ausbau Erneuerbarer Energien in dezentralen Strukturen liegen. Hier sind besonders die Stadtwerke gefordert. Über sie sind heterogene Lösungen möglich, die an die örtliche Situation angepasst sind. Und wenn die Bevölkerung, aktiv einbezogen wird, bestenfalls über eine finanzielle Beteiligung die eine günstige Versorgung sicherstellt, ist allen geholfen. Jörn Fieseler
Sperrmüll-Entsorgung