Behörden Spiegel Januar 2025

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I / 41. Jg / 3. Woche

Berlin und Bonn / Januar 2025

Gute Gesetzgebung

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„Gute Gesetze, digitale Verwaltung, weniger Bürokratie“ sind nicht nur der Anspruch des Nationalen Normenkontrollrates, sondern die Grundvoraussetzung, um die Erwartungshaltung an einen leistungsfähigen Staat erfüllen zu können. Praxisorientierung muss dabei im gesamten Lebenszyklus das oberste Credo sein – von der Entstehung der Rechtsnormen im politischen Raum bis hin zu deren konkreter Umsetzung durch die Ämter und Behörden.

Bloß keine Einmischung

Wie Verfassungsschutz und Co. die Bundestagswahl absichern (BS/Mirjam Klinger/Anna Ströbele) Die sozialen Netzwerke Facebook, X und TikTok stehen wieder einmal im Fokus der Aufmerksamkeit. Hier verbreiten interne und externe Akteure Desinformation, um die Meinungsbildung zu beeinflussen, Stimmen zu gewinnen und das Vertrauen in den Staat zu untergraben. Den deutschen Sicherheitsbehörden ist die Gefahr nicht neu. Wie haben sie sich auf die Bundestagswahl 2025 vorbereitet – und reicht dies aus, um die Wahl im Februar effektiv zu schützen?

In Rumänien ist passiert, wovor Expertinnen und Experten schon länger warnen: Ein hybrider Angriff soll die Ergebnisse der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen beeinflusst haben. Das rumänische Verfassungsgericht erklärte die Wahl anschließend für ungültig. Weil die Manipulation über TikTok ablief, eröffnete die Europäische Kommission letzten Dezember ein drittes Verfahren gegen die Plattform. Untersucht werde, ob TikTok gegen den Digital Services Act (DSA) verstoßen habe, indem das Unternehmen Wahlrisiken nicht bekämpft habe, erklärte

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Neben TikTok beobachtet die EU-Kommission auch Facebook und X. Denn auch hier findet Desinformation statt, also die gezielte Verbreitung von falschen Informationen, um Menschen zu beeinflussen. Dr. Gregor Wiedemann ist Senior Researcher Computational Social Sciences am Hans-Bredow-Institut (HBI). Im Rahmen des Projekts NOTORIOUS wertete ein Forschungsteam die Social-Media-Beiträge von Landtags- und Bundestagsabgeordneten hinsichtlich des Klimadiskurses aus. Dabei fiel auf, dass AfD-Politikerinnen und -politiker Falschinformationen verbreiteten. Nutzende teilten diese Beiträge und verschafften der AfD damit eine höhere Reichweite. „Wichtig ist gar nicht, ob die AfD-Politiker die Informationen selbst glauben. Sie erreichen mit dieser Strategie Personen, die für diese Art von Inhalten empfänglich sind und ihre Positionen im politischen Mainstream nicht wiederfinden“,

Adressfeld

erläutert Wiedemann. Für demokratische Parteien sei es schwer, diese Menschen zum Beispiel über Fakten-Checks oder anderweitige Aufklärung zu erreichen. So werde die Demokratie „massiv untergraben“ – in den Augen des Forschers die größte Gefahr von Desinformation.

Die Vorbereitungen laufen Bereits im November 2024 machte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) auf mögliche Gefahren während der kommenden Bundestagswahl aufmerksam. Besonders warnten die Verfassungsschützer vor Einflussversuchen aus Russland. Um dem entgegenzuwirken, arbeitet das BfV unter anderem mit dem Bundeskriminalamt (BKA), dem Bundesinnenministerium (BMI) und dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zusammen. Die Präsidentin des BSI, Claudia Plattner, äußerte sich auf dem ITSicherheitstag NRW optimistisch: „Die Bundestagswahl hält uns in Atem. Ich glaube, wir sind dafür gut aufgestellt. Jedenfalls sind wir maximal vorbereitet.“ Das BSI informiert und berät die Bundes- und Landeswahlleitungen, Kandidierende sowie Parteien. Im Fokus stehen dabei Szenarien illegitimer ausländischer Einflussnahme sowie der

Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) zur Fälschung von Informationen, z. B. mittels Deepfakes. Der Innenminister NordrheinWestfalens, Herbert Reul (CDU), erklärte gegenüber dem Behörden Spiegel hinsichtlich der Vorbereitung auf die Wahl: „Wir intensivieren die Maßnahmen, die wir bereits etabliert haben.“ Die Art der Angriffe stelle jedoch eine neue Herausforderung dar, auf die die Sicherheitsbehörden noch nicht ausreichend vorbereitet seien. Es brauche „neue rechtliche Rahmenbedingungen“, eine bessere technische Ausstattung und qualifizierte Experten, betonte Reul Das NOTORIOUS-Forschungsteam erhebt nun auch Daten von TikTok und zur Bundestagswahl. Am 5. Dezember 2024 ordnete die EU-Kommission eine Vorratsdatenspeicherung bei TikTok an, um Beweise in Zusammenhang mit der rumänischen Wahl sowie künftigen Wahlen in der EU zu sichern. Wie die Bundestagswahl Ende Februar ablaufen wird, ist noch offen. Sicher ist, dass reichlich Informationen darüber gesammelt werden – und dass der große Einfluss der sozialen Netzwerke im Jahr 2025 nicht mehr unterschätzt wird.

Auf Seite 20 lesen Sie mehr zum Digital Services Act.

Wenn Beamte kiffen Infolge der Cannabis-Legalisierung muss der Dienstherr über den Umgang mit der Droge entscheiden. Seite 4

Ohne Gegenwind

Der Erste Bürgermeister Münnerstadts berichtet, wie interkommunale Zusammenarbeit und Bürgerbeteiligung Bayerns größten Windpark möglich machen. Seite 12

Fluch und Segen von Entfernung

Kritische maritime Infrastrukturen sind Ziele von Sabotageakten. Frank Sill Torres vom DLR erklärt, warum der Schutz so schwierig ist. Seite 33

Nr.

Schwerpunktthema der Ausgabe

Gute Gesetzgebung

Wieder ins Handeln kommen

Neue Lösung für kommunales Altschulden-Problem

Die Welle rollt weiter

Implikationen der Klinikreform auf die Kommunen

Lautere Stimmen für Kommunen

Kleinste Ebene bei der Gesetzgebung stärken

DSA-Risikoberichte veröffentlicht

Kritik an der fehlenden Transparenz der großen Online-Plattformen

Fehlerfrei zur nächsten Wahl?

Impressum

Der Behörden Spiegel wird verlegt von der ProPress Verlagsgesellschaft mbH. www.behoerdenspiegel.de

Herausgeberin und Chefredakteurin Dr Eva-Charlotte Proll

Stellvertretender Chefredakteur Guido Gehrt Leiterin der Berliner Redaktion Anne Mareile Walter Leiter der Bonner Redaktion Bennet Biskup-Klawon Aktuelles Öffentlicher Dienst Ann Kathrin Herweg, Sven Rudolf, Hans-Jürgen Leersch

Kommune Julian Faber, Scarlett Lüsser

Digitaler Staat Christian Brecht, Paul Schubert, Anna Ströbele Sicherheit & Verteidigung Jonas Brandstetter, Thomas Hönig, Mirjam Klinger, Lars Mahnke, Klaus Pokatzky

Sonderkorrespondenten BOS Dr Barbara Held, Gerd Lehmann

Online-Redaktion Tanja Klement

Parlamentsredaktion Berlin Tel 030/726 26 22 12, Fax 030/726 26 22 10

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Kommentare

Fitness

(BS) Der Jahreswechsel steht im Zeichnen der guten Vorsätze und der Hoffnung – mehr denn je durch politische Prophezeiungen aus den Vereinigten Staaten geprägt, in Erwartung an eine neue deutsche Bunderegierung, die alten Probleme mit bekannten Antworten zu lösen.

Eine Volksabstimmung zur Unabhängigkeit Grönlands, ein FünfProzent-Ziel für die Mitglieder der NATO, die Beugung Mark Zuckerbergs, Inhalte auf Facebook nun auch nur noch durch Nutzende bewerten zu lassen – noch kein Präsidentenerlass, die reine Ankündigung bringt Bewegung in Debatten, die über Jahre eingeschlafen sind. Allein das Ziel, Bewegung zu erzeugen, ist ein guter Vorsatz.

In Deutschland und Europa haben sich bürokratische und politische Wirrungen entwickelt, Probleme regulatorisch und strategisch zu adressieren, in der Hoffnung, sie würden in Zukunft nicht mehr auftauchen.

Beispiel Sicherheit: Was in der EU nun „Preparedness“ heißen soll, wurde in Deutschland auf abstrakter Ebene in integrierten Sicherheitskonzepten und Forderungen nach ganzheitlicher Sicherheit und Verteidigung debattiert. Aber den

für den Zivilschutz zuständigen Behörden sind Hände und Geld gebunden, weil politischer Mut und Wille ausbleiben. Nicht mal das Kind beim Namen nennen darf man.

Entsprechend konkret muss hierzulande auch die Gefahrenlage sein, sollen Grundrechte Einzelner eingeschränkt werden. Dafür müssen Behörden allerdings erst einmal in der Lage sein, Gefahren zu erkennen. Jede vorausgegangene Einzeleinschätzung eines potenziellen Täters durch Behörden, ohne jeglichen Ver- oder Abgleich mit Dritten, kann niemals eine Lage ergeben.

Der Bund hat bei zahlreichen Problemen versucht, mit alten Lösungen und neuen Worthülsen politisch zu erklären, was faktisch nicht zu retten ist. Welchen Ankündigungen letztlich konkrete politische Taten folgen werden, um ein paar Kilogramm leichter zu werden, um nicht wieder im selben Schlamassel aus der Abwägung von Grundrechten wie Freiheit und Sicherheit oder dem Personalmangel zu landen, wird sich zeigen.

Regulatorische Daumenschrauben

(BS) „Den Finanzplatz Deutschland stärken.“ Dieses Ziel hatten sich die Ministerpräsidenten auf ihrer Konferenz im Dezember auf die Fahnen geschrieben. Für den wirtschaftlichen Erfolg der Bundesrepublik sei ein krisenresistenter, leistungsfähiger und international wettbewerbsfähiger Kapitalmarkt von entscheidender Bedeutung, heißt es im final veröffentlichten Beschlusspapier. Eine wenig streitbare Vision, auf die sich die Regierungschefs der Länder in weitgehendem Konsens verständigt haben dürften.

Doch was genau ist nötig, um diesen Zustand zu erreichen? Keine überbordende Regulierungsdichte bei deutschen Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die Schaffung einer europäischen Kapitalmarktunion, aber auch der Ausbau der Bundesrepublik zu einem weltweit führenden Sustainable-Finance-Standort – die im Beschlusspapier aufgelisteten Ziele der Ministerpräsidenten klingen einleuchtend und stringent. An einigen Stellen muss dennoch nachgebessert werden.Beispiel Kapitalmarktunion: Das von der EU vorangetriebene Konzept strebt eine stärkere Harmonisierung und Integration der europäischen Kapitalmärkte an, kleine und mittlere Unternehmen sollen leichteren und unbürokratischeren Zugang zu Finanzierungsquellen und Anlagemöglichkeiten erhalten. Mit der daraus entstehenden stärkeren Abhängigkeit der Wirtschaft vom Kapitalmarkt gehen jedoch Risiken einher, schließlich ist die Verfügbarkeit der Finanzmittel hier volatiler als bei einer herkömmlichen Kreditvergabe durch Banken. Optionen auf höhere Renditen bergen naturgemäß Gefahren. Deshalb sollte auf dem Weg zu einer europäischen Kapitalmarktunion eines nicht außer Acht geraten: der Anlegerschutz. Hier gilt es, angemessene Standards festzuschreiben, das allerdings mit Augenmaß. So wäre folgendes Szenario der Sache wohl kaum dienlich: Wenn der angestrebten Entbürokratisierung beim Kapitalmarktzugang von kleinen und mittleren Unternehmen an anderer Stelle regulatorische Daumenschrauben angelegt würden.

von Dr. Eva-Charlotte Proll

„DerÖffentliche Dienst steht unter großem Druck, genau wie die Demokratie insgesamt“, betonte die Bundesministerin auf der 66. Jahrestagung des DBB Beamtenbunds und Tarifunion. Die Erwartungen an den Staat und seine Leistungsfähigkeit seien gestiegen, sie zu erfüllen, sei jedoch nicht leichter geworden.

In Anbetracht der Zeitenwende hat Faeser Verständnis dafür, dass ein Großteil der Bevölkerung den Staat mit der Fülle seiner Aufgaben für überfordert hält. Krieg, Terror, eine unfassbare Breite an Informationsquellen und wirtschaftliche Entwicklungen sorgten für Verunsicherung, erläuterte sie. Politik und Verwaltung dürften Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Sorge nicht allein lassen.

Das braucht der Staat Angesichts von Desinformation, hybriden Bedrohungen und weiteren Herausforderungen, denen sich der Staat stellen müsse, hält Faeser Investitionen in einen zukunftsfähigen Staat für unabdingbar und sprach sich für eine Lockerung der Schuldenbremse aus. Auch in die Daseinsvorsorge müsse investiert werden. Ebenso in gute Bildung, Ausbildung und Fortbildung innerhalb der öffentlichen Verwaltung. Denn: Damit Deutschland gut für die Zukunft aufgestellt sei, brauche es einen starken Öffentlichen Dienst mit hervorragend qualifizierten und engagierten Menschen.

Aber insbesondere hier fehlten Fachkräfte. Die Verwaltung konkurriere mit der freien Wirtschaft, bei Bezahlung und Aufstiegsmöglichkeiten herrschten allerdings nicht die gleichen Bedingungen. Dennoch: Der Öffentliche Dienst habe viel zu bieten. Zudem habe

Eine Anlage für die Zukunft

Bürgern und Beschäftigten den Rücken stärken

(BS/Ann Kathrin Herweg) „Es braucht einen Staat, der in Krisenzeiten Orientierung und Halt gibt“, erläutert Nancy Faeser. Die Bundesministerin des Innern und für Heimat fordert Investitionen in einen starken Öffentlichen Dienst, der sich das Vertrauen seiner Beschäftigten, aber auch der Bürgerinnen und Bürger verdiene.

man in den vergangenen Jahren Wege geschaffen, um z. B. die Arbeit in Deutschland für Menschen aus anderen Ländern attraktiver zu gestalten und Menschen mit Berufserfahrung den Einstieg in den Öffentlichen Dienst zu erleichtern.

„Doch die besten Instrumente nützen nichts, wenn sich nicht genutzt werden“, mahnte die Innenministerin eine stärkere Anwendung der Ansätze in der Praxis an. Beschäftigte in Gefahr Faeser verurteilte das erschreckende Ausmaß an Gewalt, das auch im vergangenen Jahr wieder nicht zuletzt Beschäftigte des Öf-

Aktuelles aus dem Arbeitsrecht

Zu kurz gedacht

Eine Kolumne von Ralph Heiermann

Im Februar des neuen Jahres steht die Neuwahl des Bundestags an. Die wenigsten Wahlberechtigten werden sich für ihre Wahlentscheidung die Wahlprogramme ansehen. Dieser Blick ist jedoch durchaus interessant, um sich über die Positionen der Parteien zu bestimmten Fragen zu informieren. Was sagen die Parteien etwa zum Öffentlichen Dienst, zu Fragen der Bezahlung, Versorgung und Ausstattung? Geht man dieser Frage nach, ergibt sich ein relativ einheitliches Bild. Die Parteien formulieren alle, welche staatlichen Aufgaben sie mit welchem Gewicht verfolgen wollen. Zu den Menschen, die sie dafür in den staatlichen Einrichtungen benötigen, findet sich wenig.

Schwammige Vorstellungen

Alle Parteien stellen die Digitalisierung in den Vordergrund und wollen eine kompetente und bürgerorientierte Verwaltung. Die traditionellen Parteien streben eine Verkleinerung der Bundesverwaltung und einen Bürokratieabbau an. Was passiert aber mit den Menschen, die von der Verkleinerung

der Bundesverwaltung betroffen sind? Wo genau wird verkleinert, wer übernimmt die Aufgaben? Wie man diese Ziele sozialverträglich erreichen will, findet sich in den Programmen nicht. Die Wählerinnen und Wähler müssen auf eine gute Gesetzgebung des neuen Bundestages hoffen. Konkreter werden zum Öffentlichen Dienst AfD und BSW. Die Forderungen sind konsequent dem politischen Standpunkt angepasst. Das BSW fordert ein Streikrecht für Beamte. Dass das Streikverbot für Beamte als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich verankert ist (siehe das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Juni 2018), wird nicht erwähnt. Außerdem fordern sie eine Quotenregelung, die die AfD konsequent ablehnt. Diese fordert dagegen die personelle Aufstockung der Ermittlungsbehörden – nur dort –und deren besseren Schutz. Im Programm dieser Partei wird auch die „gezielte“ Verschärfung des Beamten- und Disziplinarrechts als Instrument zur „politischen Beeinflussung“ der Beamten beklagt.

Dr. Ralph Heiermann ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Arbeitsrecht und besitzt eine Kanzlei in Hannover. Er berichtet an dieser Stelle regelmäßig über arbeitsrechtliche Entwicklungen in der Verwaltung und die aktuelle Rechtsprechung. Foto: BS/privat

fentlichen Dienstes getroffen habe. „Wenn Einsatzkräfte an ihrer Arbeit gehindert und angepöbelt werden, ist das inakzeptabel.“ Was diese Menschen unter Einsatz ihres Lebens leisteten, sei herausragend. Angriffe auf Haupt- und Ehrenamtliche verdienten eine harte Antwort des Staates. Man habe eine Strafverschärfung auf den Weg gebracht, Gesetze allein reichten jedoch nicht aus, auf die stringente Anwendung komme es an. Die Innenministerin appellierte an die Justiz, die vorhandenen Mittel zu nutzen und diese schnell umzusetzen. Gewalt betreffe aber nicht nur Polizei und Rettungskräfte, sondern

die ganz normale Verwaltung. Erkenntnisse über Angriffe könnten dabei helfen, Strategien zur Prävention solcher Vorfälle zu entwickeln. Daher forderte Faeser Arbeitgeber auf, alle derartigen Vorkommnisse konsequent anzuzeigen. „Die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst sind das Gesicht des Staates und verdienen mehr Schutz.“

„Der Staat muss die Kolleginnen und Kollegen wirksam schützen“, forderte auch der stellvertretende DBB-Bundesvorsitzende Volker Geyer . Deswegen müsse er Vertrauen und Respekt vor den eigenen Institutionen und der Demokratie endlich wieder herstellen. Man könne über weitere Strafverschärfungen nachdenken, entscheidend seien aber eine konsequente Prävention und eine konsequente Verfolgung, betonte Geyer. Dafür brauche es aber das nötige Personal.

Immer neu ins Gespräch gehen Hendrik Wüst, Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, zeigte sich davon überzeugt, dass es in der Breite der Bevölkerung nicht an Respekt und Dankbarkeit gegenüber Einsatzkräften fehle. Doch der übrige, kleine Teil der Be-

völkerung werde „immer bekloppter“. Krisen im Inneren wie von außen, Angriffe auf Einsatzkräfte sowie Terroranschläge sorgten für Verunsicherung im Sicherheitsgefühl und im Vertrauen zum Staat. Sicherheitsgefühl und Vertrauen zu stärken, sei daher eine wichtige Aufgabe dieser Zeit. „Wir müssen Freiheit und Sicherheit gegeneinander abwägen“, bestätigte Wüst. Aber: „Wir müssen uns auch zumuten, immerwährende Debatten wieder zu führen – aber bitte in Ansehung einer neuen Lage“, betonte Wüst Radikalisierung und Vernetzung beispielsweise funktionierten heute anders als bei den Anschlägen vom elften September. Das sei bekannt und Sicherheitsbehörden müssten in der Lage sein, im verfassungsrechtlichen Rahmen agieren zu können.

Stattdessen würden Debatten geführt wie vor Jahren, rechtliche und gesellschaftliche Veränderungen blieben dabei unbeachtet. Im Kontext Kindesmissbrauch habe das z. B. zur Folge, dass Fahnderinnen und Fahnder nicht die Möglichkeit bekämen, auf IP-Adressen von Tätern zuzugreifen. „Das ist Versagen von Politik, wenn man den rechtlichen und den technischen Rahmen nicht nutzt, weil man glaubt, die Debatten führen zu können, wie man sie vor zehn oder 15 Jahren geführt hat“, mahnte der Ministerpräsident. „Es muss gelingen, diese Debatten zu führen und zu besseren Ergebnissen zu kommen. Tun wir das nicht, verlieren wir beides: Freiheit und Sicherheit.“

Bilder von Morgen

Prognose für den Öffentlichen Dienst in fünf Jahren

(BS/sr) Wenn es um Zukunftsvisionen geht, dann spricht man in der Regel von Meinungen und nicht von Fakten. So auch, wenn es um die Arbeitswelt geht. Schließlich sieht es trotz großer Ankündigungen momentan nicht danach aus, als ob die virtuelle Realität in den kommenden Jahren Büros ersetzt. Aber Veränderungen wird es geben, ob gewollt oder nicht. Die Frage bleibt: Ist man darauf vorbereitet?

Auf welche Regelungen diese Klage sich konkret bezieht, ist nicht erkennbar. Das Beamten- und Disziplinarrecht differenziert nicht nach „links“ oder „rechts“. Eine bessere Besoldung und Versorgung verlangt die AfD nur für den Polizeivollzugsdienst. Sind alle anderen Bediensteten nicht so wichtig? Gute Gesetzgebung bedeutet auch die Beachtung des Gleichheitssatzes: Gleiches darf nicht ungleich behandelt werden!

Bloße Mindestanforderungen erfüllt

Zusammengefasst sind die Wahlprogramme zum Thema Öffentlicher Dienst nicht sehr erhellend. Sie enthalten Allgemeines und Erwartbares zu den Anforderungen an die Leistungsfähigkeit des Öffentlichen Dienstes, ohne konkret auf die dort arbeitenden Menschen einzugehen. Dort wo es geschieht, sind sie Personal oder sollen ein politisches Instrument sein. Wir brauchen selbstverständlich eine bessere Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung. Wir brauchen aber auch motivierte Menschen, die die Aufgaben im Sinne des allgemeinen Wohls erfüllen. Deren Motivation wird wesentlich durch die Strukturen bestimmt, in denen sie arbeiten. Dass die bestehenden Strukturen modernisiert und verbessert werden sollen, findet sich in keinem der Programme. Das wäre aber ein essenzieller Bestandteil einer guten Gesetzgebung.

Co-Working-Spaces, Homeoffice und auch KI im Rahmen der Digitalisierung: Das sind die aktuellen Blickpunkte auf einen Arbeitsplatz der Zukunft. Jungen Menschen geht es bei der Auswahl ihres Jobs häufig um Vereinbarkeit von Familie und Beruf und um mehr Flexibilität. Ein Blick in die Zukunft sind diese Aspekte aber nicht, schließlich sind diese Dinge bereits da. Dabei sind der Zukunftsblick und auch die Erwartungen, mit denen man sich den Veränderungen stellt, wichtig. Auf der Jahrestagung des DBB sprach Zukunftsforscher Sven Gábor Jánszky darüber, was auch dem Öffentlichen Dienst noch für Veränderungen bevorstehen und mit welchem Mindset man die Zukunft betrachten sollte. Dabei machte er deutlich, dass die Veränderungen kommen, ob wir wollen oder nicht. Natürlich sind auch seine Ausblicke nur Meinungen über die Zukunft. Allerdings die statistisch und wissenschaftlich am wahrscheinlichsten Zukunftsmeinungen erklärt er.

Rückwärts rechnen

Mit solchen Veränderungen können dann enorme Steigerungen in der Produktivität angegangen werden und auch dem großen Fachkräftemangel der kommenden Jahre kann so entgegengewirkt werden. Doch dazu müssten wir unsere Zukunftsbilder anpassen, erklärt Jánszky. Aktuell seien diese in Europa an vielen Orten eher negativ und sprächen davon, dass man mit Glück in ein kleines Wachstum geraten könne.

Kein Zukunftsbild in Deutschland Jánszky ist nach Gesprächen mit führenden Unternehmern weltweit gut darüber informiert, wie sich die Arbeitswelt in den kommenden Jahren verändern wird. Er berichtet, dass gerade in modernen Technologieunternehmen mit anderen Erwartungshaltungen an die Zukunft herangegangen wird, als dies in Europa häufig der Fall ist. Viele Unternehmen in Deutschland (88 Prozent) verfügten momentan nicht über ein Zukunftsbild ihres Unternehmens. Welche Technologien werden kommen und wie beeinflussen diese das Tagesgeschäft? So könnten diese Unternehmen auch nicht auf Technologien und Veränderungen reagieren, wenn es so weit sei. Ähnlich sei es auch in der Verwaltung. Ein Beispiel für eine Zukunftstechnologie, mit der sich jeder in den kommenden Jahren werde auseinandersetzen müssen, sei das Quanten-Computing. Dies lasse sich mit hoher Wahrscheinlichkeit festhalten, erklärt Jánszky. Auch in der Verwaltung werden diese auf lange Sicht Rechenzentren ersetzen, und zwar nicht aufgrund von Überzeugung, sondern schon allein, weil Quanten-Computer in einigen Jahren billiger sein könnten als die aktuellen Rechenzentren. Dann wird die Entscheidung aus einer finanziellen Sicht getroffen. Daneben werden die Quanten-Computer auch über deutlich mehr Rechenleistung verfügen. In Deutschland werden voraussichtlich 2026 die ersten Quanten-Computer fertiggestellt werden.

Volker Geyer appellierte angesichts der kommenden Tarifverhandlungen an Nancy Faeser, nicht wieder erst in der dritten Runde ein Angebot zu machen. Foto: BS/Marco Urban

Die Legalisierung von Cannabis wurde politisch und medial ausgiebig diskutiert. Dabei wurden die Standpunkte zu medizinischen, gesellschaftlichen und juristischen Problemstellungen ausgetauscht. In der Debatte wurde aber nicht berücksichtigt, dass es auf spezielle Berufsgruppen innerhalb der Beamtenschaft, namentlich Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte, besondere dienstrechtliche Auswirkungen aufgrund der Cannabis-Legalisierung geben könnte. Ursprünglich erhoffte sich der Gesetzgeber nämlich, durch die Entkriminalisierung des Besitzes von Cannabis die stetige Zunahme des Konsums in Deutschland einzudämmen, den „Schwarzmarkt“ einzuhegen und den Schutz der Konsumenten zu verbessern. Im Ergebnis sollten Polizei und Justiz entlastet werden. Zusammen mit dem Cannabiskontrollgesetz (KCanG) wurde eine Reihe von Gesetzen geändert. Das neue KCanG regelt den legalen Besitz und den Konsum von bis zu 25 Gramm Cannabis sowie den Besitz von Cannabispflanzen. Daneben werden durch das KCanG Örtlichkeiten festgelegt, wo der Konsum von Cannabis verboten ist.

Dienstrechtliche Aspekte

Isoliert betrachtet steht nun auch dem Polizeivollzugsbeamten das Recht zu, Cannabis zu konsumieren. Im Zusammenspiel mit den dienstrechtlichen Verpflichtungen des Beamten gibt es jedoch gewisse Einschränkungen. Auf der Hand liegt, dass der Dienstherr den Konsum von Cannabis innerhalb der Dienstzeit reglementieren kann. Komplizierter gestaltet sich eine Reglementierung des Cannabiskonsums in der Freizeit des Beamten. Bisher stellten Erwerb, Besitz und Konsum von Cannabis außerhalb des Dienstes regelmäßig eine Straftat dar und somit einen Verstoß gegen die beamtenrechtliche Wohlverhaltenspflicht. Nach der neuen

Wenn Beamte kiffen

Beamtenrechtliche Auswirkungen der Cannabis-Legalisierung

(BS/Prof. Dr. Harald Bretschneider/Dominik Lambiase) Die Cannabis-Legalisierung ist in erster Linie eine Frage der gesellschaftspolitischen Steuerung, die zugleich ordnungspolitische Probleme aufweist. In der überaus kontrovers geführten Debatte wurde der Öffentliche Dienst bislang außer Acht gelassen. Dabei finden sich im Cannabiskontrollgesetz beispielsweise spezielle Regelungen für die Liegenschaften der Bundeswehr. Aber auch hinsichtlich besonderer Beamtengruppen, die z. B. Waffenträger sind oder eine dienstliche Fahrerlaubnis besitzen, lohnt sich ein genauerer Blick.

Seit April 2024 ist der legale Konsum von Cannabis möglich. Für Polizistinnen und Polizisten stellt Kiffen nun nicht mehr grundsätzlich ein Dienstpflichtvergehen dar. Problematisch wird es aber, wenn sie bekifft zum Dienst erscheinen. Foto: BS/Aleksej, stock.adobe.com

Rechtslage fällt jedoch die schuldhafte Begehung einer Dienstpflichtverletzung weg, sofern der Beamte im Rahmen des Erlaubtem nach dem KCanG handelt. Nichtsdestotrotz können durch den Konsum andere Dienstpflichten betroffen sein. In erster Linie ist an die Pflicht zur Gesunderhaltung zu denken, welche sich aus der „Pflicht, sich dem Beruf mit vollem persönlichem Einsatz zu widmen“, ableitet. Der alleinige Konsum von Betäubungsmitteln und die Gefahr, abhängig zu werden, stellen für sich zwar noch kein ernsthaftes Problem dar. Jedoch können die aus einem Konsum folgenden pflichtwidrigen Verhaltensweisen und Folgen im

Ergebnis ein dienstpflichtwidriges Verhalten ausmachen. Sofern ein Beamter abhängig ist, stellt sich die Frage, ob er der „Pflicht zur Wiederherstellung der Gesundheit“ unterworfen ist. Bei alkoholabhängigen Beamten ist mittlerweile anerkannt, dass ihnen ihr Dienstherr ein absolutes Alkoholverbot auferlegen darf. Es steht zu vermuten, dass dies für cannabisabhängige Beamte gleichermaßen gelten wird.

Handlungsbedarf Ein besonderes Augenmerk ist auf Waffenträger und die sich in diesem Kontext aufdrängende Frage zu legen, welche Auswirkungen der außerdienstliche Cannabiskonsum

Befristungsketten brechen

Arbeitsrecht und das Thema Befristung (BS/sr) Gerade bei Erstbeschäftigung in einer Behörde oder Unternehmen sind Befristungen nicht ungewöhnlich, doch sie beinhalten etliche rechtliche Stolperfallen, die es zu beachten gilt. So ist für deren Gültigkeit der Zeitpunkt der Erwähnung rechtlich entscheidend.

Sollte die Befristung einer Arbeitsstelle nicht vor Antritt schriftlich festgehalten worden sein, so ist die Stelle tatsächlich nicht befristet. Dabei spiele es keine Rolle, ob eine entsprechende Ergänzung des Vertrags nachgereicht und unterschrieben wird oder nicht, erklärte Prof. Dr. Markus Stoffels von der Universität Heidelberg auf der Konferenz Zukunft Dienstrecht. Es ist demnach wichtig, dass ein beiderseitig unterschriebener Arbeitsvertrag, der die Befristung aufführt, beiden Parteien zugänglich ist. Ansonsten könne aus einer eigentlich befristeten Stelle schnell eine nicht vorgesehene, dauerhafte Planstelle werden. Doch das ist nur eine Stolperfalle, in die Arbeitgeber bei befristeten Arbeitsverhältnissen treten können. Denn wann immer der Vertrag verändert wird, kann etwas schiefgehen – so auch bei der Verlängerung eines befristeten Arbeitsverhältnisses: Die Verlängerung darf nicht mit weiteren Vertragsänderungen einhergehen.

Institutioneller Rechtsmissbrauch Generell sind Befristungen schon aufgrund ihrer Einschränkungen ein kompliziertes Mittel, das auch bei Anstellung viele Abwägungen mit sich bringt. Denn Befristungs-

ketten können schnell zu institutionellem Rechtsmissbrauch führen. Daher müssen die Gerichte bei Überprüfung solcher Arbeitsverhältnisse alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigen, nicht nur das aktuelle Beschäftigungsverhältnis. So spielen besonders die Gesamtdauer der Beschäftigung und die Anzahl der geschlossenen befristeten Verträge eine Rolle. Diese werden in einer ersten Prüfungsstufe durch das Bundesarbeitsgericht ermittelt, bevor in einer zweiten Stufe dann eine Gesamtabwägung stattfindet.

Ampelmodell zur Bewertung Bei der Bewertung in der ersten Prüfungsstufe könne auf ein sogenanntes Ampelmodell zurückgegriffen werden, erklärte Stoffels. So bewege sich eine Beschäftigung in der „Grünphase“ in einem unkritischen Bereich, solange die Eckpunkte einer befristeten Beschäftigung nach Paragraf 14 Abs. 2 Teilzeitund Befristungsgesetz (zwei Jahre mit maximal drei Verlängerungen) noch nicht um das Vierfache überschritten worden seien. Sobald diese vierfache Überschreitung in einem der beiden Eckpunkte eintrete, wechselte man jedoch in eine „Gelbphase“. Sollten beide Eckpunkte schon um das Dreifache

über den Werten liegen, habe auch dies einen Wechsel in die „Gelbphase“ zur Folge. Die Rotphase trete im Falle einer fünffachen Überschreitung ein. Diese indiziere einen institutionellen Rechtsmissbrauch. Daher ist der Ausschluss aus einem Bewerbungsverfahren zur Vermeidung von Befristungsketten legitim. Um einem Rechtsmissbrauch vorzubeugen, sind Unterbrechungen von mindestens zwei Jahren im Arbeitsverhältnis notwendig. Ein anderes Problemfeld findet sich bei einem Blick auf sachgrundlose Befristungen. Denn diese könne nur bei einer Erstbeschäftigung in beim jeweiligen Arbeitgeber angewendet werden, sodass auch nach Beschäftigung durch einen anderen Arbeitgeber keine befristete Beschäftigung ohne Sachgrund möglich ist.

Zu umgehen ist dieser Grundsatz durch drei Punkte: Entweder liegt die Beschäftigung bereits eine sehr lange Zeit zurück. Allerdings ist so ein Zeitraum nach Entscheidungen des Bundes Arbeitsgerichts aus dem Jahr 2019 auch nach 15 Jahren nicht unbedingt gegeben. Stattdessen ist auch eine besonders kurze Dauer der vorherigen Beschäftigung als Grund anzugeben oder wenn die Tätigkeiten vollkommen anders geartet waren.

herr nur die innerdienstlichen Angelegenheiten und Verhaltensweisen der Beamten regeln will, dürfte dies unproblematisch sein. Bei einer Regelung, die den außerdienstlichen Lebensbereich der Beamtenschaft betrifft, könnte dies aufgrund der Eingriffsintensität einer solchen Regelung jedoch in Konflikt mit dem verfassungsrechtlichen Vorbehalt des Gesetzes stehen. Schließlich bliebe dem Dienstherren noch die Möglichkeit, eine Regelung durch ein Gesetz herbeizuführen. Auf diese Weise könnte auch der außerdienstliche Konsum reglementiert werden. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit könnte es sich anbieten, hierbei zwischen einzelnen Beamtengruppen zu differenzieren. So wären insbesondere bei den Beamtengruppen, die gefahrengeneigte Tätigkeiten ausüben, tiefgreifendere Maßnahmen statthaft.

Am Ende bleibt ein differenziertes Bild, welches nach einer ausdifferenzierten Lösung verlangt. Dem Dienstherrn bleiben dabei verschiedene Konzepte zur Problemlösung. Die Schaffung von innerdienstlichen Verbotsnormen sowie einer gesetzlichen Reglementierung des Konsums außerhalb des Dienstes dürften jedoch für ein gewisses Maß an Rechtssicherheit sorgen.

auf die Fähigkeit zum Führen von Dienstwaffen hat. Eine ähnliche Fragestellung dürfte sich mit Blick auf die Nutzung von Dienstfahrzeugen stellen. Sodann bieten sich dem Dienstherren verschiedene Möglichkeiten, mit den neuen Regelungen des KCanG umzugehen. Die erste Option ist, keine besonderen Regelungen zu treffen. Dies würde im Ergebnis bedeuten, dass der Dienstherr den Cannabiskonsum dem Konsum von Alkohol gleichstellt und nur eingreift, wenn Auswirkungen auf den Dienst festgestellt werden. Eine zweite Handlungsalternative ist die Regelung durch eine Verwaltungsvorschrift. Sofern der Dienst

Prof. Dr. Harald Bretschneider ist Professor an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung.

Dominik Lambiase, M. A., ist Polizeirat bei der Bundespolizei und leitet einen Lehrbereich eines Bundespolizeiausund -fortbildungszentrums.

Fotos: BS/privat

Benachteiligung verboten

Besserstellung im Auswahlprozess

(BS/akh) Für schwerbehinderte Menschen gelten im Bewerbungsverfahren besondere Regelungen, insbesondere im Öffentlichen Dienst. Missachtet der Arbeitgeber diese – wissentlich oder unwissentlich –, kann das teuer werden.

Der Gesetzgeber möchte schwerbehinderten Menschen die gleichberechtigte Teilhabe am Arbeitsleben ermöglichen. Oft haben Bewerberinnen bzw. Bewerber und Arbeitgeber unterschiedliche Vorstellungen, wie die dazu gesetzlich verankerten Regelungen auszulegen und umzusetzen sind. Nicht selten landen Streitfälle vor Gericht. Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot werde der Arbeitgeber dem Bewerber gegenüber schadensersatzpflichtig, warnt Dr. Steffen Hrubesch, Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg. Das gilt es als Personalverantwortliche bzw. Personalverantwortlicher daher – auch im eigenen Interesse – zu vermeiden.

Hier gilt die Beweislastumkehr Wenn es im Streitfall ein Indiz dafür gibt, dass eine Benachteiligung durch einen Arbeitgeber stattgefunden hat, ist dieser in der Pflicht, nachzuweisen, dass er nicht schuldhaft gehandelt hat. Ein solches Indiz könne u. a. der Verstoß gegen Verfahrens- und/oder Förderrichtlinien zugunsten schwerbehinderter Menschen sein, erläutert der Vorsitzende Richter. Wird beispielsweise ein schwerbehinderter Bewerber nicht zum Bewerbungsgespräch eingeladen, ist das ein

Verstoß gegen die genannten Förderrichtlinien und der Bewerber hat gute Chancen, seinen Anspruch auf Schadensersatz geltend zu machen – sofern dieser schriftlich und fristgerecht eingereicht wird. Das gelte auch für interne Stellenbesetzungen, so Hrubesch

Die Kenntnis ist entscheidend Ob Bewerber ihre Schwerbehinderung offenlegen, liegt bei ihnen. Der Arbeitgeber hat kein Recht, danach zu fragen. Den Anspruch auf besondere Leistungen erhalten Bewerber allerdings nur, wenn sie ihre Schwerbehinderung im Auswahlverfahren deutlich kommunizieren, z. B. durch einen offensichtlichen Hinweis im Anschreiben oder im Lebenslauf. Eine versteckte Notiz oder die Kopie des Schwerbehindertenausweises in den Anlagen zur Bewerbung hingegen reichten nicht aus, erläutert Hrubesch. In diesem Kontext mahnt er Personaler zur Aufmerksamkeit: Wenn der Arbeitgeber ein vorliegendes Bewerbungsschreiben nicht lese und dementsprechend den Hinweis auf die Schwerbehinderung nicht wahrnehme, sei dies ein Verschulden des Arbeitgebers und begründe einen Anspruch auf Schadensersatz –auch wenn ein Anschreiben von diesem nicht gefordert gewesen sei.

Diese schwierige Balance zwischen Spielspaß und Spielerschutz ist dabei vor allem vor dem Hintergrund der Kanalisierung entscheidend. Denn wenn die Regulierung den Spielfluss und auch die Attraktivität des Spieles hemmt, besteht die Gefahr, dass Spieler in den illegalen Markt abdriften. Die aktuelle Version der Spielverordnung tut nach Aussage der Glücksspielbranche aber genau das. Unterstützt wird diese Aussage unter anderem durch eine Studie, welche der Spielforscher Prof. Dr. Jens Junge im Auftrag des Bundesverbands Automatenunternehmer e. V. durchführte.

Spieler zurückgewinnen

Zwischen Spaß und Schutz

Die Spielverordnung muss angepasst werden

(BS/sr) Nach dem Glücksspielstaatsvertrag ist die Spielverordnung für den terrestrischen Glücksspielmarkt einer der wichtigsten Regulierungstexte. Denn diese legt mit Spieldauer, Maximaleinsatz und auch erzwungenen Spielpausen Aspekte fest, die für den Spielspaß entscheidend sind, aber auch einen Beitrag zur Sicherheit des Spiels leisten sollen.

In dieser Studie zeigt Junge auf, dass 70 Prozent der befragten Spielerinnen und Spieler ein „Gefühl der eingeschränkten Spielfreude durch die gesetzlichen Regulierungen und Einschränkungen“ empfinden. Mehr als zehn Prozent der Befragten sagten sogar aus, an illegalem Glücksspiel teilzunehmen. Es scheint deutlich, dass die Attraktivität des legalen Spiels unter der aktuellen Regulierung leidet und dies zu einer Abwanderung in illegale Angebote führt. Deren Umfang nimmt daher weiter zu und macht die Bekämpfung illegalen Glücksspiels zu einem Kampf gegen Windmühlen.

39 Prozent der Schulleiter gehen laut einer forsa-Umfrage „sehr gerne“ zur Arbeit, weitere 45 Prozent „eher gerne“. Das entspricht etwa dem Vor-Corona-Niveau. Die Gründe dafür, dass viele von ihnen trotzdem niemandem raten würden, diesen Beruf zu ergreifen, liegen insbesondere an der steigenden Arbeitsbelastung, Bürokratie und Verwaltungsaufwand.

„Wir sehen keinen Fortschritt bei den Zukunftsthemen“, bemängelt Tomi Neckov, Stellvertretender Vorsitzender des VBE. Die von der Politik provozierte Stagnation sei in Wahrheit ein Rückschritt. Zehn Prozent der Befragten haben in der Schulleitungsumfrage angegeben, nicht einen einzigen Klassensatz an digitalen Endgeräten zur Verfügung zu haben. Zudem fehlten Fachpersonal bzw. allgemein Lehrkräfte sowie Räumlichkeiten. Die Hälfte der Befragten beklagt fehlende finanzielle Mittel und hohe Bürokratie mit unklaren Regelungen. Dieser Zustand ist umso besorgniserregender, wenn man bedenkt, dass schon 2026 alle Kinder, die eingeschult werden, Anspruch auf einen Ganzbetreuung haben. Auch über einheitliche Standards dazu herrscht vielerorts an den Schulen noch Unklarheit. „Am Ende verwundert es nicht, wenn ein Drittel der Schulleitungen angibt, nicht bereit zu sein für die Einführung des Rechtsanspruchs“, folgert Neckov Ein Lichtblick: „Wir sehen erste Tendenzen einer Entspannung beim Lehrkräftemangel.“ Behoben sei dieser zwar noch längst nicht, aber die Schulleitungen könnten mehr Stellen besetzen. Während 2022 36 Prozent der Schulleitungen angaben, keine offenen Stellen zu haben, sind es mittlerweile 47 Prozent. Wirklich zufrieden ist der VBE-Vize mit dieser Entwicklung nicht. Er warnt eindringlich vor

Dass bei jedem einzelnen Spiel auf Start gedrückt werden muss, ist kein wirksames Mittel zum Schutz der Spielerinnen und Spieler. Es wird als störend empfunden.

BS/Jay, stock.adobe.com

Prof. Dr. Gerhard Bühringer zeigte dabei deutlich auf, dass nicht alle Regulierungsinstrumente eine Wirkung auf die Sicherheit der Spieler haben. Nun hat die DAW sieben Punkte eingebracht, die in der Spielverordnung anzupassen seien. Der Verband betont jedoch, dass die Übernahme lediglich einzelner Punkte nur bedingt helfe, da sich die Vorschläge gegenseitig beeinflussten. So werde z. B. eine Verringerung der Mindestspieldauer ohne eine Anpassung der Einsatzlimits nicht viel erreichen.

Georg Stecker, Sprecher des Vorstands der Deutsche Automatenwirtschaft (DAW), erklärt, warum eine Anpassung notwendig ist „Der Kampf gegen das illegale Glücksspiel kann nur gewonnen werden, wenn die Spielverordnung den Verbrauchern durch ein Spielangebot, das ihren Erwartungen und Bedürfnissen entspricht, die Rückkehr zu legalen Angeboten ermöglicht. Auch

wissenschaftliche Erkenntnisse machen deutlich, dass in diesem Bereich nachjustiert werden muss. Aus diesem Grund haben wir uns mit konkreten Punkten in die Diskussion zur Fortentwicklung der Spielverordnung eingebracht.“

Sieben Maßnahmen

Nun steht bereits seit längerem eine Evaluierung der Spielverordnung aus und befindet sich zur Abstimmung im Bundeministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Bereits die vorbereitende Studie zur Evaluierung unter Leitung von

Unwirksame Regeln entfernen Ein Fokus liegt dabei auf der Abschaffung von Maßnahme die sich nach der Evaluierungsstudie als unwirksam oder eingeschränkt wirksam erwiesen haben. Dazu zählen unter anderem die erzwungene Unterbrechung des Spiels nach drei Stunden und die Nullstellung des Gerätes. In der Studie von Junge werden diese und weitere Spielpausenregelungen als störend empfunden. Natürlich sollen die Pausen auch genau das tun, um die Suchtgefahr zu verringern. Wenn diese Maßnahmen aber keine oder nur wenig Wirkung zeigen, ist eine Abwägung ihres Nutzens sinnvoll. Auch bei dem Auto-Start-Verbot und der Obergrenze für Geldspielgeräte in Spielhallen schlägt die DAW eine Abschaffung vor. Denn

Gefangen zwischen Zufriedenheit und Überforderung

Was Politik jetzt für den Bildungssektor tun muss

(BS/Ann Kathrin Herweg) Die Motivation von Schulleiterinnen und Schulleitern ist wieder auf Vor-Corona-Niveau angestiegen, weiterempfehlen würde die Hälfte von ihnen ihren Beruf trotzdem nicht. Der Verband für Bildung und Erziehung (VBE) sieht die Politik in der Pflicht, die Situation an deutschen Schulen zu verbessern und den Lehr- bzw. Schulleitungsberuf attraktiver zu machen. Der geplante Digitalpakt 2.0 könnte dazu beitragen – wenn er denn in Kraft tritt.

Viele Schulleiterinnen und Schulleiter empfinden die Anspruchshaltung der Gesellschaft, dass Schule alle Probleme zu lösen hat, als große Belastung. Foto: BS/Bonsales, stock. adobe.com

Scheinlösungen, deren langfristige Auswirkungen auf die pädagogische Qualität des Unterrichts unklar sind.

Mehr Schein als Sein Dass so viele Stellen besetzt werden konnten, lässt sich darauf zurückführen, dass immer mehr Quereinsteiger beschäftigt werden. Die Hälfte der Schulleitungen gab zudem an, Studierende im Lehramtsstudium als Lehrkräfte zu beschäftigen. Diese reproduzierten jedoch nur, was sie in ihrer Schulzeit erlebt hätten, erläutert Neckov. Es fehle ihnen an genügend theoretischem Unterbau und ausreichend pädagogischem Gespür. Der Stellvertretende VBE-Bundesvorsitzende fordert daher, mehr Menschen für ein Lehramtsstudium zu gewinnen und so langfristig hohe pädagogische Qualität sicherzustellen

– und Entlastung für Schulleitungen, um Leitungspositionen wieder attraktiver zu gestalten. Mehr Anrechnungsstunden für die Erfüllung besonderer Aufgaben, die Erhöhung der Leitungszeit, bessere personelle Ausstattung mit pädagogischen Fachkräften im Rahmen multiprofessioneller Teams – das sind Maßnahmen, die sich die Schulleitungen selbst zu ihrer Entlastung wünschen. Auch Budgeterhöhungen könnten helfen, genauso wie die Einrichtung einer erweiterten Schulleitung, eine gesicherte Stellvertreter-Regelung sowie eine Schulassistenz. Neckov ruft die Politik dazu auf, endlich die Expertise der Schulleitungen und Lehrkräfte in Entscheidungen einzubeziehen. Es sei das eine, grundlegende Standards zu erfüllen und zum Beispiel den Personalrat in rechtliche Entschei-

auch diese Regulierungsmittel haben sich in der Evaluierungsstudie als unwirksam oder wenig wirksam herausgestellt. Diese Beschränkung sei gerade im Vergleich zum unbegrenzten Angebot beim OnlineGlücksspiel nicht tragbar heißt es im Vorschlag der DAW. Auch bei der Einsatzgrenze fordert der Verband eine Anpassung an andere Spielangebote: So sehe der Glücksspielstaatsvertrag keine Obergrenzen bei Sportwetten oder virtuellem Automatenspiel vor. Zudem sei der derzeitige Maximal-Einsatz von 20 Cent in fünf Sekunden noch immer mit dem in den 90erJahren festgelegten Wert identisch. Dabei habe der Wert durch die zwischenzeitliche Inflation deutlich an Anreiz für die Spieler verloren. Zusätzlich könne man das freie Spielen mit Gewinnen ermöglichen. Die Einsatzobergrenze solle schließlich davor schützen die eigenen Vermögenswerte zu verspielen, zu denen die Zwischengewinne ja nicht zählt. Stärkerer Verbraucherschutz in der Gastronomie

Ein letzter Vorschlag, den die DAW unterbreitet, ist eine Optimierung des Spielerschutzes in der Gastronomie durch andere Mittel als die Verringerung der Geldspielgeräte. Die DAW schlägt vor, eine Art Zwei-Faktor-Authentifizierung einzuführen. Dabei erfolgt dann die Überprüfung der Sperrdatei über ein zusätzliches Gerät zwischen den Automaten statt wie bisher durch den Betreiber der Spielautomaten. Aktuell bespreche man sich aber noch, ob nicht eine zusätzliche Freischaltung durch den Betreiber erfolgen sollte, damit dieser prüfen könne, ob es sich um den Ausweis des Spielers handele.

dungsprozesse einzubeziehen, etwas ganz anderes sei es jedoch, Lehrkräfteverbände und damit die pädagogische Expertise aus der Praxis von Anfang an in Prozesse einzubeziehen. „Wir wollen keine fertigen, wenngleich halbgaren Konzepte abnicken. Wir wollen Partizipation: unsere Ideen einbringen, gemeinsam in eine Vision einbinden und dabei stets die Realität an den Schulen im Blick behalten.“

Der Weg ins Morgen Einen großen Erfolg im Bildungssektor sieht Neckov im Digitalpakt Schule. 4,9 der fünf Milliarden Euro des Basisdigitalpakts seien abgerufen worden. Die Pandemie habe den entscheidenden Ausstattungsschub mit digitalen Endgeräten gebracht. Doch auch nach dem Auslaufen des Digitalpakts und dem Ausbleiben einer Anschlussfinanzierung sieht der Stellvertretende Bundesvorsitzende des VBE weiterhin großen Handlungsbedarf. „Wer die Schülerinnen und Schüler fit machen möchte für die Welt von morgen, muss ihnen heute ein modernes Lernen ermöglichen.“ Dazu brauche es die entsprechende digitale Ausstattung, qualitativ hochwertige Aus-, Fort- und Weiterbildung aller Beschäftigten und die Möglichkeit, etwas auszuprobieren. „Wir haben so viel Angst davor, dass etwas nicht funktioniert, wenn wir es anders machen, dass wir in den alten Bahnen bleiben. Diese führen aber ins Gestern, nicht ins Morgen!“

Der Digitalpakt 2.0 kann für Abhilfe sorgen. Bund und Länder haben sich nach langen Diskussionen auf eine gemeinsame Erklärung geeinigt, mit der sie die Weichen für eine weitgehende, umfassende Digitalisierung der Schulen stellen wollen. Die Vereinbarung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und der Bildungsministerkonferenz sieht eine Gesamtlaufzeit des Digitalpakts 2.0 von sechs Jahren vor. In dieser Zeit ist eine Investition von insgesamt fünf Milliarden Euro geplant, die gleichmäßig zwischen Bund und Ländern aufgeteilt wird. Ziel des neuen Digitalpakts ist es, die digitale Infrastruktur an Schulen zu verbessern, die Lehrkräfte fortzubilden und die Entwicklung innovativer Lehr- und Lernmethoden zu fördern.

Digitale Zitterpartie

„Schule muss unsere Kinder auf eine Welt vorbereiten, die digital geprägt ist. Sie müssen lernen, die digitalen Technologien souverän nutzen zu können“, betont Cem Özdemir, Bundesminister für Bildung und Forschung. „Die gemeinsame Erklärung von Bund und Ländern zeigt, dass wir zum Wohle des Landes viel erreichen können, wenn die Sache im Vordergrund steht – und nicht das parteipolitische Interesse.“ Das Problem: Rechtlich verpflichtend ist die Vereinbarung zum neuen Digitalpakt nicht. Eine neue Bundesregierung wäre nicht daran gebunden. Im Zweifelsfall kann das bedeuten, dass die Verhandlungen nach der Wahl im Februar von Neuem begonnen werden müssen. So oder so, Neckov fordert: „Der Digitalpakt 2.0 muss kommen. Und zwar nicht als Absichtserklärung und nicht nur in der Hälfte des ursprünglich angedachten Volumens, sondern langfristig, nachhaltig und bestens ausgestattet.“

Deutschlands Schätze bergen

Ziele der Europäischen Rohstoffverordnung bis 2030

Gewinnung in der EU 10

Prozent des jährlichen Konsums sollen in der EU gewonnen werden.

Rohstoffgewinnung in Deutschland 2023 (Auswahl)

Verarbeitung in der EU 40

Prozent

der kritischen Rohstoffe sollen in der EU weiter verarbeitet werden.

(BS/sr) Energiewende, Verkehrswende, Klimaschutz und auch die Digitalisierung hängen bisweilen von Rohstoffen ab. Eine Versorgung damit ist aber nicht gesichert. Spätestens seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges ist klar, dass Europa seine Quellen an kritischen Rohstoffen diversifizieren muss. Dazu hat unter anderem die Europäische Union eine Verordnung für kritische Rohmaterialien verabschiedet. In dieser sind Ziele gesetzt, um von Ländern wie China, der Türkei oder Südafrika unabhängiger zu werden.

Rohstoffe von außerhalb

Nicht mehr als 65

Prozent eines kritischen strategischen Rohstoffes sollen in irgendeinem Punkt der Produktionskette aus einem Drittland stammen.

Recycling in der EU

15

Prozent

des jährlichen Verbrauchs sollen in der recycelt werden.

Auswahl deutscher Projekte zur Erschließung kritischer Rohstoffe

Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommern

Hausanschrift: Schloßstraße 9–11, 19053 Schwerin

Postanschrift: 19048 Schwerin, Postfach

Tel.: 0385 588-0

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Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommern

Vorzimmer des Ministers RS Jonas Korschikowski -14017

Abteilung 1

Allgemeine Abteilung, Besoldung, Versorgung und Tarifrecht Abteilungsleitung

MDgin Carina Stopsack-Sternberg -14010 Vorzimmer ANin Mandy Dannenberg -14011

100 Personalplanung, Stellenbewirtschaftung, grundsätzliche Personalangelegenheiten des Ressorts, Personalangelegenheiten FM und LAF, Beamten und Personalvertretungsrecht

MRin Dr. Heike Klemkow -14100

Referat 102

Personal der der Staatlichen Bau- und Liegenschaftsämter und der Abteilung 4 des Finanzministeriums

MRin Elisabeth Kuntz -14710

Referat 101 Angelegenheiten des Nebentätigkeitsrechts für den Geschäftsbereich des Finanzministeriums; Personalangelegenheiten der Finanzämter

RDin Monique Brack -14700

Referat 110 Justiziariat, Kfz-Schadensfälle, Interne Revision, Kassenprüfung und Korruptionsprävention ANin Claudia Frank -14110

Referatsgruppe 12

Aus- und Fortbildung im Geschäftsbereich des Finanzministeriums

ANin Katharina Jendis -14120

Referat 120

Aus- und Fortbildung im Geschäftsbereich des Finanzministeriums

ANin Katharina Jendis -14120

Referat 121

Außenstelle Güstrow der Norddeutschen

Akademie für Finanzen und Steuerrecht (NoA)

MR Falko Chmielewski -14720

Referat 130

Grundsatzfragen der Förderstrategie des Landes N.N. -14130

Referatsgruppe 14 Haushalt

MRin Marina Sommer -14140

Referat 140 Haushalt des Finanzressorts, Beauftragte für den Haushalt MRin Marina Sommer -14140

Referat 141 Kassen- und Rechnungswesen der Hochbau- und Liegenschaftsverwaltung AN Volker Traut -14740

Referat 150 Informationstechnik

MR Guido Bremer -14760

Referat 160 Organisation und Innerer Dienst

MR Robert Franz -14160

Referat 170

Haushaltsvollzug, Liquiditätsmanagement, Vermögens- und Schuldenverwaltung RD Markus Krack -14173

Referat 180 Grundsatzfragen des Besoldungs- und Versorgungsrechts; Einzelfragen des öffentlichen Dienstrechts

ORR Michael Lucht -14180

Referatsgruppe 19

Grundsatzreferat für Tarifrecht sowie Landeskoordinierungsstelle für ärztliche Begutachtung

MRin Antje Wedepohl -14190

190 Grundsatzreferat für Tarifrecht

MRin Antje Wedepohl -14190 LaKÄB Landeskoordinierungsstelle für ärztliche Begutachtung

ANin Sybille Fuhrmann -0385/48857650

PR/Vorzimmer der Staatssekretärin

ANin Sabine Schwiesow -14014

Abteilung 2 Haushalt und Finanzwirtschaft

Abteilungsleitung

MDg Maximilian Wauschkuhn -14020

Vorzimmer ANin Sabine Grünheit -14021

Stabsstelle FG Finanzpolitische Grundsatzfragen AN Dr. Christopher Meyer -14205

Referatsgruppe 20 Grundsatz und Digitalisierung

MR André Bandlow -14200

Referat 200

Generalreferat für Haushaltsrecht, Haushaltsplanung, Haushaltsrechnung und Finanzplanung, Einzelplan 11 Allgemeine Finanzverwaltung

MR André Bandlow -14200

Referat 201 Digitalisierung der Landesverwaltung, Einzelplan 04, Kapitel 0410 und 0481

ANin Kathy Bull -14280

Referat 210

Einzelplan 01 Landtag (außer Kapitel 0104), Einzelplan 07 Ministerium für Bildung und Kindertagesförderung, Einzelplan 13 Ministerium für Wissenschaft, Kultur, Bundesund Europaangelegenheiten

MRin Dr. Antje Weber -14210

Referat 220

Einzelplan 02 Landesrechnungshof, Einzelplan 03 Staatskanzlei, Einzelplan 09 Ministerium für Justiz, Gleichstellung und Verbraucherschutz, Einzelplan 10 Ministerium für Soziales, Gesundheit und Sport, Einzelplan 14 Landesverfassungsgericht

MR Torsten Mietko -14220

Referat 230

Einzelplan 04 Ministerium für Inneres, Bau und Digitalisierung, Einzelplan 06 Ministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Tourismus und Arbeit

MRin Annett Wanzenberg -14230

Referat 240

Einzelplan 05 Finanzministerium, Einzelplan 08 Ministerium für Klimaschutz, Landwirtschaft, ländliche Räume und Umwelt, Einzelplan 12 Hochbaumaßnahmen des Landes, Wirtschaftsplan Landesförderinstitut

RDin Kirsten Schulze-Urbisch -14240

Referat 250

Konjunktur und Kapitalmarkt, Kreditaufnahmen, Generalreferat für Personalausgaben und Stellenplanangelegenheiten

MR Dr. Frank Bornholdt -14250

Referat 260 Bürgschaften N.N. -14260

Referat 270

Bundesstaatlicher Finanzausgleich, Bundeshaushalt, Kommunaler Finanzausgleich und finanzielle Angelegenheiten der Kommunen, Verwaltungsreform, Stabilitätsrat, Steuerschätzung

RD Heiko Eggert -14270

Referat 280 P-SOZ Projektgruppe Sozialdatenpool

MR Dr. Heiko Hain -14780

Minister Dr. Heiko Geue

Foto: BS/Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommern

Staatssekretärin Dr. Carola Voß -14005

Abteilung 3 Steuern

Abteilungsleitung

MDgin Anke Niedergesäß -14030 Vorzimmer ANin Iris Ladwig -14031

Referat 300

Einkommen-, Lohn-, Körperschaft-, Gewerbe-, Umwandlungs-, Kirchensteuerrecht, Gemeinnützigkeit, Steuerpolitik

MR Ulrich Pohl -14300

Referat 310

Allgemeines Abgabenrecht, Betriebsprüfung, Steuerfahndung, Bußgeld- und Strafsachen, Steuerberatung, Abgabenrecht zur Steuererhebung

MRin Andrea Schanz -14310

Referat 320

Organisationsangelegenheiten der Steuerverwaltung, Personalbedarfsberechnung, Personalentwicklung, Stellenprofile für die Steuerverwaltung, Öffentlichkeitsarbeit/ Kommunikation der Steuerverwaltung

MR Dr. Andreas Hetfleisch -14320

Referat 330

Automation und Informationstechnik in der Steuerverwaltung N.N. -14350

Referat 340 N.N. -14350

Referat 350

Umsatzsteuer, Verkehr- und Besitzsteuern, Einheits- und Bedarfsbewertung, Sachverständigenwesen, Internationales Steuerrecht

RD Axel Köhnke -14350

Referat 350

Umsatzsteuer, Verkehr- und Besitzsteuern, Einheits- und Bedarfsbewertung, Sachverständigenwesen, Internationales Steuerrecht

RD Axel Köhnke -14350

Ministerbüro

RDin Dr. Susanne Jancker -14001

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, finanz- und steuerrechtliche Informationsschriften ANin Dr. Anna Lewerenz -14003

Koordinierungsstelle Landtagsu. Kabinettsangelegenheiten ANin Daniela Hinz -14002

Koordinierungsstelle Bundesund Europaangelegenheiten

RD Kai Kiehl -14004

Abteilung 4 Staatshochbau und Liegenschaften

Abteilungsleitung

MDg Stefan Wenzl -14040

Vorzimmer ANin Heike Reder -14041

Referat 400 vorläufig unbesetzt N.N. -14400

Referat 410 Landesbau

MR Eric Malchow -14410

Referatsgruppe 42 Bundesbau

MR Uwe Jannsen -14420

Referat 420 Baumanagement Bund

BD Thilo Brause -14421

Referat 421 Ingenieurtechnik

ANin Bettina Schneider -14821

Referat 422 Vergabe- und Vertragsrecht

RD Stefan May -14891

Referat 430

Liegenschaften und Vermögenszuordnung Grundsatz, Regelung offener Vermögensfragen

MR Sebastian Pawlowski -14430

Referat 440 Facility-Management und Fiskalerbschaften

MR Dr. Steffen Wandschneider-Kastell -14440

Referatsgruppe 45 Rechtsangelegenheiten Bau, Zentrale Vergabestelle

MRin Ümran Junge -14450

Referat 450 Fachaufsicht Vergabe- und Vergaberecht Land MRin Ümran Junge -14450

Referat 451 Zentrale Vergabestelle N.N.

Referat 452 Justiziariat N.N.

Referat 460 vorläufig unbesetzt N.N. -14460

Referatsgruppe 47

Organisation, Fuhrparkmanagement, Mobilität, Automation und IT-Technik, Qualitätsmanagement, KLR, Internet & Intranet der staatlichen Bau- und Liegenschaftsverwaltung

MR Andreas Beyer -14470

Referat 470 Organisation, Fuhrparkmanagement und Mobilität

MR Andreas Beyer -14470

Referat 471

Automation und IT-Technik in der staatlichen Bau- und Liegenschaftsverwaltung

AN Jörg Grade -14871

Referat 472

Qualitätsmanagement, KLR, Internet & Intranet

ANin Anne Jonas -14491

Abteilung 5 Beteiligungen und Verwaltungsmodernisierung

Abteilungsleitung

AN Alexander Koß -14050

Vorzimmer Eva Ludwig -14051

Referat 500 Bürgschaften

RDin Anja Sachse -14500

Referat 510 Beteiligungsmanagement, Sparkassenaufsicht

ANin Katrin Kuchmetzki -14510

Referat 520 Geschäftsstelle „Zukunft der Verwaltung M-V“ Heiko Wachholz (kommissarischer Leiter) -14521

Referat 530 MV-Beratung AN Dr. Jörn Oldag -14910

Referat 540 Zentrales Personalmanagement (PeM) MRin Katrin Buskase -14540

Referat 550 Digitales Wissensmanagement RD Jascha Barckhan -14550

Referat 560 P-MF Modernisierung des Förderrechts und der Förderverfahren des Landes M-V RD Stefan Barth -14560

Referat 570 EU-Finanzkontrolle EFRE, ESF und REACT EU AN Milan Müller -14570

Interessenvertretungen

Vorsitzender des Personalrates Thomas Kühnemann -14145

Vorsitzender des Hauptpersonalrates Torsten Sieg -14070

Schwerbehindertenvertretung (AN) Dirk-Stefan Merten -14822

Schwerbehindertenvertretung (AG) Rolf Herrmann -14703

Hauptschwerbehindertenvertretung Frank Bachmann -48625

Gleichstellungsbeauftragte Britta Ladig -14329

Datenschutzbeauftragter Heiko Wachholz -14521

Geheimschutzbeauftragte Antje Wedepohl -14190

Ansprechpartner für Korruptionsvorsorge Andreas Busch -14115

Jahrelang wurde nur geredet und angekündigt. Jetzt, nachdem die Ampel-Koalition zerbrochen ist, soll möglichst schnell doch noch eine Lösung für ein gravierendes Problem der deutschen Politik gefunden werden: Städte und Gemeinden sollen von einem Teil ihrer drückenden Schulden befreit werden und damit ihre Handlungsfähigkeit zurückgewinnen. Kanzler Olaf Scholz will eine Regelung am Jahresanfang 2025, Finanzminister Jörg Kukies soll sie auf den Weg und ins Ziel bringen.

Beteiligung an

Entschuldungsmaßnahmen

Wieder ins Handeln kommen

Neue Lösung für kommunales Altschulden-Problem

(BS/Hans-Jürgen Leersch) Zum Jahresbeginn 2025 will der Bund ein Maßnahmenpaket zur Tilgung der kommunalen Schuldenberge auf den Weg bringen. Für die Umsetzung sind auch Stimmen aus der Union nötig.

Anfang Dezember unterbreitete die Bundesregierung im Ausschuss für Bauen und Kommunen einen konkreten Vorschlag zur Lösung des Problems. Dafür griff Kukies auf eine Idee zurück, die sein Vorgänger Christian Lindner 2022 entwickelt hatte: Danach soll ein neuer Artikel ins Grundgesetz überführt werden, mit dem eine einmalige Ausnahmeregelung von der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung geschaffen wird. Die Regelung ermöglicht es dem Bund, sich mit der Übernahme von Landesschulden hälftig an den Entschuldungsmaßnahmen der Länder zu beteiligen, die die Kommunen von ihren übermäßigen Liquiditätskrediten befreien. Weiter heißt es in der Vorlage des Finanzministeriums: Die Länder, die die Altschuldenhilfe des Bundes in Anspruch nehmen, sollten im Grundgesetz dazu verpflichtet werden, haushaltsrechtliche und kommunalaufsichtsrechtliche Maßnahmen zu ergreifen, um einen erneuten Aufwuchs übermäßiger kommunaler Liquiditätskredite zu vermeiden. Kukies machte im Finanzaus-

Die Kommunen sollen wieder handlungsfähig werden und sich aus ihrem Schuldenberg befreien: Um dieses Ziel zu erreichen, einigte sich der Finanzausschuss des Bundestags auf einen konkreten Vorschlag. Foto: BS/Tadeusz, stock.adobe.com

schuss des Bundestags deutlich, dass eine Grundgesetzänderung erst einmal eine Tür öffnen könne. Danach werde man zu einer gesetzgeberischen Lösung übergehen, die dringend nötig sei. Denn infolge von Tilgungs- und Zinslasten schränken die Altschulden die kommunale Handlungsfähigkeit ein. Für die Grundgesetzänderung benötigt die Minderheitsregierung von SPD und Grünen zwingend die Zustimmung der Union – andernfalls wäre die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit verfehlt. Allerdings räumt das Finanzminis-

Bundesfinanzen in „ernster Lage“

Jahresbericht 2024 des Bundesrechnungshofs liegt vor (BS/Anne Mareile Walter) Der Bund hat 2024 in 23 Fällen Gelder verschwendet und unwirtschaftlich gearbeitet. Die Prüfer des BRH fordern ein Umdenken beim „versteinerten Bundesetat“.

Der Bundesrechnungshof (BRH) bezeichnet die Lage der Bundesfinanzen als „ernst“. Strukturelle Versäumnisse der Vergangenheit würden auf „neue Problemlagen“ treffen, heißt es in den Bemerkungen 2024, dem Jahresbericht des BRH. Die Prüfer werfen dem Bund zahlreiche Verfehlungen vor, 23 Einzelfälle listen sie in dem Bericht auf. Hier haben Behörden unwirtschaftlich gearbeitet oder Risiken für den Bundeshaushalt nicht ausreichend berücksichtigt. Dabei geht es unter anderem um den Umgang mit Bundesanleihen, EU-Fördermitteln, um Versäumnisse bei der Ausrüstung der Marine sowie Verfehlungen bei der Auszahlung von Bürgergeld. Der Präsident des Bundesrechnungshofs, Kay Scheller, erklärte zur Veröffentlichung des Jahresberichts: Der Bundeshaushalt sei in den Jahren 2020 bis 2024 stark expansiv gewesen, dies habe die Schuldenlast des Bundes enorm in die Höhe getrieben, parallel stiegen die Zinsen. Daher sei der fiskalische Spielraum für zukünftige Projekte bei Infrastruktur, Digitalisierung, Landesverteidigung und Klimaschutz gering.

Bundesanleihen waren nicht „grün“ „Die Ausgaben- und Aufgabenlast des Bundes steigt. Es besteht Modernisierungs- und Nachholbedarf“, sagte er. Der BRH kritisiert, es fehle an Handlungsspielräumen und überzeugenden Konzepten, um wichtige Zukunftsthemen wie Verteidigung und Klimaschutz finanzieren zu können.

Dabei stellten die Prüfer im Einzelnen folgende Verfehlungen fest:

Grüne Bundesanleihen waren nicht nachweislich grün. So habe der Bund grüne Bundesanleihen auch für Ausgaben genutzt, bei denen eine klima- oder umweltschützende Wirkung nicht nachweisbar war. Damit wurde das Ziel verfehlt, den Markt für grüne Anleihen weiterzuentwickeln und „Investoren langfristig von diesem Instrument zu überzeugen“. Der BRH richtete daher an das Bundesfinanzministerium den Appell, künftig klare und messbare Auswahlkriterien für die Klassifizierung zu entwickeln.

„Der Bund bleibt als Alleineigentümer in der Dauerkrise der DB AG ziellos.“

Auszug aus dem Jahresbericht des BRH

Auch beim Bezug von Fördermitteln gab es Versäumnisse. Fördermittel aus der Brexit-Anpassungsreserve (BAR) wurden nicht ausgeschöpft, dadurch gingen dem Bundeshaushalt 52 Millionen Euro verloren. Ein weiterer Missstand: Den Jobcentern sei es nicht gelungen, den dauerhaften Bezug von Bürgergeld durch Selbstständige zu beenden. Hier seien die Grundsätze des Förderns und Forderns unzureichend umgesetzt worden, heißt es im Bericht. Fast 65.000 Selbstständige beziehen Bürgergeld, in einem Drittel der vom Bundesrechnungshof geprüften Fälle seit mindestens fünf Jahren. Obwohl der BRH bereits im Jahr

2017 über ähnliche Mängel berichtete, hatte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hier keinen Handlungsbedarf gesehen. Ein anderes Manko attestiert der BRH in Bezug auf das Management der Deutschen Bahn. Seit der Privatisierung im Jahr 1994 habe es das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BDMV) versäumt, Eigentümerrechte und -pflichten für den Bund „umfassend wahrzunehmen“, schreiben die Prüfer. Bis heute gebe es keine ressortübergreifend abgestimmte Eigentümerstrategie. „Der Bund bleibt als Alleineigentümer in der Dauerkrise der DB AG ziellos“, heißt es im Bericht. Das BDMV ist angehalten, eine ressortübergreifend abgestimmte Eigentümerstrategie vorzulegen.

Unzureichende Ausstattung der Marine Verschwendung von Geldern attestiert der BRH auch der Bundeswehr. Die Marine habe milliardenteure Korvetten ohne Drohnen eingesetzt. Normalerweise benötigen Korvetten vom Typ K 130 Drohnen, um Seeund Landziele außerhalb des Radars aufzuklären. Diese Aufklärungsfähigkeit fehlte, der Einsatzwert der Schiffe reduzierte sich erheblich. Die Nutzungsdauer der 2008 und 2013 in den Dienst genommen Korvetten ist laut Bericht auf 30 Jahre beschränkt. Die Hälfte der Zeit sei verstrichen, ohne dass die volle Leistungsfähigkeit habe genutzt werden können. Es sollen fünf weitere Korvetten dieses Typs geliefert werden, ebenfalls ohne Drohnen. Der BRH fordert nun, diese schnellstmöglich mit Drohnen auszustatten.

Finanzlage ein: Die Schulden der Gemeinden und Gemeindeverbände (einschließlich ihrer Beteiligungen wie Stadtwerke) betrugen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes Ende 2023 insgesamt 322,9 Milliarden Euro. Das entspricht einer Schuldenhöhe von 4.133 Euro pro Kopf. Ein Jahr zuvor waren es 313,9 Milliarden Euro gewesen. Umsteuern in der Finanzpolitik An ein Abtragen der Schuldenberge ist nicht mehr zu denken. Nachdem Städte und Gemeinden 2022 noch einen kleinen Überschuss von 2,6 Milliarden Euro erzielt hatten, rutschten sie 2023 mit sieben Milliarden Euro ins Minus. Auch im Jahr 2024 und in den kommenden Jahren sei mit Finanzierungsdefiziten zu rechnen, räumte die Bundesregierung in der Antwort auf eine Anfrage aus dem Bundestag ein. Bei der Suche nach den Ursachen zeigen die Vertreter der Kommunen auf Berlin: „Der Kern des Problems ist, dass Bund und Länder immer mehr Aufgaben auf die Kommunen übertragen", erklärte kürzlich Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags.

terium ein, dass in den seit 2022 geführten Gesprächen nicht erkennbar gewesen sei, dass die für eine Grundgesetzänderung erforderlichen Mehrheiten im Deutschen Bundestag und Bundesrat zustande kommen würden. Der kommunalpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Bernhard Daldrup, fordert von der Union mehr Tempo: „Angesichts eines Defizits von über 17 Milliarden Euro im ersten Halbjahr 2024 gibt es keinen Grund, die Bundestagswahl abzuwarten.“ Auf diesen Appell zahlt auch die aktuelle

Die Bundesregierung ist bei den Ursachen zurückhaltender: Man habe keine vollständigen Informationen, welche durch Bundesgesetz festgelegten Aufgaben von einzelnen Ländern in welchem Ausmaß auf die Kommunen übertragen worden seien. Allerdings ist der Antwort auf die Anfrage eine Aufstellung mit 237 Maßnahmen des Bundes seit 2014 beigefügt, die mit Belastungen für die Kommunen verbunden sind. Im Ampel-Koalitionsvertrag war vereinbart worden, das Thema anzugehen. Passiert ist nichts.

Bestechlichkeit im Staatswesen

Juristische Folgen der Maskenaffäre (BS/amw) Sollten Amts- und Mandatsträger in Fragen der Integrität rechtlich gleichbehandelt werden? Dieser Frage ging ein Informationsabend des Instituts für interdisziplinäre Korruptionsprävention e.V., quanuun, in Berlin nach.

Im Frühjahr 2021 wurde die Maskenaffäre publik: Bundestags- und Landtagsabgeordnete von CDU und CSU hatten bei der Beschaffung von Atemschutzmasken während der Corona-Pandemie lukrative Geschäfte gemacht und sich wegen Bestechlichkeit vor Gericht verantworten müssen. Da ihr Vorgehen nach dem damaligen Strafrecht legal, aber nicht mit dem allgemeinen Rechtsempfinden vereinbar war, änderte der BGH im April 2024 die Rechtslage: Seitdem ist eine solche Interessenwahrnehmung von Mandatsträgern unzulässig. MdB und Rechtsanwalt Dr. Thorsten Lieb erklärte: Es fehlten im Bundestag Compliance-Regelungen zu der Frage, wie mit Unternehmensbeteiligungen umzugehen sei. Als

Beispiel nannte er eine Abstimmung im Haushaltsausschuss zur Anschaffung von Leopard-Panzern: „Es fragt kein Mensch, ob die Ausschussmitglieder Anteile an dem produzierenden Unternehmen haben.“ Grundsätzlich müssten aber Regelungen gefunden werden, die nicht dazu führten, dass sich Parlamentarier wegen überbordender Bürokratie nicht mehr um ihr Mandat kümmern könnten. quanuun-Präsidentin Dr. Stefanie Lejeune wies indes darauf hin: Nach der Maskenaffäre seien Verhaltensregeln für MdBs in das Abgeordnetengesetz übernommen worden. Nebeneinkünfte sind seither zu veröffentlichen, auch gelten strengere Anzeigepflichten gegenüber dem Bundestagspräsidenten.

Debatte über Korrumpierbarkeit: Behörden Spiegel-Gründer und quanuun-Schatzmeister Uwe Proll, quanuun-Präsidentin Dr. Stefanie Lejeune, Hochschulprofessor Dr. Harald Bretschneider und MdB Dr. Thorsten Lieb (v. l.). Foto: BS/Walter

► ANGEBOTSWERTUNG

Kurzbeschreibung

Keine Abwertung wegen mangelnder Detailtiefe

Im Zuge einer Ausschreibung sollten laut „Kriterienkatalog zur Beurteilung der Leistung“ die Bieter im Kriterium B 1 die wesentlichen Schritte in der Konzeption eines Plans für die Umsetzung von Neugestaltung, Relaunch und Migration einschließlich der Erhebung bei den nutzenden Bundesbehörden skizzieren. Der für die Erreichung von fünf Punkten maßgebliche Erwartungshorizont umfasste eine „möglichst vollständige Nennung der zu erfolgenden Schritte sowie eine logisch nachvollziehbare Kurzbeschreibung ihrer Inhalte“. Gemäß Erwartungshorizont sollte diese Kurzbeschreibung einen „hohen Grad an Nachvollziehbarkeit und Ausdifferenziertheit“ aufweisen sowie die dort aufgeführten sieben Bewertungsaspekte erfüllen. Im Rahmen der Nachprüfung wehrt sich eine Bieterin gegen die Bewertung mit lediglich drei aus fünf Punkten. Gemäß der Auftraggeberin habe sie nicht die notwendige „Übersichtlichkeit und Differenziertheit“ erkennen lassen. Sie ergänzte ihre Begründung damit, dass bei ihren Ausführungen die notwendige Detailtiefe gefehlt habe. Hierin sieht die Kammer eine Überschreitung des Beurteilungsspielraums. Ursache dafür ist, dass eine „Kurzbeschreibung“, noch dazu auf nicht mehr als fünf DIN-A4-Seiten, gefordert war. Dies steht im Konflikt mit der jetzt unterlegten Begründung, dass die „notwendige Detailtiefe“ bei den Ausführungen fehlen soll. Dadurch wurde ein Widerspruch zwischen dem laut Vergabeunterlagen geäußerten Erwartungshorizont und der nachgeschobenen Begründung für die punktemäßige Abwertung hervorgerufen. VK Bund

(Beschl. v. 26.02.2024, Az.: VK 2-13/24)

► FORMALIEN Einhaltung unsicher Mangelnde Dokumentation

Im Rahmen einer Vergabe von „Sicherheitsdienstleistungen für staatliche Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber“ des Freistaates Bayern kam es u. a. zum Streit darüber, ob ein Bieter die Formvorgaben für die Konzepterstellung eingehalten hat. Der Freistaat hatte im Formblatt „Gewichtung der Zuschlagskriterien“ unter Ziffer 1.2.1 angegeben, dass der Bieter seine Ausführungen für die Unterkriterien U1 bis U3 auf den im jeweiligen Unterkriteri-um genannten Umfang (Seitenzahlen, Schriftart etc.) zu beschränken hat. Bezüglich Unterkriterium U1 unterliegt der Bieter einer Beschränkung auf maximal vier DINA-4-Seiten, bzgl. Unterkriterium U2 auf maximal drei DIN-A-4-Seiten und bzgl. Unterkriterium U3 auf maximal zwei DIN A 4 Seiten. Zudem gab es diesen Hinweis: „jeweils: Schriftart: Arial; Zeilenabstand 1,5; Schriftgröße: 12“. Die Vergabekammer stellt fest: Der Dokumentation kann nicht entnommen werden, dass der Freistaat sich mit etwaigen Verstößen gegen die Formvorgaben auseinandergesetzt hat. Der Freistaat muss hinsichtlich des Loses 2 eine neue Wertung vornehmen und das Los 4 in den Stand vor Absendung der Ausschreibungsbekanntmachung zurücksetzen. Sind, wie in diesem Los 4 geschehen, formale Vorgaben für die Konzepterstellung und daran angeknüpfte Sanktionsmöglichkeiten unklar, so leidet die Ausschreibung an einem schwerwiegenden Mangel, der die Anordnung einer Rückversetzung des Vergabeverfahrens bedingen kann.

EuGH, Urt. v. 24.10.2024 (C-513/23)

► LOSVERGABE

Grundsatz

Strenge Anforderungen an Ausnahmen

Einmal mehr ist die Verpflichtung zur Fachlosbildung beim Düsseldorfer Vergabesenat das Thema gewesen. Vorliegend ging es um die Leistungen „Fahrbahnrückhaltesystem, Verkehrssicherung und Weißmarkierung“. Sie waren im Wege einer Gesamtvergabe ausgeschrieben. Gleichwohl besteht für diese Leistungen ein eigener Markt (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 01.06.2016, Verg 6/16). Daher muss die Vergabestelle eine ausnahmsweise Gesamtvergabe genauestens prüfen (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.03.2020, Verg 10/20) Die Gründe für eine zusammengefasste Vergabe müssen deutlich überwiegen und schon fast zwingender Natur sein. Vorliegend wurden zwar technische Gründe wie eine bessere baubetriebliche Abstimmung benannt. Die Auftraggeberin war jedoch gemäß den Schlussfolgerungen des Senats nicht in der Lage, überzeugend darzulegen, weshalb ausgerechnet dieser Straßenabschnitt hinsichtlich der genannten Gewerke nicht in einzelnen Fachlosen ausgeschrieben werden könnte. Tatsache sei, dass 90 Prozent der Straßenmarkierungsarbeiten in Fachlosen ausgeschrieben werden. Weshalb dies in diesem Einzelfall technisch nicht möglich gewesen sei, habe die Auftraggeberin nicht beurteilungsfehlerfrei begründen können. Zudem müsse jeder öffentliche Auftraggeber „gewisse wirtschaftliche Nachteile“ hinnehmen. Dies sei dem Mittelstandsschutz geschuldet.

► PRÄQUALIFIKATION

Zusätzliche Anforderungen

Unklare Vorgaben

Bei einer Vergabe betreffend die Verlegung von Natursteinpflaster kam es zum Rechtsstreit über verlangte Eignungsnachweise, und zwar auch über den Bedeutungsgehalt der Präqualifizierung von Bietern hinaus. Die Präqualifikation gemäß VOB bedeutet die automatische Eignungsvermutung hinsichtlich der üblichen Nachweise, die in praktisch jedem Ausschreibungsverfahren zu erbringen sind. Typischerweise sind dies Umsätze, Mitarbeiterzahlen oder auch spezifische Zulassungen zu dem betreffenden Handwerk und sonstige Qualifikationen. Mit dem Ziel, dass nicht jedes Unternehmen die üblichen Nachweise immer wieder neu vorlegen muss, wurde die Präqualifikation eingeführt. Was war nun konkret geschehen? In der von der Vergabekammer behandelten Ausschreibung hatte ein präqualifizierter Bieter nicht sicher erkennen können, dass die Vergabestelle über die „PQ VOB“ hinausgehende Eignungsnachweise verlangt hatte. Insbesondere gab es Widersprüchlichkeiten u. a. hinsichtlich des FB 107 HVA-Straßenbau, also Eigenerklärung über die Eignung, und des FB 216, für den die Eignungsanforderungen, gerade mit dem Ziel, Übersichtlichkeit zu schaffen, zusammenfassend aufzulisten sind. Die Prüfung des betreffenden Bieters ist mit Blick darauf, ob er materiell die Eignungskriterien erfüllt, zu wiederholen. Ein für die spezifisch ausgeschriebene Leistung ungeeigneter Bieter wäre auszuschließen. Allerdings dürfe er auch mit einer Zusammenschau von sich ergänzenden Referenzen zu relevanten Teilleistungen die Eignung nachweisen. VK Südbayern, Beschl. v. 08.05.2024 (3194.Z3-3_01-24-10)

► LEISTUNGSVERSPRECHEN

Überprüfung

Widerlegung durch objektive Tatsachen

14 Bundesländer haben ein Bezahlkartensystem ausgeschrieben. Ein Konkurrent bezweifelt die Fähigkeit des designierten Zuschlagsbieters zur Umsetzung in seinem Betrieb. Der Vergabesenat stellt heraus, dass der öffentliche Auftraggeber zwar im Ansatz davon ausgehen darf, dass ein Bieter seine vertraglichen Zusagen erfüllen wird.

Jedoch ändert sich das immer dann, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass dies zweifelhaft ist. Der öffentliche Auftraggeber ist verpflichtet, ergänzende Informationen einzuholen, welche die Erfüllbarkeit des Leistungsversprechens bzw. die hinreichende Leistungsfähigkeit des betreffenden Bieters belegen. Gleichsam ist der antragstellende Bieter verpflichtet, alle ihm zustehenden Erkenntnisquellen auszuschöpfen und diese auch zu benennen. Es ist nach Auffassung des Senats in diesem Fall zuzugestehen, dass die Marktkenntnis einer Konkurrentin hinsichtlich teils öffentlich zu erlangender Informationen recht weit gehen könne. Jedoch verhalte es sich im konkreten Fall dergestalt, dass der designierte Zuschlagsbieter in einem umkämpften Marktumfeld aus Gründen des Wettbewerbs nicht alle eingesetzten Tools publiziere. Er hat im Rahmen seines Umsetzungskonzepts aus Sicht der Vergabestelle überzeugend dargestellt, dass er die Anforderungen zu Personenverbünden sowie zu Limits und Beschränkungen der Karte (mit Anpassung der jeweiligen Bezahlkarten auf Länderebene) zu erfüllen vermag.

Zusammenfassung der Entscheidungen: RA und FA für Vergaberecht Dr. Rainer Noch, München (Oppler Büchner PartGmbB)

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Nur sieben Prozent erhalten Auftrag

Nur wenige Start Ups gewinnen Ausschreibungen

(BS/bk) Eigentlich hat sich die scheidende Bundesregierung mit ihrer Start Up-Strategie auf die Fahne geschrieben, Start Ups bei der Vergabe von öffentlichen Ausschreibungen stärker zu berücksichtigen. Nach einer Studie des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) kommen jedoch nur sehr wenige Start Ups zum Zuge.

Nur elf Prozent der deutschen Start Ups haben seit ihrer Gründung an öffentlichen Ausschreibungen teilgenommen und nur sieben Prozent haben mindestens einen Auftrag erhalten. Der Anteil etablierter Unternehmen, die Aufträge erhalten, sei allerdings mehr als doppelt so hoch. „Es bewerben sich weniger Start Ups als erwartet auf öffentliche Ausschreibungen. Im Vergleich zu früheren Untersuchungen sehen wir eine deutlich geringere Anzahl sich bewerbender Unternehmen“, erklärt Dr. Bastian Krieger, Leiter der Nachwuchsforschungsgruppe Co-Creation am ZEW Mannheim und Co-Autor der Studie.

Nach Krieger könnten sowohl die Start Ups als auch die gesamte Wirtschaft von einer Beauftragung profitieren. So seien öffentliche Ausschreibungen für Start Ups nicht nur finanziell interessant. Die öffentlichen Aufträge könnten bei potenziellen Kundinnen und Kunden Vertrauen in die Unternehmen schaffen und als Qualitätsnachweis

gelten. Mit einem Zuschlag könnten Start Ups ihren Absatzmarkt erweitern und die Funktionalität ihrer Produkte und Dienstleistungen unter Beweis stellen. Zudem profitiere die gesamte Wirtschaft von den „oft innovativen Produkten und Dienstleistungen“. Diese hätten ein besonderes Potenzial. „Die niedrigen Erfolgschancen von Start Ups beim Vergabeprozess zeigen allerdings, dass dieses Potenzial nicht ausgeschöpft wird“, so Krieger Die Studie zeige, dass die politischen Entscheidungsträgerinnen und -träger Start Ups bei öffentlichen Beschaffungsverfahren stärker unterstützen könnten. Ähnliche Maßnahmen, die bei der Erhöhung der Beteiligung von KMU erfolgreich gewesen seien, könnten ein erster Schritt sein, so die Studienautoren. Beispiele seien die Aufteilung von Ausschreibungen in kleinere Lose und die Vergabe einer Ausschreibung nach funktionalen Kriterien, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass jüngere und kleinere Unternehmen den Zu-

schlag erhielten. Um die Teilnahmequote zu erhöhen, müssten die Verfahren vereinfacht und praktikable Anforderungen an die Bietberechtigung geschaffen werden. Eigentlich sollten mit der angekündigten Reform des Vergaberechts die angemahnten Veränderungen angegangen werden. Doch mit der Vergabetransformation müssen sich die Start Ups jetzt bis nach der Bundestagswahl und Regierungsbildung gedulden.

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OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.08.2024 (Verg 7/24)
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.09.2024 (15 Verg 9/24)

Russland ist eine Gefahr für ganz Europa

Interview mit dem ukrainischen Botschafter Oleksij Makejew (BS/PS) Im Oktober 2022 kommt Oleksij Makejew als ukrainischer Botschafter nach Deutschland. Bei ihm zuhause ist seit Februar Krieg, den Russland angefangen hat und der mittlerweile schon über 1.000 Tage dauert. Makejew gilt als Spezialist, klarer Planer und guter Analytiker in schweren Krisen – wie der mit Moskau. Sein Stil ist die eher stille, beharrliche Diplomatie, Vertrauen für ihn das wichtigste Kapital. Seit fast 30 Jahren ist er im Dienst seines Landes und mit seiner „Kultur des Zurücknehmens“ gut gefahren.

Über 1.000 Tage Leid und Zerstörung haben die Ukraine heimgesucht. Laut Botschafter Makejew gibt es einen Plan, wie der Krieg 2025 beendet werden kann: mit Diplomatie.

Foto: BS/Roman Baluk, The Collection of war.ukraine.ua

der russischen Terrorherrschaft in den temporär besetzten Gebieten retten, ist gerecht und verhindert, dass Russland für seine Aggression belohnt wird.

Behörden Spiegel: Sie sind die Hälfte Ihres Lebens im diplomatischen Dienst. Möchten Sie noch mal etwas anderes machen?

Makejew: Eigentlich nicht die Hälfte, sondern fast mein ganzes Leben, denn ich habe mich schon in der Schule für Diplomatie entschieden. Danach habe ich am Institut für Internationale Beziehungen studiert und währenddessen im Außenministerium gearbeitet. Ich habe also nie für mich selbst gearbeitet, sondern immer für mein Land. Heute ist es besonders wichtig, dass jeder, der dazu fähig und qualifiziert ist, die Ukraine auf der internationalen Bühne vertritt und verteidigt.

Behörden Spiegel: Sie schreiben bisher über internationale Sicherheitsfragen und außenpolitische Prozesse. Warum nicht auch mal Belletristik?

Behörden Spiegel: Herr Botschafter Makejew, wie beurteilen Sie die aktuelle Unterstützung Deutschlands für die Ukraine, insbesondere im militärischen Bereich? Welche weiteren Schritte erwarten Sie von der deutschen Regierung?

Makejew: Deutschland ist über sich hinausgewachsen, von 5.000 Helmen zu einem der größten militärischen Unterstützer der Ukraine – und doch muss man sich fragen, wo wir heute wären, wenn es die langen Diskussionen nicht gegeben hätte und Waffen schon 2022 zügig geliefert worden wären. Wir setzen darauf, dass die Politiker der demokratischen Parteien konsequent zu ihren Werten stehen und den Deutschen auch im Wahlkampf ehrlich erklären, warum es im ureigensten deutschen Interesse ist, dass die Ukraine sich in diesem Krieg durchsetzt. Dazu sind weitere entschlossene und mutige Entscheidungen auch in Deutschland notwendig, vor allem eine qualitative und quantitative Erhöhung der militärischen Unterstützung für die Ukraine.

Behörden Spiegel: Hat der Westen schon bei der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim mit seiner Appeasement Politik weggeschaut und Moskau "freie Hand" gelassen?

Makejew: Im Westen hat man zu viel Zeit verloren, zu viel an Eskalation gedacht und zu viel Angst gehabt. Man hätte schneller erkennen müssen, dass Russland eine Gefahr für ganz Europa, aber auch für die Weltordnung darstellt. Man hat gegenüber Putin keine Stärke gezeigt. Man hätte viel schneller handeln und echte Führung zeigen müssen, um eine Ausweitung des Krieges zu verhindern.

Behörden Spiegel: Sind die deutschen Sanktionen gegenüber Russland ausreichend? Welche würden den Kreml nachhaltig treffen?

Makejew: Als ehemaliger Sonderbeauftragter der Ukraine für Sanktionspolitik weiß ich, dass Sanktionen wirken, doch die Umgehung bleibt ein großes Problem. Sie ermöglicht es Russland weiterhin, den Krieg zu finanzieren, während westliche Komponenten – auch aus Deutsch-

land – in russischen Waffen und Drohnen auftauchen. Um dies zu verhindern, müssen wir den Reexport von Dual-Use-Gütern konsequent unterbinden, auch über Tochtergesellschaften in Drittstaaten. Zudem wären eine vollständige Isolation des russischen Finanzsystems, Sanktionen gegen den Nuklearsektor, niedrigere Preisobergrenzen für Öl sowie Importverbote für Flüssiggas und Stahl wirksame Maßnahmen, um den Kreml empfindlich zu treffen und seine Kriegsmaschinerie auszubremsen. Sanktionen sind nur so stark wie ihr Durchsetzungswille.

Behörden Spiegel: Gibt es überhaupt noch eine diplomatische Lösung für den Krieg? Wie kann Putin sonst gestoppt werden?

Makejew: Wir haben einen Plan, wie der Krieg 2025 beendet werden kann. Und zwar durch Diplomatie. Aber dazu muss die Ukraine in eine Position der Stärke kommen. Und das ist das Ziel des Victory-Plans meines Präsidenten. Nur in einer Position der Stärke können wir Russland zu ernsthaften Verhandlungen bewegen, um bei einer Friedenskonferenz einen gerechten und dauerhaften Frieden auszuhandeln.

Der Victory Plan beinhaltet fünf Maßnahmen und die erste ist die unverzügliche Einladung der Ukraine in die NATO – nicht die Mitgliedschaft während des Krieges, sondern die Einladung. Dabei wünschen wir uns die Unterstützung Deutschlands. Denn die konkrete NATO-Einladung würde Russland zeigen, dass es geopolitisch verloren hat.

Behörden Spiegel: Wie können deutsche Unternehmen dazu beitragen, die ukrainische Wirtschaft in Zeiten des Krieges zu unterstützen?

Makejew: Sehr viele deutsche Unternehmen haben Führungsstärke bewiesen, indem sie den ukrainischen Markt nicht verlassen haben, sondern ihre Präsenz ausgebaut oder neue Joint Ventures in der Ukraine gegründet haben. Allen voran die Rüstungsunternehmen. Die anderen werden folgen: Energiewirtschaft, Unternehmen im Solar- oder Wasserstoffbereich, auch Bauunternehmen, die uns beim Wiederaufbau der Infrastruktur helfen können. Es ist auch eine Win-win-Situation, denn es gibt

viele Geschäftschancen für deutsche Unternehmen in der Ukraine.

Behörden Spiegel: Wie bewerten Sie die Aufnahme und Integration ukrainischer Geflüchteter in Deutschland?

Makejew: Ich danke den Deutschen oft, dass so viele Ukrainer und Ukrainerinnen seit dem Anfang des russischen Angriffskriegs in Deutschland Schutz gefunden haben und mit offenen Armen aufgenommen wurden. Die Erfolge ihrer Integration sehe ich als eine Chance für unsere Länder. Die aktuellen Statistiken zeigen: Die Zahl der Schutzsuchenden aus der Ukraine mit Job in Deutschland ist auf 266.000 angewachsen. Wir haben intensiv mit dem Bundesminister Heil und anderen Regierungsstellen zusammengearbeitet, um den Ukrainern die Möglichkeit zu geben, in Deutschland zu arbeiten und hier auch Steuern zu zahlen. Jetzt freue ich mich, dass immer mehr ukrainische Schutzsuchende eine Arbeit finden. Das beweist die gute Integrationsfähigkeit meiner Landsleute. Diese Menschen werden in der Zukunft Brücken zwischen Deutschen und der Ukraine bauen und ihre neu gelernten Fähigkeiten später in der Ukraine beim Wiederaufbau einsetzen.

Behörden Spiegel: Welche Unterstützung benötigt die ukrainische Zivilbevölkerung momentan am dringendsten von der internationalen Gemeinschaft?

Makejew: Der Winter ist da, in der Ukraine liegt bereits Schnee. In der Zwischenzeit zerstört Russland die Energieinfrastruktur im ganzen Land, um unsere Bevölkerung mit Kälte und Dunkelheit zu quälen. Deutschland hat Luftverteidigung und andere Winterhilfe geliefert und das rettet viele Leben. Doch was wir derzeit wirklich dringend brauchen, sind mehr Fähigkeiten, legitime militärische Ziele in Russland mit weitreichenden Waffen zu treffen. Denn von dort startet Russland Raketen und Flugzeuge, die Gleitbomben auf unsere Städte abwerfen. In Charkiw, Sumy, Donezk und anderen Regionen gibt es fast täglich Gleitbombenangriffe – teilweise 800 innerhalb einer Woche. Um unsere Bevölkerung zu schützen, brauchen wir die Genehmigung und

Fähigkeiten, diese legitimen Ziele auf russischem Territorium zu zerstören.

Behörden Spiegel: Was sind die größten Missverständnisse über die Ukraine, die in Deutschland oder Europa vorherrschen?

Makejew: Meine Arbeit ist es, diese Missverständnisse aus dem Weg zu räumen – denn oft sind sie nur das: Missverständnisse, die aufgeklärt werden müssen. Manchmal höre ich, dass wir Ukrainer keine Verhandlungen wollen. Oder ich werde gefragt, warum wir zum Beispiel drei unserer Gebiete nicht an Russland abgeben wollen, um den Krieg zu beenden. Hier versuche ich aufzuklären. Erstens geht es in diesem Krieg nicht um Territorien. Russland ist nicht zu konstruktiver Diplomatie bereit, es möchte die Ukraine vernichten. Wir Ukrainer haben diesen Krieg nie gewollt, Russland hat ihn uns aufgezwungen. Wir sind in keinem Computerspiel, wo man Staatsgrenzen einfach verschieben kann. Es gibt das Völkerrecht und die einzigen echten roten Linien sind die Staatsgrenzen der Ukraine, die Russland 2014 überschritten hat. Dass wir unsere Gebiete wiedergewinnen und Menschen vor

Zur Person

Makejew: Ich schreibe über Themen, die ich gut kenne. Mein ganzes Leben dreht sich um Diplomatie und Sicherheit. Manchmal fühle ich mich dabei auch wie ein Psychologe oder sogar ein Waffenhändler, weil diese Rollen oft Teil der Realität sind, mit der ich mich auseinandersetze. All das fließt in meine Texte ein und prägt, was und wie ich schreibe.

Behörden Spiegel: Mit wem würden Sie gerne für einen Tag tauschen?

Makejew: Mit meinem Freund Arsen. Er ist in diesem Krieg gefallen. Damit er für einen Tag noch einmal seine Frau und seine Söhne sieht.

Behörden Spiegel: Was glauben, fürchten, hoffen Sie, dass uns 2025 bringt?

Makejew: Ich hoffe, dass im Jahr 2025 die Demokratie gewinnt – in der Ukraine, in Deutschland, in Europa. In unserem gemeinsamen Interesse. Ich wünsche mir ein mutiges Europa, das gemeinsam entschlossen einen gerechten und nachhaltigen Frieden schafft.

Wie mutig dieses ist, wird Botschafter Makejew 2025 demnächst in Kyjiw feststellen können. Sein Wechsel dorthin gilt als Teil einer normalen Rotation bei etwa 40 ukrainischen Botschaftern. Nachfolger wird im Februar Jewhen Kornijtschuk, der derzeitige Botschafter der Ukraine in Israel.

Oleksij Makejew, Jahrgang 1975, studierte an der Nationalen Taras-Schewtschenko-Universität Kyjiw Internationale Beziehungen und ist seit 1996 im diplomatischen Dienst. 2014 wird er Leiter der politischen Abteilung im Außenministerium, 2020 Sonderbeauftragter für Sanktionen, bevor er 2022 Botschafter in Berlin wird. Makejew verfasst mehrere Publikationen zu internationalen Sicherheitsfragen und Analysen außenpolitischer Prozesse, spricht mehrere Sprachen und ist Hobbypilot.

Foto: BS/Makeiev

Kommune

Behörden Spiegel Berlin und Bonn / Januar 2025 www.behoerdenspiegel.de

Die Welle rollt weiter

(BS/Anne Mareile Walter) Sie soll die Effizienz der medizinischen Versorgung steigern und der darbenden Krankenhauslandschaft den finanziellen Druck nehmen: Ende November 2024 wurde die Klinikreform verabschiedet, Anfang 2025 tritt sie schrittweise in Kraft. Was kommt damit auf die Kommunen zu?

Das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz ist für Marc Elxnat mit mehreren Risiken behaftet. „Viele Klinikstandorte im ländlichen Raum werden auch weiterhin in ihrer Existenz gefährdet sein“, sagt der zuständige Beigeordnete des Deutschen Städte- und Gemeindebunds (DStGB). Eine vollumfängliche medizinische Versorgung ist dadurch vielerorts fraglich. Dass die Reform in ihrer jetzigen Fassung angeschlagene Krankenhäuser aus den roten Zahlen holt, glaubt Elxnat nicht. „Die Reform wird die Insolvenzwelle nicht abwenden“, sagt er. Innerhalb der vergangenen zwei Jahre haben bundesweit 48 Kliniken Insolvenz angemeldet. Das Ende der Fahnenstange ist damit aber nicht erreicht: Weitere Krankenhausstandorte stehen vor der Pleite, 30 Prozent von aktuell 1.719 Krankenhäusern wirtschaften bereits defizitär.

„Wir haben große Bedenken, dass das Gesetz zur Erfolgsgeschichte wird.“

Jörg Freese, Beigeordneter des Deutschen Landkreistags

Ende November hat der Bundesrat dem Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz, besser bekannt als Klinikreform, aus der Feder von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach grünes Licht gegeben. Das neue Gesetz soll den Krankenhäusern den finanziellen Druck nehmen, gleichzeitig ist eine größere medizinische Spezialisierung vorge-

sehen. Anfang 2025 folgt die schrittweise Umsetzung des Gesetzes. Die darin enthaltenen Kernpunkte: Das bisher gültige, auf Fallpauschalen basierende Vergütungsprinzip wird folgendermaßen ersetzt: Krankenhäuser erhalten künftig 60 Prozent ihrer Vergütung für das Vorhalten von bestimmten Angeboten, 40 Prozent werden weiterhin über die Fallpauschale berechnet. Der Gedanke dahinter: Medizinisch nicht optimale Eingriffe sollen in Zukunft vermieden werden.

Transformationsfonds mit vielen Mängeln

Finanziert wird die Reform mithilfe eines „Transformationsfonds“, der ein Volumen von 50 Milliarden Euro aufweist. Die Hälfte des Geldes stellen die Länder bereit, die übrige Hälfte kommt aus dem Topf der gesetzlichen Krankenkassen.

Marc Elxnat findet die Idee des Transformationsfonds zwar richtig, allerdings sei einiges davon nicht durchdacht. „Seit 2022 sind in den Kliniken immense, nicht kompensierte Kosten aufgelaufen“, erklärt er. Die Krux des Fonds bestehe nun darin, dass ausschließlich nicht insolvenzgefährdete Kliniken Mittel daraus bekämen. „Der kalte Strukturwandel wird damit nicht abgewendet“, so Elxnat

Die Implikationen der Reform für die Kommunen sind aus seiner Sicht zum jetzigen Zeitpunkt nicht absehbar. „Es ist misslich, dass bei einem so großen Projekt keine Klarheit für die Kommunen besteht“, sagt Elxnat. Nach seiner Auffassung wäre es für die Entscheidung über das Gesetz wichtig gewesen, Indikatoren zu haben, wo Krankenhausstandorte erhalten bleiben und wo sie möglicherweise schließen müssen. „Das alles haben wir

nicht.“ Auch Jörg Freese, zuständiger Beigeordneter des Deutschen Landkreistags, sieht die Reform kritisch. „Die Kliniken werden weiter ungesteuert und ungeplant in den wirtschaftlichen Ruin getrieben“, prognostiziert er. In der Fläche sei die Versorgung nicht sichergestellt und auch durch weiter entfernte, spezialisierte Krankenhäuser nicht aufzufangen. „Wir haben große Bedenken, dass das Gesetz zur Erfolgsgeschichte wird“, sagt Freese. Die Kritikpunkte des Beigeordneten: Die Vorhaltevergütung führe in ihrer jetzigen Form nicht zum Ziel. Denn: Klinken, die aufgrund einer dünnen Besiedlung nicht auf die vorgegebenen Patientenzahlen kommen, würden auch mit der neuen Pauschale nicht ausreichend finanziert. Zudem würden bestimmte Qualitätsvorgaben über das Ziel hinausschießen, da für die Umsetzung der Vorgaben nicht ausreichend Ärzte vorhanden seien.

Wenige Kliniken mit schwarzer Null Die Finanzierung über den Transformationsfonds sieht Freese ebenfalls kritisch: „Das Geld ist nicht da, die Länder müssten sich das aus den Rippen schneiden.“ Dass beispielsweise die gesetzlichen Krankenkassen gegen den Finanzierungsweg klagen, hält Freese nicht für ausgeschlossen.

„Auch 2025 werden Krankenhäuser mit Forderungen an ihre Träger herantreten", fügt er hinzu. Es sei möglich, dass kommunal geführte Krankenhäuser künftig vom Träger aufgegeben würden, weil die nötigen Finanzmittel im Kreishaushalt fehlten.

Die Allianz Kommunaler Großkrankenhäuser (AKG), die insgesamt 30 Großkrankenhäuser und Krankenhausverbünde vertritt, ge-

winnt der Reform hingegen positive Aspekte ab. Diese werde voraussichtlich zu einer „deutlichen Effizienzsteigerung im Gesundheitssystem“ führen, schreibt sie in einem Pressestatement. So würden spezialisierte Leistungen an ausgewählten Standorten konzentriert und es erfolge eine bessere Verteilung von Patientinnen und Patienten auf geeignete Kliniken. Dabei weist die AKG darauf hin:

Für den Erfolg der Reform müssten kurzfristig finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Der von der noch amtierenden Bundesregierung gewählte Finanzierungsweg verspreche – mit Blick auf die nicht erfolgte Haushaltseinigung und kurzfristige Neuwahlen – „eine gewisse Planungssicherheit“. Finanzielle Versorgungsengpässe in einer Übergangsphase seien aber möglich. Diese dürften nicht nur durch die Finanzlage der Länder und Kreishaushalte entstehen, auch bei den gesetzlichen Krankenkassen klafft bekanntermaßen ein Milliardenloch. Die stellvertretende Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands, Stefanie Stoff-Ahnis, erklärt hierzu: Die Zusatzkosten von 2,5 Milliarden Euro pro Jahr, die die Kassen zur Teil-Finanzierung des Transforma-

tionsfonds aufbringen müssen, seien „ein zusätzlicher Beschleuniger“ für weitere Beitragssatzerhöhungen in den kommenden Jahren. In der nächsten Legislaturperiode müsse es deshalb darum gehen, die Krankenhausreform besser zu machen. Vor diesem Hintergrund hatte Bundesgesundheitsminister Lauterbach bereits angekündigt, möglicherweise auch die privaten Kassen zur Finanzierung des Transformationsfonds heranzuziehen. Der Verband der privaten Krankenkassen (PKV) hält die Finanzierung des Transformationsfonds mit Versichertengeldern sogar für verfassungswidrig. Sowohl die Planung der Kliniken als auch deren Auf- und Umbau und ebenso die Investitionsfinanzierung seien Aufgaben der Bundesländer, teilt er gegenüber dem Behörden Spiegel mit. Die Länder würden hingegen seit Jahrzehnten ihrer Finanzierungsverpflichtung nicht nach kommen und so die Finanznöte bei den Krankenhäusern vergrößern.

„Die Kommunen sind nicht länger in der Lage, für die Krankenhäuser als Ausfallbürgen einzuspringen und sie mit Beträgen in teils dreistelliger Millionenhöhe pro Jahr zu bezuschussen“, bringt es der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy, auf den Punkt. Bund und Länder müssten gemeinsam „eine tatsächliche Krankenhausplanung aufstellen und systemrelevante Häuser erhalten“. Die Finanzierung des Transformationsfonds aus Landesmitteln und Mitteln der gesetzlichen Krankenkassen sieht auch der Deutsche Städtetag kritisch.

Doch die Zustimmung des Bundesrates ist aus seiner Sicht „das richtige Signal, um die weiteren Reformschritte anzugehen“.

Foto: BS/Michael Kastl

Behörden Spiegel: Wie entstand die Idee der Kooperation von sechs Kommunen zur Errichtung des Windparks und welche He rausforderungen mussten sie dabei überwinden?

Michael Kastl: Hierzu muss man wissen, dass sich das betreffende Windkraftgebiet mit seinen Ausläufern auf das Gemeindegebiet der sechs Kommunen erstreckt, die in zwei verschiedenen Landkreisen liegen. Münnerstadt entwickelte im Jahr 2021 im Rahmen seiner Energiewendestrategie die Idee, mit dem Projektentwickler „R 3 Regionalenergie“ einen kleinen Windpark im Münnerstädter Zipfel des Vorbehaltsgebiets zu errichten. Der Stadtrat traf die kluge Entscheidung, dieses Projekt nur weiterzuverfolgen, wenn die betroffenen Nachbargemeinden mitmachen. Da Münnerstadt die einzige beteiligte Kommune aus dem Landkreis Bad Kissingen ist, führte mich mein Weg zu meinem Rhön-Grabfelder Bürgermeisterkollegen der Gemeinde Strahlungen, Johannes Hümpfner, der auch sofort seine Unterstützung zusagte. Wie die meisten beteiligten Kommunen arbeiten auch die Stadt Münnerstadt und die Gemeinde Strahlungen bereits seit Jahren in der interkommunalen NES-Allianz zusammen, was eine gute Grundlage für dieses Projekt ist. Wir holten dann die übrigen vier Gemeinden aus dem Landkreis Rhön-Grabfeld mit an den Tisch und schnell wurde klar, dass alle mitmachen wollen. Wichtig war hier, dass jede Gemeinde selbst entscheiden konnte, wie sie den Windpark auf ihrem Gebiet gestalten möchte, und man dann gemeinsam das Gesamtkonzept erarbeitete.

Mittlerweile ist es leider gängige Praxis geworden, dass Bund und Länder Gesetze über den Kopf der Kommunen hinweg erlassen, dabei auch viele Aufgaben an die Gemeinden abgeben und außer Acht lassen, ob das für Kommunen überhaupt umsetzbar ist. Und das, obwohl die Städte gut drei Viertel der gesetzlichen Regelungen ausführten, erklärt der Deutsche Städtetag (DST). Tatsächlich seien die kommunalen Spitzenverbände – zumindest der Theorie nach – auch am Gesetzgebungsprozess beteiligt. Besonders im Rahmen des Gesetzesentwurfs sei ihre Expertise vorgesehen. Jedoch seien diese Einbindungen so unspezifisch formuliert, dass die tatsächliche Beteiligung seit der Corona-Pandemie immer weiter zurückgehe, so der DST. Durch diese verkürzte Beteiligung würden immer wieder Gesetze verabschiedet, die entweder nachjus-

VIER Fragen– VIER Antworten

Interview mit Michael Kastl, Erster Bürgermeister Münnerstadts

Ohne Gegenwind

Hand in Hand zum größten Windpark Bayerns (BS) Während sich anderenorts bereits Bürgerproteste formieren, bevor auch nur der Grundstein gelegt ist, beschließen sechs Kommunen in den Landkreisen Rhön-Grabfeld und Bad Kissingen einen gemeinsamen Windpark – und wissen die Bevölkerung geschlossen hinter sich. Der Erste Bürgermeister Münnerstadts, Michael Kastl (CSU), erklärt, wie sich breite Akzeptanz für die kommunale Energiewende schaffen lässt. Die Fragen stellte Julian Faber.

Behörden Spiegel: Wie erklären Sie sich die enorm hohe Akzeptanz des Projekts in der Bevölkerung und welche Rolle kam den kommunalen Unternehmen dabei zu?

Kastl: Alle Beteiligten haben von Beginn an auf maximale Transparenz gesetzt. Die Entwicklung des Projekts wurde über mehrere Jahre hinweg konsequent in Bürgerversammlungen, Gemeinde- und Stadtratssitzungen und schließlich in gemeinsamen interkommunalen Gemeinde- und Stadtratssitzungen behandelt. Es hat schon eine gewaltige Strahlkraft, wenn bei fast 100 anwesenden Stadtrats- und Gemeinderatsmitgliedern einstimmig für ein solches Projekt gestimmt wird. Daneben hat sich sicherlich sehr positiv auf die Akzeptanz ausgewirkt, dass namhafte Arbeitgeber aus der Region die Wichtigkeit des Windparks für den Wirtschaftsstandort Rhön betont haben. Mit dem Überlandwerk Rhön ist darüber hinaus ein regionaler Energieversorger in kommunaler Hand maßgeblich am Projekt beteiligt, was als Garant dafür gewertet werden kann, dass die Wertschöpfung auch tatsächlich vor Ort bleibt.

Behörden Spiegel: Welche wirtschaftlichen und ökologischen Vorteile erwarten die beteiligten

Kommunen durch die Realisierung des Windparks?

Kastl: Wir haben von Beginn an hohe wirtschaftliche Vorteile für die beteiligten Kommunen als oberstes Ziel definiert. Diese Vorteile speisen sich aus vier zentralen Quellen: Durch die finanzielle Beteiligung nach § 6 EEG fließen jährlich ca. 400.000 Euro an die beteiligten Kommunen. Bei der Standortwahl wurde darauf geachtet, bevorzugt kommunale Eigentumsflächen zu nutzen. Dadurch erzielen vier der sechs beteiligten Kommunen, die über geeignete Grundstücke verfügen, zusätzliche Pachteinnahmen. In Verbindung mit weiteren Maßnahmen

wie beispielsweise dem geplanten Bau von zwei Wasserstoffelektrolyseuren in den beteiligten Städten Münnerstadt und Bad Neustadt an der Saale wird eine moderne Infrastruktur geschaffen, die es unseren Unternehmen ermöglichen soll, sich fit für die Zukunft zu machen, und gleichzeitig neue Betriebe anzieht. Als größte Anteilseigner erhalten die Kommunen den Hauptteil der Projektrendite. Zusätzlich können sie über die Vermarktung des Windstroms entscheiden und langfristig Bürger sowie Unternehmen mit preisstabilem grünem Strom versorgen. Da ein wirtschaftlich rentables Projekt geplant ist, profitieren mittelfristig alle Kommunen antei-

Lautere Stimmen für Kommunen

Kleinste Ebene bei der Gesetzgebung stärken (BS/Scarlett Lüsser) Zwei Landkreise aus Sachsen-Anhalt zogen kurz vor Jahresende vor das Bundesverfassungsgericht. Der Grund: Die Aufgabenlast ihrer Kommunen wächst, die Einnahmen hingegen nicht und das daraus resultierende Haushaltsdefizit macht sie offiziell handlungsunfähig. Und damit sind diese Kommunen kein Einzelfall.

tiert werden müssten oder die die Last der kommunalen Verantwortung unverhältnismäßig steigerten. Das „Netzwerk Junge Bürgermeister*innen“ sieht gerade die anstehenden Wahlen als wichtige Chance, um diesen Umstand zu verbessern. Für die Mitglieder ist klar: Die Kommunen sind das Fundament des Staates und „essenziell für die Funktionsfähigkeit eines modernen, bürgernahen Staates“. Laut dem diesbezüglichen Debattenpapier „Ein moderner Staat beginnt in den Kommunen“ prägen sowohl Erfolg als auch Scheitern der Kommunen bei der Umsetzung von staatlichen Leistungen im sozialen Bereich, aber auch bei Infrastruktur- oder Katastrophenschutzprojekten, das Bild und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Staat. Denn hier gebe es die größten Berührungspunkte mit der Bevölkerung.

Das brauchen Kommunen Aus diesen Gründen fordert das Netzwerk unter anderem die Einrichtung einer „Kommunalkammer“ auf Bundesebene, ähnlich dem Bundesrat, die bei allen Gesetzen

mit kommunaler Auswirkung angehört werden soll. Eine Grundsicherung für den kommunalen Haushalt sowie die Verpflichtung von Bund und Ländern, die finanziellen Folgen von neuen Gesetzen vollständig nach dem Konnexitätsprinzip zu kompensieren, sollen außerdem für sicherere Haushaltslagen und Handlungsfähigkeit bei den Gemeinden sorgen. Daneben fordern sie die Abschaffung redundanter Berichtspflichten, die Einführung eines „One-Stop-Prinzips“ für Fördermittelanträge sowie das weitere Vorantreiben der Digitalisierung mit Augenmerk auf interkommunaler Zusammenarbeit und nutzerfreundlicher Bürgerportale. Um die gesammelten Forderungen des Debattenpapiers effektiv umsetzen zu können, müssen laut Michael Salomo – dem Bundesvorsitzenden des Netzwerks und Oberbürgermeister der Stadt Heidenheim an der Brenz – zunächst die finanziellen Anliegen verwirklicht werden. Auch die Einrichtung einer „Kommunalkammer“ sieht er als essenziell an, um den Kommunen auf Bundesebene ein Mitspracherecht einzuräumen. Grundsätzlich seien bei

einem System, wie das Netzwerk es anstrebe, allerdings fortlaufende Anpassungen notwendig, um es kontinuierlich an die kommunalen und bundesweiten Bedürfnisse anzupassen, erklärt Salomo. Diese könnten sich bspw. durch Krisen verändern. Wie schnell das alles realisiert werden könne, „hängt von politischen Prioritäten, der Verfügbarkeit finanzieller Mittel und dem Willen zur Zusammenarbeit auf allen föderalen Ebenen ab“.

Spitzenverbände stimmen zu Auch für den Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebunds (DStGB), Alexander Handschuh, ist klar, dass vor allem eine ausreichende Finanzierung und das Konnexitätsprinzip gebraucht werden. Eine Entlastung von den immer neuen Aufgaben durch Bund und Länder sei notwendig. Denn „[k]ommunale Selbstverwaltung funktioniert nur, wenn auch ausreichend finanzielle und tatsächliche Spielräume zum Gestalten vorhanden sind“, heißt es vom DStGB. Auch die Digitalisierung und technischen Fortschritte würden in Zukunft Möglichkeiten bieten, Aufgaben wieder an den

lig von Gewerbesteuereinnahmen. Darüber hinaus leisten wir mit der CO2-Einsparung durch die Windstromerzeugung einen bedeutenden Beitrag zur Klimaneutralität.

Behörden Spiegel: Welche Erfahrungen haben Sie mit der interkommunalen Kooperationen gesammelt und könnte dies beispielhaft für die Energiewende in ganz Deutschland sein?

Kastl: Ich stelle erfreut fest, dass immer mehr Kommunen über den Tellerrand hinausschauen und bin mit der hervorragenden Zusammenarbeit in unserer interkommunalen NES-Allianz sehr zufrieden. Viele der aktuellen Herausforderungen können von einer Kommune alleine nicht mehr bewältigt werden, allen voran die Energiewende. Neben den eigentlichen Allianz-Projekten erwächst aus der regelmäßigen interkommunalen Zusammenarbeit eine Vertrauensbasis, die schließlich auch gemeinsame Großprojekte wie unseren Windpark ermöglicht. Besonders wertvoll ist in diesem konkreten Fall auch die Einbindung eines kommunalen Stromversorgers sowie eines Projektentwicklers, der auch das Gemeinwohl im Blick hat. Beide bringen nicht nur die erforderliche Fachkompetenz ein, sondern puffern auch die hohen finanziellen Risiken in der anfänglichen Projektentwicklung ab, die Kommunen oft nicht tragen können. Ein solches Konzept könnte durchaus eine Blaupause für andere ländliche Regionen in ganz Deutschland sein. Mit diesem Ansatz können sich Kommunen im ländlichen Raum in eine völlig neue und vorteilhafte Position bei der anstehenden und notwendigen Transformation bringen.

Bund „zurückzugeben“. Aber die Einrichtung einer „Kommunalkammer“ werde mehr Zeit benötigen, da damit umfassende Änderungen am Grundgesetz einhergingen. Helmut Dedy, der Hauptgeschäftsführer des DST, zeigt sich über die aktuell gängige Praxis bei neuen Gesetzesentwürfen sehr verwundert: „Warum nur verzichtet der Gesetzgeber so oft darauf, die praktischen Erfahrungen der Städte einzubeziehen? Es müsste ihn doch interessieren, ob die neuen Regeln den Praxistest bestehen können.“ Der DST hat seine ähnlichen Ansichten in einem Positionspapier dargelegt und möchte die kommunale Beteiligung durch Spitzenverbände ebenfalls im Grundgesetz verankern. Auch sie sind der Ansicht, dass die Umsetzungs- und Lösungskompetenz der Städte und Gemeinden nicht ausreichend in den Gesetzgebungsprozess einfließt.

Daher fordern sie unter anderem auch eine Festschreibung für eine ausreichende Beteiligungsfrist in der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO). Zusätzlich fordert der DST eine dauerhafte Lösung für die Haushaltsprobleme und die Übernahme von neu entstehenden Kosten durch Bund und Länder. Bei einem sind sich aber alle genannten Verbände einig: Die Weichen für eine Verbesserung der kommunalen Situation müssen mit der vorgezogenen Wahl gestellt werden.

Bis zu 18 Windräder drehen sich künftig im Bildhäuser Forst. Damit ist der größte Windpark Bayerns beschlossene Sache. Foto: BS/Valerii Dekhtiarenko, stock.adobe.com

Angesichts des fortschreitenden Klimawandels und der zunehmenden Häufigkeit von Extremwetterereignissen hat das Thema Nachhaltigkeit in den letzten Jahren eine hohe gesellschaftliche Relevanz erlangt. Die Orientierung an den 17 Sustainable Development Goals der UN und die Wahrung der ESG-Ziele spielen auch im kommunalen Kontext eine zentrale Rolle. Während sich der Unternehmenssektor intensiv mit der EU-Taxonomie, der Sustainable Finance Disclosure Regulation und der Corporate Sustainability Reporting Directive auseinandersetzen muss, bewegen sich die Kommunen zwischen den methodischen Aspekten wie Nachhaltigkeitshaushalten und Nachhaltigkeitscontrolling, aber sie haben auch investive Aufgaben zu erfüllen.

Der Druck steigt

Jedoch fehlten den Städten nach dem im Auftrag der Kreditanstalt für Wiederaufbau des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu) durchgeführten KfW-Kommunalpanel 2023 nicht nur ca. 165,6 Milliarden Euro Mittel für Investitionen in Schulen, Straßen und Sportstätten – auch kommunale Investitionen in den Klimaschutz und die Klimaanpassung werden immer schwieriger. So rechnet NordrheinWestfalen über alle Sektoren mit einem jährlichen Investitionsvolumen in Höhe von 65 bis 79 Mrd. Euro zur Erreichung der Klimaneutralität und etwa 17 Mrd. Euro für die Digitalisierung. Die Kommunen sehen sich aus ihrer Verantwortung für die Daseinsvorsorge heraus zunehmend auch der Fragestellung gegenüber, die betriebswirtschaftlichen Renditen mit gesamtgesellschaftlichen Wirtschaftlichkeitsaspekten in Einklang zu bringen. Dies geht in Einzelfällen über die bekannte Internalisierung externer Effekte hinaus.

Nachhaltigkeit in Theorie und Praxis

Vor diesem Hintergrund fand am 20.11.2024 im Hause der Emschergenossenschaft/Lippeverband der Workshop „Gegenwart und Zukunft der Nachhaltigkeitsrelevanz im kommunalen Kontext“ statt. Er schloss an eine erste Diskussion im vergangenen Jahr an, deren Gegenstand auch der Ansatz des Difu zur Nachhaltigkeitsrendite gewesen war.

Stadtentwicklung am Scheideweg

Zur Gegenwart und Zukunft urbaner Verantwortung

(BS/Uli Paetzel/Jörg Hopfe) Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Investitionen – der Handlungsbedarf in den Städten und Gemeinden ist groß, die Haushaltsplanung schon jetzt eine Herkulesaufgabe. Wie können Kommunen also zwischen Verantwortung und Finanzierungsdruck navigieren?

Stadtentwicklung vereint Lebensqualität, Klimaschutz und Wirtschaftswachstum.

Dr. Kirsten Witte, Direktorin des Zentrums für Nachhaltige Kommunen der Bertelsmann Stiftung, gab in ihrem Vortrag einen Überblick zur Bedeutung und zum Umsetzungsstand der Nachhaltigkeitsaspekte in den Kommunen. Beginnend bei der Frage der finanziellen Leistungsfähigkeit und der Abbildung der Nachhaltigkeit im kommunalen Finanzwesen stellte sie die Inhalte eines SDG-Portals und die sich daraus ergebenden Steuerungsmöglichkeiten vor.

Prof. Beate Wiemann, Hauptgeschäftsführerin des Bauindustrieverbandes NRW, ging in ihrem Beitrag intensiv auf die Methodik der CO2-Bepreisung und die Bedeutung des „Urban Minings“ ein. Sie machte insbesondere deutlich, wie differenziert die Konzepte zur Einbeziehung der CO2- Äquivalente als

Vergabekriterium für Infrastrukturprojekte bereits entwickelt sind. Für Interesse sorgte auch der Hinweis, dass im kommunalen Rechnungswesen Immobilien nicht komplett abgeschrieben werden müssen, falls nachweislich am Ende des Lebenszyklus noch verwertbare Materialien (Urban Mining) vorhanden sein werden.

Die Emscher-Transformation Prof. Uli Paetzel verwies in seinem Beitrag auf die Integration von Nachhaltigkeitsthemen im Rahmen der Arbeit von Emschergenossenschaft und Lippeverband. In die Nachhaltigkeitsberichterstattung fließen zahlreiche konkrete Projekte ein. Ein herausragendes Beispiel für die Verbindung von Nachhaltigkeit mit Wirtschaftlichkeitsaspekten ist die erfolgte Renaturierung der Em-

Foto: BS/Ratchpon, stock.adobe.com

scher. Sie ermöglicht nicht nur ein blaugrünes Leben am Wasser, sondern hat als erheblicher Positivfaktor den Wirtschaftsstandort Ruhrgebiet gestärkt und einen Impuls von 13 Milliarden Euro ausgelöst, wie die TU Dortmund 2021 berechnet hat. Über 5,5 Milliarden Euro investierte die Emschergenossenschaft in das größte europäische Infrastrukturprojekt und schloss es, wie geplant nach genau 30 Jahren, auch weitestgehend im Kostenrahmen ab – und das trotz drei Mehrwertsteuererhöhungen seit 1992, einer Währungsumstellung, einer Baupreissteigerung von mehr als 20 Prozent und vielen weiteren neuen behördlichen Anforderungen.

Einer für alle Sowohl der erste als auch der zweite Emscher-Umbau sind gelungen,

weil Planung und Bau aus einer Hand erfolgten. Man stelle sich vor, die Revitalisierung des EmscherSystems in den vergangenen Jahren hätte separat von jeder einzelnen Kommune geplant, beantragt und umgesetzt werden müssen: mehr als 1.000 Einzelprojekte, vier moderne Großkläranlagen, drei gigantische Schmutzwasserpumpwerke sowie mehr als 430 Kilometer an neuen unterirdischen Abwasserkanälen. Allein der 51 Kilometer lange Abwasserkanal Emscher (AKE), die zentrale abwassertechnische Hauptschlagader des Ruhrgebietes, verläuft auf den Stadtgebieten von Dortmund, Castrop-Rauxel, Recklinghausen, Herne, Herten, Gelsenkirchen, Essen, Bottrop, Oberhausen und Dinslaken – und involviert damit gleich drei Regierungsbezirke.

Die Bündelung von Planung und Bau in einer genossenschaftlichen Hand („Einer für alle“) ermöglichte im Fall des AKE einen zentralen Genehmigungsprozess mit nur einer Bezirksregierung: jener in Münster. Die Herausforderungen der nachhaltigen Stadtentwicklung sind komplex, doch durch innovative Ansätze und entschlossenes Handeln können Kommunen einen entscheidenden Beitrag zur Zukunftsfähigkeit leisten. Entscheidend wird sein, die Balance zwischen ökologischer Verantwortung und wirtschaftlicher Machbarkeit zu wahren.

Prof. Dr. Ulrich Paetzel war bis 2016 Bürgermeister der Stadt Herten. Seit 2016 ist er Vorstandvorsitzender der Emschergenossenschaft/ Lippeverband und seit 2019 Präsident der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall.

Foto: BS/Klaus Baumers, EGLV

Dr. Jörg Hopfe ist Bankdirektor a. D. und Lehrbeauftragter an der TU Dortmund. Als Gründungsmitglied des Bundesverbandes Public Private Partnership beschäftigt sich seit 25 Jahren mit der kommunalen Ebene in Nordrhein-Westfalen.

Foto: BS/Birgit Hofzumberge

… vernahm ich aus der Presse, dass in Sachsen die Verhandlungen der sogenannten Brombeerkoalition, also ein Bündnis aus CDU, SPD und BSW, gescheitert sei. Stattdessen wagen CDU und SPD eine Minderheitsregierung. Ihr fehlen zehn Stimmen zur Mehrheit. Schon wird der politische Stillstand befürchtet. Ein solches Modell sei für die Bundespolitik undenkbar. Aber auch nach der Bundestagswahl am 23. Februar 2025 ist es nicht garantiert, dass

diese wieder zu stabilen Mehrheiten führen wird. Regieren ohne eigene Mehrheit, das könne nur im Chaos enden. Nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen hat die Politik wieder genügend Gründe gefunden, warum sie mit einzelnen Parteien nicht zusammenarbeiten will. Fakt ist aber auch, dass es anders kaum denkbare Mehrheiten gibt. Ob die Bürgerinnen und Bürger mit den selbst auferlegten Zusammenarbeitsverboten einverstanden sind, darf bezweifelt werden.

Eine Frage der Vernunft

Ich war 16 Jahre Bürgermeister in einer Kommune, die im Gemeinderat nie eindeutige Mehrheiten hatte. Trotzdem hatten wir dort nie Stillstand – im Gegenteil. Und das ist in der Kommunalpolitik nichts Ungewöhnliches. In den Kommunen, wo die Seele des staatlichen Dienstes gedeiht, interessiert es die Menschen eher wenig, mit wessen Stimmen die Senkung der Grund-

steuer beschlossen wurde. Es muss ja nicht erst dazu kommen, dass die sogenannte Brandmauer zerstört wird. Aber ist diese Angst nicht eher die Furcht, dass nicht der Staat seine Bürger, sondern das Volk seinen Staat formt? Ein Blick der Bundespolitik in die kommunalen Parlamente würde jedenfalls nicht schaden. Dort spielt weder „rechts“ noch „links“, sondern nur die Vernunft die Hauptrolle.

Mehrheit durch Gemeinsamkeit Klassische Koalitionen und Oppositionen gibt es in den Kommunen eigentlich nur in den Großstädten. Und wie entstehen auf der kommunalen Ebene Mehrheiten? Sie wechseln je nach Thema. Wenn es gelingt, Entscheidungen zu konsensieren, also solche mit dem höchsten Widerstandspotenzial erst gar nicht zu treffen, ist das besonders erfolgsversprechend. So einigen sich im Übrigen auch gute Freunde bei der Wahl eines

Restaurants. Man wählt weder die gutbürgerliche Wirtsstube, die so berühmt für ihre Schlachtplatte ist, auch nicht das Start up-Restaurant, welches vollständig auf vegane Ernährung setzt, sondern den Italiener, weil dort sowohl Vegetarier als auch Fleischesser etwas Passendes finden. Es geht also weniger um Mehrheiten als um das Finden von Gemeinsamkeiten.

ren soll die Opposition frühzeitig bei Gesetzesvorhaben eingebunden werden. Man ist also – genau wie in der Kommunalpolitik – plötzlich gezwungen, aufeinander zuzugehen und vor allem miteinander und nicht übereinander zu sprechen. Das sollte im menschlichen Miteinander eigentlich eine Selbstverständlichkeiten sein.

Rolf Hartmann war von 2004 bis 2020 Bürgermeister der Gemeinde Blankenheim. Foto: BS/privat

Kommen wir zurück zu Sachsen. Dort wird nun die Minderheits-GroKo versuchen, politische Verantwortung zu übernehmen. In einem sogenannten Konsultationsverfah-

Kommunalpolitik als Vorbild Kommunikation ist aufwendig, aber für eine gute Politik unerlässlich. Vielleicht wird aus der sächsischen Notlösung sogar ein Vorzeigeprojekt, wie Politik funktionieren kann. Statt um einen Koalitionsvertrag geht es um das ständige Bewerben von Themen. Das geht nur mit Argumenten und dem Versuch, einen Konsens zu finden. Unsere Kommunalpolitik könnte hier Vorbild sein. Dort gelingt das meistens. Realpolitik nennt man das. Sie gelingt dann, wenn Menschen und nicht Parteien miteinander arbeiten.

Neulich …
Kolumne Hartmann
Die urbane Vision: Nachhaltige

Gestalten Sie die Zukunft unserer Metropolregion an entscheidender Stelle mit.

Einzigartige kulturelle Schätze, eine bewegte Geschichte, eine exzellente Forschungslandschaft, enorme Wirtschaftskraft und eine hohe Lebensqualität –dafür steht das Rheinland. Im Verein Metropolregion Rheinland (MRR) versammeln sich 35 Akteure aus Kreisen und kreisfreien Städten, den Industrie- und Handelssowie Handwerkskammern, der Städteregion Aachen und dem Landschaftsverband Rheinland, um das Rheinland als Metropolregion von europäischer Bedeutung im nationalen, europäischen und globalen Wettbewerb erfolgreich aufzustellen. Dabei gilt es, die Region als Lebens- und Wirtschaftsstandort noch attraktiver zu gestalten, politisch die Interessen zu vertreten und die Wahrnehmung als Region nach innen und außen zu stärken.

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Als erfahrene und lösungsorientierte Führungskraft managen Sie die vielfältigen Themen in unserem Sozialamt!

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Fachbereichsleitung Soziales (w/m/d)

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Die Personalberatung für die Kommunalwirtschaft und die öffentliche Verwaltung

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Die Stadt Meckenheim mit rd. 27.000 Einwohnerinnen und Einwohnern ist traditionell für ihre leckeren Äpfel und den Anbau von Edelobst in Deutschlands drittgrößtem Obstanbaugebiet bekannt. Sie liegt im Rhein-Sieg-Kreis inmitten der abwechslungsreichen und interessanten Kulturlandschaft in direkter Nachbarschaft zu den Städten Köln und Bonn im Naturpark Rheinland.

Die Stadt Meckenheim sucht zum 01.04.2025 eine/n Technische/n Beigeordnete/n (w/m/d)

Dem zu verantwortenden Dezernat sind aktuell folgende Fachbereiche zugeordnet:

- Stadtplanung und Liegenschaften

- Bauordnung und Denkmalpflege

- Gebäudemanagement

- Verkehr und Grünflächen

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Die öffentliche Wahl durch den Rat der Stadt Meckenheim erfolgt in ein Beamtenverhältnis auf Zeit für die Dauer von 8 Jahren. Die Besoldung richtet sich nach der Eingruppierungsverordnung für das Land NRW nach Bes.Gr. A 15 LBesG NRW. Daneben wird eine Aufwandsentschädigung nach der Eingruppierungsverordnung gezahlt. Interessiert?

Aussagefähige Bewerbungen senden Sie bitte in deutscher Sprache ausschließlich über das Stellenportal https://karriere.meckenheim.de bis zum 24.01.2025. Für Informationen zur ausgeschriebenen Stelle wenden Sie sich bitte an: Bürgermeister Holger Jung, Tel. (0 22 25) 917 – 101 Fragen zum Bewerbungsverfahren beantwortet Ihnen der Fachbereich Personal Tel. (0 22 25) 917 – 299 Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

20.12.24 14:44 Stadtplanung als Balance zwischen Fortschritt und Heimatgefühl – Formen Sie die Zukunft der Stadt Marl!

Die Stadt Marl an der Schwelle der Metropole Ruhr und des ländlichen Münsterlandes ist mit ihren rund 88.000 Einwohner*innen idealer Ausgangspunkt für die Erkundung der beiden Regionen. Beeindruckende Industriekulissen und weitläufige Wälder, die sich weit in das Stadtgebiet erstrecken, bilden einen spannungsreichen Kontrast und verleihen Marl einen ganz besonderen Reiz. Das dichte Angebot an Museen und Musicals, Festivals und Freizeittreffs sowie eine einzigartige Kulisse mit Zeugen der traditionellen Industrie und Vorboten der Zukunftstechnologien machen das Ruhrgebiet zu einer spannenden und attraktiven Region.

Zum nächstmöglichen Zeitpunkt suchen wir im Baudezernat der Stadtverwaltung Marl eine gestaltungsmotivierte Führungspersönlichkeit als Amtsleitung (w/m/d) für Stadtplanung und integrierte Quartiersentwicklung

Das Amt umfasst die Sachgebiete Stadtplanung, Verkehrsplanung und Bodenordnung sowie Vermessung. Die Vergütung dieser unbefristeten Vollzeitstelle erfolgt nach Besoldungsgruppe A 15 LBesG NRW bzw. Entgeltgruppe 15 TVöD. Interessiert?

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Die Personalberatung für die Kommunalwirtschaft und die öffentliche Verwaltung

Mit Begeisterung für Göppingen.

Gestalten Sie aktiv mit!

Wir. Jetzt. Morgen. Im Rahmen unserer kommunalen Gesamtstrategie, dem Wegekompass Göppingen 2035, haben wir uns das Ziel gesetzt, uns als wertschätzende, verlässliche und lebendige Dienstleisterin gegenüber der Bürgerschaft auszuzeichnen. Der neu geschaffene Fachbereich Technische Infrastruktur vereint sowohl den Hochals auch den Tiefbau unter einem Dach. Ziel ist es, die Zusammenarbeit zwischen den Bereichen zu optimieren und verstärkt auf projektbasiertes Arbeiten zu setzen. Diese Neuorganisation ermöglicht es, die städtischen Bauprojekte effizienter umzusetzen und die Infrastruktur unserer Stadt noch zukunftsfähiger zu gestalten. Der Fachbereich besteht zukünftig aus den drei Abteilungen „Immobilienwirtschaft“, „Mobilität und verkehrliche Infrastruktur“ und „Betriebshof“, sowie dem Eigenbetrieb Stadtentwässerung und der Parkierungsanlagengesellschaft Göppingen mbH. Für dieses Vorhaben suchen wir zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine fachlich versierte und gestaltungsmotivierte

Fachbereichsleitung Technische Infrastruktur (w/m/d)

Die Besoldung dieser attraktiven Position erfolgt bis A 16 LBesGBW bzw. wird für Angestellte nach EG 15 TVöD (zzgl. Zulage) vergütet. Interessiert?

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Dienstleistungsorientiert und innovativ – für eine moderne Kreisverwaltung Euskirchen!

Wir sind bei der Kreisverwaltung Euskirchen ein großes Team mit vielfältigen Qualifikationen und Tätigkeiten: Diese Vielfalt spiegelt sich nicht nur im Kreishaus am Jülicher Ring wider, sondern auch in Einrichtungen wie dem Rettungsdienst, der Stabstelle Wirtschaftsförderung und den kreisangehörigen Förder- und Berufsschulen, wo rund 1.300 Kolleg*innen gemeinsam für die Bürger*innen des Kreises Euskirchen tätig sind.

Die Abteilung Zentrales mit ihren rund 50 Mitarbeitenden befasst sich in drei Teams mit den zentralen Themen IT, Organisation/Zentrale Dienste und Personalmanagement. Als Querschnittsamt versteht sich die Abteilung als interner Dienstleister für alle Kolleg*innen der Kreisverwaltung.

Wir suchen zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine kommunikationsstarke Führungspersönlichkeit als Abteilungsleitung Zentrales –Personal, Organisation und IT (w/m/d)

Diese verantwortungsvolle Querschnittsfunktion ist nach A15 LBesG NRW bzw. nach EG 14 TVöD bewertet.

Die Stelle ist in Vollzeit oder Teilzeit (Job-Sharing) zu besetzen. Interessiert?

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Die Personalberatung für die Kommunalwirtschaft und die öffentliche Verwaltung

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Eintauchen und Durchstarten: Geschäftsführung mit Tatkraft und Vision gesucht!

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Ihre Visionen für eine nachhaltige Stadtentwicklung!

Die Stadt Sachsenheim im Landkreis Ludwigsburg ist nördlich der Landeshauptstadt Stuttgart gelegen. Ihren rund 19.000 Einwohner*innen bietet sie ein lebendiges und familienfreundliches Umfeld. Eingebettet in eine landschaftlich reizvolle Umgebung überzeugt Sachsenheim durch eine gute Infrastruktur sowie eine gute Verkehrsanbindung.

Als Stadtverwaltung setzen wir uns gemeinsam mit unseren engagierten Mitarbeiter*innen für die vielfältigen Belange unserer Bürger*innen ein. Im Fachbereich Stadtentwicklung und Nachhaltigkeit stellen wir uns aktiv den kommunalen Herausforderungen wie Stadtentwicklung, Klimaschutz oder Mobilität und arbeiten gemeinsam an einer nachhaltigen und lebenswerten Zukunft unserer Stadt. Zum nächstmöglichen Zeitpunkt suchen wir eine gestaltungsorientierte Führungspersönlichkeit als

Fachbereichsleitung

Stadtentwicklung und Nachhaltigkeit (w/m/d)

In dieser Funktion berichten Sie direkt an den Bürgermeister. Die attraktive Position wird nach EG 14 TVöD bzw. A 15 LBesGBW vergütet. Interessiert?

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Die Personalberatung für die Kommunalwirtschaft und die öffentliche Verwaltung

Die 1995 gegründete Allwetterbad der Stadt Monheim am Rhein GmbH (AWB) ist eine städtische Gesellschaft, die zum Verbund der Monheimer Versorgungs- und Verkehrs GmbH gehört. Mit dem Mona-Mare-Freizeitbad bietet die AWB nicht nur der Monheimer Bevölkerung ein modernes Freizeitangebot, das stetig fortentwickelt wird: 2018 wurde die Saunalandschaft umfangreich erweitert und aktuell investiert die AWB 45 Millionen Euro in die Neugestaltung des Bade- und Gastronomieangebots auf 7.000 qm. Mit der Fertigstellung und Wiedereröffnung im zweiten Halbjahr 2025 wird das Mona-Mare-Freizeitbad ein Wellenbecken, ein Solebad, mehrere neue Großrutschen und viele weitere Highlights bieten.

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Die Personalberatung für die Kommunalwirtschaft und die öffentliche Verwaltung

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Gestalten Sie die Zukunft unserer Stadt aktiv mit.

Die vitale und vielseitige Stadt Reutlingen überzeugt mit ihrer Nähe zur Metropolregion Stuttgart sowie landschaftlich reizvollen Schwäbischen Alb. 116.000 Einwohnerinnen und Einwohner leben in der ehemaligen Freien Reichsstadt, welche sich als dynamischer Dienstleistungs-, Handels-, Technologie- und Industriestandort kennzeichnet.

Das Amt für Stadtentwicklung und Vermessung mit ca. 70 Mitarbeitenden ist in fünf Abteilungen gegliedert und beschäftigt sich mit allen Fragen rund um Stadtentwicklung, Wohnungsbau, Verkehrsplanung und Vermessung.

Die Aufgaben der Abteilung Stadtentwicklung und Vermessung reichen von innovativer Stadt- und Rahmenplanung über die Leitung wettbewerblicher Verfahren und Bauleitplanung bis hin zu Stadtsanierung und Stadtgestaltung.

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Die Personalberatung für die Kommunalwirtschaft und die öffentliche Verwaltung

„Auswertung zur interkommunalen Zusammenarbeit“

Kooperationen über Stadtgrenzen hinweg

Interkommunale Zusammenarbeit über die Grenzen von Städten und Gemeinden hinweg hat viele messbare Vorteile. Foto: BS/textune, stock.adobe.com

Demografische Entwicklung, Personalfluktuation, Fachkräftemangel: Als Lösung für diese Problemfelder wird immer wieder die interkommunale Zusammenarbeit (IKZ) gesehen. Um zu klären, ob die so organisierten Kommunen tatsächlich messbare Vorteile gegenüber den nicht in einer IKZ organisierten Kommunen haben, untersuchte die Überörtliche Prüfung die Auswirkungen der Organisationsform auf drei verschiedene Aspekte: Stand der Verwaltungsdigitalisierung, OZGReifegrad sowie Weiterverarbeitung der Daten online angebotener Leistungen.

Qualität der Aufgabenerledigung steigt durch IKZ an Das Ergebnis: Die in einer IKZ organisierten Kommunen hatten bei allen drei Aspekten einen Stand erreicht, der (deutliche) Vorteile

Dr. Ulrich Keilmann

leitet die Abteilung Überörtliche Prüfung kommunaler Körperschaften beim Hessischen Rechnungshof in Darmstadt.

Foto: BS/privat

gegenüber dem Stand der Kommunen ohne eine entsprechende IKZ aufweist. Die Organisation in einer IKZ trägt also dazu bei, die betreffenden Aufgaben arbeitsteilig, wirtschaftlicher, fokussierter und schneller zu erledigen. Hierdurch steigt gleichzeitig die Qualität der Aufgabenerledigung. Die Digitalisierung eröffnet dabei zudem Möglichkeiten der IKZ auch zwischen Kommunen, die weiter voneinander entfernt sind, weil der räumliche Abstand beim Datenaustausch keine Rolle (mehr) spielt.

Lesen Sie mehr zu diesem Thema im Kommunalbericht 2024, Hessischer Landtag, Drucksache 21/1148 vom 11. Oktober 2024, S. 125 ff. Der vollständige Bericht ist kostenfrei unter rechnungshof. hessen.de abrufbar.

Interkommunale Zusammenarbeit und Digitalisierung

Aspekt 1. Stand der Verwaltungsdigitalisierung1) 2. OZG-Reifegrad2) 3. Weiterverarbeitung

Kommunen ohne IKZ

mit IKZ

Quelle: BS/Hessischer Rechnungshof; Stand: Juli 2023

Farblich hinterterlegt wurden die auch im Kommunalbericht 2024 hervorgehobenen Werte (grundsätzlich der niedrigere [rot] und der höhere Wert [grün] ).

1) Anteil der vorhandenen, geprüften Kriterien (Digitalisierungsstrategie, E-Rechnung, E-Akte, Homeoffice, Kollaborationssoftware) in Prozent

2) OZG-Reifegrad 3 bei online angebotenen Leistungen in Prozent

3) Integrierte Datenverarbeitung in Prozent

Steueroasen in Deutschland

Gestaltungsmöglichkeiten der Gewerbesteuer und ihre Auswirkungen auf die Finanzverwaltung (BS/Christoph Dlugos) Viele Betriebe siedeln sich in Gemeinden mit niedrigen Gewerbesteuerhebesätzen an, um Steuern zu sparen. Welche Möglichkeiten hat der Gesetzgeber, um gegenzusteuern?

Briefkastenfi rmen und Steueroasen existieren nicht nur auf den karibischen Inseln, sondern auch in Deutschland. So wirbt eines von vielen Büroservice-Unternehmen in Monheim auf seiner Homepage mit dem Slogan: „Mieten Sie Ihr virtuelles oder möbliertes Büro und sparen Sie Geld“ sowie mit einer „100 Prozent-Erfolgsrate Gewerbesteueranmeldung“. Immer mehr Unternehmen nutzen Gemeinden mit niedrigen Gewerbesteuerhebesätzen, um Steuern zu sparen. Dabei wird regelmäßig nicht der gesamte Gewerbebetrieb in eine Niedrighebesatz-Kommune verlagert, sondern es werden unterschiedliche Steuergestaltungsmethoden entwickelt. So verlagern Unternehmen ihre Gewinne – z. B. durch eine reine Verlegung der Geschäftsleitung in ein virtuelles Büro oder einen Coworking-Space – in eine Niedrighebesatz-Kommune. Gleichwohl wird der Gewerbebetrieb in einer anderen Gemeinde fortgeführt. Die Steuern, die auf die verlagerten Gewinne entfallen, fehlen fortan im Haushalt der Kommune, in der der Betrieb originär ansässig ist.

Unternehmen, die ihre Gewinne dergestalt allokieren, ohne ihren gesamten Sitz zu verlegen, handeln meist in einer rechtlichen Grauzo-

ne. Die aus solchen Gestaltungen entstehenden Herausforderungen für Kommunen sind evident. Die Gewerbesteuer ist ihre wichtigste Einnahmequelle. Mit Blick auf das Gewerbesteueraufkommen stehen Kommunen vor der Wahl, ihren Hebesatz (ebenfalls) zu senken, um konkurrenzfähig zu bleiben oder die Gewerbesteuer (weiter) zu erhöhen und damit das Risiko einzugehen, dass Unternehmen abwandern. Auch die Herausforderungen für Finanzämter, in deren Zuständigkeitsbereich sich Kommunen mit einem geringen Gewerbesteuerhebesatz befinden, werden immer größer. Durch die sich für Gewerbesteuerzwecke neu ansiedelnden Unternehmen entstehen eine

lVielzahl an Aufgaben wie Aktenübernahmen, Veranlagungen und Betriebsprüfungen, denen die Finanzämter aufgrund ihres akuten Mitarbeitermangels kaum gerecht werden können.

Möglichkeiten der Gewerbesteuergestaltung sind die Verlegung des Ortes der Geschäftsleitung, die gezielte Errichtung oder Vermeidung einer Betriebsstätte oder die Gründung eigener Rechtsträger wie Tochter- oder Holdinggesellschaften.

Die Vermeidung der Ursachen ist die Anhebung des (Mindest)Gewerbesteuerhebesatzes gemäß Paragraf 16 Abs. 4 GewStG auf 350 Prozent, damit eine Gewerbesteuergestaltung insgesamt unattraktiv wird.l

Christoph Dlugos ist Sachgebietsleiter der Rechtsbehelfsstelle und Hauptsachgebietsleiter Abgabenordnung im Finanzamt Neuss. Mit seiner Masterarbeit „Steueroasen in Deutschland – (weiterer) Reformbedarf der Gewerbesteuer" belegte er den ersten Platz des vom Deutschen Beamtenbund (DBB) verliehenen Hochschulpreises. Die Arbeit ist in der Fachzeitschrift „der gemeindehaushalt“ (Ausgaben 08–12/2024) veröffentlicht. Dlugos absolvierte im Rahmen des Förderprogramms „Master“ den Studiengang „Master of Public Management“ an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW. Das Programm bietet zehn Teilnehmenden pro Jahr die Möglichkeit, in die Laufbahngruppe 2.2 aufzusteigen. Foto: BS/privat

Immense Grundsteuerlasten

Berechnungen dauern in vielen Kommunen noch an (BS/amw) Die Steuerlasten für Immobilieneigentümer steigen in diesem Jahr drastisch: In vielen Fällen muss mit einer Verdoppelung der zu zahlenden Beiträge gerechnet werden.

Seit 1. Januar gilt die neue Grundsteuer. In diesen Tagen erhalten Grundstückseigentümer die neuen Steuerbescheide. Wie der Verband Haus & Grund für insgesamt zehn Bundesländer errechnet hat, wird sich dadurch in vielen Regionen die Grundsteuerlast verdoppeln. Der Aufschlag liege im Durchschnitt bei 116 Prozent.

„Aufkommensneutralität“ nicht länger gegeben

Lediglich in 2,7 Prozent der Fälle bleibe die Steuerlast stabil. Mit 36,5 Prozent sinken in gut einem Drittel der Fälle die Steuersätze – und das um bis zu 76 Prozent. 60,8 Prozent der Haus- und Wohnungseigentümer müssen hingegen mehr Steuern bezahlen, in der Spitze summiere sich der Aufschlag auf bis zu 996 Prozent. Von der Steigerung sind insbesondere Hausbesitzer in Baden-Württemberg und Hessen betroffen, hier würden die Kosten in einigen Fällen sogar um mehrere tausend Euro steigen.

Als der damalige Finanzminister und heutige Bundeskanzler Olaf Scholz die Grundsteuerreform 2019 auf den Weg brachte, beschrieb er diese als „aufkommensneutral“. Einige Immobilieneigentümer würden mehr bezahlen müssen, andere weniger. Von einer Aufkommensneu tralität kann heute keine Rede mehr sein: Viele Kommunen sind aufgrund ihrer finanziell desaströsen Lage gezwungen, die Grundsteuersätze anzuheben. In etlichen Städten und Gemeinden wurden die neuen Bescheide aber noch nicht verschickt, da die Berechnungen noch laufen. Haus & Grund-Präsident Kai Warnecke rät daher: Sofern Grundstücksbesitzer noch keinen neuen Bescheid erhalten haben, sollten sie vorerst keine Grundsteuer zahlen. Rechtsexperten beurteilen die Situation hingegen anders. Eine einseitige Einstellung der Zahlung berge Risiken, da rechtliche Schritte eingeleitet werden könnten.

Tag der Beteiligungsverwaltung 2025 12.–13. Februar 2025 Hamburg www.beteiligungsverwaltung.org

Die Digitalisierung in Deutschland ist je nach Bundesland und auch Kommune unterschiedlich weit vorangeschritten. Mancher von den weiter vorne liegenden Kommunen könnte sich da fragen, wozu es überhaupt das OZG braucht, wenn wir zum Teil schon weiter sind, als es das Gesetz vorgibt? Die Antwort auf diese Frage gibt Eckhard Riege, Berater für digitale Verwaltungstransformation und Changemanagement für das Ministerium für Inneres, Bau und Digitalisierung in Mecklenburg-Vorpommern, auf dem Kongress Digitale Verwaltung Rheinland-Pfalz: Das Gesetz sei weniger für die gedacht, die die Anforderungen bereits erfüllt haben. Vielmehr bringe das OZG Verpflichtungen mit sich und zwinge auch diejenigen Bundesländer und Kommunen, die vielleicht noch nicht ganz so weit fortgeschritten seien, dazu, einen gewissen Grad der Digitalisierung zu erreichen. Dabei habe sich gerade die kommunale Bereitschaft zum Digitalisieren bereits gewandelt – nicht zuletzt auch durch die kommunalen Spitzenverbände, wie Riege weiß. Nicht nur Pflichten, sondern auch Unterstützung

Doch gerade auf technischer und finanzieller Ebene sei es wichtig, die Kommunen zu unterstützen. Denn ein Grund, warum Kommunen unterschiedlich weit fortgeschritten seien in der Digitalisierung, seien die teils limitierten Haushaltsmittel. Eine Gemeinde müsse aber unabhängig von ihrem Haushalt zur Digitalisierung ihrer Behörden befähigt werden, erklärt Daniel Hoffmann, OZG-Landeskoordinator im Ministerium für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung von Rheinland-Pfalz. Dieser Ansatz berge auch Risiken. Denn in vielen

Wer sich mit dem Taststock oder dem Rollstuhl durch die Stadt bewegt, stößt schnell auf unüberwindbare Hürden. Auch für Hörgeschädigte oder kleinwüchsige Menschen wird ein Spaziergang schnell zum Spießrutenlauf. Eine unpassierbare Treppe vor dem Rathaus, fehlende Leitstreifen oder unzureichende akustische Signale: Viele Orte des sozialen und politischen Lebens schließen Teile der Bevölkerung immer noch aus. Gleichzeitig zwingen auch Klimawandel, Digitalisierung und demografischer Wandel die Kommunen zum Umdenken. Weit mehr als die Hälfte aller ausgestoßenen Treibhausgase stammen aus den Städten. Laut Gesamtverband der Versicherer sind über 300.000 Haushalte in Deutschland von Hochwasser bedroht.

„Ich habe meist kein Problem damit, nichts zu sehen. Aber oft damit, wie ich gesehen werde.“

Per Busch, Aktivist

Zur Lösung all dieser Probleme machen sich immer mehr Städte auf den Weg zur Smart City. Der Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) verleiht dieser Entwicklung neuen Auftrieb. Die Erwartungen könnten größer kaum sein: Barrieren und Klimarisiken identifizieren und überwinden, den CO 2-Ausstoß drastisch senken und eine nachhaltige und lebenswerte Stadt für alle Menschen schaffen. Wie all das tatsächlich gelingen kann, war Gegenstand vielfältiger

Digitale Infrastruktur verbessern

Welchen Nutzen bringt das OZG für Kommunen?

(BS/Scarlett Lüsser) Damit die deutsche Bürokratielandschaft schlanker und sowohl für Unternehmen als auch Bürgerinnen und Bürger wieder attraktiver wird, muss die Digitalisierung vorangetrieben werden. Dabei helfen soll das Onlinezugangsgesetz (OZG), welches Mitte des letzten Jahres als OZG 2.0 in die zweite Runde ging.

Standards und Rahmenbedingungen seien wichtig zur Orientierung, meint Gregor Schumann. Eckhard Riege, Markus Schuster, Gregor Schumann, Shayan Beland und Daniel Hoffmann diskutierten auf Digitale Verwaltung Rheinland-Pfalz 2024 (v. l. n. r.). Foto: BS/Lüsser

Fällen würden Gemeinden mit dem Grundsatz „Es darf nichts kosten“ an die Sache herangehen und überließen es dann häufig Bund und Ländern. Die Lösungen, die dabei meist entstünden, seien zwar rechtlich abgesichert, jedoch häufig auch komplexer, als es die Kommunen bräuchten. Die Alternative sei, dass Kommunen doch selbst Geld in die Hand nähmen und speziell zugeschnittene Lösungen in Auftrag gäben, meint Markus Schuster, der Leiter des Vertriebs von intarsys. Hinzu komme bei den kostenfreien Lösungen, dass mit zunehmender Nutzerzahl auch umso mehr Themen und Änderungswünsche aufkämen. Gerade dann müsse aber auch das Feedback ernst genom-

men und im Zweifel nachjustiert werden, ist sich Gregor Schumann IT-Projektleiter bei der brain-SCC GmbH, sicher. Dabei sei eine kurze, aber fehlerfreie Kommunikation mit allen Beteiligten, also auch den Kommunen, besonders wichtig.

„Digitalisierung ist ein Katalysator, um den modernen Staat nach vorn zu bringen.“

Eckhard Riege, Berater des Innenministeriums MecklenburgVorpommern

Jedoch habe der jährliche Trendreport von Prognos und dem Behörden Spiegel ergeben, dass weder das ursprüngliche OZG noch das nun erweiterte OZG-Änderungsgesetz die Verwaltung digital machten. Dazu brauche es die Registermodernisierung, wie Shayan Beland, Berater bei Prognos, erklärt. Zusätzlich brauche es auch eine größere Öffentlichkeitsarbeit, denn man könne noch so gut entwickelte Anwendungen haben – wenn die Bürger davon nichts wüssten, könne auch keine Wirkung erzielt werden. Ein gutes Beispiel sei hier die während bzw. nach der Corona-Zeit ausgerufene Einmalauszahlung an Studierende, die online beantragt werden musste. Durch dieses Ver-

Barrieren in Städten und Köpfen einreißen

Wie die Smart City Inklusion und Nachhaltigkeit vorantreibt

(BS/Julian Faber) Rund drei Viertel der Deutschen leben in Städten, neun Prozent sind körperlich beeinträchtigt. Wie innovative Konzepte durch den Abbau von Barrieren tatsächlich allen Menschen mehr Lebensqualität ermöglichen, war Thema der Regionalkonferenz der Modellprojekte Smart Cities in Kassel.

Debattieren über den Weg zur Barrierefreiheit: Thomas Krämer, Susanne Kruchen, Moderatorin Antje Grobe, Ralf Schüle und Carsten Mauritz (v. l.). Foto: BS/Faber

Vorträge und Workshops. Bereits zum 18. Mal hatte die Regionalkonferenz ihre Teilnehmenden zum Erfahrungsaustausch eingeladen. Gastgeber Kassel gilt als Vorreiter: Bereits seit 2018 auf dem Weg zur Smart City, hat die Stadt die Strategiephase 2023 abgeschlossen. Nun setzt sie bis voraussichtlich 2028 konkrete Maßnahmen zur barrierefreien Smart City um. Am Anfang stand ein umfassender Beteiligungsprozess durch einen Bürgerrat. Und auch danach werden Bürgerinnen und Bürger umfassend eingebunden, beispielsweise in Form des Systems „Fairlane“, das die Meldung bestehender Barrieren ermöglicht. Das „Smart Age Mobil“ und die „Social Service Spots“ informieren zusätzlich über neue digitale Angebote und laden generationsübergreifend zum Ausprobieren ein. „Im Kern geht es

darum, die Bedürfnisse der Stadtgesellschaft als Ausgangspunkt aller Überlegungen beim Einsatz neuer Technologien zu sehen“, so der Kasseler Sozialdezernent Norbert Wett. Digitalisierung sei „kein Selbstzweck, sondern ein Instrument zur sozialen Teilhabe“.

Betroffenenkompetenz stärkt Stadtentwicklung

Dabei gilt es auch Menschen mit Behinderungen in die Gestaltung der Smart City einzubeziehen, um nicht nur Barrieren in der Stadt, sondern auch in den Köpfen der Menschen abzubauen. „Ich habe meist kein Problem damit, nichts zu sehen. Aber oft damit, wie ich gesehen werde“, erklärt der blinde Aktivist Per Busch Die physischen Lösungen zur Barrierefreiheit müssten so vielfältig sein wie die Einschränkungen

fahren hätten sich die Begünstigten zusätzlich mit der Anmeldung für das Portal und der Online-Ausweisfunktion beschäftigen müssen, wodurch auch die Nutzung in diesen Bereichen gesteigert worden sei.

Das OZG treibt nicht nur die Digitalisierung voran

Auch Hoffmann ist der Ansicht, dass die Registermodernisierung ein entscheidender Teil der Verwaltungsdigitalisierung ist. Denn die damit einhergehende Prozessstandardisierung hänge auch mit Wirtschaftsfaktoren und der Attraktivität von Deutschland als Standort zusammen. Daraus lasse sich für Kommunen ableiten, dass die Gemeinden, die digital weiter fortgeschritten seien, auch wirtschaftlich für Firmen attraktiver seien. Die Ansicht teilt auch Riege, für den „Digitalisierung ein Katalysator [ist], um den modernen Staat nach vorn zu bringen“. Denn in seinen Augen ist das schwächste Glied in der Verwaltung der Mensch. Ihm fehle der Überblick über die Flut von Daten und gerade hier könne lernende KI eine qualitative Verbesserung in der Arbeitsleistung der Mitarbeitenden erzielen. Auch das sei eine Chance, denn wenn man den Bürgern transparent zeige, was schon möglich sei, könne man „unsere Demokratie durch die moderne Verwaltung retten“, ist Riege überzeugt. Denn für ihn ist die Verwaltung ein „Kreativtempel“ in dem man vieles ausprobieren könne. Insgesamt sei die Digitalisierung der Verwaltung natürlich eine Mammutaufgabe, doch wenn man mit kleinen Prozessen anfange, könnten diese eine große Hebelwirkung entwickeln, erklärt Schuster. Denn „wenn man vom Kleinen ins Große geht, macht auch die Umsetzung weniger Angst“.

In Bochum ermöglicht der digitale Zwilling der Innenstadt umfassende Hochwassersimulationen und zielgerichtete Gegenmaßnahmen.

selbst: Ein Patentrezept gebe es nicht, so Ralf Schüle vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung. Auch brauche es mehr Mut zur Fehlerkultur: Viele Projekte würden allein aus Angst, etwas falsch zu machen, nicht aufgesetzt. Dabei seien auch diese Erfahrungen unerlässlich, um die beste Lösung für alle zu identifizieren – jedenfalls dort, wo nicht bereits Best Practices aus anderen Kommunen existieren. Denn die Erfolgsbeispiele sind zahlreich: Derzeit fördert die Bundesregierung 73 Modellprojekte zur Smart City in Deutschland, ein Großteil davon setzt auf KI: In Wuppertal steuert sie Ampeln, in Hamburg unterstützt sie die Badeaufsicht und in der Verwaltung kann sie Antragsprozesse deutlich beschleunigen. In verschiedenen Städten werden leerstehende Räumlichkeiten durch Smart-City-Teams und vielfältige Angebote zur Digitalisierung wiederbelebt. Regensburg verfügt über eine barrierefreie Route für den Besuch kultureller Angebote und Sehenswürdigkeiten. Auch immer mehr öffentliche Innenräume verfügen über barrierefreie Leitsysteme. Die Idee des digitalen Zwillings indes – eine digitale Repräsentanz existierender Objekte – verspricht, Infrastruktur effizienter instand zu halten und Bürgerbeteiligung an der Stadtplanung mit evidenzbasierten Verwaltungsmaßnahmen zusammenzuführen.

Funktionalität schafft Akzeptanz Strittig ist jedoch, ob digitale Lösungen analoge Angebote ergänzen oder vielmehr ersetzten sollten. Einige befürchten, ältere Menschen könnten nachhaltig abgehängt werden, würden Alternativen zur Digitalisierung entfallen. Schüle verweist indes auf die Notwendigkeit von Beratungsangeboten, um digitale Kompetenzen zu fördern: „Auch Rentner, die vor wenigen Jahren noch skeptisch waren, wollen ihr Smartphone heute nicht mehr aus der Hand geben. Warum sollte das bei künftigen digitalen Anwendungen anders sein?“ Die Akzeptanz neuer Technologien hänge letztlich davon ab, ob sie zur Lösung bestehender Probleme beitrügen und dadurch das Leben für alle leichter machten. Dass die vielfältigen Angebote der Smart City diese Erwartungen erfüllen können, daran zweifelt an diesem Tag niemand. Brücken statt Barrieren Das Konzept der Smart City ist dabei längst nicht mehr nur auf die großen Metropolen beschränkt: Die Förderprogramme kommen auch zahlreichen mittelgroßen und 26 Städten mit unter 100.000 Einwohnern zugute. Projektträger Michael Huch betont die Bedeutung des Übergangs von der Konzeption zur konkreten Umsetzung: „Die ersten drei Jahre haben wir nur gewartet. Wir sind froh, dass wir diese Lösungen nun endlich in der Praxis sehen. Smart Cities bauen Brücken statt Barrieren – für eine inklusive, nachhaltige und lebenswerte Zukunft, in der jeder seinen

Drei Unfallopfer, die eines gemeinsam haben: Sie sind alle völlig unverschuldet aus dem Leben gerissen worden – infolge verbotener Kraftfahrzeugrennen. Dieses gefährliche Verkehrsphänomen hatte in Köln bis zu diesem Zeitpunkt keiner auf dem Schirm. An die Präsenz junger Männer zwischen 18 und 35 Jahren, häufig mit Migrationshintergrund, die ihre aufgemotzten Karren auf den Kölner Ringen präsentieren, hatte man sich seit Jahren gewöhnt. Es entstand der Eindruck, dass in Köln eine Raser-Szene entstanden war, deren Anhänger durch ihre verkehrsgefährdende und rücksichtslose Fahrweise eine Gefahr für unbeteiligte Dritte darstellte.

Gründung der BAO Rennen

Sowohl der eingangs erwähnte tödliche Verkehrsunfall in KölnDeutz als auch die Frage zu den Hotspots stellten den initialen Punkt zur Einrichtung einer BAO Rennen im Jahr 2015 dar. Ziel war es, die im Zusammenhang mit diesem Verkehrsphänomen stehenden Straftaten und Ordnungswidrigkeiten wirkungsvoll zu bekämpfen und die Raser-Szene aus dem Dunkelfeld zu holen. Eine der Herausforderungen für die Kölner Polizei bestand darin, dass das Phänomen neu war und sich die Einsatzkräfte dieser „BAO Rennen“ umfassende Szenenerkenntnisse und Fachwissen aneignen mussten. In enger Zusammenarbeit mit der Justiz etablierten die Behörden über Jahre ein Verfahren mit dem Ziel, dass Pkw-Fahrer für ihr rücksichtsloses Handeln jederzeit mit der Sicherstellung ihrer Handys, Fahrzeuge und Führerscheine rechnen müssen.

Eine temporäre Bekämpfung der illegalen Szene reichte nicht aus, sodass dauerhafte Maßnahmen erforderlich waren. Es erfolgte eine Umstrukturierung der Polizei Köln von der BAO Rennen in das Projekt Rennen, welches bei konstanten Erfolgen des SpezialistenTeams auf den Kölner Ringen ein entsprechendes Medienecho nach sich zog. Das Projekt Rennen war so präsent, dass der damalige Leiter

In Ludwigsburg startete im Juni 2021 das Förderprojekt „Sicherheit im Ludwigsburger Bahnhofsviertel“ (SiLBer), in dessen Rahmen die Sicherheit im Ludwigsburger Bahnhofsumfeld untersucht wurde und unter Bürgerbeteiligung Ideen und Konzepte zur Verbesserung des Sicherheitsgefühls rund um den Bahnhof erarbeitet wurden. Dabei profitierten die Projektleiter von den Erfahrungen, die man zuvor im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekts „Sicherheit im Bahnhofsviertel“ (SiBa) in Düsseldorf, Leipzig und München sammeln konnte. Aufgrund der Begebenheiten vor Ort nahm dabei das Motiv der Belebung in Ludwigsburg einen hohen Stellenwert ein.

SIBA-Verbundkoordinatorin Prof. Dr. Rita Haverkamp macht explizit auf den SiBa-Werkzeugkasten aufmerksam, der als Grundlage für das SiLBer-Konzept dient. Neben Hinweisen zur Konzeption und Implementation von kommunaler Kriminalprävention sind in diesem auch mehr als 230 Präventionsmaßnahmen aus verschiedenen Handlungsfeldern enthalten. Befragungen zum Sicherheitsgefühl der Einwohner der beteiligten Städte zeigten, dass diese sich im Vergleich zu ihrem Wohngebiet im Bahnhofsviertel durchweg unsicherer fühlen. Als Hauptgründe hat man neben der grundlegenden

Rasante Ermittlungen

Erfolgreiches Vorgehen erfordert gemeinsames Handeln

(BS/Atilla Mutlu) Ein 19 Jahre alter Autofahrer missachtet in der Nacht zum 26. März 2015 eine rote Ampel an der Kreuzung Aachener Straße Brüsseler Straße. Er ist zu schnell und kollidiert mit einem Taxi. Wenige Wochen später erschüttert ein weiterer Unfall in Köln-Deutz die Bevölkerung: Eine 19-Jährige Radfahrerin wird auf einem Gehweg von einem schleudernden Pkw erfasst, dessen Fahrer die Kontrolle verloren hat. Im Juli desselben Jahres überschlägt sich ein Mietwagen auf einer stark frequentierten innerstädtischen Straße und erfasst einen an einer Ampel wartenden 16-Jährigen Studenten.

In der Raser-Szene messen sich die vornehmlich jungen Männer mit ihren getunten Fahrzeugen. Welche Gefahr sie dabei für den öffentlichen Verkehr und unbeteiligte Passanten darstellen, scheinen sie dabei komplett auszublenden. Mit dem Einsatztrupp Verkehr versucht die Kölner Polizei, diesem Phänomen entgegenzuwirken.

Rainer Fuchs im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens 2017 zum neu eingeführten § 315 d StGB nach Berlin zur Expertenbefragung in den Bundestag eingeladen wurde. Durch die Gesetzesänderung deckte die Expertengruppe immer mehr gleich gelagerte Straftaten im Kölner Bereich auf. Schnell war klar: Lässt der Kontrolldruck nach, steigen die Probleme mit der Raser-Szene erneut stark an. Um Herausforderungen gerecht zu werden und gezielter agieren zu können, wurde das Projekt im September 2019 in eine eigene Dienststelle der Direktion Verkehr umgewandelt. Der Einsatztrupp (ET) Verkehr ist die einzige Dienststelle dieser Art in NRW und der Grundbaustein für wirksames Handeln gegen die Raser-Szene. Neben der Bekämpfung und Verfolgung verbotener Kraftfahrzeug-

rennen und der damit im Zusammenhang stehenden Straftaten und Ordnungswidrigkeiten ist die Überprüfung technisch veränderter Fahrzeuge und ggf. deren Sicherstellung beim Verdacht des Erlöschens der Betriebserlaubnis eine der Kernaufgaben des ET Verkehr. Es beginnt beim Posing Bei dem sogenannten Car-Posing ist es das Ziel, möglichst viel Aufmerksamkeit auf sich und die Fahrzeuge zu lenken. Fahrtstrecken führen häufig durch Innenstädte mit entsprechendem Publikum. Um die aufgemotzten Fahrzeuge noch eindrucksvoller zu machen, werden gerne Manipulationen vorgenommen. Neben der Akustik spielt die veränderte Optik eine große Rolle. Zubehörteile werden günstig in Onlineshops aus Fernost gekauft und verfügen nicht über die nötige

Foto: Konstantin/stock.adobe.com

europäische Typengenehmigung. Sie sind nicht für den öffentlichen Verkehr zugelassen, ihr Einbau ist daher illegal. Technisch veränderte Fahrzeuge stellen eine große Gefahr dar. Neben Veränderungen am Fahrwerk mit nicht serienmäßigen Rad-Reifen-Kombinationen sind Leistungssteigerungen von Motoren ein beliebtes Mittel, um Fahrzeuge sportlicher zu machen. Anstelle von „Chiptuning“ wird immer häufiger auf günstigere und softwarebasierte Tuningformen gesetzt.

Bei derartigen Feststellungen ist ein gerichtsverwertbares Gutachten einer technischen Prüforganisation unabdingbar.

Bei illegaler Steigerung der Motorleistung ändert sich unter anderem auch das Beschleunigungsverhalten. Für sämtliche Verkehrsteilnehmer werden die ohnehin schon

Sicherheit durch Belebung

Die Stadt Ludwigsburg möchte das Bahnhofsumfeld attraktiver gestalten

(BS/Lars Mahnke) Im Bereich von Bahnhöfen und deren Umfeld fühlen sich Menschen besonders unsicher. Um das subjektive Sicherheitsgefühl zu erhöhen, haben in den letzten Jahren Kommunen in ganz Deutschland verschiedene Ansätze verfolgt, um die Sicherheit rund um die Bahnhöfe zu steigern.

Mit Pioniernutzungen konnte das Franck-Areal in der Zeit bis zur Umsetzung des Plans zur Umwandlung zum urban-kreativen Stadtquartier bereits wiederbelebt werden.

(Un-)Familiarität die Anonymität und hohe Fluktuation sowie Unbelebtheit bei Nacht ausgemacht.

Pendlerströme koordinieren Eine besondere Herausforderung stellen in Ludwigsburg die baulich bedingten Engpässe im und am Bahnhof dar. Da Ludwigsburg bis 2030 zu einer Mobilitätsdrehscheibe ausgebaut und die Fahrgastzahlen im Zuge dessen erwartbar verdoppelt werden sollen, kommt der Koordination der Fahrgäste im und um den Bahnhof daher eine gesteigerte Bedeutung zu. In

Foto: BS/Stadt Ludwigsburg

Ludwigsburg kommt in Bezug auf eine Umgestaltung erschwerend hinzu, dass der Bahnhof nicht der Deutschen Bahn, sondern einem Investor gehört. Leitsysteme können daher nur mit Zustimmung des Investors installiert werden, die Barrierefreiheit ist nicht gegeben und aufgrund eines Mangels an Wachpersonal kommt es immer wieder zu Sachbeschädigungen. Zudem ist die Drogenszene im Bahnhofsumfeld sehr präsent, Hilfseinrichtungen wie beispielsweise eine Bahnhofsmission fehlen gänzlich. Die allgemeine Enge im

hochmotorisierten Fahrzeuge zu einem nicht kalkulierbaren Risikofaktor, wenn sich die vorwiegend jungen Fahrer mit Gleichgesinnten Beschleunigungsduelle von Ampel zu Ampel liefern. Die Bekämpfung dieser verbotenen Kraftfahrzeugrennen hat für den Einsatztrupp Verkehr und für die Polizei Köln nach wie vor hohe Priorität.

Aufeinander abgestimmte Maßnahmen

Der aus zwölf Personen bestehende ET Verkehr ist überwiegend zu den einsatzrelevanten Zeiten in den Abend- und Nachtstunden und an Wochenenden in und um Köln herum im Einsatz. Dabei klärt er bekannte Hotspots auf und dokumentiert seine Feststellungen. Anlassbezogen kontrollieren die Einsatzkräfte Fahrzeuge und Personen entweder öffentlichkeitswirksam an den neuralgischen Punkten oder abgesetzt, weit weg vom großen Trubel. Ergänzt werden die operativen Maßnahmen durch zusätzliche gezielte Geschwindigkeitsüberwachungen zusammen mit dem Verkehrsdienst. Fakt ist, dass die Bekämpfung verbotener Kraftfahrzeugrennen ein gemeinsames Handeln von Polizei, Kommunen und der Gesellschaft erfordert, um sowohl die Sicherheit im Straßenverkehr zu gewährleisten als auch das Bewusstsein für Gefahren zu schärfen. Das Zusammenspiel zwischen repressiven, präventiven und öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen ist hierbei der Schlüssel zum Erfolg!

Polizeihauptkommissar Atilla Mutlu ist 47 Jahre alt und seit dem Jahr 2021 beim Einsatztrupp (ET) Verkehr bei der Polizei. Er war zwei Jahre als Wachdienstführer bei der Autobahnpolizei, zehn Jahre im Streifendienst (davon drei als Motorradpolizist) in der Kölner Innenstadt und drei Jahre im Wachund Wechseldienst auf der Wache in Köln-Porz tätig.

Foto: BS/Polizei Köln, Carsten Rust

Stadt Ludwigsburg zu Teilen aufgekauft wurde. Um zu verhindern, dass aus der Brache ein neuer innerstädtischer Kriminalitätsbrennpunkt entsteht, sollte die Belebung als Mittel dienen. Ziel war es, das subjektive Sicherheitsgefühl zu steigern und die informelle soziale Kontrolle zu erhöhen.

gesamten Bahnhofsbereich wurde bei einer virtuellen Bürgerbeteiligung als einer der Hauptfaktoren für das Empfinden von Unwohlsein im Bahnhofsbereich genannt. Ebenso nannten die Teilnehmer eine „unangenehme Klientel“, die „Schmuddeligkeit“ und die allgemeine „Unübersichtlichkeit“ als Faktoren. Als Wohlfühlorte wurden hingegen die angrenzenden Cafés, die für Belebtheit, Helligkeit und eine gewisse Infrastruktur sorgen, genannt. Auch die negative Berichterstattung der Presse, die zum Teil negative Ereignisse, die gar nicht in Bahnhofsnähe stattfanden, in das Viertel „hineinverlegte“, sorgte für ein negatives Image. Die Verkehrssituation auf dem Bahnhofsvorplatz, auf dem Busse, Taxen und Fußgänger um Raum konkurrieren trägt zusätzlich zum Negativbild des Bahnhofsumelds bei.

Wandel des Franck-Areals Im Mittelpunkt des Projekts SiLBer stand das Franck-Areal, eine direkt an den Bahnhof angrenzende Industriebrache, die 2018 aufgegeben wurde und in der Folge von der

Das Frank-Areal wurde somit unter dem Leitsatz „Sicherheit durch Belebung“ für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht und mit verschiedenen Veranstaltungen für die Sommermonate zu einem kulturellen Anziehungspunkt für die Bürgerinnen und Bürger umgewandelt. Besonders gefiel den Bürgern, dass man an zentraler Stelle nach der Arbeit kulturelle Angebote wie Live-Musik, Kunstausstellungen oder auch Clubs und Restaurants wahrnehmen konnte.

Dem SiBa-Werkzeugkasten folgend versuchte man, das Sicherheitsempfinden der Besucher zu steigern und ergriff Image- und Kommunikationsmaßnahmen, um ein positiveres Image in der Öffentlichkeit zu erreichen. Ganz bewusst verzichtete die Stadt Ludwigsburg auf einen repressiven Weg und ging mit der Einrichtung der Experimentierfläche einen „spielerischen“ Weg unter Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger. Inzwischen wurde die unter dem Namen „ZwischenZeit“ firmierende Umnutzung bis 2027 verlängert.

Digitaler Staat

G

Zwillingsstandards

(BS/Christian Brecht) Unsere Städte sind hochkomplexe Organismen. Ihre Transformation zu Smart Citys, die den strukturellen und ökologischen Herausforderungen der Zukunft gewachsen sein müssen, ist ohne digitale Abbilder kaum denkbar: die digitalen Zwillinge. Damit Deutschlands Städte die technologischen Elemente ihrer virtuellen Kopien voneinander nutzen können, braucht es offene Schnittstellen und Standards.

eografisch, sprachlich, kulinarisch: Zwischen Hamburg und München gibt es traditionell große Unterschiede. Was ihren Digitalisierungsgrad angeht, sind sich die Nord- und die Südmetropole allerdings ähnlich. So liefern sie sich beispielsweise ein jährliches Kopf-an-Kopf-Rennen um die Spitzenposition beim Smart City-Index des Bitkom. In Zukunft könnten sich die beiden Städte digital noch mehr angleichen: Gemeinsam mit der dritten Partnerstadt Leipzig wurde das Projekt Connected Urban Twins (CUT) ins Leben gerufen. Dessen Ziel: die Erarbeitung und Etablierung von Standards für digitale Zwillinge.

32 Millionen Euro Förderung

Das Projekt wird im Rahmen des zweiten Förderaufrufs des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) mit 21 Millionen Euro Bundesmitteln gefördert. Diese werden durch rund elf Millionen Euro ergänzt, die die drei Partnerstädte gemeinsam einbringen. Die Förderung der Modellprojekte erfolgt über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Unterstützt wird das CUTProjekt von der "Koordinierungsund Transferstelle Modellprojekte Smart Cities" (KTS), die die Vernetzung und den Wissensaustausch der Modellprojekte untereinander fördert.

Souveränität stärken

Mit über 40 Expertinnen und Experten aus Kommunen und Verbänden, aus Wissenschaft und Wirtschaft entwickeln die CUTMitarbeitenden Empfehlungen und Standards für den Einsatz von digitalen Zwillingen in städtischen Kontexten. Offene Standards seien

„essenziell, um die Souveränität der Städte und Kommunen bei der Entwicklung von Smart-City-Lösungen zu stärken“, erklärt die Gesamtprojektleiterin Dr. Nora Reinecke vom Amt für IT und Digitalisierung der Senatskanzlei Hamburg. Durch diese Standards könnten Städte autark mit Wirtschaftsunternehmen agieren. Zudem erleichterten technische Standards die interkommunale Zusammenarbeit und somit die Übertragbarkeit entwickelter Lösungen in andere Städte und Kommunen, führt Reinecke weiter aus.

„Offene

Standards lassen Städte unabhängiger von Unternehmen agieren.“

Dr. Nora Reinecke, Gesamtprojektleiterin CUT

Vereinte Kräfte

In Hamburg sind neben der Senatskanzlei unter anderem die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen, aber auch der IT-Dienstleister Dataport an Bord des Projekts. In Leipzig beteiligen sich neben dem Referat Digitale Stadt unter anderem die Ämter für Geoinformation und Bodenordnung, für Statistik und Wahlen sowie für Stadtplanung. In München verteilt sich die Projektarbeit auf gleich drei Referate: das ITReferat, das Kommunalreferat und das Referat für Stadtplanung und Bauordnung. Auch die renommierte

Technische Universität (TU) München ist dabei. Das oft geforderte Zusammenspiel aus kommunalen Strukturen, Wissenschaft und Wirtschaft ist im Rahmen der Connected Urban Twins gelebte Realität. Das ist nur logisch, denn das Konzept urbaner digitaler Zwillinge umfasst alle digitalen Ressourcen einer Kommune.

Erst spezifizieren, dann normieren Das Projekt CUT entwickelt die urbanen Zwillingsstandards in Kooperation mit dem Deutschen Institut für Normierung e.V. (DIN) – allerdings zunächst nicht in Form der weitgehend bekannten DIN-Norm, sondern als DIN SPEC (SPEC für das englische „specification“). Wird die DIN-Norm gewählt, wenn Ergebnisse eine breite öffentliche Legitimation benötigen und entsprechend Zeit brauchen, kann die DIN SPEC unbürokratischer und schneller erreicht werden. Oftmals dient eine SPEC als Basis für eine spätere Norm.

Das Team von CUT hat den Standard DIN SPEC 91607 „Digitale Zwillinge für Städte und Kommunen“ initiiert und mit weiteren Akteuren gemeinsam entwickelt. Auch hierbei zeigt sich übrigens die offene, städteübergreifende Arbeitskultur, denn die Projektleitung wurde von Joachim Schonowski, Senior Management Consultant der Stadtwerke Lübeck, übernommen.

Klimaschutz und Bürgerbeteiligung

Digitale Zwillinge und deren Standardisierung können sich positiv auf viele urbane Unterkategorien auswirken. Eine Basis bei der Übertragung digitaler Zwillinge bildet – wie der Name schon sagt –der Geobasiszwilling. Hiermit wird unter anderem ein „einheitlicher

Raumbezug“ hergestellt, sodass Analyse- und Simulationsergebnisse zwischen den Städten und Kommunen vergleichbar werden, erläutert Reinecke

„Der Geobasiszwilling macht Ergebnisse zwischen den Kommunen vergleichbar.“

Dr. Nora Reinecke, Gesamtprojektleiterin CUT

Ein essenzielles Nutzungsszenario ist in Städten die Verkehrsplanung, bei der Verkehrsflüsse und Routenplanung unter Einbeziehung von Echtzeitdaten optimiert werden können. Ein weiterer wichtiger Anwendungsfall betrifft den Klimaschutz. Dieser kann durch den Einsatz von Datenanalysen verbessert werden und hängt mit einem Folgepunkt zusammen: der Entwicklung von besserem Energie- und Ressourcenmanagement sowie von mehr Energieeffizienz auf Quartiersebene. Durch die 3DVisualisierung von Bauvorhaben können digitale Zwillinge zudem Entscheidungsprozesse transparenter gestalten. In diesem Kontext ist mehr Bürgerbeteiligung ein Ziel von digitalen Zwillingen und Projekten wie CUT: Bürgerinnen und Bürger können Stadtentwicklung in Echtzeit verfolgen, Bauprojekte besser verstehen und beurteilen, direktes Feedback geben und Verbesserungsvorschläge machen. Im

Idealfall machen digitale Zwillingsstandards unsere Städte somit verkehrsberuhigter, klimafreundlicher und demokratischer.

Auf dem Weg zur Norm Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligung funktioniert heutzutage durch digitale Beteiligungsinstrumente. Ein solches ist das Open-SourceTool DIPAS (Digitales Partizipationssystem), das Reinecke zufolge auf „herstellerunabhängige Module und Standards“ setzt und besonders gut replizierbar sei, also leicht in andere Städte und Gemeinden übertragen werden könne. Dasselbe gelte für das sogenannte Masterportal, ein Open-Source-Geoportal, auf dem die dreidimensionale Stadtplanung basiert.

Generell sei das CUT-Projekt von städteübergreifendem Wissenstransfer gekennzeichnet, so die Diplom-Geografin Reinecke. Daher arbeite das CUT-Team an weiteren Standards wie der DIN SPEC 91377 „Datenmodelle und Protokolle in offenen urbanen Datenplattformen“. Bei diesem Projekt würden „die technischen Komponenten der urbanen Datenplattformen und digitalen Zwillinge weiterentwickelt und als Open-Source-Lösungen über die Plattform Open CoDe zur Verfügung gestellt“.

Ein anderer Standard ist schon weiter: Das „Referenzarchitekturmodell Offene Urbane Plattform“ (DIN SPEC 91357), eine Referenzarchitektur in Form eines kubischen Schichtenmodells. Dieses wird derzeit durch den thematisch passenden Normenausschuss Informationstechnik und Anwendungen (NIA) in eine Norm überführt. Stück für Stück werden die digitalen Zwillinge für Deutschland schon jetzt vom Modell zum Standard.

Die Risikobewertung ist in den Artikeln 34 und 35 des DSA festgelegt. Sie gibt vor, dass sehr große Online-Plattformen (mit mindestens 45 Millionen Nutzenden in der EU pro Monat) „systemische Risiken“ in ihren Diensten analysieren und in Form eines Berichts an die EU-Kommission liefern müssen. Diese Plattformen und Suchmaschinen sind einschlägig bekannte globale Konzerne und deren Dienste, darunter Google, Facebook, TikTok, Amazon und X.

Die Kommission bekam deren Risikoberichte bereits im August 2023 vorgelegt. Ein Jahr später, im August 2024, folgten die entsprechenden Audit-Berichte, welche die Ergebnisse der Risikobewertungen zusammenfassen. Abermals drei Monate später, also seit November 2024, sind die Berichte für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie zivilgesellschaftliche Organisationen einsehbar.

Veraltet und oberflächlich

Die gemeinnützige Organisation Algorithmwatch hat laut eigener Aussage bislang acht Berichte geprüft und kommt zu dem Ergebnis, die Inhalte seien „veraltet“, da sie sich auf das Jahr 2023 bezögen. Algorithmwatch bezeichnet die Berichte zudem als „oberflächlich und vage“. Auch sei unklar, ob von Risiken betroffene User-Gruppen miteinbezogen worden seien, wie es der DSA vorschreibe. „Die ersten Risikoberichte suggerieren, dass auf den Plattformen alles in Ordnung ist“, fasst Clara Helming, Policy Managerin bei Algorithmwatch, zusammen. Eine Aussage, die wiederum das Gegenteil suggeriert. Der unabhängige Digitalexperte Alexander Hohfeld hat mithilfe weiterer Fachleute eine erste Übersicht der Berichte erstellt. Das Prozedere der meisten Plattformen nennt er eine „Tick-Box-Übung“, wobei die Risiken einzelner Plattformelemen-

DSA-Risikoberichte veröffentlicht

Kritik an der fehlenden Transparenz der sehr großen Online-Plattformen

(BS/cb) Laut Digital Services Act (DSA) müssen die großen Online-Plattformen der EU-Kommission einmal jährlich eine Risikoanalyse ihrer Dienste vorlegen. Seit Kurzem sind diese Analyseberichte auch für die Öffentlichkeit einsehbar. Die ersten Reaktionen von Expertinnen und Experten fallen ernüchternd aus: Die Online-Riesen sehen auf ihren eigenen Plattformen kaum Risiken.

ist bei allen Luft nach oben. Foto: BS/Vergiliy, stock.adobe.com

Die vom chinesischen Konzern ByteDance betriebene Plattform sehe bei sich selbst nur zwei Risiken für die „psychische Gesundheit“ ihrer User: Hoaxes (scherzhafte Falschmeldungen) und gefährliche Challenges, die sich viral verbreiten und zur Nachahmung animieren. Laut Amnesty Tech geht TikTok allerdings nur auf die Inhalte der Plattform ein – nicht auf deren Design. Genau dieses kann vielen Studien zufolge jedoch süchtig machen.

Hochkomplexe Zusammenhänge Zum stark kommerziellen Charakter vieler TikTok-Videos, die schon minderjährige User zu Konsumenten erziehen und dadurch psychologisch negativen materiellen und sozialen Druck befeuern können, findet sich bislang nichts. Aspekte wie dieser sind selbstredend hochkomplex, enorm schwer zu analysieren und dürften von den besagten Unternehmen gerne ausgespart werden. „Bei der ersten Runde konnte man nicht so viel erwarten“, ordnet Hohfeld den ersten Schwung an Berichten ein. Diese seien „so breit und vage“ wie die DSA-Paragrafen selbst. In den kommenden Wochen und Monaten ist mit mehr Details aus den Berichten zu rechnen, da sich die Fachcommunity noch einliest. So oder so wird die EU die DSA-Anforderungen zukünftigkonsequent einfordern müssen.

te wie AGB oder Moderation durchgegangen und abgehakt würden.

„Eine tiefergreifende Analyse der algorithmischen Systeme“ sei das oft nicht, so Hohfeld

Inhalt bewertet, Form ausgespart

Artikel 42 Paragraf 5 DSA räumt den großen Online-Plattformen das Recht ein, Informationen in den öffentlichen Berichtsversionen zu schwärzen. Besonders das von Elon Musk geführte Netzwerk X

habe von dieser Option Gebrauch gemacht. Gleichwohl habe X seine eigene Sicherheit und Transparenz gelobt. Dem gegenüber steht der Audit-Bericht der Beratungsfirma FTI Consulting, der etwa die Moderationsbemühungen auf X eher negativ bewertet und laut dem Musks Unternehmen den Zugriff auf viele Dokumente verweigerte. Gemäß DSA sind Risiken wie die Verbreitung rechtswidriger Inhalte sowie nachteilige Auswirkungen

Raus aus der digitalen Abhängigkeit

Wie Deutschland digital souveräner werden kann

(BS/Dr. Reinhard Brandl) Deutschland ist digital abhängig. Beispielsweise kommen mehr als 90 Prozent der modernsten Chips heute aus Taiwan. Wenn diese Lieferkette einmal abreißt, dann kommt kein neuer Computer mehr in Deutschland an, dann läuft hierzulande kein Auto mehr vom Band.

Wie gefährlich derartige Abhängigkeiten sind, hat die Energiekrise im Zuge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine verdeutlicht. Auch funktionieren alle unsere Handys nur mit Betriebssystemen aus dem außereuropäischen Ausland. Somit sind wir auch bei den kleinen alltäglichen Anwendungen komplett abhängig.

Souverän nur im Stillstand

Die Ampel-Regierung hatte in den letzten drei Jahren mehrmals digitale Souveränität als Ziel ausgerufen. Es folgten aber nur unzureichende Taten. Um ein Beispiel zu nennen: Noch immer gibt die Bundesregierung den Löwenanteil der Mittel für die Verwaltung für proprietäre Software außereuropäischer Hersteller aus. Somit fördert und finanziert die Bundesregierung ihre eigene Abhängigkeit aus dem außereuropäischen Ausland sogar. Daher müssen wir dringend umsteuern.

Fünf Punkte für mehr digitale

Souveränität

Ich möchte unter anderem fünf Punkte vorschlagen, die mit als erstes angegangen werden sollten, um die digitale Souveränität Deutschlands entscheidend voranzubringen.

Punkt eins: Digitale Souveränität muss bei Beschaffungen für die

Verwaltungen von Bund, Ländern und Kommunen ein wichtiges Vergabekriterium werden. Gerade dort kommt es auf Geschwindigkeit und in bestimmten Fällen auch auf eine nationale Beschränkung des Anbieterkreises an. Dazu gehört auch eine wesentlich stärkere Nutzung von Art. 346 EUV. Gleichzeitig kann der Bund so das nationale Ökosystem für IT-Sicherheitslösungen stärken und den Aufbau deutscher und europäischer Unternehmen indirekt unterstützen.

Punkt zwei: Das Engagement Deutschlands in internationalen Standardisierungsgremien bei zukunftsrelevanten Themenbereichen wie KI und Quanten muss deutlich erhöht werden. Hier werden wesentliche Weichenstellungen auch für Wertschöpfungen in der Zukunft getroffen.

Punkt drei: Beim Datenschutz müssen wir wegkommen vom Prinzip der Datensparsamkeit hin zum Prinzip der Datensouveränität. Nur so haben wir genügend Zugriff auf den eigenen wichtigen „Rohstoff“ Daten für eigene Anwendungen der Zukunft.

Punkt vier: Wir wollen den Aufbau eines eigenen Satelliteninternets in Absprache mit unseren europäischen Partnern, um unsere Souveränität bei der digitalen Infrastruktur sicherzustellen. Dieses Satelliteninternet sollte in Zusam-

menarbeit mit der Privatwirtschaft entstehen. Hier soll nach dem Vorbild der USA (DARPA) über das Instrument der vorkommerziellen Beschaffung im Wettbewerb ein Technologiesprung erreicht werden. Adressat sind hier insbesondere junge Unternehmen und Ausgründungen aus den Forschungseinrichtungen.

Punkt fünf: Zur digitalen Souveränität gehört auch, dass wir importierte Produkte – vom digitalen Spielzeug aus China, das mit Kameras und Mikros ausgestattet ist, bis hin zu neuen Autos, die hier zugelassen werden – technologisch jederzeit überprüfen und gegebenenfalls in ihren Funktionen, auch was den Abfluss von Daten betrifft, beschränken können.

Dr. Reinhard Brandl MdB wurde am 1. August 1977 in Ingolstadt geboren. Seit 2009 ist er direkt gewählter Abgeordneter (CSU) für den Deutschen Bundestag im Wahlkreis Ingolstadt. In der 20. Legislaturperiode ist er der digitalpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Er ist Mitglied im Ausschuss für Digitales und im Verteidigungsausschuss. Foto: BS/privat

auf Grundrechte und Wahlprozesse von den Plattformen zu analysieren. Ob es Zufall ist, dass mit X ausgerechnet ein Netzwerk Informationen zurückhält, dass sich teilweise zum Sammelbecken für rechtsradikale Verschwörungsnarrative entwickelt hat, sei dahingestellt.

Psychische Gesundheit

Der Amnesty-International-Ableger Amnesty Tech hat sich mit dem Bericht von TikTok beschäftigt.

Genug Strom für Rechenzentren

EnEf-Gesetz wird über marktbasierten Ansatz erfüllt

(BS/ast) Aufgrund der Nutzung von Künstlicher Intelligenz und des Trainings entsprechender Modelle werde sich der Strombedarf von Rechenzentren in der EU bis 2030 mehr als verdreifachen, beruft sich die Unionsfraktion auf das Ergebnis einer McKinsey-Studie. In einer Kleinen Anfrage erkundigte sie sich nach dem künftigen Energiebedarf von Rechenzentren und der Einhaltung des Energieeffizienzgesetzes (EnEfG).

Heute sei noch nicht klar, wie viel Energie die Rechenzentren in Deutschland 2030 brauchen würden, schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort. Eine Studie des Borderstep-Instituts im Auftrag von Bitkom rechne mit Werten zwischen 25 und 35 Terawattstunden. Hingegen komme eine Abfrage aus dem Szenariorahmen Strom zu „vielfach höheren Energiebedarfen“.

In der Bilanz erneuerbar Das Energieeffizienzgesetz (EnEfG) ist im November 2023 in Kraft getreten. Es schreibt vor, dass Rechenzentren ihren Stromverbrauch ab 2024 zu 50 Prozent und ab 2027 zu 100 Prozent mit Strom aus Erneuerbaren Energien decken müssen – bilanziell zumindest. Wie die Bundesregierung erklärt, reiche es aus, den Strombezug nach dem marktbasierten Ansatz über den Erwerb entsprechender Zertifikate nachzuweisen. Daher könne die Anforderung des EnEfG nach Ansicht der Bundesregierung bis 2030 erfüllt werden. Sie geht sogar so weit zu sagen, dass die Bedarfsdeckung schon heute möglich wäre.

Doch der Strom muss nicht nur vorhanden sein, er muss die Rechenzentren auch erreichen können. Aus diesem Grund empfiehlt die Bundesregierung, potenzielle Standorte von Rechenzentren „möglichst frühzeitig“ in der Stromnetzplanung zu berücksichtigen. Im Netzentwicklungsplan werde der Stromverbrauch neuer Rechenzentren bereits heute mitgedacht. Das EnEfG sieht auch die Nutzung der riesigen Abwärmemengen von Rechenzentren vor. Rechenzentren, die ab dem 1. Juli 2026 den Betrieb aufnehmen, müssen zunächst zehn Prozent ihrer Abwärme abgeben. Ab 2028 sollen es dann 20 Prozent sein. Die Unionsfraktion wollte wissen, wie viele Rechenzentren eine Infrastruktur besitzen, die die Abwärmenutzung ermöglicht. Eine solche Übersicht liegt der Bundesregierung nach eigenen Angaben jedoch nicht vor.

Interne Nutzung zählt nicht Die interne Abwärmenutzung – zur Vorheizung der Notstromgeneratoren oder zum Beheizung der Bürogebäude – werde zudem nicht auf die erforderlichen 20 Prozent angerechnet. Dies begründe sich in der Definition der verwendeten Kennzahl „Energy Reuse Factor (ERF)“ als die „verbrauchte Energie für alternative Zwecke außerhalb der Begrenzung des Rechenzentrums“, so die Bundesregierung.

Die großen Online-Plattformen (VLOPs) liefern der EU quantitativ unterschiedliche Risikoberichte. Qualitativ

Die relevanten Aufbauanleitungen für die Verwaltungsdigitalisierung stellt die FITKO (Föderale IT-Kooperation) im Auftrag des IT-Planungsrats auf dem Föderalen Entwicklungsportal digital und übersichtlich zur Verfügung. Über docs.fitko.de finden Umsetzungsverantwortliche aus Bund, Ländern und Kommunen die technischen Dokumentationen, Entwicklungsressourcen und Leitfäden zu Produkten sowie Standards des IT-Planungsrats. Zudem sind Informationen zu öffentlichen Basisdiensten und IT-Komponenten der EU verfügbar. „Das Angebot des Föderalen Entwicklungsportals wächst kontinuierlich und soll perspektivisch alle relevanten Basiskomponenten der Verwaltungsdigitalisierung umfassen. Es richtet sich an alle IT-Expertinnen und -Experten, die Software im föderalen Kontext entwickeln und trägt dazu bei, wirksame IT-Lösungen für Unternehmen und Privatpersonen bereitzustellen“, erklärt Marco Holz, Architekt im Föderalen IT-Architekturmanagement der FITKO. Zunächst für das Produkt FIT-Connect gestartet, finden Nutzer heute Informationen zu weiteren Vorhaben des IT-Planungsrats wie den Produkten GovData, FIM oder DVDV, den EfA-Mindestanforderungen oder den Föderalen

Föderales Entwicklungsportal

Aufbauanleitung der Verwaltungsdigitalisierung

(BS/FITKO) Wer sich im Einrichtungshaus schon einmal einen Schrank gekauft hat, kennt die Situation: Wenige Stunden später steht das Möbelstück verpackt im Zimmer. Nach dem Öffnen geht der erste Blick in die Aufbauanleitung. Mit dieser entscheidet sich nicht nur, wie schnell der Schrank aufgebaut ist, sondern auch, ob am Ende alles sicher und stabil steht und sich die Schubladen sanft öffnen lassen. Mit der Verwaltungsdigitalisierung verhält es sich ähnlich: Digitalisierungsbeauftragte, Softwareentwickler und Programmierer können sich aus einer Palette von Produkten im digitalen Regal bedienen, beispielsweise um einen Online-Service zur Wohnsitzanmeldung bereitzustellen. Je verständlicher und aktueller die dazugehörige Dokumentation, desto schneller kann ein Online-Dienst in hoher Qualität entwickelt werden.

Architekturrichtlinien. Veröffentlichen dürfen auf dem Portal auch Unternehmen und Organisationen, die IT-Komponenten im zuvor genannten Kontext bereitstellen. Voraussetzung ist, dass keine Abhängigkeiten zu einzelnen Herstellern entstehen.

Das Föderale Entwicklungsportal bietet abhängig vom jeweiligen Thema Informationen auf unterschiedlichen Flughöhen: Einführende Videos unterstützen das bessere Verständnis von Produkten. API-Spezifikationen, Code-Schnipsel, die technische Beschreibung von Einbindungsprozessen oder der Anbindungskatalog von FITConnect erleichtern Entwicklern die praktische Nutzung der bereitgestellten IT-Komponenten: „Das Föderale Entwicklungsportal

Mut zu Open Source

Mehr als ein technisches Konzept (BS/ast) In seiner letzten Sitzung beschäftigte sich der Digitalausschuss mit dem Thema Open Source, insbesondere im Hinblick auf die Nutzung im staatlichen Kontext. Diese sei noch gering. Die mangelnde Finanzierung des ZenDiS wurde ebenfalls angesprochen.

Prof. Dr. Helmut Krcmar, Leiter des Krcmar Labs an der Technischen Universität München, sagte, Open Source sei mehr als ein technisches Konzept. Es stehe für einen Ansatz der Transparenz, Zusammenarbeit und Innovation. Da es mehr Teilhabe und Flexibilität ermögliche, sei Open Source essenziell in Märkten, die sich viel bewegten. Aus seiner Sicht kann die öffentliche Hand ein Treiber für die Verbreitung von Open Source sein. Aktuell belaufe sich der reale Anteil von Open-Source-Software (OSS) in der öffentlichen Verwaltung auf ein paar Prozent, stellte Bianca Kastl vom Innovationsverbund öffentliche Gesundheit fest. Sie betonte, dass OSS schlichtweg sicher entwickelt werden müsse und dann durch das Wissen und die Prüfung Dritter sogar sicherer als proprietäre Software sein könne. Sie bezeichnete es als eine „Anmaßung“, den „Nachbau von proprietären Produkten wie Microsoft Office auf deutschen Clouds“ als digital souverän zu bezeichnen. Kastl empfahl, stattdessen die Office- und Collaboration Suite openDesk des Zentrums für Digitale Souveränität (ZenDiS) zu nutzen.

Jutta Horstmann, Geschäftsführerin des ZenDiS, sprach von einem „massiven Kontrollverlust“. Die transatlantischen Beziehungen seien seit Januar (mit Trumps Amtsantritt) unvorhersehbar und es gebe ein reales Risiko, dass Daten abfließen und Dienste kompromittiert werden könnten. Open Source sei der Schlüssel, um sich von Abhängigkeiten zu lösen. Auch mit Blick auf deutlich gestiegene Kosten für Softwarelizenzen lohne sich der Einsatz von OSS. Der nächste Bundestag müsse verbindliche

gesetzliche Rahmenbedingungen für den Einsatz von OSS in Behörden schaffen, die Verankerung im Onlinezugangsgesetz (OZG) reicht Horstmann zufolge nicht aus. Sie sprach sich auch für einen vorgeschalteten „Souveränitäts-Check“ aus. Über das Budget des ZenDiS für 2025 gebe es noch Diskussionen. Aktuell hätten sie 24 Stellen, welche „in keiner Weise“ gefährdet seien. Ohne zusätzliche Mittel könnten die angebotenen Lösungen „auf Sparflamme“ weiterbetrieben werden, informierte Horstmann Das Geld reiche jedoch nicht für Innovationen und die Wahrnehmung des Gesamtauftrags aus.

Mitgestalter der IT Peter H. Ganten von der Open Source Business Alliance (OSBA) hält die aktuelle Finanzierung des ZenDiS ebenfalls für „nicht befriedigend“. Er fordert außerdem, Mittel für proprietäre Software in OSS umzulenken und dies mittelfristig zu planen. Dies sei wichtig, damit sich die Industrie darauf einstellen könne. Seiner Meinung nach braucht es einen Rollenwechsel vom Konsumenten proprietärer Software zum aktiven Mitgestalter der eigenen IT-Infrastruktur. Dies sei eine anspruchsvolle Aufgabe. Dr. Oliver Grün vom Bundesverband IT-Mittelstand machte hingegen darauf aufmerksam, dass Open Source und digitale Souveränität nicht gleichzusetzen seien. Das Problem sieht er in der Abhängigkeit von „TechRiesen aus dem Silicon Valley“. Die Lösung hierfür sei, die lokale Digitalwirtschaft in der Breite zu befähigen. Etwa 85 Prozent der deutschen Anbieter seien jedoch proprietäre Hersteller. Diese sollten Grün zufolge nicht ausgeschlossen werden.

macht es der Umsetzungscommunity der Verwaltungsdigitalisierung deutlich einfacher, die relevanten Informationen für die technische Implementierung von Produkten und Standards zu finden. Mühevolles Suchen oder das Versenden von PDF-Dokumentationen per EMail gehören damit immer mehr der Vergangenheit an“, bestätigt auch Felicitas Löffler, Referentin in der E-Government- und IT-Abteilung der Thüringer Landesverwaltung.

Documentation as Code „Entscheidend für den Erfolg des Föderalen Entwicklungsportals ist die hohe Qualität der bereitgestell-

ten Dokumentation“, sagt Hauke Traulsen, Produktmanager bei der FITKO (Föderale IT-Kooperation). Hierfür setzt das Portal auf den Ansatz „Documentation as Code“. Vereinfacht ausgedrückt bedeutet es, dass Dokumentation wie Softwarecode behandelt wird.

In der Folge werden u. a. klassische Softwareentwicklungswerkzeuge zur kontinuierlichen Verbesserung und Automatisierung eingesetzt. Der Ansatz soll die

Plattform für Entwickler besonders attraktiv machen. „Durch die Nutzung gewohnter Tools können Entwicklungsteams Dokumentationen auch bei schnellen ReleaseZyklen immer auf dem aktuellen Stand halten“, erläutert Traulsen Während das Föderale Entwicklungsportal als eine Art „Single Point of Truth“ alle relevanten Dokumentationen sammelt und den Rechercheaufwand reduziert, erfolgt die Fortschreibung der Entwicklungsprozesse seit Ende 2023 auf OpenCoDE – einer Plattform der öffentlichen Verwaltung zum Austausch von Open-Source-Software. Auch das Föderale Entwicklungsportal selbst steht unter einer offenen Softwarelizenz und fördert damit die offene Zusammenarbeit der Entwicklungscommunity. Damit erfüllt das Portal wichtige Voraussetzungen, um sich in Zukunft als zentraler Fundort für die Aufbauanleitungen der Verwaltungsdigitalisierung zu etablieren.

Weitere Informationen zum Produkt finden sich unter: docs.fitko.de. In der Februar-Ausgabe des Behörden Spiegel wird das Deutsche Verwaltungsdiensteverzeichnis (DVDV) vorgestellt.

„Konsequente Digitalisierung ist im Public Sector ein Muss. Mit DATEV können wir alles rechtssicher umsetzen.“

Digitale Prozesse zu initiieren und auszubauen, ist eine der großen Herausforderungen im Public Sector – die leistungsstarke und rechtssichere Software von DATEV für Finanzwesen, Personalwesen und Verwaltungsprozesse unterstützt Sie zuverlässig bei Ihren Vorhaben. Das macht DATEV und die steuerlichen Berater zu den idealen Partnern an Ihrer Seite.

Mehr Informationen unter go.datev.de/public-sector

Der Justizvollzug in Deutschland ist ein komplexes und föderal organisiertes System, das einen starken Fokus auf Resozialisierung und gesellschaftliche Wiedereingliederung legt. In Deutschland gibt es etwa 180 Justizvollzugsanstalten für unterschiedliche Vollzugsarten wie etwa Untersuchungshaft, die Freiheitsstrafe, Jugendstrafe oder die Sicherungsverwahrung. Laut Statistischem Bundesamt lag die Zahl der Insassen im Jahr 2023 bei 44.232 Inhaftierten im offenen und geschlossenen Vollzug. Damit hat Deutschland im EU-Vergleich eine vergleichsweise niedrige Inhaftierungsrate, allerdings steigt die Zahl der Insassen seit 2022 wieder. Zudem variiert die Zahl der Insassen je nach Jahreszeit, Region und Bundesland.

Die Größe der Anstalten, die Anzahl der Inhaftierten und der Belegschaft sowie die baulichen Gegebenheiten unterscheiden sich in den Bundesländern zuweilen erheblich. Die Belegungsdichte der einzelnen Anstalten schwankt zwischen 85 und 100 Prozent, und der zunehmende Belegungsdruck ist in vielen Bundesländern zu einem Problem geworden, so auch in Hamburg. Allen Vollzugsanstalten ist jedoch gemein, dass überwiegend in analogen Geschäftsprozessen mit Papierakten und handschriftlich geschriebenen Anträgen der Insassen gearbeitet wird. Der tägliche Verwaltungsaufwand ist hoch, denn viele unterschiedliche Akteure müssen zum Teil über Jahre hinweg an einem Fall miteinander arbeiten, Daten austauschen und Entscheidungen abstimmen. Zu diesen Akteuren gehören z. B. die Strafvollstreckungskammern sowie diverse weitere Behörden, freie Träger der Straffälligenhilfe sowie Anwälte.

Vorstoß zur Digitalisierung im Hamburger Justizvollzug

Dass in den nächsten acht Jahren fast ein Viertel der Bediensteten aus dem Öffentlichen Dienst ausscheiden wird und bereits jetzt etwa 2.000 Bedienstete bundesweit fehlen, erhöht den Handlungsdruck enorm. Das Land Hamburg verstärkt deswegen nun seine An-

„Firewall“ statt dicker Mauern?

Der Justizvollzug auf dem Weg in die Digitalisierung

(BS/Dr. Behnam Heidenreuter/Andreas Hildebrandt/Hager Ali/Dr. Roger Strathausen) Der Justizvollzug in Deutschland arbeitet überwiegend analog mit Papierakten und handschriftlichen Anträgen. Damit bewältigen die Bediensteten in Deutschlands 180 Justizvollzugsanstalten jeden Tag einen enormen Verwaltungsaufwand. Die Digitalisierung bietet eine große Chance, diesen Verwaltungsaufwand zu reduzieren. Hamburg hat nun die Weichen in Richtung eines digitalen Vollzugs gestellt und bündelt seit Oktober 2024 mehrere Projekte im Justizvollzug durch das Digitalisierungsprogramm „HEUREKA“.

Digitalisierung und Prozessautomatisierungen sollen zu administrativen Arbeitserleichterungen im Haftalltag führen und gleichzeitig den persönlichen Kontakt dort fördern, wo er für die Erreichung der Vollzugsziele essenziell ist. Foto: BS/Maksim Kabakou, stock.adobe.com

strengungen, die Digitalisierung sowohl der Verwaltung in den Justizvollzugsanstalten als auch den Digitalisierungszugang für Insassen voranzubringen. Zum Potenzial erklärt die Leiterin der Sozialtherapeutischen Anstalt Hamburg, Christina Schermaul: „Die Digitalisierung bietet eine große Chance für meine Anstalt und schafft Raum für eine stärkere, zügigere und effektivere Zusammenarbeit in dem multiprofessionellen Team der Anstalt, aber auch behördenübergreifend. Diese grundlegende Veränderung erfährt jetzt schon eine hohe Akzeptanz. Wir freuen uns, Teil dieses notwendigen Wandels zu sein und diesen Prozess zu unterstützen und zu begleiten.“

Ein wichtiger Vorstoß zur Digitalisierung des Justizvollzugs im Bundesland Hamburg ist das Programm HEUREKA, welches gleich mehrere Digitalisierungsprojekte bündelt. „HEUREKA“ steht als Akronym für Hamburger Justizvollzugs-Projekte zur Digitalisierung. Das Programm startete offiziell im Oktober 2024 und wird von der Behörde für Justiz und Verbraucherschutz (BJV) begleitet und durch die Inhouse-Beratung PD durchgeführt. Mit HEUREKA sollen zum einen den Mitarbeitenden effiziente digitale Lösungen für schnelle und unkomplizierte Verwaltungsabläufe zur Verfügung gestellt werden. Zum anderen sollen den Insassen Möglichkeiten zur digitalen Teilhabe geboten und damit ihre Resozialisierungschancen erhöht werden. Essenziell für das Programm HEUREKA sind, neben der von der Bund-Länder-Kommission (BLK) für alle Bundesländer geplanten Einführung einer elektronischen Gefangenenpersonalakte (eGPA), auch die Digitalisierung von Anträgen der Insassen, die Einführung einer gemeinsamen Anwendung für die Zusammenarbeit zwischen den Anstalten und dem Übergangsmanagement des Fachamts Straffälligen- und Gerichtshilfe sowie die Standardisierung von Arbeitsprozessen über mehrere Anstalten hinweg. Die BJV wird zudem im Rahmen einer bereits laufenden umfassenden Reform der Vollzugsgesetze des Landes Hamburg das Recht von Insassen auf digitale Teilhabe festschreiben, natürlich gemäß der Vorgabe, dass damit Sicherheit und Ordnung in den Anstalten nicht gefährdet werden.

Digitalisierung als Chance und Herausforderung

Die Rahmenbedingungen zur Umsetzung von Digitalisierungsvorgaben im Justizvollzug unterscheiden sich zum Teil erheblich von denen der allgemeinen Verwaltung für freie Bürgerinnen und Bürger. Besondere Sicherheitsstandards müssen eingehalten werden, um z. B. Datensysteme vor Cyber-Angriffen zu schützen und den Missbrauch digitaler Medien durch Insassen zu verhindern. Zudem erfordert der Schutz sensibler Daten vor miss-

bräuchlicher Nutzung und Ausspähung entsprechende Maßnahmen.

Die Herausforderungen durch bauliche und technologische Barrieren, infrastrukturelle Hindernisse und fehlendes technisches Know-how in vielen Justizvollzugsanstalten sind weitere, nicht zu unterschätzende, Aspekte, die es bei Planung und Ausführung entsprechender Vorhaben zu berücksichtigen gilt. Außerdem müssen weitere Anpassungen von Gesetzen und Vorschriften zur Umsetzung digitaler Prozesse bedacht werden. Der Anspruch an jede Form der Digitalisierung ist die Balance zwischen den Vollzugszielen Sicherheit und Resozialisierung: Einerseits sollen die Anstaltsbediensteten und die Gesellschaft als Ganzes geschützt werden, und andererseits sollen die Insassen befähigt werden, künftig ein Leben in sozialer Verantwortung und ohne Straftaten zu führen.

Für beide Ziele sind gute menschliche Beziehungen zwischen Bediensteten und Insassen sehr wichtig. Sie bilden nicht nur das Fundament für gelingende Resozialisierung und tragen zudem zur Ordnung in den Anstalten bei, sondern vermindern auch das Gefahrenpotenzial für die Bediensteten, das von den Gefangenen potenziell ausgeht. Digitalisierung und Prozessautomatisierungen sollen zu administrativen Arbeitserleichterungen im Verwaltungs- und Haftalltag führen und gleichzeitig den persönlichen Kontakt dort fördern, wo er für die Erreichung der Vollzugsziele essenziell ist.

Digitalisierung wagen

Die Möglichkeiten der Digitalisierung im Justizvollzug sind trotz dieser Rahmenbedingungen weit gefächert. Sie betreffen Verwaltungsprozesse sowie deren Akten und Dokumente, den Einsatz von automatisierten Systemen zur Fallbearbeitung und Entscheidung. Weiterhin sind die Kommunikation und Interaktion zwischen Bediensteten und Insassen bzw. zwischen Insassen und Dritten sowie insbesondere auch die Bereiche Bildung und Resozialisierung zu betrachten. Die Vorteile der Digitalisierung liegen in der Steigerung

der Effizienz und der Reduzierung von Verwaltungskosten, in einer höheren Transparenz und besseren Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen und Abläufen sowie in der Förderung der Resozialisierung durch neue Kommunikationsmöglichkeiten, z. B. durch die Senkung von Sprachbarrieren und durch digitale Bildung. Die Anstaltsleiterin der JVA Billwerder, Ute Smentek sagt, zu den positiven Erfahrungen: „Mit Freude sehe ich die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der JVA Billwerder, die sich im Prozess der Digitalisierung engagieren. Sie nutzen die Chance und erarbeiten digitalisierte Prozesse für unsere tägliche Arbeit. Ihre Ideen sind weitreichend über die Grenzen der Behörden und der Bundesländer hinaus. Angezielte Effizienz erhöht die Arbeitszufriedenheit bei gleichzeitiger Minimierung von Mehrarbeit. Das digitalisierte Arbeitsfeld wird zeitgemäß und attraktiv. Das macht den Justizvollzug als Arbeitgeber durch hochflexible Arbeitsausgestaltung interessant und wettbewerbsfähig auf dem Arbeitsmarkt.“ Eine enge Abstimmung zwischen den Planern der Digitalisierung und den Anstalten als Bedarfsträger ist eine unabdingbare Voraussetzung für das Gelingen von HEUREKA und anderen Digitalisierungsprogrammen. Digitalisierung im Vollzug muss immer holistisch, als Gesamtleistung gedacht werden, in der die vier Transformations-Dimensionen Kultur und Menschen, Organisation und Prozesse, Systeme und Daten sowie technische Infrastruktur eng miteinander verknüpft sind. Vor allem aber arbeiten in den Anstalten Menschen mit Menschen. Ihren Alltag zu erleichtern, Zeit für die wesentlichen Aufgaben zu schaffen und schließlich die Vorteile digitaler Lösungen in den Dienst der Resozialisierung zu stellen, wird ein entscheidender Gradmesser für die Akzeptanz und damit auch für den Erfolg von Digitalisierungsprogrammen im Strafvollzug sein. Ersetzen also künftig Firewalls dicke Mauern in den Gefängnissen? Sicherlich nicht, aber digitale Lösungen für die Resozialisierung, die Verwaltung und die Sicherheit werden Praxis und Abläufe in den Anstalten künftig entscheidend verbessern.

Dr. Behnam Heidenreuter ist Referatsgruppenleiter Resozialisierung und IT-Fachverfahren des Vollzugs bei der BJV Hamburg. Foto: BS/privat

Andreas Hildebrandt ist Leiter des Digitalisierungsprogrammes HEUREKA bei der BJV Hamburg. Foto: BS/privat

Hager Ali ist als Beraterin im Bereich Strategische Verwaltungsmodernisierung bei PD tätig. Foto: BS/privat

Dr. Roger Strathausen berät als Senior Managing Expert für PD Kunden aus der öffentlichen Verwaltung. Foto: BS/privat

Eine Digitalagentur für Deutschland

Eine Kolumne von Christina Lang

Neues Jahr, neue Wahl, neue Digitaldebatten: Die Wahlprogramme aller großen Parteien nehmen natürlich auch Digitalisierung mehr oder weniger stark in den Fokus. Die CDU ist Spitzenreiter: „digital“ kommt in ihrem Programm 77 Mal vor. Knapp gefolgt von Grünen und FDP (je 75), die SPD liegt mit 58 Nennungen auf dem vierten Platz. Auf den jeweiligen Seiten geht es neben digitalpolitischen Fragen auch um den digitalen Staat und darum, wie die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung endlich beschleunigt werden kann. Viel weiter als die Forderung nach einem „echten“ Digitalministerium gehen die Parteiprogramme jedoch nicht. Logisch, in der Politik und wohl auch in den Koalitionsverhandlungen wird erst mal über Strukturen und Zuständigkeiten geredet. Aus meiner Sicht ist aber entscheidender als ein Digitalministerium eine starke Digitalagentur, die zentral und konkret mit der Umsetzungssteuerung betraut und mit Umsetzungspower ausgestattet wird. Diese Agentur sollte auf dem gesammelten Problemverständnis und Erfahrungen aus der Um-

setzungsarbeit aus den letzten Jahren aufbauen: Neben dem DigitalService sind in den letzten Jahren auch andere Innovationseinheiten und Labore entstanden, die im Kleinen bereits an den großen Herausforderungen rund um eine moderne IT-Infrastruktur und gute digitale Angebote des Staates arbeiten. Wir sind eingespielt, haben Erfahrungen gesammelt, das Verwaltungssystem verstehen gelernt und haben in konkreten Projekten bereits Lösungen für wiederkehrende Hürden gefunden. Und wir haben einen recht ähnlichen Blick auf die strukturellen Herausforderungen, die größere Fortschritte bisher verhindert haben.

Echte, gemeinsame Strategie und stringente Steuerung fehlen Was uns bisher fehlte, ist als Bund eine echte, gemeinsame Strategie für einen digitalen Staat, kombiniert mit einer stringenten Steuerung der verschiedenen Aktivitäten, am besten föderal übergreifend. Und die notwendige politische Rückendeckung und Unterstützung, wenn Veränderungen in den bestehenden Struktu-

ren auch gegen Widerstände und Bedenken durchgesetzt werden müssten.

Gebündelte Zuständigkeiten Den letzten Aspekt kann nur ein (Digital-)Ministerium bedienen. Es soll die politische Verantwortung für eine Digitalisierungsstrategie innerhalb der Regierung tragen und die politischen sowie strukturellen Voraussetzungen für die Digitalisierung schaffen. Dafür braucht es die gebündelten Zuständigkeiten rund um Verwaltungsdigitalisierung und staatliche IT und die Stellung, sich auch

Grünes Licht für das NOOTS

Ministerpräsidentenkonferenz beschließt Staatsvertrag (BS/cb) Die Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien (CdSK) hatten sich bereits auf einen Vertragsentwurf zum NOOTS, dem National OnceOnly-Technical-System, geeinigt. Dieser wurde nun von der oberen Ebene der Bundesländer abgesegnet.

Auf der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) im Bundesrat wurde beschlossen, den Staatsvertrag von den Bundesländern ratifizieren zu lassen. Ebenso muss der Vertrag, der vorrangig die Steuerung und Finanzierung des NOOTS regelt, vom Bundestag ratifiziert werden. In Kraft tritt er, wenn elf der 16 Bundesländer sowie der Bundestag ihre Ratifizierungsurkunden beim Vorsitz der MPK hinterlegt haben. Das soll bis Mitte 2025 passieren, also vermutlich nicht mehr in dieser Legislaturperiode. Dennoch ist der Schritt ein wichtiger und wird dementsprechend als Erfolg gewertet: Das NOOTS gilt als das Herzstück der Registermodernisierung (RegMo), ist deren Architektur und ein entscheidender Baustein in der Beschleunigung von Deutschlands Verwaltungsdigitalisierung.

Alternative von Bremen und Sachsen-Anhalt

Vor einigen Wochen hatte im ITPlanungsrat noch Uneinigkeit über die Ausrichtung des NOOTS ge-

herrscht. Bremen und SachsenAnhalt hatten vorgeschlagen, die Governance und die Finanzierung des Megaprojekts komplett dem Bund zu überlassen, fanden damit aber nicht genug Anklang bei den anderen Ländern. Nach weiteren Abstimmungen und der Einigungder CdSK scheint nun der entscheidende Schritt für das so wichtige NOOTS erfolgt zu sein.

Dessen Finanzierung wäre nicht typisch deutsch, wenn „wir es nicht kompliziert formulieren würden“, kommentierte Dr. Fedor Ruhose, Chef der Staatskanzlei in Rheinland-Pfalz: 2025 und 2026 solle das NOOTS aus dem Budget der Föderalen IT-Kooperation (FITKO) finanziert werden, ab 2027 zu 53,4 Prozent aus ebendiesem sowie zu 46,6 Prozent durch einen fixen Anteil des Bundes. Ruhose appellierte an die Fachverwaltungen, die „Datenautobahn“ NOOTS nun zu nutzen und ihre Register digital zu führen. Insgesamt sei „noch viel Arbeit zu tun“, so der ehemalige CIO und CDO des Landes.

auf föderaler Ebene gegen Widerstände durchzusetzen. Die Vorhaben muss das Ministerium über ein zentrales Digitalbudget wirkungsvoll steuern können.

Die Digitalagentur ergänzt das Ministerium dann als starke, nachgelagerte Umsetzungsinstanz, die sowohl strategische als auch operative Aufgaben wahrnimmt –nur so gewinnen wir schnell an Umsetzungsgeschwindigkeit. Strategisch erarbeitet die Digitalagentur zunächst ein Zielbild für den digitalen Staat im 21. Jahrhundert. Dazu gehört auch eine kritische Evaluation der bestehenden Digitalisierungsprogramme und gegebenenfalls eine Neuausrichtung dieser. Dann wird eine klare Digitalisierungsstrategie –also ein mutiger, grober Plan für das Erreichen des Zielbilds – entwickelt, die durch das Ministerium politisch verantwortet wird. Zur Aufgabe der Digitalagentur wird es auch gehören, die Umsetzung der Strategie zu steuern, regelmäßig

zu überprüfen und nach Bedarf Pläne und Maßnahmen anzupassen. Die Agentur sollte sicherstellen, dass einheitliche Standards auf Bundesebene durchgesetzt und Parallelentwicklungen vermieden werden.

Umsetzungs-Know-how und Schlagkraft gefragt

Neben dem Aufbau dieser Steuerungskompetenz braucht die Digitalagentur eigenes UmsetzungsKnow-how und die Schlagkraft, bestimmte Digitalprojekte und die Arbeiten am langfristigen Fundament eines digitalen Staates direkt zentral umzusetzen.

Durch die politische Rückendeckung und Governance eines Digitalministeriums kann die Digitalagentur diese Aufgaben und die langfristige digitale Transformationsarbeit relativ unbeeindruckt vom politischen Tagesgeschäft in Ministerien vorantreiben. Das wird die Verwaltungsdigitalisierung in ihrer Umsetzung insgesamt merklich beschleunigen.

Die Zeichen stehen gut für einen echten Richtungswechsel. Gehen wir es an!

Sich selbst hacken, bevor es Angreifer tun

Ethical Hacking für Admins – Pentesting für eine sichere IT

In diesem Classroom lernen Administratoren und IT-Sicherheitsverantwortliche von IT-Experten Frank Ully, wie sie durch Ethical Hacking die Sicherheit ihrer Systeme erhöhen. Jetzt Tickets sichern unter heise-academy.de

Das NOOTS soll Registerdaten zwischen Behörden, Bundesländern und europäischen Staaten hin- und herschicken. Foto: BS/Chotijah, stock.adobe.com

Expertise ins Haus holen

Bremen setzt auf Weiterbildung im Informationsrecht

(BS/Nadine Dembski/Juliane Kommer*) Die Bremer Verwaltung will digitaler werden. Doch wie kann das in der Praxis gelingen? Das Finanzressort macht es vor: Beschäftigte haben hier die Chance, ein Stipendium für Informationsrecht im Rahmen eines berufsbegleitenden Studiums zu erhalten. Eine Win-win-Situation sowohl für die Beschäftigten als auch für das Bremer Finanzressort, das sich somit die Expertise direkt ins Haus holt.

Datenschutz und digitale Ausschreibungen, Softwarenutzung oder Online-Services – bei der Digitalisierung gibt es kaum einen Bereich, in dem Behörden nicht mit speziellen juristischen Aspekten konfrontiert sind. E-Government wird in vielen Verwaltungen zur Querschnittsaufgabe. Zudem eröffnet sich mit dem Einsatz von KI ein weiteres Feld, das großartige Chancen für die Verwaltung bietet, aber eben auch einer klaren Strategie hinsichtlich datenschutzrechtlicher Themen bedarf. Aus diesem Grund haben Finanzsenator Björn Fecker und die Rektorin der Universität Bremen, Prof. Dr. Jutta Günther , bereits im Sommer 2024 das sogenannte „Memorandum of Understanding“ unterzeichnet. Neben einer klar formulierten Vision für den Einsatz von KI in der öffentlichen Verwaltung ist unter anderem eine aktuelle Bestandsaufnahme der digitalen Transformation Teil des Vorhabens.

Finanzsenator Björn Fecker dazu: „Für die Implementierung digitaler Informationsprozesse benötigen wir die Expertise geschulten Fach-Personals, welches wir unter anderem mit der Vergabe der Stipendien fördern.“

Booster für mehr Effizienz und Effektivität

Fecker weiter: „Die Digitalisierung und Künstliche Intelligenz können ein Booster für mehr Effizienz und Effektivität in der öffentlichen Verwaltung sein. Kommunikationskanäle für Bürgerinnen und Bürger können erweitert und die Servicequalität erheblich verbessert werden. Dadurch sind schnellere Sachbearbeitungen und kürzere Verfahrenszeiten möglich, was so-

wohl die Beschäftigten entlastet als auch die digitale Transformation der Verwaltung vorantreibt. Diese Entwicklungen wollen wir mitgestalten. Wir sind daher sehr froh darüber, dass wir mit der Universität Oldenburg einen optimalen Kooperationspartner gefunden haben, um unseren Beschäftigten eine Weiterbildung im Informationsrecht ermöglichen zu können.“

Mit der Stipendien-Vergabe sichert sich die bremische Finanzverwaltung die Ausbildung des eigenen Personals mit der erforderlichen juristischen Fachkompetenz. Seit 2023 studieren die Steuerinspektorin Kim Marie Mette und der Steuerinspektor Moritz Pinnecke berufsbegleitend den Masterstudiengang Informationsrecht (LL.M.) an der Universität Oldenburg.

Der Bremer Senator für Finanzen unterstützt die beiden zukünftigen Masterabsolventen, weil der Studiengang mit seiner inhaltlichen Ausrichtung die ideale Fortbildung im Hinblick auf die Anforderungen einer modernen Verwaltung darstelle.

Die Stipendiaten haben ihre Laufbahn in der bremischen Behörde vor rund zehn Jahren begonnen. In ihren Aufgabenbereich fällt unter anderem der Datenschutz. Jetzt beschäftigten sich die beiden in ihren Studienarbeiten mit Haftungsfragen bei der Nutzung von Software oder der neuen KI-Verordnung. Dabei tauchen sie tief in rechtliche Fachdiskussionen ein, die stets an konkrete Fallbeispiele aus der Praxis gekoppelt werden.

Juristische Ausbildung nicht zwingend erforderlich

Für die Zulassung zum Studiengang ist eine juristische Ausbil-

dung gleichwohl nicht zwingend. Beide Stipendiaten sind diplomierte Finanzwirte und werden voraussichtlich nach fünf Semestern einen Master in Informationsrecht LL.M. in der Tasche haben. Damit verfügen sie über einen renommierten und international anerkannten akademischen Abschluss – und die bremische Behörde über zwei Beamte mit ausgewiesener juristischer Fachkompetenz.

Deshalb werden die Studienkosten übernommen und der Zeitaufwand durch Freistellung vom Dienst ausgeglichen. Studiert wird überwiegend online, in jedem Modul gibt es nur eine Blockveranstaltung am Wochenende.

Wie die Bremer Finanzverwaltung sind auch andere Behörden aus dem ganzen Bundesgebiet auf den berufsbegleitenden Studiengang aufmerksam geworden. Unter anderen sind Beschäftigte des Bundeskriminalamts, der Polizei oder von Landesministerien vertreten. Nicht alle zielen auf den Masterabschluss – die Module des Studiengangs können auch einzeln gebucht werden. Das ermöglicht eine gezielte Weiterbildung zu speziellen informationsrechtlichen Themen. Wer sich später dennoch für ein komplettes Masterstudium entscheidet, kann sich alle erfolgreich absolvierten Studienmodule voll anrechnen lassen.

* Nadine Dembski ist Bildungsmanagerin für Informationsrecht an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg.

* Juliane Kommer ist im Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Senator für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen tätig.

Applikationsmodernisierung mit Low-Code

ADVERTORIAL

Wie Behörden die Handlungsfähigkeit ihrer IT sicherstellen (BS/Dr. Stefan vom Brauk*) Die über viele Jahre gewachsene Zahl an IT-Verfahren der öffentlichen Hand führt zu unerfreulichen Folgen: Die Kosten zur Lebenserhaltung und Anpassung der Softwarebestände steigen stetig. Mitarbeiter werden von veralteter Technik blockiert und die Digitalisierung wird aufgehalten. Um die Handlungsfähigkeit der IT-Organisationen zu erhöhen, bietet sich eine Applikationsmodernisierung auf Basis von Low-Code als Alternative zu konventioneller Softwareentwicklung an.

Perl, PHP, Visual Basic und einige mehr: Die IT-Landschaft der öffentlichen Hand ist geprägt von vielen verschiedenen Softwareplattformen und Programmiersprachen. Viele passen nicht in die angestrebte Architekturlandschaft und für viele fehlt das Fachpersonal.

Vorteile der IT-Modernisierung mit Low-Code

Die Ablösung und Konsolidierung dieser Produkte durch eine moderne, integrierte Low-CodePlattform hat entscheidende Vorteile:

• Die Gesamtkosten des Lebenszyklus der Applikationen sinken.

• Die Betriebsführung der Anwendungen wird deutlich homogenisiert und vereinfacht.

• Automatisierte DevOps-Prozesse lassen sich leichter einführen.

Komplexe Altsysteme und kommerzielle Standardsoftware sind

oft nicht ersetzbar, aber im Unterhalt und bei Anpassungen teuer. Hier kann die Kapselung dieser Systeme im Backend, kombiniert mit modernen, barrierearmen Benutzeroberflächen und Schnittstellen auf Basis einer Low-Code-Plattform, ein Weg zur Modernisierung sein. Diese Systeme können auch in moderne Architekturlandschaften integriert werden. Eine Anpassung, die sich zum Beispiel aus Anforderungen der Registermodernisierung ergibt, ist möglich, ohne das Kernsystem selbst modifizieren zu müssen („Clean Core“). Zudem besteht die Möglichkeit, Altanwendungen auch in einem Cloud-Szenario betreiben zu können.

Low-Code fängt Risiken der Schatten-IT ab Einfacher, aber nicht weniger geschäftskritisch sind Anwendungen, die von Fachanwendern selbst mit Mitteln von Office-Applikationen erstellt wurden. Diese Schatten-IT stellt ein Risiko

Letzte Ampel-Digitalprojekte

Digitalisierungsbilanz der 20. Legislatur (BS/Christian Brecht) In gut sechs Wochen wählt Deutschland eine neue Regierung. Bis dahin will die aktuelle noch möglichst viele Vorhaben umsetzen – auch in Sachen Digitalisierung. Wie die digitale Bilanz der Ampel-Koalition ausfällt, lässt sich bereits jetzt anhand eines Digitalmonitors abschätzen.

Wie viele Digitalisierungsprojekte bekommen noch grünes Licht, bevor am 23. Februar 2025 eine neue Bundesregierung gewählt wird? Foto: BS/cb mit Adobe Firefly

Der Monitor Digitalpolitik des Bitkom analysiert quartalsweise die Fortschritte der Digitalisierungsprojekte der Bundesregierung. Von diesen sind der Analyse zufolge im letzten Quartal 2024 elf abgeschlossen worden. Darunter fallen als wichtig eingestufte Vorhaben wie die Wiedereinführung digitaler Arbeitsverträge, die Einigung zwischen Bund und Ländern beim Digitalpakt 2.0 und die Strategie für autonomes und vernetztes Fahren.

Digitalisierungsendspurt Anfang 2025 ist damit gut ein Drittel der digitalpolitischen Vorhaben, die in die Zeit der Ampel-Koalition fallen, erfolgreich umgesetzt worden: 115 von 334. Der interaktive Digitalmonitor bietet die Möglichkeit, alle Digitalisierungsprojekte zu filtern: nach Ressort, nach Relevanz und Komplexität des Projekts (jeweils niedrig, mittel oder hoch) sowie nach dem Stand der Umsetzung (begonnen, nicht begonnen oder erfolgreich). Auch nach der Quelle lassen sich die Vorhaben sortieren, wobei der Koalitionsvertrag, die Digitalstrategie sowie Zusatzvorhaben auswählbar sind.

Insgesamt befinden sich noch 184 Projekte in unterschiedlichen Stadien der Umsetzung, was 55 Prozent entspricht. Noch gar nicht begonnen wurden elf Prozent. Auffallend ist, dass viele Digitalisierungsprojekte des Bundes in den Monaten vor dem letzten Quartal etwas stagnierten und die Regierungsbeteiligten zum Ende ihrer Amtszeit noch mal anziehen, um die vorzeitig zu Bruch gegangene Koalition mit einer zufriedenstellenden Bilanz zu beenden. So stehen besagten elf abgeschlosse Vorhaben im letzten Jahresquartal sieben im zweiten und sechs im dritten Quartal 2024 gegenüber.

Digitalministerium gefordert Eine zentrale Forderung von Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst an die neue Regierung ist, dass sie „die Digitalpolitk in den Fokus“ nimmt und ein Digitalministerium schafft. CDU-Chef Friedrich Merz, der als Favorit auf das Amt des Bundeskanzers gilt, äußerte sich jüngst ähnlich. Wie auch immer die Regierung nach dem 23. Februar 2025 aussehen wird: Nach der Digitalisierung ist vor der Digitalisierung.

Breites Portfolio

Sozialversicherung erteilt Zuschlag für Multicloud-Broker

(BS/Anna Ströbele) Die Sozialversicherung hat den Zuschlag für den Multicloud-Broker erteilt. Das Unternehmen Computacenter steuert künftig den Bezug von Cloud-Leistungen für die Bundesagentur für Arbeit (BA), die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) und die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV). Bislang sind sieben Cloud-Lösungen in Aussicht.

hinsichtlich Datensicherheit und Verfügbarkeit der Applikationen dar. Außerdem wird das Wissen um die Funktion und Wartung dadurch oft an Einzelpersonen gebunden. Die Migration solcher „kleinen“ Anwendungen auf eine Low-Code-Plattform fängt die Risiken deutlich ab und stellt die Wartbarkeit und Zukunftssicherheit der Anwendungen her.

Mit Low-Code die Handlungsfähigkeit der IT sicherstellen

Für die Applikationsmodernisierung stellt Low-Code also ein leistungsfähiges Werkzeug dar, da es die Handlungsfähigkeit der IT wieder erhöht. CGI unterstütz die öffentliche Hand bei der Formulierung und Umsetzung von Low-Code-Strategien, bei der Produktauswahl und Einführung von Low-Code-Plattformen und bei der Digitalisierung mit Low-Code.

*Dr. Stefan vom Brauk ist Vice President Consulting Services bei CGI Deutschland.

Wie von Anfang an geplant, soll der Broker die Services der drei Hyperscaler Google Cloud, Amazon Web Services (AWS) und Microsoft Azure beziehen. Dazu kommen vier deutsche bzw. europäische Cloud-Anbieter: STACKIT, IONOS, OVHcloud und CloudFerro. Die drei Behörden haben je ein eigenes „Einkaufsportal“, über welches sie auf die CloudServices zugreifen können. Die Laufzeit des Rahmenvertrags ist auf zwei Jahre angelegt, kann aber zweimal um jeweils ein Jahr verlängert werden. Der geschätzte Auftragswert beträgt 100 Millionen Euro brutto und setzt sich aus dem Anteil der BA (50 Millionen Euro) und den Anteilen von DRV und DGUV (jeweils 25 Millionen Euro) zusammen. Die BA hatte die Federführung übernommen.

Stefan Latuski, CIO der BA, sieht die Behörden jetzt dazu in der Lage, „Transformationsprozesse aktiv mitzugestalten“. Er bekräftigte: „Wir können jetzt auf innovative Dienste in der Cloud zugreifen und unsere Software State of the Art entwickeln.“ So will die Behörde den Bürgerinnen und Bürgern moderne

und benutzerfreundliche Services anbieten. Andrea Nahles , Vorstandsvorsitzende der BA, erklärte: „Ich freue mich, dass wir unsere gemeinsame Cloud-Ausschreibung erfolgreich abschließen konnten und nun die nächsten Schritte angehen. Damit das gelingt, brauchen wir jedoch entsprechende Rahmenbedingungen und eine Regulatorik, die hilft, nicht hindert.“

Gemeinsam nach vorn Die Partnerbehörden hoben auch die Vorteile des gemeinsamen Vorgehens hervor: So erklärte beispielsweise der Direktor der DRV Bund, Dr. Stephan Fasshauer, es sei gelungen, die Ressourcen zu bündeln. Harald Joos, Cloud-Beauftragter der DRV, meinte, so hätten sie bessere Konditionen erreicht. Über die Bestellportale der Cloud-Broker können die Behörden in Zukunft Verbrauchszahlen abrufen, die bisher nicht bekannt waren. Das ermögliche eine Steuerung. Dank der Erfahrungen aus dem CloudReallabor, so Joos, „wissen wir jetzt, auf welche Clouds wir uns in einem ersten Schritt fokussieren“.

Z iel der Registermodernisierung ist es, die Verwaltung und ihre Serviceangebote zukunftssicher und digital aufzustellen: schnell, unbürokratisch und von Anfang bis Ende digital und transparent. Vor allem im Zeitalter des demografischen Wandels und Fachkräftemangels muss die Handlungsfähigkeit der Verwaltung gewährleistet sein. Eine Vielzahl an Verwaltungsleistungen konnten Bund, Länder und Kommunen im Rahmen des Onlinezugangsgesetzes bereits digitalisieren und online zur Verfügung stellen. Für einen effizienten und nutzerfreundlichen Informationsaustausch zwischen den Behörden bedarf es einer entsprechenden Übermittlung der Daten. Die Umsetzung der Prinzipien Datensparsamkeit und Datenschutz sind dabei von zentraler Bedeutung. Auch für die Umsetzung des Once-OnlyPrinzips ist eine Gewährleistung des automatisierten Abrufs von Nachweisdaten grundlegend. Mit der Erreichung der Reifegrade D1 und D2 des Reifegradmodells der Registermodernisierung sind die Anforderungen an ein effizientes Verwaltungshandeln erfüllt. Das Programm Gesamtsteuerung Registermodernisierung schafft die Voraussetzung für den digitalen Nachweisdatenabruf. Die nachweisabrufenden Stellen bzw. Online-Portale sind jedoch selbst dafür verantwortlich, dass ihre Online-Dienste und Fachverfahren die Datensätze digital abrufen und verarbeiten können.

Im Ausbau

Das Reifegradmodell der Registermodernisierung

(BS/Thomas Wolf*) Die Registermodernisierung ist eines der größten Vorhaben zur Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung Deutschlands. Verwaltungsleistungen sollen zukünftig bundes- und EU-weit volldigital und effizient abgewickelt werden. Ein wichtiger Baustein zur Realisierung dieses Ziels ist die Erstellung des Reifegradmodells der Registermodernisierung. Das Reifegradmodell beschreibt, in welcher Form Nachweise in der Verwaltung abgerufen werden können. Um die technischen Anforderungen präziser darzustellen, nahm der IT-Planungsrat (Beschluss 2024–15) eine Teilung vor. Der bisherige Reifegrad D des vierstufigen Modells ist nun in zwei Ausprägungen differenziert: D1 und D2.

In den Stufen A bis D1 des Reifegradmodells der Registermodernisierung werden Nachweisdaten an die nachweisabrufenden Stellen übermittelt. Im Reifegrad D2 dagegen ist es möglich, nur die absolut notwendigen Informationen abzurufen, die für die Klärung eines Sachverhalts erforderlich sind. Beispielsweise wird bei einer Volljährigkeitsabfrage nicht das Geburtsdatum oder das Alter übermittelt, sondern lediglich die Antwort „ja“ oder „nein“. Die Daten werden hier bei den nachweisliefernden Stellen vorgehalten und verlassen diese zu keinem Zeitpunkt.

In der Stufe D1 übermitteln nachweisführende Stellen nur die Informationen, die für die Bearbeitung der Verwaltungsleistung notwendig sind, wie z. B. das Geburtsdatum und nicht die gesamte Geburtsurkunde. Im Reifegrad C werden die

Das Reifegradmodell der Registermodernisierung umfasst die Stufen A (offline), B (elektronisch übermittelte Nachweise), C (elektronisch auswertbare Nachweise) und die nun zweigeteilte Stufe D – D1 (bedarfsgerecht übermittelte Informationen mit elektronischer Auswertung einzelner Datenfelder) und D2 (bedarfsgerecht übermittelte Informationen mit Beantwortung einer konkreten Frage zur Prüfung eines bestimmten Sachverhalts), wie in der Abbildung zu sehen ist.

Diese CubeSats sind modular aufgebaut und erweiterbar. Eine Einheit (Unit) entspricht einem Würfel von 10 × 10 × 10 Zentimetern mit einem Maximalgewicht von 1,3 Kilogramm. Im Rahmen einer Demonstrator-Mission sollen insgesamt sechs CubeSats gebaut werden, von denen fünf Satelliten in einem Formationsflug auf festen Umlaufbahnen in ca. 460 Kilometern Höhe in den Orbit ausgebracht werden. Ein Satellit bleibt als Testsatellit zur schnellen Verifikation etwaiger Störungen am Boden. Jeder der sechs bayerischen Fernerkundungs- und Erdbeobachtungssatelliten ist mit einer optischen Multispektralkamera ausgestattet. Die Satelliten werden in einer Wiederholungsrate von drei Tagen und einer Bodenauflösung von unter vier Metern Bilder in acht Spektralkanälen für eine Teilfläche Bayerns liefern. Zusätzlich sind die bayerischen CubeSats mit einem Antrieb ausgestattet, der zur Durchführung von Orbit-Manövern, zur präzisen Lagerung und Einhaltung einer stabilen Orbithöhe sowie zur Sicherstellung einer regelmäßigen Überlappung der Satellitenbilder dient. Dies ermöglicht die Einhaltung stabiler Flugbahnen, sodass die Bilder in einer hohen zeitlichen Wiederholungsrate stets am gleichen Ort zur selben Ortszeit (Sonneneinstrahlung) aufgenommen werden. Damit entstehen gut vergleichbare Datensätze für die Analyse von Zeitreihen. Dies sind Alleinstellungsmerkmale gegenüber ähnlichen Missionen. Der Start der Satelliten ist im Zeitfenster zwischen Ende 2025 bis Anfang 2026 geplant.

Big Data, KI und mehr

Nachweise, wie z. B. die Geburtsurkunde, in einer strukturierten Form übermittelt. Somit kann dem Fachverfahren der nachweisabrufenden Stelle das Geburtsdatum automatisch übermittelt werden. Ist lediglich der Reifegrad B erreicht, wird in diesem Beispiel die Geburtsurkunde als PDF-Dokument an die nachweisabrufende Stelle übersandt. Anschließend pflegt die Sachbearbeiterin oder der Sachbearbeiter manuell das Geburtsdatum in das Fachverfahren ein. Im Reifegrad A ist keine automatisierte Übermittlung möglich. Die nachweisliefernde Stelle würde hier die Geburtsurkunde in Papierform mit allen auch für die Verwaltungsleistung nicht relevanten Informationen an die nachweisabrufende Stelle versenden.

Reifegrad D1: zentrale Zielsetzung der Gesamtsteuerung

Die Erreichung des Reifegrades D1 ist ein zentrales Ziel der Gesamtsteuerung Registermodernisierung. Er erfüllt, wie der Reifegrad C, die Anforderungen des Onlinezugangsgesetzes. Zusätzlich ermöglicht D1 eine reduzierte Übermittlung von Daten zwischen den Behörden im Sinne einer da-

tensparsamen und effizienten Verwaltung. Ein langfristiges Digitalisierungsziel ist es, den Reifegrad D2 zu erreichen. Das Reifegradmodell der Registermodernisierung ist nicht zu verwechseln mit dem OZG-Reifegradmodell. Während das Reifegradmodell der Registermodernisierung die unterschiedlichen Reifegrade, in denen Nachweise vorliegen können, beschreibt, be-

zieht sich das OZG-Reifegradmodell auf die Umsetzung: die Erbringung digitalisierter Verwaltungsleistungen. Das OZG-Modell hingegen umfasst fünf Reifegrade – von 0 (offline) bis 4 (Online-Transaktion). Bei Erreichung des Reifegrades 4 kann die Leistung vollständig digital, automatisiert und datensparsam abgewickelt werden. Die elektronische Übermittlung von Nachweisdaten in den Reifegraden der Registermodernisierung B – D2 ist Voraussetzung für die Erreichung des OZG-Reifegrads 4. Dieser entspricht den Anforderungen des Once-Only-Prinzips. Nachweise bzw. Nachweisdaten sollen aus Registern der Verwaltung abgerufen anstatt von Nutzerinnen und Nutzern eingereicht werden.

* Thomas Wolf ist im Referat „Registermodernisierung, Architektur“ im Bundesverwaltungsamt tätig.

Reifegrad A Offline: Nachweise werden ausschließlich in papiergebundener Form bereitgestellt.

Reifegrad B* Elektronisch übermittelbarer Nachweis (z. B. PDF-Format)

Nachweisdatenaustausch wird ermöglicht.

*EU-Reifegrad-Standard **langfristiges Digitalisierungsziel

Reifegrad C Elektronisch auswertbarer Nachweis (maschinenlesbares Format mit Ausgabe aller Daten, z. B. XÖV)

Reifegrad D1

Bedarfsgerecht übermittelte Informationen: Einzelne Datenfelder oder ein einzelnes Datenfeld

Reifegrad D2** Antwort auf konkrete Frage (benötigt weitere konzeptionelle Grundlagen).

Ziel der Gesamtsteuerung: Registermodernisierung und somit Grundlage für die Konzepte und Arbeiten der Gesamtsteuerung

Die Abbildung zeigt das Reifegradmodell der Registermodernisierung mit Erklärung jeder Stufe. Grafik: BS; Quelle: Freie und Hansestadt Hamburg

In 460 km Höhe über Bayern

Fernerkundung mit innovativen Kleinstsatelliten

(BS/Dr. Robert Roschlaub*) Die Bayerische Vermessungsverwaltung (BVV) projektiert den Aufbau eines bayerischen Satellitennetzwerks. Das Projekt ist Teil der Technologieoffensive der Bayerischen Staatsregierung. Konkret sollen Kleinstsatelliten, die sogenannten CubeSat-Satelliten, gebaut werden.

Mithilfe des bayerischen Satellitennetzwerks können Landwirte bald in der Bearbeitung ihrer Förderanträge zuverlässig und frühzeitig unterstützt werden.

Ergebnisse dieser DemonstratorMission mit fünf Kamera-Satelliten sind die initiale Datenanalyse und die Erstellung neuer Erfassungsund Auswertemethoden. Neben dem Themenschwerpunkt Big Data (Prozessierung großer Datenmengen) und Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) sollen neue Produkte aus Fernerkundungsdaten abgeleitet sowie Erkenntnisse für den geplanten Vollausbau des bayerischen Satellitennetzwerks zur Abdeckung der gesamten bayerischen Landesfläche gewonnen werden. Die hochaufgelösten Satellitenbilder dienen als Datengrundlage zur aufgabenbezogenen Auswertung in den verschiedensten Fachanwendungen. Bereits im Vorfeld der Mission wurden vielfältige Anwendungsszenarien mit hohem Nutzen-

Luftbild: BS/LDBV; Feldstückkarte: BS/StMELF

potenzial in der Umweltverwaltung, in der Land- und Forstwirtschaft sowie in der Kartografie identifiziert. Anwendungsfälle sind u. a. bei der Prognose von Hochwasserereignissen und Klima-veränderungen zu prüfen. Im Bereich Landwirtschaft werden allein für Bayern jährlich über eine Milliarden Euro an EU-Fördergeldern verteilt, deren Auszahlung an eine Vielzahl von Auflagen geknüpft ist. Schon jetzt werden nach EU-Vorgabe einige davon mithilfe von Satellitendaten überprüft. Die zeitlich und räumlich höher aufgelösten Bilder des bayerischen Satellitennetzwerks werden es künftig ermöglichen, die

Situation auf den Flächen präziser zu erkennen und Antragsteller zuverlässig auf Abweichungen hinzuweisen. Dadurch können Angaben sanktionsfrei geändert und Bewirtschaftungspflichten kann noch nachgekommen werden. Aus den Satellitenbildern gewonnene Datenprodukte können den Landwirten bei der Antragstellung direkt angezeigt werden, um fehlerhafte Flächenmeldungen gar nicht erst entstehen zu lassen. Generell ist davon auszugehen, dass auch die hochtechnologisierten Sektoren der Agrarökonomie und -ökologie von den Bildern profitieren werden. Als Anwendungen im Bereich der Forstwirtschaft sind die Erfassung der Baumarten in Bayern sowie das Monitoring der Vitalität des Waldes und damit verbunden die Bestimmung des Grads der Trockenheit zu nennen.

Arbeits- und Forschungskooperation

Die Umsetzung der Fernerkundungsmission erfolgt im Rahmen einer Arbeits- und Forschungskooperation gemeinsam mit der Professur für Photogrammetrie und Fernerkundung sowie dem Lehrstuhl für Astronomische und Physikalische Geodäsie an der Technischen Universität München (TUM). Der Bau und der Betrieb der Satelliten erfolgen durch das Zentrum für Telematik GmbH/e.V. (ZfT) und die Smart Small Satellite Systems GmbH in Würzburg. Ein Großteil der Prozessierung der rohen Satellitendaten zu einem Produkt lagerichtiger (georeferenzierter) Bilder

erfolgt am Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung (LDBV). Gespeichert werden die Daten im IT-Dienstleistungszentrum (IT-DLZ), dem Rechenzentrum des LDBV.

Über eine Zentrale des ZfT werden die Bahnen der CubeSats überwacht und ggf. per Funk justiert. Die voluminösen Rohdaten der CubeSats werden via X-Band (hochfrequenter Datenfunk, ähnlich WLAN) als Datenpakete an ein Netz bestehender Bodenstationen übermittelt. Die von den Bodenstationen empfangenen Datenpakete der CubeSats werden anschließend von der Zentrale des ZfT zusammengefasst und ausgewertet. So werden beispielsweise die über mehrere Bodenstationen verteilten Datenpakete von einem CubeSat wieder zu einem Bild zusammengeführt und über einen Behördennetzanschluss in einen zentralen Datenspeicher mittels standardisierter Web-Protokolle im IT-DLZ gespeichert. Das LDBV nutzt diesen Datenspeicher zur Datenprozessierung und Ableitung von Zeitreihen der Satellitenbilder für jeden Überflug. Darüber hinaus wird vom LDBV ein Webdienst angeboten, der eine Einbindung dieser lagerichtigen Satellitenbilder in Anwendungen der Fachnutzer ermöglicht. Die Nutzer aus den verschiedenen Fachressorts werden zusätzlich die Möglichkeit erhalten, auf die Rohdaten zuzugreifen, sodass neben der Nutzung der Satellitenbilder und Zeitreihen auch eigene Anwendungen und Prozesse entwickelt werden können. Diese Mission ermöglicht erstmalig den Zugriff auf die gesamte Prozesskette – von den Rohdaten bis zu den veredelten Produkten.

* Dr. Robert Roschlaub ist für das Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung in Bayern tätig.

Das „Internet-Protokoll Version 6“ eröffnet der weltweiten elektronischen Kommunikation völlig neue Kapazitätsdimensionen, verschlankt die Verwaltung von Netzinfrastrukturen und macht den Verkehr zugleich eindeutiger, sicherer und flexibler. „IPv6 ist alternativlos“, wiederholt die internationale IT-Szene daher fast gebetsmühlenartig. Das trifft alle Internet-Teilnehmer, insbesondere auch die deutschen Verwaltungsbehörden, die vorausschauend gehandelt haben und jetzt doch unter Handlungsdruck stehen.

Adressierbarkeit als Modernisierungsproblem

Mit der Digitalisierung der Verwaltung und verstärkt durch die rasant steigende Mobilität der Mitarbeitenden ist die Anzahl von Geräten und Komponenten, die alle im Netz „adressierbar“ sein müssen, in den letzten Jahren geradezu explodiert. Das sogenannte „Internet der Dinge (IoT)“, in dem Geräte und Komponenten ohne menschliches Zutun miteinander „kommunizieren“, sorgt zusätzlich für einen enormen Adressenbedarf. Nicht allein die Industrie nutzt IoT für automatisierte Produktionslinien, auch intelligente Verwaltungsnetze und Fachanwendungen oder die Komponenten eines „smarten“ Liegenschaftsmanagements, das Türschlösser, Leuchtmittel und Rollläden über das Internet steuert, beruhen darauf.

Letztendlich sind alle laufenden digitalen Modernisierungsvorhaben der Verwaltung mittelfristig von der flächendeckenden Umsetzung der IPv6-Migration abhängig. Das betrifft vor allem Infrastrukturmaßnahmen wie die Registermodernisierung oder die Betriebskonsolidierung des Bundes (BKB), mit der der Bund seine IT verschlanken und vereinheitlichen will.

Jahrelange

Migrationsvorbereitungen

Dabei ist der Sprung zwischen den Protokoll-Versionen gewaltig.

Während das bisherige IPv4 weltweit rund 4,3 Milliarden Adressen zuließ, kann IPv6 theoretisch 1.500

IT-Modernisierung mit langem Atem

Bundesverwaltung stellt auf IPv6 um

(BS/Dr. Barbara Held) Nach Jahren der Planung, der kontroversen Diskussionen um Konzepte und Umsetzung hat der Bund, von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, das Rollout für eine flächendeckende Modernisierung seiner IT-Infrastruktur angestoßen. Die angelaufene Migration der Bundesverwaltung von IPv4 auf IPv6 ist weit mehr als eine neue Adressenverwaltung im Internet.

In der von der bundeseigenen ALDB GmbH betriebenen physischen BDBOS-Testplattform

IP-Adressen für jeden einzelnen Quadratmeter Erdoberfläche zur Verfügung stellen. Die Folge ist eine völlig neue Systematik der Adressenbezeichnungen, da die Adressen ja eindeutig sein sollen.

Auch wenn die Migration der „AltAdressen“ softwareunterstützt läuft, müssen die Behörden ihre Systeme, jede Komponente und jedes Fachverfahren zunächst einmal für die Verarbeitung von IPv6 ertüchtigen: Angesichts der Vielfalt von IT-System- und Anwendungsszenarien, die in der Bundesverwaltung nebeneinander existieren, eine Mammutaufgabe.

Das zuständige Bundesministerium des Innern (BMI) begann schon 2009, einen großen IPv6-Adressenraum für die deutsche Verwaltung beim zuständigen internationalen

Gremium RIPE zu sichern. Nach weiteren Vorarbeiten beschlossen

CIO-Board und IT-Rat dann 2020 die Umsetzung der IPv6-Migration bis 2030 und die Abschaltung von IPv4. Das „IPv6-Programm des Bundes“ setzte den Transformationsprozess zunächst mit externer Leitung und Unterstützung im BMI auf. Im Dezember 2024 ging die operative Programmleitung jetzt an die Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS), die schon seit 2018 für die Vergabe von IP-Adressen der Verwaltung zuständig ist.

IPv6-Rollout: agil und bottom-up Ungewöhnlich für die Verwaltung war der Entschluss der Programmleitung im BMI, von vornherein

auf eine freiwillige Teilnahme der Behörden und auf eine agile Vorgehensweise mit gemeinsamer Erarbeitung von Projektzielen und Konzepten zu setzen. Die bisherige externe Programmleiterin Irina Eckardt zeigt sich überzeugt, dass nur so das nötige Momentum für die Migration erzeugt werden konnte.

Rund 140 Behörden aus allen Ressorts nehmen inzwischen an dem Vorhaben teil. In fünf strategisch zusammengestellten „Bündeln“ sollen sie zeitversetzt bis 2030 ihre individuelle IPv6-Migration beginnen. Im Laufe des Jahres 2024 nahmen Migrationsprojekte in 52 Bundesbehörden bereits die Arbeit auf.

Sogenannte „Keimzellen“ in den Behörden stoßen Bedarfsermittlung und Konzepte für Migrationsaktivitäten an. Ein 2023 veröffentlichter „Migrationsleitfaden“ bietet dabei die nötige Orientierung. Der „Behörden-Service“ des IPv6-Programms koordiniert als One-Stop-Shop die Zusammenarbeit von Behörden, Progammleitung und sonstigen Experten. Damit werde sichergestellt, dass das Programm sich eng an den tatsächlichen Bedarfen der Behörden entwickele, so Irina Eckardt Eine wichtige Rolle spielen die rund 20 externen IPv6-Experten, die als Coaches direkt die IT-Abteilungen der Bundesbeehörden bei ihren IPv6-Migrationen unterstützen.

Rund acht Millionen Euro jährlich werden für die Leistungen des IPv6-Programms des Bundes veranschlagt. Dem gegenüber stehen in der dazugehörigen Wirtschaftlichkeitsbetrachtung (WiBe) u. a. noch nicht genau zu beziffernde Einsparungen bei den Behörden z. B. bei Personal-Ressourcen, System-Hardware sowie sinkenden

Energiekosten. Da die IPv6-Migration im laufenden Betrieb stattfindet, müssen alle beteiligten Behörden sämtliche Migrationsschritte individuell testen und ihr Vorgehen immer wieder adaptieren. Seit 2023 stellt das Programm drei Testlabore zur Verfügung, u. a. ein „virtuelles Testlabor“, mit dem IT-Abteilungen ihre Planungen im Netz remote simulieren können.

BDBOS-Testplattform

Darüber hinaus steht in Berlin eine physische Testumgebung für die Behörden und Organisationen des Bundes zur Verfügung, auf der Migrationsszenarien auf Basis von originalen Netzkomponenten getestet werden können. Acht hochgerüstete Instanzen werden dort von der bundeseigenen ALDB GmbH auf der BDBOS-Testplattform für das IPv6-Programm betrieben. Testplattform-Leiter Michael Greulich, dem man die Freude an den schicken Racks anmerkt, sorgt dafür, dass die zugeschalteten Behörden, in der Regel unterstützt durch die IPv6-Coaches und Testkoordinatoren des Programms, die individuellen Tests reibungslos durchführen können.

Mit den Ländern ins Boot? Die erste Expertenkonferenz des IPv6-Programms des Bundes veranschaulichte Anfang Dezember 2024, dass die IPv6-Migration nicht nur in der Bundesverwaltung Fahrt aufgenommen hat. Unter den rund 200 Beteiligten befanden sich nicht nur 98 Vertreter aus Bundesbehörden, sondern auch 36 Vertreterinnen und Vertreter aus den Ländern. Dataport-Chef Johann Bizer gehörte sogar zu den Vortragenden. Der nächste strategische Schritt ist in Vorbereitung. Die Länder haben ihr Interesse an einem gemeinsamen Vorgehen deutlich gemacht. Geplant ist, dass der Bund-Länder-Aktivitäten koordinierende ITPlanungsrat auf seiner Frühjahrssitzung einen Prüfauftrag für ein vergleichbares Programm auf Länderebene erteilen wird. Im Idealfall wird daraus am Ende des Jahres ein deutschlandweites IPv6-Programm.

ENISA veröffentlicht Cyber-Sicherheitsbericht

NIS2 macht zweijährliches Update der Cyber-Sicherheitslage erforderlich

(BS/sp) Die EU-Agentur für Cybersicherheit (ENISA) hat ihren ersten umfassenden Bericht zur Cyber-Sicherheitslage in der Europäischen Union veröffentlicht. Der Bericht gibt einen Überblick über den aktuellen Stand der Cyber-Sicherheit in den Mitgliedstaaten, bewertet deren Fähigkeiten und enthält konkrete Handlungsempfehlungen zur Stärkung der Cyber-Sicherheit in der EU. Dabei wird deutlich, dass die Bedrohungslage für die Union hoch bleibt, insbesondere durch die gezielte Ausnutzung von Schwachstellen durch Angreifer.

Befähigung, Kooperation und Resilienz

30. Januar 2025

Hannover

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Die Cyber-Sicherheitsstrategien der Mitgliedsstaaten seien insgesamt gut aufeinander abgestimmt, doch Unterschiede in Größe und Kritikalität bestimmter Sektoren erschwerten eine einheitliche Umsetzung von Sicherheitsmaßnahmen. Auf der Ebene der Bürgerinnen und Bürger sei eine wachsende Sensibilisierung für Cyber-Sicherheit erkennbar. Jüngere Generationen wiesen zwar höhere digitale Kompetenzen auf, jedoch bestünden weiterhin Unterschiede bei der Verfügbarkeit und Qualität von Bildungsprogrammen.

Vier zentrale Herausforderungen Um diese Herausforderungen zu bewältigen, nennt der Bericht vier prioritäre Handlungsfelder: die Verbesserung der politischen Umsetzung von EU-Cyber-Sicherheitsrichtlinien, den Aufbau eines effektiven Cyber-Krisenmanagements, die Stärkung der Lieferkettensicherheit und die Beseitigung des Fachkräftemangels durch eine einheitliche europäische Ausbildungs-

offensive. Ergänzend empfi ehlt ENISA Maßnahmen zur Erhöhung der Cyber-Sicherheit in kritischen Sektoren und zur Förderung eines einheitlichen Bewusstseins für Cyber-Sicherheit bei Bürgerinnen und Bürgern und Fachkräften. ENISA erklärte, der Bericht sei ein Meilenstein für die gemeinsamen Anstrengungen, die Sicherheit und Resilienz in der EU zu stärken. Angesichts wachsender Bedrohungen und technologischer Fortschritte sei es unerlässlich, die Fähigkeiten der Union regelmäßig zu bewerten und strategisch weiterzuentwickeln.

Die Zukunft ist KI und PostQuanten-Kryptografie Mit Blick auf die Zukunft betont der Bericht, dass Themen wie Künstliche Intelligenz (KI) und Post-Quanten-Kryptografie künftig stärker in den Fokus rücken würden. Forschungs- und Innovationsanstrengungen sowie eine enge Zusammenarbeit auf europäischer und nationaler Ebene seien essen-

ziell, um die EU auf kommende Herausforderungen vorzubereiten und ihre Widerstandsfähigkeit nachhaltig zu stärken. Gemäß Artikel 18 der NIS2-Richtlinie wurde die ENISA beauftragt, alle zwei Jahre einen Bericht über den Stand der Cyber-Sicherheit in der Union zu erstellen.

Die EU-Agentur für Cybersicherheit (ENISA) hat ihren ersten umfassenden Bericht zur Cyber-Sicherheitslage in der Europäischen Union veröffentlicht. NIS2 verlangt eine zweijährige Evaluierung.

Bild: BS/ENISA

stehen nagelneue Racks.
Foto: BS/ALDB

Als am 5. November 2024 der sächsische Ministerpräsident

Michael Kretschmer (CDU) den VSIT-Showroom des BSI-Standorts in Freital besuchte, wurde ihm eine hochsichere Telefonielösung vorgestellt. BSI-Präsidentin Claudia Plattner überreichte ihm daraufhin das Endgerät, mit dem der Ministerpräsident nun in der sächsischen Staatskanzlei zusammen mit dem BSI an einem „Proof of Concept“ teilnimmt. Doch das hochsichere Telefon ist nur eine der Produktkategorien, die im VS-IT-Showroom für die Bundesverwaltung präsentiert werden. Auch Videokonferenzund Cloud-Systeme, Software für die Dokumentenverarbeitung und Automatisierung sowie eine KI-Eigenentwicklung des BSI werden in Freital vorgestellt.

Großes Interesse bei Bundesbehörden

Mit dem VS-IT-Showroom bietet die Cyber-Sicherheitsbehörde des Bundes Entscheidungsträgern, Geheimschutzberatern, Endnutzern, Administratoren und Betreibern von VS-IT-Systemen eine umfassende Informations- und Testmöglichkeit. Die Idee für den IT-Showroom entstand erst im Februar 2024. Bereits knappe neun Monate später erfolgte die Eröffnung. Allerdings sei man mit dem Raum niemals „fertig“, sondern aktualisiere ständig die ausgestellten Produkte und die präsentierte Software, erklärt Tom Zimmermann, Referent im Fachbereich „VS-Zulassung“ beim BSI in Freital.

Das Interesse seitens der Verwaltung ist groß. Allein zur Eröffnung des Showrooms im November waren 18 Bundesbehörden anwesend. Seither gab es eine Reihe individuell gestalteter Besuche von Behör-

Der Ruhestand vieler Beschäftigter wird voraussichtlich dazu führen, dass bis 2030 mehr als eine Million Fachkräfte im öffentlichen Sektor fehlen, wenn keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Aber auch Remote Work sicher zu organisieren, bleibt für die Verwaltung ein Balanceakt. Hinzu kommt, dass sich die Bedrohungslage durch geopolitische Spannungen und die zunehmende Digitalisierung verschärft hat. Insbesondere öffentliche Verwaltungen und Krankenhäuser sind häufig Ziel von Ransomware-Angriffen. Die Zahlen dazu sprechen eine eindeutige Sprache: Die Anzahl der Ransomware-Angriffe stieg von 2.581 im Jahr 2022 auf 4.399 im Jahr 2023 und für 2024 wird eine weitere Steigerung erwartet.

Warum VPN-Technologien nicht mehr ausreichen

Ein Grund für den Erfolg von Hacker-Angriffen liegt darin, dass in der öffentlichen Verwaltung häufig veraltete VPN-Technologien (Virtual Private Network) eingesetzt werden, die zum Teil mehr als 30 Jahre alt sind. So nutzen Hacker immer wieder die gleichen Schwachstellen. Laut dem VPN Risk Report 2024 von Aruba, für den rund 600 IT- und Cyber-Sicherheitsexperten befragt wurden, sind 81 Prozent der Nutzer mit ihren VPN-Erfahrungen unzufrieden. Vor allem aber sind 92 Prozent der Befragten besorgt, dass VPNs ihre Fähigkeit, ihre Umgebung sicher zu halten, beeinträchtigen könnten. Denn: Traditionelle VPNs sind im Internet für den Verbindungsaufbau sichtbar, was sie zu einem attraktiven Ziel für Angreifer macht. Ein weiteres Problem ist, dass viele Angriffe über Social Engineering

Hochsicherheitsgeräte zum Anfassen

BSI-Dienstsitz in Freital eröffnet Showroom für VS-IT-Produkte

(BS/Paul Schubert) Seit 2021 besitzt das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) eine Zweigstelle im sächsischen Freital. Knapp vier Jahre nach der Eröffnung hat der Dienstsitz ein neues Aushängeschild: Im November wurde ein VS-IT-Showroom eingerichtet, der Bundesbehörden Digitalisierungsprodukte für den Hochsicherheitsbereich präsentiert. Bereits jetzt zeigt sich, dass das Interesse der Verwaltung groß ist.

denvertreterinnen und -vertretern.

Insbesondere im Februar und März 2025 werden einzelne Behörden nach Sachsen reisen, um sich über die Produkte zu informieren und diese vor Ort gleich auszuprobieren.

Um den speziellen Bedarfen gerecht zu werden, findet vor den Terminen ein intensiver Austausch mit dem Team des VS-IT-Showrooms statt. Diese Bedarfe, beispielsweise hinsichtlich der Weiterentwicklung oder Anpassung von Sicherheitsprodukten, würden dann an die Hersteller für Modifizierungen weitergegeben, berichtet Zimmermann

Mit Ausnahme der KI-Eigenentwicklung sind die ausgestellten Produkte von der Industrie entwickelt worden. Bisher stammen sie vorrangig von deutschen Herstellern.

Große Hersteller und KMU Perspektivisch möchte das BSI auch Produkte europäischer Hersteller in den Showroom aufnehmen. So will die Cyber-Sicherheitsbehörde des Bundes ihren Teil zur Stärkung der digitalen Souveränität beitragen und Interoperabilität schaffen. Die Herstellerfirmen umfassen sowohl bekannte deut-

sche Softwarehersteller als auch weniger bekannte KMU-Lösungen, denen man eine gemeinsame Plattform bietet: „Im Showroom sind die Produkte der kleineren Unternehmen genauso gut sichtbar wie die der Marktführer.“ Dabei setze sich das BSI dafür ein, die Portfolio-Bekanntheit sowohl der Marktführer als auch der KMU im Hochsicherheitsbereich zu erhöhen, da diese oft Nischen bedienten, so der Referent.Ein Grund für die Einrichtung des VS-IT-Showrooms war die Notwendigkeit des Austauschs zwischen Herstellern und Behörden:

Alternativen zur VPN-Technologie

Öffentlicher Sektor: mehr Effizienz – mit Sicherheit (BS/Jan-Lukas Wennemar*) Der öffentliche Sektor ist mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert. Neben dem Fachkräftemangel, der sich bis 2030 weiter verschärfen wird, stellen vor allem Cyber-Angriffe eine Gefahr für die Verwaltung dar. So drangen beispielsweise Hacker über einen softwarebasierten VPN-Zugang in die Server des kommunalen IT-Sicherheitsdienstleisters Südwestfalen ein. Völlig verhindern lassen sich solche Angriffe nicht, aber die Verwaltungs-IT kann den Hackern das Leben erheblich erschweren.

erfolgen. Dabei versuchen die Angreifer, an Zugangsdaten zu gelangen, um VPNs nutzen zu können. Dazu durchleuchten die Angreifer ihre potenziellen Opfer intensiv.

Dies kann fatale Folgen haben, denn ein VPN kann noch so gut gesichert sein – der Faktor Mensch wird oft unterschätzt.

Neue Strategien für den Schutz sensibler Daten

Vor dem Hintergrund der beschriebenen Bedrohungslage und der sozioökonomischen Faktoren stellt es für die Verwaltungsführung eine große Herausforderung dar, den digitalen Wandel zu meistern. Um auch weiterhin – trotz sinkender Beschäftigtenzahlen – Sicherheit, Flexibilität und Leistungsfähigkeit der IT-Infrastrukturen in Einklang zu bringen, sind Alternativen erforderlich, die mit den aktuellen Entwicklungen Schritt halten können.

Die Secure-Service-Edge(SSE)-Lösung mit Zero Trust Network Access (ZTNA) von HPE Aruba Networking bietet einen sicheren und gleichzeitig einfach skalierbaren Ansatz, mit dem sich traditionelle VPNs ersetzen lassen. ZTNA, eine zentrale Komponente von SSE, basiert auf Cloud-Technologie, die eine hochmoderne Authentifizierung und Sicherheit gewährleistet. Dabei bleibt die Verbindung zwischen dem Benutzer und der

Unternehmensinfrastruktur sicher und für potenzielle Angreifer unsichtbar. Eine Zugriffskontrolle, die auf der Identität und dem Kontext des Benutzers basiert, erhöht die Sicherheit.

ZTNA: eine sichere Alternative zu VPNs

ZTNA schützt dabei auch die Daten, die lokal zwischen dem Unternehmen und den RemoteBenutzern ausgetauscht werden. Das Konzept bietet eine einheitliche Zugriffsrichtlinie, unabhängig davon, ob der Benutzer lokal oder remote arbeitet. Im Gegensatz zu VPNs, die nur eine einmalige Authentifizierung erfordern, überwacht ZTNA den Netzwerkverkehr und alle Benutzeraktionen während der gesamten Nutzung. Darüber hinaus bietet die Technologie eine granulare Zugangskontrolle. So lässt sich genau steuern, wer auf welche Ressourcen zugreifen darf. Die Authentifizierung und Autorisierung läuft automatisiert im Hintergrund ab, was die Lösung sehr nutzerfreundlich macht. Darüber hinaus ist die Verwaltung der ZTNA-Lösung weniger komplex. Weitere wesentliche Unterschiede zu einer klassischen VPN-Lösung bestehen darin, dass Remote-User bei ZTNA nicht Teil des internen Netzwerks werden und keine IPAdresse erhalten. Außerdem müs-

„Bisher hatten Behördenvertreter die Herausforderung, sich herstellerunabhängig über Lösungen im Hochsicherheitsbereich zu informieren. Herstellern hingegen war es nicht möglich, Lösungen in diesem Bereich zentral vorzustellen. Der VS-IT-Showroom bietet genau diese“, erklärt Zimmermann. Die ersten Kontakte wurden bereits geknüpft. Großes Interesse rufen vor allem auch die gezeigten Cloud-Systeme hervor. Diesbezüglich stehe das BSI mit mehreren Bedarfsträgern und den Herstellern im Austausch, verrät der IT-Experte. Bund-Länder-Kooperationen sollen auch im Hochsicherheitsbereich intensiviert werden. Zimmermanns Kollegin Marianne Ziesmer, ebenfalls im Fachbereich „VS-Zulassung“ tätig, ergänzt: „Der Showroom soll sich als Austauschplattform etablieren und die Produkte erlebbar machen.“ Der Besuch von Ministerpräsident Kretschmer zeige auch, dass das BSI die Zusammenarbeit mit den Ländern stärken möchte, so die Referentin. Das BSI als CyberSicherheitsbehörde möchte auch den Ländern einen Zugang zum VS-IT-Showroom ermöglichen. Im Zuge der geschlossenen Kooperationsvereinbarung zwischen dem Freistaat Sachsen und dem BSI vor ca. einem Jahr und aufgrund der geografischen Nähe zu Freital konnte die Landesregierung in Dresden mit den IT-Experten ein erstes Projekt initiieren. Auch wenn der Hochsicherheitsbereich im Verwaltungsapparat ein verhältnismäßig „kleiner“ Bereich sei, sei er dennoch essenziell für resilientes staatliches Handeln, betont Ziesmer. Der VS-IT-Showroom für Hochsicherheitsprodukte soll dafür seinen Beitrag leisten, resümieren Zimmermann und Ziesmer

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wähnten Krankenhäusern und Behörden zu erhöhen. Die Lösung von Aruba unterstützt Behörden bei der Implementierung von Zero-Trust-Prinzipien, um die NIS2Konformität ihrer Sicherheitsinfrastruktur zu gewährleisten.

sen für den Remote-Zugriff auf Anwendungen keine Firewall-Ports für den Zugriff von außen geöffnet werden. Gemäß dem Zero-TrustPrinzip Least Privilege Access wird ein Eins-zu-eins-Zugriff auf die einzelne angefragte Ressource und nicht auf das gesamte Netzwerksegment gewährt. Dadurch kann das sogenannte Lateral Movement, wie es bei Ransomware-Angriffen häufig von Angreifern verwendet wird, verhindert werden.

Neue Sicherheitsansätze für NIS2Konformität

Die Lösung, die HPE Aruba Networking gemeinsam mit Systemintegratoren als Managed Service anbietet, ist besonders relevant für Behörden, Krankenhäuser und andere öffentliche Einrichtungen, die hybrides Arbeiten ermöglichen oder Dritte beschäftigen. Durch die Kombination von lokaler Datenverarbeitung und modernster Cloud-Authentifizierung wird eine sichere und benutzerfreundliche Umgebung geschaffen. Der Einsatz moderner Cloud-Technologien erleichtert die Verwaltung der Lösung über eine einfache Oberfläche. Der Bedarf an Schutzmechanismen dieser Art wächst zudem durch die EU-Richtlinie NIS2, die darauf abzielt, die Cyber-Sicherheit in kritischen und wichtigen Einrichtungen wie den bereits er-

Infrastrukturen modernisieren Die zunehmende Bedrohung durch Cyber-Angriffe, der akute Fachkräftemangel und veraltete IT-Infrastrukturen erhöhen den Handlungsdruck im öffentlichen Sektor. Die Einführung von Cloud-basierten Sicherheitslösungen wie Zero Trust Network Access (ZTNA) und Secure Service Edge (SSE) bietet eine Alternative, um Sicherheitslücken zu schließen, den Mangel an IT-Experten abzufedern und die digitale Transformation voranzutreiben. So profitieren Behörden und öffentliche Einrichtungen von verbesserter Sicherheit, Benutzerfreundlichkeit und NIS2-Konformität. Um die öffentliche Verwaltung zukunfts- und leistungsfähiger zu machen, sind weitere Investitionen in moderne und sichere Infrastrukturen unumgänglich.

Jan-Lukas Wennemar ist Vertriebsleiter Öffentliche Auftraggeber bei HPE Aruba Networking. Foto:BS/Privat

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer wird bei einem Besuch des Show-Rooms von BSI-Präsidentin Claudia Plattner in Empfang genommen. Foto: BS/BSI

Tatsächlich dürfte aber kein Unternehmen, das überhaupt IT nutzt, ohne Open Source auskommen, denn so gut wie jede kommerzielle Software wurde mit OpenSource-Komponenten entwickelt, z. B. mit der Sicherheitsbibliothek OpenSSL. Geschätzt mehr als drei Viertel der Menschen in Deutschland nutzen das Open-ContentProjekt Wikipedia. Dazu kommt die indirekte Nutzung z. B. über Suchmaschinen wie Google, die Wikipedia zum Befüllen von Infokästen nutzen, oder KI-Assistenten wie ChatGPT, deren Sprachmodelle mit Artikeln der Wikipedia trainiert werden.

Open Content ist anfällig Dieser Erfolg macht Open Source und Open Content auch zu besonders attraktiven Zielen für Cyber-Angriffe und Beeinflussungskampagnen. Es gibt viele Beispiele kritischer Schwachstellen in OpenSource-Software, z. B. Heartbleed (in OpenSSL 2014) und Log4-Shell (in Apache Log4j 2021), beides Schwachstellen mit besonders großem Schadenspotenzial. Eine gezielt eingebaute, kritische Hintertür wurde Anfang 2024 in der Linux-Bibliothek XZ Utils entdeckt. In Wikipedia finden sich regelmäßig Beispiele für Desinformation. Beispielsweise manipulierte nach dem 7. Oktober 2023 eine Gruppe propalästinensischer Autoren gezielt in der englischen Wikipedia Artikel mit Bezug zu Israel, Palästina und palästinensischen Terrororganisationen. Zionismus wurde zu einer

B

ehörden Spiegel: Wie hat sich das Arbeitsumfeld für Behörden in den letzten Jahren verändert und welchen Einfluss hat das auf die IT-Sicherheitsarchitektur?

Dominik Kammerloher: Auch Behörden sind direkt von den Entwicklungen der letzten Jahre betroffen. Auf der einen Seite nutzen viele Mitarbeitende ganz oder teilweise Telearbeitsangebote, sind also beispielsweise vom Home Office oder von unterwegs aus tätig. Auf der anderen Seite sehen wir, dass Behörden verstärkt mit externen Dienstleistern kooperieren und Services auslagern, die sie möglicherweise früher selbst bereitgestellt haben – od er neu implementieren. Das bedeutet, dass die Organisationen Remote-Zugriffsmöglichkeiten von außen auf Ressourcen in ihren Netzwerken bereitstellen müssen – und sich somit stärker im digitalen Raum exponieren. Das ist nicht ohne Risiko: Wenn der Zugang unzureichend abgesichert ist, können unter Umständen Cyber-Kriminelle, ausländische Dienste und deren Sympathisanten über diese Schwachstelle ins Netzwerk eindringen, sich lateral darin vorarbeiten und letztlich großen Schaden anrichten. Diesen potenziellen Angriffsvektor gilt es also auszuschalten. Hinzu kommt: Auch Behörden wollen zunehmend von den Vorteilen moderner Cloud-Umgebungen profitieren. Etwa, um Services bedarfsgerecht skalieren und so letztlich kosteneffizient nutzen zu können. All dies erhöht die Anforderungen an die IT-Sicherheitsarchitekturen.

Behörden Spiegel: Welche Anforderungen stellen moderne Arbeitsumgebungen, User und Anwendungen an solche Remote-Zugriffslösungen?

Kammerloher: Wichtig ist, dass die Lösungen einfach zu administrieren

Vertrauen: gut, Kontrolle: besser

Auch bei Open Source und Open Content

(BS/Prof. Dr. Haya Schulmann/Prof. Dr. Michael Waidner) Open Source, Open Content, Open Data, Open Hardware haben sich zu wichtigen, zentralen Bausteinen unserer digitalen Welt entwickelt. Laut Bitkom nutzen 69 Prozent aller Unternehmen bewusst Open-Source-Software, z. B. das Betriebssystem Linux.

Form des Kolonialismus, die Hamas von einer Terrororganisation zu einer sozialen und politischen Bewegung. Wikipedia enthält einen Bereich, in dem Änderungen an Artikeln diskutiert und angefochten werden können, und Mechanismen, die über Konflikte entscheiden und so diese Art von Manipulationen eigentlich verhindern sollen. Allerdings sind alle Mechanismen konsensbasiert und kosten viel Zeit, was sie empfindlich gegen Überlastungsangriffe durch große Gruppen macht.

In den Anfangsjahren von Open Source und Open Content glaubten viele, Offenheit würde von selbst für mehr Sicherheit und Qualität sorgen. Wenn alle den Code und Content sehen können, dann müssten doch Sicherheitsprobleme und falsche Inhalte schnell auffallen. Leider hat sich diese Hoffnung nicht erfüllt. Transparenz bedeutet noch nicht, dass auch tatsächlich viele hinschauen. Hinschauen alleine genügt auch nicht, man muss Fehler systematisch suchen. Studien, die Open und Closed Source vergleichen, kommen daher meist zum Schluss, dass die Offenheit an sich kaum Einfluss auf Sicher-

heit und Qualität hat. Sehr viel wichtiger sind die Maßnahmen zur Qualitätskontrolle, z. B. Entwicklungsprozesse, Testwerkzeuge und Code Reviews, und damit verbunden die materielle Ausstattung von Entwicklungsprojekten. Gut organisierte und z. B. von Stiftungen oder Unternehmen ausreichend und langfristig finanzierte OpenSource-Projekte liefern in etwa dieselbe Sicherheit und Qualität wie kommerzielle Software und auch eine ähnliche Wartungssicherheit. Ähnliches gilt für Unterschiede zwischen Wikipedia und klassischen Enzyklopädien. Studien legen nahe, dass die englische Wikipedia im Vergleich zur Encyclopedia Britannica etwas mehr faktische Fehler pro Artikel enthält und politisch nach links neigt. Der strikte, kompetenzbasierte Redaktionsprozess klassischer Enzyklopädien führt also zu etwas besseren und ausgewogeneren Artikeln.

OSS braucht Entwicklungsprozesse Sicherheit und Qualität kommen nicht von alleine, sie sind kein Nebenprodukt der Offenheit, sondern sie kosten immer Aufwand und Geld, bei geschlossenen wie

bei offenen Angeboten. WIr sollten uns vom Irrglauben verabschieden, die Möglichkeit, auf Source Code zuzugreifen, führe automatisch dazu, dass Probleme schnell erkannt werden und Qualität ließe sich über Konsens erreichen und Kompetenz durch Aktivität ersetzen. OpenSource-Software braucht professionelle, auf Sicherheit ausgerichtete Entwicklungsprozesse, Open Content effiziente, auf Qualität, Fakten und Kompetenz ausgerichtete Redaktionsprozesse. Beides muss nach außen so sichtbar gemacht werden, dass die Nutzer darauf ihr Vertrauen aufbauen können. Die notwendigen Prozesse existieren, die Projekte müssen es nur anwenden, also den dafür notwendigen Willen haben und über die notwendige Governance und Finanzierung verfügen.

Mit Offenheit zu digitaler Souveränität Offene Angebote leisten wichtige Beiträge zu Innovation und digitaler Souveränität. Open Source erleichtert die Interoperabilität und macht damit Anwender unabhängiger von einzelnen Anbietern. SoftwareHersteller profitieren vom Innovationspotenzial und dem geteilten Aufwand. Wir wollen und können weder auf Open Source noch auf Open Content verzichten. Folglich müssen wir auch in diese Angebote investieren. Open Source und Open Content müssen besser und verlässlicher finanziert werden, von Wirtschaft und vom Staat. Insbesondere dort, wo der Staat finanziert, müssen sich Projekte auch in die Pflicht nehmen lassen, alles Notwendige für Sicherheit und Qualität zu unternehmen. Die Angst vor Einfluss und Zensur sollte gegen das Risiko durch schlechten, korrumpierten Code und verfälschte oder einseitige Information abgewogen werden.

Moderne IT-Arbeitsplätze

Anwendungsspezifischer, identitätsbasierter Remote-Zugriff auf interne Anwendungen (BS) Vermehrte Telearbeit, verstärkter Einsatz externer Dienstleister, fehlende Ressourcen: Auch Behörden müssen sich an variierende Rahmenbedingungen anpassen – und sollen gleichzeitig sichere Arbeitsumfelder bereitstellen.

Der Behörden Spiegel sprach mit Dominik Kammerloher, Abteilungsleiter Strategy bei der genua GmbH, über mögliche Lösungen für die gestiegenen Anforderungen.

sind und für Endanwender möglichst transparent funktionieren. Am besten sollte der berechtigte Zugriff auf eine Anwendung ohne eine weitere Nutzeraktion möglich sein – also etwa ohne erneutes Anmelden und Authentifizieren für den Aufbau einer Remote-Verbindung. Darüber hinaus sollten die Lösungen auf möglichst vielen Endgeräten funktionieren. Denn auch das ist heute Realität: Remote-Anwender nutzen längst nicht mehr nur einen stationären Desktop-PC für ihre Tätigkeiten, sondern ein ganzes Spektrum von Geräten –vom Notebook über Tablets bis zum Smartphone.

Behörden Spiegel: Bislang sind VPN-Lösungen das Mittel der Wahl für Remote-Access. Haben diese auch Einschränkungen?

Kammerloher: Virtuelle private Netze sind in vielen Fällen weiterhin relevant. Sie erfordern allerdings einen gewissen administrativen Aufwand, nicht zuletzt durch den VPN-Client auf den Endgeräten. Es gibt zudem Situationen, in denen ein VPN-Client nicht genutzt werden kann – etwa weil ein Dienstleister die Installation auf dem Endgerät nicht zulässt. Je nach Anwendungsfall ist der Einsatz eines VPNs nicht unbedingt erforderlich. Ein Beispiel: Wenn eine Behörde nur punktuell und möglicherweise temporär begrenzt Zugriff auf bestimmte Ressourcen in ihrem Netzwerk erteilen möchte – etwa auf Lieferantenportale für Lieferketten oder für Audits – sollte sie Alternativen in Betracht ziehen.

Behörden Spiegel: Welche Alternative käme denn für den beschriebenen Anwendungsfall infrage?

Kammerloher: Hier möchte ich Zero Trust Application Access, kurz ZTAA, nennen. Eine Zugangstechnologie, die Remote-Anwendern einen kontrollierten, anwendungsspezifischen und identitätsbasierten Zugriff auf Ressourcen innerhalb des Netzwerks einer Organisation –etwa einer Behörde – bereitstellt.

Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Annahme, dass Fehler unvermeidlich sind – sich deren Auswirkungen aber durch ein robustes, fehlerbewusstes Design der IT-Infrastruktur minimieren lassen. Dieses Design folgt dem Zero-Trust-Grundsatz: Vertraue niemandem, nicht einmal dir selbst. Eine ZTAA-Lösung wie genu sphere von genua setzt daher auf

ein feingranulares Berechtigungsmanagement, das dem Prinzip der minimalen Rechtevergabe folgt: User erhalten abhängig von ihrer Identität ausschließlich Zugriff auf für sie freigegebene Anwendungen. Die Integration von Identity-Providern wie Microsoft Entra ID und Keycloak sorgt dafür, dass Administratoren die Nutzerrechte komfortabel verwalten können. Verbindungen zwischen Usern und Anwendungen werden anhand von Rollen und Geschäftsrichtlinien hergestellt – und zwar von innen aus dem Netzwerk heraus nach außen. Die vollständige Verschlüsselung der übertragenen Daten erhöht die Informationssicherheit zusätzlich. Auf diese Weise erhalten Behörden auch die Möglichkeit, Legacy-Web- und Windows-Applikationen weiterzubetreiben, restriktiv eingesetzte Anwendungen abzusichern oder auch temporäre Zugänge für externe Nutzer einzurichten.

Behörden Spiegel: Welche Vorteile hat der On-Premise-Betrieb einer solchen Lösung – und wie können Behörden davon profitieren?

Kammerloher: Als selbst hostende Einrichtungen behalten Behörden sämtliche Daten unter ihrer Kontrolle – dies ist ein wichtiger Baustein für ihre digitale Souveränität. Zudem müssen sie sich nicht mit möglicherweise komplexen Fragestellungen rund um Cloud Governance mit externen Anbietern auseinandersetzen. Darüber hinaus laufen sie nicht in die Gefahr eines Vendor Lock-ins auf Plattformen der großen Hyperscaler, da sie die

Prof. Dr. Haya Schulmann ist Professorin am Institut für Informatik der Goethe-Universität Frankfurt am Main und Mitglied im Direktorium des Nationalen Forschungszentrums für angewandte Cybersicherheit ATHENE. Foto: BS/Farideh Diehl

Prof. Dr. Michael Waidner ist Professor am Fachbereich Informatik der Technischen Universität Darmstadt, Leiter des Fraunhofer-Instituts für sichere Informationstechnologie SIT und CEO von ATHENE. Foto: BS/privat

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Kontrolle über ihre eigene Betriebsumgebung behalten.

Behörden Spiegel: Wie aufwendig ist der Einsatz einer ZTAA-Lösung für Administratoren und was ändert sich für die Endnutzer?

Kammerloher: Anwenderseitig kommt zum Beispiel unsere ZTAALösung genusphere ohne spezielle Client-Software aus. Ein StandardWebbrowser bildet das Portal für den Zugriff auf netzwerkinterne Applikationen. Das vereinfacht die Handhabung und das Management der Lösung. Und es ist die vielleicht größte Umstellung für Anwender: Sie starten zum Beispiel Windows-Applikationen nicht per Doppelklick, sondern über einen Link im Browser.

Behörden Spiegel: Wird ZTAA klassische VPN-Lösungen ersetzen?

Kammerloher: Davon gehe ich nicht aus. Aus meiner Sicht ergänzen sich die beiden Technologien vielmehr sehr gut. Je nach Schutzanforderung und Anwendungsfall kann es zum Beispiel zwingend erforderlich sein, ein VPN etwa mit unserer genuconnect-Lösung aufzubauen, um darüber VS-NfDkonforme Kommunikation zu ermöglichen.

In anderen Fällen wiederum kann ZTAA seine Stärken ausspielen –etwa wenn es darum geht, unkompliziert identitätsbasiert temporäre und dennoch sichere Zugänge für dedizierte Applikationen einzurichten. Zero Trust Application Access lässt sich darüber hinaus mit VPN-Lösungen kombinieren, um den Zugriff auf IT-Systeme noch besser abzusichern. Denn je weniger Zugriffsmöglichkeiten ein Endnutzer hat, desto kleiner ist auch die Angriffsfläche. Selbst über einen kompromittierten Benutzeraccount kann sich ein Angreifer nicht lateral im Netzwerk ausbreiten.

Dominik Kammerloher ist Abteilungsleiter Strategy bei der genua GmbH. Foto: BS/genua

Sicherheit & Verteidigung

Behörden Spiegel Berlin und Bonn / Januar 2025

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2025 steht im Zeichen von SDD

(BS/Jonas Brandstetter) Software Defined Defence soll die Streitkräfte der Zukunft prägen. Die Voraussetzungen dafür will die Bundeswehr in diesem Jahr schaffen. Es steht viel auf dem Spiel: Die Zukunft des Fähigkeitsaufbaus wird in Nullen und Einsen geschrieben.

Die Bundeswehr steht vor einem Problem: immer kürzer werdenden Entwicklungszyklen. Hochpotenter Software stehen Plattformen gegenüber, die wahlweise bereits 40 Jahre alt sind oder die nächsten 40 Jahre im Einsatz verbleiben. „Die Technologie entwickelt sich aktuell in einer derart hohen Geschwindigkeit, die die Streitkräfte und ihre bisherigen Operationsgrundsätze vor massive Herausforderungen stellt“, bringt Generalleutnant Michael Vetter, Abteilungsleiter Cyberund Informationstechnik (CIT) im Bundesministerium der Verteidigung (BMVg), die Gemengelage auf den Punkt. Der Leiter des Cyber Innovation Hubs (CIHBw), Sven Weizenegger, machte das Problem anhand eines Rechenbeispiels deutlich: 70 bis 80 Prozent des Fähigkeitsaufwuchses würden in Zukunft durch Software erzeugt. Und Vetter stellte klar: Damit die Streitkräfte handlungsfähig bleiben, sei es deshalb entscheidend, auch Legacy-Plattformen so zu modernisieren, dass diese durch Software-Updates kontinuierlich in ihrem Kampfwert gesteigert werden können. Software Defined Defence (SDD) nennt die Bundeswehr dieses Konzept. Das ist keine Neuigkeit. Bereits seit anderthalb Jahren arbeiten das BMVg und die Bundeswehr daran, das SoftwarePrisma zum zentralen Blickwinkel aller Systeme der Streitkräfte zu machen. 2025 sollen wichtige Meilensteine erreicht werden.

Die Software Factory startet die Förderbänder Zu diesen Meilensteinen gehört die Eröffnung der sogenannten Software Factory. Dabei handelt es sich um ein Gemeinschaftsprojekt der Bundeswehr und ihres Digitalisie-

rungsdienstleisters, der BWI GmbH. Durch die Zusammenführung von Programmierfähigkeiten aus beiden Institutionen soll die Factory Software an die Bedarfe der Bundeswehr angepasst werden. Konkret handelt es sich dabei um das Zentrum Digitalisierung mit etwa 30 Mitarbeitenden sowie der ehemaligen Entwicklungsplattform, BWI-Plattform 42, für die 50 weitere Personen coden.

Dieser bundeswehrinterne Aufbau stelle laut Vetter aber nur einen ersten Aufschlag für die Software Factory dar. Das langfristige Ziel müsse vielmehr sein, auch die Industrie in die Prozesse einzubinden. Zwar handele es sich dabei um ein Zukunftsprojekt, erste Pilotierungen seien aber bereits für das kommende Jahr vorgesehen. Anhand einer einstelligen Anzahl Prototypen plant die Bundeswehr, erste Erkenntnisse über Chancen und Möglichkeiten industrieller Beteiligung an der Software Factory zu sammeln. Sollte das Experiment erfolgreich sein, käme das laut Vetter einem Paradigmenwechsel gleich.

Von unten heraus wirken SDD wird für den CIHBw ein Schwerpunktthema sein. Dabei bedient sich das „Einhorn der Truppe“ eines gänzlich anderen Ansatzes. Gerade der Bottom-up-Approach sei laut Weizenegger die Stärke des Hubs. Folgerichtig wird der HUB auch mit dem Thema SDD in die Truppe gehen. Die Innovation-Teams werden das Prinzip SDD erläutern und gemeinsam mit Soldatinnen und Soldaten Themen definieren, in denen das Prinzip aktuelle Probleme und Herausforderungen lösen kann. Darüber hinaus plant der CIHBw im kommenden Jahr einen Inno-

vations-Wettbewerb zum Thema sowie Workshops und Coachings. Es geht aber nicht nur darum, eine Idee zu veranschaulichen. Der Cyber Hub möchte das offene Ohr für die Truppe sein und Probleme in der täglichen Arbeit erkennen und weitergeben. Die Erkenntnisse aus

„Die Technologie entwickelt sich aktuell in einer derart hohen Geschwindigkeit, die die Streitkräfte und ihre bisherigen Operationsgrundsätze vor massive Herausforderungen stellt.“

Michael Vetter, Abteilungsleiter Cyberund Informationstechnik (CIT) im Bundesministerium der Verteidigung (BMVg)

diesen Bemühungen können in konkreten Projekten münden. Das sei aber keine Zwangsläufigkeit, wie Weizenegger betonte. Zusätzlich hat sich der Hub zum Ziel gesetzt, im kommenden Jahr ein Whitepaper zum Thema zu veröffentlichen.

Soft- und Hardware entkoppeln Eine derartige Verständnisoffensive erachtet Weizenegger für notwendig, weil Soft- und Hardware bei der Bundeswehr noch allzu oft zusammen gedacht würden. Dabei sei gerade die Trennung dieser beiden Sphären die Kernidee der SDD. Wie man besagte Trennung bewerkstelligt, erörterte der Hub im Rahmen

des Innovationsvorhabens Nr. 171, Unified Drone Operating System (uDOS). Anspruch ist es, ein einheitliches Drohnenbetriebssystem für alle Drohnentypen innerhalb der Streitkräfte zu etablieren. Um die angestrebten Meilensteine im Bereich SDD im kommenden Jahr zu erzielen, sind Investitionen notwendig. Finanzielle Aufwendungen müssen unter den Bedingungen der vorläufigen Haushaltsplanung genehmigt werden. Diese Umstände stehen den Ambitionen laut Vetter aber nicht im Weg. Die Arbeiten zur umfassenden Digitalisierung der landbasierten Operationen werden mit Hochdruck vorangetrieben. Ziel bleibt weiterhin die Bereitstellung einer „digitalisierten Division“ bis Ende 2027 sowie die Digitalisierung aller geeigneten Bestandsplattformen der Landstreitkräfte, kündigte Vetter an. Das ist auch dringend notwendig, denn wie der Digitalisierungsverantwortliche des BMVg zugab, laufe die Bundeswehr der technologischen Entwicklung noch hinterher. Sollte die Digitalisierung der Landstreitkräfte aber wie anvisiert bis 2030 gelingen, sei man hingegen schlagartig weltweit führend. Endspurt zum Jahreswechsel Ein Auftakterfolg auf dem Weg zu diesem Ziel gelang der scheidenden Regierung kurz vor dem Jahreswechsel. Die Vertreterinnen und Vertreter des Haushaltsausschusses einigten sich trotz parteipolitischer Gräben auf 38 25-MillionenEuro-Vorlagen. Nach dem Bruch der Ampelkoalition machte erst die Zustimmung der CDU/CSU-Fraktion eine Mehrheit für die Sondervorlagen möglich. CDU-Haushaltspolitiker Ingo Gädechens stellte klar, dass seine Partei den Vorschlägen zugestimmt habe, weil die CDU die

Bundeswehr bestmöglich ausstatten wolle. Die Finanzierung der Beschaffungsvorhaben in Höhe von rund 21 Milliarden Euro erfolgt über das Sondervermögen, über den Einzelplan 14 sowie über den Einzelplan 60. Darunter fielen auch einige Schwergewichte im Zusammenhang mit SDD. Systemintegrationen im Rahmen der Digitalisierung landbasierter Operationen (D-LBO) gehören mit einem Vertragswert von 1,2 Milliarden Euro zu den monetär bedeutendsten Vorlagen. Konkret ist Rheinmetall zusammen mit der blackned GmbH beauftragt, 10.000 Kampf- und Unterstützungsfahrzeuge der Bundeswehr umzurüsten. Bis Mitte 2030 soll die neue Technologie in mehr als 10.000 Fahrzeuge integriert werden. Diesen hardwarebezogenen Anteil, der die vorgelagerte Umrüstung der Fahrzeug- und Plattformsysteme beinhaltet, beauftragte die Bundeswehr in einem zweiten Beschaffungsvertrag. Vertragsnehmer ist in diesem Fall die ArGe D-LBO, bestehend aus der Rheinmetall Landsysteme GmbH sowie der KNDS Deutschland GmbH & Co. KG. „Die neue Technologie wird die Führungsfähigkeit der Heeresverbände erheblich steigern und die Interoperabilität innerhalb der Bundeswehr und zu den NATO-Partnern verbessern“, sagte Armin Papperger, Vorstandsvorsitzender der Rheinmetall AG.

Im Hinblick auf die ambitionierten Ziele für SDD startet das Jahr also vielversprechend. Das hohe Tempo entspricht dem Anspruch, die Digitalisierung der Landstreitkräfte bis 2030 abzuschließen. Sich vom Digitalisierungsnachzügler zum Klassenprimus zu steigern, ist ein Kraftakt.

Behörden Spiegel: Bundesinnenministerin Nancy Faeser sprach in der Pressekonferenz zur Innenministerkonferenz von guter Zusammenarbeit und Einigkeit hinsichtlich des Sicherheitspakets. Wie unterscheidet sich das Paket, auf welches sich die Innenministerinnen und Innenminister geeinigt haben, mit dem im Bundesrat abgelehnten Paket? Wie bewerten Sie diese Änderungen?

Thomas Strobl: Es sind bewegte Zeiten, das spüren wir auch bei uns in Deutschland. Gerade in diesen Zeiten gilt: Die Innere Sicherheit ist unerlässliche Voraussetzung für das gesellschaftliche und demokratische Miteinander. Deshalb haben wir bei der Innenministerkonferenz bei vielen wichtigen Themen Entscheidungen getroffen, die das Bedürfnis der Menschen nach Sicherheit stärken. Wir haben gezeigt: Die Demokratie ist handlungsfähig. Der Bundesrat hat einen Teil des Sicherheitspakets abgelehnt. Das war der Teil, den die Ampel derart abgeschwächt hat, dass er praktisch wirkungslos gewesen wäre. Der Beschluss, den die Innenministerkonferenz nun gefasst hat, ist ein großer Schritt hin zu mehr Befugnissen für unsere Sicherheitsbehörden. Alle Innenministerinnen und Innenminister der Länder fordern gemeinsam etwa die Verkehrsdatenspeicherung und angemessene Mindestspeicherfristen von IP-Adressen, eine einzelfallbezogene, verfahrensübergreifende automatisierte Recherche und Analyse von Daten und den Einsatz biometrischer Gesichtserkennung in Echtzeit. Alles in allem ist das ein Beschluss für mehr Sicherheit in Deutschland.

Behörden Spiegel: Die Innenminister und Innenministerinnen haben sich – auch im Zuge der Gespräche über das Sicherheitspaket – auf die Notwendigkeit einer Speicherpflicht für IP-Adressen geeinigt. Welche kon-

D as zunächst in Teilen gescheiterte Sicherheitspaket war eines der zentralen Themen bei der letzten IMK-Herbsttagung im brandenburgischen Rheinsberg. So konnten sich die SPD- und UnionsInnenminister und -innenministerinnen sowohl auf einen Rahmen zur Vorratsdatenspeicherung als auch auf die Ausweitung der Befugnisse von Sicherheitsbehörden im Kampf gegen den Terrorismus einigen

Nachdem Bundesinnenministerin

Nancy Faeser (SPD) das Paket als Reaktion auf den Anschlag in Solingen präsentiert hatte, scheiterte es im Oktober jedoch schließlich im Bundesrat. Kritik an dem Gesetzesentwurf gab es hauptsächlich aus den Reihen der Union. So hatte unter anderem der Innenminister Baden-Württembergs, Thomas Strobl (CDU), das Gesetz als „Bonsai-Sicherheitspaketchen“ kritisiert. Es fehle dem Paket an Durchschlagskraft für mehr Sicherheit im Land.

Nächster Halt:

Vermittlungsausschuss

Auf diese „Durchschlagskraft“ konnten sich zumindest die Innenminister schließlich einigen. Die letzten Streitpunkte seien ausgeräumt worden, sagte der brandenburgische Innenminister Michael Stübgen (CDU) und warf einen optimistischen Blick in die Zukunft. Der Weg für eine Einigung im Vermittlungsausschuss sei damit nun frei.

Krisen kennen keine Grenzen

Der Werkzeugkasten der Polizei in BaWü ist gut bestückt

(BS) Die Verlagerung der Kriminalität ins Digitale schreitet weiter voran. Den neuen Herausforderungen müssen sich die deutschen Sicherheitsbehörden stellen. Über einen gesetzlichen Rahmen und einen Blick auf das beginnende Jahr 2025 hat der Baden-Württembergische Innenminister und stellvertretende Ministerpräsident Thomas Strobl (CDU) mit dem Behörden Spiegel gesprochen. Die Fragen stellte Mirjam Klinger.

kreten Maßnahmen können Ihrer Meinung nach dazu beitragen, dass diese Speicherung nicht nur effektiv zur Bekämpfung schwerer Kriminalität eingesetzt wird, sondern gleichzeitig auch die Datenschutzrechte der Bürgerinnen und Bürger gewahrt bleiben?

Strobl: Schon seit einiger Zeit beobachten wir, dass sich schwere Straftaten zunehmend in das Internet verlagern. Um den Strafverfolgungsbehörden eine Identifizierung der Straftäterinnen und Straftäter zu ermöglichen, ist deshalb eine Mindestspeicherpflicht von IP-Adressen unverzichtbar. Das von der Ampel – maßgeblich von der FDP –vorgesehene Quick-Freeze-Verfahren ist gerade nicht ausreichend. Denn für die Ermittlungen wichtige Daten werden von den Providern entweder überhaupt nicht gespeichert oder sind oft bereits gelöscht, bevor die Polizei überhaupt von der Straftat weiß. Der Europäische Gerichtshof hat zur Speicherung von IP-Adressen eine deutliche und unmissverständliche Rechtsprechung entwickelt und dabei auch die Datenschutzrechte der Bürgerinnen und Bürger sehr sorgfältig abgewogen. Der Europäische Gerichtshof gibt einen klaren Rahmen vor – und wenn wir diesen Rahmen einhalten, tragen wir damit auch dem Datenschutz Rechnung.

Behörden Spiegel: Im Hinblick auf die Verlagerung der Kriminalität in den digitalen Raum – wie beurteilen Sie den aktuellen Stand der Digitalisierung innerhalb der Sicherheitsbehörden in Baden-Württemberg?

Scheitern von Ideen zulässt, um Innovationen rasch vo-ranzubringen. Diesen Weg wollen wir weitergehen. Mit dem Haushalt für die Jahre 2025 und 2026 bauen wir für unsere Polizei und unsere Sicherheitsbehörden jetzt ein hochmodernes, neues IT-Umfeld auf, mit dem unsere Polizistinnen und Polizisten noch einmal ganz andere Möglichkeiten haben, um vor die Lage zu kommen. Wenn man alles zusammenrechnet, von der Kriminalitätsbekämpfung bis zur Strafverfolgung und Prävention, auch in anderen Ressorts, investieren wir insgesamt rund eine halbe Milliarde, also 500 Millionen Euro, in die Innere Sicherheit.

lamismus, Reichsbürger und Selbstverwalter, Staatsdelegitimierer oder Spionage und Cyber-Abwehr. Aus diesem Grund wird Baden-Württemberg das Landesamt für Verfassungsschutz durch neue Stellen und mehr Sachmittel zusätzlich stärken. Mit den zusätzlichen Geldern bauen wir beispielsweise eine Task Force Desinformation beim Landesamt für Verfassungsschutz auf. Das ergänzen wir mit einem Staatsschutz- und Anti-Terrorismuszentrum bei der Polizei.

Behörden Spiegel: Mit Blick auf das Jahr 2025 – welche prioritären Aufgaben und Maßnahmen sehen Sie für die Innere Sicherheit in Baden-Württemberg und Gesamtdeutschland?

Welche weiteren technologischen Entwicklungen sind notwendig, um den Strafverfolgungsbehörden ein noch effektiveres Handeln zu ermöglichen?

Strobl: Die Digitalisierung verändert die Welt. Das erfordert auch eine zeitgemäße und hochmoderne technische Ausstattung unserer Polizei. Dazu haben wir in Baden-Württemberg ein Innovation Lab – kurz: iLab –ins Leben gerufen. Mit Weitblick, Erfindergeist und dem Mut, Neues auszuprobieren, testen wir im iLab technische Innovationen schnell auf ihre Praxistauglichkeit im Alltag unserer Polizistinnen und Polizisten. So begründen wir eine Innovationskultur, die Experimente bis hin zum

Behörden Spiegel: In Bezug auf die Prävention von Extremismus und Radikalisierung, insbesondere auch im digitalen Raum, gibt es in Baden-Württemberg zahlreiche Initiativen. Welche weiteren Schritte sind notwendig, um Extremismus frühzeitig zu erkennen und effektiv zu bekämpfen?

Strobl: Um Extremismus überhaupt erkennen und wirksam bekämpfen zu können, brauchen wir zuerst einmal einen starken Verfassungsschutz. Der Verfassungsschutz ist das Frühwarnsystem für unsere Demokratie – und dieses Warnsystem ist in jüngster Zeit stark gefordert. Die Gefahr durch Extremisten ist höher als je zuvor. Unsere Demokratie steht massiv unter Druck. Dabei handelt es sich um eine multiple und hybride Bedrohungslage. Alle Bereiche sind gleichermaßen betroffen – seien es Rechts- oder Linksextremismus, Is-

Einigkeit und Recht und Sicherheit

Ein Auf und Ab für das Paket ohne Abschluss

(BS/mk) Auf mehr Befugnisse für die Sicherheitsbehörden einigten sich die Innenministerinnen und Innenminister von Bund und Ländern noch während der Herbsttagung der Innenministerkonferenz (IMK) im vergangenen Jahr. Das Sicherheitspaket schien dadurch zunächst auf einem guten Weg. Doch nach langen Debatten, dem Terroranschlag in Magdeburg und Silvester-Ausschreitungen hängt es nun weiter am seidenen Faden.

Anders als beim Sicherheitspaket konnten die Innenministerinnen und Innenminister bei den Fragen zur Migration keinen Konsens finden. „Der aus unserer Sicht entscheidende Schritt – nämlich Zurückweisungen an der Grenze – ist mit der Bundesregierung offensichtlich nicht zu gehen“, bedauerte der Bayerische Innenminister, Joachim Herrmann (CSU) (4. v. r. vorne) Foto: BS/MIK Brandenburg, imk2024.de

„Ich bin froh und dankbar, dass heute der Beschluss zum Sicherheitspaket getroffen wurde“, begrüßte auch die Bundesinnenministerin die Einigung. So könne das Sicherheitspaket nun noch innerhalb der laufenden Legislaturperiode abgeschlossen werden. „Wir waren uns bei dieser Innenministerkonferenz einig, welche neuen Befugnisse unsere Sicherheitsbehörden angesichts der aktuellen Bedrohungen brauchen“, erklärte Faeser . „Wir müssen Terrorverdächtige, Mörder und Vergewaltiger mit KI-basierter Gesichts- oder Stimmerkennung identifizieren können.“ Außerdem brauche es eine rechtssichere Speicherpflicht für IP-Adressen. Im gescheiterten Gesetzesentwurf war die Vorratsdatenspeicherung noch nicht zu finden gewesen. Laut der Innenministerin ist es jedoch durchaus vorstellbar, dass diese als Teil des Sicherheitspakets nun doch verabschiedet werde. Die FDP-Fraktion hatte vor dem Ende der Ampel-Regierung die Mindestspeicherung von IP-Adressen noch blockiert. Trotz der Anfang

Strobl: Im Jahr 2025 liegen große Herausforderungen vor uns – etwa die schlechte wirtschaftliche Lage in Deutschland, das weltweite Erstarken von Extremisten und auch schwere Überflutungen und Waldbrände als Auswirkungen des Klimawandels – um nur ein paar wichtige Punkte zu nennen. Alle diese Entwicklungen haben auch Auswirkungen auf die Sicherheitslage bei uns. Deshalb müssen wir die Polizei, den Verfassungsschutz und den Bevölkerungsschutz stärken. Im Bereich der Inneren Sicherheit brauchen unsere Sicherheitsbehörden zeitgemäße rechtliche Möglichkeiten, eine moderne Ausstattung und ausreichend Personal. Mit Blick auf die Migration müssen wir die irreguläre Migration dringend spürbar reduzieren, um Bund, Länder und insbesondere die Kommunen bei der Bewältigung des Migrationsgeschehens nachhaltig zu entlasten. Nicht zuletzt haben der Klimawandel und auch die Corona-Pandemie gezeigt: Krisen kennen keine Grenzen. Darauf müssen wir uns vorbereiten, Vorsorge treffen und den Katastrophen- und Zivilschutz so aufstellen, dass er die künftigen Herausforderungen auch bewältigen kann.

Dezember noch optimistischen Worte hinsichtlich der Zukunft des Pakets folgten keine Taten. Zwar entfachte nach dem Anschlag in Magdeburg die politische Debatte um die Innere Sicherheit erneut, doch konkretes Handeln resultierte daraus bisher nicht. Die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Andrea Lindholz , kritisierte gezielt Bundesinnenminierin Faeser dafür. Diese habe bis jetzt den Vermittlungsausschuss noch nicht angerufen. Wenn es Faeser ernst meine, müsse dies jetzt jedoch tun. „So könnte noch in dieser Legislaturperiode das von uns geforderte 'Sicherheitspaket Plus' mit einem echten Mehrwert für die Bekämpfung von Terrorismus, Kinderpornografie und weiteren schwere Straftaten in Kraft treten“, so Lindholz

Handlung dringend notwendig Bereits in der Vergangenheit hatte der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, immer wieder einen Richtungswechsel der Inneren Sicherheit gefordert. Hinsichtlich des neuen Jahrs erklärte Wendt nun: „Ohne drastische Veränderungen in der Sicherheitspolitik werden Bandenkriege, Terroranschläge, Gewaltkriminalität und die Auseinandersetzungen unterschiedlicher feindlicher Kämpfer aus anderen Ländern auch künftig die Meldungen beherrschen.“

Auch der stellvertretende Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Lars Osburg, drängt auf schnelles Handeln. „Sicherheit beginnt mit Prävention – nicht mit Reaktion“, betonte Osburg

Der Innenminister Baden-Württembergs, Thomas Strobl (CDU), fordert eine Mindestspeicherfrist für IP-Adressen.
Foto:BS/Leif Piechowski, Innenministerium Ba-Wü

Der Staatssekretär des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration, Sandro Kirchner, sieht ein breites Spektrum an Herausforderungen, denen die Polizei in ihren drei Aufgabenbereichen Bevölkerungsschutz, Terrorismusbekämpfung und Kriminalitätsbekämpfung gegenübersteht. Um den personellen Aufwuchs der letzten Jahre zu halten, müsse man auf die Generation Z und ihre Ansprüche an Arbeitgeber beziehungsweise ihre Vorstellungen der Gestaltung von Arbeit eingehen. Die Gen Z wisse genau, was sie wolle und müsse daher für den Polizeiberuf gewonnen werden. Es sei wichtig, dass neue Themen und aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen aufgenommen würden. Eine gute, partnerschaftliche Führung sei ein Garant dafür, dass ruhig und besonnen gearbeitet werde. Im Bereich der Digitalisierung verfüge die Bayerische Polizei mit der „Mobile Police“ über einen deutschlandweiten Benchmark. Insgesamt stünden der Landespolizei 33.000 Digitalfunkgeräte und rund 31.000 Smartphones zur Verfügung. Zudem setze man auf den Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI). Davon habe man auch beim Angriff auf das israelische Generalkonsulat profitiert. Nach wie vor sei Bayern „dank einer klaren und nachhaltigen Sicherheitsstrategie das sicherste Bundesland Deutschlands“, so der Innenstaatssekretär auf dem vom Behörden Spiegel und der Gewerkschaft der Polizei (GdP) veranstalteten Polizeitag München Anfang Dezember 2024.

Kein Polizeistaat zu befürchten Um diese Spitzenstellung beizubehalten, bedarf es aber Anpassungen an aktuelle Entwicklungen. Folgerichtig fordert Florian Leitner, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei Bayern, die Bayerische Polizei müsse sich den Herausforderungen der Zeit stellen. Für eine

In Köln diskutierten im Dezember 2024 auf Einladung der Verkehrsunfall-Opferhilfe Deutschland e.V. (VOD) Verkehrsexperten über Probleme und Lösungsmöglichkeiten, wie man den Gefahren, die vom in Zukunft weiter zunehmenden Güterverkehr ausgehen, begegnen kann. Der Verkehrsexpertentag, der unter der Schirmherrschaft von Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul stand, fand in den Räumlichkeiten der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen (HSPV) unter dem Titel „Transport & Sicherheit –Lkw-Unfälle und Unfallprävention“ bereits zum 22. Mal statt.

Unfälle mit LKWs keine Seltenheit Bereits am Folgetag der Veranstaltung zeigte sich auf grausame Weise, wie wichtig eine Auseinandersetzung mit dem Thema ist: Auf der A1 bei Mechernich kollidierte ein Lkw beim Spurwechsel mit einem Pkw. Als dieser in der Folge von der Spur abkam, prallte er auf einen Sattelzug, wobei zwei der drei Insassen starben. Der belarussische Lkw-Fahrer flüchtete zunächst vom Unfallort, konnte aber nach Zeugenaussagen von der Polizei gefasst werden.

Herausforderung Personal

Die Polizei Bayern sieht sich für die Zukunft gewappnet

(BS/Lars Mahnke) Mit Blick auf die Zukunft müssen die deutschen Polizeien Lösungen für die aktuellen Herausforderungen entwickeln. Dies gilt neben den technologischen Entwicklungen insbesondere für den personellen Bereich. Es müssen Strategien gefunden werden, um nicht nur neues Personal zu gewinnen, sondern dieses auch zu halten.

Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft

Software-Lösungen Vorschub zu leisten, um der zu erwartenden Stagnation beim Personalaufwuchs entgegenzutreten. Foto: BS/Lars Mahnke

moderne Polizei müssten nicht nur neueste technische Mittel wie Distanz-Elektroimpulsgeräte oder die biometrische Gesichtserkennung zur Verfügung gestellt werden. Vielmehr gehörten dazu eine moderne Verwaltungsstruktur und Aus- sowie Fortbildung. Zudem erfordere die zunehmend international agierende Kriminalität auch eine verstärkte internationale Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden. Zukünftig müsse man sich darauf einstellen, dass der Personalaufwuchs der letzten Jahre nicht beibehalten werden könne. Stattdessen müsse sich die Bayerische Polizei Strategien überlegen, wie dies aufgefangen werden könne. Dazu gehöre, Software-Lösungen für die Polizeiarbeit zu implementie-

ren. Der Sorge, es könne durch den zunehmenden Einsatz von KI im Bereich der Überwachung ein Polizeistaat entstehen, erteilte er eine deutliche Absage. Leitner forderte außerdem, den Einsatz von Drohnen zu erleichtern, da der derzeitige bürokratische Aufwand zu hoch sei. Eine große Herausforderungstellt die Gewinnung fähigen Personals dar. Stefan Weis, Vizepräsident der Bereitschaftspolizei und Leiter der AG Mina, betonte, der Arbeitsmarkt werde sich in den nächsten Jahren weiter von einem Arbeitgeber- zu einem Arbeitnehmermarkt entwickeln. Um weiterhin die besten Kräfte an sich zu binden, müsse die Polizei Bayern ihr Profil als attraktive Arbeitgeberin schärfen. Dazu gehöre auch – im Hinblick auf

die Nachwuchsgewinnung – in den Sozialen Medien aktiver für sich zu werben. Neben dem hohen Stellenwert der Freizeit seien für die Generation Z durch die Krisen der letzten Jahre das soziale Umfeld und die Familie wichtige Entscheidungsfaktoren. Ein besonderes Lob hatte Weis für die Einstellungsberater übrig, die mit ihrem Engagement junge Menschen für die Polizei begeisterten. Soziale Kompetenzen immer wichtiger Kerstin Schaller, Polizeipräsidentin Oberbayern Nord, macht darauf aufmerksam, dass die Anforderungen an Führungskräfte zuletzt deutlich gestiegen seien. Von diesen würde zunehmend ein im-

Von den Gefahren des Güterverkehrs

Verantwortungsbewusstsein bei den Fahrern und Spediteuren muss steigen

(BS/Lars Mahnke) Von Lastkraftwagen geht im Straßenverkehr eine besondere Gefahr aus. Durch das hohe Gewicht der Fahrzeuge entwickeln sich bei einer Kollision mit einem anderen Fahrzeug enorme Kräfte. Die Folgen für die Unfallbeteiligten sind meist fatal.

Peter Schlanstein, Dozent an der HSPV und geschäftsführender Vorstand der VOD, insistiert, dass Kontrollen ausgebaut werden müssen und mehr für die Arbeitsbedingungen der Fahrer getan werden wird.

schweren Unfällen komme, da Lkw-Fahrer aufgrund von Sekundenschlaf oder mangelnder Aufmerksamkeit in Stauenden rasten. Hier könnten intelligente Stauwarnanlagen, aber auch automatische Systeme zur Müdigkeitserkennung oder Notbremssysteme Menschenleben retten.

Konkurrenzkampf torpediert Sicherheit

mer größer werdendes Spektrum an sozialen Kompetenzen gefordert. Insbesondere die jüngeren Generationen erwarteten ein größeres Maß an Aufmerksamkeit und Feedback. Um den erweiterten Anforderungen gerecht zu werden, müsse man einen Prozess finden, der die Auswahl passender Führungskräfte optimiere. Um mehr Frauen in Führungspositionen zu bekommen, bedürfe es zum einen eines (selbst-) kritischen Blicks auf geschlechtsspezifische Rollenerwartungen. Des Weiteren müsse die Vereinbarkeit des privaten Umfeldes mit den gesteigerten Anforderungen einer Führungsaufgabe in Einklang gebracht werden. Dazu gehöre insbesondere die Familienplanung und damit die private Betreuung von Kindern.

Dr. Corinna Köpke vom Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik und Maximillian Steiert von der Fraunhofer-Gesellschaft informierten zudem über neue Entwicklungen und Verfahren im Bereich der Datenanalyse und Simulation von Großveranstaltungen. Am Beispiel des praktischen Einsatzes einer Videoanalyse-Software auf dem Juicy-Beats-Festival zeigten sie deren Nutzen für Personenstromberechnungen und Risikoanalysen auf. Als Vertreter der Hochschule für den öffentlichen Dienst in Bayern stellten Tim Beyer und Philip Schneider standardisierte Verfahren vor, mit deren Hilfe im Rahmen des Projekts „Foreign Information Manipulation and Interference (FIMI)“ Fake News kategorisiert und deren Verbreitung analysiert werden können. Prof. Dr. Andreas Bock von der Akkon Hochschule und Petra Urban vom Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration zeigten auf, welchen Mehrwert KI-unterstütztes Deeskalationstrainings im virtuellen Raum für den Ernstfall in kritischen Einsatzsituationen haben können.

Müdigkeit als Gefahr

Die beiden Beispiele zeigen, welche immensen physikalischen Kräfte Lkw besitzen. Einmal in Bewegung, sind sie kaum zu stoppen. Autos werden zu Spielbällen. Daher ist

Am folgenden Wochenende ereignete sich die Unfallfahrt eines polnischen Truckers zwischen Jüchen und Hagen. Auf 60 Kilometern entlang der A46 und der A1 verursachte der 30-Jährige mit rund 50 Fahrzeugen Unfälle und verletzte dabei 19 Menschen – sieben davon schwer und einen lebensgefährlich. Laut Polizei Düsseldorf missachtete der Fahrer währenddessen „die polizeilichen Anhaltezeichen und bewegte sich weiter mit deutlich erhöhter Geschwindigkeit und in Schlangenlinien über die A 46 “. Der Fahrer war offensichtlich alkoholisiert und wurde im Anschluss an die Unfallfahrt in eine psychiatrische Klinik eingeliefert, in der er nach wie vor untergebracht ist. Er macht noch immer einen verwirrten Eindruck und ist kaum vernehmungsfähig.

die Tauglichkeit der Fahrzeuglenker in Hinblick auf die von besonderer Bedeutung. Immer wieder kam bei der Analyse der zahlreichen präsentierten Statistiken das Thema „Müdigkeit“ auf. Diese sei in den Zahlen unterrepräsentiert. Vor allem hinter den Unfallursachen, die auf mangelnde Aufmerksamkeit zurückzuführen seien, stecke oftmals Übermüdung. Dies gelte vor allem für die Kategorien Geschwindigkeit und Abstand sowie Fahrstreifenwechsel und Überholmanöver. Dieter Schäfer vom Verein Hellwach mit 80 km/h e.V. machte darauf aufmerksam, dass es im Bereich vor Dauerbaustellen auf Transitrouten immer wieder zu

Auch die hohe Arbeitsbelastung und der enorme Zeitdruck trügen dazu bei, dass die Zahl von Unfällen unter Beteiligung des Güterverkehrs so hoch ist, konstatierte Dr. Bernd Mützel von der BG Verkehr. Die unzuträglichen Arbeitsbedingungen im Transportgewerbe seien auch auf die EU-Osterweiterung zurückzuführen. Sie habe zu einem harten Preiskampf im europäischen Wettbewerb geführt und Lohn-Dumping befördert, da die osteuropäischen Fahrer weit weniger verdienten als ihre westeuropäischen Kollegen. Inzwischen würden sogar Beschäftigte aus Drittstaaten eingesetzt, denen es oftmals an der nötigen Ausbildung mangele und die bereit seien, Tageslöhne von 50 Euro zu akzeptieren.

Die Ausbeutung unterwandere die europäischen Sozialvorschriften und mache auch nicht vor der Missachtung der vorgeschriebenen

Lenk- und Ruhezeiten halt. Dazu muss aber auch die entsprechende Infrastruktur geschaffen werden. Derzeit fehlen gut 20.000 Stellplätze. Die Folge: Fahrerinnen und Fahrer nutzen Ein- und Ausfahrten von Rastanlagen, was wiederum gefährliche Situationen produziert. Alle tragen Verantwortung Lkws verursachen verheerende Schäden, da die physikalischen Kräfte, die von den tonnenschweren Gefährten auf die Unfallbeteiligten einwirken, gewaltig sind. Daher müssen die Spediteure endlich ihrer Verantwortung gegenüber ihren eigenen Mitarbeitern, aber auch allen übrigen Verkehrsteilnehmenden, gerecht werden, forderte Raymond Lausberg von der Autobahnpolizei Lüttich. Bußgelder für überschrittene Lenkzeiten oder mangelhafte Fahrzeuge werden leider viel zu häufig von den Spediteuren einkalkuliert. Eine echte Abschreckung stellen sie daher nicht dar. Gerade in Deutschland sind die Bußgelder für Fehlverhalten viel zu gering, andere Länder in Europa könnten da als Vorbild dienen. Eine europaweite Harmonisierung ist erfolgversprechend. Insgesamt, da waren sich die Experten einig, müsse der Kontrolldruck durch die Polizei steigen –dazu benötige es aber auch mehr Personal und eine gesteigerte Präsenz insbesondere auf Autobahnen. Bei den Kontrollen sollten neben Geschwindigkeitsübertretungen und der Einhaltung der Abstandsregeln, auch die korrekte Ladungssicherheit und der Gesamtzustand

der Polizei Bayern, Florian Leitner, plädiert dafür,
Foto: BS/Lars Mahnke

Behörden Spiegel: Was ist der aktuelle Stand bei der Gründung des Europäischen Feuerwehrverbandes?

Karl-Heinz Banse: Wir hatten bisher insgesamt drei Zusammenkünfte, davon zwei offizielle im Jahr 2024: Einmal im April in Paris in der Nationalversammlung, danach im November in Brüssel, wo wir uns in der Hessischen Landesvertretung und im Europäischen Parlament getroffen haben.

Beim Treffen in Paris haben 18 Länder ihr großes Interesse bekundet, einen europäischen Verband zu gründen. Beim zweiten Treffen stieg die Zahl auf 21 Länder. Der weitaus größte Teil der Feuerwehrverbände der EU-Mitgliedsstaaten möchte mitmachen. Ein paar kleinere Länder, wie zum Beispiel Malta, waren bisher nicht dabei. Aber ich gehe davon aus, dass auch diese Länder sich letztendlich anschließen werden. Es gibt niemanden, der explizit erklärt hat, nicht mitmachen zu wollen. Alle großen EU-Länder sind ohnehin schon an Bord. Das Ziel ist, den Verband im April 2025 in Berlin offiziell zu gründen. Derzeit suchen wir noch nach einer geeigneten Räumlichkeit. Wir haben Anfragen gestellt – unter anderem beim Deutschen Bundestag, dem Bundesrat und der Parlamentarischen Gesellschaft. Die Entscheidung hängt von den jeweiligen Gegebenheiten ab. Allerdings erschweren die bevorstehenden Wahlen die Planung etwas. Wir möchten die Gründung des Verbandes auf jeden Fall in einem Regierungsgebäude durchführen.

Behörden Spiegel: Die Gründung des Verbands wird hauptsächlich vom DFV und dem französischen Verband vorangetrieben. Warum?

Banse: Die ursprüngliche Idee kam aus Kroatien. Der dortige

Hier kommen grenzüberschreitende Katastrophenschutzmechanismen wie der EU-Zivilschutz-Mechanismus, kurz UCPM, zum Einsatz. Dabei werden Hilfsanfragen und Reaktionen auf Katastrophen auf EU-Ebene koordiniert, um der betroffenen Bevölkerung schnell zu helfen. An diesem Programm nehmen nicht nur die 27 EU-Mitgliedsstaaten teil, sondern auch diverse Nachbarländer wie Albanien, die Türkei, Norwegen oder die Ukraine. Der Grund, warum diese Art der Zusammenarbeit immer wichtiger wird, liege auf der Hand, wie der Leiter des THW-Ausbildungszentrums Neuhausen, Jens-Olaf Sandmann, erklärt: „Wir hatten allein dieses Jahr in Deutschland drei wirklich große Hochwasser, eines davon war gleich zum Jahresanfang in Norddeutschland, dann in Rheinland-Pfalz sowie im Saarland und im Sommer dann in Bayern und Baden-Württemberg. wenn ich an die anderen Jahre zurückdenke, hatten wir vielleicht alle vier Jahre einmal so ein Großereignis.“ Das zeige, dass die Heftigkeit der Extremwetterereignisse zunehme. Auf der anderen Seite habe sich auch die weltpolitische Situation geändert, sodass die Zusammenarbeit gerade innerhalb Europas immer wichtiger werde. Denn „gemeinsam sind wir immer stärker, wenn wir einfach unsere Ressourcen bündeln und schon vorher uns darauf vorbereitet haben, gemeinsam agieren zu können“, ist Sandmann überzeugt.

Eine Stimme auf europäischer Ebene

Gründung des EU-Feuerwehrverbandes im April 2025 (BS) Das Feuerwehrwesen ist innerhalb der EU sehr unterschiedlich organisiert. Die Herausforderungen sind aber häufig die Gleichen. Um die Bedürfnisse auch konsequent auf europäischer Ebene zu vertreten, soll ein Verband auf europäischer Ebene gegründet werden. Im Gespräch erklärt der Präsident des Deutschen Feuerwehrverbands (DFV), Karl-Heinz Banse, warum er und sein französischer Konterpart die Gründung vorantreiben und wie der Verband arbeiten soll. Die Fragen stellte Bennet Biskup-Klawon.

DFV-Präsident Karl-Heinz Banse erklärt, welche Gründe für einen europäischen Feuerwehrverband sprechen. Foto: BS/Katrin

Feuerwehrpräsident sprach mich an und fragte, ob es angesichts der aktuellen politischen Situation – insbesondere dem Krieg in der Ukraine und den damit verbundenen Herausforderungen – nicht sinnvoll wäre, enger zusammenzuarbeiten. Seiner Meinung nach muss Deutschland, als größtes und stärkstes Land, die Initiative ergreifen und die Führung übernehmen. Ich habe mich daraufhin mit Frankreich, Österreich und Polen abgestimmt; wir tauschen uns regelmäßig aus. Wir treiben das Projekt nun besonders voran. In Brüssel wurden vorerst vier sogenannte Interimsvorsitzende bestimmt: die Feuerwehrverbandspräsidenten

von Kroatien, Österreich, Frankreich und Deutschland. Diese vier sollen die Initiative jetzt leiten. Dabei ist es uns wichtig, nicht alleine zu handeln. Auch Polen ist bereits sehr aktiv beteiligt. Insgesamt sind es also fünf Länder, die das Projekt bis April vorantreiben werden, bevor wir dann einen offiziellen Präsidenten und weitere Vertreter wählen.

Die Satzung des Verbands haben wir nach deutschem Recht erstellt, da Deutschland in Europa eine besondere Expertise im Bereich Vereinsrecht hat. Ein erster Entwurf wurde im Rahmen unserer Zusammenkunft in Brüssel diskutiert. Dabei kam es zu etwas, das in Brüssel eher

ungewöhnlich ist: Sämtliche vorbereiteten Punkte wurden eingehend besprochen und anschließend einstimmig beschlossen. Es gab weder Gegenstimmen noch Enthaltungen.

Behörden Spiegel: Was waren die Gründe für den europäischen Verband?

Banse: Die Herausforderungen, die durch den Klimawandel entstehen, betreffen uns alle. Naturkatastrophen wie eine mögliche Sturmflut an der Nordsee würden nicht nur Deutschland treffen, sondern auch Dänemark, die Niederlande, Belgien und Frankreich – je nachdem, wie weit sich die Auswirkungen erstrecken. In solchen Fällen ist gegenseitige Hilfe unverzichtbar. Das Gleiche gilt bei Hochwasser, etwa an großen Flüssen wie dem Rhein oder der Donau, oder bei Waldbränden, die über Ländergrenzen hinausgehen, wie wir es bereits zwischen Tschechien und Sachsen erlebt haben. Es gibt zwar das EU-RescEU-Verfahren, das die gegenseitige Hilfe zwischen den Mitgliedsstaaten regelt. Deutsche Einheiten waren bereits in Schweden, Griechenland, Italien und Frankreich im Einsatz. Inzwischen ist es fast jedes Jahr der Fall, dass wir ins Ausland gehen. In dem Verfahren gibt immer wieder Entscheidungen dazu, wo zum Beispiel ein Löschflugzeug stationiert wird, was als Nächstes angeschafft werden soll oder welche Mittel von der EU bereitgestellt werden. Allerdings

Über Ländergrenzen hinaus

Hilfsbereitschaft ist eine universelle Sprache

(BS/sl) Ende Oktober 2024 verwüsteten verheerende Fluten die Straßen von Valencia. Ein schwerer Waldbrand wütete in Kalifornien und Kuba wurde von einem Hurrikan und Erdbeben heimgesucht. Überall auf der Welt werden Menschen von immer mehr Naturkatastrophen getroffen. Umso wichtiger ist es, sich in diesen herausfordernden Zeiten auf eine helfende Hand verlassen zu können, wenn es nötig ist.

Der Zusammenhalt im Katastrophenschutz bleibt von herausragender Bedeutung. Grafik: BS/Lüsser unter Verwendung von truthseeker08, pixabay.com, Hans

Die Intensität steigt Dr. Benni Thiebes, Geschäftsführer des Deutschen Komitees Katastrophenvorsorge e. V. (DKKV), ergänzt diese Ansicht: Die Katastrophenereignisse würden sich nicht nur in der Anzahl an Ereignissen immer weiter steigern, sondern auch in ihrer Heftigkeit zunehmen. Das seien teilweise Ausmaße, die wir allein mit unserem Nationalen Katastrophenschutz nicht bewältigen könnten. Jedoch sei die Bedeutung und die Funktion eines solchen grenzüberschreitenden Mechanismus noch gar nicht allen Menschen in Deutschland klar, wie Thiebes meint: Auch für ihn ist der UCPM das Flaggschiff der Gemeinschaftsverfahren in Europa. Jedoch glaubter, dass es noch Nachholbedarf bei der Erklärung solcher Mechanismen gibt. Beispielsweise habe er

als Sachverständiger im Landtag anhand der gestellten Fragen gemerkt, dass auch die Politiker noch nicht verstünden, wie das Gemeinschaftsverfahren funktioniere und wie es genutzt werden könne.

Wissenslücken in der Politik Dabei habe er sich die Frage gestellt, ob das auch auf anderen Ebenen der Gesellschaft noch nicht angekommen sei. Als Beispiel nennt er die Sozialen Medien: „Man darf aus sozialen Medien nicht zu viel rauslesen, aber nachdem das jetzt in Valencia passiert ist, wurden mir Aussagen in den Feed gespült wie: Deutschland helfe doch jetzt nicht den Spaniern‚ man habe während der Aartalflut schließlich auch keine Spanier bei uns gesehen. Da ist kein Verständnis für dieses Verfahren.“ Dabei profitiere auch Deutschland von dem Verfahren, wie Thiebes erklärt. Erst im Sommer 2023 seien in Niedersachsen Waldbrand-Löschflugzeuge angeschafft worden, denn dieses Gemeinschaftsverfahren stelle auch finanziell nutzbare Mittel bereit. Dies solle auch Synergien schaffen, „nicht nur im Rahmen der europäischen Solidarität, sondern auch für den eigenen Nutzen […].“ Gerade um die Einsatzkräfte zu schulen und zu trainieren, nicht zuletzt aber auch um innerhalb der Bevölkerung das Verständnis und die Aufmerksamkeit für solche grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu erhöhen, gibt es großangelegte Übungen und Trainingszyklen. Beispielsweise koordiniere das Ausbildungszentrum Neuhausen aktuell den 20. Ausbildungszyklus für die internationale Zusammenarbeit im Katastrophenfall. Dabei werden insgesamt acht Module vom Einsteigerkurs bis zum Teamleader-Kurs online und europaweit an insgesamt 16 Standorten angeboten. Auch VRÜbungen kämen dabei zum Einsatz, um tatsächliche Lagen so genau wie möglich zu emulieren, erklärt der Standortleiter Sandmann Neben solchen Trainingseinheiten werden aber auch europaweite

möchten wir in solchen Prozessen stärker mitreden. Bisher treffen diese Entscheidungen vor allem die Mitgliedsstaaten – was nicht heißt, dass sie schlechte Arbeit leisten, aber ihre Entscheidungen entsprechen nicht immer den Wünschen und Bedürfnissen der Feuerwehren. Doch wir haben festgestellt, dass wir uns als Feuerwehren besser abstimmen müssen. Dieses Thema können und sollten nicht allein die jeweiligen Innenministerien oder die EU regeln. Es ist wichtig, dass die Feuerwehren selbst – durch ihre Verbände – ihre Interessen zusätzlich vertreten. Schließlich kennen wir die Bedürfnisse der Feuerwehren am besten.

Dabei ist es uns wichtig, eine klare Abgrenzung zum Zivilschutz zu schaffen. Feuerwehr ist Feuerwehr, Zivilschutz ist Zivilschutz. Natürlich stellt die Feuerwehr das Rückgrat des Zivilschutzes dar und stellt mit Abstand die meisten Einsatzkräfte, aber unsere Interessen gehen über die des Zivilschutzes hinaus. Gleiches gilt gegenüber anderen Organisationen wie den Rettungsdiensten oder dem Technischen Hilfswerk. Um das zu verdeutlichen: Allein in Deutschland gibt es zwischen 2,5 und vier Millionen Einsatzkräfte, je nach Definition. Die Feuerwehr stellt dabei den weitaus größten Teil dieser Einsatzkräfte – in Deutschland und auch in Europa. Deshalb möchten wir, dass die Feuerwehr eine stärkere Stimme auf europäischer Ebene bekommt. Der europäische Feuerwehrverband wird seinen vereinsrechtlichen Sitz in Berlin haben, da er nach deutschem Recht gegründet wird. Der operative Sitz mit Geschäftsführung und Verwaltung soll jedoch in Brüssel angesiedelt werden, um direkt vor Ort auf europäischer Ebene vertreten zu sein. Dort wird es eine Art Generalsekretär geben, der dann hauptamtlich beschäftigt sein wird.

Großübungen durchgeführt, wobei erst kürzlich die erste EU-Großübung auf deutschem Boden stattfand. Hierbei handelt es sich um die in Baden-Württemberg ausgerichtete Übung „MAGNITUDE“, bei der der Ernstfall Erdbeben geprobt wurde. Hier konnten die Behörden und teilnehmenden Einsatzkräfte ihre Fähigkeit zur Zusammenarbeit auf die Probe stellen und sehen, wo es noch Verbesserungsbedarf gibt. Erste EU-Großübung auf deutschem Boden

Doch seien solche Übungen auch auf anderer Ebene sinnvoll, wie Hendrik Bruns, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität der Bundeswehr München, erläutert: Denn die internationalen Module funktionierten aufgrund ihrer Standardisierung untereinander problemlos, jedoch ergäben sich gerade mit dem lokalen Equipment der Einsatzkräfte vor Ort Hürden. Beispielsweise passe dann eine Kupplung nicht mit dem internationalen, standardisierten Equipment zusammen. Doch seien solche Großübungen auch genau für solche Erkenntnisse gut, sodass man sich der Hindernisse bewusst werden und dementsprechend darauf vorbereiten könne. Auch aus den Katastrophen selbst könnten Lehren gezogen werden. Hier können die neuen Erfahrungswerte der betroffenen Länder an andere weiteregegeben werden und fänden zum Beispiel auch Eingang in die Ausbildungsinhalte des internationalen Trainingsprogramms des THWs, wie Sandmann unterstreicht. Dies gelinge aber ebenfalls nur durch die gute internationale Vernetzung, die auch mit dem EU-Mechanismus einhergehe.

Neuhauser, DFV

Behörden Spiegel: Was versteht man alles unter Kritischen maritimen Infrastrukturen?

Frank Sill Torres: Unter Kritischen Infrastrukturen (KRITIS) versteht man Infrastrukturen, deren Ausfall signifikante Auswirkungen auf die Versorgung der Bevölkerung haben kann. Im maritimen Bereich stehen dabei zuletzt vor allem die viel diskutierten Datenkabel im Fokus. Allerdings gilt für Deutschland, dass die für uns relevanten Datenkabel gar nicht in der Nord- oder Ostsee liegen. Unsere kritischen Datenkabel befinden sich vielmehr in anderen Regionen, wie zum Beispiel im Roten Meer, das eine zentrale Rolle für den Datenverkehr nach Asien spielt. Weitere wichtige maritime Infrastrukturen sind Pipelines und Offshore-Windparks. Hierbei wird oft vergessen, dass es nicht nur um die Windräder selbst geht, sondern auch um die dazugehörigen Stromkabel und Transformatorstationen, die für die Einspeisung des Stroms an Land entscheidend sind. Auch Öl- und Gasförderplattformen zählen zu den Kritischen Infrastrukturen. In Deutschland gibt es jedoch nur eine Förderplattform, die sich im Wattenmeer befindet. Darüber hinaus existieren in deutschen Gewässern keine weiteren Förderstationen. Ein weiterer zentraler Aspekt im maritimen Bereich sind die Schifffahrtswege. Viele denken hierbei zunächst an den Suezkanal. Doch für Deutschland wäre eine Blockade des Nord-Ostsee-Kanals weitaus gravierender. Die Auswirkungen eines solchen Ereignisses könnten für uns deutlich schwerwiegender sein als das, was wir bei der Blockade des Suezkanals beobachtet haben.

Schließlich gibt es noch eine oft übersehene Infrastruktur, die eine besondere Rolle spielt, da sie sowohl maritime als auch landgebundene Komponenten verbindet: Häfen. Häfen sind besonders interessant, weil sie diese beiden Welten miteinander verknüpfen und somit eine Schlüsselfunktion für den internationalen Handel und die Logistik darstellen.

Behörden Spiegel: Wie ist es um den Schutz von maritimen Infrastrukturen bestellt?

Frank Sill Torres: Beim Schutz von Kritischen Infrastrukturen betrachtet man meistens drei Phasen oder Komponenten. In der ersten Phase geht es darum, einen Angriff durch Schutzmaßnahmen zu verlangsamen. Bei landgebundenen Infrastrukturen ist dies vergleichsweise einfach umsetzbar, etwa durch den Bau von Zäunen oder Mauern um das Schutzziel. Dabei muss jedoch klar sein, dass jede Schutzmaßnahme überwunden werden kann – es ist nur eine Frage der Zeit. Ziel ist es, den Angriff so weit wie möglich zu verzögern. Im maritimen Bereich stehen solche Maßnahmen jedoch

Fluch und

Segen von Entfernung

Der schwierige Schutz von maritimen Infrastrukturen

(BS) Ob die Nord-Stream-Pipeline oder Datenkabel auf dem Meeresgrund der Ostsee oder vor Taiwan – Vorfälle und Sabotageakte auf hoher See haben zugenommen. Frank Sill Torres, Direktor des Instituts für Maritimen Infrastrukturschutz am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), spricht im Interview über die Herausforderungen beim Schutz von maritimen Infrastrukturen und was das KRITIS-Dachgesetz auslöst. Das Interview führte Bennet Biskup-Klawon.

nur eingeschränkt zur Verfügung. Die zweite, überaus wichtige Komponente ist die Erkennung. Um einen Angriff abzuwehren und die Infrastruktur zu schützen, muss erkannt werden, dass etwas Ungewöhnliches passiert. Dies lässt sich beispielsweise durch den Einsatz von Sensorik erreichen. Die dritte Komponente ist die Intervention. Das bedeutet, dass Maßnahmen ergriffen werden, um den Angriff aktiv abzuwehren.

„Was wäre gewesen, hätte sich ein Polizeiboot in der Nähe aufgehalten, als die NordStream-Pipeline gesprengt wurde?“

Im maritimen Bereich gibt es sowohl Vor- als auch Nachteile beim Schutz von Infrastrukturen: Einerseits sind die großen Distanzen im Offshore-Bereich ein Vorteil, da es in diesen Gebieten wenig Durchgangsverkehr gibt. Dies erleichtert die Erkennung von Anomalien. So können beispielsweise Satellitenbilder genutzt werden, um maritime Infrastrukturen zu überwachen. Der Nachteil hierbei ist jedoch, dass Satelliten nicht konstant Bilder liefern und zeitliche Lücken in der Überwachung entstehen können. Ein weiteres wichtiges Hilfsmittel im maritimen Bereich ist das Automatische Identifikationssystem (AIS). Dieses System müssen Schiffe ab einer bestimmten Größe aktivieren, damit sie für andere sichtbar sind. Vereinfacht gesagt werden dabei die GPS-Koordinaten mit anderen Schiffen und Überwachungsstellen geteilt. Das Problem ist jedoch, dass das AIS leicht manipuliert oder deaktiviert werden kann. Solche Manipulationen oder Abschaltungen können Hinweise auf potenzielle Bedrohungen sein. Nach den Anschlägen auf das

World Trade Center wurden mit dem sogenannten ISPS-Code (International Ship and Port Facility Security Code) verbindliche Anforderungen definiert, um ein bestimmtes Sicherheitsniveau in der Schifffahrt einzuhalten. Allerdings deckt der ISPS-Code nicht alle Bedrohungen ab, wie etwa Angriffe durch Drohnen oder groß angelegte Cyber-Attacken.

Behörden Spiegel: Diese Maßnahmen dienen jetzt der Identifikation und Erkennung. Wie sieht es mit der Intervention aus?

Sill Torres: Hier kommt der Aspekt der weiten Distanzen wieder. Hauptverantwortlich ist da die Bundespolizei. Die Marine kann unterstützten, ist aber nicht zuständig. Nach dem Erkennen einer Gefahr braucht es eine zeitnahe Intervention. Im maritimen Bereich kann das aber dauern. Bis ein Polizeiboot oder auch ein Hubschrauber vor Ort ist, kann es eine halbe Stunde bis zu einigen Stunden dauern. Diese Verzögerung ist kritisch, da währenddessen wertvolle Zeit verloren geht. Um diesem Problem entgegenzuwirken, ist es entscheidend, Gefahren frühzeitig zu antizipieren. Je früher eine potenzielle Bedrohung erkannt wird, desto schneller kann reagiert werden. Genau an dieser Stelle setzt unsere Arbeit beim DLR an: Wir versuchen, diese Reaktionslücke zu verkleinern. Mithilfe der Auswertung von Daten und der Identifikation von Anomalien im Verhalten – beispielsweise wenn ein Schiff in der Nähe von Datenkabeln sich in einer Art bewegt, die darauf schließen lässt, dass es einen Anker hinter sich herziehen könnte, oder es sich ungewöhnlich in der Nähe von Pipelines bewegt – können wir frühzeitig Warnsignale erkennen und Maßnahmen einleiten. Es gibt eine schöne Aussage: Was wäre gewesen, hätte sich ein Polizeiboot in der Nähe aufgehalten, als die Nord-Stream-Pipeline gesprengt wurde? Schließlich wollen kriminelle oder staatliche Akteure dabei nicht beobachtet werden. Auch ein Geheimhalten der genauen Lage der

Datenkabel hilft dabei nicht weiter, diese sind in Seekarten verzeichnet. Aber diese ganze Kette aus Überwachung und Intervention bleibt weiterhin schwierig.

„Dabei muss jedoch klar sein, dass jede Schutzmaßnahme überwunden werden kann – es ist nur eine Frage der Zeit. Ziel ist es, den Angriff so weit wie möglich zu verzögern. Im maritimen Bereich stehen solche Maßnahmen jedoch nur eingeschränkt zur Verfügung.“

Behörden Spiegel: Welche Vorschriften gibt es zur Sicherung der maritimen Infrastruktur? Und wie bewerten Sie den Gesetzesentwurf zum KRITIS-Dachgesetz?

Behörden Spiegel: Was macht das DLR im Bereich „Schutz maritimer Infrastrukturen“?

Sill Torres: Beim DLR sind wir Teil des Querschnittsthemas Sicherheits- und Verteidigungsforschung. Innerhalb dieses Bereichs nutzen wir Kompetenzen aus anderen DLRSäulen wie Raumfahrt, Energie, Verkehr und Luftfahrt, adaptieren diese und entwickeln spezifische Sicherheitslösungen. Beispielsweise entwickeln wir Überwachungssysteme, die im Unterwasserbereich eingesetzt werden können. Diese Systeme lassen sich entweder auf Wasserfahrzeugen oder in Häfen installieren. Ein Beispiel hierfür ist unser autonomes Unterwasserfahrzeug Seekatze. Eine weitere wichtige Aufgabe ist die Integration von Sensordaten. Diese Integrationsleistung verdeutlicht, wie vielfältig unsere Arbeit ist: Wir haben Kolleginnen und Kollegen, die mit Satellitendaten arbeiten, andere, die auf Drohnen spezialisiert sind, und wiederum andere, die Kamerasysteme entwickeln. Unsere Aufgabe besteht darin, die unterschiedlichen Datenquellen zusammenzuführen, um ein sogenanntes Lagebild zu erstellen. Dieses Lagebild ist ein zentrales Element für Schutzmaßnahmen und die frühzeitige Erkennung von Gefahren. Darüber hinaus beschäftigen wir uns mit der Frage, wie Sicherheit für maritime Infrastrukturen definiert und gemessen werden kann. Wir untersuchen, wie die Resilienz solcher Infrastrukturen bestimmt, bewertet und schließlich erhöht werden kann. In diesem Kontext haben wir zwei größere Aktivitäten. Eine davon ist das Projekt MARLIN. In diesem Projekt geht es um die Integration von Daten für ein gemeinsames Lagebild. Hierbei stellen sich Fragen wie: Wie können Schnittstellen definiert werden? Wie lassen sich darauf aufbauend Services entwickeln, die Daten auswerten und Anomalien erkennen? Ein zweites Projekt heißt ARROWS, welches sich mit der Sicherheit von Windparks beschäftigt. Dieses Thema, das wir seit der Gründung des Instituts verfolgen, beschäftigt sich mit der Bewertung und Erhöhung der Sicherheit von Windparks. Der Schwerpunkt liegt auf der Modellierung von Windparks im Störfall. Es geht dabei nicht darum, jedes einzelne Windrad darzustellen, sondern sowohl die technische als auch die logistische Ebene zu betrachten, etwa wenn eine Plattform ausfällt. Anhand dieser Modelle identifizieren wir Referenzwerte, um die Sicherheit zu bewerten und zu verbessern. In diesem Zusammenhang kooperieren wir eng mit Behörden wie der Bundespolizei, die eine zentrale Partnerin für uns ist.

Sill Torres: Im maritimen Bereich gibt es, abgesehen vom ISPS-Code, der eine solide Grundlage bietet, derzeit keine konkreten Anforderungen. Das KRITIS-Dachgesetz stößt zunächst lediglich eine grundlegende Diskussion an, dass Handlungsbedarf besteht. Allerdings regelt das Gesetz bislang nicht, welche spezifischen Vorkehrungen die Betreiber treffen müssen. Die Betreiber müssen sich zusammen mit den Behörden Gedanken machen. Denn das Dachgesetz definiert zunächst einmal nur, wer es kontrollieren darf. Der nächste Schritt wird deshalb spannend. Im nächsten Schritt soll dann definiert werden, welche konkreten Anforderungen die Betreiber erfüllen müssen. Die Betreiber sind jetzt in einer unkomfortablen Situation. In unseren Gesprächen mit den Betreibern wird deutlich, dass ihnen die Notwendigkeit des Schutzes ihrer Anlagen bewusst ist. Allerdings ist dies mit erheblichen Kosten verbunden. Dies wird vor allem durch die momentane geopolitische Lage nicht einfacher, wenn es um hybride Kriegsführung geht. Zudem geht es den Betreibern auch darum, was die Mitbewerber machen. Das heißt, die Betreiber wollen Rechtssicherheit und ein konkretes Sachgesetz, das klare Vorgaben macht. Dann kommt die große Diskussion dazu: Wo ist der Unterschied zwischen Aufgaben eines Betreibers und des Staates? Es bestehen etwa unterschiedliche Auffassungen über die Verantwortlichkeiten im Zusammenhang mit Staatsterrorismus.

Der Schutz von landgebundenen Kritischen Infrastrukturen stellt die Betreiber schon vor Herausforderungen. Der Schutz von maritimen Infrastrukturen ist dann noch schwerer. Foto: BS/agrarmotive, stock.adobe.com
Frank Sill Torres ist kommissarischer Direktor des Instituts für Maritimen Infrastrukturschutz am Deutschen Zentrum für Luftund Raumfahrt (DLR). Foto: BS/DLR

Dies spiegelt sich auch in der NATO wider, einem defensiven, politisch-militärischen, transatlantischen Verteidigungsbündnis aus 32 souveränen Mitgliedsstaaten. Diese hat in den bisherigen 75 Jahren ihrer Existenz Sicherheit, Freiheit und Frieden für über eine Milliarde Menschen in ihrem Bündnisgebiet auf beiden Seiten des Atlantiks sichergestellt. Eine Selbstverständlichkeit ist dies nicht. War dies doch mitunter ein herausfordernder Adaptionsprozess, der immer den Konsens aller NATO-Alliierten erforderte.

NATO-Generalsekretär Mark Rutte äußerte erst kürzlich: „We are not at war. But we are certainly not at peace either.“ So leben wir mittlerweile in einer Grauzone zwischen Krieg und Frieden. Geprägt ist diese durch unter anderem nicht immer klar zuzuordnende Sabotagehandlungen, Luftraumverletzungen, Cyber-Attacken und Desinformationskampagnen. Die NATO hört diesen Beschuss auf Sicherheit, Freiheit und Frieden und ist darauf eingestellt und vorbereitet. Sie ist es als in ihrer Form einzigartige Allianz, die nicht vergleichbar ist mit anderen zwar staatlichen, aber teilweise informell gehaltenen und auf wirtschaftliche Aspekte und Zusammenarbeit ausgerichteten Zusammenschlüssen wie BRICS oder ASEAN.

Zusammen ist man stärker

Die Stärke der NATO liegt in ihrer Einigkeit und ihrem Zusammenhalt, vor allem dann, wenn es zählt. Das Bündnis und das Versprechen, füreinander im Sinne von Artikel 5 des NATO-Vertrages einzustehen, ist ein mächtiges, einendes Element. Dies ist nicht nur im Sinne der NATO als einer regionalen Allianz mit globalen Herausforderungen, sondern auch im Interesse und zum Wohle jedes einzelnen Alliierten und der NATO-Partner. In einer zunehmend globalen und vernetzten Welt kann Sicherheit nicht nur isoliert und punktuell betrachtet werden. Russland und sein Anspruch auf Neuordnung der euroatlantischen Sicherheitsarchitektur – befeuert und unterstützt durch andere autoritäre Systeme –ist schon lange kein rein lokales Problem mehr. Entwicklungen im euroatlantischen Raum haben Auswirkungen auf den indopazifischen Raum und umgekehrt. Wie käme es sonst dazu, dass heute Soldaten aus Nordkorea für Russland in der Ukraine kämpfen? Oder Länder wie Australien, Neuseeland und Japan die Notwendigkeit sehen, die Ukraine in ihrem Kampf gegen Russland zu unterstützen? Sicherheit muss eine Teamleistung sein. Sie wird von denjenigen, die nicht Teil des Teams sind und Interesse an Umbruch, Instabilität und Chaos haben, genau beobachtet. Zeichen, die auf ein Auseinanderdividieren und Aussitzen hindeuten, wären fatal. Sie würden rücksichtsloser Machtausübung Vorschub leisten. Daraus resultierende dauerhafte Instabilität, globale Machtverschiebungen und Isolation dürften nicht im Sinne selbst eines einzelnen Alliierten der NATO sein.

Abschreckung nachhaltig umsetzen

Die NATO lebt ganz maßgeblich von einer erfolgreichen Abschreckung: Die „Kosten eines Angriffs“ müssen für einen potenziellen Gegner höher sein und bleiben als dessen möglicher „Gewinn“, sodass dieser erst gar nicht angreift. Folglich müssen die umfassenden Anpassungsmaßnahmen, welche die NATO seit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim im Jahr 2014 und katalytisch seit dem Angriffskrieg Russlands

Den Schuss gehört!

Die NATO hat sich an die geänderte Sicherheitslage umfassend angepasst

(BS/Iris Lienhart/ Marc-Ulrich Cropp*) Während einer amerikanischen Redewendung nach ein Schuss in der ganzen Welt gehört wird („a shot was heard around the world“), wird im deutschen Sprachgebrauch der Schuss sprichwörtlich überhört („den Schuss nicht gehört haben“). In Zeiten, in denen Sicherheit, Freiheit und Frieden unter Beschuss sind, steht dies nicht nur sinnbildlich für die unterschiedliche Wahrnehmung von Bedrohungen, sondern ebenso für die Reaktion darauf durch Staaten und deren Gesellschaften.

gegen die Ukraine im Jahr 2022 bereits auf den Weg gebracht hat, konsequent und nachhaltig weitergeführt und umgesetzt werden. Mit dem Konzept für die Abschreckung und Verteidigung des euroatlantischen Raums hat die NATO bereits 2020 die strategische Basis geschaffen, um sich auf die verändernde Sicherheitsarchitektur in Europa einzustellen. Von 2021

Krieges teilweise massiv verkleinert wurden, ist diese Kräftegenerierung für alle Alliierten erwartbar eine national zentrale, auf absehbare Zeit große Aufgabe. Das zeigt sich auch an der in Deutschland geführten Debatte zum neuen Wehrdienst. Die Ausstattung der Pläne und Kräfte mit militärischen Fähigkeiten – quantitativ, qualitativ und innovativ – erfolgt im Rahmen des

„Letztendlich ist die NATO dann belastbar und dauerhaft auf den Beschuss von Sicherheit, Freiheit und Frieden eingestellt, wenn dieser innerhalb und außerhalb ihres Bündnisses gehört und verstanden wird.“

bis 2023 hat sie Verteidigungspläne beschlossen, die übergeordnet strategisch, regional und auf Domänen ausgelegt sind. Ziel ist es, dem SACEUR als oberstem Befehlshaber der NATO bei Bedarf mit einer angepassten NATO-Kommandostruktur die Möglichkeit zu geben, mit diesen Plänen das gesamte Bündnisgebiet zu verteidigen. Da jeder Plan nur so gut sein kann wie die ihm zugeteilten Kräfte und Fähigkeiten, hat die NATO bereits seit 2014 die Anzahl der einsatzbereiten Truppen erhöht. Sie hat diese im NATO Force Model aus dem Jahr 2022 weiter ausdefiniert. Weiterhin hat sie die Sicherung der NATO-Ostflanke durch mittlerweile acht – bei Bedarf auf Brigadegröße skalierbare – Forward Land Forces Battlegroups verstärkt. Die deutsche Stationierung einer Brigade in Litauen – als Teil eines größeren deutschen Beitrags – ist dabei ein wichtiges, sichtbares Zeichen. Aktuell verfügt die NATO über 500.000 Soldaten und Soldatinnen in hoher Einsatzbereitschaft. Mit Streitkräften, die nach dem Ende des Kalten

NATO Defence Planning Process. Heute ist er das Instrumentarium, mit dessen politischen Vorgaben (Schritt 1: Political Guidance) aus dem Jahr 2023 militärische Notwendigkeiten (Schritt 2: Minimum Capability Requirements) im Jahr 2024 definiert wurden. Diese werden nun in konkrete Fähigkeitsziele und -pakete (Schritt 3: Apportionment of capability targets) auf die Alliierten bis zum NATO-Gipfel in

nisgebiet heute und in Zukunft verteidigen zu können, müssen die Fähigkeiten der Alliierten im Zusammenspiel wieder eine groß angelegte, durchhaltefähige konventionelle Verteidigung von Anfang an erlauben. Im Umfang (sehr) begrenzte, rotierende, (zivil-)militärische, multinationale Kontingente zur Stabilisierung von regionalen Krisen ohne jegliche Bedrohung aus der Luft entsprechen nicht länger der erwartbaren Realität. Damit rücken Verteidigungs- und Operationsplanung zusammen. Ein solch erheblicher Aufwuchs an Fähigkeiten ist weder kostenfrei noch durch politische Absichtserklärungen und wegpriorisierte Beschaffungen zu erreichen. Dies gilt umso mehr, als dass er auch auf bewusst eingegangenen Beschaffungslücken aus den Jahren nach 1989 fußt.

Verteidigungsausgaben sind keine reine Prozentfrage Auf dem NATO-Gipfel in Vilnius im Jahr 2023 verständigten sich die Alliierten erneut auf einen „Defence Investment Pledge“. Danach sind zwei Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts (BIP) als Untergrenze für Verteidigung auszugeben. Zuvor waren seit 2014 diese zwei Prozent von vielen eher als theoretisch-politisches Signal und anzustrebendes Ziel verstanden worden. Verteidigungsausgaben

„Mit Streitkräften, die nach dem Ende des Kalten Krieges teilweise massiv verkleinert wurden, ist diese Kräftegenerierung für alle Alliierten erwartbar eine national zentrale, auf absehbare Zeit große Aufgabe.“

Den Haag 2025 verteilt und danach durch die NATO begleitet (Schritt 4: Facilitation) und nachgehalten (Schritt 5: Review). Um das Bünd-

werden – unabhängig von jeglicher „Prozent-Diskussion“, die es im Kalten Krieg auch nicht gab – nunmehr nur dann ausreichend sein, wenn damit die umfassenden Verteidigungspläne der NATO ausführbar sind. Der Hinweis auf die Ukraine, die aktuell 37 Prozent ihres BIPs aufbringt, um sich zu verteidigen und zusätzlich weiterer umfangreicher finanzieller und materieller Unterstützung bedarf, gibt ein Gefühl für Relation. Mittlerweile geben zwar zwei Drittel aller Alliierten (inklusive Deutschland) über zwei Prozent ihres BIPs für Verteidigung aus. Dies wird aber weiter gesteigert werden müssen. Im Rahmen einer fairen Lastenteilung, besonders mit den USA, gilt es, für die eigene Sicherheit und die der Allianz aufzukommen und parallel NATO-Partner wie die Ukraine zu unterstützen. Deutschland hat mit dem Sondervermögen der Zeitenwende einen wichtigen ersten Schritt getan. Mit dem eigenen Anspruch als Rückgrat der europäischen Abschreckung und Verteidigung ist dieser nun dringend auch als Gedankenwende zu verstetigen. Da Geld ohne Gegenleistung ins Leere läuft, kommt dem Ausbau der Verteidigungsindustrie und ihrer Produktionskapazitäten für Waffensysteme und Munition eine bedeutende Rolle zu. Es geht um Masse, Interoperabilität und Innovation. Es geht um multinationale, effiziente Beschaffung. Es geht darum, insbesondere mit der Europäischen Union als einzigartigem, essenziellem Partner mit gleichen Werten und Herausforderungen integriert und kohärent vorzugehen. Damit können sich beide Organisationen in den Bereichen der jeweils eigenen Leistungsfähigkeit (Verteidigung und Wirtschaft) gegenseitig verstärken. Industriefragen bieten sich dabei geradezu an. Wichtige und richtungsweisende Personalentscheidungen innerhalb der neuen EU-Kommission begünstigen dies. Daneben wird den 23 NATO-Mitgliedern, die wie Deutschland zugleich auch Mitglied in der Europäischen Union sind, eine wichtige Funktion, auch als Mittler zu den jeweiligen Nicht-Mitgliedern, zukommen. Gehör auf allen Ebenen Letztendlich ist die NATO dann belastbar und dauerhaft auf den Beschuss von Sicherheit, Freiheit und Frieden eingestellt, wenn dieser innerhalb und außerhalb ihres Bündnisses gehört und verstanden wird. „Wer Frieden will, muss auf den Krieg vorbereitet sein“ – dies klingt nicht nur zunächst paradox und ist anfällig für Desinformation und falsche Gegennarrative. Es muss genau deshalb auch immer wieder anhand der aktuellen Entwicklungen erklärt und kommuniziert werden. Ihre volle Wirkung wird die NATO nur dann entfalten, wenn von der lokalen Ebene bis hin zu ganzen Gesellschaften und Regierungen, von demokratischen bis autoritären Staats- und Regierungschefs, national, europäisch und international, innerhalb und außerhalb der Allianz verstanden wird, wozu ihre sich fortlaufend adaptierende Abschreckung dient und was sie im Rahmen ihrer defensiven Ausrichtung bei Bedarf zu leisten und verhindern imstande ist. Nur dann werden auch Gesellschaften im Falle eines hoffentlich nie eintretenden militärischen Angriffs, begleitet von hybriden und Chaos bringenden Maßnahmen, den Schuss eben gerade nicht überhören und resilient und vorbereitet genug sein, um diesem etwas entgegensetzen zu können.

* Iris Lienhart ist Angehörige des Internationalen Stabes des NATO Headquarters in Brüssel. Marc-Ulrich Cropp ist Angehöriger des Supreme Headquarters Allied Powers Europe in Mons.

In einer zunehmend globalisierten Welt greift die nationale Perspektive auf Sicherheit zu kurz.
Foto: BS/NATO

Eine innere Orientierung des Personals, militärisch wie zivil, am Auftrag Landes- und Bündnisverteidigung (LV/BV) ist der Kitt, der alle anderen messbaren Faktoren zusammenhält und ist das, was sich hinter dem Begriff „Mindset LV/BV“ verbirgt. Eine solche Einstellung zu kultivieren, bedarf Zeit und glaubwürdiger Rahmenbedingungen.

Innerhalb von drei Jahren hat sich viel bewegt. Prozesse werden kritisch hinterfragt und verkrustete Strukturen ohne Denkverbote aufgebrochen, um „Kriegstüchtigkeit“ mit Kohäsion, Schnelligkeit und Durchsetzungsfähigkeit zu hinterlegen. Das Zielbild Heer passt sich dynamisch den Forderungen an Landstreitkräfte im Krieg an, die Aufstellung der Panzerbrigade 45 in Litauen erfolgt geordnet in hohem Tempo, persönliche Ausrüstung erreicht die Truppe, Rüstungsprojekte nehmen Fahrt auf und Ausbildungsgänge werden den absehbaren Notwendigkeiten hoch flexibel angepasst.

Diese positiven Entwicklungen neben dem selbstkritischen Überprüfen bestehender Regelungen und Prozesse im Blick zu halten, füllten den Begriff „Zeitenwende“ mit Leben.

Das Mindset Um die Bedeutung des Wandels zu verstehen, muss man einen Blick auf den Ausgangpunkt werfen: Die Landstreitkräfte waren es nach Jahrzehnten des internationalen Krisenmanagements gewohnt, als „bunt zusammengewürfelter“ Truppenkörper für vier bis sechs Monate in den Einsatz zu gehen. Nach dem Einsatz ging es zurück in die Friedensstandorte und es begann die stufenweise, genauestens durchgeplante Vorbereitung auf den nächsten Einsatz. Jeder Einsatz war politisch hoch sensibel und jeder Gefallene oder Verwundete barg das Potenzial einer parlamentarischen Debatte sowie der Suche nach Schuldigen. Die Folgen waren eine militärische Verwaltungskultur sowie eine Gesellschaft, die das Militär als externen Leistungserbringer und attraktiven Arbeitgeber wahrnahm. Unsere Ausbildungspläne wurden höchst detailliert reglementiert, um sich im Falle eines Vorfalls dem Vorwurf der Achtlosigkeit entziehen zu können. Höchste Stäbe beschäftigten sich mit der Besetzung von Einzeldienstposten. Stäbe übernahmen die Kontrollfunktion über die Umsetzung von Einzelweisungen sowie Meldungen von Kommandeuren. Einheitsführer waren im Grundbetrieb zunehmend „Verwalter“ eines Personalkörpers mit begrenzt verfügbarem Gerät. Die Truppe wurde zum Arbeitgeber und Attraktivität zum entscheidenden Faktor für das Werben um Personal.

„Der Angriff Russlands führte uns vor Augen, dass unsere Truppenkörper für einen solchen Krieg in Europa nicht kriegstüchtig sind.“

Die Frage, die sich vor zwei Jahren mit Blick auf die Fähigkeit zu LV/ BV stellte, war, ob und wie geeignet ein solches System für einen hoch intensiven Konflikt, einen Krieg ohne Vorwarnzeit, ohne definiertes Ende und mit höchster Be-

Wo steht unser „Mindset LV/BV“?

Defizite und aktuelle Herausforderungen

(BS/Oberst i. G. Thomas Groeters*) Was sich 2014 mit der Annexion der Krim durch Russland bereits ankündigte, brachte 2022 mit dem Angriff auf die Ukraine auch in Deutschland wieder die Erkenntnis in Erinnerung, dass Frieden, Freiheit und Demokratie keine Selbstverständlichkeiten sind. Deren Schutz zu gewährleisten, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, bei der Streitkräfte eine wesentliche Rolle übernehmen. Diese Rolle wiederzufinden, also kriegstüchtig zu sein, stellt für unsere Streitkräfte die wesentliche Leistung unter dem Begriff „Zeitenwende“ dar.

„Die Truppe ist grundsätzlich „over-excercised and under-trained“!“, so

lastung aller Gesellschaftsanteile sei. Die Antwort war und ist klar: „gar nicht!“ Der Angriff Russlands führte uns vor Augen, dass unsere Truppenkörper für einen solchen Krieg in Europa nicht kriegstüchtig sind. Spätestens jetzt war klar: Es besteht Handlungsbedarf, nicht nur militärisch, sondern auch gesellschaftlich.

Das bedeutet, das wenn wir die Bedrohung ernst nehmen und glaubwürdig abschrecken wollen, wir die Begriffe dienen, führen, Kriegstüchtigkeit, Kaltstartfähigkeit, Durchsetzungsfähigkeit, Robustheit und Durchhaltefähigkeit wieder glaubhaft mit Leben füllen müssen.

Dazu bedarf es einerseits Zeit für die Truppe, Grundlagen wieder intensiver auszubilden, bevor sie auf Übungen fährt. Dazu bedarf es Personal, das verfügbar ist für diese Ausbildung. Und es bedarf Gerät, das hierzu notwendig ist. Wenn insbesondere identitätsstiftendes Gerät, also die Kampfpanzer für das Panzerbataillon oder die IT-Ausstattung für den Gefechtsstandzug, auch langfristig nicht verfügbar ist, wird Zeitenwende für die Truppe zur Worthülse. Was heißt das für die taktische Führung? Die „großen Dinge“ werden wir auf den unterschiedlichen Ebenen nicht unmittelbar erzwingen können, aber wenn wir verstehen, dass Einsatzbereitschaft ein Produkt aus dürfen, wollen und können ist, wenn wir verstehen, dass Führung zu „dürfen“, dass Erziehung zu „Wollen“ und dass Ausbildung zu „Können“ führt, dann eröffnen sich viele Möglichkeiten, wie wir alle einen wesentlichen Teil zum großen Ganzen beitragen. Und das ist es, wovon eine Zeitenwende lebt und vorangetragen wird. Das Bewusstsein „LV/BV“ hat die Truppe erreicht. Die Tendenz, auf Vorgaben zu warten, bremst in einigen wenigen Bereichen immer noch und übersieht, dass ein soldatisches Selbstverständnis ganz wesentlich von unten wachsen muss. Hierzu eignen sich einfache Fragen: Reflektieren Vorgesetzte mit ihrer Truppe, was Kriegstüchtigkeit wirklich bedeutet? Einfach formuliert:

Was, wenn um 15:00 Uhr das Tor geschlossen wird und alle Mobiltelefone abzugeben sind?

Führung, Erziehung und Ausbildung  Militärische Führer müssen hierzu um die Rückendeckung ihrer Vorgesetzten wissen und für Initiative weiter positiv gewürdigt, aber auch in die Pflicht genommen werden. Der Grundbetrieb wird in Teilen noch immer zu stark verwaltet. Wesentliche Gründe sind Stabselemente, die es in oben genannter Kultur noch immer gewohnt sind, die Linie zu dominieren, sowie Spezialisten, die militärische Führer einbremsen und zu selten Lösungsmöglichkeiten aufzeigen. Führung mit Auftrag, also der Gebrauch des Führungsprozesses und das Herausstellen der wesentlichen Leistung, wird langsam auch im Grundbetrieb wieder zur Selbstverständlichkeit. Vorgesetzte, im Schwerpunkt auf Einheitsebene, stehen wieder vor der Front, um Antreten als Möglichkeiten der Führung und internen Kommunikation zu nutzen. Die Aufgabe der soldatischen Erziehung ist noch immer für viele militärische Vorgesetzte schwer zu greifen. Zu lange haben wir diesen Aspekt ausgeblendet und beriefen uns darauf, dass Menschen, die zur Bundeswehr kommen, bereits „aussozialisiert“ wären. Ein ehrlicher Blick in die Statistiken beweist, dass insbesondere das Altersband 25 bis 35 noch viel Raum für Erziehung, insbesondere militärische Erziehung, bietet. Hier entwickelt die Ausbildung unseres Führungsnachwuchses Hilfen, wie Erziehungsziele formuliert werden und welche Methoden sich bewähren. Erziehung beginnt allerdings für jeden Vorgesetzten bereits bei den einfachsten Dingen: Wer bereits bei kleinen Fehlverhalten oder Unterlassungen wie militärischer Sprache, Grußpflicht, Anzug oder Disziplin wegschaut oder Missstände ignoriert – teils aus Nachlässigkeit, teils aus Konfliktscheue – kommt seinem soldatischen, erzieherischen Auftrag nicht nach. Dies schadet letztlich all denen, die sich jeden Tag dafür einsetzen, sich abmühen

und durch klare Vorgaben Verhaltenssicherheit schaffen. Ohne äußere Disziplin, keine innere Disziplin, ohne innere Disziplin, inbußen bei professioneller Haltung und Verhalten.

„Der junge Führungsnachwuchs wird in der Truppe benötigt und schärft dort sein Berufsbild, nicht in höheren Stäben.“

Dienen, Auftragstaktik und Motivation

„Dienen“ wird wieder stärker eingefordert und gibt dem täglichen Dienst einen Wert. Je spezialisierter Personal ist, ob im technischen oder auch im Stabsbereich, desto stärker ist die Wahrnehmung, täglich „zur Arbeit“ zu fahren. Mit dieser Einstellung ist es ein langer Weg zum Soldaten, zum Führer und zum Minddet LV/BV.

Die Truppe hat extrem hohes Potenzial und damit alle Voraussetzungen, stärker zu deregulieren und zu dezentralisieren – und sie kann es auch! Dies hat den Effekt, dass Verantwortung übernommen und Auftragstaktik gelebt wird, dass die Motivation sowie das Engagement der Truppe einen enormen Schub erfähren und dass militärische Vorgesetzte ihrer Verantwortung auch gerecht werden können. Das wird in den kommenden Jahren erfordern, sich auch weiterhin von eingefahrenen Denkweisen zu lösen, sich auf ebenengerechte Koordinierung zu konzentrieren und statt mit Einzelweisungen mit Aufträgen zu führen. Wenn jede Ebene die Freiheit hat, die sie für Entscheidungen im täglichen Dienst benötigt, wenn Fehler, die sich zwangsläufig ergeben, als Chance verstanden werden, besser zu werden, dann gelingt es uns, Initiative und Führung weiter zu fördern. Und nur so werden viele Herausforderungen, die derzeit noch ganze Stäbe binden, an der Basis bereits ohne großen bürokratischen Aufwand gelöst.

Der Wandel ist angestoßen Das Heer ist die Teilstreitkraft mit dem größten Personalkörper. In der Landkriegsführung sind die Menschen das zentrale Waffensystem und werden Führern anvertraut, die in ungewisser Lage und unter maximaler Belastung Entschlüsse fassen. Führung und Truppe haben die Zeitenwende eingeleitet und befinden sich im Übergang von zyklischen Einsatzkräften zu sprungbereiten Gefechtsverbänden. Das alles bedarf aber noch Zeit, des gesellschaftspolitischen Rückhalts und eines öffentlichen Diskurses. Mit Blick auf „Kriegstüchtigkeit“ und die dazu notwendige Grundeinstellung, dem Mind-Set LV/BV, bleiben drei Bereiche weiter im Fokus. Erstens muss Kommunikation weiterhin intern wie extern proaktiv mit einfachen, positiven Botschaften orchestriert werden. Zweitens muss der Truppe weiterhin Zeit sowie Handlungsfreiheit verschafft werden, die die jeweiligen Vorgesetzten noch umfassender befähigt, den eigenen Verantwortungsbereich zu führen. Und drittens müssen junge Unteroffiziere und Offiziere noch stärker freigesetzt werden, damit sie in der Truppe ihre Kernkompetenz als Soldat festigen und als Führer, Erzieher sowie Ausbilder eingesetzt werden können.

Oberst i.G. Thomas Groeters ist seit 1. April 2023 der Beauftragte des Inspekteurs des Heeres für Erziehung und Ausbildung. Hierzu besucht er Truppe sowie Stäbe aller Ebenen im Heer und ergänzt so das Lagebild der Heeresführung insbesondere im Feld der Inneren Lage.

Aufgrund der hohen Dichte an Verpflichtungen ist die Truppe grundsätzlich „over-excercised and undertrained“! Ihr fehlt Zeit, Grundlagen auszubilden, geordnet Ausbildungsebenen zu erreichen und Ausbilder auszubilden. Insbesondere die Ebenen Einheit und Verband müssen Grundlagen beherrschen und benötigen hierfür die Freiheit, einen Ausbildungsplan selbstständig zu erstellen, die Ausbildungserfolge auszuwerten sowie gegebenenfalls strukturiert nachzusteuern. Dazu gehört auch, dass unser Ausbildungs- und Führungspersonal wieder stärker für die Truppe verfügbar gemacht wird. Der junge Führungsnachwuchs wird in der Truppe benötigt und schärft dort sein Berufsbild, nicht in höheren Stäben oder Ämtern. Unsere Lehrgangslandschaft, die bis vor Kurzem noch auf zyklische Einsatzgestellungen ausgelegt war, muss weiter entfrachtet werden. Insbesondere im Fachdienst ist die Zeitspanne der lehrgangsgebundenen Ausbildung im Vergleich zur eigentlichen Verfügbarkeit des Soldaten auf dem Dienstposten unverhältnismäßig. Mit Blick auf den Anspruch der Kriegstüchtigkeit stellen sich dann unweigerlich die Fragen: Ist für jede denkbare Tätigkeit ein mehrtägiger Lehrgang erforderlich? Können nicht mehr Inhalte wieder in der Truppe mit Praxisbezug ausgebildet werden? Muss immer das höchste Maß an juristischer Absichern angelegt werden? Wie wird Personal auf Einheitsebene von Nebenfunktionen und den damit verbundenen Lehrgangsabwesenheiten entlastet? Wieviel Stabspersonal bedarf es auf Brigade- und Divisionsebene, an Schulen, in Ämtern, in Kommandos und im BMVg, um einen einzigen Feldwebel als Ausbilder in der Truppe zur Wirkung zu bringen?

Oberst i.G. Thomas Groeters. Foto: BS/Bundeswehr, Jane Schmidt

Für ein smartes Europa

(BS/Anna Ströbele) E-Government, Change-Management und Interoperabilität sind für Isa von Kalben keine Fremdwörter. Denn die Begriffe beschreiben ihre Karriere. Die abgeordnete nationale Sachverständige bei der Generaldirektion Digitale Dienste der EU-Kommission im Referat Interoperabilität und Digitale Verwaltung brennt dafür, die europäischen Verwaltungen moderner aufzustellen. Dabei probiert sie gern Neues aus – auch neue Wohnorte.

das Ziel eines interoperablen Eruopas spricht Isa von Kalben auf Veranstaltungen. Auch auf der SEMIC-Konferenz im Juni 2024 berichtete sie von ihrer Arbeit. Foto: BS/EC, DG DIGIT

Acht Kilometer beträgt der Arbeitsweg von Isa von Kalben, den sie mit dem Fahrrad zurücklegt. So bekommt sie Sport im Alltag unter. Sie kaufte sich ein Klapprad, um die Option zu haben, auf der Hin- oder Rückfahrt doch den Zug zu nehmen. Bisher war dies aber nicht nötig. „Wenn ich einmal auf dem Rad sitze, bin ich glücklich“, erzählt von Kalben und schaut verträumt aus dem Wohnzimmerfenster. Auch im Wald ist sie gerne – wie gut, dass ihr gemütliches Zuhause in der belgischen Hauptstadt direkt an viel Grün grenzt. Bereits seit fünf Jahren wohnt von Kalben gemeinsam mit ihrem Partner und ihren drei Kindern in Brüssel. Dort arbeitet sie bei der Generaldirektion für Digitale Dienste der Europäischen Kommission. Im Referat für Interoperabilität und Digitale Verwaltung bringt sie die Vision eines geeinten Europas nach vorne. Der Interoperable Europe Act, der im April 2024 in Kraft trat, soll die Zusammenarbeit von Verwaltungen und die Nachnutzung von OnlineDiensten europaweit fördern. Seien es Sozialleistungen, der Antrag des Reisepasses oder die Formalitäten rund um die Geburt eines Kindes – vieles sei universell, betont von Kalben. Und aufgrund der gemeinsamen Rechtssetzung stünden viele europäische Verwaltungen bei der Digitalisierung vor den gleichen Herausforderungen. „Wenn jeder sein eigenes Ding macht, ist das auf Dauer teuer, ineffizient und nicht bürgerfreundlich“, findet sie. In Zeiten knapper Kassen lohne es sich mehr denn je, Lösungen nachzunutzen und mit anderen Verwaltungen in den Kontakt zu treten. „Ich finde gerne Lösungen“ Doch wie kam sie zu diesem Projekt? Den Wunsch nach einer Tätigkeit bei der Europäischen Union habe von Kalben nicht immer gehabt. Stattdessen habe in ihrer beruflichen Laufbahn eine Erfahrung auf der nächsten aufgebaut und sie zu ihrer heutigen Stelle geführt. Nach dem Abitur entschied sie sich für ein Studium der Kultur- und Rechtswissenschaften in Bremen. Dort merkte sie: „Ich finde gerne Lösungen.“ Bei den Rechtsthemen ging das gut – und sie fielen ihr leicht. In den kulturwissenschaftlichen Aufsätzen gab es hingegen keine Lösung, dort blieb alles offen. „Immer, wenn ich etwas schrieb, musste ich es im Prinzip gleich wieder infrage stellen“, scherzt von Kalben. Sie beschloss, sich ganz den

Rechtswissenschaften zu widmen und studierte in Berlin weiter. Die Schwerpunkte ihres Studiums waren das Europarecht und internationales Recht. Den europäischen Gedanken lebte sie nicht nur im Hörsaal, sondern auch in einem weiteren Umzug. Anstatt in Berlin zu bleiben, um sich auf das Staatsexamen vorzubereiten, entfloh von Kalben dem Stress, indem sie gemeinsam mit ihrem Partner nach Rom zog. Als sie schwanger wurde und in der italienischen Hauptstadt keinen angemessenenen Wohnraum für ihre Familie fand, stand die Rückkehr nach Berlin an.

Raum für Veränderungen

Nach dem Referendariat arbeitete von Kalben eine Zeit lang beim Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge, bevor sie –dem Wunsch nach mehr finanzieller Sicherheit nachgehend – beim Land Berlin als Verwaltungsjuristin anfing. In der Innenverwaltung war sie 2016 zuerst an der Umsetzung des Berliner E-Government-Gesetzes beteiligt. Zu der Zeit wurde das kleine Referat zu einer großen Abteilung umstrukturiert, um der neuen Aufgabe gerecht zu werden. „Das war ein großer Change-Prozess“, erinnert sie sich. Ihre nächste Station war die Sozialverwaltung. Auch hier beschäftigte sich von Kalben mit Change-Management, was ihr Spaß bereitete. „Ich denke mir gerne Sachen aus und das kann man in genau solchen Momenten tun. Es gibt viel Raum für Veränderungen und um Neues auszuprobieren. Deswegen war das zweimal eine tolle Gelegenheit“, sagt sie.

„Ich will dazu beitragen, die freiheitliche Demokratie zu bewahren. Das braucht zwar auch Veränderung, aber ohne das Wesentliche über Bord zu werfen.“

Zu dem Zeitpunkt hatte sie bereits zwei Kinder. Sie lebte schon seit einiger Zeit in Berlin und bekam Lust auf etwas Neues. Aus Neugier-

de schaute sie bei der EU-Kommission nach Stellen und fand zufällig eine, die ihr direkt zusagte. „Ich dachte nicht, dass wirklich etwas daraus wird. Aber schon das Bewerbungsgespräch war so nett, dass es plötzlich eine echte Option wurde“, erzählt von Kalben. Außerdem wurde bereits im Bewerbungsverfahren klar, dass eine Juristin mit E-Government-Erfahrung gesucht wurde. Perfekt also.Von Kalben erhielt die Zusage und so kam es, dass sie Anfang 2020 mit ihrer Familie nach Belgien zog. Im neuen Büro stellte sie erfreut

noch am Anfang stehen, wo andere schon viel weiter sind.“ Zuletzt schrieb die Juristin zusammen mit den Vertretern der Mitgliedsstaaten die Guidelines zur Interoperabilitätsbewertung, die mit der Verordnung neu eingeführt wurde. Diese funktioniert wie der Digitalcheck in Deutschland: Vor jeder Entscheidung, insbesondere im Gesetzgebungsprozess, soll die digitale Umsetzung mitgedacht werden. „Wenn ich jemanden habe, der nicht nur deutsche Dokumente hat, sondern zum Beispiel eine spanische Geburtsurkunde oder eine

gehen und eine Runde spazieren. Foto: BS/Ströbele

fest, dass sie auch hier viele eigene Ideen einbringen durfte. Ihre Aufgabe war, den bisher unverbindlichen europäischen Interoperabilitätsrahmen in ein Gesetz umzubauen. Dabei nahm sie eine kommunikative Rolle ein und koordinierte die verschiedenen Stakeholder.

Voneinander lernen 2024 trat der Interoperable Europe Act schließlich in Kraft. Er wirkt auf die verstärkte Nutzung von Open-Source-Software und die grundsätzliche Nachnutzung von Software hin. „Auf dem Interoperabilitäts-Portal wird man Lösungen finden können, die für den eigenen Fall interessant sein könnten, aber auch Partner, um an gemeinsamen Projekten zu arbeiten“, erklärt von Kalben. Dort soll nicht nur die EU Inhalte einstellen, sondern auch die Community, also alle Verwaltungen in Europa und GovTechs. Einfach ausgedrückt: „Es geht darum, mehr voneinander zu lernen.“ Gerade Deutschland könnte von Kalben zufolge sehr von dieser Kooperation profitieren – „weil wir bei vielem

Kein Platz in Berlin Kann sie sich vorstellen, mal nach Berlin zurückzugehen? „Ja, schon“, meint von Kalben. Berlin sei ihr Zuhause – das empfinde sie bei Besuchen noch immer so. Aber eine Frage sei für sie offen: „Wo soll ich eine bezahlbare Wohnung mit genug Platz für meinen Mann, mich und unsere drei Kinder finden?“ In Brüssel habe sie das geschafft und fühle sich wohl. Daran merke sie, wie wichtig die Wohnraumpolitik sei, um Fachkräfte anzuwerben –oder bei sich zu behalten. Auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist für von Kalben selbstverständlich ein relevanter Aspekt. „Das ist easy hier“, meint sie, während sie eine Zucchini für das Mittagessen schneidet. Heute ist ihr Homeoffice-Tag. Insgesamt soll sie an zwei Tagen pro Woche ins Büro gehen.

Dort spricht sie Englisch – aber dabei bleibt es nicht. Jeden Tag setzt von Kalben um die fünf Sprachen ein: „Deutsch und Italienisch zu Hause, Englisch auf der Arbeit, Französisch mit Freunden und Niederländisch im Kindergarten.“ Das sei zwar manchmal etwas kompliziert, doch man gewöhne sich daran. Die Multikulturalität der belgischen Hauptstadt gefalle ihr gut. In Belgien hat sie zudem Comics für sich entdeckt, die eine starke kulturelle Bedeutung im Land haben und die von Kalben neben anderen Büchern gerne liest.

Auf Veranstaltungen und Seminaren erzählt sie von den Vorteilen eines vereinten Europas. Sie glaubt an diese Idee genau wie an die Demokratie und spürt die Verantwortung, diese als Juristin zu verteidigen. „Wenn weltweit Leute, die nicht an den Rechtsstaat und demokratische Prinzipien glauben, an die Macht kommen, stellt das uns als Mitarbeitende der Verwaltung vor neue Probleme“, verdeutlicht von Kalben mit ernster Miene. Auch deswegen setzt sie sich für die Modernisierung des (Rechts-)Staats ein. „Ich will dazu beitragen, die freiheitliche Demokratie zu bewahren. Das braucht zwar auch Veränderung, aber ohne das Wesentliche über Bord zu werfen“, erklärt sie. Als Nächstes wird das Interoperable Europe Portal live gehen und soll zunehmend mit mehr Inhalten gefüllt werden. Die nächste große Veranstaltung, die SEMIC-Konferenz 2025, wird in Dänemark stattfinden. Von Kalben wird dabei sein. Auch wenn sie dorthin nicht mit dem Fahrrad fahren kann.

Europäische Kommission

Die Europäische Kommission bereitet Gesetzesvorhaben der Europäischen Union (EU) vor. Die Generaldirektion für Digitale Dienste entwickelt IT-Lösungen für die Kommission. Sie unterstützt andere Kommissionsdienststellen und EU-Institutionen bei ihrer täglichen Arbeit sowie die öffentlichen Verwaltungen in den EU-Mitgliedsstaaten.

Uni da besucht hat – funktioniert mein Geschäftsprozess dann immer noch?“, veranschaulicht von Kalben. Der Digitalcheck rege bereits das Denken in Prozessen an. Zur Umsetzung müsse auch die Möglichkeit mitgedacht werden, dass Daten mit einem anderen EU-Land ausgetauscht werden müssten, um eine Verwaltungsleistung zu erbringen. Tatsächlich beschloss das Interoperable Europe Board in seiner Auftaktsitzung am 5. Dezember 2024 die Guidelines zur Interoperabilitätsbewertung. Wie der AI Act sieht auch der Interoperabilitätsakt weiterhin den Aufbau von Reallaboren vor, um sich mit offenen Rechtsfragen zu beschäftigen. Nur werden diese nicht in einem Land allein aufgesetzt, sondern – ganz im Spirit des Rechtsakts – grenzüberschreitend. Sei es eine von Kommunen grenzüberschreitend organisierte Müllabfuhr oder eine Plattform für Datenaustausch zwischen den Mitgliedsstaaten, es gibt viele mögliche Fälle. Ziel ist, herauszufinden, was im grenzüberschreitenden Kontext beachtet werden und was der Gesetzgeber dementsprechend noch anpassen muss. Die Mitgliedsstaaten mussten bis Januar die Zuständigkeiten benennen und die genaue Umsetzung des Rechtsakts planen. In der EU-Kommission habe der Interoperable Europe Act bereits einen Effekt gehabt, berichtet von Kalben. So beinhalte die Rechtsfolgenabschätzung nun neben den finanziellen auch die digitalen Folgen. In Zukunft erhofft sich von Kalben vom Rechtsakt auch einen Beitrag zum Bürokratieabbau. Der größte Effekt werde aber tatsächlich die Zusammenarbeit von Verwaltungen sein.

Über
Isa von Kalben wohnt in einem sehr grünen Viertel in Brüssel. So kann sie jederzeit in den Wald

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