Gute Ideen und Best-Practices gibt es im Öffentlichen Dienst immer wieder. Ob nun neue Konzepte der Mitarbeiterführungen, neue agile Organisationsstrukturen, smarte Digitallösungen oder wiederverwendete Ausrüstungen. Manche Ansätze und Projekte entwickeln sich zu wahren Leuchttürmen. Andere Projekte, die den anderen ihrer Innovativität und Nutzen in nichts nachstehen, schaffen diesen Sprung in die öffentliche Wahrnehmung nicht. Gemein ist allen, dass sie zum Nachmachen und Weiterentwickeln animieren sollen.
Rolle der Nachrichtendienste
Auch in der öffentlichen Anhörung im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) fordern die Präsidentin des BAMAD und die Präsidenten von BND und BfV Beinfreiheit für die sich zuspitzende Blockkonfrontation. So erhöht Russland nicht nur non-verbal den Druck auf die Baltischen Staaten. Als größten Feind der demokratischen Rechtsordnung identifizieren Verfassungsschutzkenner jedoch schon seit einigen Jahren den Rechtsextremismus. Hier entwickelt sich überall in Deutschland eine Jugendkultur, die mit Glatze, Springerstiefeln und rechtsradikalen Parolen bestens mit der politischen Szene vernetzt ist. Aktiver miteinander vernetzt sei auch die islamistische Szene in Deutschland als noch vor Jahren, betont Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter aus dem Bundesministerium des Inneren und für Heimat (BMI). Der Konflikt im Nahen
Adressfeld
Osten triggere „unmittelbar Konflikte im Inneren Deutschlands“, führte sie aus. Dabei bedienten sich nicht nur der Islamismus, sondern auch der Rechtsextremismus antisemitischer Narrative mit dem Ziel gesellschaftlicher Spaltung. Dagmar Busch, Abteilungsleiterin im
Bundeskanzleramt und für die Koordination der Dienste verantwortlich, fasst zusammen, die Nachrichtendienste stünden vor schmerzhaften aber schier unmöglichen Priorisierungsentscheidungen. Experten werfen der Politik vor, diesen Paradigmenwechsel hin zu einem komplexen sicherheitspolitischen Verständnis zu verschlafen. Die Dienste warnen seit Jahren vor sich zuspitzenden Gefährdungslagen. Aber „die politische Seite muss dies auch annehmen“, appelliert Roderich Kiesewetter (CDU), stellvertretender Vorsitzender des PKGrs. Schlüssel hierfür ist die Erkenntnis, dass die Sicherheitsbehörden technisch, personell und strategisch ertüchtigt werden müssen. Während die Bedrohungslage diametral zunimmt, darf der Verfassungsschutz immer weniger. Begründet durch das Trennungsgebot dürfen die Dienste Straftäter nicht an die Strafverfolgungsbehörden übermitteln. Die politischen Kräfte, die dies befürworten sind jedoch oft dieselben, die die die Dienste kritisieren, Anschläge nicht rechtzeitig zu verhindern.
Zudem braucht es gesetzliche Grundlagen und passgenaue Instrumente für den Einsatz moderner Technologien. Einzelne Landesämter für Verfassungsschutz können keine moderne Quellen-TKÜ durchführen, weil sie nur analoge Telefonate mitschneiden können. Auch vernetzte technologischen Strukturen im Sinne eines Datenaustauschs sind dringend erforderlich.
Um die Legitimität der Dienste sicherzustellen, gilt es zum einen die Rechtskontrolle als eigenständigen Wert zu stärken. Dazu gehört keinesfalls die Mehrfachkontrolle durch unterschiedliche Gremien, die teilweise das Gleiche prüfen. Allein in Thüringen wird das LfV durch acht Gremien kontrolliert.
Dabei gerät aus dem Blickfeld, dass die Nachrichtendienste auch Auftraggeber benötigen, die strategisch denken. Konkret heißt dies nicht nur fordern, sondern auch fördern. „Besonders hoch springen müssen und dabei eine Fußfessel tragen“, so beschreibt Christoph de Vries (CDU), Mitglied des PKGrs, diese gegenwärtige Situation der deutschen Nachrichtendienste. Er fordert eine andere Rechtsprechung.
Strategic Intelligence braucht Auftraggeber, die strategisch denken (BS/Dr. Eva-Charlotte Proll) Die Nachrichtendienste sind mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert. Was nicht geht, ist eine Depriorisierung der Sicherheit. Sie brauchen ein zeitgemäßes Instrumentarium für die Zeitenwende. Zahlreiche Expertinnen und Experten fordern aus diesem Grund Ehrlichkeit bei den Eingriffsrechten und der Zielrichtung dessen, was die Dienste leisten können, können sollen und können dürfen. Nicht nur das BAMAD verzeichnet ein gestiegenes Hinweisaufkommen und zunehmende Sabotageverdachtsfälle, die gepaart mit Desinformationen schnell die Funktionsfähigkeit, der mit der Sicherheit Deutschlands beauftragten Behörden, in Frage stellen, so Torsten Akmann, Vize-Präsident des BAMAD auf der diesjährigen Nachrichtendienst-Konferenz. Er warnt, die russischen Nachrichtendienste legten es darauf an, Deutschlands militärische Fähigkeiten gezielt nachhaltig zu beeinträchtigen.
Zum anderen ist die politische Seite gefordert, die in der Bevölkerung von formaler Skepsis geprägte Haltung gegenüber den Diensten aufzunehmen und zu kommunizieren, welche Arbeit sie täglich leisten. Alle Dienste hierzulande agieren auf demokratischem und verfassungstreuem Fundament mit dem Ziel, für die Sicherheit Deutschlands zu sorgen. Dazu gehört es, über Erfolge zu sprechen, Handlungsfähigkeit herzustellen und es gilt auch für die Dienste, proaktiv im Rahmen der Möglichkeiten zu kommunizieren. Es gilt, die Funktionsfähigkeit, der Sicherheitsbehörden als resilient vorzuleben.
Mehr dazu in dieser Ausgabe auf Seite 32
Mobilitätswende ohne Tempolimit
Die neue StVO bietet neue Möglichkeiten bei der kommunalen Verkehrsplanung bedarf aber noch einiger Klärungen. Seite 19
Cyber-Hilfe von Mensch zu Mensch
Der neue gegründete Verein CyberHilfswerk Deutschland (CHW-DE) soll als „digitale Feuerwehr“ bei CyberNotfällen zum Einsatz kommen. Seite 28
Eine Hilfe zum Priorisieren Zukunftsanalysen können bei der Planung und Entwicklung von Kapazitäten im Katastrophenschutz helfen. Es gibt aber Grenzen. Seite 36
Der Behörden Spiegel wird verlegt von der ProPress Verlagsgesellschaft mbH. www.behoerdenspiegel.de
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Für Bezugsänderungen:
Datenservice – Erfolg für den Öffentlichen Einkauf
Wie eForms-DE die Vergabe verändert Seite 9
Blind vertrauen können
Inklusive Stadt der Zukunft
Für Bäume, Verkehr und Leseratten
Seite 12
Die Abteilung Data & Innovation in München erarbeitet KI-Projekte Seite 24
Zukunftsweisende Ausbildung in Soest
Realitätsnahe Ausbildung dank Simulations-Rettungswagen Seite 36
SCHW RPUNKT
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Kommentare
TikTok-Täter
(BS) Um einen Anschlag zu begehen, braucht man heute keinen Führerschein mehr. Die Idee, Strafmündigkeit von Tätern herabzusetzen, kommt zur richtigen Zeit. So steht ein 15-Jähriger aus Wuppertal unter Verdacht, seit Oktober mehrere Attentate geplant zu haben. Im Fokus standen dabei wohl jüdische Einrichtungen. Der 15-Jährige, der erst seit September als Gefährder eingestuft wurde, soll sich auf dem Videoportal TikTok mit der Flagge des Islamischen Staats gezeigt haben. Zudem soll er mit Islamisten im Ausland gechattet haben, die ihn zu einem Attentat motiviert haben sollen. Dass sich junge Menschen über das Internet radikalisierten, ist ein größer werdendes Problem sagte NRW-Innenminister Herbert Reul dazu.
Die Rekrutierung junger Menschen, um Straftaten unter 14 Jahren zu begehen, ist widerlich und entbehrt jeder Vernunft. Islamistische Prediger und Influencer werben mit Opfernarrativen. Sie zeigen gefakte Bilder aus aller Welt und wecken auf perfide Weise bei Minderjährigen Hass auf Andersgläubige und -denkende. Auch animieren sie zu Anschlägen, wissen,
Fehler begreifen
(BS) „Errare humanum est“ – zu Deutsch: Irren ist menschlich. Der lateinische Ausspruch hat seit über 2.000 Jahren nichts an Aktualität eingebüßt. Wo Menschen handeln, werden Fehler gemacht. In Stressund Krisensituationen erst recht. Zwar sollten Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger zumindest auf das Management in Krisenlagen vorbereitet sein, doch auch dann können Fehler passieren. Beispiele aus der jüngeren deutschen Geschichte, in denen das der Fall war, gibt es (leider) reichlich: die Corona-Pandemie, die Flutkatastrophe im Ahrtal, die Evakuierung aus Kabul nach der Machtübernahme der Taliban oder den Anschlag in Solingen. Häufig wird in den deutschen Parlamenten dann schnell nach einem Untersuchungsausschuss gerufen. Manchmal kommt er zustande, manchmal nicht. Oftmals konstituieren sich die Ausschüsse mit erheblicher Verzögerung. Es werden unzählige Dokumente gesichtet und Zeuginnen und Zeugen vorgeladen. Am Ende steht ein Abschlussbericht. Dann kehrt man zur Tagesordnung zurück. Ob es sich um „Fantasiedokumente“ handelt, wie man gelegentlich lesen kann, mag jeder selbst beurteilen. Fraglich bleibt jedoch, ob die Ein-
welche Vorgänge bei Ermittlern von Verfassungsschutz und Strafverfolgungsbehörden Aufsehen erregen und raten gezielt zu anderen Anschlagsszenarien. Die Spitze der Brutalität lässt sich in Schweden beobachten, wo Clans und Organisierte Kriminalität sich rein halten und Kinder für ihre Zwecke – auch für Morde – nutzen. Behörden müssen deshalb ein Augenmerk auf die Radikalisierung im Internet richten. Sie müssen untereinander zusammenarbeiten. Das betrifft den Verfassungsschutz, genauso wie Ordnungsämter und Strafverfolgungsbehörden.
von Dr. Eva-Charlotte Proll
Letztlich müssen sie Zustände wie in Schweden vermeiden. In Haft erleben die radikalisierten Minderjährigen dann genau das Gegenteil, von dem ihre Influencer gesprochen haben: Sie bekommen einen Gebetsteppich zur Verfügung gestellt, auf ihre Essgewohnheiten wird Rücksicht genommen und sie erleben den Staat – dem ihre Vorbilder jegliche Rücksicht auf ihren Glauben abgesprochen haben – gar nicht mehr als Gegner.
satzkräfte nach mehreren Jahren die Ergebnisse überhaupt noch wahrnehmen.
Das Ziel, es beim nächsten Mal besser zu machen, steht vielleicht auf der Agenda, tritt jedoch im politischen Raum schnell in den Hintergrund. Stattdessen geht es oft um die Suche nach Verantwortlichen. Eine Fehlerauswertung im Sinne der Verbesserung von Fähigkeiten ist auf diese Weise kaum zu erreichen. Die Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes (vfdb) schlussfolgert in einem Positionspapier treffend: „In Deutschland ist die ergebnisoffene, systematische Auswertung von Schadenslagen immer noch nicht ausreichend etabliert.“ Wie kann es also besser gemacht werden?
von Bennet Biskup-Klawon
Es braucht – vor allem im politischen Raum, aber nicht nur dort –einen anderen Umgang mit Fehlern. Die Angst vor dem Fehlermachen muss abgebaut werden. Das bedeutet nicht, Fehler zu akzeptieren, sondern sie als das zu begreifen, was sie sind: Chancen, die Lücken in der Krisenbewältigung zu schließen.
Mit Behördenkontakten bei der Beantragung von Ausweisdokumenten oder rund um die Heirat sind Bürger am zufriedensten. Im Gegensatz dazu hinterlassen z. B. die Beteiligung an einem Gerichtsverfahren sowie Scheidung bzw. Aufhebung einer Lebenspartnerschaft jeweils mehr als ein Drittel der Befragten unzufrieden oder höchstens teilweise zufrieden. Hier müssen Behörden dringend nachbessern. Das ergab die Lebenslagenbefragung 2023, die das Statistische Bundesamt im Auftrag der Bundesregierung durchgeführt hat. Mit Potenzial
Besonders gut bewerteten die 7.573 befragten Personen dabei die Diskriminierungsfreiheit und Unbestechlichkeit der Behörden. Auch die räumliche Erreichbarkeit, die Hilfsbereitschaft und das Vertrauen in die Behörde wurden sehr positiv eingeschätzt. Kritik gab es für die Verständlichkeit des Rechts, die Online-Angebote sowie an den Öffnungs- und Wartezeiten. Vor allem bei den Online-Angeboten liegt ungenutztes Potenzial. Digitale Kommunikationswege vereinfachen nicht nur viele Prozesse, sie sind auch von den Bürgern ausdrücklich erwünscht. Während 2015 gerade mal 20 Prozent der Behördenkontakte online stattfanden, waren es 2023 mit 39 Prozent fast doppelt so viele. „Im Gegenzug nehmen persönliche Kontakte immer weiter ab“, erklärt Sylvana Walprecht, Referentin beim Statis-
Guter Kontakt, zufriedene Bürger
Behördenkommunikation auf dem Prüfstand
(BS/Ann Kathrin Herweg) Fast ein Drittel der Bürgerinnen und Bürger ist laut eigenen Angaben „sehr zufrieden“, wenn es um die Kommunikation mit Behörden geht. Rechnet man diejenigen dazu, die sich als „eher zufrieden“ bezeichnen, kommt man insgesamt sogar auf 79 Prozent zufriedene Bürger. Doch während behördliche Dienstleistungen in einigen Lebensbereichen besonders positiv wahrgenommen werden, herrscht an anderen Stellen noch deutlicher Nachholbedarf – insbesondere im Bereich der Online-Angebote.
61 Prozent der Bürger bewerten den Kontakt mit Behörden als eher oder sehr unkompliziert, 39 Prozent erachten ihn als teilweise oder sehr kompliziert. Foto: BS/LAONG, stock.adobe.com
tischen Bundesamt. Hier ist weiterhin Luft nach oben.
Die Bürger mitnehmen Wird der Behördenkontakt als kompliziert wahrgenommen, kann
Aktuelles aus dem Arbeitsrecht
das zu geringer Zufriedenheit führen. Ein Beispiel dafür: Das Einreichen der Steuererklärung empfinden die befragten Personen als besonders kompliziert und es ist dementsprechend unbeliebt. Trotz-
Herbstzeit ist Beurteilungszeit
Eine Kolumne von Ralph Heiermann
In den Verwaltungen landauf und landab ist der Herbst die Jahreszeit, in der häufig die Stichtage für Regelbeurteilungen für die Beschäftigten liegen. Seit rund 30 Jahren war es in der Rechtsprechung mit dem Segen des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt, dass sich Beurteilungen auf die gesamten im Beurteilungszeitraum gezeigten
Leistungen beziehen müssen. Das galt auch, wenn im Beurteilungszeitraum eine Beförderung erfolgt war. Die im vorherigen Statusamt gezeigten Leistungen waren dann insgesamt an dem strengeren Maßstab des Beförderungsamtes zum Beurteilungsstichtag zu messen, auch wenn sie teilweise im niedrigeren Amt erbracht worden waren. In der Verwaltungspraxis hat das unproblematisch funktioniert und auch nicht zu grundsätzlichen Problemen in der gerichtlichen Überprüfung geführt.
Dr. Ralph Heiermann ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Arbeitsrecht und besitzt eine Kanzlei in Hannover. Er berichtet an dieser Stelle regelmäßig über arbeitsrechtliche Entwicklungen in der Verwaltung und die aktuelle Rechtsprechung. Foto: BS/privat
dem steht die Steuererklärung im Ranking der am häufigsten rein digital durchgeführten Behördenkontakte mit 72 Prozent ganz oben. Ein auf den ersten Blick herausragend guter Schnitt, der allerdings darauf zurückgeführt werden kann, dass die digitale Einreichung der Steuererklärung mittlerweile verpflichtend ist. Insgesamt lässt sich beim digitalen Ausfüllen und Versenden von Formularen und Nachweisen jedoch ein positiver Trend erkennen: Von 2019 bis 2023 hat sich der Anteil der komplett digital eingereichten Dokumente von gerade mal zehn Prozent auf 28 Prozent fast verdreifacht. Die vollständig analoge Bearbeitung ist um 20 Prozentpunkte auf 36 Prozent gesunken.
Nicht wollen oder nicht können
Diejenigen, die Formulare und Nachweise weiterhin analog oder zumindest teilweise analog bearbeitet haben, hatten dafür unterschiedliche Gründe. „Die größte Gruppe der Bürgerinnen und Bürger sagt, dass sie den persönlichen
Kontakt bevorzugt“, so Walprecht Das sei insbesondere dann der Fall, wenn es spezielle Rückfragen gebe. In Teilen sei es aber auch schlicht eine Typfrage. Einige Befragte blieben außerdem aus Gewohnheit bei den altbekannten Kommunikationswegen.
Ein weiterer Faktor: Das digitale Ausfüllen und Einreichen einiger Dokumente ist gar nicht praktikabel, meist weil ein Online-Versand nicht möglich ist, aber auch weil Behörden den postalischen Versand verlangen, Online-Angebote nicht bekannt oder benutzerfreundlich sind – oder auch aufgrund fehlender IT-Kenntnisse bzw. entsprechender technischer Ausstattung. Wer jedoch digitale Antragsverfahren genutzt hat, fand diese in der Regel eher zufriedenstellend.
Die richtige Richtung Neben den Bürgern wurden auch die Unternehmen zu ihren Behördenkontakten befragt. 80 Prozent von ihnen sind nach eigenen Angaben eher oder sehr zufrieden. Der höchste Zufriedenheitswert findet sich hier im Zusammenhang mit Ausbildung, der niedrigste beim Bau von Betriebsstätten. Im Vergleich zu 2015 ist die Bewertung der Behördenkommunikation im Gesamten sowohl in der Befragung der Bürger als auch der Unternehmen auf einem stabilen Niveau – eine gute Nachricht für die Behörden und gleichzeitig doch auch eine Herausforderung, die aufgezeigten Lücken zu schließen.
Acht Prozent mehr Lohn gefordert
Die Entscheidung hat die Praxis ratlos zurückgelassen. Wie soll das „Erfassen“, aber „Nichtbewerten“ funktionieren? Außerdem verlangt das Bestenausleseprinzip des Art. 33 Abs. 2 GG gerade für Auswahlentscheidungen eine Bewertung der in der Vergangenheit erbrachten Leistungen und deren Vergleich. Die Leistungen sind vollständig zu würdigen. Dass diese Rechtsprechungsänderung nicht ohne Kritik geblieben ist, verwundert nicht. Wie es weiter gehen soll, bleibt im Dunkeln. Das Bundesverwaltungsgericht hält nur fest, dass im Fall eines zu kurzen Zeitraums zwischen Beförderung und Beurteilungsstichtag die Regelbeurteilung ausfalle und für eine neue Auswahlentscheidung sodann eine Anlassbeurteilung erstellt werden müsse. Was aber soll etwa geschehen, wenn auch für eine Anlassbeurteilung ein nicht ausreichend langer Zeitraum im aktuellen Statusamt vorhanden ist?
In einer Entscheidung vom 21. Mai dieses Jahres stellt sich das
Zeitraum vor der Beförderung spielt keine Rolle Gleichwohl hat das Bundesverwaltungsgericht bereits im Herbst vergangenen Jahres ausdrücklich diese Rechtsprechung aufgegeben. Die noch vor der Beförderung im Beurteilungszeitraum erbrachten Leistungen dürfen nicht nachträglich am Maßstab des Beförderungsamtes bewertet werden, so das Bundesverwaltungsgericht. Es gebe dafür im Fall der Regelbeurteilung keine Rechtfertigung. Die Beurteilung könne sich nur auf die im neuen Statusamt erbrachten Leistungen beziehen. Dem Zeitraum vor der Beförderung komme für die Beurteilung keine Bedeutung mehr zu. Gleichwohl müsse die Regelbeurteilung aber die Leistungen im alten Statusamt ebenfalls erfassen, dürfe sie aber nicht bewerten.
Oberverwaltungsgericht Magdeburg der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts ausdrücklich entgegen. Eine dienstliche Regelbeurteilung, die die vor der Beförderung erbrachten Leistungen im alten Statusamt erfassen, aber nicht bewerten dürfe, verfehle ihren „verfassungsrechtlich-funktionalen Zweck“.
Manipulationsanfälligkeit liegt auf der Hand
Das Oberverwaltungsgericht führt weitere Erwägungen an, die gegen die Rechtsprechungsänderung des Bundesverwaltungsgerichts sprechen. Diese ergeben sich aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Übrigen zu dienstlichen Beurteilungen. Sie können in diesem kurzen Beitrag vernachlässigt werden.
Besonders bedeutsam erscheint die Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts Magdeburg, dass durch die Ausblendung eines wesentlichen Teils eines Regelbeurteilungszeitraums erst das Bedürfnis für eine Anlassbeurteilung geschaffen werde. Das konterkariere ein Regelbeurteilungssystem. Überdies wird durch die Rechtsprechungsänderung der Verwaltung die Gelegenheit gegeben, durch die Beförderung eines Beamten kurz vor dem Regelbeurteilungstermin die Regelbeurteilung für diesen ausfallen zu lassen. Später könnte für den Fall einer weiteren Bewerbung für das nächste Beförderungsamt eine „passende“ Anlassbeurteilung erfolgen. Die Manipulationsanfälligkeit der Lösung des Bundesverwaltungsgerichts liegt auf der Hand. Es bleibt deswegen zu hoffen, dass auch die anderen Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe die kritische Sicht des Oberverwaltungsgerichts Magdeburg teilen werden.
Einkommensrunde für Beschäftigte von Bund und Kommunen (BS/Anne Mareile Walter) Vor der anstehenden Einkommensrunde im Öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen haben die Tarifkommissionen der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) und des DBB-Beamtenbunds und Tarifunion ihre Forderungen formuliert.
Acht Prozent mehr Einkommen – beziehungsweise eine Erhöhung um mindestens 350 Euro – sowie zusätzlich drei freie Tage und ein weiterer freier Tag für Gewerkschaftsmitglieder, eine Flexibilisierung der Arbeitszeit durch „ein innovatives Arbeitszeitkonto“ und eine Erhöhung des Auszubildenden-Entgeltes um monatlich 200 Euro: So haben die Gewerkschaften des Öffentlichen Dienstes ihr Postulat an Bund und Kommunen im Detail formuliert. Im Januar 2025 beginnen die Verhandlungen für die Gewerkschaften im Öffentlichen Dienst.
Vertrauensverlust in Öffentlichen Dienst gefährdet Demokratie „Wir wissen, dass die Forderungen ambitioniert sind. Aber sie sind keineswegs zu hoch und messen sich an dem, was eine zukunftsfähige Verwaltung braucht“, stellte Ulrich Silberbach, Bundesvorsitzender des DBB-Beamtenbunds und Tarifunion (DBB) klar. Die Bürgerinnen und Bürger bekämen bereits jetzt die Mangelerscheinungen eines nicht mehr funktionierenden Öffentlichen Dienstes zu spüren. „Das führt zu Vertrauensverlust und ist aus unserer Sicht demokratiegefährdend“, so Silberbach weiter. Aktuell fehlten bundesweit mehr als 500.000 Stellen, viele Kollegen litten daher an Überlastung. Verdi-Vorsitzender Frank Werneke stellte zudem heraus: Bis Ende des laufenden Jahrzehnts seien 840.000 Stellen im Öffentlichen Dienst neu zu besetzen.
Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke, konkretisierte die Sicht der Sicherheitsbehörden und kündigte an: Die zu Jahresbeginn anstehenden Tarifverhandlungen müssten von „Schnelligkeit und Einigkeit“ geprägt sein. Denn: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Bundesinnenministerin Lust auf die intensiven Streitereien und Massenproteste haben wird, die sich garantiert bei einer schlechten Tarifrunde abzeichnen werden.“
Hamburger Vergabetag 2025 30.–31. Januar 2025
Die Beschäftigten in den Sicherheitsbehörden, würden mit einer hohen Erwartungshaltung auf das blicken, was ihre „Dienstherren nun anbieten“, erklärte der GdPBundesvorsitzende. Die Mitglieder der Gewerkschaft der Polizei seien bereit, „für ein Mehr auf die Straße zu gehen“.
Proteste vermeiden und Attraktivität erhalten Es müsse deshalb auch darum gehen, die Beschäftigung im Öffentlichen Dienst „attraktiv zu halten“. Ein Mittel seien beispielsweise Überstundenzuschläge. Beschäftigte sollen selbst entscheiden, ob sie Überstunden ausgezahlt bekommen oder auf ein Zeitkonto buchen lassen. Daneben gelte es, bestehende Unterschiede im Ost-West-Tarifgebiet abzuschaffen.
Die
EUAA (European Union Agency for Asylum) mit Sitz in Valletta auf Malta ist eine Agentur der Europäischen Union. Ihr Auftrag ist es, die Mitgliedsstaaten bei der Anwendung der EU-Rechtsvorschriften für Asyl und internationalen Schutz zu unterstützen. Das geschieht etwa durch technische und operative Hilfsangebote, insbesondere dann, wenn das jeweilige Asylsystem besonders belastet ist. So waren zum Beispiel mehr als 500 Unterstützungskräfte ab 2016 in Griechenland im Einsatz, darunter viele Mitarbeitende aus europäischen Asylbehörden. Nach vielen Monaten massiver Flüchtlingszuwanderung über die Ägäis halfen sie mit, die Vereinbarungen der EU mit der Türkei umzusetzen. Auch viele Mitarbeitende des BAMF – vor allem erfahrene Entscheiderinnen und Entscheider – waren bis zu drei Monate vor Ort.
Mit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine richtete sich der Fokus auch auf die östlichen EU-Länder. Staaten wie Rumänien und Litauen nahmen innerhalb kürzester Zeit viele Tausende Kriegsgeflüchtete auf – und baten schließlich über die EUAA um Hilfe. Auch hier leistete Deutschland mit mehreren Mitarbeitenden des BAMF tatkräftige Unterstützung. Ganz vorn im Ländervergleich
Aber auch in Deutschland stieg zusätzlich zu mehr als einer Million Ukraine-Geflüchteter die Zahl der Asylanträge zuletzt stark an. 2022
Gelebte Solidarität
Unterstützung durch europäische Asyl-Experten
(BS/Lioba Hebauer*) Viele Jahre lang half das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) anderen EU-Staaten, indem es regelmäßig Mitarbeitende entsandte. Nun erhält das BAMF erstmals selbst Verstärkung aus europäischen Partnerländern. Seit Ende August sind die ersten Unterstützungskräfte im Einsatz. Ihre Entsendung wird von der Asylagentur der Europäischen Union (EUAA) koordiniert.
BAMF-Vizepräsident Dr. Michael Griesbeck und EUAA-Exekutivdirektorin Nina
unterzeichneten am Rande der 52. EUAA Management Board-Sitzung den gemeinsamen Einsatzplan.
registrierte das BAMF bundesweit mehr als 244.000 Anträge. 2023 wurden knapp 352.000 Anträge entgegengenommen. Welcher Herausforderung das Amt damit gegenüberstand, wird mit einem Blick auf die Statistik deutlich: Dies war der vierthöchste Jahreswert seit Be-
In den Dublin-Referaten wird bestimmt, welcher EU-Mitgliedsstaat für die Durchführung eines Asylantrags zuständig ist. BAMF-Pate Lutz Gorny arbeitet im Berliner Dublin-Büro die Unterstützungskräfte Ismat Zerin Khan und Clara Ulrich Fich (v. l.) ein. Fotos: BS/EUAA
Der durch Bürokratie verursachte Belastungstrend hat sich erfreulicherweise abgeflacht: Führten bürokratische Hürden bei der Verabschiedung neuer Gesetze in den vergangenen Jahren noch zu Milliardenanstiegen, registrierte der NKR für den Zeitraum Juli 2023 bis Juni 2024 einen Rückgang bei Zeitaufwand und Kosten. Nach dem nun vorgelegten Jahresbericht lag das Kostenplus für neue Gesetze im Berichtszeitraum bei insgesamt 400 Millionen Euro.
Verhaltenes Lob Dabei hatte die Verwaltung einen Anstieg von 821 Millionen Euro zu schultern, während die Wirtschaft erstmalig seit 2019 um 433 Millionen Euro entlastet wurde. Die Bürokratiekosten, die durch Informationspflichten verursacht wurden, sanken um 655 Millionen Euro. „Die Bemühungen der Bundesregierung zum Bürokratieabbau beginnen sich auszuzahlen“, erklärte Lutz Goebel, Vorsitzender des NKR, bei der Präsentation des Jahresberichts. Das Lob fällt allerdings verhalten aus. Denn: „Wir sind insgesamt auf einem sehr hohen Aufwands-Plateau angekommen. Davon müssen wir dringend runter.“ Die Politik müsse sich weiter anstrengen, sagte Goebel und nannte folgende Zielgröße: 25 Prozent weniger Bürokratiekosten und
stehen des BAMF im Jahr 1953. Auch innerhalb der Staaten der Europäischen Union verzeichnete Deutschland 2023 mit einem Plus von 107.720 Asylanträgen den höchsten Zuwachs bei den Antragszahlen im Vorjahresvergleich, gefolgt von Italien mit einem Anstieg um 51.530 und Spanien mit einem Anstieg um 44.475 Anträge. Mit rund 132.000 Asylanträgen im ersten Halbjahr 2024 bewegt sich Deutschland nach wie vor auf einem hohen Niveau. Aber nicht nur die Zahl der Asylanträge, sondern auch die der sogenannten DublinFälle ist gestiegen. Das Verfahren gemäß der Dublin-III-Verordnung soll die Sekundärwanderung von Geflüchteten in Europa begrenzen. In den Dublin-Referaten des BAMF wird festgestellt, welches Land als „Ersteintrittsstaat“ für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist. Deutschland war auch 2023 das EU-Land mit der höchsten Zahl von Dublin-Entscheidungen und
durchgeführten Überstellungen in andere EU-Mitgliedsstaaten.
Erster Einsatz im Dublin-Referat Im März dieses Jahres richtete Deutschland vor dem Hintergrund der eigenen, überproportional angestiegenen Belastung erstmals selbst einen Antrag auf Unterstützung an die EUAA. Im April 2024 wurde eine gezielte Bedarfsermittlung mit Schwerpunkt auf einer Dublin-Unterstützung durchgeführt.
Am Rande der 52. EUAA Management Board-Sitzung auf Malta im Juni wurde dann der gemeinsame Einsatzplan von EUAA-Exekutivdirektorin Nina Gregori und BAMFVizepräsident Dr. Michael Griesbeck unterzeichnet.
„Nachdem wir in diesem Jahr erstmals selbst Hilfe angefragt haben, hat EUAA nicht gezögert, uns zu unterstützen“, erläutert Griesbeck Auch die Behörden der Partnerländer seien schnell bereit gewesen, Mitarbeitende nach Deutschland
Neue Gesetze kosten weniger
Halbzeitbilanz beim Thema Bürokratieabbau
(BS/Anne Mareile Walter) Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) hat Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann seinen Jahresbericht 2024 ausgehändigt. Das Ergebnis: Das Bürokratieniveau ist immer noch hoch, aber es gibt erste Fortschritte.
Erfüllungsaufwand innerhalb der nächsten vier Jahre. Dies würde rechnerisch fünf Milliarden Euro weniger Aufwand pro Jahr verursachen.
Bundesjustizminister Marco Buschmann hob bei der Präsentation der NKR-Bilanz hervor: Regulierung und Deregulierung blieben weiterhin „ein wichtiges Feld“. Dabei wies er darauf hin, dass eine Null-Fehler-Kultur beim Abbau von bürokratischem Aufwand hinderlich sei. Sachbearbeiter würden dann „nie wieder schnell entscheiden“.
Trotz erster Erfolge machte Sven Giegold, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, deutlich: Die Bürokratisierung innerhalb der Verwaltung habe mittlerweile einen Grad erreicht, der nicht mehr erträglich sei. „Bei den Bürgern breitet sich ein wachsendes Gefühl von Überbürokratisierung aus“, sagte Giegold. Dem müsse man begegnen.
Hilfreich soll an dieser Stelle unter anderem der vom NKR etablierte Praxischeck sein. Damit sollen Gesetze so vereinfacht werden, dass
Hürden für die Umsetzung aus dem Weg geräumt werden. „Das ist ein Meilenstein für die bessere Rechtsetzung“, bilanzierte der NKR-Vorsitzende Goebel Zusammen mit dem Digitalcheck aus dem BMI, dem Bürgercheck aus dem Bundeskanzleramt und dem Zentrum für Legistik aus dem BMJ könne so „eine ganz neue Philosophie der Gesetzgebung“ entstehen.
Vertrauenskrise bei den KMU Dabei erschweren insbesondere die föderalen Strukturen den Bürokratieabbau. Ein Beispiel hierfür ist der Datenschutz: Zwar existiert die Idee eines einheitlichen Datenschutzrechts für Europa – durch die Tatsache, dass der Bund sowie jedes Bundesland über einen eigenen Datenschutzbeauftragten verfügen, gilt es jedoch, 17 verschiedene Datenschutz-Varianten unter einen Hut zu bringen. „Das treibt die betroffenen Unternehmen in den Irrsinn“, bilanzierte Bundesjustizminister Buschmann. Um einen einheitlich für Deutschland
zu entsenden, um das BAMF zu entlasten. „Das ist gelebte europäische Solidarität und es freut mich sehr, dass die ersten Unterstützungskräfte noch im Sommer ihre Arbeit in Deutschland aufnehmen konnten.“
Im Austausch Gemäß dem gemeinsamen Einsatzplan werden bis zu 15 externe Expertinnen und Experten sowie Mitarbeitende der Asyl- und Migrationsbehörden anderer EU-Mitgliedsstaaten bis Ende 2025 in den Dublin-Zentren des Bundesamtes mithelfen. Der Unterstützungseinsatz beim BAMF bietet zudem die Möglichkeit für einen intensiven Austausch mit der EUAA und dem Fachpersonal anderer Mitgliedsstaaten, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der kürzlich verabschiedeten Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Seit Ende August sind nun die ersten Unterstützungskräfte im Dublin-Referat des Bundesamtes in der Badenschen Straße in Berlin im Einsatz: Antoinette von Bartheld aus den Niederlanden, Ismat Zerin Khan als externe EUAA-Expertin und Clara Ulrich Fich aus Dänemark. Auch Frankreich und Finnland haben Unterstützungskräfte für die Dublin-Zentren des BAMF zugesagt.
Bart Vandenbroucke erklärt, die EUAA stehe bereit, das BAMF in einer Zeit des erhöhten Drucks auf das deutsche Asylsystem zu unterstützen. „Wir freuen uns sehr über diese Zusammenarbeit und darauf, mit dem BAMF an der Umsetzung der Dublin-III-Verordnung als integraler Bestandteil des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems zu arbeiten“, so der EUAA-Einsatz-Koordinator. „Die deutschen Behörden haben sich immer für unsere Agentur engagiert, durch verlässliche Hilfe, Mitarbeit beim Networking, in der Beratung und bei Schulungen – aber auch durch die Entsendung vieler deutscher Kollegen ins Ausland, um die Arbeit der EUAA in anderen Mitgliedstaaten zu unterstützen.“
*Lioba Hebauer ist Pressereferentin im BAMF.
geltenden Standard festzulegen, brauche es aber eine verfassungsändernde Mehrheit – und die sei nur gemeinsam mit der Opposition umzusetzen.
„Bei den Bürgern breitet sich ein wachsendes Gefühl von Überbürokratisierung aus.“
Sven Giegold, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium
Dr. Eva Vesterling, die bayerische Landesvorsitzende von Die Familienunternehmer e. V., konkretisierte die unbefriedigende Situation der Unternehmen weiter. Demnach sind die diagnostizierten Fortschritte beim Bürokratieabbau in der freien Wirtschaft kaum
spürbar. „Die kleinen und mittelständischen Unternehmen stecken in einer Vertrauenskrise“, erklärte sie. So gehe es bei jedem behördlichem Nachweis, der erbracht werden müsse, darum, zu zeigen, dass „man es schon richtig macht“. Das verursache Frust. „Aber wir sind nicht angetreten, um Formulare auszufüllen“, kritisierte Vesterling und ergänzte: „Mit jedem Formular, das ich auszufüllen habe, tue ich nichts für meine Unternehmen. Von der Bürokratie kann ich keinen einzigen Mitarbeiter bezahlen.“ Das Misstrauen der Politik gehe den Unternehmern „gehörig auf den Zeiger“.
„Es ist weiterhin viel zu tun“, sagte auch die stellvertretende Vorsitzende des NKR, Prof. Dr. Sabine Kuhlmann. Die Hindernisse, um den Gesetzgebungsvollzug praxisorientiert durchzuführen, seien immer noch enorm. Die daraus resultierenden Forderungen des NKR: Nettoabbauziele müssten definiert, Ausnahmen beim „One in, one out“-Prinzip abgeschafft werden. Bürokratieabbau solle „zum politischen Dauerthema“ werden. Zudem sei ein Kulturwandel nötig, eine Stärkung der Führungs- und Fehlerkultur. „Dieses Konzept des NKR muss die Politik umsetzen, es mit Ressourcen ausstatten und verbindlich machen“, formulierte Kuhlmann den abschließenden Appell.
Gregori
Viele Länder greifen bei ihren nunmehr in Kraft tretenden Lösungen dabei vermehrt auf einen alimentativen (Familien-) Ergänzungszuschlag (AEZ) zurück, der entgegen der bisher zum Beispiel vom Bund in der Besoldung angenommen Alleinverdienerehe steht. Dabei wird davon ausgegangen, dass auch die Ehepartner der Beschäftigten ein Einkommen in den Haushalt einbringen. Besonders das Abweichen des Bundes von dieser Berechnungsgrundlage wird vom deutschen Beamtenbund (DBB) und vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) als Methode kritisiert.
Nachzügler statt Vorreiter
Der Bund nimmt sogar als letzter Akteur eine Anpassung der „gesetzwidrigen Zustände“ vor. Laut DBBStellungnahme zu dem Referentenentwurf hat der Bund durch sein Verhalten dabei seine langjährige Vorreiterrolle bei der Besoldungsgesetzgebung aufgegeben. auch habe der Bund die zusätzliche Zeit nicht einmal dafür genutzt, eine eigenständige Weiterentwicklung der Besoldungsgesetze vorzunehmen. Stattdessen greife er auf ein, durch die Länder entwickeltes, Modell zurück, um der Mindestbesoldung zu entsprechen.
Dabei ist die Neuregelung der Bundesbesoldung u. a. aus Sicht
Schlecht kopiert statt gut gedacht
Angemessene Bundesbesoldung nicht gegeben
(BS/sr) Jedem Beamten ist im Zusammenhang mit seiner Verpflichtung für den Arbeitgeber eine angemessene Besoldung zu garantieren. Bund und Länder erfüllten diese grundlegende Voraussetzung bei der Besoldung jedoch lange nicht. Sie haben erst über die letzten Jahre Anpassungen vorgenommen und so das Vertrauen der Beamtinnen und Beamten in diesen Punkten gefährdet.
des Deutschen Gewerkschaftsbundes und des DBB bedenklich und intransparent. Der DBB-Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach kommentierte die Neuregelung wie
folgt: „Mit einer sinnvollen, sachgerechten und wertschätzenden Weiterentwicklung der Besoldung hat das jedenfalls nichts zu tun. Die Kolleginnen und Kollegen werden
Kränkelnder Beschluss
Krankenhausreform im Blindflug
(BS/sr) Seit über einem Jahr wird um die Ausarbeitung der Krankenhausreform, welche das schwächelnde Gesundheitssystem in Deutschland wieder auf die Beine bringen soll, diskutiert. Nun hat der Bundestag der von Gesundheitsminister Karl Lauterbach, eingebrachten Reform zugstimmt. Damit sind allerdings nicht alle Akteure glücklich.
Lange kritisieren Experten und Vertreterinnen und Vertreter der Länder die Krankenhausreform. Die größte Reform des deutschen Gesundheitssystems seit Langem hat daher bereits mehrere Änderungen erfahren, so auch durch die Ampelfraktion kurz bevor sie zur Abstimmung in den Bundestag ging. Nach Aussage von Gesundheitsminister Lauterbach wird nun nach fast drei Jahren der Vorbereitung ein flächendeckendes Netz an Krankenhäusern erhalten und die Behandlungsqualität deutschlandweit gesteigert.
Sicherstellungshäuser
Skepsis darüber, ob das Gesetz tatsächlich die Rettung für die Krankenhäuser darstellt, die es verspricht, besteht aber. Schließlich werden mit der Reform auch einige Krankenhäuser schließen müssen oder umgewandelt werden gerade im ländlichen Raum. Lauterbach zufolge werden aber die nötigen Krankenhäuser auf dem Land durch Zulagen erhalten bleiben. Die sogenannten Sicherstellungshäuser in ländlichen Regionen haben dafür eine unbefristete Sonderregelung und erhöhte Zuschläge erhalten, sie sind aber dennoch zu einer Qualitätssteigerung verpflichtet.
Zweifel an der Umsetzung
Unter anderem aus den Ländern gibt es Widerstand gegen die beschlossene Version der Reform. Clemens Hoch, Wissenschafts- und Gesundheitsminister von Rheinland-Pfalz, freut sich, dass die dringend notwendige Reform der Finanzierung der Krankenhäuser nun kommt, sieht es aber als kritisch an, dass in einigen Punkten in die Entscheidungshoheit der Länder eingegriffen wird. So verzögere die Stichtagsregelung für den Beginn des Transformationsfonds die dringend notwendigen Umbau.
Niedersachsens Sozialminister Dr. Andreas Philippi zeigt sich hingegen zwar erfreut darüber, dass eine weiteres Bestehen der Krankenhäuser im ländlichen Raum mit dem vorgelegten Entwurf sichergestelt ist, sieht es aber als äußerst kritisch an, dass die finanzielle Unterstützung bis zur endgültigen Umsetzung der Reform ungeklärt bleibt. Schließlich greift das neue Finanzierungsmodell erst ab 2027. Philippi spricht sich daher für zusätzliche Finanzmittel bis einschließlich 2027 aus. Schleswig-Holsteins Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken sieht die Finanzierung ebenfalls als problematisch. Sie erklärte am Tag des Bundestagsbeschlusses, dass die bisher bekannten Gesetzesentwürfe die Versorgung des ländlichen Raumes gefährdeten und kritisierte auch die mangelnde Zusammenarbeit des Ministeriums mit den Ländern.
Gegen einen Blindflug Judith Gerlach, Gesundheitsministerin Bayerns, beschrieb zudem die bisher fehlende Folgenabschätzung des Gesetzes als Versuch, die Reform im Blindflug umzusetzen. „Das gefährdet nicht nur die Krankenhäuser und die dortigen Arbeitsplätze, sondern auch die Versorgung der Patienten in einigen Regionen”, erklärte sie. Auch Philippi hatte angekündigt, die Praxistauglichkeit des Gesetzes bis zur Entscheidung im Bundesrat noch einmal zu überprüfen.
Ob das Gesetz am 22. November den Bundesrat passieren wird, bleibt also eher unsicher. So hatte Gerlach bereits deutlich gemacht, dass sich Bayern gegen das Gesetz aussprechen werde. Von der Decken hat ebenfalls angekündigt, sich im Bundesrat für weitere Änderungen am Gesetz starkzumachen.
stattdessen vor den Kopf gestoßen und der Bund wird es zukünftig noch schwerer als bisher haben, die besten Nachwuchs- und Fachkräfte zu gewinnen beziehungsweise zu halten.“
Beide Organisationen bemängeln, dass sich die vom Bund vorgelegten Anpassungen auf veraltete Zahlen beriefen, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes nicht richtig wiedergäben und den aktuellen Situationen vieler Haushalte nicht entsprächen. So sei zum Beispiel nicht berücksichtigt worden, dass der Rechtsanspruch auf eine Kinderbetreuung nicht flächendeckend gegeben sei und so eine zusätzliche Belastung für die Eltern entstehe, die nicht kompensiert werde. Generell wird in dem Entwurf eine erneute Pauschalisierung der Familiensituation vorgenommen, die Beamten zum Nachteil gereichen kann. Wenn dann noch veraltete Daten verwendet werden, kann ein Gehalt 15 Prozent über der Grund-
sicherung nicht garantiert werden. So führt der DGB etwa in seiner Stellungnahme auf, dass der Entwurf auf Daten der Einkommensund Verbraucherpreisstichprobe von 2018 zurückgreife. Damit seien Ereignisse wie die Preissteigerungen während der Energiekrise nicht berücksichtigt. Durch diese und weitere Versäumnisse liege der nach Gesetzesentwurf erhobene Betrag des Grundsicherungsniveus 400 bis 500 Euro unter den Berechnungen nach einer der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entsprechenden Bemessung des Grundsicherungsniveaus.
Abstandsgebote
Ein weiteres Problem sieht der DBB in der Anhebung der unteren Besoldungsgruppen. Diese war nötig, damit die Gehälter die angestrebten 15 Prozent über dem Grundsicherungsniveau liegen. Denn auf eine Anpassung in den unteren Besoldungsgruppen muss auch eine Anpassung der oberen folgen. Der zweite Vorsitzende und Fachvorstand Beamtenpolitik des DBB, Waldemar Dombrowski erklärt: „Eine Erhöhung auch der weiteren Besoldungsgruppen wäre die zwingende Konsequenz gewesen, weil natürlich auch zwischen den Besoldungsgruppen das Abstandsgebot gilt.
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Ein wenig wirkt der Vorschlag zur Besoldungsgesetzgebung, als habe der Bund von umgesetzten Landesgesetzgebungen Inhalte übernommen. Foto: BS/Okta_Aderama_Putra, pixabay.com
Abschiebe-Offensive?
(BS/lm) Im Herbst letzten Jahres hatte Bundeskanzler Olaf Scholz
Abschiebungen „im großen Stil“ angekündigt. Vom Rückführungsverbesserungsgesetz versprach man sich eine Vereinfachung der Abschiebung von Menschen ohne Bleibeperspektive. Zwar stiegen die Zahlen zuletzt tatsächlich an, allerdings nur auf bescheidenem Niveau. Die angekündigte Offensive
Ausländer mit Ausweisungsstatus (ergangen im jeweiligen Jahr)
Abschiebungen im ersten Halbjahr 2024
Plätze für Abschiebehaft und Ausreisegewahrsam im Jahr 2024 (nach Bundesländern)
Sachsen-Anhalt
Mecklenburg-Vorpommern Saarland
Gescheiterte Abschiebungen im ersten Halbjahr 2024 (nach Bundesländern)
Ministerium für Inneres, Kommunales, Wohnen und Sport Schleswig-Holstein
Düsternbrooker
Weg 92, 24105 Kiel Postfach 71 25, 24171 Kiel
Tel: 0431/988-0
PS 2 zweite Pressesprecherin Jana Hämmer -3337
Fax: 0431/988-2833
E-Mail: Poststelle@im.landsh.de
Düsternbrooker Weg 104, 24105 Kiel (Landesplanung) Von-dem-Borne-Straße, 24598 Boostedt (Katastrophenschutzlager)
Abteilung
IV 6 Landesplanung Marion Koll -1703
Referat 60 Landesentwicklung und Rauminformation Frank Liebrenz -1734
Referat 62 Regionalentwicklung und Regionalplanung Beate Domin -1736
Referat 73 Auswertung Islamismus und Islamistischer Terrorismus -3500
Referat 24 Leitstellen Christian Schiller -3175
Referat 74 Auswertung Linksextremismus und Extremismus mit Auslandsbezug, Spionageabwehr und Wirtschaftsschutz -3500
Referat 43 Landespräventionsrat, Landesdemokratiezentrum, Prävention Stefan Kiehl -3155
Referat 13 Personal und Organisation des Geschäftsbereichs (ohne Polizei) Sven Scholze -2713
Referat 44 Personal der Polizei Kristina Kaiser -2967
Referat 15 Justiziariat, Disziplinarrecht, Interne Revision und Korruptionsprävention Dr. Malte Wüstenberg -2715
Untere Landesbehörde UMB Untere Marktüberwachungsbehörde für Bauprodukte Dr. Birger Gigla *5 -5601 nicht rechtsfähige Anstalt/Leitung LFS Landesfeuerwehrschule Schleswig-Holstein Jan-Rasmus Hansen *1 -112 Untere Landesbehörden 11 Landrätinnen oder Landräte
Oberbürgermeisterinnen oder Oberbürgermeister der kreisfreien Städte
Referat 75 Observation und nachrichtendienstliche Technik -3500
Referat 76 Digitales Arbeiten, technische Aufklärung und Analyseunterstützung, IT, Geheimschutz und IT-Sicherheit -3500 Referat 77 Datenschutz, operative Sicherheit und Presseund Öffentlichkeitsarbeit -3500
Referat 45 IT-Strategie N.N.
Zugeordnete Ämter/Leitung LPA Landespolizeiamt
Kommunale Förderung und Stellungnahmen (KIF) ohne Sport
Eshätte so schön werden können. Der Haushaltsentwurf 2025 war gesetzt, Finanzminister Christian Linder schwärmte bereits von der kommenden Aktienrente zur Stabilisierung des Rentensystems und vom Ausbau privater Vorsorge. Doch die Rezession holte Lindner ein. Das Einzige, was derzeit noch wächst, sind die Schulden. Am 9. Oktober schlug für Wirtschaftsminister Robert Habeck die Stunde der Wahrheit: Im Saal der Berliner Bundespressekonferenz musste er seine Wachstumsprognose zurücknehmen: Statt der bisher erwarteten bescheidenen Zunahme des Bruttoinlandsprodukts um 0,3 Prozent ist Schrumpfung angesagt –und zwar um 0,2 Prozent. Die Folge für Lindner: Im Haushaltsplan klafft ein noch größeres Loch. Eine leicht zu drehende Stellschraube bei der Schuldenbremse ließ es zu, die Neuverschuldung im Falle einer Rezession anzuheben. Und das tat er flugs, sodass der Bund im kommenden Jahr 56,5 Milliarden Euro Schulden aufnehmen soll, 5,2 Milliarden mehr als zunächst geplant. Die „schwarze Null“, von der der frühere Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) immer geschwärmt hatte, gibt es längst nicht mehr. Hatte der CDUFinanzexperte Mathias Middelberg vielleicht doch recht, als er angesichts der schlechten Wirtschaftslage in der letzten Haushaltsdebatte Lindner vorgeworfen hatte, dessen Entwurf sei „maximal unrealistisch, unehrlich und verantwortungslos“?
Druck von allen Seiten Druck bekommt der Finanzminister von allen Seiten. Die SPD präsentierte ihm den Vorschlag einer Steuerreform, die eine Entlastung von 95 Prozent aller Steuerzahler vorsieht. Zwar sollen als Gegenfinanzierung Besserverdiener höher belastet werden, doch enthalten die
Eine effektive Finanzverwaltung ist grundlegend für ein funktionierendes Staatswesen. Verwaltungspartnerschaften und Entsendungen von Personal zielen daher darauf ab, Wissen zwischen verschiedenen Behörden zu vermitteln. Beispiele hierfür sind das „Twinning“-Programm der Europäischen Union sowie Initiativen im Kontext der Entwicklungszusammenarbeit. Doch wie erfolgreich sind Entsendungen tatsächlich, um neues Wissen und verbesserte Abläufe in die öffentliche Verwaltung zu bringen?
Partnerschaften zwischen westund ostdeutschen Bundesländern Obwohl die Entsendung von Beamten gängige Praxis ist, fehlt es bislang an systematischer Evidenz zur Wirksamkeit dieses Instruments. Grund dafür ist die fehlende Datenlage, um z. B. Abordnungen unabhängig von Umgebungsfaktoren und anderen Maßnahmen betrachten zu können. Eine qualitative Evaluierung von Abordnungen im Rahmen der französischen Entwicklungszusammenarbeit konnte nur kurzfristige Effekte feststellen. Eine neue Studie erlaubt es erstmals, die kausale Wirkung von Entsendungen auf die Funktionsfähigkeit von Behörden zu quantifizieren. Der Fokus liegt dabei auf der Finanzverwaltung, genauer gesagt auf den Finanzämtern. Steuereinnahmen sind eine elementare Voraussetzung für den Staat, um seine Aufgaben zu finanzieren. Daher ist die Funktionsfähigkeit der Finanzämter von zentraler Bedeutung für ein stabiles Wirtschaftswachstum und einen starken Sozialstaat. Die Finanzämter in Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung bieten ideale Bedingungen für eine
Die Schulden holen Lindner ein
Wirtschaftskrise verdirbt die Finanzplanung
(BS/Hans-Jürgen Leersch) Die Rezession zeigt Folgen und durchkreuzt die Pläne des Finanzministeriums: Im Haushaltsplan klafft ein größeres Loch als erwartet, der Druck auf Lindner wächst. Geplante Änderungen im Steuerrecht treffen auf massive Kritik.
Der Koalition dürfte ein heißer Herbst bevorstehen: Geplante Änderungen im Steuerrecht treffen bei Koalitionspartnern und Wirtschaftsverbänden auf Kritik. Foto: BS/Marco2811, stock.adobe.com
SPD-Pläne zudem „Super-Abschreibungen“ bei Investitionen und neue Subventionen für den Absatz von E-Autos. Das dürfte teuer werden. Lindner ging den Koalitionspartner massiv an: „Wenn die SPD 95 Prozent der Steuerzahler entlasten will, schlage ich ein. Aber nicht auf Kosten von Fachkräften und Mittelstand.“ Wie schon CDU-Chef Friedrich Merz forderte auch Lindner „eine weitere Bürgergeldreform und die Unterbindung irregulärer Einwanderung in den Sozialstaat“. Das wiederum lehnte die SPD ab, so dass der Koalition ein heißer Herbst bevorstehen könnte.
Allerdings konterte Lindner die SPD-Pläne mit einem Mini-Steuergeschenk für alle: Der steuerliche Grundfreibetrag soll im kommenden Jahr 2025 jetzt 12.096 Euro betragen (statt geplant 12.084 Euro) und für 2026 auf 12.348 Euro steigen (statt 12.336 Euro). 2024 liegt er bei 11.604 Euro und wurde jetzt sogar rückwirkend auf 11.784 Euro angehoben. Einkünfte unterhalb des Grundfreibetrags sind steuerfrei. Die angekündigten steigenden Sozialbeiträge dürften die Senkungen aber wieder aufzehren.
Die Maßnahmen des Finanzministers zur Stimulierung der Wirtschaft
scheinen nach den Urteilen von Experten im Bundestags-Finanzausschuss allerdings weniger gelungen zu sein. Von einem Gesetz zum Bürokratieabbau im Strom- und Energiesteuerrecht erwartet der Bundesverband der deutschen Industrie das genaue Gegenteil. „Der Titel ist irreführend“, so Annette Selter vom BDI, die mit einem „massiven Bürokratieaufbau“ rechnet.
Neue Anzeigepflicht für Unternehmen
Bei einer Anhörung zum Steuerfortentwicklungsgesetz nahm Monika Wünnemann (ebenfalls BDI) kein
Finanzbeamte auf Leihbasis
Die Wirksamkeit von Entsendungen am Beispiel der Finanzämter
(BS/Prof. Dr. Nadja Dwenger/Prof. Dr. Anna Gumpert) Welche kausale Wirkung haben Entsendungen auf die Funktionsfähigkeit von Finanzbehörden? Das untersucht eine aktuelle Studie der beiden Autorinnen Prof. Dr. Nadja Dwenger und Prof. Dr. Anna Gumpert, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert wurde.
Untersuchung, wie sich Wissen zwischen einzelnen Behörden durch Entsendungen vermitteln lässt. Im Beschluss zur Wiedervereinigung wurde festgelegt, das komplexe westdeutsche Steuerrecht und die entsprechenden Verwaltungsstrukturen für die ostdeutschen Bundesländer zu übernehmen. Im sozialistischen System der DDR gab es keine Finanzämter im heutigen Sinn. Die Staatseinnahmen wurden größtenteils durch die Regulierung von staatlich festgesetzten Preisen und kaum durch Steuern generiert. 1990 wurden deshalb in Ostdeutschland 121 Finanzämter neu gegründet. Das in die neu gebildeten Finanzämter übernommene Personal verfügte aufgrund seiner Ausbildung und bisherigen Berufspraxis zwar über Kenntnisse im Finanzund Verwaltungsbereich, nicht aber im westdeutschen Steuerrecht. Das Personal – so die politische Vorgabe – sollte dabei unterstützt werden, möglichst schnell das westdeutsche
Prof. Dr. Nadja Dwenger ist Professorin für Volkswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Finanzwissenschaft an der Universität Hohenheim. Als Expertin für Finanzpolitik berät sie öffentliche Institutionen. Foto: BS/Universität Hohenheim/Carmen Moosmann
Steuerrecht korrekt anzuwenden. Im Einigungsvertrag wurden daher für die Finanzverwaltung, aber auch für andere Themen im Hoheitsbereich der Länder wie Polizei und Justiz, Partnerschaften zwischen den west- und ostdeutschen Bundesländern vereinbart. In der Finanzverwaltung wurden innerhalb dieser Partnerschaften dezentral Partnerfinanzämter festgelegt. Sie hatten zur Aufgabe, die neuen Finanzamtsmitarbeiter durch die Entsendung erfahrener Beamter in den ersten Jahren zu unterstützen. Diese besonderen Gegebenheiten ermöglichen es, die Wirkung von Abordnungen quantitativ zu erfassen. Hierfür wurden in den vergangenen zehn Jahren zahlreiche Zeitzeugen-Interviews geführt sowie in Behörden und im Bundesarchiv bzw. in den Landesarchiven Akten gesichtet. So entstand eine einzigartige Sammlung an Zahlenmaterial zu den Entsendungen und den ostdeutschen Finanzämtern in den
Beide Wissenschaftlerinnen sind Mitglied im neu gegründeten Ökonominnen-Netzwerk des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz und des Gesprächskreises Wissenschaft des Finanzministeriums Baden-Württemberg. Ihre Studie zur Wirksamkeit von Entsendungen ist Teil einer größeren Forschungsagenda, die den Aufbau der ostdeutschen Finanzämter nach der Wiedervereinigung untersucht.
Blatt vor den Mund, als es um eine neue Anzeigepflicht für Unternehmen bei nationalen Steuergestaltungen ging. Wünnemann sprach von „großem Humbug“. Auch von der CDU/CSU kam massive Kritik: Es handele sich um eine „ebenso nutzlose wie teure Ausgeburt rotgrün-gelben Kontrollwahns“, sagte der haushalts- und finanzpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe Sebastian Brehm. Er erklärt die Dimension des Vorhabens: „Man muss sich vergegenwärtigen, dass bereits die Entscheidung über Leasing oder Kauf einer Anlage eine Steuergestaltungsfrage ist – und eine entsprechende Beratung daher meldefähig wäre.“ Brehm rechnet mit zehntausenden Meldungen täglich von Unternehmen, „die auf ein Bundesamt für Steuern zulaufen, das personell dafür gar nicht aufgestellt ist – und deshalb am Ende aufgestockt werden muss“. Warnung vor Steuerausfällen für die Kommunen Druck auf Lindner kommt auch von Ländern und Gemeinden, die aufgrund von verbesserten Abschreibungsbedingungen für Unternehmen Ausfälle in Milliardenhöhe erwarten. Der Bundesrat warnt vor Steuerausfällen für die Kommunen bei der Gewerbesteuer in Milliardenhöhe. Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände fordert eine Kompensation der Steuereinnahmen durch höhere Anteile der Länder an der Umsatzsteuer. Zuletzt hatte sich Lindner auch noch mit Musiklehrern angelegt. Kulturschaffende beschwerten sich massiv, dass Musikschulen bald nicht mehr umsatzsteuerfrei arbeiten könnten. Auch in einer Bundestags-Anhörung hagelte es Kritik. Lindner nahm diesen Plan inzwischen sang- und klanglos wieder zurück.
1990er Jahren. Diese Daten zeigen, dass alle ostdeutschen Finanzämter Unterstützung aus westdeutschen Finanzämtern erhielten. Die durchschnittliche Betreuungsrelation betrug 1:20, es wurden also 20 ostdeutsche Mitarbeiter von einem entsandten westdeutschen Beamten betreut. In intensiv betreuten Finanzämtern betrug sie 1:7.
Beschleunigte Bearbeitung von Steuererklärungen Statistische Analysen machen die Auswirkungen von Entsendungen auf die Funktionsfähigkeit der Finanzämter hinsichtlich Bearbeitungszeit und Einspruchsquote sichtbar: Anfänglich ist zu beobachten, dass in den Finanzämtern mit besonders vielen westdeutschen Abordnungen Steuerklärungen beschleunigt bearbeitet wurden. Dieser Unterschied wird besonders bei aufwendigen Steuerarten wie der Körperschaftsteuer deutlich. Mittelfristig ist dieser Effekt nicht
mehr nachweisbar, da die Finanzämter mit geringerer westdeutscher Unterstützung aufschließen. Unterschiede bei der Anzahl der eingelegten Einsprüche hingegen bleiben sichtbar, nachdem die Abordnungen abgeschlossen sind. In weiteren Analysen wird geprüft, ob es hier langfristig zu einer Angleichung kommt.
Noch zu erforschen ist auch, welche Art von Wissen bei Abordnungen übermittelt wird. Denn die messbaren Unterschiede zwischen den Finanzämtern sind nicht allein von der Anzahl der entsandten Beamten abhängig. Vielmehr spielt auch die Ausgestaltung der Abordnungen eine Rolle. Beispielsweise stellen sich Entsendungen von mittlerer Dauer mit ca. drei Monaten als besonders effektiv heraus: Die abgeordneten Beamten konnten sich wohl so einerseits gut in die lokalen Gegebenheiten einarbeiten, andererseits waren sie nicht zu lang vor Ort, sodass immer wieder neue Personen mit verschiedenem Wissen fortbildend wirken konnten. Diese Erkenntnisse können bei zukünftigen Entsendungen und der Bewältigung neuer Aufgaben berücksichtigt werden.
Prof. Dr. Anna Gumpert ist Professorin für Volkswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Internationale Wirtschaftsbeziehungen und Europäische Integration an der Universität Tübingen. Foto: BS/Universität Tübingen/Friedhelm Albrecht
Eine besondere Herausforderung für die Forschung war und ist es, die nötigen Daten zu recherchieren, zusammenzutragen und zu digitalisieren. Dies erfordert die Mithilfe von Behörden und Archiven. Dabei haben besonders die Behörden in Ostdeutschland die Forschungsarbeiten auf vielfältige Weise unterstützt. Eine weitere gute Zusammenarbeit mit Behörden und ein erleichterter Zugang zu Datenmaterial könnten zukünftig zu neuen Erkenntnissen auch in anderen Themenbereichen der öffentlichen Verwaltung führen.
► BIETERGEMEINSCHAFTEN
Zusammenschlüsse
Wettbewerbsbeschränkung?
Es ging um ein Verfahren über die Stationierung und den Betrieb von Notarzt-Einsatzfahrzeugen und Krankentransportwagen. Das Auswahlverfahren fand gemäß der Bereichsausnahme Gefahrenabwehr/Rettungsdienst (§ 107 I Nr. 4 GWB) statt. Der Rechtsstreit war daher von den Verwaltungsgerichten zu beurteilen. Der Gerichtshof betont: Ein Zusammenschluss von mehreren Unternehmen zu Bietergemeinschaften, der allein darauf abzielt, Synergieeffekte zu heben und Kostenstrukturvorteile zu erreichen, kann einer wettbewerbsbeschränkenden Abrede gleichkommen. Er thematisiert die Frage des Vergaberechts, ob und inwieweit „nicht notwendige Zusammenschlüsse“ von Unternehmen zu Bietergemeinschaften als wettbewerbsbeschränkende Abrede einzustufen sind. Dies kann auf beschränkten Märkten durchaus der Fall sein. Hierzu bedarf es oftmals nur weniger Indizien. Allerdings sollte vor Ausschluss eine sorgsame Dokumentation – und eine Marktuntersuchung nebst Darlegung der konkreten Hinweise im Einzelfall – die Grundlage der Entscheidung bilden. Nicht zu hinterfragen sind hingegen „notwendige Zusammenschlüsse“ von Unternehmen zu Bietergemeinschaften, bei denen der Wettbewerb erweitert wird, weil sich dann Unternehmen überhaupt beteiligen können, die von ihrer Leistungsfähigkeit her alleine den ausgeschriebenen Auftrag nicht zu bewältigen in der Lage wären. Den Unternehmen ist allerdings zugutezuhalten, dass sie sich aus Sorge vor kapazitiver Überforderung auch zu „nicht notwendigen Bietergemeinschaften“ zusammenschließen.
VGH Bayern, Beschl. v. 26.07.2024 (12 CE 24.1067)
► KLINIKWESEN Förderbescheid
Keine öffentliche Auftraggeberin!
Im Zusammenhang mit der Vergabe eines Auftrages Ressourcenmanagement betreffend stellte sich die Frage, ob eine Klinik, die gemäß Förderbescheid öffentliche Finanzmittel zur Verfügung gestellt bekommt, zur öffentlichen Auftraggeberin avanciert. In den allgemeinen Nebenbestimmungen hieß es, dass für die Verwendung der zur Verfügung gestellten Finanzmittel das Vergaberecht anzuwenden ist. Eine Anbieterin, die an dem Vergabeverfahren teilnahm, stellte die Frage, ob nicht die Klinik generell das förmliche EU-weite Vergabeverfahren als öffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 99 GWB anwenden müsse.
Die Vergabekammer verneint dies. Sie sagt, dass die gesetzlichen Tatbestände, unter denen ein Wirtschaftsbetrieb zu einem öffentlichen Auftraggeber werden kann, abschließend sind. Keinesfalls ist es möglich, dass die öffentliche Auftraggebereigenschaft durch einen Fördermittelbescheid bewirkt wird, der (lediglich) zur Anwendung des (nationalen) Vergaberechts verpflichtet. Somit sind verwaltungsrechtliche Verpflichtungen zur Anwendung von Vergaberecht einerseits und europarechtliche Verpflichtungen aus der Vergabekoordinierungsrichtlinie andererseits zu unterscheiden. Überdies gelangte die Kammer zu der Schlussfolgerung, dass die Klinik nicht staatsnah genug ist, auch wenn sie Aufgaben der Daseinsvorsorge übernimmt. Daher fehlte es an den gesetzlichen Merkmalen einer ausreichenden Beherrschung durch den Staat bzw. staatlichen Stellen. Mit einer kurzen Entscheidung des OLG Celle (Beschl. v. 27.08.2024,13 Verg 3/24) wurde der Beschluss der Vergabekammer bestätigt.
VK Lüneburg, Beschl. v. 11.06.2024 (VgK-11/2024)
► MESSGERÄTE
Erneuerung
Einpassung in Vorhandenes
Die Vergabekammer im mittelfränkischen Ansbach hatte sich zunächst mit der Frage auseinanderzusetzen, ob sie örtlich zuständig ist, weil es sich um eine Aufgabe im Bereich der Landesbehörden handelt. Sie gelangt jedoch zu dem Schluss, dass der konkrete Dienstort, welcher die Ausschreibung vornimmt (zuständige Vergabestelle), über die örtliche Zuständigkeit entscheidet. Dies ergab die Zuständigkeit der nordbayerischen Vergabekammer.
In der Sache geht es um die Umsetzung der 39. Bundesimmissionsschutzverordnung (BImschV). Zu beschaffen waren Geräte mit der Funktion der Probenentnahme und der Funktion der Elektronik. Diese Trennung erwies sich aus technischen Gründen als notwendig, sodass kombinierte Geräte nicht zielführend waren. Entgegen der Behauptung der Antragstellerin sei es nicht notwendig, bereits in der Leistungsbeschreibung Begründungen für diese Festlegungen anzugeben. Diese müssten freilich in einem Vergabevermerk vorhanden und substantiiert sein. Genau dies wurde bestätigt. Der Vorwurf der Antragstellerin, dass der Markt hinsichtlich der infrage kommenden Produkte unzulässig eingeengt worden, wurde zurückgewiesen. Vielmehr sei es auch im Hinblick auf den sukzessiven Ersatz der teilweise bis zu 50 Jahren alten Geräte technisch geboten, getrennte Messeinrichtungen auszuschreiben. Im Übrigen existiere ein Wettbewerb von mindestens zwei Herstellern, von denen entsprechende Produkte bezogen werden könnten. Daher sei der vergaberechtlich zulässige Rahmen des behördlichen Leistungsbestimmungsrechts nicht überschritten worden.
VK Nordbayern, Beschl. v. 12.09.2024 (RMF-SG21-3194-9-24)
Datenservice – Erfolg für den Öffentlichen Einkauf
► DIENSTLEISTUNG Zuordnung zur Bauleistung?
Nicht bei mangelnder Gleichzeitigkeit
Gegendstand des Vergabeverfahrens waren Betreiberleistungen für eine Flüchtlingsunterkunft, welche für die Dauer von 67 Monaten vergeben werden sollten. In dem Vergabenachprüfungsverfahren erhob sich die Frage, ob eine Vergabe eines Betreibervertrages über diese Dauer auf der Basis einer nationalen freihändigen Vergabe gemäß der VOB/A durchgeführt werden durfte. Die Vergabekammer ordnet die Vergabe dieses Betreibervertrages sehr entschieden dem Dienstleistungsvergabewesen zu, nicht hingegen dem Bauvergabewesen. Auch wenn es sich teilweise um einen sog. „typengemischten Vertrag“ handelt, so ist gemäß der Kammer dieser Vertrag keinesfalls als zur VOB/A gehörig einzuordnen. Entscheidend ist, dass der Vertrag separat als Betreibervertrag vergeben wurde. Daher mangelt es an dem erforderlichen Merkmal der Gleichzeitigkeit von Planen und Bauen im Sinne des § 103 GWB. Nur im Falle einer echten Gleichzeitigkeit können Dienstleistungen in den Anwendungsbereich der VOB/A gelangen. Schließlich wurde der Zeitraum von 67 Monaten für diese Art von Vergabe als unzulässig lang eingeordnet. Dringlichkeitsvergaben im engeren Sinne dürften nur für ca. 12 Monate durchgeführt werden. Bei diesem weit hierüber hinausgehenden Zeitraum liegt eine Rechtsverletzung der Antragstellerin vor.
VK Lüneburg, Beschl. v. 25.06.2024 (VgK-12/2024)
► CATERING Unfähige Konkurrenz
Wie weit muss man Leistungsversprechen prüfen?
Weit über die Landesgrenzen von Bayern hinaus ist bekannt, wie sehr sich Anbieter von CateringLeistungen dort Konkurrenz machen und auch bereit sind, ihre Rechtspositionen zu vertreten. Kerngehalt verschiedenster Nachprüfungsverfahren ist immer wieder die Behauptung, dass der Konkurrent Eignungs- bzw. Leistungsversprechen abgibt, welche er angeblich nicht einhalten kann. Sind die Eignungsversprechen meistens noch eher anhand der betrieblichen Mittel und Kapazitäten überprüfbar, so verhält es sich bei den Leistungsversprechenkomplizierter. Maßgeblich ist immer die konkrete Leistung und die Art, wie sie ausgeschrieben worden ist. Vorliegend hat der Vergabesenat die Bezichtigungen des Konkurrenten als unbegründet zurückgewiesen, weil die ausschreibende Stelle sich in ausreichender Weise hat schildern lassen, wie das Unternehmen die Catering-Leistungen erbringen will. Kern der Argumentation ist, dass die Leistung funktional ausgeschrieben war, sodass es den Bietern oblag, auf Basis individueller Vorschläge die Catering-Aufgabe zu lösen. Diesbezüglich hat sich nach Meinung des Senats der öffentliche Auftraggeber u. a. auf behördliche Bescheinigungen und Bestätigungen verlassen dürfen. Der Bieter hat eine Methode zur Erbringung der Catering-Leistung angeboten, die er nach Aktenlage wird einhalten können. Eine etwaige weitergehende Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers, das Leistungsversprechen zu hinterfragen, besteht ab einem gewissen Ausmaß an Plausibilität des Angebotes nicht mehr.
BayObLG Beschl. v. 29.05.2024 (Verg 17/23e)
SCHWERPUNKT
jeden Monat im Behörden Spiegel ◄
jeden Monat im Behörden Spiegel ◄ Zusammenfassung der Entscheidungen: RA und FA für Vergaberecht Dr. Rainer Noch, München (Oppler Büchner PartGmbB)
der Vergabestatistik nicht positiv entwickelt. Wertet man die an den PPDS gelieferten Zahlen für das erste Halbjahr aus, so wurden nur 9,5 Prozent der EU-Vergabeverfahren in Deutschland mit Hinweis auf die Berücksichtigung strategischer Aspekte (umweltbezogener und sozialer Aspekte sowie Innovationen) bekannt gemacht. Diese Daten werden zukünftig über den Datenservice tagesaktuell abrufbar sein und die öffentliche Verwaltung in die Lage versetzen, eine umfassende strategische Steuerung des öffentlichen Einkaufs in Deutschland aufzubauen! Insbesondere, wenn es gelingt, wie im Vergabetransformationspaket bereits angelegt, auch die Verfahren in der Unterschwelle auf einfache Weise mit eForms im Datenservice umzusetzen. Auf der technischen Seite wurden im Datenservice bereits die Voraussetzungen dafür geschaffen, sodass es hoffentlich auch gelingt, eine Standardisierung der Bekanntmachungen gemeinsam mit den Ländern zu beschließen und zu realisieren.
* Frank Schmitz ist Abteilungsleiter Beschaffungsmanagement & Zentrale Dienste im Beschaffungsamt des BMI
Wie eForms-DE die Vergabe verändert (BS/Frank Schmitz*) Vor gut einem Jahr fand der Livegang des „Datenservice“ Öffentlicher Einkauf und die Einführung von „eForms“ als Standard für Bekanntmachungen in Deutschland statt. Selbstverständlich bedeutete die Umstellung für alle direkt betroffenen, Vergabestellen und Fachverfahrenshersteller, zunächst Aufwand. Dennoch wage ich nach einem Jahr zu sagen: Dieser Aufwand hat sich für uns alle gelohnt. Seit dem Produktivstart des Bekanntmachungsservice Ende 2022 wurden weit über 500.0000 Bekanntmachungen von Bund, Ländern und Kommunen über den Datenservice veröffentlicht, mehr als 250.000 davon seit der Verpflichtung zur Nutzung von eForms in der Oberschwelle, die seit dem 25.10.2023 gilt (Stand der Zahlen: 15.10.2024). Alle Fachverfahrenshersteller wurden erfolgreich an den Vermittlungsdienst angeschlossen und über 2.000 registrierte Nutzer haben mithilfe des Redaktionssystems (Resy) bisher mehr als 9.200 Bekanntmachungen veröffentlicht. Resy ermöglicht Vergabestellen, die kein Vergabemanagementsystem einsetzen, ihre Bekanntmachungen auf einfache Weise eForms-konform an die EU zu übermitteln. Durch die neu entstandene Transparenz und das Bekenntnis zu Open Data können wir bereits heute sagen, dass in Deutschland seit dem Start von eForms-DE die Aussagefähigkeit über das Handeln der öffentlichen Hand in Deutschland deutlich zugenommen hat. Durch den erfolgreichen Anschluss des Datenservice an den Datenraum für das öffentliche Auftragswesen der EU (Public Procurement Data Space, PPDS) lassen sich bereits eindeutige Aussagen über das Einkaufsverhalten für das erste Halbjahr 2024 treffen. So wurden beispielweise 81 Prozent der 35.649 publizierten Vergabeverfahren oberhalb der EU-Schwellenwerte in Deutschland als offene Verfahren ausgeschrieben. Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien hat sich in Bezug auf die bekannten Zahlen aus
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Urlaubsresort
Berliner Gespräch mit Aishath Shaan Shakir, Botschafterin der Malediven
(BS/ps) Der Inselstaat ist mit 298 Quadratkilometern etwa so groß wie Frankfurt und Offenbach zusammen und liegt maximal 2,4 Meter über dem Wasser des Indischen Ozeans. Auf den 19 Inselgruppen südwestlich von Indien und Sri Lanka leben 541.000 Menschen oder 1.800 Einwohner pro Quadratkilometer an Sanddünen, Traumstränden, Palmen, umgeben von azurblauem Wasser und ganzjährigen Temperaturen um die 30 Grad. Seit den 1970er-Jahren hat sich die kleine Republik zu einem immer beliebteren Touristenziel entwickelt, was steigenden Wohlstand mit sich bringt, aber gleichzeitig auch ökologische und soziale Probleme verursacht, die aber entsprechend lösungsorientiert angegangen werden.
Bei uns wird dieses „Paradies“ der Malediven seit nunmehr 58 Jahren diplomatischer Beziehungen Sommer 2022 von Botschafterin Aishath Shaan Shakir vertreten. Die 58-jährige hat sich, trotz des nicht gerade tropischen Klimas, in Berlin bestens eingelebt. Nach 40 Jahren im auswärtigen Dienst im In- und Ausland, von Saudi-Arabien über Malaysia bis Bangladesch, ist sie in Deutschland erstmals Botschafterin und die dritte Frau seit Eröffnung der Botschaft 2016.
„Ich kümmere mich, wie andere Kollegen wohl auch, um gute Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern, Strategien für stabile Partnerschaften und Kooperationen für Handel, Wirtschaft und Tourismus.“ Sie sagt, der Klimawandel sei für die Malediven das beherrschende Thema, ebenso wie die Erschließung von erneuerbaren und alternativen Energiequellen.
Denn davon dürfte die Zukunft des Archipels mit seinen Atollen und 1.196 Inseln, von denen 220 bewohnt und weitere 144 für touristische Zwecke genutzt werden, entscheidend abhängen. Im Moment sieht sie allerdings nicht gerade
bensqualität sowie Bildungs- und Ausbildungsprogramme Vorrang, um so Arbeitskräfte für neue Industrien zu qualifizieren.“ Botschafterin Shakir erzählt, die Malediven wollten ihre Vorreiterrolle beim Klima- und Umweltschutz weiter ausbauen. In diesem Zusammenhang bot sie deutschen Unternehmen, insbesondere bei Solar- und Windenergieanlagen, große Chancen an, um hier mit Unterstützung der Regierung zu investieren. Nachhaltige Tourismusprojekte einschließlich umweltfreundlicher Resorts und Dienstleistungen seien ebenfalls attraktive Investitionen. Darüber hinaus gebe es Potenzial für die Entwicklung von Gesundheits- und Bildungseinrichtungen und technologiegestützten Dienstleistungen. Die strategisch günstige Lage der Malediven mache sie auch zu einem Knotenpunkt für die Logistik- und Seeverkehrsindustrie, so Shakir
Abhängigkeit von Lebensmittelimporten verringern Doch bislang ist der Tourismus mit einem Viertel des Bruttoinlandsprodukts der wichtigste
„Der Klimawandel ist dabei für die Malediven das beherrschende Thema, wie auch die Erschließung von erneuerbaren und alternativen Energiequellen.“
rosig aus. Es muss der Regierung in Malé gelingen, die Umweltveränderungen in den Griff zu bekommen und Handel und Wandel entsprechend auszurichten.
Vorreiterrolle beim Umweltschutz geplant
„Wir konzentrieren uns daher auf nachhaltige Entwicklungen und den Ausbau der Infrastruktur. Dabei haben die Verbesserung der Le-
Wirtschaftszweig des Landes, das sehr wohl weitere Unternehmen und Industrien für seine Volkswirtschaft sucht. Dafür sollen die Fischerei, insbesondere der traditionelle Thunfischfang, der Ausbau von Aquakultur mit kontrollierter Aufzucht von Fischen und die Hydrokultur für Obst- und Pflanzen ausgebaut und gefördert werden, um die Abhängigkeit von Lebensmittelimporten zu verringern.
„Ferner positionieren wir uns auch als Finanz- und Handelszentrum in der Region des Indischen Ozeans und erwägen die Einrichtung einer Freihandelszone und eines Umschlaghafens in einem der nördlichen Atolle“, sagt Aishath Shaan Shakir
Das Image als angesagtes Luxuseiland für das gehobene Dolce far niente unter Sonne, Strand und mit coolen Drinks unter Palmen am Meer sind die Einwohner mittlerweile leid. „Die Malediven sind viel mehr“, so Botschafterin Shakir nachdrücklich. „Ich meine damit unser reiches kulturelles Erbe, das, kaum erwähnt, auch zu uns gehört und von südasiatischen, arabischen und afrikanischen Traditionen beeinflusst ist.“ Archäologische Funde deuten darauf hin, dass die Inseln bereits um 1500 v. Chr. besiedelt wurden.
Vielfältige Küche Nicht zufällig gehört zu der besonderen maledivischen Kultur mit ihren sri-lankischen, indischen, malaysischen, arabischen, persischen und afrikanischen Bezügen, daher bis heute die herausragende Küche mit frischem Thunfisch, Hummer, Schnapper, Zackenbarsch und
Meeresfrüchten. Die traditionelle Küche besteht im Allgemeinen aus Currys mit Fisch, Huhn, Gemüse und Suppen, mit Reis, gewürzt mit einer Mischung aus Kreuzkümmel, Koriander, Kurkuma und mit Kokosnussmilch abgelöscht. Ein beliebtes Frühstücksgericht ist Mas Huni (siehe Rezept), das aus zerkleinertem Räucherfisch (wir nehmen Thunfisch) besteht, der mit Kokosraspeln, Zwiebeln und Chili vermischt und mit Fladenbrot namens Roshi serviert wird. Beliebte
Rezept der Botschafterin
Mas huni – Maledivischer Thunfischsalat
Zutaten für vier Personen: 1–2 Dosen (ca. 300 g) Thunfisch (Mas), abgetropft, 100 g frische Kokosraspeln (Huni). Bei getrockneten Raspeln sollten diese am Abend vorher z. B. in ca. 200 ml Kokosmilch eingeweicht werden. 1 Zwiebel fein gewürfelt, 3 klein geschnittene grüne, scharfe Chilischoten, 1 Limette, 1 Prise Salz
Zubereitung: Alles gut in einer Schüssel vermischen und mit Fladenbrot (Roshi) servieren.
Snacks sind Gulha (frittierte Fischbällchen), Bajiya (ein mit Fisch, Kokosnuss und Zwiebeln gefülltes Gebäck) und Masroshi (eine Mischung aus zerkleinertem, geräuchertem Thunfisch, Kokosnussraspeln, Zwiebeln, Knoblauch, grünen Chilis und Curryblättern, eingewickelt in einen runden, gebackenen Teig). Dazu gibt’s Tee und zum Dessert oft Kokosnuss und tropische Früchte. Bondi, eine Süßigkeit aus Kokosnuss, Zucker und Rosenwasser, ist eine gängige Leckerei.
Ein Land mit muslimischer Prägung „Da wir ein muslimisches Land sind, können Besucher der Hauptstadtinsel Malé und einiger anderer bewohnter Inseln die Schönheit von Moscheen aus Korallenstein bewundern, die mehrere Jahrhunderte alt sind. Sie stehen seit 2013 auf unserer Vorschlagsliste für das UNESCO-Welterbe.“
Leider zerstörte 2011 ein islamistischer Mob ein Monument mit einem eingravierten Bild von Buddha. 2012 wurden 35 unersetzliche buddhistische und hinduistische Kunstobjekte aus dem Nationalmuseum der Malediven – das älteste aus dem 6. Jahrhundert vor Christus stammend – von Islamisten vernichtet.
Schon im 18. Jahrhundert schrieb Friedrich Schiller in seinem Lied von der Glocke: „Der schrecklichste der Schrecken, das ist der Mensch in seinem Wahn.“ Aber das ist eine andere Geschichte.
Die Botschafterin der Malediven, Aishath Shaan Shakir, möchte den Inselstaat von seinem alleinigen Urlaubsimage lösen und weist auf das reiche kulturelle Erbe hin. Foto: BS/Botschaft der Malediven
Foto: BS/Botschaft der Malediven
Dass die Malediven ein Sehnsuchtsort für Urlaubende sind, ist bekannt. Aber auch die Fischerei hat eine hohe Bedeutung für das Inselland.
Foto: BS/Elena, stock.adobe.com
„Grün“ oder grün?
(BS/Scarlett Lüsser) Klimaneutralität unterstützen oder besser dem Klima entsprechende, vorbeugende Maßnahmen ergreifen? Gerade kommunale Einrichtungen mit viel Gebäudefläche sollten sich diese Frage stellen, denn ungenutzte Dachflächen können hier gewinnbringend eingesetzt werden.
Wer in Hannover und Umgebung gerade sein Haus klimafreundlicher ausstatten möchte, bekommt aktuell 10.000 bis 15.000 Euro vom Kommunalverband „Region Hannover“ dazu. Aber natürlich nicht für irgendwelche Maßnahmen. Die Rede ist von Photovoltaikanlagen und Dachbegrünung. Denn beide Varianten bringen viele positive Eigenschaften mit sich, haben allerdings auch ein paar Aspekte, die es vor der Anschaffung zu bedenken gilt. Natürlich ist diese Überlegung auch für Privatpersonen oder Firmen interessant, aber gerade kommunale Einrichtungen nutzen oft große Gebäude, die häufig mit Flachdächern versehen sind. Doch welche Variante ist nun besser für die eigenen Gegebenheiten geeignet?
Solarenergie für mehr Klimaneutralität
Welchen Vorteil Photovoltaik (PV) insgesamt fürs Klima bringt, dürfte bekannt sein. Denn schließlich ist es auch Deutschlands Ziel, auf lange Sicht vollständig auf erneuerbare Energien umzusteigen. Dies ist seit 2023 auch im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) verankert. Um das dort festgelegte Ziel, bis 2030 215 Gigawatt durch Solarenergie zu erzeugen, zu erreichen, muss allerdings noch einiges geschehen. Laut einer Übersicht zum aktuellen Stand zur Energiewende von der Bundesregierung käme man in Deutschland Ende Juni dieses Jahres mit der gesamten Leistung aller 4,3 Millionen Solaranlagen auf mehr als 90 Gigawatt. Weiter heißt es, dass ab 2026 mehr als dreimal so viel Solarenergie zugebaut werden solle. Hier hätten Kommunen einen Vorbildcharakter und könnten mit gutem Beispiel vorangehen.
Zusätzlich hat es natürlich auch einen monetären Nutzen, denn durch den selbstproduzierten Strom sinken die Bezugskosten. Wie das Umweltbundesamt (UBA) auf Anfrage des Behörden Spiegel erläutert, kann bereits ohne Stromspeicher ein hoher Anteil des erzeugten PVStroms – gerade bei kommunalen Einrichtungen mit einem hohen Verbrauch tagsüber – selbst verbraucht werden. „Der überschüssige Strom wird eingespeist, dafür wird im Rahmen des ErneuerbareEnergien-Gesetzes die Einspeisevergütung (Anlagen bis 100 Kilowatt) oder die Marktprämie (> 100 Kilowatt) gezahlt. Die Anlage amortisiert sich durch diese zwei Geldströme“, heißt es aus dem UBA. Die Anschaffungskosten einer PVAnlage unterscheiden sich je nachdem, wie viel Fläche genutzt werden soll und ob es einen Batteriespeicher gibt. Dabei müssen auch die Fixkosten bedacht werden, die bei der Installation von Gerüsten oder Kabelsträngen entstehen.
Dachbegrünung als Schwammstadtelement
Auf der anderen Seite ist gerade in Städten häufig die Hitze ein Problem. Wie ein Pressesprecher der Region Hannover erklärt, könne hier großflächige Dachbegrünung
Abhilfe schaffen, denn sie wirke als natürliche Isolierung und könne die Aufheizung von Gebäuden im Sommer reduzieren. Doch auch bei Regen sind begrünte Dächer eine sinnvolle Maßnahme, denn die Pflanzen nehmen Regenwasser auf, entlasten so die Kanalisation und beugen letztlich Überschwemmungen vor. Sie verbessern die Luftqualität, indem sie Schadstoffe binden und Feuchtigkeit abgeben können. Eine
verbesserte Biodiversität, Lärmdämpfung und ein verschönertes Stadtbild sieht die Region als zusätzliche Vorteile an. Zudem schützen die Pflanzen die Dachstruktur vor Sonnen- und Wettereinwirkungen.
„Kommunale Einrichtungen haben oft größere Dachflächen als Privatgebäude, sodass die Effekte einer einzelnen Dachbegrünung deutlich größer sind. Zudem können Kommunen durch das Begrünen ihrer Gebäude ihrer Vorbildfunk-
„Zudem
können Kommunen […] ihrer Vorbildfunktion gerecht werden.“
Ein Sprecher des Kommunalverbandes „Region Hannover“
tion gerecht werden und andere Einrichtungen oder Personen zum Nachahmen motivieren“, erklärt der Kommunalverbandssprecher. Jedoch muss vor der Begrünung die Statik des Gebäudes und insbesondere des Daches geprüft werden, da die Pflanzen nicht zu schwer werden dürfen. Denn gerade zusätzliche Schichten aus Substrat und Pflanzen erhöhen das Dachgewicht erheblich. Auch muss man die Installationskosten und den Pflegeaufwand im Blick behalten, denn es können beispielsweise Bewässerungssysteme benötigt werden. Zudem sind Reparaturen auf dem
Dach durch die Pflanzen schwerer zu realisieren. Die Region Hannover rät an dieser Stelle zu einer professionellen Beratung im Vorfeld, was in vielen Fällen auch gefördert wird. Häufig sieht man begrünte Fassaden, die in der Regel mit Efeu oder Weinranken bewachsen sind. Aber ist das auch hier die richtige Art der Bepflanzung? Das hängt mitunter von den Lichtverhältnissen und der Lage des Daches ab, grundsätzlich eignen sich aber Pflanzen, die auch gut mit langen Trockenheitsperioden auskommen und wenig Pflege bedürfen. Zur Auswahl stehen hier zum Beispiel Sukkulenten, wie Mauerpfeffer, aber auch Gräser oder mediterrane Kräuter wie Lavendel, Salbei oder Rosmarin.
Qual der Wahl?
Dabei ist es möglich, die beiden „grünen“ Dachnutzungsarten miteinander zu kombinieren. Ob sich das im Einzelfall lohnt, muss jeder selbst einschätzen. Dagegen sprechen kann z. B. die statische Verfassung des Gebäudes. Auch müsse bedacht werden, dass die Solarpanels in diesem Szenario mit größerem Abstand installiert werden müssten und auf der gegebenen Dachfläche somit weniger Leistung untergebracht werden könne, erläutert das UBA. Dadurch dass die Installationskosten mittlerweile höher seien als der Modulpreis und die Kosten nicht unbedingt proportional zur Anzahl der zu installierenden PV-Module stiegen, könne eine PV-Gründach-Kombination im Vergleich teurer sein. Neben diesen Faktoren biete eine Kombination aber auch aus Sicht des UBA viele Vorteile. Neben den bereits genannten Vorteilen der einzelnen Varianten könne die Teil-
verschattung durch die PV-Anlagen für eine größere Biodiversität sorgen. Allerdings wird auch als häufiges Argument ein kühlender Effekt für die PV-Module durch die Pflanzen angepriesen. Hier ist das UBA der Ansicht, dass dieser Effekt zu vernachlässigen sei. Denn „dieser Effekt ist von vielen Faktoren abhängig, allerdings dürfte eine Ertragssteigerung um wenige Prozentpunkte nur temporär und bei hohen Temperaturen im Sommer auftreten, also genau dann, wenn bereits (zu) viel PV-Strom im Netz ist“. Die Annahme des Kühleffekts komme daher, dass PV-Anlagen bei steigender Außen- und Modultemperatur einen geringfügig niedrigeren Stromertrag erbrächten, erklärt das UBA.
Fördermöglichkeiten Grundsätzlich gibt es vielerorts auch Fördermaßnahmen für beide Möglichkeiten oder auch eine Kombination aus beidem. So hat beispielsweise der Kommunalverband „Region Hannover“ ein Förderprogramm für Dachbegrünung und Photovoltaik. 2024 stehen insgesamt 100.000 Euro dafür zur Verfügung. Antragsberechtigt sind sowohl Privatpersonen als auch Unternehmen und Kommunen. Auch die Beratung werde bezuschusst, so der Sprecher. Man habe in diesem Jahr bereits 16 Projekte genehmigt und weitere Anträge seien in Bearbeitung.
Der Kommunalverband geht mit gutem Beispiel voran und erklärt: „Insgesamt sind die Erfahrungen in der Praxis positiv, da der Mehrwert die Herausforderungen deutlich übersteigt. Darum plant die Region Hannover bei Neubauten neben PV-Anlagen grundsätzlich auch Gründächer ein.“
Am dunkelsten ist die Nacht vor der Dämmerung. So lässt sich der aktuelle Stand der Digitalisierung in den Kommunalverwaltungen vielleicht am treffendsten beschreiben. Viele der bisher verfügbaren digitalen Lösungen entsprechen laut Positionspapier nicht den tatsächlichen Bedürfnissen der Rathäuser. Statt Prozesse zu erleichtern, verursachten sie oft einen höheren Aufwand als die bislang genutzten Methoden. Auch bürokratische Hürden, wenig praktikable Gesetze und unzureichend auf die Anforderungen der Verwaltung abgestimmte Anwendungsprodukte bremsen den Fortschritt noch aus. Das Papier betont die Notwendigkeit einer strategisch abgestimmten Umsetzungsarchitektur, um der digitalen Transformation zum Durchbruch zu verhelfen.
Das Zielbild
Das Positionspapier entwirft die Vision eines „digitalen Rathauses“. Im Zentrum stehen dabei eine papierarme Verwaltung und ortsunabhängiges Arbeiten für Mitarbeitende. Voraussetzung dafür sei eine Verbesserung der Netzwerkinfrastruktur sowie die Ausstattung aller Arbeitsplätze mit Laptop, VPNZugang und der Möglichkeit zur Internettelefonie. Weiterhin empfiehlt der Gemeindetag die Einführung von Dokumentenmanagementsys-
Cecilia ist aus unserer Behörde für Digitales nicht wegzudenken. Für jedes noch so schwere Problem scheint sie eine Lösung zu haben. Immer wieder öffnet sie uns Kollegen die Augen. Und das, obwohl ihr eigenes Augenlicht über die Jahre immer schlechter wurde. Cecilia hat mit zunehmender Erblindung ihre Arbeitsweise am Computer umgestellt und ist sehr gut ins Team integriert. Doch wie kommt Cecilia eigentlich zur Arbeit, seitdem sie nicht mehr Auto fahren kann? Nun, sie fand heraus, dass an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW Hamburg) der sogenannte „Shared Guide Dog 4.0“ entwickelt wird – ein technisches Produkt, das Blinden mehr Eigenständigkeit geben könnte. Sie fragte nach, ob es sich um eine Art Blindenstock handele oder gar so etwas wie ein Blindenführhund sei. Die Wissenschaftler von der HAW Hamburg kamen kurzerhand bei uns vorbei. Cecilia ertastete, dass es sich um einen dreirädrigen, sportlichen Offroad-Rollator handelt, mit dem sie sich trotz ihres jungen Alters durchaus in der Öffentlichkeit blicken lassen könnte. Unter der Haube des Fahrzeugs entdeckte Cecilia viel Technik fürs autonome Fahren, so wie es derzeit auch in Autos getestet wird.
(BS/Julian Faber) Trotz jahrelanger Bemühungen und zahlreicher Fortschritte steckt die Vision der digitalen Verwaltung in Deutschland noch immer in den Kinderschuhen. Das Positionspapier des Gemeindetags Baden-Württemberg beleuchtet Hindernisse und zeigt unter anderem auf, welche Rolle Künstliche Intelligenz (KI) spielen könnte, um die öffentliche Verwaltung zukunftsfähig zu machen.
Aktenberge zu Datenpaketen: Das Konzept des digitalen
weniger Aufwand und spart Ressourcen.
temen und Ratsinformationssystemen. Dies erleichtere einerseits den digitalen Arbeitsalltag in den Rathäusern, andererseits müssten Bürgerinnen und Bürger viele Daten nicht länger mehrfach ein-
reichen. Besonders im Hinblick auf Verwaltungsprozesse mit geteilten Zuständigkeiten sei zudem eine bessere Vernetzung verschiedener Behörden geboten. Als zusätzliche Säule bei der Unterstützung der
Digitalisierung habe Baden-Württemberg gute Erfahrungen mit den 2018 eingeführten „Kommunalen Digitallotsen“ und „E-GovernmentKoordinatoren“ gemacht. Diese sollen unter anderem die Schaffung notwendiger Strukturen anregen und bei der Realisierung aktueller Projekte unterstützen.
Zusammenarbeit ist der Schlüssel Um die Verwaltungsdigitalisierung voranzutreiben, ist aus Sicht des Gemeindetages eine intensive Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Gemeinden notwendig. Dazu zählen die Aktualisierung der E-Government-Vereinbarung, die Harmonisierung der IT-Infrastrukturen und eine klare Zuständigkeitsverteilung. Zudem sei der Datenschutz von einem Verhinderungs- zu einem Ermöglichungsinstrument weiterzuentwickeln. Beispielsweise sollten Datenschutz-Folgeabschätzungen zentral durchgeführt und auf andere Kommunen übertragbar sein,
Blind vertrauen können
Inklusive Stadt der Zukunft
(BS/Kevin Kleinelümern) Menschen mit Sehbehinderung gibt es nicht wenige in unserer Gesellschaft. Davon können oder wollen sich längst nicht alle einen Blindenführhund leisten und müssen somit auf den Blindenstock zurückgreifen. Doch dafür gibt es vielleicht schon bald eine smarte Lösung von der HAW Hamburg. Um das Projekt näher zu beleuchten, nehmen wir die Sicht der fiktiven Cecilia ein.
Der Logistikprofessor Dr. Henner Gärtner von der HAW Hamburg berichtet, wie er es vor Jahren nicht fassen konnte, als er zum ersten Mal in Kontakt mit Blinden kam: „Jedes Auto verfügt über einen piependen Rückfahrassistenten, aber zum Navigieren für Blinde sollen in der digitalen Stadt der Zukunft Stock und Stein herhalten?“ Mit Stock und Stein meint er den Blindenstock und den Blindenleitstreifen. Der Professor weiter: „In den Fabriken unseres Landes wird doch seit über 50 Jahren mit sogenannten fahrerlosen Transportfahrzeugen vollständig autonom navigiert. Das sind Fahrzeuge, die in Schrittgeschwindigkeit von A nach B navigieren und dabei auch Hindernissen ausweichen können. Da könnte ich mich einfach dran festhalten und mit geschlossenen Augen zum Ziel führen lassen. Der Schutz der umherlaufenden Personen ist bei diesen Fahrzeugen äußerst ausgereift, denn die Chefs dieser Firmen mögen gar nicht gerne über Unfälle berichten. Wenn also seit 50 Jahren das autonome Navigieren in Schrittgeschwindig-
SCHWERPUNKT
keit funktioniert, wa-rum sollte eine solche Navigierhilfe dann nicht auch auf dem Gehweg funktionieren?“
Die konkrete Vision Hier kommen Cecilia viele Fragen zu diesem technischen Produkt, das gleichzeitig einen gesellschaftlichen Nutzen stiftet und ihr als blinder Person zu mehr Eigenständigkeit verhelfen könnte: Ob das „Shared“ von „Shared Guide Dog 4.0“ wohl bedeutet, dass sie mit dem Bus in die Stadt kommen kann, um ihn an der Bushaltestelle auszuleihen, so wie andere sonst ein Fahrrad oder einen E-Scooter ausleihen? Ob der auf sie wartende „Guide Dog“ dann bei ihrer Ankunft an der Bushaltestelle auch bellt, damit sie als blinde Person ihn überhaupt finden kann?
um unnötige Doppelarbeit zu vermeiden. Eine weitere Säule könne die Nutzung von KI sein. Diese sei insbesondere bei der Automatisierung repetitiver Aufgaben ein nützliches Instrument. Um KI-Lösungen erfolgreich einzusetzen, sei jedoch eine rechtliche Legitimierung und Absicherung erforderlich. Kommunen sollten auch die Möglichkeit haben, innovative Lösungen in sogenannten „Sandboxes“ zu erproben. In diesen geschützten Testumgebungen könnten neue Technologien erprobt werden, ohne sofort alle regulatorischen Anforderungen erfüllen zu müssen.
Digitalisierung ist kein Selbstzweck Die Digitalisierung der Verwaltung besitzt laut dem Papier das Potenzial, spürbare Erleichterungen für Behördenmitarbeitende, Bürgerinnen und Bürger sowie die Wirtschaft zu ermöglichen. Voraussetzung dafür sei aber, den Kommunen passgenaue Lösungen zu ermöglichen, statt sie mit isolierten Einzelprojekten zu überfrachten. Dies spare Zeit, Kosten und Personal. Die Verwaltungen seien bereit, ihren Teil zur Verwaltungsdigitalisierung beizutragen, heißt es darin weiter. Der Appell an Bund und Länder: Sie müssten die nötige Unterstützung bereitstellen, damit die Rathäuser ihren Weg aus der Sackgasse auf die Datenautobahn finden.
öffentliche Raum technisch ausgestattet werden müsse. So wie ein Bus mit der Ampelschaltung kommuniziert, gibt es in Hamburg eine „Teststrecke für Autonomes und Vernetztes Fahren“ (TAVF) durch die Innenstadt. An über 200 Ampeln hängen Empfangs- und Sendestationen, damit sich Autos und der „Shared Guide Dog 4.0“ in Echtzeit über ihre Position, Geschwindigkeit und Fahrtrichtung austauschen können. So käme Cecilia sicher zur Arbeit in der Behörde.
Ob sie sich wohl mit dem „Shared Guide Dog“ über ihr eigenes iPhone verbinden kann, um ihr Ziel mitzuteilen oder über Wegstreckenänderungen informiert zu werden? Ob der „Guide Dog“ (= Führhund) sie auf dem Gehweg auch vor Pfützen oder entgegenkommenden Fußgängern warnen oder gar ausweichen kann? Und ob „4.0“ wohl den Begriff „Industrie 4.0“ repräsentiert? – Immerhin hatte sie ganz viele Sensoren am Fahrzeug ertastet. Denn der Begriff bezeichnet die intelligente Vernetzung von Mensch, Maschine und Abläufen in der Industrie mithilfe von Informations- und Kommunikationstechnologie. Gärtner bestätigt all ihre Vermutungen und erklärt, dass nicht nur das Fahrzeug, sondern auch der
Von der Idee zur Realität Cecilias letzte Frage betrifft die rechtliche Zulassung des „Shared Guide Dog 4.0“ im öffentlichen Raum. Der Professor erklärt, dass Juristen noch Jahre über die Verantwortung von Mensch und Technik diskutieren werden: „Wir nutzen diese Zeit, um eine robuste Technik zu entwickeln, den Prototyp zu testen und anschließend das Produkt auf den Markt zu bringen.“ Mehrere Dutzend Blinde haben das Fahrzeug bereits getestet. Anfangs ist es ungewohnt, den vertrauten Blindenstock beiseite zu legen. Doch nach einer Weile fassen die Testpersonen Vertrauen und können sich ohne ständige Sorge vor dem nächsten Hindernis frei bewegen. Die Hoffnung auf eine selbstständigere Zukunft wächst und sie entwickeln oft Ideen für neue oder verbesserungswürdige Funktionen. Darauf freut sich auch Cecilia. Sie wird am Test teilnehmen, denn sie wünscht sich sehnlichst, dass der Traum vom autonomen Fahren auf dem Gehweg bald Wirklichkeit wird.
Dieser Beitrag ist im Rahmen des „E-Journals für Nachwuchskräfte im Öffentlichen Dienst“, Future4Public, entstanden.
Der Informatiker Kevin Kleinelümern ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der HAW Hamburg in dem vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr geförderten mFund-Forschungsprojekt „GehwegNavi“. Fotos: BS/privat
Rathauses verspricht
Foto: BS/Planetz, stock.adobe.com
Das Projektteam von der HAW Hamburg mit dem „Shared Guide Dog 4.0“ am Hamburger Hafen. Foto: BS/Philipp Meuser
Die Gründung des Prosoz-Instituts durch die Stadt Herten im Jahr 1989 gilt in Deutschland als ein Meilenstein der Verwaltungsinformatik auf kommunaler Ebene. Die innovative Kommune aus dem Ruhrgebiet lieferte mit dem mutigen Gründungsprojekt ein anschauliches Beispiel für die aktive Gestaltung notwendiger Transformationsprozesse in einer schon damals vom Strukturwandel erheblich betroffenen Region.
Der „Mut“ der Stadt bestand nicht nur darin, ein zuvor über fünf Jahre laufendes Forschungsprojekt in ein auf Dauer angelegtes kommunales Softwareunternehmen zu überführen, sondern auch darin, dieses von Anfang an konsequent bundesweit interkommunal auszurichten – in gewisser Hinsicht ein früher Vorläufer des heutigen „EfA-Prinzips“. Auf dieser Grundlage gehört die Prosoz Herten GmbH heute mit ihren ca. 500 Beschäftigten in vielen Verwaltungsbereichen zu den Marktführern in der kommunalen IT-Landschaft. Aber Prosoz gilt auch als der „Prototyp bzw. Dinosaurier“ kommunaler Fachverfahren. Diese Bezeichnungen deuten bereits an, dass sich die kommunale IT (wie auch die gesamte Verwaltungsinformatik) aktuell in einem grundlegenden Transformationsprozess befindet. Um zu erläutern, was diesen Transformationsprozess ausmacht und welche Entwicklungen in den kommenden Jahren zu erwarten sind, lohnt ein kurzer Blick in die bisherige Entwicklung der kommunalen IT.
Werkzeugorientierte und prozessorientierte IT
Nach der Phase der Großrechner, die auf kommunaler Ebene meist nur für wenige Verwaltungsbereiche relevant war (Personal, Finanzen, Statistik) galt vor 35 Jahren die Frage nach der bestmöglichen IT-Unterstützung bestimmter Auf-
Digitale Kommune 2030
Kurze Positionsbestimmung und Perspektive des kommunalen IT-Einsatzes
(BS/Marco Brunzel) Auf kommunaler Ebene konkretisieren und überlagern sich zahlreiche gesamtgesellschaftliche Herausforderungen (z. B. Energie, Klima, Migration) und es manifestieren und multiplizieren sich viele staatliche Vollzugsaufgaben (Kfz, Wohngeld) bei gleichzeitig schwindenden personellen und finanziellen Spielräumen. Um sich aus diesem Dilemma zu befreien, braucht des vor allem auf kommunaler Ebene ein radikales Neudenken des IT-Einsatzes.
gaben als der wesentliche Treiber der Verwaltungsinformatik. Genau wie im Forschungsprojekt der Stadt Herten, wo es um die Frage ging, ob sich damalige handelsübliche Computer (wie der legendäre Commodore C 64) für die digitale Bearbeitung/Berechnung von Sozialhilfe eignen. In dieser Phase zwischen 1985 und 2000 entstanden so in relativ kurzer Zeit eine Vielzahl entsprechender „IT-Werkzeuge“, die sich aufgrund gleicherl
Neulich …
oder ähnlicher gesetzlicher Anforderungen als kommunale Fachverfahren auch bundesweit schnell verbreiteten. Anfang der 2000er hatten zahlreiche der insgesamt über 10.000 deutschen Kommunen bereits über 100 solcher IT-Verfahren im Einsatz. Der zuverlässige und sichere Betrieb dieser Fachverfahren stellte die Kommunen damals vor bedeutende Herausforderungen und beförderte die Gründung, Fusion bzw. Neuausrichtung
kommunaler Rechenzentren. Um die Jahrtausendwende verschob sich der Fokus im Bereich des kommunalen IT-Einsatzes dann zunehmend weg von der bestmöglichen IT-Unterstützung einzelner Aufgaben durch einzelne Fachverfahren hin zu einer möglichst durchgängigen IT-Unterstützung von „geschäftlichen Prozessen im Zusammenhang mit Regieren und Verwalten“. Ab jetzt ging es stärker um E-Government, E-Akte sowie die aufwendige Kopplung einer Vielzahl kommunaler IT-Systeme sowie deren interkommunalen und föderalenVerbund über standardisierte Schnittstellen (XÖV).
Kommunen – auf der Grundlage einer neuen, ebenfalls konsequent wirkungsorientiert ausgerichteten, datenzentrierten bzw. plattformbasierten Verwaltungsinformatik. Es sollte nicht mehr darum gehen, bestehende Prozesse in bestehenden Strukturen digital zu optimieren, sondern für Bürgerinnen und Bürger sowie für die Wirtschaft bestmögliche Ergebnisse bei geringstmöglichen Kosten zu erreichen.
Auf dem Weg zur datenzentrierten Verwaltung von morgen
… zog ich mir in Berlin einen Kontoauszug der Sparkasse meines Wohnortes im Rheinland. Das war noch vor einigen Jahren gar nicht möglich. Die Sparkassen haben sich auf eine gemeinsame Software geeinigt und Datenschutzprobleme gelöst. Das ist durchaus bemerkenswert, gibt es doch in Deutschland 348 selbstständige Sparkassen. Sie sind nicht ganz so kleingliedrig wie die fast 11.000 Kommunen mit 296 Landkreisen in 16 Bundesländern organisiert. Sicherlich hat es bei den Sparkassen keine Allzustimmung hinsichtlich der eingesetzten Software gegeben. Letztlich mussten Partikularinteressen hinter der ureigenen Idee, also dem bundeseinheitlichen Einsatz, stehen. Diese konsequente Gemeinwohlorientierung fehlt im öffentlich-rechtlichen Raum. Soweit die Bundesrepublik für eine Aufgabe zuständig ist, erhalten die Bundesbürgerinnen und -bürger ein einheitliches Produkt: z. B. den deutschen Reisepass. Aber für die weit überwiegenden öffentlich-rechtlichen Aufgaben sind die Länder und Gemeinden zuständig und damit beginnt der digitale Flickenteppich. Dieses Durcheinander findet seine Ursachen nicht nur, aber auch im föderalen System. Es fehlt der bundesdeutsche digitale Masterplan. Digitalisierung schreit regelrecht nach Zentralisierung. Solan-
ge der einzelne Provinzkämmerer sich jedoch gegen eine einheitliche Haushaltssoftware wehren kann, scheitert ein gemeinsames digitales Vorgehen bereits auf Kreisebene.
Vorreiter der doppelten Buchführung in den Kommunen war Nordrhein-Westfalen. Dort wollte man die Doppik im Jahre 2009 einführen, es hat dann zwar noch einige Jahre länger gedauert, aber das war nicht das Problem. Manche Kommunen wollten bereits vor 2009 Pionier in Sachen Doppik werden und machten in den kommunalen Rechenzentren Druck. Vorbei war die Möglichkeit, eine gemeinsame Software zu entwickeln. Eigentlich sollten in den Rechenzentren IT-Aufgaben der Kommunen gebündelt werden. Wenn aber dann doch jede Kommune ihrem eigenen digitalen Brei kocht, sind die durch die Rechenzentren in Aussicht gestellten eingesparten personellen Ressourcen schnell wieder aufgebraucht. Sonderwege verhindern bei einem anderen Thema ein gemeinsames digitales Vorgehen. Im November 2023 hatten die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder gemeinsam mit dem Bund beschlossen, eine Bezahlkarte für Asylsuchende einzuführen. Diese sollen einen Teil der ihnen zustehenden Leistungen nicht mehr als Bargeld, sondern als Guthaben
auf der Bezahlkarte erhalten. 14 der 16 Bundesländer arbeiten nun zusammen, um gemeinsam einen Dienstleister für die technische Betreuung der Bezahlkarte zu finden. Zwei Bundesländer gingen nicht mit: Mecklenburg-Vorpommern und Bayern. Möglicherweise ist durch diesen föderalen Egotrip der bundesweite Einsatz der Bezahlkarte in weite Ferne gerückt. Diese absurde Kleinstaaterei nervt die Menschen und trägt zur ohnehin vorhandenen Politikverdrossenheit bei. Natürlich ist der Föderalismus ein Stabilitätsfaktor unserer Demokratie. Wir brauchen aber keine 1.900 Abgeordneten und 131 Ministerien in den Bundesländern. Wir benötigen einen funktionierenden und bezahlbaren Staat. Unser Land wird immer teurer und ineffektiver. Eine lebendige Demokratie braucht Mut und Modernisierung. Fangen wir schon mal mit der Verschlankung der Bundesländer an. Dann klappt es auch besser mit der Digitalisierung staatlicher Leistungen.
Rolf Hartmann war von 2004 bis 2020 Bürgermeister der Gemeinde Blankenheim.
Foto: BS/privat
Digitalisieren statt elektrifizieren Die Erfolge dieser „prozessorientierten“ Ausrichtung des IT-Einsatzes sind überschaubar und beförderten in der Zusammenschau sogar den digitalen Entwicklungsrückstand der deutschen Verwaltung. Spätestens bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes wurde deutlich, dass sich die Potenziale der neuen digitalen Technologien nicht dadurch erschließen lassen, alle Verwaltungen einfach gesetzlich dazu zu verpflichten, alle ihre Verwaltungsleistungen auch digital anzubieten. Auch wenn der OZG-Umsetzungsprozess einige sehr positive Entwicklungen initiiert bzw. befördert hat – z.B. hinsichtlich der verwaltungs- bzw. ebenenübergreifenden Zusammenarbeit auf der Basis neuer Arbeitsformen und Methoden –, haben wir im Ergebnis überwiegend leider nur eine sehr aufwendige Digitalisierung von bestehenden Prozessen in bestehenden Strukturen erlebt. Eine solche „Elektrifizierung“ bestehender Strukturen neigt dazu (ähnlich wie bei zahlreichen E-Akte-Projekten), genaue diese bestehenden Strukturen sogar noch zu festigen, zu „zementierten“. Notwendig ist aber genau das Gegenteil: die gezielte Erschließung der organisatorischen Gestaltungspotenziale im gesamten föderalen System. Dazu braucht es, ausgehend von den politisch bzw. rechtlich angestrebten Wirkungen, ein radikales Neudenken der Arbeitsteilung von Bund, Ländern und
Die krisenbedingten IT-Projekte der jüngsten Vergangenheit zeigen, wie das gehen kann. Sowohl bei der Beantragung und Auszahlung der pandemiebedingten Überbrückungshilfen für die Wirtschaft als auch bei der ähnlich gelagerten Auszahlung der „200-Euro-Sonderzahlung“ für Studierende zur Abfederung der kriegsbedingt gestiegenen Energiekosten kamen leistungsfähige Low-Code- und Plattformtechnologien zum Einsatz, auf deren Grundlage neue Formen einer vollständig digitalen Zusammenarbeit einer Vielzahl von Institutionen gelungen ist. Beide Projekte sind in gewisser Weise Prototypen einer gänzlich neuen Art von „Fachanwendung“ auf der Grundlage kooperativ nutzbarer Cloud-Anwendungen. Langfristig könnten (und sollten) solche plattformbasierten Anwendungen über einen App-Store öffentlicher IT-Anwendungen erreichbar sein und entsprechend schnell Verbreitung finden. Auf kommunaler Ebene könnte dabei dem Handlungsfeld Smart City/ Smart Region eine Vorreiterrolle zukommen. Ein anschauliches Beispiel dafür liefert Hessen, wo es dem Land im Verbund mit seinem interkommunalen IT-Dienstleister ekom21 gelungen ist, eine cloudbasierte kooperative Dateninfrastruktur aufzubauen (cosma21), auf der innovative Lösungen nicht nur modular aufgebaut und datenzentriert miteinander vernetzt, sondern auch sehr einfach interkommunal mit- und nachgenutzt bzw. skaliert werden können. Eine ähnliche Entwicklung braucht es auch für die digitale Verwaltung, um auf dieser Grundlage kommunale Aufgaben schrittweise höher zu automatisieren und gleichzeitig die Voraussetzungen für die Etablierung neuer datenzentrierter Arbeits- und Organisationsformen zu etablieren.
Brunzel lehrt als Dozent für Verwaltungsinformatik an der HWR Berlin, der Uni Speyer sowie der Hochschule Meißen und entwickelt und unterstützt bundesweit verwaltungsübergreifende Innovationsprojekte im Bereich Digitale Verwaltung / E-Government bzw. Smart City / Smart Region.
Foto: BS/privat
Tag der Beteiligungsverwaltung 2025
12.–13. Februar 2025 Hamburg www.beteiligungsverwaltung.org
Kolumne Hartmann
Die digitale Kommune von morgen ist plattform- und Low-Code-Technologie-basiert.
Foto: BS/Georgii, stock.adobe.com
Marco
BFoto: BS/Gemeinde Hiddenhausen
VIER Fragen– VIER Antworten
Interview mit Jan Westerhold, Leiter des Amts für Gemeindeentwicklung in Hiddenhausen
ehörden Spiegel: Wie entstand die Idee für das Förderprogramm, 17 Jahre bevor der Bund seine gleichnamige KfW-Förderung beschlossen hat?
Jan Westerhold: Alle Prognosen wiesen für die Gemeinde Hiddenhausen eine schrumpfende und alternde Bevölkerungsentwicklung aus. Aufgeschreckt durch die Bevölkerungsprognosen wurde nach einer Analyse der örtlichen Altersstruktur deutlich, dass in nicht allzu ferner Zeit ein beachtlicher Anteil an Altimmobilien auf den Markt kommen wird. Hiddenhausen hat aufgrund der Bevölkerungsprognosen und der eigenen Analyse der Altersstruktur erkannt, dass in Zukunft die Ausweisung von Neubaugebieten am Dorfrand kein Königsweg mehr sein kann. Ein neues Denken in der Bauleitplanung war gefragt, um junge Familien am Ort zu halten und deren Blick „weg vom Neubau – hin zum Altbau“ zu lenken. So berief Hiddenhausen Anfang 2007 eine Expertenrunde aus Banken, Sparkassen, Maklern, Wohnbaugesellschaften, Planern und Architekten ein, um Möglichkeiten zur Förderung der Altbaunutzung zu erörtern. Es wurde beschlossen, in der Gemeinde Hiddenhausen auf die Ausweisung von Neubaugebieten zu verzichten und gleichzeitig wurde das Förderprogramm „Jung kauft Alt – junge Menschen kaufen alte Häuser“ ins Leben gerufen.
Behörden Spiegel: Welche konkreten Herausforderungen haben Sie in der
Seit
31. Oktober ist die Brandenburger Musikschule Bad Saarow Geschichte und schließt ihre Türen. Im Anschluss sollen einige Lehrkräfte die Schüler privat weiter unterrichten. Grund für das Aus der pädagogischen Einrichtung ist ein Urteil des Bundessozialgerichts aus dem Jahr 2022. Mit der auch als Herrenberg-Urteil bekannten, höchstrichterlichen Entscheidung wird konkretisiert, unter welchen Umständen Lehrkräfte an Musikschulen selbstständig arbeiten und wann es sich bei ihrer Beschäftigung um eine Scheinselbstständigkeit handelt. Das Ergebnis: Lehrende, die in die Strukturen der Musikschulen eingebunden sind und dort Weisungen zu befolgen haben, müssen fest angestellt werden. Das hat Folgen: Je nach Höhe der kommunalen Förderung müssen öffentliche Musikschulen ihr Angebot einschränken oder aufgrund von fehlenden finanziellen Mitteln Lehrkräfte entlassen. Zwei Jahre nach der Entscheidung sind immer mehr Musikschulen mit der Umsetzung des Karlsruher Urteils befasst.
Gestrichene Unterrichtstunden und höhere Gebühren
Der Verband Deutscher Musikschulen (VDM), in dem rund 900 kommunal geführte musikpädagogische Einrichtungen vertreten sind, begrüßt im Großen und Ganzen die Entscheidung des BSG. „Mit Blick auf den Nachwuchsmangel ist das Urteil positiv zu bewerten“, erklärt Bundesgeschäftsführer Matthias Pannes. So sollten aus Sicht des VDM Lehrtätigkeiten an Musik-
Jung kauft Alt
Wie eine ostwestfälische Kleinstadt die Landflucht bekämpft
(BS) Eine schrumpfende Bevölkerung und hoher Leerstand verlangen der Gemeinde Hiddenhausen neue Konzepte ab: Seit 2007 bietet sie daher das Förderprogramm „ Jung kauft Alt “ an. Jan Westerhold, Leiter des Amts für Gemeindeentwicklung, berichtet, welche Vorteile junge Familien dadurch haben. Die Fragen stellte Julian Faber.
Strukturwandel geht auch umgekehrt: Hiddenhausen (Nordrhein-Westfalen) zeigt, wie.
Gemeinde Hiddenhausen identifiziert, die zur Einführung dieses Programms geführt haben?
Westerhold: Die Erkenntnis, dass knapper werdende Freiflächenressourcen nachhaltig geschont werden sollten, damit gewachsene Quartiere wieder mit jungem Leben gefüllt werden, die Auslastung der vorhandenen Infrastruktur verbessert
wird, CO2-Emissionen verringert sowie Kindergärten und Schulen gestärkt werden. Gleichzeitig hat die Gemeinde den Leerstand bei Wohnimmobilien in den Ortskernen gestoppt und den Strukturwandel in den Dörfern frühzeitig eingeleitet.
Behörden Spiegel: Wie stellen Sie sicher, dass die geförderten Immobilien den baulichen Standards ent-
Foto: BS/ArTo, stock.adobe.com
sprechen und welche Rolle spielen dabei die Altbaugutachten?
SCHWERPUNKT
Behörden Spiegel: Welche weiteren Vorteile oder Boni gibt es für Familien, insbesondere im Hinblick auf energetische Sanierungen und die Kinderförderung?
Westerhold: Das Förderprogramm beinhaltet einen Förderbaustein für die energetische Sanierung, wobei sich die Zuschusshöhe nach der erreichten Effizienzstufe richtet. Die Förderung durch diesen einmaligen Zuschuss dient der Senkung der Belastungen der energetischen Sanierung eines Altbaus und leistet somit einen Beitrag zum Klimaschutz in der Gemeinde. Im Rahmen der laufenden Förderung wird die Anzahl der Kinder positiv berücksichtigt.
Westerhold: Die Gemeinde kann über das Förderprogramm „Jung kauft Alt“ die baulichen Standards nicht explizit sicherstellen. Hier wird auf die einschlägigen Normen aus der Landesbauordnung verwiesen. Um die Nutzungsmöglichkeiten und damit verbundene Sanierungskosten von Altbauten fachkundig abschätzen zu lassen, fördert die Gemeinde die Erstellung eines Altbaugutachtens. Dieses soll außerdem zur Entscheidungsfindung dienen, um jungen Familien Sicherheit für den Investitionsrahmen zu bieten.
Musikschulen im Umbruch
Die Folgen des „Herrenberg-Urteils“
(BS/Anne Mareile Walter) Zwei Jahre nach einem wegweisenden Urteil des Bundessozialgerichts stehen die öffentlichen Musikschulen vor gravierenden Umstrukturierungen: Sie müssen selbstständige Lehrkräfte ins Angestelltenverhältnis überführen.
Nach einem aktuellen Urteil des Bundessozialgerichts müssen Lehrende, die in die Strukturen der Musikschulen eingebunden sind und dort Weisungen zu befolgen haben, fest angestellt werden.
schulen grundsätzlich nur auf Basis von sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen erfolgen. Ausnahmen seien kurzzeitige Vertretungen oder geringfügige Tätigkeiten von Lehrkräften, die an anderer Stelle einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen. Dabei prognostiziert der Bundesverband: Der Prozess des Umwandelns von Honorarverträ-
gen in Festanstellungen dürfte bei den öffentlichen Musikschulen bis Ende 2026 andauern. Pannes: „Wir setzen uns dafür ein, dass dieser Prozess schrittweise ausgestaltet und durch die Deutsche Rentenversicherung Monitoring-gestützt verläuft.“ So fordere man beispielsweise, dass es in der Übergangsphase nicht zu Rückforderungen seitens der Deutschen Renten-
Foto: BS/liberowolf, stock.adobe.com
versicherung (DRV) kommt. Denn für den Fall, dass die DRV die Beschäftigungsverhältnisse überprüft, drohen beim Abschluss von Honorarverträgen Nachzahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen. Laut Strafgesetzbuch sind sogar Strafzahlungen möglich, wenn Sozialversicherungsbeiträge von Arbeitnehmern vorenthalten werden. Dabei weist VDM-Bundesge-
schäftsführer Pannes darauf hin, dass Musikschulen freiwillige Leistungen der Kommunen seien und nicht alle Kommunen über ausreichende finanzielle Mittel verfügen würden. „Aus diesem Grund hat es eine stärkere Verlagerung hin zu Honorarkräften gegeben, um das Angebot der Musikschulen in Zeiten klammer Kassen zu sichern“, erläutert er. Weil die Haushaltskassen allerdings nicht voller geworden seien, sei der geordnete Übergangsprozess zu Festanstellungen „ohne eine Zerstörung der Strukturen durch Rückforderungen“ umso wichtiger. Angebot in Zeiten klammer Kassen sichern
In dem Rechtsstreit, der dem Herrenberg-Urteil vorausging, war es um das Arbeitsverhältnis einer Musikschullehrerin gegangen, die auf Honorarbasis die gleichen Arbeiten erledigt hatte wie ihre angestellten Kollegen. Sie war ebenso fest wie diese in die Arbeitsabläufe der Musikschule eingebunden und konnte nicht so frei agieren, wie es im Rahmen einer freien Tätigkeit üblich gewesen wäre. Die Richter stuften sie daher als scheinselbstständig ein und entschieden, dass sie sozialversicherungspflichtig hätte beschäftigt werden müssen. Bei dem Urteil handelt es sich zwar um eine Einzelfallentscheidung, doch nach Auffassung von Juristinnen und Juristen hat diese Entscheidung über den Einzelfall hinaus Auswirkung auf fast alle öffentlichen Musikschulen, die freie Lehrkräfte in ihre Abläufe eingebunden haben.
Unser Land braucht Lösungen und Taten“, mahnte Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler (BdSt), bei der Vorstellung des diesjährigen Schwarzbuchs. Die aktuelle gesellschaftliche Situation – steigende Lebenserhaltungskosten, ein schwächelndes Gesundheitssystem und ein Bildungssystem mit schlechten Pisa-Ergebnissen – frustriere den Großteil der Bevölkerung. „Es wäre falsch, der Politik Pauschalurteile wie Untätigkeit, Unwillen oder Inkompetenz vorzuwerfen“, so Holznagel weiter. Die tatsächliche Wahrheit sei, dass sich viele Abgeordnete des Bundestags und auch direkte Mitglieder der Regierung intensiv um Lösungen bemühten. Das Problem liege hier jedoch im politischen Streit durch unterschiedliche Konzepte innerhalb der Ampelkoalition. „Im Kern geht es immer um das liebe Geld.“ Trotz dauerhaft hoher Steuerausgaben werde die Schuldenbremse immer wieder infrage gestellt. Zugleich gelinge es dem Bund, den Ländern und den Kommunen oft nicht, eine solide Finanzpolitik zu verfolgen. Hier setzte das Schwarzbuch an. Es verdeutliche wieder einmal: „Mehr Geld bedeutet nicht automatisch mehr Effizienz oder bessere Ergebnisse.“
Viel Lärm um nichts
Dass auch in diesem Jahr einige Investitionen des Bunds, der Länder und der Kommunen streitbar sind, zeigen die Beispiele des inzwischen 52. Schwarzbuchs. So berichtet dieses beispielsweise von der Gemeinde
In einem einzigartigen Zusammenspiel von Wissenschaft, Verwaltung, Wohnungsbaugesellschaft, lokalen Initiativen und Unternehmen werden mit diesem experimentellen Ansatz Erkenntnisse über Anforderungen an einen zukunftsfähigen Wohn- und Arbeitsstandort gewonnen.Bereits im Jahr 2008 entstand in Görlitz die Idee, mit der Möglichkeit, das Wohnen in der Stadt auszuprobieren, den vorhandenen Leerstand zu aktivieren. Seit 2015 koordiniert das Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR) mit seinem in Görlitz ansässigen Interdisziplinären Zentrum für transformativen Stadtumbau (IZS) einzelne Staffeln innerhalb der Projektreihe Probewohnen, begleitet diese wissenschaftlich und entwickelt die Idee stetig weiter. Kern der Projektreihe ist die Möglichkeit, das Leben in Görlitz für einen begrenzten Zeitraum zu testen. Im Laufe der Jahre entwickelte sich aus dem reinen Probewohnen das Ausprobieren der Stadt als Wohn- und Arbeitsstandort.
SCHWERPUNKT
Stadt der Zukunft auf Probe
Das jüngste Projekt „Stadt der Zukunft auf Probe – ein Wohn- und Arbeitsexperiment für ein klimaneutrales Görlitz 2030“ (Laufzeit: 2020 - 2023) bot die bereits etablierten Komponenten: Dank der Kooperation mit lokalen Partnereinrichtungen standen den Teilnehmenden kostenfrei möblierte Wohnungen und Arbeitsräume in der Görlitzer Innenstadt sowie verschiedene Kontakt-
Die verlorenen Steuergelder
Wie Bund, Länder und Kommunen haltlos investieren
(BS/Mirjam Klinger) Ein beschäftigungsloser Beamter, der fünf Jahre lang im Dauer-Homeoffice „arbeitet“, ein Tunnel für Kröten, ohne dass diese dort aufzufinden sind und eine nie gebaute Wasserstofffabrik: Das jährlich erscheinende Schwarzbuch des Bundes deutscher Steuerzahler prangert erneut staatliche Verschwendung an.
Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler (BdSt), pochte in seiner Rede zur Vorstellung des Schwarzbuchs auf eine Entlastung durch das von der Bundesregierung geplante Bürokratieabbaugesetz. Allein durch das Inkrafttreten des Gesetzes könnten Bund, Länder und Kommunen rund 190 Millionen Euro sparen. Foto: BS/Klinger
Nörvenich im Kreis Düren in Nordrhein-Westfalen. Im ländlichen Nörvenich sollte ein Lärmaktionsplan erstellt werden. Grund hierfür war der Bau einer Ortsumgehung für Düren, die in Teilen auch durch Nörvenich führen sollte. Die neue Straße führte jedoch ausschließlich an Feldern und Wiesen vorbei. Somit lautete das Ergebnis des Lärmaktionsplans schließlich, im betroffenen Umfeld seien keinerlei Personen selbst von Lärm betroffen. Gekostet hat diese Erkenntnis laut BdSt insgesamt 6.000 Euro. Außerdem seien die Mitarbeitenden der Gemeinde ungefähr ein Dreivierteljahr be-
schäftigt gewesen. Obwohl bereits vor der Aufstellung des Plans deutlich erkennbar war, dass niemand durch den Bau- und Verkehrslärm betroffen sein würde, sehen neue Vorschriften der EU keine Ausnahmen vor. Die EU-Umgebungslärmrichtlinie ist 2021 das letzte Mal angepasst worden. Ein weiterer Fall, von dem der BdSt in seinem Schwarzbuch berichtet, befasst sich mit einer Aussichtsplattform am Stapelfelder Moor. Am südlichen Rand des Naturschutzgebiets in der Nähe von Hamburg wurde die Plattform auf eine Höhe von 1,5 m gebaut. Die Konstruktion
aus Eichenholz und Edelstahl bietet keine wirkliche Weitsicht über das Gebiet. Sichtbar sind ausschließlich ein Weidezaun, eine Wiese und ein paar Bäume. Das Bezirksamt Wandsbek verteidigt die Aussichtsplattform jedoch: „Mit der Plattform besteht insbesondere für Kinder die Möglichkeit, auch bei einem bis zu einem Meter hohen Graswuchs die Natur bei einem Spaziergang auf dem Rundweg um das Naturschutzgebiet Stapelfelder Moor noch direkter zu erleben, ohne sie zu zerstören.“ Gekostet hat die Aussichtsplattform nach Angaben des BdSt fast 30.000 Euro. Dieses Geld hätte auch sinnvoller genutzt werden können, kritisiert der BdSt. So hätten beispielsweise für den Naturschutz sinnvoller insgesamt 3.900 Tüten Blumensamen gekauft und damit eine Fläche von fast 200.000 m2 in ein „Paradies für Hummeln und Bienen“ verwandelt werden können. Auch bundesweit wurden Steuergelder laut dem BdSt „skandalös“ investiert. So widmet sich ein Bericht des Schwarzbuchs der Deutschen Bahn. Der Staatskonzern feierte Anfang des Jahres die Gründung seiner Tochtergesellschaft DB InfraGO AG gleich zwei Mal. Auf die
Stadt der Zukunft auf Probe
Ideen für eine zukunftsorientierte Stadtentwicklung
(BS/Dr. Constanze Zöllter) Die Projektreihe Probewohnen hat sich über viele Jahre in der Stadt Görlitz etabliert, stetig weiterentwickelt und dient inzwischen einer Reihe von Kommunen als Vorbild für eigene Ansätze.
Das Wohnen in der Stadt ausprobieren und den vorhandenen Leerstand aktivieren: Dieses Ziel verfolgt die Projektreihe Probewohnen im sächsischen Görlitz.
möglichkeiten zur Verfügung. Neu war die Anforderung, sich mit Wissen, Projektideen oder Erfahrungen mit Bezug zu klimaneutraler und nachhaltiger Stadtentwicklung in Görlitz einzubringen. Das Projekt knüpfte damit an die Bestrebungen der Stadt an, bis zum Jahr 2030 klimaneutral zu werden. Im Rahmen eines dreimonatigen Aufenthaltes konnten die Teilnehmenden Netzwerke aufbauen, Anknüpfungspunkte identifizieren und bestenfalls erste Maßnahmen umsetzen. Das Projekt lieferte Erkenntnisse über die Anforderungen qualifizierter Arbeitskräfte an einen Wohn- und Arbeitsstandort und nahm zugleich die Sicht der bestehenden Stadtgesellschaft auf Zuzug und den „Import“ neuer Ideen beziehungsweise Impulse in den Blick. In sechs Durchläufen nahmen insgesamt 18 Haushalte am Experiment teil. Durch Befragungen wurden die Standortanforderungen, Bleibeperspektiven und Erfahrungen der zur Probe wohnenden Personen vor Ort erfasst. In Gruppendiskussionen reflektierten die Teilnehmenden mit Vertreter*innen der Partnereinrich-
Foto: BS/IOER Media, Marcel Schröder
tungen und der Stadtgesellschaft ihre Erfahrungen.
Mittelstädte als attraktive Orte Die Projektergebnisse zeigen, dass ein Umzug in eine Mittelstadt insbesondere für junge Familien (Personen zwischen 30 und 39 Jahren) sowie die sogenannte Empty-NestGeneration (Personen zwischen 50 und 64 Jahren) interessant erscheint. Ebenso hatten Menschen, die aktuell in einer Großstadt lebten, ein großes Interesse an der Projektteilnahme. Wie bereits in den vorangegangenen Projektstaffeln wurde Görlitz generell als attraktiver Wohn- und Lebensstandort wahrgenommen, dessen Potenziale der Raumverfügbarkeit und vorhandenen Lebensqualität aktiver beworben werden könnten. Zusätzlich lieferten die Befragungsergebnisse Anhaltspunkte für Optimierungsmöglichkeiten in der Stadtgestaltung. Über die Projektstaffeln hinweg zeichnet sich eine große Varianz an Lebensstilen und -modellen der Teilnehmenden ab. Oft bringen diese neue und bewusstere Anforderungen an nachhaltige Lebensweisen
Zusammenführung der Infrastruktur-Aktivitäten wurde zunächst mit rund 300 auserwählten Gästen im Berliner Museum Futurium angestoßen. Nur einen Tag später konnten sogar 2.000 Bahn-Mitarbeitende im Eventlokal Schuppen 52 in Hamburg die Neugründung zelebrieren. Nach Angaben des BdSt zahlte die Bahn für das Auftaktevent rund 330.000 Euro. Für die große Runde in Hamburg gab es ein Budget von 1,4 Millionen Euro.
Kritischer Blick auf Bürokratie Ziel des Schwarzbuchs sei es, Politik und Öffentlichkeit für die Verschwendung von Steuergeldern zu sensibilisieren und so präventiv entgegenzuwirken, schreibt der BdSt. Hierzu werde gemeinsam mit den Landesverbänden jedes Jahr zu Steuergeldverschwendung recherchiert, um am Ende die 100 Beispiele gebündelt zu veröffentlichen. Den Fokus der aktuellen Ausgabe legte der BdSt auf „Bürokratie und ihr konsequenter Abbau“. Hierzu kommen erstmals innerhalb des Schwarzbuchs auch Betroffene selbst zu Wort. „Die Kitas in Deutschland sind durch eine überbordende Bürokratie stark belastet“, schreibt beispielsweise Waltraud Weegman, Bundesvorsitzende des Deutschen Kitaverbands. Kitas benötigten schlankere Prozesse, mehr digitale Unterstützung und eine Gegenfinanzierung von Verwaltungskräften, damit die pädagogischen Kräfte ihre Zeit und Ressourcen für die direkte Arbeit mit den Kindern einsetzen können.
mit sich, beispielsweise in Bezug auf die eigenen Wohnverhältnisse, aber auch in den Bereichen Ernährung, Konsum oder Mobilität.
Die Ergebnisse des Projektes „Stadt der Zukunft auf Probe“ zeigen, dass individuelle Standortentscheidungen nach wie vor auf Basis von persönlichen Wünschen und Rahmenbedingungen sowie subjektiv bewerteten harten und weichen Standortfaktoren getroffen werden. Ob sich eine Stadt – wie in diesem Falle – das Ziel gesteckt hat, klimaneutral zu werden, wird erst dann als Standortfaktor relevant, wenn die anderen Rahmenbedingungen weitgehend erfüllt sind. Dabei reicht es nicht aus, dass sich die Stadt zu diesem Ziel bekennt. Gerade Zielgruppen, denen Nachhaltigkeit wichtig ist, erwarten sichtbare Aktivitäten sowohl der Stadtpolitik und -verwaltung als auch der breiteren Stadtgesellschaft.
Impulse für die Stadtentwicklung durch temporären Zuzug Mit Blick auf den Aspekt der Klimaneutralität bzw. nachhaltigen Stadtentwicklung in der jüngsten Projektstaffel lässt sich sagen, dass die Teilnehmenden eine große Bereitschaft mitbrachten, sich in Projekte und aktuelle Debatten einzubringen. Ebenso zeigten sich die ortsansässigen Initiativen, Unternehmen etc. offen für Impulse von außen. Die Palette der Ideen und Angebote, mit denen sich die Teilnehmenden in die Stadtgesellschaft einbrachten, reichte von künstlerischen Formaten und Pop-up-Stores, die leerstehende Räume in der Innenstadt belebten, bis hin zu fachlichen Beiträgen im Bereich der nachhaltigen Verkehrsplanung oder Energiegewinnung.
Das Projekt „Stadt der Zukunft auf Probe“ hat abermals gezeigt, dass experimentelle Projektansätze geeignet sind, einen neuen Wohn- und Arbeitsstandort auszuprobieren, ohne eine finale Entscheidung treffen zu müssen. Die Probeaufenthalte geben den Teilnehmenden die Möglichkeit, das Leben in einer Mittelstadt unter realistischen Bedingungen auszuprobieren und daraus Schlüsse für die eigene Tätigkeit und Lebensweise zu ziehen. Für ein gutes Ankommen von neuen Personen in einer Stadt braucht es eine zielgruppenspezifische Betreuung. Insbesondere Personen, die frei in ihrer Standortwahl sind (sich also auch in anderen Orten niederlassen könnten), sollten in ihrem Ankunftswunsch ernst genommen werden und entsprechende Unterstützung erfahren.
Gewollter Zuzug
Die Projektergebnisse zeigen, dass es dabei nicht nur um Arbeitsplatz und Wohnung geht, sondern beispielsweise auch um Netzwerke, Betreuungseinrichtungen, Freizeitaktivitäten und ehrenamtliches Engagement. Der Zuzug in eine Stadt sollte von allen gewollt und gelebt werden.
Weitere Informationen zum Projekt „Stadt der Zukunft auf Probe“ und den Projektergebnissen: https:// stadt-der-zukunft-auf-probe.ioer.eu/
Dr. Constanze Zöllter ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR). Sie promovierte zum Thema Standortentscheidungen in geschrumpften Mittelstädten in peripheren Lagen. Ihre Forschungsschwerpunkte sind die Revitalisierung geschrumpfter Städte, Stadtumbau und Innenstadtentwicklung sowie transdisziplinäre Forschung und Reallaboransätze in Klein- und Mittelstädten. Foto: BS/IOER Media, Marcel Schröder
VHS leiten macht glücklich!
Die Heinrich-Thöne-Volkshochschule (VHS) ist die kommunale Weiterbildungseinrichtung der Stadt Mülheim an der Ruhr und als Abteilung im Amt für Kinder, Jugend, Schule und Integration organisiert. Mit 16 hauptberuflichen und etwa 250 freiberuflichen Mitarbeitenden bietet die VHS ein vielseitiges und hochwertiges Programm, das u.a. die Bereiche Fremdsprachen, Kunst & Kultur, Digitalisierung, Gesundheit und Beruf & Persönlichkeit umfasst. Insgesamt ist die VHS Mülheim ein Ort des lebenslangen Lernens, welcher Bildung, kulturellen Austausch und persönliche Weiterentwicklung auf inspirierende Weise miteinander verbindet.
Im Zuge einer Nachfolgeregelung suchen wir zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine souveräne und engagierte Führungspersönlichkeit als Leitung (w/m/d) der Heinrich-Thöne-Volkshochschule
Diese attraktive Position wird nach Entgeltgruppe 15 TVöD vergütet. Die VHS bietet Ihnen eine verantwortungsvolle Position mit einem hohen Gestaltungsspielraum und attraktive Benefits wie z.B. flexible Arbeitszeiten, leistungsorientierte Bezahlung, umfangreiche Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten und fit@job-Programme zur Gesundheitsförderung.
Interessiert?
Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Raza Hoxhaj, Elisa Heinen oder Julia Schwick gerne zur Verfügung.
Lassen Sie uns Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen bitte über die zfm-Jobbörse zukommen. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!
Die Personalberatung für die Kommunalwirtschaft und die öffentliche Verwaltung
Mit Engagement für Kinder und Familien unterstützen Sie unser #TeamKreisverwaltung!
Die Abteilung Jugend und Familie des Kreis Euskirchen ist multiprofessionell aufgestellt. In den Teams Verwaltung und Finanzen, Soziale Dienste, Erziehungsberatung sowie Kindertagesbetreuung, Jugendarbeit und Prävention arbeiten ca. 170 Kolleg*innen mit Verwaltungsausbildung gemeinsam mit Sozialarbeiter*innen, Sozialpädagog*innen und Psycholog*innen, die sich für die Belange der Kinder, Jugendlichen und Familien im Kreis Euskirchen einsetzen. Das Kreisjugendamt ist für die Jugendhilfe in allen 11 kreisangehörigen Kommunen zuständig, das Jahresbudget beträgt aktuell rund 89 Mio. Euro. Im Rahmen einer Nachfolgeregelung suchen wir zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine fachlich erfahrene wie innovationsstarke Führungspersönlichkeit als Abteilungsleitung Jugend und Familie (w/m/d)
Mit Innovationsfreude und Ihrer strategischen Analysefähigkeit gestalten Sie unser Jugendamt zukunftsorientiert. Dabei entwickeln Sie eigenständig Strategien und Planungen, initiieren notwendige Transformationsprozesse und setzen diese unter Einbindung aller Akteure um.
Diese verantwortungsvolle Position wird nach EG 15 TVöD vergütet, alternativ A15 LBesG NRW.
Interessiert?
Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Gianna Forcella, Elisa Heinen und Julia Schwick gerne zur Verfügung.
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Als technisch versierte Führungspersönlichkeit agieren Sie gleichermaßen gestaltungswie umsetzungsorientiert!
Die Stadt Jülich liegt mit ihren rund 35.000 Einwohner*innen im Herzen des Städtedreiecks Aachen, Köln und Düsseldorf. Durch diese Lage ist Jülich ein attraktiver Standort für Wirtschaft und Wissenschaft mit renommierten Forschungs- und Technologiezentren, dem Brainergy Park sowie einer ausgeprägten Schul- und Bildungslandschaft. Ihre 2000-jährige Geschichte macht die Stadt Jülich zudem zu einer historischen Festungsstadt mit mittelalterlichen und renaissancezeitlichen Stadtmauern und Park- und Festungsanlagen aus dem 16. Jahrhundert. Im Rahmen einer Altersnachfolge des ersten Beigeordneten suchen wir zum 03.06.2025 eine dynamische und engagierte Führungspersönlichkeit als
Technische Beigeordnete / Technischer Beigeordneter sowie allg. Vertreterin / allg. Vertreter des Bürgermeisters (w/m/d)
Die Besoldung erfolgt gemäß der Eingruppierungsverordnung NRW nach der Besoldungsgruppe A 16 LBesG NRW zuzüglich einer Aufwandsentschädigung. Bei Wiederwahl ist eine Vergütung nach B 2 vorgesehen. Interessiert?
Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Sanny Groß, Elisa Heinen und Julia Schwick gerne zur Verfügung.
Lassen Sie uns Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen bitte über die zfm-Jobbörse zukommen. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!
Die Personalberatung für die Kommunalwirtschaft und die öffentliche Verwaltung
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Ihre Ideen für unser Stadtwerk –Führungskraft mit Weitblick für die Stadtwerke Lörrach gesucht!
Bei uns in der Stadtverwaltung Lörrach dreht sich alles um die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger. Gemeinsam arbeiten wir daran, Lörrach für die Herausforderungen der Zukunft fit zu machen. Und für die Vielfalt der Aufgaben brauchen wir die Vielfalt der Menschen. Wir planen, wir bauen, wir verwalten, wir pflegen, wir begleiten, wir gestalten, wir ermöglichen, kurzum: Wir machen die Stadt - und sind stolz darauf. Denn unsere Arbeit ist sinnstiftend und fördert aktiv das Gemeinwohl. Die Stadtwerke Lörrach sind ein kommunales Dienstleistungsunternehmen der Stadt Lörrach und werden als Eigenbetrieb geführt. Aktuell entwickeln sich die Stadtwerke durch den Ausbau in den Bereichen Fernwärme und Stromnetzbetrieb weiter. Sie sind dabei verantwortlich für die beiden Teams „Finanzen, Wasser, Wärme“ und „Planung und Vertrieb Stadtenergie“.
Für unseren Eigenbetrieb suchen wir im Zuge einer altersbedingten Nachfolge zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine eigenverantwortliche und motivierte Führungspersönlichkeit als
Leitung Eigenbetrieb Stadtwerke (w/m/d)
Die Stelle ist für tariflich Angestellte nach EG 14 TVöD vergütet. Interessiert?
Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Theresa Meister, Alexander Wodara oder Roland Matuszewski gerne zur Verfügung.
Lassen Sie uns Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen bitte über die zfm-Jobbörse zukommen. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!
Die Personalberatung für die Kommunalwirtschaft und die öffentliche Verwaltung
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In dieser Position tragen Sie maßgeblich zur Gestaltung des Erscheinungsbildes von Mönchengladbach bei! mags steht für „Mönchengladbacher Abfall-, Grün- und Straßenbetriebe - AöR“. Wir sind ein Dienstleistungsunternehmen und sorgen für die Unterhaltung und Pflege des rund 950 Kilometer langen Straßennetzes, der über 200 öffentlichen Grün-, Spiel- und Sportanlagen, der 13 städtischen Friedhöfe und des Baumbestandes im Gebiet der Stadt Mönchengladbach. Zum technischen Bereich gehören drei Abteilungen, deren rund 320 Mitarbeitende täglich Sorge für die erfolgreiche Erfüllung dieser Aufgaben tragen.
Zur Verstärkung unseres Teams suchen wir ab sofort eine engagierte und innovative Führungspersönlichkeit als
Technische Betriebsleitung
(w/m/d) für die Bereiche Straße, Grün und Friedhofswesen
In dieser Schlüsselposition setzen Sie gemeinsam mit dem Vorstand die richtigen Akzente für eine erfolgreiche Zukunft der mags und sind ein wichtiger Teil unseres Führungsteams.
Interessiert?
Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Annika Lachmann, Roland Matuszewski oder Theresa Meister gerne zur Verfügung.
Lassen Sie uns Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen bitte über die zfm-Jobbörse zukommen. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!
Die Personalberatung für die Kommunalwirtschaft und die öffentliche Verwaltung
Pläne wirklich werden zu lassen –das ist Ihre Leidenschaft!
Die über 800 Beschäftigten der Stadtverwaltung Fellbach arbeiten tagtäglich in den vielfältigsten Tätigkeiten für die Belange unserer Bürger*innen.
Das Amt für Stadtplanung befasst sich mit der Gesamtheit der Planungen für den Städtebau in unserer Stadt. Hierbei geht es neben einer zukunftsorientierten Entwicklungsstrategie für die Stadt Fellbach auch um das ganzheitliche Gefüge, die raumbezogene Infrastrukturentwicklung und darum, die Verträglichkeit von Nutzungen zu gewährleisten.
Zum nächstmöglichen Zeitpunkt suchen wir eine engagierte und gestaltungsorientierte Führungspersönlichkeit als
Amtsleitung
Stadtplanung (w/m/d)
In dieser Funktion berichten Sie direkt an die Baubürgermeisterin. Die attraktive Position wird nach A 15 LBesGBW bzw. EG 15 TVöD vergütet.
Sind Sie bereit, die Transformation unserer Stadt aktiv mitzugestalten und innovative Lösungen für eine nachhaltige und klimafitte Zukunft zu entwickeln? Interessiert?
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Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!
Die Personalberatung für die Kommunalwirtschaft und die öffentliche Verwaltung
Die wirtschaftliche Lage kommunaler Kliniken war schon 2013 angespannt. Die Defizite und die Verschuldung sind seither aber deutlich gestiegen. Die Gesamtsituation hat sich zu einer Krisenlage weiterentwickelt. Parallel wird der Fachkräftemangel zunehmend zum Problem.
Jährliches Optimierungspotenzial von 100 Millionen Euro Schon 2013 war die zentrale Empfehlung, das medizinische Leistungsgeschehen stärker miteinander abzustimmen, um sowohl die Qualität der medizinischen Leistungen (Patientenwohl) als auch die ökonomische Situation der Krankenhäuser zu verbessern. Schon damals ermittelten wir ein jährliches Optimierungspotenzial von rund 100 Millionen Euro.
Der Präsident des Hessischen Rechnungshofes, Dr. Walter Wallmann, fordert: „Nachfolgende Generationen sollen nicht unsere Zeche zahlen. Hier gilt es aus meiner Sicht abzuwägen. Einerseits sollten Zins- und Tilgungsbelastungen für zukünftige Haushalte reduziert werden. Andererseits muss der Staat – insbesondere in Krisenzeiten – durch gezielte Investitionen die regionale Wirtschaft unterstützen, um somit auch Arbeitsplätze zu erhalten.“
Regelmäßiger Austausch über Maßnahmen
Der Erfahrungsaustausch der regionalen Rechnungshöfe in der Europäischen Union von Schweden bis Griechenland nimmt in Zeiten knapper Kassen und abnehmender Handlungsspielräume für politische Maßnahmen zu. Was an einer Stelle in der Fiskalpolitik und Prüfpraxis funktioniere, falle den Beteiligten an anderen Orten oft auf die Füße, so der Präsident von EURORAI (Europäische Organisation der Regionalen Externen Institutionen zur Kontrolle des Öffentlichen Finanzwesens), Dr. Joan Roselló Villalonga Roselló, gleichzeitig Präsident des Rechnungshofs der Balearischen Inseln. Er unterstreicht, dass vor diesem Hintergrund der regelmäßige Austausch über die Maßnahmen zur externen öffentlichen Finanzkontrolle umso wichtiger sei.
„Um
aktuelle und künftige Haushalts-Krisen zu bewältigen, ist es notwendig, Ausgaben zu reduzieren.“
Dr. Walter Wallmann, Präsident des Hessischen Rechnungshofs
„Krisenlage bei den kommunalen Kliniken“
Schulterschluss von kommunal und konfessionell
Mit der Gründung einer Holding zwischen kommunalem und konfessionellem Klinikum könnten Synergien in puncto Fachkräftemangel und demografischer Entwicklung geschaffen werden.
Dr. Ulrich Keilmann leitet die Abteilung Überörtliche Prüfung kommunaler Körperschaften beim Hessischen Rechnungshof in Darmstadt.
Foto: BS/privat
Elf Jahre und einige Reformen und Krisen später sehen wir ein
ähnliches Bild: Die Leistungsportfolios wurden im Wesentlichen nicht stärker fokussiert und nicht miteinander abgestimmt. Das „Kirchturmdenken“ hält weiterhin an. Hinzu kommt: Das Optimierungspotenzial ist sogar auf
Foto: BS/stock.adobe.com, VisualProduction
130 Millionen Euro jährlich gestiegen. Grob überschlagen hätten also seit 2013 rund eine Milliarde Euro eingespart oder idealerweise in eine bessere Patientenversorgung investiert werden können. Die Kliniken sind weiterhin aufgefordert, ihre Leistungen stärker zu bündeln und mehr miteinander
Handlungsfähig trotz Schulden
Weniger Bürokratie – auch für die Rechnungshöfe (BS/ecp) Euro-Bonds sind seit der Euro-Krise das Schreckgespenst deutscher Austeritätspolitik. Dennoch bekommt die Debatte über die Schuldenbremse in Deutschland angesichts anhaltender Rezession und Forderungen nach Generationengerechtigkeit immer wieder neuen Auftrieb. Aus Sicht der regionalen Rechnungshöfe in Europa (EURORAI) braucht es dringend zusätzliche Handlungsspielräume.
Der Präsident von EURORAI, Joan C. Roselló Villalonga, der Direktor der 5. Kammer des Europäischen Rechnungshofes, Alejandro Ballester Gallardo, und die Europaabgeordnete Monika Hohlmeier (v.l.n.r.) diskutieren über unterschiedliche Einflussmöglichkeiten, um Handlungsspielräume zu schaffen.
So trafen sich Anfang Oktober zum ersten Mal im über 32-jährigen Bestehen der Organisation auf Einladung des Hessischen Rechnungshofs und des Landesrechnungshofs Schleswig-Holstein die lokalen Rechnungshöfe der EU in Brüssel. Sie sendeten damit die klare Botschaft Richtung Brüssel, die Bedeutung der regionalen Ansätze nicht zu unterschätzen, warnten aber gleichzeitig vor überbordender Bürokratie bei der Verteilung von Fördermitteln. Für alle Beteiligten
ist klar: Gut gemeinte politische Ziele dürfen nicht in aufwendig umsetzbaren Gesetzen und Normen und damit in zusätzlicher vermeidbarer Bürokratie münden. Auch Monika Hohlmeier, Mitglied des Europäischen Parlaments (CSU) und ehemalige Kultusministerin aus Bayern, stimmt dem zu und betont, sie werde sich für geringere Bürokratieauflagen einsetzen. Auch müsse überall eine Vereinfachung durch Digitalisierung mitgedacht werden, so die stellvertretende Vor-
zu kooperieren, um sowohl das Patientenwohl zu stärken als auch die Wirtschaftlichkeit zu erhöhen. Beispielgebend dafür könnte eine (erst) im April 2024 angestrebte regionale Vernetzung zwischen dem Klinikum Darmstadt und dem Agaplesion Elisabethenstift werden.
Gemeinsame Holding mit bundesweitem Vorbildcharakter Die geplante Gründung einer gemeinsamen Holding zwischen kommunalem Klinikum einerseits und konfessionellem Klinikum andererseits könnte einen deutschlandweiten Vorbildcharakter entwickeln. Neben den Entwicklungen in der stationären Versorgung könnten so ergänzende Synergien vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels und der demografischen Entwicklung erzielt werden.
Lesen Sie mehr zu diesem Thema im Klinikbericht 2024, Hessischer Landtag, Drucksache 21/1147 vom 11. Oktober 2024. Der vollständige Bericht ist kostenfrei unter rechnungshof.hessen.de abrufbar.
hofpräsidentin Dr. Gaby Schäfer aus Schleswig-Holstein diesjähriger Gastgeber von EURORAI, betont: „Um aktuelle und künftige Haushalts-Krisen zu bewältigen, ist es notwendig, Ausgaben zu reduzieren.
„Nachfolgende Generationen sollen nicht
unsere Zeche zahlen.“
Dr. Walter Wallmann
Hier müssen alle Aufgaben und Ausgaben auf den Prüfstand. Wir müssen klar priorisieren und uns dabei fragen: Was können wir uns aktuell noch leisten? Dabei werden auch wünschenswerte und sinnvolle Projekte voraussichtlich erst mal zurücktreten müssen.“ Aus seiner eigenen Erfahrung zeige sich die „die schleppende Digitalisierung der Verwaltung“ in vielen Prüfungen. Die derzeitige „Komplexität der Regelungen führt zu vermeidbarer Bürokratie und erschwert die Digitalisierung enorm. Dies ist ein deutlicher Nachteil für den Standort Deutschland insgesamt“, betont Rechnungshof-Präsident Wallmann
sitzende des Haushaltsausschusses. In Dänemark müssen z. B. jegliche Gesetze Einsparungen durch Digitalisierung nachweisen, um verabschiedet werden zu können.
Schleppende Digitalisierung zeigt sich in den Prüfungen Wie sinnvoll Austeritätspolitik ist, hat auch das Bundesverfassungsgericht mit der Stärkung der Schuldenbremse und klaren Regeln für die Neuverschuldung bestätigt. Wallmann, neben der Rechnungs-
Die Europäische Organisation der Regionalen Externen Institutionen zur Kontrolle des Öffentlichen Finanzwesens, kurz: EURORAI, ist ein Kooperationsprojekt von regionalen Einrichtungen der öffentlichen Finanzkontrolle in Europa, das einen Rahmen für Erfahrungsaustausch bietet und damit dazu beiträgt, auf dem gemeinsamen Gebiet der Prüfung der öffentlichen Finanzen in den jeweiligen Regional und Kommunalverwaltungen Fortschritte zu erzielen, um zu einer besseren Verwendung öffentlicher Mittel zu gelangen.
Bei der Umsetzung der Grundsteuerreform mangelt es vielerorts noch an einem stabilen Fundament: „Noch immer sind nicht alle Eigentümer ihrer Verpflichtung zur Abgabe einer Grundsteuererklärung beim Finanzamt nachgekommen“, heißt es vom Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB). Doch auch dort, wo die Erklärungen vorliegen, wurden die Bewertungen den Kommunen offenbar zu spät oder noch nicht vollständig übermittelt. Das habe direkte Auswirkungen auf die Haushaltsplanung: „Eventuell wird es kommunale Hebesatzbeschlüsse erst im kommenden Jahr geben“, so der DStGB. Vor diesem Szenario hätten Städte und Gemeinden lange gewarnt.
Mehrbelastungen wahrscheinlich In Nordrhein-Westfalen sieht man ein weiteres Problem: „Wir warnen bereits seit längerer Zeit davor, dass durch die Grundsteuerreform des Bundes ab dem kommenden Jahr vielerorts Wohngrundstücke stärker belastet werden als Geschäftsgrundstücke.“ Dies hätten die Bundesländer durch Anpassung der Messzahlen für Geschäftsgrundstücke verhindern können. „Das haben bisher leider nur Berlin, Sachsen und das Saarland getan“, berichtet Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages. Zwar ermögliche die Landesregierung den Kommunen differenzierte Hebesätze für Wohn- und Geschäftsgrundstücke, ein durch den Städtetag in Auftrag gegebenes Gutachten zeige hierfür aber erhebliche Rechtsunsicherheiten auf. „Damit drohen den
Auf wackeligen Füßen
Grundsteuerreform verunsichert Eigentümer und Kommunen
(BS/jf) Es ist eine der größten Steuerreformen der Nachkriegsgeschichte: Die ab 2025 geltende Grundsteuer-Novelle soll Ungleichbehandlungen von gleichwertigen Grundstücken harmonisieren und die veralteten Einheitswerte aus den Jahren 1935 und 1964 ablösen. Noch produziert sie jedoch hauptsächlich Verunsicherung bei den Betroffenen – für Wohngrundstücke drohen gar Mehrbelastungen.
Bei der Umsetzung der Grundsteuerreform verdichtet sich ein böser Verdacht.
Städten in NRW bei einer der wichtigsten kommunalen Steuern im schlimmsten Fall massive Steuerausfälle.“ Dabei ist die Haushaltslage vieler Kommunen schon jetzt prekär: Laut DStGB beklagen diese allein im ersten Halbjahr 2024 ein Defizit von 17,3 Milliarden Euro.
Kritik an stockender Digitalisierung
Positionspapier des Landesrechnungshofs Niedersachsen
(BS/amw) Die Landesregierung muss sich in Digitalisierungsfragen als Einheit begreifen: So lautet die zentrale Forderung des LRH. Er bemängelt die derzeitigen Steuerungs- und Verwaltungsstrukturen.
Die Verwaltungsdigitalisierung in Niedersachsen stößt bei den Mitarbeitenden des Landesrechnungshofs (LRH) auf Kritik. Zu unkoordiniert, zu uneinheitlich, zu undurchsichtig – so lautet das Fazit, das der LRH in Bezug auf die Steuerungs- und Entscheidungsstrukturen bei der Verwaltungsdigitalisierung einem nun vorgelegten Positionspapier formuliert. Ein Grund für den Befund des Landesrechnungshofs ist die Tatsache, dass jedes Ministerium für seine IT ein eigenes Budget erhält. Dadurch sei über Jahre hinweg eine heterogene Struktur aus Hardund Software in der Landesverwaltung entstanden, zudem würden vergleichbare Vorhaben in den Ministerien parallel umgesetzt. So würden beispielsweise das Justizministerium und das Ministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten eine zentrale Niedersachsen-KI entwickeln, parallel aber bei Chat-Bots an eigenen Lösungen arbeiten.
Innen- und Finanzministerium befinden sich in Abstimmung
„Die Landesverwaltung muss sich bei ihrer Digitalisierung endlich als Einheit begreifen“, erklärte die Vizepräsidentin des Landesrechnungshofs, Andrea Schröder-Ehlers, anlässlich der Veröffentlichung des Positionspapiers. Wie der LRH mitteilte, gebe es in diesem Punkt nun aber Bewegung. So hätten Innenministerium und Finanzministerium mitgeteilt, sich aktuell in der Abstimmung über einen solchen Einzelplan IT zu befinden. Allerdings müssten auch die anderen Ressorts eingebunden werden, so Dr. Sandra von Klae-
den, Präsidentin des Landesechnungshofs. „Wir setzen auf eine Umsetzung zum Haushalt 2026“, sagte sie.
„Die
Landesverwaltung muss sich bei ihrer Digitalisierung endlich als Einheit begreifen“
Andrea Schröder-Ehlers, Vizepräsidentin des LRH Niedersachsen
Nur mit einem Einzelplan für die IT sei das Problem der uneinheitlichen Verwaltungsdigitalisierung allerdings nicht gelöst. Dafür müssten ressortübergreifende ITFragen zentral entschieden werden. Die Empfehlung des LRH: Die IT-Bevollmächtigten der Landesregierung sollten künftig mit entsprechenden Befugnissen ausgestattet werden.
Rückenwind
Der Städtetag Baden-Württemberg teilt die Befürchtungen aus NRW. Das Transparenzregister des Landesfinanzministeriums sei nicht rechtlich bindend. Es diene den Betroffenen lediglich zur Kontrolle, ob der vor Ort festgesetzte Hebesatz das bisherige Gesamtaufkommen
Foto: BS/Bnz, stock.adobe.com
der Grundsteuer beibehält. Vereinzelt führe das Register dazu, „dass in den Gemeinderäten die Auffassung vorherrscht, man könne mit dem eigenen Hebesatz nicht über den Korridor des Transparenzregisters hinausgehen. Wenn in diesen Fällen aus Sorge um den Unmut
der Bürgerinnen und Bürger gar auf Einnahmen verzichtet wird, ist das eine fatale Wirkung des Transparenzregisters.“ Das Bekenntnis zur Aufkommensneutralität gehe zudem an der haushaltspolitischen Realität vieler Kommunen vorbei: „Vielfach werden die Städte und Gemeinden gar nicht umhinkommen, ihr Grundsteueraufkommen anzuheben, um überhaupt noch genehmigungsfähige Haushalte aufstellen zu können“, heißt es dazu aus Stuttgart. Auch die Städtetage Hessen und Niedersachsen betonen die kommunale Pflicht zum Haushaltsausgleich unabhängig von den jeweiligen Empfehlungen der Transparenzregister.
Reform mit ungewisser Zukunft Die Reform sollte ursprünglich für mehr Klarheit sorgen, doch bisher überwiegen Befürchtungen vor steigenden Beiträgen. Dazu drängt die Zeit: Ab Januar soll die neue Grundsteuer greifen. Was als eine der größten Steuerreformen der Nachkriegszeit geplant war, droht sich als Mammutaufgabe zu erweisen, deren Auswirkungen auf die Eigentümer bis zuletzt ungewiss bleiben. Die Lokalpolitik wird vor vollendete Tatsachen gestellt: „Kein Gemeinderat wünscht sich Steuermehrbelastungen in der Kommune. Dazu kommt es nur, wenn der Gemeinde kein anderer Ausweg bleibt.“ Land und Bund stünden in der Pflicht, für eine aufgabengerechte kommunale Finanzausstattung zu sorgen, so Dedy. „Dann müssten wir uns nicht über kommunale Steuererhöhungen unterhalten.“
Mehr Leistung für weniger Geld
Bayerns Kommunen kämpfen mit Haushaltsaufstellungen
(BS/sl) „Die Zeit der Wunschkonzerte ist vorbei“, erklärt der Oberbürgermeister von Bad Reichenhall, Dr. Christoph Lung. Damit bezieht er sich auf die kommunale Haushaltslage der Großen Kreisstadt in Bayern, denn diese war schon 2024 nicht gut aufgestellt und hat für 2025 einen noch schwereren Ausgangspunkt.
Doch das betreffe nicht nur Bad Reichenhall, sondern viele Städte und Kommunen in ganz Bayern, insbesondere aber die Großen Kreisstädte, erklärt der Bayerische Städtetag. Wie der Vorsitzende des Bayerischen Städtetags und Oberbürgermeister von Straubing, Markus Pannermayr erklärt, würden viele Städte und Gemeinden ab 2025 ihre Haushalte nicht mehr ausgleichen können. Insbesondere gestiegene Ausgaben in den Bereichen Personal (elf Prozent). Soziales (15 Prozent) und Bauvorhaben (acht Prozent) würden die kommunalen Finanzen belasten, sodass die bayerischen Kommunen bereits 2023 Defizite in Höhe von 2,5 Milliarden Euro verzeichneten. „Damit steuern die Kommunen auf ein neues Rekord-Minus zu. Leider ist keine Trendwende erkennbar“, so Pannermayr
Kein Einzelphänomen
Diesen Trend bestätigt auch Dr. Lung. Zwar habe die Stadt Bad Reichenhall durch ergriffene Konsolidierungsmaßnahmen eine deutliche Einnahmensteigerung erzielen können – indem verschiedene Gebühren erhöht und die Zweitwohnungssteuer zweimalig angehoben wurde – jedoch habe man auch Einsparungsmaßnahmen zu lasten von freiwilligen Leistungen vornehmen müssen. Das Hauptproblem sieht Lung hier auf struktureller Ebene: „Es werden immer mehr Aufgaben auf die Kommunen übertragen, ohne für einen angemessenen Kostenersatz zu sorgen. Solange diese generelle Entwicklung anhält, ist eine wesentliche Entspannung der Lage nicht in Sicht.“ Die Stadt sähe vor allem Bund und Land in der Pflicht, angemessene Zahlungen zu leisten und „nicht immer neue Erwartungen in der Bevölkerung zu wecken.“ Wie der Bayerische Städtetag ergänzt, müsse die allgemeine Finanzausstattung der Kommunen gesichert sein, damit die soziale, schulische, gesundheitliche und technische Infrastruktur gewährleistet werden könnten. Das beziehe sich sowohl auf den ländlichen Raum als auch die Ballungsgebiete. Ohne ein ausreichendes Budget müssten die Kommunen hier wichtige Maßnahmen für beispielsweise Schulen, Kitas oder Infrastrukturanpassungen verschoben oder gestrichen werden, meint Pannermayr. Der einzige Ausweg wäre eine Verschuldung, aber hier seien die Grenzen eng, denn sie seien in manchen Städten bereits erreicht. „Wenn Städte und Gemeinden keine Haushalte mehr aufstellen können, sind sie nicht mehr handlungsfähig, sie können die für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft so wichtigen freiwilligen Angebote für Bildung und Kultur, Sport und Vereinsleben nicht mehr wie bisher unterstützen.“ Hinzu kämen die vielen eskalierenden Krisen, die die Kommunen vor zusätzliche Herausforderungen stellen: Gerade auf komplexe Fragen zu Themen wie Migration und Integration, Energieversorgung und Klimawandel gäbe es keine einfachen Antworten. Um solchen Fragen entgegentreten zu können und den Menschen in diesen schwierigen Zeiten Halt zu geben, brauche es leistungsstarke Städte und Kommunen, ist sich Pannermayr sicher. Doch werde die Aufstellung von genehmigungsfähigen Haushalten in den kommenden Jahren extrem schwierig. Der Ansicht ist auch Lung, denn bis den Kommunen eine entsprechende Unterstützung von Bund und Land gestellt wird, sei eine harte Finanzpolitik in den Kommunen nötig und eben kein Wunschkonzert mehr möglich.
Mitte September berieten sich die Verkehrsministerinnen und Verkehrsminister von Bund und Ländern in einer Sondersitzung zum Deutschlandticket. Das Ergebnis: eine Erhöhung um neun Euro ab 2025. Die Länder und Verkehrsverbünde sind gespaltener Meinung. So ist der Verkehrsverbund Rhein-Sieg der Ansicht, dass die Erhöhung zwar noch nicht alle Kosten decken würde, allerdings eine gute Basis darstelle und Planungssicherheit für das kommende Jahr gebe. Bayern hingegen hätte sich eine Erhöhung auf 64 Euro gewünscht. Für den nordrhein-westfälischen Verkehrsminister Oliver Krischer ist dies ein zufriedenstellendes Ergebnis. Für ihn sei klar gewesen, dass man ab 2025 um eine Preissteigerung nicht herumkomme, denn auch das Deutschlandticket unterliege wie alle anderen Tickets der Kostensteigerung. Für ihn ist die Erhöhung aber maßvoll: „Mit diesem Preis schaffen wir es, das Ticket weiter attraktiv zu halten und die Finanzierung auf solide Füße zu stellen.“
Ob das stimmt, wird sich noch zeigen müssen. Denn durch die wegfallenden Einnahmen durch Einzeltickets und andere Ticketoptionen hatten viele Kommunen und Verkehrsverbünde mit der Finanzierung des Deutschlandtickets zu kämpfen. Ein Landkreis, in dem der Fortbestand des Deutschlandtickets bereits Ende 2023 nicht mehr sicher war, ist Stendal in SachsenAnhalt. Die Begründung war simpel: Mit den damaligen Prognosen musste der Landkreis davon ausgehen, dass die Mindereinnahmen für 2024 nicht vollständig ausgeglichen und für das Ticket gegebenenfalls Gelder aus dem Landkreishaushalt zufließen müssten. Dies habe man noch abwenden können, da die Kosten für das Ticket unter an-
Mehr Möglichkeiten als bisher –so könnte die neue StVO wohl am effizientesten zusammengefasst werden. Das soll auch dazu beitragen, dass die Prozesse zur Umschreibung der einzelnen Maßnahmen nun schneller voranschreiten als bisher. Schließlich ist die Argumentation z. B. für die Einrichtung von Sonderfahrspuren nun einfacher begründbar. Dennoch bleibt bei der Anordnung verkehrsbeschränkender Maßnahmen eine Einzelfallprüfung notwendig. Ein wichtiger Faktor bleibt jedoch: Die Sicherheit des Verkehrs nicht zu beeinträchtigen und die Leichtigkeit des Verkehrs zu berücksichtigen. Das haben Bundestag und Bundesrat im Vermittlungsausschuss klargestellt und beschlossen.
Details fehlen noch Auch wenn viele Stadtverwaltungen sich über die neuen Möglichkeiten freuen, ist ihr Inkrafttreten nicht der Startschuss für eine massive Zunahme an Projekten in den Verkehrsämtern. So erklärt Matthias Knobloch, Fachbereichsleiter Nachhaltige Mobilität der Stadt Ludwigsburg, dass noch einige Begrifflichkeiten zu klären seien, bevor die willkommenen Anpassungen konkret angewendet werden könnten. Ähnliche Probleme sieht man auch in Köln und merkt an, dass die Integration der neuen Mittel zunächst mit den politischen Gremien abgestimmt werden soll. Auch Stuttgart weist auf Nachfrage des Behörden Spiegel darauf hin, dass noch einige Erlässe und Verwaltungsvorschriften an die neuen Regelungen angepasst werden müssten. So wollen die Städte Doppelarbeit vermeiden. Aus der Fahrradstadt Münster heißt
Mögliche Mobilitäts-Abwende
Auswirkungen der Preiserhöhung des Deutschlandtickets (BS/Scarlett Lüsser) 49 oder 58 Euro, was macht das für einen Unterschied? Im Fall des Deutschlandtickets soll die preisliche Erhöhung die Länder und Kommunen entlasten, aber noch attraktiv für die Nutzerinnen und Nutzer sein.
Das als „9 Euro Ticket“ bekannt gewordene Ursprungsticket wird nach seiner allgemeinen Einführung als „49-Euro-Ticket“ nun um neun Euro teurer. BS/Föppl unter Verwendung von reliant_de, stock.adobe.com
derem durch Mehreinnahmen aus der allgemeinen Landeszuweisung für die Finanzierung der Verkehrsleistungen im Öffentlichen Straßenpersonennahverkehr (ÖSPV) ausgeglichen worden seien, erklärt ein Pressesprecher des Landkreises. Nun müsse man die Auswirkungen der Preissteigerung beim Deutschlandticket zunächst prüfen, um die finanziellen Auswirkungen abschätzen zu können. Doch eines ist für Stendal klar: „Bund und Länder
müssen für einen vollständigen finanziellen Ausgleich der entstehenden Mindereinnahmen sorgen. Das finanzielle Risiko darf bei einer Fortsetzung des Deutschlandtickets nicht bei den Landkreisen und kreisfreien Städten liegen.“ Auswirkungen für die Nutzenden Mit der Preissteigerung um 18 Prozent sind aber nicht alle einverstanden. Der ökologische Verkehrsclub VCD hält diese beispielswei-
se für einen Fehler. Sie sei sogar eine Bedrohung für die angestrebte Verkehrswende, meint die Bundesvorsitzende des VCD, Kerstin Haarmann. Dabei beruft sich der Verkehrsclub auf eine Studie des Kopernikus-Projekts Ariadne, denn der „Ariadne D-Ticket Impact Tracker“ zeigt die Auswirkungen des Deutschlandtickets auf Mobilität, Emissionen und mögliche Reaktionen auf die Preiserhöhung. Laut der Studie ist die Nutzung von Zug-
Neue Regeln für den Verkehr
Maßnahmen schneller und einfacher umsetzen
(BS/sr) Seit Oktober ist die neue Straßenverkehrsordnung (StVO) in Kraft und erlaubt es Kommunen, mit einer Vielzahl von Begründungen Änderungen im Straßenverkehr vorzunehmen. Damit haben Kommunen mehr Freiheit bei der Einführung von Tempo 30-Zonen, Anwohnerparken und Fahrradstraßen.
Egal ob Fahrrad oder Bus, Sonderspuren könnte es dank der neuen StVO zukünftig häufiger geben. Auch Fahrspuren für Carpooling sind damit möglich. Bild: BS/EdNurg, stock.adobe.com
es, dass gerade die Verwaltungsvorschrift zu Paragrafen 45 Abs. 9 StVO i. V. m. der Verwaltungsvorschrift zu Paragraf 41 StVO zu Zeichen 274 in der Vergangenheit sehr deutliche ermessenslenkende Möglichkeiten bezüglich der Anordnung von Tempo 30 vor sozialen Einrichtungen erodiert habe. Aktuell sind zudem mancherorts die Straßenverkehrsbehörden ausgelastet u. a. mit der
Erarbeitung der neuen Verwaltungsvorschriften wie etwa die in Berlin zuständige Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt.
Ein Argumentationsstandpunkt Einige Städte haben dennoch bereits erste Prüfungsverfahren eingeleitet. Stuttgart prüft ein stadtweites Konzept für Einrichtungen für
strecken von über 30 Kilometern mit 30,4 Prozent deutlich gestiegen, während die Autonutzung um 7,6 Prozent gesunken sei. Aus der stabil gebliebenen Anzahl der zurückgelegten Wege mit unterschiedlichen Fortbewegungsmitteln (wie Rad, Auto oder Zug) ergebe sich beim Gesamtanteil der genutzten Zugstrecken auf die Gesamtzahl aller Wege eine Steigerung von zehn auf etwa zwölf Prozent. Dadurch sei ein Rückgang der gesamten Verkehrsemissionen um etwa 6,7 Millionen Tonnen zu verzeichnen.
Die Studie sagt außerdem einen Rückgang der Nutzung des Deutschlandtickets durch die Preiserhöhung voraus. Die Zugnutzung werde vermutlich um 14 Prozent sinken und die Anzahl der mit dem Auto zurückgelegten Kilometer um 3,5 Prozent zunehmen. Die im ersten Jahr des Deutschlandticket erreichte Emissionsminderung werde mit diesem Rückgang fast halbiert. Wie der VCD erklärt, habe eine zusätzliche Untersuchung von Bund und Ländern gezeigt, dass bei einer Preiserhöhung um zehn Euro bis zu 21 Prozent der Nutzenden ihr Ticket kündigen würden. Zudem sei die Finanzierung des Tickets ab 2026 wieder offen, was zu weiteren Unsicherheiten führe.
„Statt den Preis zu erhöhen, sollten die Länder Jugend- und Sozialtickets auf das Deutschlandticket ausrichten und so weitere Abos generieren. Hamburg macht es vor. Der Bund sollte seinen Anteil an der Finanzierung erhöhen und zum Ausgleich umweltschädliche Subventionen abbauen“, fordert Haarmann. Die Ampel-Regierung habe versprochen, die Anzahl der Fahrgäste auf den Schienen bis 2030 zu verdoppeln. „Daraus wird nichts, wenn sie weiter ihre eigenen Erfolgsprojekte sabotiert“, schließt die VCD-Bundesvorsitzende.
dieser soll die Planung der Städte und Kommunen beschleunigt werden. So sind nicht mehr nur Gebiete um Schulen herum als verkehrsberuhigte Zonen qualifiziert, sondern auch häufig genutzte Schulwege. Allerdings sind einige der neuen Möglichkeiten nur auf Probe, wie etwa die Sonderfahrspuren für Wasserstoff-, E-Autos oder Fahrgemeinschaften. Diese sollen zunächst nur bis Ende 2028 erprobt werden. In anderen Fällen sparen sich die Verkehrsverwaltungsbehörden zukünftig in erster Linie eine Argumentation, so etwa bei der Einrichtung von Überquerungsmöglichkeiten. Mit der neuen StVO fällt der Beweis einer besonderen Gefahrenlage bei der Planung einer Querungsmöglichkeit für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen, Ältere und Kinder weg. Mit dieser erleichterten Anordnung von Fußgängerüberwegen können Verkehrsbehörden vorausschauend handeln, um die Gefahren für schwächere Verkehrsteilnehmer zu verringern. Auch das prüft beispielsweise Stuttgart.
Menschen mit Behinderungen, die neu in den Ausnahmenkatalog in Paragraf 45 Abs. 9 Nr. 6 StVO aufgenommen wurden. Besonders die Etablierung von Sonderfahrspuren und Straßen, ob nun für Fahrradfahrer, den Busverkehr oder Fahrzeuge mit alternativen Antrieben, soll erleichtert werden. Durch eine Erleichterung der Argumentation zur Rechtfertigung für einen Bau
Ein Blick in die Zukunft Mittels Prognosen zukunftsorientiert zu planen, anstatt wie bisher auf Entwicklungen zu reagieren, ist ein weiterer großer Vorteil der neuen StVO. Am deutlichsten dürfte sich dies wohl bei der Etablierung des Anwohnerparkens zeigen. Bislang war Anwohnerparken nur möglich, wenn erhebliche Belastungen durch parkende Fahrzeuge nachgewiesen wurden. Mit der neuen StVO haben Kommunen also nun viel mehr Möglichkeiten, auch auf Basis von Berechnungen eine Veränderung herbeizuführen.
Harald Born, Abteilungsleiter des Ordnungs- und Servicedienstes in Mannheim, und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfüllen Aufgaben im Rahmen des Verkehrsüberwachungsdienstes, des allgemeinen Ordnungsdienstes sowie des Gemeindesvollzugsdienstes im Sinne des KOD. In Mannheim wird dieser als Besonderer Ordnungsdienst bezeichnet. Dessen Ausstattung reiche von Schutzwesten über Schlagstöcke (Einsatzkraftausstattung = EKA) bis hin zu Elektroschockgeräten. Allerdings betont Born in Bezug auf den Mannheimer Ordnungsdienst: „Wir haben den EKA noch nie als Hiebwaffe einsetzen müssen.“
Der gelernte Kampfsportler (40 Jahre Erfahrung in Jiu Jitsu und Judo) hat seine Projektarbeit im Rahmen eines Aufstiegslehrgangs über Selbstverteidigungstechniken im Ordnungsdienst verfasst. Er betont, dass der Besondere Ordnungsdienst auch ohne die Polizei für die Abwicklung der Maßnahme bis zum Ende zuständig ist: „Am Schluss liegt er geknebelt und gefesselt auf den Gleisen.“
Auf die Haltung kommt es an Born ist überzeugt davon, dass zur Ausübung des unmittelbaren Zwangs die Beherrschung von Zugriffs- und Abwehrtechniken vonnöten ist. Dazu reiche es nicht aus, einmal ein Grundtraining zur Selbstverteidigung in der Ausbildung absolviert zu haben. Der Schlüssel liege in der regelmäßigen Übung von Techniken, um den gelegten Grundstock auszubauen. Dieses gebe den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die nötige Sicherheit, um im Außendienst überzeugend aufzutreten. Es gehe nicht nur darum, sie für den Ernstfall einer körperlichen Auseinandersetzung zu wappnen. Die erlangte Selbstsicherheit verändere die gesamte körperliche Grundhaltung und das verbale Auftreten, was in Konfliktsituationen zur Deeskalation beitrage. Unsicherheiten würden vom Gegenüber hingegen sofort bemerkt werden. In Mannheim beschränkt sich
Im Rahmen der diesjährigen Roadshows widmeten sich die Veranstalter und Gäste daher den zentralen Herausforderungen und innovativen Lösungen für mehr Verkehrssicherheit im Bereich Rotlicht und Geschwindigkeit. Die Events boten eine spannende Mischung aus Fachvorträgen, Produktpräsentationen und Networking-Möglichkeiten. Peter Schlanstein hielt dabei einen viel beachteten Vortrag zum Thema „Geschwindigkeits- und Rotlichtverstöße als Risikofaktor: aktuelle Trends, Sicherheitsziele und die rechtliche Entwicklung in Deutschland mit einem Ausblick auf Europa“. Sein Beitrag verdeutlichte, wie wichtig eine klare rechtliche Grundlage für eine erfolgreiche Verkehrssicherheitsstrategie ist.
Viel zu sehen Im Zentrum der Roadshows standen die praktischen Lösungen von VITRONIC. Zu den vorgestellten Produkten gehörten unter anderem der flexible Enforcement Trailer mit integriertem Videoalarmsystem, verschiedene mobile Messfahrzeuge sowie moderne Backoffice-Software, die eine effiziente Fallverarbeitung ermöglicht. Ein besonderes Highlight war die Ausstellung mobiler Messfahrzeuge – eines sogar als Elektroauto –in Oschersleben.
Übung macht den Meister
Selbstverteidigung für den Kommunalen Ordnungsdienst (BS/Lars Mahnke) In dem Maße, wie sich die Polizeien aus der Fläche zurückziehen, kommen dem Kommunalen Ordnungsdienst (KOD) mehr und mehr Aufgaben zu. Die Kommunen reagieren mit dem Ausbau des KODs, in dessen Zuständigkeitsbereiche mehr und mehr klassische polizeiliche Aufgaben fallen. Das bringt die Ordnungskräfte zunehmend in brenzlige Situationen. Daher gewinnt die Ausbildung in Verteidigungstechniken zur Eigensicherung zunehmend an Bedeutung.
Harald Born ermahnte die Kommunen, ihrer Fürsorgepflicht gegenüber ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Kommunalen Ordnungsdienst nachzukommen. Diese sollten zum Selbstschutz befähigt werden. Foto: BS/Mahnke
das Training dabei nicht nur auf Abwehr- und Zugriffstechniken, es umfasst auch situatives Handlungstraining und Taktikschulung. So sei es unter anderem wichtig, wo die Ordnungskraft ihre Hände habe, um eine defensive Grundhaltung einzunehmen. Born empfiehlt, die Daumen im oberen Bereich in die Schutzweste zu stecken. Bei einem Angriff könnten so die Arme zum Selbstschutz schnell vor den Kopf genommen werden. So komme es durchaus vor, dass sich Ordnungskräfte im Rahmen der Parkraumüberwachung Ohrfeigen erwehren müssten. Der Besondere Ordnungsdienst müsse hingegen bei der Durchsetzung von Maßnahmen damit rechnen, dass sich Personen körperlich zur Wehr setzten. Hier bedürfe es einer umfangreicheren Ausbildung und einer regelmä-
ßigen Auffrischung in praktischen Trainings.
Die Polizei als Freund und Helfer Als Ansprechpartner für das Training bietet sich laut Born die Polizei an, da diese ein originäres Interesse an einem gut ausgebildeten Ordnungsdienst habe, der Auseinandersetzungen selbst lösen könne und die Polizei nur in schwierigen Situationen benötige. Diese könne praxisorientierte und effektive Techniken, die schnell zu erlernen seien, vermitteln. Das habe unter anderem den positiven Nebeneffekt, dass der Ordnungsdienst einen direkten Kontakt zur Polizei aufbauen könne und die Zusammenarbeit der beiden Behörden verbessert würde. Die Trainings könnten laut Born zudem im Rahmen der Amtshilfe durchgeführt werden, was kompli-
POLISCAN Roadshows
Rotlicht- und Geschwindigkeitsüberwachung im Fokus
Wie lassen sich Verkehrsrisiken minimieren? Welche Maßnahmen können im Sinne einer Vision Zero die Verkehrssicherheit erhöhen? Und welche Rolle spielt die rechtliche Entwicklung in Deutschland? Diese zentralen Fragen standen im Mittelpunkt zweier Roadshow-Events von VITRONIC, die an den renommierten Rennstrecken von Oschersleben und dem Nürburgring stattfanden. Unterstützung erhielten sie von ihren Tochtergesellschaften VETRO und ERA sowie Peter Schlanstein, Erster Polizeihauptkommissar a. D.
Peter Schlanstein klärte das Publikum über die Wichtigkeit rechtlicher Grundlagen für die Verkehrssicherheit auf. Foto: BS/VITRONIC
Zusätzlich wurde den Gästen eine exklusive Backstage-Tour geboten, die ihnen einzigartige Einblicke in die berühmten Rennstrecken von Oschersleben und dem Nürburgring gewährte. Diese seltene Gelegenheit ermöglichte es den Teilnehmern, hinter die Kulissen zu blicken und Bereiche zu erkunden, die normalerweise der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind. Die
Tour führte zu den Boxengassen, in die Kontrolleinrichtungen sowie zu den Technikzentren der Strecken. Besonders beeindruckt waren die Gäste von der Präzision und der Logistik, die für die Sicherheit auf den Rennstrecken sorgt – eine perfekte Ergänzung zu den vorgestellten Lösungen für die Verkehrssicherheit.
zierte Ausschreibungen vermeide. Auch die Inhalte könnten besser auf die spezifischen Anforderungen des KODs ausgerichtet werden. So könne eine Kampfsportlerin oder ein Kampfsportler beispielweise das optimale Anlegen von Handschellen nicht so vermitteln wie eine Polizeibeamtin oder ein Polizeibeamter. Insgesamt werde die Zusammenarbeit von Polizei und Kommune gestärkt. Voraussetzung für eine angemessene Qualifizierung sei es allerdings, dass die Kommunen Zeit und Geld für die Ausbildung bereitstellen würden. In Mannheim erhalten an einem Nachmittag im Monat alle Ordnungskräfte die Schulung gemeinsam. Dabei muss einkalkuliert werden, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Dauer der Fortbildung nicht auf der Straße sein können. Die Ausbildung lohne aber, um eine fundierte Grundausbildung dauerhaft zu gewährleisten. Denn auch der Umgang mit verschiedenen Einsatzmitteln könne in den Trainings gelehrt werden. In Mannheim werden keine Einsatzmittel ausgegeben, ohne dass die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter das entsprechende Training bei der Polizei trainiert hat.
Möglichkeit des Kennenlernens „Es ist immer wieder eine großartige Gelegenheit, persönlich mit unseren Kunden in Kontakt zu treten und unsere Lösungen live zu präsentieren“, betont Wolfgang Lang, Vertriebsleiter POLISCAN DACH. „Die Vision Zero – also null Verkehrstote – bleibt unser gemeinsames Ziel und wir arbeiten täglich daran, dieses Ziel ein Stück
Kritischer Austausch Im Anschluss an den Vortrag von Harald Born auf dem Bundeskongress für Kommunale Ordnung entwickelte sich im Auditorium eine rege Diskussion. So gab es Kritik, dass Polizei und Ordnungsdienst verschiedene Anforderungen an die körperliche Befähigung hätten, Erstere im Zweifel Verstärkung anfordern oder von der Dienstwaffe Gebrauch machen könne. Born konterte, dass im Vorfeld fachkundig abgeklärt werden müsse, welche Taktiken der KOD genau benötige. In Mannheim sei das Training extra auf den KOD zugeschnitten worden. Es kamen aber auch Stimmen auf, wonach nur das Training von Polizeitaktiken sinnvoll sei, da das Vorgehen immer so ausgerichtet seien müsse, dass die Ordnungskraft am Ende obsiege. Mehrfach wurde auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn verwiesen, die es gebiete, dass Ordnungskräfte regelmäßige Qualifizierungen in Selbstverteidigung absolvierten. Bezüglich der Häufigkeit war man sich einig, dass vier Einheiten im Jahr das absolute Minimum seien. Es sei aber anzustreben, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein- bis zweimal im Monat unterwiesen würden. Auch auf die psychologische Belastung von Einsätzen, in denen die Ordnungskräfte mit Gewalt konfrontiert werden, wurde hingewiesen. Hier sei es wichtig, einen geschützten Raum für Rückzug und Kommunikation zu schaffen und die Möglichkeit einer sozialpsychologischen Nachbetreuung zu gewährleisten. Der Bundeskongress für Kommunale Ordnung findet im nächsten Jahr am 25.09. in Weimar statt.
ADVERTORIAL
näher zu bringen. Die Roadshows sind ein wichtiger Schritt auf diesem Weg, da sie nicht nur Wissen vermitteln, sondern auch den direkten Austausch mit den Fachleuten der Branche ermöglichen.“ Die Veranstaltung bot zudem eine wertvolle Plattform für Networking und den intensiven Austausch zwischen den Teilnehmern. Zahlreiche Gespräche drehten sich um zukünftige Entwicklungen im Bereich der Verkehrssicherheit, wobei sich die Teilnehmer einig waren, dass nur durch gemeinsames Handeln und den konsequenten Einsatz moderner Technologien die Zahl der Verkehrstoten langfristig gesenkt werden kann. VITRONIC konnte durch die Präsentation seiner Produkte und Lösungen die Expertise im Bereich der Verkehrssicherheitsüberwachung einmal mehr unter Beweis stellen. Mit diesen beiden RoadshowEvents konnte VITRONIC wichtige Impulse für mehr Verkehrssicherheit setzen. Die Gäste verließen die Veranstaltung mit neuen Eindrücken und wertvollen Anregungen, die sie in ihren eigenen Projekten umsetzen können. „Wir freuen uns bereits auf weitere Veranstaltungen 2025 und werden weiterhin alles daransetzen, unseren Beitrag zur Verbesserung der Verkehrssicherheit zu leisten,“ so Wolfgang Lang abschließend.
Digitaler Staat
Behörden Spiegel Berlin und Bonn / November 2024
Fünf MW Wärme
www.behoerdenspiegel.de
Streaming, Cloud, Künstliche Intelligenz (KI) – die fortschreitende Digitalisierung bedeutet zugleich einen stark erhöhten Stromverbrauch in den Rechenzentren, die die Technologien betreiben. Viele machen sich daher darüber Gedanken, wie Rechenzentren effizienter und nachhaltiger gestaltet werden können. Einer davon ist Professor Peter Radgen Seit einigen Jahren forscht er zu genau diesem Thema am Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energienutzung (IER) der Universität Stuttgart. Gleichzeitig ist er Vorstandsmitglied in der German Datacenter Association (GDA). Für die ökologische Nachhaltigkeit von Rechenzentren spielen ihm zufolge die Hardware und der Bau der Gebäude eine Rolle. Der wesentliche Aspekt sei jedoch der Betrieb. Das im November letzten Jahres in Kraft getretene Energieeffizienzgesetz (EnEfg) schreibt vor, dass Rechenzentren ab 2027 ihren Strom aus Erneuerbaren Energien beziehen müssen. In geringem Maße könne der Strom durch Photovoltaik-Anlagen auf dem Dach der Rechenzentren erzeugt werden, allerdings gebe es dort wenig Platz, erläutert Radgen Je nach Lage der Rechenzentren könne die Energie standortnah erzeugt werden. In der Realität fänden die Erzeugung und der Verbrauch aber häufig weit voneinander entfernt statt, teilt eco – der Verband der Internetwirtschaft e.V. mit. Weiterhin sei die Verfügbarkeit von Windkraft und Photovoltaik über die Zeit nicht konstant, weswegen die Speicherung der Energie an Bedeutung gewinnen. Und: Stand heute könne der verfügbare grüne Strom nicht den Bedarf aller Rechenzentren in Deutschland decken.Das Energieeffizienzgesetz (EnEfg) legt auch fest,
(BS/Anna Ströbele) In Zukunft sollen Rechenzentren grünen Strom beziehen und energieeffizient im Betrieb sein. Neue Rechenzentren müssen zudem ein Fünftel ihrer Abwärme abgeben. Tausende von Haushalten könnten so versorgt werden. Um diese Chance zu nutzen, fehlen noch die richtigen Strukturen.
wie hoch der PUE-Wert ausfallen darf. Dieser beschreibt das Verhältnis zwischen dem Gesamtenergieverbrauch eines Rechenzentrums und dem Energieverbrauch der IT-Ausstattung. Kurz: wie energieeffizient ein Rechenzentrum arbeitet. Neue Rechenzentren dürfen ab 2026 einen PUE-Wert bis maximal 1,2 haben. Bei bestehenden Rechenzentren darf dieser ab 2027 maximal 1,5 und ab 2030 1,3 betragen. Zum Vergleich: Um das Umweltzeichen „Blauer Engel“ zu erhalten, darf der PUE-Wert bei maximal 1,3 liegen. Die Kriterien des EnEfg sind also streng. Was es für die Nutzung der Abwärme braucht
Eine der effektivsten Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit ist die Nutzung der großen Menge an Abwärme, die beim Betrieb des Rechenzentrums entsteht, informiert Kilian Wagner, Referent für nachhaltige digitale Infrastrukturen beim Bitkom. Mit der Abwärme können Lagerhallen, Büros oder private Wohnungen beheizt werden. Bisher bleibt sie aber oft ungenutzt. Grund dafür sind eine Reihe an Herausforderungen. Erstens gibt es einen Temperaturunterschied: Die heutigen Wärmenetze arbeiten typischerweise bei 110 Grad, die Abwärmetemperatur der Rechenzentren liegt ungefähr bei 35 Grad. „Daher braucht es immer eine Wärmepumpe, um die Temperatur anzuheben. Je höher der Temperaturursprung ist, umso ineffizienter wird das und wirkt sich somit negativ auf die Kosten der Wärmebereitstellung aus“, erklärt Professor Radgen. Zweitens bekomme man die Abwärme nur im Winter weg, nicht im Sommer. Und auch dann habe man nicht den gesamten Winter die maximale Last, da unterschiedlich geheizt werde.
Drittens gibt es einen Standortkonflikt: Um die Abwärme zu nutzen, müsste man die Rechenzentren in die Ballungsräume stellen, dort, wo Wohnungen sind. Eigentlich sollen sie aber am Rande, in Industriegebieten, stehen, weil sie über die Rückkühlanlagen ein bisschen Lärm verursachen.
Riesige Mengen
Das Energieeffizienzgesetz macht auch hier klare Vorgaben: Rechenzentren, die ab dem 1. Juli 2026 den Betrieb aufnehmen, müssen zunächst zehn Prozent ihrer Abwärmemenge abgeben. Ab 2028 sind es 20 Prozent. „Wir haben Berechnungen gemacht, die zeigen, dass diese Grenzwerte nur im optimalsten Fall erreicht werden können und das auch nur bei kleineren Rechenzentren. Bei größeren Rechenzentren ist die Chance, dass das gelingen kann, relativ klein“, verdeutlicht
„Um
Den Verbänden reicht das nicht. Sie finden, es brauche verbesserte Rahmenbedingungen für mehr Abnehmer der Abwärme. Vor allem müssten die Nah- und Fernwärmenetze ausgebaut werden. Während eco eine Abnahmeverpflichtung für Wärmenetzbetreiber befürwortet, spricht sich die German Datacenter Association für eine Verpflichtung zur Schaffung der benötigten Voraussetzungen für die Abwärmenutzung aus, nicht aber für eine garantierte Abnahmeverpflichtung. „Man muss versuchen, Anreize zu setzen, dass die Wärme tatsächlich genutzt wird“, bringt es der Professor für Energieeffizienz auf den Punkt. Für die Rechenzentren dürfe die Abwärmenutzung kein großes Verlustgeschäft darstellen. Im öffentlichen Sektor stehen zwar die finanziellen Gewinne nicht im Fokus. Dafür gibt es andere Hürden. „Um Abwärme abzugeben,
Abwärme abzugeben, brauche ich erstens den Anschluss ans Fernwärmenetz und zweitens Abnehmer.“
Holger Lehmann, ITZBund
Radgen. Schließlich geht es dabei zum Teil um „riesige Mengen“ von fünf MW und mehr. Die Rechenzentren wollen ihre Abwärme abgeben –aber wer soll sie annehmen? Um genau diese Frage zu beantworten, baut das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) eine Plattform für Abwärme auf. Hier können Kommunen in Zukunft Wärmequellen einsehen, sodass Partnerschaften entstehen können.
brauche ich erstens den Anschluss ans Fernwärmenetz und zweitens Abnehmer. Das muss man auf vertragliche Füße stellen. Und das ist im öffentlichen Bereich und über föderale Ebenen hinweg nicht immer ganz einfach“, berichtet Holger Lehmann, Leiter des Projekts operative IT-Konsolidierung (ProITK) beim Informationstechnikzentrum Bund (ITZBund). Er kann trotzdem von zwei Erfolgsbeispielen berichten:
So versorge in Frankfurt eins der ITZBund-Rechenzentren mit seiner Abwärme das eigene Bürogebäude. Ein anderes Rechenzentrum in Frankfurt soll seine Abwärme an eine Kommune abgeben. In dem Fall regele das der privatwirtschaftliche Betreiber des Rechenzentrums, welches das ITZBund miete. Lehmann meint außerdem: „Wir sind dankbar für die gesetzliche Vorgabe. Sie ermöglicht klares Agieren gegenüber dem Markt.“ Auch könnten damit Haushaltsmittel angeworben werden. Gleichzeitig macht er darauf aufmerksam, dass die Bedeutung von öffentlichen Rechenzentren im Vergleich zu den privatwirtschaftlichen gering sei.
Der grüne Norden In Schleswig-Holstein befindet sich die 2023 verabschiedete GreenIT-Strategie in einer „intensiven Umsetzungsphase“, informiert die Staatskanzlei. Teil davon seien Gespräche mit der Wirtschaft, wie von deren Seite die Abwärme aus den Rechenzentren genutzt werden könne. Bei der Infrastruktur für die Landes-IT ist das schon Realität: Schleswig-Holstein betreibt einen Großteil der zentralen IT bei Dataport in einem Rechenzentrum der Firma Akquinet an zwei Standorten. Mit seiner Abwärme werden eine Turnhalle und Büroräume beheizt. Der PUE-Wert liege bei 1,23 und damit „bereits seit einigen Jahren“ unterhalb des geforderten Werts von 1,3. Zudem erfolge die Stromversorgung zu 100 Prozent durch Erneuerbare Energien.
Diese positiven Beispiele zeigen, wie Rechenzentren nachhaltiger werden und gleichzeitig die Wärmewende unterstützen können –wenn die Voraussetzungen dafür stimmen.
Die letzten Monate haben mich sehr nachdenklich gemacht: Dass wichtige Zukunftsprojekte – auch für Digitalisierung – sang- und klanglos durch Sparmaßnahmen gekappt werden, oder auch dass Verwaltungsmodernisierung nach wie vor auf die lange Bank geschoben wird, ist ein frustrierender Dauerzustand. Wir sagen uns als Team im DigitalService immer wieder, wir laufen keinen Sprint, sondern einen Ultramarathon. Es braucht Ausdauer. Aber dass die jüngsten Wahlergebnisse so wenig zu einem Umdenken führen, wie wichtig ein funktionierender Staat für Vertrauen in die Demokratie ist, das beschäftigt mich. Ich frage mich, was passieren muss, damit Politikerinnen und Politiker anerkennen: Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern existenziell für einen leistungsfähigen Staat, den die Bürgerinnen und Bürger zu Recht erwarten. Sie wollen eine einfache digitale Interaktion mit der Verwaltung. Außerdem kann die Verwaltung
Behörden Spiegel: Sie bieten keinen Studiengang an, sondern einen Zertifikatskurs. Was ist der Unterschied?
Prof. Dr. rer. pol. Tim Pidun: Wäre es ein Studiengang, würde das bedeuten, dass die Menschen, die ihn belegen wollen, Studierende sind und das ist in diesem Fall nicht so. Sie sind Gasthörerinnen und Gasthörer. Das kann man ganz unverbindlich sein. Man kann sich bis zu sechs Module aussuchen, an ihnen teilnehmen und eine Prüfung schreiben, wenn man möchte. Das alles muss man aber nicht in dem festgelegten Rhythmus machen, so wie es die Studierenden machen.
Behörden Spiegel: Wie genau funktioniert das Lernen in eigenem Tempo?
Pidun: Wenn ich ein Studierender der Verwaltungsinformatik bin, ist es wie auf der Autobahn – Ich habe eine Langstrecke in einem Bus vor mir und kann zwar zwischendurch mal kurz auf den Rastplatz, aber ich fahre im Prinzip mit der Reisegruppe durch und bestimme dabei nicht das Tempo der Reise selbst. Also übersetzt: Ich muss sechs Semester durchstudieren und habe dazu dazwischen Prüfungen zu schreiben. Als Gasthörer ist es anders. Da kann ich frei entscheiden, wie viele Module ich in einem Semester mache. Ich muss nicht zu einem gewissen Zeitpunkt eine Prüfung schreiben, um weiterzukommen, sondern ich mache es genau in meinen Rhythmus.
Behörden Spiegel: An wen richtet sich der Zertifikatskurs?
Pidun: Der Großteil der Menschen, die ihn belegen, steht mit beiden Beinen im beruflichen Leben. Deren Lebenswirklichkeit lässt es nicht zu, dass sie ein ganzes Jahr oder mehrere Jahre irgendwohin studieren gehen. Daher wählen sie den Zertifikatskurs, absolvieren zum Beispiel in einem Jahr die ersten zwei Module, und im nächsten Jahr die nächsten zwei. Manche machen mehr, das ist gar keine Frage, aber es geschieht immer in ihrem Rhythmus, damit sie mit ihrem Privat- und Berufsleben weiter klarkommen.
Gute Digitalisierung gewinnt Vertrauen zurück
mit gut gemachter Digitalisierung und Automatisierung so viel effizienter arbeiten. Dazu braucht es aber Mut und Ausdauer für die notwendigen, teils anstrengenden Veränderungen, die das erfordert.
Rückständigkeit führt zu
Unzufriedenheit
Heute vermitteln fehlende beziehungsweise schlechte digitale staatliche Angebote den Eindruck von Rückständigkeit, gar von Unfähigkeit. Das spiegelt sich zum Beispiel in einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey wider, die Ende September veröffentlicht wurde: 86 Prozent der Deutschen sind unzufrieden mit der Digitalpolitik der Bundesregierung. Nicht anders sieht es aus Sicht der Wirtschaft aus: Fehlende Digitalisierung und überbordende Bürokratie sind laut diversen Forderungen von unter anderem BDI oder Bitkom zwei wesentliche Standortnachteile in Deutschland, sie hemmen Innovationskraft und Wachstum. Die letzten Wahlergeb-
Eine Kolumne von Christina Lang
Christina Lang
ist Chief Executive Officer (CEO) des DigitalService.
Foto: BS/DigitalService
nisse dürfen daher auch als ein Ausdruck der Unzufriedenheit mit der Funktionsfähigkeit unseres Staates verstanden werden und mit den Parteien in politischer Verantwortung. Dabei beweisen einige Projekte und engagierte Menschen heute schon: In gut gemachten digitalen Angeboten der Verwaltung steckt viel Potenzial, um positive Aha-Effekte innerhalb der Bevölkerung zu erzielen und den Staat in ein anderes Licht zu stellen. Wenn der
Ein Kurs für alle
IT-Weiterbildung an der Hochschule
Gang aufs Amt überflüssig wird und aufs wesentliche reduzierte Formalia in verständlicher Sprache bequem vom Sofa erledigt werden können, dann ist das ein deutlicher Unterschied zum Status quo. Es vermittelt die Botschaft: Hier passiert etwas. Die Verwaltung hört euch, nimmt eure Bedürfnisse ernst. Die relevanten Interaktionen mit Behörden und Bürokratie im Alltag prägen das Bild der Menschen von einem handlungsfähigen, starken Staat viel mehr, als es das große politische Debattenfeld in Berlin tut.
Sind die digitalen Angebote gut gemacht, dann sind sie nicht nur ein Bekenntnis, dass die Bedürfnisse der Menschen ernst genommen werden, sondern machen uns als Verwaltung auch viel effizienter. Und das können wir mit Blick auf die anstehende Pensionierungswelle und den drohen-
den Erfahrungsverlust dringend brauchen. Daher geht heute mein Appell an die Politik: Investitionen in Staatsmodernisierung und gut gemachte Digitalisierung sollten ein echtes Gewinnerthema werden. Eines, das ganz oben auf der Agenda steht, weil es die Basis für die Effektivität jedes politischen Handelns ist. Oder andersherum gesagt: Ohne Digitalisierung und Modernisierung als wichtige politische Priorität werden wir auf vielen politischen Feldern nicht handlungsfähiger werden.
Ein Staat, der es schafft, seine Prozesse zu modernisieren, signalisiert Fortschritt und Innovationskraft. Er zeigt, dass er den Herausforderungen unserer Zeit gewachsen ist und signalisiert damit Bürgern, dass sie ihm vertrauen können. Wir alle, die sich für gut gemachte Digitalisierung der Verwaltung einsetzen, tragen heute schon aktiv dazu bei, unsere Demokratie zu stärken und zu schützen. Mir persönlich ist das jeden Tag weiter eine große Motivation.
(BS) Die Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden bietet einen Zertifikatskurs an, der Kenntnisse in Informatik und im Verwaltungshandeln vermittelt. Das Besondere: Der Kurs kann berufsbegleitend und flexibel absolviert werden. Wie das konkret abläuft und wer den Kurs belegt, erzählt Studiendekan Prof. Dr. rer. pol. Tim Pidun im Interview. Die Fragen stellte Anna Ströbele.
Entschleunigt und niedrigschwellig: Studiendekan Prof. Dr. rer. pol. Tim Pidun will, dass jeder und jede die Möglichkeit zur Weiterbildung hat.
Behörden Spiegel: Was ist die Motivation der Menschen, den Kurs zu belegen?
Pidun: Ich würde sagen, die Hälfte der Menschen, mit denen ich geredet habe, meinen: Ich bin an dem Punkt, an dem ich mit meinem Wissen aus meiner Vorbildung der Informatik und Digitalisierung nicht mehr weiterkomme. Und ich will mir aktuelles Fachwissen aneignen, ich will das richtig lernen.
Die zweite Motivation ist, im Öffentlichen Dienst eine höhere Qualifikationsebene zu erreichen, das ist ein großer Treiber. Da die HTW zwar eine staatliche Hochschule, aber keine Hochschule der öffentlichen Verwaltung ist, die es in jedem Bundesland gibt, kann ich niemandem garantieren, bestimmte Entgeltstufen zu erreichen oder sogar in ihrer Tätigkeit im Öffentlichen Dienst verbeamtet zu werden.
Aber: Wer den Kurs absolviert, erhält ein Zertifikat, welches sagt: Sie
haben wesentliche Teile eines Hochschulstudiums der Verwaltungsinformatik absolviert. Sie haben Hochschulprüfungen geschrieben und bestanden und damit ECTS [Anmerkung der Redaktion: Leistungspunkte] erworben – und das ist durchaus etwas wert. Mit dieser Qualifikation können sie auf ihren Arbeitgeber, egal in welchem Bundesland, zugehen und ihren persönlichen Wert verhandeln. Der Kurs wird in der Regel als eine den Hochschulen für den Öffentlichen Dienst adäquate Weiterbildung auf Hochschulniveau anerkannt. Das habe ich schon mit vielen Ministerien besprochen.
Behörden Spiegel: Wer nimmt an Ihrem Kurs teil?
Pidun: Im Moment sind es sehr viele Verwaltungsmitarbeitende: ich schätze, weil genau dieses berufsintegrierende Weiterbildungsangebot sehr gefragt ist, da bin ich mir ziemlich sicher. Aber ja, der
Kurs ist auch für die Verwaltung in Unternehmen anwendbar. Was diese inhaltliche Ausrichtung angeht – Verwaltung steckt nicht nur im Öffentlichen Dienst, sondern auch in der Privatwirtschaft –, da bin ich mit diesem Studiengang ein totaler Exot in Deutschland.
Behörden Spiegel: Was ist der Schwerpunkt des Kurses?
Pidun: So, wie die Wirtschaftsinformatik immer entweder eher wirtschaftsbasiert oder technikgetrieben ausgerichtet sein kann, so ist es auch mit der Verwaltungsinformatik. Wir sind definitiv eher ein Informatikstudiengang als einer der Verwaltungswissenschaft, also eher technikgetrieben, was in dem Kontext relativ selten ist. Wir verstehen Verwaltungsinformatik als Informatikstudium mit Schwerpunktwissen in der Domäne des Verwaltens.
Behörden Spiegel: Findet das Studium in Präsenz statt?
Pidun: Ja. Der Zertifikatsstudent oder die Zertifikatsstudentin macht die Veranstaltungen genau in dem Rhythmus mit wie alle anderen Studenten auch. Sie schwimmen einfach als Mitstudierende mit, ohne wirklich Student oder Studentin zu sein. Ich habe schon oft gehört, dass das erst skeptisch gesehen wird, denn heutzutage werden Weiterbildungen oft remote und en bloc am Wochenende absolviert und nicht im Fluidum einer Hochschule, aber die Teilnehmenden finden rasch Gefallen an dem tatsächlichen Besuch der Uni . Da sind viele junge Menschen, man kriegt neue Impulse und man kommt bewusst aus seiner eigenen gewohnten beruflichen Umgebung raus, das ist das Schöne daran. Behörden Spiegel: Welche Rolle spielt die Kooperation mit Partnern für die Inhalte des Kurses?
Pidun: Wir bieten Module zu sogenannten „Aktuellen Themen“ an und laden dazu unsere Praxispartner ein. Die erzählen den jungen Menschen quasi „wie es da draußen wirklich läuft“ und geben ihnen wertvolle Tipps. Das ist unglaublich lehrreich. Gleichzeitig können die Vortragenden auf offene Stellen bei ihnen hinweisen – sei es als Werkstudent, im Rahmen eines teamorientierten Praxisprojekts, im Pflicht-Praxisprojekt oder um eine Bachelorarbeit dort zu schreiben. Ungefähr die Hälfte meiner Absolventen sind so in der Wirtschaft gelandet, die andere Hälfte im Öffentlichen Dienst.
Behörden Spiegel: Abschließend, was ist Ihre persönliche Motivation, den Kurs anzubieten?
Pidun: Mir geht es darum, ein Ergänzungsangebot in der Zielgruppe der Verwaltungsdigitalisierer zu haben und zu sagen: Ihr müsst nicht in Vollzeit oder Teilzeit studieren. Ihr könnt es auch langsam angehen lassen und in eurem Rhythmus lernen. Ein großer Vorteil ist vor allem: Ihr studiert zwar in Sachsen, aber euer Wissen ist nicht auf Sachsen oder den Öffentlichen Dienst beschränkt – ihr könnt es überall gebrauchen, sei es in Ministerien, Kommunen, Körperschaften öffentlichen Rechts, in der Justiz, in Softwarefirmen, Beratungsunternehmen, Innenrevisionen, Verwaltungsstabsstellen usw.
Foto: BS/HTW Dresden/Peter Sebb
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Laut Popp haben ostdeutsche Bürgerinnen und Bürger deutlich höhere Ansprüche an den Staat. Um die Lage in den ostdeutschen Bundesländern genauer zu untersuchen, hat der deutsche Netzwerkhersteller Lancom gemeinsam mit dem Behörden Spiegel die Studie „Quo vadis – Digitalisierung der Verwaltung in den ostdeutschen Bundesländern“ veröffentlicht. Die Teilnehmenden der Befragungen setzten sich heterogen aus den östlichen Bundesländern zusammen und waren entweder in der Verwaltung oder in IT-Dienstleistungsunternehmen tätig. Über die Hälfte der Befragten arbeitete in Kommunalverwaltungen. Die Studie zeigt, dass knapp die Hälfte der Befragten Soft- und Hardware von Herstellern außerhalb der EU verwendet. Etwa 17 Prozent machten dazu keine Angaben und nur 34 Prozent nutzten Produkte aus der EU. Bei IT-Sicherheitsprodukten war eine leichte Priorisierung zu erkennen: 29 Prozent der Befragten setzen auf Security-Komponenten aus NichtEU-Ländern, während 46 Prozent europäische Produkte nutzen. Ein Viertel machte auch hier keine Angaben.
Aufholbedarf bei der digitalen
Souveränität
Weiterhin ergab die Studie, dass den befragten Ostdeutschen die digitale Souveränität besonders am Herzen liegt. Etwa die Hälfte gab an, dass die Förderung der digitalen Souveränität für sie „sehr wichtig“ sei. Popp sieht das genauso: „Die digitale Souveränität in Deutschland muss gestärkt werden, insbesondere gegenüber den großen Hyperscalern.“
Behörden Spiegel: Liebe Frau Dr. Lämmle, was macht die Abteilung Data & Innovation im IT-Referat München?
Dr. Stefanie Lämmle: Die Abteilung Data & Innovation besteht aus zwei Teams. Das ist einmal das Innovation Lab. Das kümmert sich um neue Technologien, um nutzerzentrierte und User-Experience-Projekte. Das zweite Team ist das KI-Kompetenzzentrum. Es beschäftigt sich mit KI-Projekten. Es klärt, welche Projekte mit KIBezug umgesetzt werden können und betreibt diese dann auch. Sie sind auch für Supportanfragen oder Releasewechsel zuständig.
Behörden Spiegel: Und beide Teams sind gleichberechtigt im ITReferat beheimatet?
Lämmle: Genau. Das IT-Referat München hat ca. 1.400 Mitarbeitende. Data & Innovation ist ein kleines Team mit 13 Leuten, die sich auf diese zwei Teams verteilen. Das Projekt wurde damals mit Nachwuchskräften der Stadt München gegründet, weil man zeigen wollte, dass man kostengünstig Innovationen schaffen kann. Ich habe vor drei Jahren das Team übernommen und den Fokus auf Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen gelegt. Ich habe dann aus dem Innovation Lab das KI-Kompetenzzentrum ausgegründet und jetzt sind es zwei gleichwertige Teams.
Behörden Spiegel: Wie kam es dazu, dass Sie Ihren Fokus auf KI gelegt haben?
Lämmle: Als ich das Innovation Lab übernommen habe, musste ich mir eine Ausrichtung überlegen. Es war für meine Mitarbeitenden und mich naheliegend, an etwas zu arbeiten,
Den Osten mitnehmen
Verwaltungsdigitalisierung in Ostdeutschland nötig für Erhalt der Demokratie
(BS/Paul Schubert) Eine funktionierende Demokratie erfordert eine intakte Verwaltung. Digitalisierungsprozesse sind dabei essenziell, denn schlechte staatliche Dienstleistungen führen dazu, dass sich Bürgerinnen und Bürger von der Demokratie abwenden, erklärte Thomas Popp, CIO des Freistaates Sachsen und Staatssekretär für Digitale Verwaltung und Verwaltungsmodernisierung, auf einem Parlamentarischen Abend des Behörden Spiegel.
Diskutierten über die Dringlichkeit der Verwaltungsdigitalisierung in den ostdeutschen Bundesländern: Matthias Hundt (SDC Sachsen), Dr. Volker Redder (FDP), Martina Klement (CDO Berlin), Prof. Thomas Popp (CDO Sachsen) und Robert Mallinson (CSO Lancom), v. l. n. r. Foto: BS/Schubert
Was unter dem Begriff „digitale Souveränität“ verstanden wird, variiert. Für Robert Mallison, CSO bei Lancom, bedeutet es: „Die Daten bleiben in Deutschland.“ Um sich von der Abhängigkeit zu lösen, seien größere Investitionen in deutsche IT-Anbieter erforderlich. Laut Mallison gibt es von den Herstellern positive Rückmeldungen gegenüber der Verwaltung: Sie wären bereit, die Verwaltung bei ihren Dienstleistungen zu unterstützen.
Auch die Bundespolitik teilt diese Ansicht. „Die öffentliche Hand ist der größte Auftraggeber für IT-Projekte“, erklärte der FDP-Bundestagsabgeordnete Dr. Volker Redder, Mitglied des Ausschusses für Digitales. Der Bedarf an IT-Projekten sei im ländlichen Raum besonders groß: „Die ländlichen Regionen brauchen die Digitalisierung noch mehr als die Ballungsräume, weil die Wege zu den Ämtern dort länger sind“, so der FDP-Politiker.
Laut dem Statistischen Bundesamt lassen sich ländliche Regionen vor allem dem Osten Deutschlands zuordnen. Im Westen wuchs die Bevölkerung von 1990 bis 2022 um zehn Prozent auf über 68 Millionen Menschen (vorher 62 Millionen, ohne West-Berlin). In Ostdeutschland hingegen schrumpfte die Bevölkerung um etwa 15 Prozent auf 12,6 Millionen (vorher 15 Millionen, ohne Ost-Berlin). Berlin stellt eine Ausnahme
Für Bäume, Verkehr und Leseratten
Die Abteilung Data & Innovation in München erarbeitet KI-Projekte
(BS) Die Stadt München hat im IT-Referat die Stabsstelle "Data & Innovation" eingerichtet, die sich mit neuen Technologien beschäftigt. Dort werden Anwendungsfälle für Künstliche Intelligenz unter Nutzung von Daten aus verschiedenen Registern entwickelt. Vor drei Jahren übernahm Dr. Stefanie Lämmle die Leitung der Stabsstelle. Nun berichtet sie IT-Redakteur Paul Schubert von ihren Erfahrungen.
was bisher noch keiner gemacht hat. Ich wollte auch keiner Abteilung in die Quere kommen. Und im Bereich der öffentlichen Verwaltung hatten KI und Maschinelles Lernen noch keine wirkliche Relevanz. Damals war das quasi noch im „Elfenbeinturm“ der Wissenschaft. Ich habe gedacht: Wir haben so viele Daten, z. B. das Melderegister, Hundesteuer oder Kitadaten. Damit muss man doch etwas anfangen können. Inhouse können wir auch dafür sorgen, dass wir sicher, moralisch und ethisch verantwortungsvoll mit den Daten arbeiten.
Behörden Spiegel: Welche Projekte haben Sie in den letzten drei Jahren bereits anpacken können?
Lämmle: Das erste Projekt war ein Baumzählmodell. Da haben wir die Luftbilder der Stadt München analysiert und mit einem KI-Tool die Anzahl der Bäume ermittelt. Das haben wir innerhalb einer Woche mittels eines Hackathons realisiert und etwa 1,7 Millionen Bäume erfasst. Das zeigt sehr gut, was mit Open-Source-Daten möglich ist. In einem anderen Projekt ging es um Verkehrszählungen. In der Stadt München werden diese teilweise noch durch Personen durchgeführt, die insbesondere in der Hauptverkehrszeit aktiv sind. Wir haben durch ein KI-Modell diese Zähldaten hochgerechnet und damit die Datengrundlage vervielfacht.
Dr. Stefanie Lämmle leitet die Stabsstelle "Data & Innovation" im IT-Referat der Stadt München und arbeitet gemeinsam mit Fachreferaten sowie Bürgerinnen und Bürgern an der Entwicklung von Anwendungen, die Verwaltungsprozesse effizienter gestalten sollen. Foto: BS/privat
Behörden Spiegel: Sind Sie selbst für die Anwendungsfälle zuständig oder kommen auch andere Abteilungen und Fachreferate mit einer Idee zu Ihnen?
Lämmle: Vor drei Jahren haben wir uns die Anwendungsfälle selbst überlegt. Mittlerweile haben wir viele Anfragen aus den Fachreferaten, die sich auch für das Thema interessieren und viele Ideen haben, was man machen könnte. Die Umsetzung ist dann natürlich komplexer, als es am Anfang der Idee scheint.
Behörden Spiegel: Wie sieht es im Bereich der Bürgerpartizipation aus?
dar: Die Hauptstadt wuchs im gleichen Zeitraum um sieben Prozent auf 3,7 Millionen Menschen (vorher 3,4 Millionen).
Ämter entlasten
Martina Klement, CDO und Staatssekretärin für Digitalisierung und Verwaltungsmodernisierung in Berlin, sieht ebenfalls unterschiedliche Herausforderungen zwischen Flächenländern und Stadtstaaten. In Stadtstaaten belasteten etwa Ummeldungen die Verwaltung stark. Um die Berliner Verwaltung zu entlasten, wurde Mitte Oktober der offizielle Startschuss für die elektronische Wohnsitzanmeldung gegeben. Dies soll die Ämter erheblich entlasten, da etwa ein Viertel aller Bürgeramtstermine mit Meldevorgängen zu tun habe (rund 500.000 pro Jahr), erklärte Klement
Allerdings gibt es auch einen Nachteil: Die Bezirke, die für die Wohnsitzanmeldungen zuständig sind, erhielten früher finanzielle Mittel vom Land für diese Aufgabe. Durch die elektronische Anmeldung werde sich dies ändern. Die Ämter würden dann nur noch von Bürgern besucht, die sich nicht selbst digital anmelden könnten, was längere Bearbeitungszeiten mit sich bringe, erklärte Klement
Auch in der Studie wird der Mangel an finanziellen Mitteln angeprangert. Nur zwölf Prozent der Befragten gaben an, über ausreichende Mittel für die Entwicklung und den Ausbau der Verwaltungsdigitalisierung zu verfügen. Neben dem chronischen Geldmangel wünscht sich Klement mehr Mitsprache des Bundes: „Beim Föderalismus stößt die Digitalisierung an ihre Grenzen“, resümierte die Berliner CDO.
Behörden Spiegel: Inwiefern unterscheiden sich Large Language Models von Chatbots?
Lämmle: Generell versuchen wir, möglichst alle Projekte Open Source zu entwickeln und zur Verfügung zu stellen. Wir haben jetzt ein KI-Projekt mit den städtischen Bibliotheken durchgeführt. Dabei ging es darum, Empfehlungen für Bücher zu finden, die jemand online sucht. Amazon und Netflix arbeiten schon lange mit dieser Art von „Vorschlägen“. Dieses Projekt wurde direkt mit den Mitarbeitenden der städtischen Bibliotheken durchgeführt. Der erste Prototyp wurde direkt in den Bibliotheken getestet. Der zweite wurde dann mit Besuchenden getestet. Da haben wir etwa 60 Interviews geführt, die direkt als Feedback in die Entwicklung eingeflossen sind.
Behörden Spiegel: Haben Sie auch schon neue Ideen für Projekte, die man in der Zukunft realisieren könnte?
Lämmle: Die Sprachmodelle (Large Language Models) sind superinteressant. Wir überlegen aktuell, wie wir Sprachmodelle für unsere internen Daten verwenden können. Eine Idee wäre, einen Anfrageassistenten zu entwickeln, der Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern bearbeitet. Im ersten Schritt muss er die Anfrage nicht automatisiert beantworten, aber er könnte Vorschläge erarbeiten, wie eine Antwort der zuständigen Fachabteilung aussehen könnte.
Lämmle: Grundsätzlich können natürlich auch Chatbots mit Large Language Models im Hintergrund arbeiten. In unserem zukünftig angedachten Szenario soll ein KI-Assistent jedoch unsere städtischen Mitarbeitenden dabei unterstützen, Anfragen zu beantworten, die über E-Mail oder ein Antragsformular eingehen. Es wird in diesem Fall keine direkte Kommunikation zu den Bürgerinnen und Bürgern hergestellt. Es sollen vom Sprachmodell lediglich passende Vorschläge für Antworten gemacht werden. Die Bearbeitenden müssen dann entscheiden, wie die Anfrage beantwortet wird und ob die KI-Antwort korrekt ist. Bei einem Chatbot ist kein Sachbearbeiter nötig: Der Bürger stellt die Anfrage und der Chatbot antwortet. Darauf kann dann – wenn nötig – ein weiteres Gespräch aufgebaut werden. Der Antragsassistent wäre mehr für die Fälle interessant, bei denen auf jeden Fall noch eine Person drüberschauen muss, weil die Antwort, die herausgeht, zweifelsfrei korrekt sein muss. Chatbots benutzen wir bereits bei Fragen, die „unkritisch“ beantwortet werden können.
SCHWERPUNKT
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Was können wir von der Umsetzung der SDG-VO lernen?
Die Single-Digital-Gateway-Verordnung der EU (SDG-VO) soll es Bürgerinnen und Bürgern und Unternehmen erleichtern, digitale Verwaltungsleistungen grenzüberschreitend in Anspruch zu nehmen. Die Frist für die Umsetzung ist im Dezember 2023 ausgelaufen. Jedoch ist keinem EU-Staat die vollständige fristgerechte Umsetzung gelungen. Vor welchen Herausforderungen standen die umsetzenden Akteurinnen und Akteure – und welche Erkenntnisse lassen sich für künftige Vorhaben daraus ableiten?
Mit der SDG-VO soll das Once-Only-Prinzip grenzüberschreitend implementiert werden. In Deutschland wurde die Umsetzung eng verknüpft mit anderen Großprojekten der Verwaltungsdigitalisierung, wie dem Onlinezugangsgesetz und der Registermodernisierung (RegMo), die bereits einen Großteil der Anforderungen der SDG-VO umsetzen.
Ein Ziel der SDG-VO ist es, Informationen über Verwaltungsleistungen mehrsprachig zur Verfügung zu stellen – diesen Punkt erfüllt Deutschland nun in 99 Prozent der geforderten Bereiche. In einem weiteren Schritt sollte es ermöglicht werden, Verwaltungsleistungen digital und medienbruchfrei abzuwickeln. Laut Bundesinnenministerium gibt es hierzulande derzeit für 17 der 18 umzusetzenden Verfahren digitale Lösungen, die jedoch nicht alle flächendeckend ausgerollt sind.
Problem Grenzüberschreitung
Die größte Herausforderung stellt in Deutschland die grenzüberschreitende Umsetzung dar. Das Nationale Once-Only-TechnicalSystem (NOOTS), das den innerstaatlichen Nachweisaustausch im
Zuge der RegMo ermöglichen und zukünftig mit dem europäischen EU-OOTS für den grenzüberschreitenden Austausch verbunden werden soll, befindet sich noch in der Entwicklung.
Wiederkehrende Hürden
Ein Vergleich mit anderen EULändern zeigt, dass – trotz unterschiedlicher struktureller Voraussetzungen – in vielen Staaten ähnliche organisatorische Herausforderungen bestehen. Hierzu zählen unter anderem die anspruchsvolle Interpretation der Verordnung, die Kommunikation mit den umsetzenden Instanzen, die komplexe Steuerung im Rahmen weiterer nationaler Digitalisierungsvorhaben, fehlendes Wissen über die tatsächlichen Fortschritte bei der Umsetzung sowie allgemein begrenzte Ressourcen.
Pragmatische Handlungsempfehlungen Angesichts der wiederkehrenden Hürden lassen sich einige pragmatische Handlungsempfehlungen auf organisatorischer Ebene ableiten, die insbesondere die Umsetzung künftiger Vorhaben erleichtern können.
November 2024
Wie eine Straßenbahnlinie verschiedene Stadtteile verbindet, werden digitale Verwaltungsleistungen in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten über eine zentrale Anlaufstelle vernetzt – für einen reibungslosen grenzüberschreitenden Zugang.
1. Zielgruppenorientiert unterstützen: Adressatengerechte Hilfestellungen gezielt verteilen und Unterstützungsleistungen aktiv anbieten.
Um die hohe Komplexität eines Vorhabens wie der SDG-VO zu bewältigen, sollte eine aktivierende Beratungsstruktur – insbesondere für die Länder und Kommunen –etabliert werden, die auch das iterative Einholen von Bedarfen der umsetzenden Akteure ermöglicht.
2. Offensiv kommunizieren: Mehr Relevanz durch nutzen- und dialogorientierte Kommunikation schaffen. Eine offensive Kommunikationsstrategie kann die Vorteile und positiven Sekundäreffekte hervorheben. Nicht zuletzt gilt es, Good Practices sichtbar und auffindbar zu machen.
A uf der einen Seite stehen personenbezogene Daten wie die Meldeadresse oder Steuerinformationen, die der Staat vor unerlaubtem Zugriff durch hohe Sicherheitsstandards schützen muss. Auf der anderen Seite gibt es Daten in Bund, Ländern und Kommunen, die die öffentliche Verwaltung Bürgern, Start-ups oder gemeinnützigen Organisation zugänglich machen kann und auch sollte. Dazu gehören beispielsweise Klima- und Verkehrsdaten oder die Anzahl der Schulen und Kindertagesstätten in einer Gemeinde.
3. Datenbasierte Steuerung fokussieren: Mit umfangreichem Monitoring Grundlagen für evidenzbasierte Entscheidungen schaffen. Die Umsetzung einer EU-Verordnung bringt zusätzliche Anforderungen an bestehende Digitalisierungsprojekte mit sich. Ein dauerhaftes, umfassendes und transparentes Monitoring ermöglicht eine schnellere Reaktion bei auftretenden Schwierigkeiten. Dabei müssen Länder und Kommunen systematisch einbezogen werden.
4. Wissen und Ressourcen wirkungsvoller (ver-)teilen: Internationale Kooperation priorisieren. Trotz erfolgreicher Pilotprojekte und Kooperationen bleiben Vernetzungsmöglichkeiten mit anderen EU-Staaten oft ungenutzt und es fehlt an Wissen über bestehende Lösungsansätze. Ein strategische-
Das Datenportal für Deutschland
Zugang zu den Datenschätzen des Landes mit GovData (BS/FITKO) Spätestens mit einem Artikel im The Economist 2017 war der Satz „Data is the new oil“ des Mathematikers Clive Humby in aller Munde. Produktions-, Prozess-, aber auch Kundendaten rückten in Unternehmen als wertvolle Ressource in den Mittelpunkt. Doch auch der Staat verfügt über umfangreiche Datenschätze.
Endlose Ressource Daten bietet großes Nutzungspotenzial Für Letzteres steht mit GovData –einem Produkt des IT-Planungsrats –deutschlandweit ein zentrales Metadatenportal kostenlos zur Verfügung. Unter Metadaten versteht man strukturierte Informationen, die den Inhalt von Daten beschreiben, wie z. B. das Publikationsdatum, den Datenbereitsteller oder die geografische Abgrenzung des Waldbestands einer Stadt. „Das Besondere an Daten als Ressource ist, dass sie sich nicht verbrauchen, immer wieder neu genutzt werden können und sich aus ihnen neue Erkenntnisse gewinnen lassen“, erklärt Thomas Tursics, der als Produktmanager in der FITKO (Föderale IT-Kooperation) GovData steuert. Über GovData können Interessierte auf die bereitgestellten Metadaten von Bund, Ländern und Kommunen zugreifen. Die Funktionsweise ist vergleichbar mit einer Online-Bibliotheksrecherche, in der man nach Jahr, Titel oder
Genre suchen kann und dann den Standort des Buches in der Bibliothek angezeigt bekommt. „GovData verlinkt auf die jeweiligen Inhaltsdaten zu einer Suchanfrage, stellt diese aber nicht selbst zur Verfügung“, so Tursics
Mehr als 120.000 Datensätze verfügbar
Insgesamt sind über www.govdata.de bereits mehr als 120.000 Datensätze frei zugänglich. Bei jedem Suchtreffer werden die Beschreibungen der Datensätze und die verfügbaren Dateiformate des ursprünglichen Datensatzes angezeigt. Je nach Lizenz können die gefundenen Daten in der Regel auch kommerziell genutzt werden. „Offene Daten spielen eine zent-
rale Rolle, um Innovationen zu ermöglichen, Transparenz zu fördern und politische Entscheidungen zu erleichtern“, sagt auch Luis Moßburger , Produktverantwortlicher für Open Data bei der Bayerischen Agentur für Digitales byte. „Wenn sich beispielsweise eine Datenjournalistin über Klimaveränderungen in ganz Deutschland informieren möchte, ist die Suche auf www. govdata.de der ideale Einstieg“, so Moßburger Im Vergleich zu anderen Datenportalen der Verwaltung ist GovData themenoffen und führt Daten aller föderalen Ebenen zusammen. Seit Ende 2023 sind alle Bundesländer und der Bund an GovData beteiligt. Damit können über das Portal offene Verwaltungsdaten
rer Austausch und eine Aufteilung der Umsetzungsarbeit könnten hier Abhilfe schaffen.
Auch nach Umsetzung der SDGVO wird das Vorhaben grenzüberschreitender digitaler Verwaltungsleistungen durch EU-Initiativen wie die Verordnung für ein interoperables Europa oder die EUDI-Wallet weiter vorangetrieben. Die SDG-VO ist daher Teil eines andauernden Transformationsprozesses. Umso wichtiger ist es, aus den bisherigen Erfahrungen für künftige Vorhaben zu lernen, um hilfreiche Maßnahmen frühzeitig etablieren zu können.
Mehr zu den Learnings aus der Umsetzung der Single-Digital-Gateway-Verordnung lesen Sie im ÖFITWhitepaper: www.oeffentliche-it. de/publikationen/die-single-digital-gateway-verordnung.
aus ganz Deutschland gefunden werden.
Darüber hinaus stellt GovData Daten dem offiziellen Datenportal der Europäischen Union zu Verfügung. Eine besondere Rolle spielen dabei auch sogenannte hochwertige Datensätze, die gemäß einer EU-Richtlinie von der öffentlichen Verwaltung bereitgestellt werden müssen. Dazu gehören unter anderem Daten zur Luftqualität oder Mobilität. Bereits heute sind über 1.200 dieser hochwertigen Datensätze über GovData verfügbar. „Je mehr hochwertige Daten auf GovData zur Verfügung gestellt werden, desto kreativere und wertvollere Ideen können aus ihnen entstehen – und so letztlich das Gemeinwohl fördern“, betont Tursics
Weitere Informationen zum Produkt GovData finden sich unter: www.govdata.de In der Dezember-Ausgabe des Behörden Spiegel wird das Produkt FIT-Connect vorgestellt.
Foto: BS/Gabor Koszegi, unsplash.com
Hinter der Community steht das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV). Deren primäres Ziel ist die Vernetzung von Politik, Wirtschaft, Forschung, Zivilgesellschaft und Verwaltungsebenen in Hinblick auf klimaschonende Digitalprojekte. Auf der Convention 2024, der Jahreskonferenz der Community, wurde die Bandbreite dieser Projekte deutlich. Dr. Christiane Rohleder, Staatssekretärin im BMUV, brachte den „Alles zählt“-Aspekt in ihrer Eröffnungsrede zum Ausdruck: „Jedes Gramm CO2, das wir einsparen, zählt, jeder Quadratmeter natürliches Land, das wir schützen, zählt und jedes Kilo Abfall, das vermieden wird, zählt.“
Förderprogramm GreenTech
Der Innovationswettbewerb GreenTech wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert. 21 Projekte, die zum grünen Wandel der Gesellschaft beitragen sollen, werden von der Förderinitiative unterstützt.
Der Entwicklungsstand von einigen dieser Projekte mit Best-PracticePotenzial wurde auf der Convention vorgestellt.
Das Projekt BeverGreen, dessen Name das englische Wort Beverage (Getränk) und somit einen Hinweis auf den Inhalt enthält, setzt sich für eine nachhaltigere Getränkeproduktion ein, insbesondere bei Brauereien. Das Projekt basiert auf sogenannten Ontologien, digitalen Modellen, die energierelevante Informationen erfassen. Daraus entsteht ein „digitaler grüner Zwilling”, der Erkenntnisse über Energieverbrauch und CO2-Einsparpotenziale liefert. Im Konsortium des BeverGreen-Projekts sitzen passenderweise die Augustiner- und die Bitburger-Brauerei.
Ein großer Umweltbelaster ist seit jeher die Baubranche. Sanierungsmaßnahmen veralteter Gebäude sind zwingend notwendig. Das Forschungsvorhaben NaiS (Nachhaltige intelligente Sanierungsmaßnahmen) konzentriert sich auf Wohn- und Bürogebäude, deren Grundrisse und Energieausweise es mithilfe von Lernmodellen in den Industriestandard „Industrie Foundation Classes“ (IFC) überführt. In einer digitalen Plattform mit offenen Schnittstellen können diese Daten durch weitere Informationen aus
IT für die Umwelt
Projekte aus der Community Nachhaltige Digitalisierung
(BS/cb) „Everything CO₂unts“. Die ungewöhnliche Schreibweise des Mottos der Jahreskonferenz der Community Nachhaltige Digitalisierung bringt deren Haltung auf den Punkt: Alle Maßnahmen, die zur Einsparung von Kohlendioxid (CO₂) beitragen, zählen. Alle digitalen Maßnahmen in diesem Fall. Denn die Community fördert und entwickelt Projekte an den Schnittstellen von digitalen Plattformen und Kreislaufwirtschaft.
Digitale Innovationen als Grundlage für nachhaltiges Wachstum und Klimaschutz –darum geht es in den Projekten der BMUV-Community Nachhaltige Digitalisierung.
externen Quellen angereichert werden. Abschließend soll der Sanierungsbedarf eines Gebäudes präziser bewertet werden können. Ein drittes GreenTech-Beispielprojekt trägt den etwas sperrigen Titel „Climate-neutral Circular Economy enabled by Digital Product Carbon Pass“ (CliCE-DiPP). Das Ziel des Projekts ist umso einfacher erklärt: Ein digitaler Produktpass soll komplette Wertschöpfungsketten abbilden und den Product Carbon Footprint (PCF), den CO2-Fußabdruck, transparent abbilden. Um den Transfer des Projekts in den Markt zu vereinfachen, forschen auch Partner aus der Metallindustrie und der Messgerätebranche am CliCE-DiPP.
Weniger Plastik, besseres Mehrweg Ob als auf den Weltmeeren schwimmender Müllberg, („8. Kontinent“) oder mikroskopisch klein in unserer Zahnpasta: Plastik belastet die Umwelt und damit uns Menschen auf vielen Ebenen. Im Rahmen der Convention demonstrierte das Projekt Cyclops (Circularity Optimisation for Plastics) eine gleich-
Grüne IT für NRW
Wie der zentrale IT-Dienstleister Energie spart (BS/ast) Der Landesbetrieb IT.NRW will nachhaltig werden und setzt dazu eine Reihe von Maßnahmen um. Im ehemaligen Braunkohlerevier ist ein besonders ressourcenschonendes Rechenzentrum geplant. Durch die Erhöhung der Raumtemperatur in seinen Rechnersälen wird Energie gespart.
IT.NRW setzt verstärkt auf Virtualisierung und Hardwarekonsolidierung, um die Leistungsaufnahme und den Energieverbrauch zu senken. Auch das Abschalten von Peripheriegeräten wie Monitoren oder Dockingstations bei längerer Abwesenheit soll Energie sparen. Mittelfristig plant der zentrale IT-Dienstleister für die nordrheinwestfälische Landesverwaltung die Inbetriebnahme eines neuen, ressourcenschonenden Rechenzentrums im ehemaligen Braunkohlerevier am Standort Frimmersdorf. Dank seiner „günstigen Lage“ und den vorhandenen Infrastrukturen könne dort ein Digital- und Innovationsstandort entstehen. Konkret soll ein ehemaliger zentraler Kraftwerkbau als Rechenzentrum nachgenutzt werden. Dieser erfülle die strengen Anforderungen an Kritische Infrastrukturen, insbesondere bei Natur-
gefahren wie Erdbeben, Starkregen oder Sturm.
Zur Optimierung des Energieverbrauchs in den Rechenzentren hat IT.NRW 2022 die Auswirkungen einer Temperaturerhöhung in ausgewählten Rechnersälen analysiert. „Durch die Temperaturerhöhung auf bis zu 24 Grad Celsius konnten wir circa 50 Prozent der für die Klimatisierung aufgewendeten Energie einsparen“, berichtet IT.NRW auf Anfrage. Der leichte Mehrverbrauch durch Lüfter betrug nur etwa fünf Prozent. Die höhere Temperatur führte weder zu wesentlichen Leistungsabfällen noch zu beschleunigter Alterung der Hardware. An einigen Standorten wird zudem bereits Serverabwärme zum Heizen genutzt.
Mehr zur Nachhaltigkeit von Rechenzentren lesen Sie auf Seite 21 der Zeitung (Titel Digitaler Staat).
namige Plattform. Diese richtet sich an drei Gruppen: Abfallbesitzer, die Ausgangsmaterial aus Kunststoffabfällen verkaufen, Recycler, die recycelte Kunststoffe verkau-
„Jedes Gramm CO2, das wir einsparen, zählt, jeder Quadratmeter natürliches Land, das wir schützen, zählt und jedes Kilo Abfall, das vermieden wird, zählt.“
Dr. Christiane Rohleder, Staatssekretärin im BMUV
fen, und Verarbeiter, die recycelte Kunststoffe zur Herstellung neuer Produkte nutzen. Den Gruppen stehen auf der Cyclops-Plattform unterschiedliche Tools zur Verfügung, darunter Abfallmatritzen, KI-Prognosen und sogar Design-Empfeh-
lungen für recycelte Produkte. Ein artverwandtes Thema sind Mehrweg-Verpackungssysteme. Deren neueste Entwicklungen präsentierte Prof. Dr.-Ing. Jörg Nottmeyer von der Hochschule Bielefeld. Digitale Technologien wie IoT (Internet of Things) und Big Data können laut Nottmeyer die Mehrweg-Logistik vereinfachen, Ressourcen schonen sowie Mehrweg-Verpackungen und deren Lebenszyklen noch effizienter machen.
Globalen Konsum regulieren Einen interaktiven Workshop leitete der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Dieser widmete sich den Auswirkungen, die von Online-Marktplätzen und grenzüberschreitendem Warenversand ausgehen. Verordnungen wie der Digital Services Act (DSA) und die Produktsicherheitsverordnung (GPSR) versuchen bereits, die unmittelbare Transparenz und Sicherheit für die Nutzenden von Online-Angeboten zu verbessern. Der vom vzvb besprochene „Digitale Produktpass“ (DPP) soll zudem mehr Nachhaltigkeit in den Konsum bringen: Der DPP ist ein Datensatz, der Informationen zu Haltbarkeit, Reparierbarkeit und Recycelbarkeit von Produkten beinhaltet. In der Europäischen Union soll der Digitale Produktpass ab 2027 für bestimmte Produktgruppen verpflichtend werden.
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Prozent aller Geschäftsrisiken weltweit fielen auf „Cyber Events”, leitet Albrecht Broemme, ehemaliger Präsident des Technischen Hilfswerks (THW), ein. Sprich: Cyber-Angriffe unterschiedlicher Art und Qualität. In Deutschland seien es sogar 40 Prozent. Ein Problem dabei sei, dass sich insbesondere Kleinunternehmen gar nicht um Cyber Security kümmern könnten und daher besonders anfällig seien. Broemme nennt das Beispiel einer kleinen Druckerei, die nach einem Hacker-Angriff alle Kundendaten verloren habe und infolgedessen insolvent gegangen sei. Um Worst-Case-Szenarien wie dieses zu verhindern, haben er und weitere in der Cyber-Hilfe tätige Fachleute einen neuen Verein ins Leben gerufen: das Cyber-Hilfswerk Deutschland (CHW-DE). Es gehört zum Netzwerk des Internationalen Cyber-Hilfswerks (ICHW), das seinen Sitz im schweizerischen Volketswil hat. Der deutsche Ableger fokussiert sich auf die deutschsprachige DACH-Region (Deutschland, Österreich, Schweiz).
Feuerwehr und Engel
Das CHW-DE versteht sich als „digitale Feuerwehr“, die technische und organisatorische Hilfe bei Cyber-Notfällen leisten möchte. Die Analogie ist kein Zufall, denn Broemme, der als Vorstandsvorsitzender des Cyber-Hilfswerks Deutschland agiert, war vor seiner Zeit als THW-Präsident Leiter der Berliner Feuerwehr. Mit schneller und gut organisierter Hilfe kennt er sich aus. Nun gibt er sich mit seinen Mitstreitern in die digitale Welt. Zu diesen gehören Johannes Göllner, Vorstandsvorsitzender des ICHW und des Zentrums für Risiko- und Krisenmanagement in Wien, Dominic Lachat, Präsident der Verwaltung der GDCIM-Genossenschaft für Digitalisierung, Challenge und
In Frankreich heißt die KI-Hoffnung eindeutig Mistral AI. Verschiedenste Geldgeber, wie Wagniskapitalgeber oder auch der vom KI-Boom getragene Grafikprozessorhersteller Nvidia, sollen im Sommer 2024 gerade frische 600 Millionen Euro investiert haben. Damit steigt das von Mistral eingesammelte Wagniskapital auf knapp eine Milliarde Euro und erreicht die Größenordnung der US-Marktführer. Zudem kooperiert Mistral mit einigen dieser Tech-Konzerne, so unter anderem Microsoft und Alphabets Tochter Google.
Auch technisch gelingt der Anschluss an die amerikanischen LLM-Giganten. Eine vergleichende Messgröße hierfür ist die Zahl der sogenannten Parameter, also quasi die Menge der trainierten Werte eines LLM-Modells. Das aktuelle Flaggschiff Mixtral 8x7B kann mit 46,7 Milliarden Parametern schon fast zu Modellen großer US-Konzerne wie Metas Llama mit 65 Milliarden Parametern aufschließen. Dabei verfolgt das Unternehmen eine Open-Source-Strategie, wie auch Meta mit seinem Modell. Einfach zugänglich, nicht nur allein über APIs wie ChatGPT, können Entwickler die Mistral-Modelle frei verwenden und modifizieren. Allerdings ist es noch nicht klar, wie ein Geschäftsmodell dann aussehen könnte. Möglich wäre die Vermarktung angepasster Modelle für die Wirtschaft und Verwaltung, so wie es beispielsweise Ret Hat oder Suse mit angepassten Linux-Paketen im Open-Source-Umfeld vormachen. Mit Blick auf die exorbitante eingesetzte Kapitalmenge ist dieser Weg zu Refinanzierung aber fraglich. Zudem kommt als Hindernis im Ein-
Cyber-Hilfe von Mensch zu Mensch
Das CHW-DE nimmt seine Arbeit auf
(BS/cb/sp) Große Unternehmen und Regierungseinrichtungen haben die finanziellen Mittel und die Expertise, um auf immer ausgereiftere Cyber-Attacken angemessen zu reagieren. Wie sich kleine und mittlere Unternehmen sowie Privatpersonen gegen Cyber-Angriffe schützen, lässt sich leicht zusammenfassen: oftmals wenig bis gar nicht. Abhilfe soll ein neu gegründeter Verein schaffen.
Das Cyber-Hilfswerk Deutschland sieht sich als „digitale Feuerwehr“, die technische und organisatorische Hilfe bei Cyber-Notfällen leisten soll. Foto: BS/Vorda Berge, adobe.stock.com
Innovationsmanagement, Dr. Jochen Schiller, Professor am Institute of Computer Science an der Freien Universität Berlin, sowie der Berliner Sicherheitsberater Björn Hawlitscha. Neben dem Katastrophenschutzmodell des THWs dienten für das CHW-DE auch diverse „Engel“ als Inspiration: die „Guardian Angels“ (Schutzengel), die sich der Kriminalität in US-amerikanischen Großstädten entgegenstellen, ebenso wie „Business Angels“, die junge Unternehmen mit ihrem Know-how und Netzwerk unterstützen. Dementsprechend verfolge das CHW-DE das Konzept der „Cyber Angels“, erklärt Broemme. Formal sei das Cyber-Hilfswerk ein Verein, der sich durch Mitgliedsbeiträge finanziere. Inhaltlich unterteilen sich dessen Tätigkeiten in drei Kernbereiche: erstens die Notfallhilfe vor
Ort, zweitens die Cyber Incident Response (CIR), drittens das Projekt „Cyber Kids“.
Cyber-Fachkräfte von morgen Im Rahmen der Cyber-Kids-Initiative plant das CHW altersgerechten Einführungen in die Cyber-Welt für Drei- bis Zehnjährige. Kinder und Jugendliche, die zehn Jahre oder älter sind, sollen insbesondere den Umgang mit den Sozialen Medien erlernen und sich deren Gefahren bewusst werden, um entscheiden zu können, was sie posten – und was besser nicht. Auch das kritische Hinterfragen von Inhalten, von versteckt kommerziellem bis zu politisch radikalem Content, gehöre dazu. Beispielsweise müssten junge Menschen lernen, in die Anbieterperspektive zu wechseln und sich zu fragen, warum es vermeint-
lich „kostenlose Angebote“ gebe, so Jochen Schiller. Diese seien meist nicht wirklich kostenlos, sondern Lockangebote mit mittelfristig natürlich monetären Interessen, erklärt der Professor der FU Berlin. Nicht zuletzt sei es der Wunsch des CHW, dem digitalen Fachkräftemangel in Deutschland frühzeitig entgegenzuwirken: Indem den Kleinsten der Gesellschaft Lust auf digitale Tätigkeiten gemacht werde.
Kooperation statt Kompetition Leichte Verwechslungsgefahr besteht mit dem gleichnamigen Cyber-Hilfswerk, das von der AG KRITIS ins Leben gerufen wurde, einer unabhängigen Arbeitsgruppe zur Stärkung der Versorgungssicherheit der Bevölkerung. Dieses CHW hat allerdings nicht den Zusatz „Deutschland“, wodurch sich
Schwachstellensuche per LLM
Stand der europäischen KI-Sprachmodelle
(BS/Oliver Wege) Wenn man über KI-Sprachmodelle (Large Language Models, LLM) aus Europa recherchiert, sind das französische Unternehmen Mistral und zum anderen das deutsche KI-Start-up Aleph Alpha im Munde.
Das Potenzial von KI-Sprachmodellen ist unbestritten. Inwiefern eine KI durch eine Schwachstellenanalyse nachhaltig für einen Sicherheitsfortschritt sorgen kann, ist aber noch fraglich. Foto: BS/Tech Tonic, stock.adobe.com
satz in Europa, zumindest in der Verwaltung, die EU-Vielsprachigkeit hinzu, die die Entwicklung großflächiger, staatenübergreifender KISprachmodelle – hier insbesondere dessen Training – beeinträchtigen dürfte.
Chatbot für Bürgerinformationssystem
Das Heidelberger KI-Start-up Aleph Alpha wurde zunächst durch den Chatbot Luminous bekannt, der für das Bürgerinformationssystem Lumi der Heimatstadt des Unternehmens verwendet wird. Aleph Alpha reklamierte für sich im vergangenen Jahr, dass ihr Sprachmodell es mit dem Marktführer ChatGPT von Open AI aufnehmen könne. Die Erwartungen waren natürlich hoch. Doch inzwischen ist die Euphorie verflogen. Der Gründer räumt inzwischen Fehler ein und äußerte Verständnis über die Frustration
angesichts der bislang begrenzten Fortschritte. Das Magazin „Capital“ hatte unter Berufung auf die Unternehmensbilanz für 2023 berichtet, dass Aleph Alpha statt der öffentlich verkündeten 500 Millionen Dollar nur etwas über 100 Millionen Dollar erhalten habe. Das Unternehmen hat dem zwar inzwischen widersprochen, aber auch keine anderen Zahlen genannt. Das mit LLMs auch nachvollziehbarer Nutzen generiert werden kann, zeigen kleinere Unternehmen wie die Firma SUMM AI. Mit ihrem gleichnamigen Produkt können Übersetzungen in „Leichte Sprache“ vorgenommen werden – bald eine Pflichtübung für jeden Webserver ab dem 28. Juli 2025 entsprechend dem EU-European Accessibility Act. Hinsichtlich der IT-Sicherheit gab es immer schon verschiedenste Versuche, neben der mit Sprachmodellen automatisierten Erstellung
die Organisationen unterscheiden lassen. Auf die AG KRITIS zugehen und sich mit ihr austauschen wolle man aber ohnehin, so Broemme „Kompetitive Verfahren im Digitalen sind unmöglich“, ergänzt Johannes Göllner. Man setzt auf Kooperation. Zunächst wolle der CHW-Vorstand als „Enabler“ auftreten, so Hawlitschka, und in einem nächsten Schritt an Fachleute herantreten –Fachleute wie Prof. Dr. Dennis-Kenji Kipker, einer von Deutschlands führenden Köpfen in Sachen CyberSicherheit.
AG KRITIS distanziert sich
In der AG KRITIS selbst ist man eher kritisch dem Projekt gegenüber eingestellt: „Die Namensgebung Cyber-Hilfswerk suggeriert eine Nähe zu unserem Konzept CyberHilfswerk (CHW) und zu unserem unabhängigen und renommierten Zusammenschluss, die nicht vorhanden ist. Darüber hinaus enthält die Satzung verschiedene entgeltliche Vorhaben, die wir für unvereinbar mit einem Ehrenamt halten“, heißt es von Manuel Atug, Gründer und Sprecher der AG KRITIS. Aus diesen Gründen distanziere sich die Arbeitsgemeinschaft davon, so Atug Clubgedanke wird betont Broemme betont zudem mehrfach den „Clubgedanke“ des CHW-DE. Als Beispiele nennt er den ADAC sowie Linux- und Open-Source-Software, die von Entwicklern kostenlos für die Community bereitgestellt werde. Die Hilfe im Kleinen, von Mensch zu Mensch, sei das, worauf sich das Cyber-Hilfswerk Deutschland fokussiere. Damit Bürgerinnen und Bürger sowie kleine und mittlere Unternehmen (KMU) ein Stück weit sicherer gegen CyberAttacken werden. Denn, so endet Broemme, „Cyber-Sicherheit kann man gar nicht verbessern. Nur Cyber-Resilienz.“
von Programmcode diesen auch gleich auf mögliche Schwachstellen zu analysieren. Googles „Naptime“ verwendet hier eine spezielle Architektur, um die Fähigkeit eines LLMs zur Durchführung von Schwachstellenforschung zu verbessern. Ein Schlüsselelement dieser Architektur ist die Verwendung von angepassten Tools. Damit wird es möglich, Programmcodes (hier die für Speicherkorrumpierung und Bufferoverflows besonders anfälligen C- und C++ Codes) auf Schwachstellen zu analysieren.
„Das Heidelberger
KI-Start-up Aleph Alpha wurde zunächst durch den Chatbot Luminous bekannt, der für das Bürgerinformationssystem Lumi der Heimatstadt des Unternehmens verwendet wird.“
Um den Kreis zum Stand der europäischen Sprachmodelle vom Anfang des Beitrages wieder zu schließen, sei in diesem Zusammenhang noch eine Aussage der Google-Sicherheitsforscher erwähnenswert. Sie haben versucht, Schwachstellenforschung auch mit MistralSprachmodellen durchzuführen, konnten aber die mehrstufige Agentenkonfiguration nicht zuverlässig über die auch vorhandene MistralAPI zum Laufen zu bringen – ein deutlicher Hinweis auf die noch bestehenden Defizite bzw. den Nachholbedarf gegenüber den US-amerikanischen LLMs.
Eher Fuzzing als KI-Automatismus, Im Ergebnis wurde allerdings festgestellt, dass das Vorgehen vom Resultat mehr einem gezielten Fuzzing im Rahmen eines manuellen Überprüfungsworkflows ähnelt als einem KI-Automatismus. Beim Fuzzing wird das zu testende Programm immer wieder mit Zufallsdaten beschickt. Programme sind häufig nicht auf solche beliebigen Eingangsdaten ausgelegt und können dann ungewollt abstürzen. Dadurch werden mögliche Schwachstellen in den Programmen angezeigt. Insgesamt ist also derzeit durch solcherart automatische KISchwachstellenanalyse kein Sicherheitsfortschritt durch KI erkennbar.
Ab November 2027 müssen somit Anwendungen und Produkte, die digitale Elemente enthalten, grundlegende Cyber-Sicherheitsmaßnahmen erfüllen, um in der EU vertrieben werden zu dürfen. Damit führt die EU den Grundsatz „Security by Design“ ein. Erreicht werden soll dies über das CE-Kennzeichen. Dieses europäische Kennzeichen umfasst Anforderungen an Sicherheit, Gesundheits- und Umweltschutz. Nun wird diesen Merkmalen noch ein Cyber-Sicherheitsfaktor hinzugefügt. Durch diese Maßnahme werden Hersteller, Importeure und der Handel in die Pflicht genommen. Nach der Kennzeichnung eines Produkts müssen den zuständigen nationalen Behörden auf Anfrage Unterlagen und Belege zur Verfügung gestellt werden. Neben den Cyber-Sicherheitsanforderungen für die Produkte wird auch eine Meldepflicht eingeführt. Hersteller sollen künftig ITSchwachstellen und Cyber-Vorfälle innerhalb von 24 Stunden an die Europäische Agentur für Cybersicherheit (ENISA) melden und regelmäßige Sicherheitsupdates bereitstellen. Diese Meldepflicht gilt, anders als die CE-Kennzeichnung, bereits in 21 Monaten.
Bevölkerung und Wirtschaft profitieren
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zeigt sich zufrieden mit dem Gesetz: „Mit dem Cyber Resilience Act heben wir die Cyber-Sicherheit in Europa auf ein neues Niveau. Davon werden Verbraucherinnen und Verbraucher genauso profitieren wie die Wirtschaft.“ In Zukunft könne man sich darauf verlassen, dass ein vernetztes Gerät, das Bürgerinnen und Bürger bei sich trügen oder zu Hause hätten, kein Sicher-
Cyber Resilience Act verabschiedet
Verbindliche Cyber-Sicherheitsanforderungen für vernetzte Geräte
(BS/Paul Schubert) Der Rat der EU-Innenministerinnen und -Innenminister hat am 10. Oktober den Cyber Resilience Act (CRA) beschlossen. Mit dieser Regelung möchte die Europäische Union (EU) die Cyber-Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger stärken. Der CRA setzt verbindliche Cyber-Sicherheitsanforderungen für alle vernetzten Geräte voraus. Dazu zählen z. B. Saugroboter, Smartwatches oder die meisten Apps für mobile Endgeräte und Smart-TVs. Für die Umsetzung gilt ein Übergangszeitraum von drei Jahren.
Der Cyber Resilience Act regelt ab November 2027 verbindliche Cyber-Sicherheitsanforderungen für vernetzte Geräte. Klassische Beispiele dafür sind Smartwatches oder auch Breitbandrouter.
heitsrisiko darstelle, sagte die Ministerin. Darüber hinaus wird die Supportpflicht für digitale Produkte an den individuellen Lebenszyklus gekoppelt. Die Präsidentin des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Claudia Plattner, unterstützt diesen Grundsatz: „Künftig müssen Hersteller über den gesamten Lebenszyklus ihrer Produkte und Anwendungen die Verantwortung für deren CyberSicherheit übernehmen.“
Ein Großteil der Produkte, die durch den CRA in Zukunft regu-
Foto: BS/Pixel-Shot, stock.adobe.com
liert werden sollen, wird bereits jetzt regelmäßig im Privathaushalt eingesetzt. Die Regelung trifft die Wirtschaft daher nicht unvorbereitet. Bereits 2021 hat das BSI mit dem IT-Sicherheitsgesetz 2.0 ein freiwilliges IT-Sicherheitskennzeichen eingeführt. Das IT-Sicherheitskennzeichen garantiert, ähnlich wie in Zukunft das CE-Kennzeichen, dass sich die Hersteller verpflichtet haben, die IT-Sicherheitsanforderungen des BSI einzuhalten. Das IT-Sicherheitskennzeichen wird freiwillig
vergeben und wird bereits heute für Breitbandrouter, E-Mail-Dienste, Videokonferenzsysteme, smarte Überwachungskameras sowie smarte Reinigungs- und Gartenroboter genutzt. Über einen Kurzlink oder QR-Code können sich Verbraucherinnen und Verbraucher bereits vor dem Kauf über die Sicherheitseigenschaften eines Produkts informieren. Das BSI führt eine Plausibilitätsprüfung durch
am Markt positionieren kann“. In der Wirtschaft unterstützt man den Vorstoß der EU für verbindliche Cyber-Sicherheitsanforderungen. Der Bitkom weist jedoch darauf hin, dass die Politik Unternehmen bei der Umsetzung aktiv unterstützen müsse. „Besonders bedeutend sind die Prozesse zur Entwicklung harmonisierter europäischer Normen, die die Basis für die Anforderungen des CRA bilden. Die Unternehmen müssen Klarheit darüber haben, welche Kriterien sie erfüllen müssen“, sagte Susanne Dehmel, Mitglied der Bitkom-Geschäftsleitung. Wirtschaft und Bundespolitik zufrieden
Auch in der Bundespolitik zeigt man sich zufrieden mit der europäischen Regelung. Der digitalpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Maximilian Funke-Kaiser,
„Der Cyber Resilience Act basiert auf dem Leitprinzip Security by Design, zu dem sich die Ampel bereits im Koalitionsvertrag ausdrücklich bekannt hat.“
Maximilian Funke-Kaiser, digitalpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion
und überwacht stichprobenartig, ob die gekennzeichneten Produkte die Anforderungen über die zweijährige Laufzeit erfüllen.
IT-Sicherheitskennzeichen bereitet auf CRA vor Das BSI erklärt, dass man sich mit dem IT-Sicherheitskennzeichen „bereits heute auf den Cyber Resilience Act vorbereiten und sich als Vorreiter für Cyber-Sicherheit
erhofft sich durch den CRA einen „merklichen Sicherheitsgewinn für Deutschland“. Zudem erfülle der CRA das im Koalitionsvertrag festgelegte Ziel, das Leitprinzip „Security by Design“. Ferner forderte er, die Regelung „mit einem Minimum an bürokratischer Belastung umzusetzen“. Für die Cyber-Sicherheit sollten alle staatlichen Stellen an einem Strang ziehen, resümiert der Digitalpolitiker.
Es ist deshalb kein Wunder, dass Cyber-Kriminelle zunehmend Hochschulen als besonders lohnendes Ziel ausgemacht haben. Besonders spektakuläre Fälle waren die Angriffe auf die Uni Gießen 2019 und die Technische Universität Berlin 2021. Beides waren Ransomware-Angriffe, bei denen sensible Daten gestohlen und durch die die Hochschulen teilweise monatelang lahmgelegt wurden. Doch es gibt viele weitere Fälle und Bedrohungen: Cyber-Spionage, Stehlen von Rechenzeit – Hijacken von Rechnern, um damit illegale Daten und Dienste zu hosten. Sehr oft dienen gehackte Uni-Rechner dabei als Sprungbrett für weitere Angriffe auf andere Organisationen: vom Verteilen von Schadsoftware und dem Betreiben eines Command-andControl-Servers für ein Botnetz bis hin zu gezielten fremdstaatlichen Cyber-Operationen für Spionage und Sabotage.
Die Universitäten kommen nicht voran Seit mehreren Jahren analysieren wir regelmäßig die externe Angriffsoberfläche der deutschen Universitäten, also welche Möglichkeiten Hackerinnen und Hacker haben, um von außen in ihre IT einzudringen. Das Ergebnis ist ernüchternd: Trotz aller Awareness-Kampagnen und -Investitionen zeigen unsere Studien insgesamt und aggregiert über alle Universitäten nicht etwa eine Verbesserung, sondern eine leichte Verschlechterung der CyberSicherheit gegenüber dem Vorjahr. Es muss sich also dringend etwas ändern.
Warum Universitäten besonders anfällig sind
Für die anhaltend schwierige Cyber-Sicherheitslage der Universitäten gibt es viele Gründe. Die IT der Unis ist außergewöhnlich groß und wird zu ungefähr 85 Prozent von ihnen selbst betrieben. Damit stellen sich die Unis gegen den allgemeinen Trend. Zum Vergleich: Die 100 größten Unternehmen, die wir untersucht haben, betreiben nur
Kein Fortschritt an Hochschulen
Cyber-Sicherheit von Universitäten stockt
(BS/Prof. Dr. Haya Schulmann/Prof. Dr. Michael Waidner) Hochschulen bilden den Kern des deutschen Forschungs- und Innovationssystems. Knapp 2,9 Millionen Menschen studieren, über 790.000 sind an den über 420 deutschen Hochschulen beschäftigt. In praktisch allen Forschungsbereichen spielt IT eine wichtige Rolle und all diese Menschen haben Zugriff auf die IT ihrer jeweiligen Hochschule. Zusammengenommen übersteigt das an Größe und Komplexität deutlich selbst die größten Konzerne in Deutschland.
Prof. Dr. Haya Schulmann ist Professorin für Cyber-Sicherheit am Institut für Informatik der Goethe-Universität Frankfurt am Main und Mitglied im Direktorium des „Nationalen Forschungszentrums für angewandte Cybersicherheit ATHENE“. Foto: BS/Farideh Diehl
Prof. Dr. Michael Waidner ist Professor für Sicherheit in der Informationstechnologie im Fachbereich Informatik der Technischen Universität Darmstadt, Leiter des Fraunhofer-Instituts für sichere Informationstechnologie SIT und CEO von ATHENE. Foto: BS/privat
25 Prozent ihrer IT selbst, um den Rest – IT-Management und Sicherheit inklusive – kümmern sich externe Dienstleister. Die Abneigung gegen Outsourcing erhöht aber nicht nur die Arbeitslast für das knappe IT-Personal der Universitäten, es führt auch zu zusätzlichen Sicherheitsrisiken. Wenig Outsourcing bedeutet auch viele von außen erreichbare, also offene Dienste auf den eigenen Netzen und damit viele potenzielle Angriffspunkte. Hinzu kommt, dass Hersteller wie Microsoft mittlerweile die gehosteten Versionen ihrer Software deutlich schneller aktualisieren und patchen als die selbstbetriebenen Versionen.
Die IT der Unis ist zudem außergewöhnlich heterogen. Dabei zeigt
Schwerpunkte für „Digitales Europa“
ECCC fördert Forschung für KI und Post-Quanten-Kryptografie
(BS/sp) Das „Europäische Kompetenzzentrum für Cybersicherheit“ (ECCC) hat bei einer Verwaltungsratssitzung in München die Schwerpunkte des Förderprogramms „Digitales Europa“ für den Zeitraum 2025 bis 2027 festgelegt. Insbesondere sollen Forschung und Entwicklung im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) und Post-Quanten-Kryptografie verstärkt gefördert werden.
Thomas Caspers , Mitglied des ECCC-Verwaltungsrats und Abteilungsleiter im Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), betonte, dass aus deutscher Sicht Technologien wie KI und Post-Quanten-Kryptografie für die Forschungslandschaft von besonderer Bedeutung seien und es erfreulich sei, dass diese Themen Schwerpunkte im Förderprogramm darstellten.
Hauptquartier in Bukarest
Das ECCC, das 2021 durch eine EU-Verordnung gegründet wurde, wird demnächst sein Hauptquartier in Bukarest beziehen. Beim Treffen wurden auch Regelungen zum sicheren Umgang mit sensiblen Forschungsdaten beschlossen. Zudem wurde die finanzielle Autonomie des ECCC hervorgehoben, die seine Unabhängigkeit und die Rolle der Cyber-Sicherheit in Europa unterstreicht. Das deutsche “Nationale Koordinierungszentrum für Cybersicherheit“ (NKCS) will sich künftig vor allem in Arbeitsgruppen zur Cyber-SicherheitsCommunity, bei Beschleunigungen
von Bewerbungsverfahren und der strategischen Beratung des ECCC engagieren.
Zentrale Rolle im IT-SecurityÖkosystem Luca Tagliaretti, Geschäftsführer des ECCC, hob hervor, dass die finanzielle Autonomie und die Unterzeichnung des Hauptquartiersabkommens mit den rumänischen Behörden wichtige Meilensteine für das Zentrum seien. Es verfüge nun über alle Voraussetzungen, um eine zentrale Rolle im europäischen Cyber-Sicherheits-Ökosystem zu spielen. Das deutsche NKCS, mit dem BSI als Leitstelle, organisierte die Veranstaltung gemeinsam mit dem Forschungsinstitut FI Code der Universität der Bundeswehr. Vor der Verwaltungsratssitzung am 9. Oktober trafen sich die Nationalen Koordinierungszentren (NCCs) der EU-Länder zum Austausch über Arbeit, Best Practices und Herausforderungen. Lauri Tankler vom NCC Estland wurde zum neuen Sprecher des Netzwerks gewählt, unterstützt von Daði Gunnarsson (Island) und Rossana Pollio (Luxemburg).
sich ein starkes Gefälle von den zentralen zu den dezentralen Systemen. Je tiefer in der Hierarchie ein System betrieben wird, desto mehr Probleme finden wir. Viele der Systeme auf den unteren Ebenen sind schlecht verwaltet oder scheinen komplett in Vergessenheit geraten zu sein. Content-Management-Systeme wie WordPress enthalten oft seit Jahren bekannte Schwachstellen. In keinem anderen Sektor haben wir vergleichbar viele Kommunikationsdienste gefunden, die entweder überhaupt nicht oder nur mit einem schwachen Standardpasswort geschützt waren. Selbst Komponenten, die die Cyber-Sicherheit erhöhen sollen, z. B. TLS oder E-Mail-Erweiterungen zur Verhinderung von Phishing, sind erstaunlich oft veraltet oder falsch aufgesetzt. Dieses Gefälle ist nicht verwunderlich, denn auf den unteren Ebenen gibt es kaum professionelle Systemadministratoren. Oft
übernehmen wissenschaftliche Mitarbeitende und Studierende nebenbei diese Aufgabe.
Professionalisierung dringend notwendig
Der wichtigste Schritt zu einer Verbesserung der Lage ist eine umfassende Professionalisierung des IT-Managements. Bislang konzentrieren sich die meisten Hochschulen auf ihre zentrale Verwaltung und das Hochschulrechenzentrum, aber das genügt nicht. Auch Cyber-Angriffe auf einzelne Fachbereiche und Lehrstühle können unmittelbar signifi kante Schäden verursachen und die Erfahrung zeigt, dass Angreifer sich in den meisten Organisationen recht schnell von gehackten dezentralen in zentrale Systeme weiterarbeiten können. Ein erster Ansatzpunkt zur Verbesserung der Situation ist die Verlagerung von IT-Dienstleistungen von unteren Ebenen – Projek-
ten, Professuren, Laboren, Fachbereichen – in zentrale Rechenzentren oder an externe Dienstleister, die über die notwendige Expertise verfügen. Das erfordert allerdings ein deutliches Umdenken in den Universitäten.
Das „Zero Trust“-Modell als Lösung Professionalisierung allein wird das Problem allerdings nicht lösen. Allein schon angesichts der Größe der IT der Universitäten und der Anzahl ihrer IT-Nutzenden wird es immer einzelne erfolgreiche CyberAngriffe geben. Man muss deshalb die gesamte IT so umstrukturieren, dass es Hackenden möglichst schwer gemacht wird, sich von einem IT-System zum nächsten weiterzuhangeln. Das ist der Kerngedanke von „Zero Trust“: Jedes Netz, jedes System muss für sich genommen geschützt werden. In ATHENE und dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekte AIGIS-Labs entwickeln wir entsprechende Zero-Trust-Architekturen für Forschungseinrichtungen. Netze werden strikt voneinander getrennt, alle Zugriffe zwischen Systemen werden strikt kontrolliert und erfordern starke Authentisierungen, alle Kommunikation ist verschlüsselt. Erste Implementierungen innerhalb von ATHENE zeigen vielversprechende Ergebnisse.
Weiterbildung als Erfolgsstrategie Professionelle IT-Weiterbildung für Unternehmen
– das bietet die heise academy. Als Tochter der heise group haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, Unternehmen und ihre IT-Professionals mit digitaler Weiterbildung voranzubringen, Qualifikationslücken zu schließen und internes Lernen zu fördern.
Ihre Zukunft, unser Plan
• Sofort einsetzbare Lernumgebung
• Verschiedene Lernformate –digital und vor Ort Große Auswahl an aktuellen IT-Themen
• Individuelle Lizenzen für Ihr Team
• Onboarding & persönliche Betreuung durch unser Sales Team
Sicherheit & Verteidigung
Behörden Spiegel Berlin und Bonn / November 2024
5. DEZEMBER 2024
www.polizeitage.de
www.behoerdenspiegel.de
Das Gesundheitswesen braucht einen Booster
(BS/Bennet Biskup-Klawon) Den Alltag und die mehr oder minder alltäglichen Verletzungen kann das deutsche Gesundheitswesen trotz aller Unkenrufe recht gut bewältigen. Doch angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine und vermehrten hybriden Attacken auf die Kritischen Infrastrukturen (KRITIS) in Deutschland stellt sich die Frage, wie abwehrbereit das Gesundheitswesen im Bündnisfall wäre.
Seit der Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Jahr 2022 hat sich der Begriff „Zeitenwende“ zu einem geflügelten Wort entwickelt, das in den unterschiedlichsten Bereichen und Kontexten verwendet wird. „Gilt die Zeitenwende auch für das Gesundheitswesen?“, fragt Prof. Dr. Heyo Kroemer, Vorsitzender des Expertenrats „Gesundheit und Resilienz“ und gibt gleich selbst die Antwort: „Die Frage ist, wie wir uns dem Thema nähern.“ Die Themen Gesundheitssicherheit und Resilienz im Gesundheitswesen wurden in Deutschland in der Vergangenheit eher stiefmütterlich behandelt. Der Expertenrat der Bundesregierung „Gesundheit und Resilienz“ definiert Gesundheitssicherheit als „Fähigkeiten, Ressourcen und Strukturen, welche Gesellschaften in die Lage versetzen, sich vor sicherheitsrelevanten Ereignissen mit negativen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit zu schützen bzw. deren Auswirkungen zu minimieren. Vorbereitung, Vorhaltung, klar geregelte Zuständigkeiten und trainierte Abläufe sowie eine evidenzbasierte Risikokommunikation sind Eckpfeiler einer effektiven Health Security.“
MANV machbar, CBRN-Behandlung schwerer
Neben den externen Herausforderungen wie Krieg, Klimawandel oder Terrorismus, einschließlich CBRNGefahren, hat das Gesundheitswesen auch selbst eine intrinsische Motivation, sich intensiver mit diesen Themen auseinanderzusetzen. Der demografische Wandel macht auch vor diesem Bereich nicht Halt. Bereits 2023 kritisierte der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen die mangelnde Kooperation
zwischen Sicherheitsbehörden, der Bundeswehr und dem Gesundheitswesen.
Abgesehen von der fehlenden Kooperation stellt sich auch die Frage nach den Fähigkeiten und Kapazitäten. Während man einen Massenanfall von Verletzten (MANV) im Zuge eines Unfalls oder einer Katastrophe als Teil der alltäglichen Aufgaben im Krankenhaus gut abfedern könne, sei dies bei einer Bündnis- oder Landesverteidigung weitaus schwieriger, sagt Prof.Dr. Kerstin von der Decken (CDU), Ministerin für Justiz und Gesundheit des Landes Schleswig-Holstein. „Wir müssen unser Gesundheitssystem weiterentwickeln und auf kriegerische Auseinandersetzungen einstellen“, so die Ministerin. Deshalb fordert von der Decken, dass der Bund die Länder bei der Vorbereitung unterstützt, da diese für die Kapazitätenplanung verantwortlich seien.
„Gilt die Zeitenwende auch für das Gesundheitswesen?“
Prof. Dr. Heyo Kroemer, Vorsitzender des Expertenrats „Gesundheit und Resilienz“
Dem kann Kroemer zustimmen:
„Wir sind für MANV-Lagen gut vorbereitet, aber nicht für den Verteidigungsfall. Das ist nicht einfach
nur zehnmal ein MANV“, so der Mediziner. Während ein MANV nach kurzer Zeit bewältigt sei, ziehe sich die Behandlung im Konfliktfall über Monate, wenn nicht Jahre. Neben den anderen Verletzungsmustern bereitet auch die Frage nach den Fähigkeiten bei CBRN-Lagen Sorge. Während die Bundeswehr für CRBN-Lagen gut aufgestellt sei, sehe diese bei den zivilen Strukturen schlecht aus, so Kroemer „CBRN-Fähigkeiten haben wir. Nur die Kapazitäten nicht“, sagt der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), Ralph Tiesler. Doch die zivile Seite brauche es im Verteidigungsfall. In der Gesamtverteidigung seien die militärische Verteidigung und die zivile Verteidigung zwei Seiten der gleichen Medaille. Die Resilienz für alltägliche Gefahren ist in Deutschland durchaus vorhanden, doch für den Kriegsfall fehlen die nötigen Kapazitäten. Dies ist das Ergebnis des jahrzehntelangen Abbaus der Zivilschutzkapazitäten. Man brauche jedoch nicht alles, was man zu Zeiten des Kalten Krieges gehabt habe. Man müsse die Konzepte neu denken, so Tiesler Baustellen gibt es genug. Als ein Defizit identifiziert er, dass es keinen übergeordneten Krisenstab für diesen Fall beim Bund gibt. Ebenso bestehen Bedenken, ob tatsächlich die gesamten 1,7 Millionen ehrenamtlichen Kräfte in den Hilfsorganisationen im Ernstfall zur Verfügung stünden. Tiesler geht davon aus, dass dies nicht der Fall sei und es viele Mehrfachverpflichtungen gebe, doch genaue Zahlen habe man nicht. Zudem sei das Kleeblatt-System, das während der Pandemie entwickelt wurde, um schwerkranke Patientinnen und
Patienten auf mehrere Krankenhäuser zu verteilen, im Kriegsfall wahrscheinlich nicht belastbar.
Der größte Unsicherheitsfaktor im Verteidigungsfall sei jedoch die Vorsorgebereitschaft der Bevölkerung.
„Haben wir das richtige Mindset in der Bevölkerung bei diesem Thema? Ich glaube nicht“, so Tiesler.
Eine Frage der Kapazitäten Worauf sich das Gesundheitswesen im Verteidigungsfall einstellen muss, hat das BBK berechnet. Pro Tag könne man in Deutschland als Drehscheibe für NATO-Bündnispartner mit bis zu 1.000 Patientinnen und Patienten rechnen, sagt BBK-Präsident Tiesler
„Wir müssen unser Gesundheitssystem weiterentwickeln und auf kriegerische Auseinandersetzungen einstellen.“
Prof. Dr. Kerstin von der Decken (CDU), Ministerin für Justiz und Gesundheit des Landes SchleswigHolstein
Ähnliche Zahlen nennt auch Generalstabsarzt Dr. Ralf Hoffmann, Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr. Er geht von 300 bis 1.000 krankenhauspflichtigen Patienten pro Tag aus, bei Gefech-
ten mit einem gleichwertigen oder stärkeren Gegner. Das bedeutet, dass diese die Akutbehandlung vor Ort erhalten, aber anschließend zur Nachsorge von der Front in Krankenhäuser verlegt werden müssten. Diese Anzahl an Verwundeten können die fünf derzeitigen Bundeswehrkrankenhäuser nicht alleine bewältigen. Dafür werden die Kapazitäten der zivilen Krankenhäuser benötigt.
Dies sind jedoch nur die Zahlen für den Bündnisfall, wenn also die Kampfhandlungen nicht auf deutschem Staatsgebiet stattfinden. Für den Fall der Landesverteidigung sieht die Situation anders aus: „Es gibt dazu keine Pläne“, so Hoffmann. Dass das Szenario eines Konflikts nicht nur bloße Theorie ist, davon zeigt sich Hoffmann überzeugt. „Die Bedrohung ist real.“ Es gehe darum, Verteidigungsbereitschaft zu signalisieren, nicht darum, die Kriegsflagge zu schwenken. „Wir befinden uns schon in einem Konflikt“, sagt der Inspekteur. Hybride Aktionen in Form von Cyber-Attacken oder Sabotageakte auf KRITIS geschähen immer wieder. Für die Landesverteidigung brauche es ein länderübergreifendes Forum und eine Diskussion mit Politik, Behörden sowie mit allen Verantwortlichen aus dem Gesundheitswesen – Ärzteverbänden, Apothekerinnen und Apothekern, Arzneimittelproduzenten – über die zu treffenden Maßnahmen. Es müssten Fragen geklärt werden wie: Wo soll behandelt werden? Wo kommen die Arzneimittel her? Was machen die niedergelassenen Ärzte? Was soll bevorratet werden? „Alles Fragen, auf die es derzeit keine Antworten gibt“, so der Inspekteur.
NACHRICHTENDIENSTKONFERENZ Leistungsstark
Auf der Nachrichtendienstkonferenz (ND-Konferenz) des Behörden Spiegel erklärte Theodor Höges, Referat Steuerung und Querschnittsaufgaben MAD beim Bundesministerium der Verteidigung (BMVg), dass es im Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) fortan einen weiteren Schwerpunkt gibt. Galt seit den 2000er-Jahren vor allem die Extremismusbekämpfung als zentrale Aufgabe des BAMAD, widmet sich das Amt mittlerweile seinem zweiten Fokus im gleichen Umfang. „Sabotagegefahr und Zersetzung sind neben der Extremismusbekämpfung ein neuer Schwerpunkt“, so Höges
Warum sich das BAMAD fortan verstärkt dieser Thematik zuwendet, erläuterte der Referatsleiter anschließend. Man stehe vor der Herausforderung, „unsere Soldatinnen und Soldaten sowie deren Liegenschaften“ in einem bestehenden Hybriden Krieg zu schützen. Dabei handele es sich nicht um eine Aufgabe für die Zukunft, denn bereits heute seien Spionage- und Sabotageschutz ein bedeutendes The-
Behörden Spiegel: Das PKGr ist unter Ihnen zum prominenten Mahner mit Blick auf die Eingriffsrechte und Befugnisse der Dienste geworden. Wie weit leiten Sie hieraus praktische Maßnahmen ab?
Der Druck von außen steigt
Angesichts einer neuen Bedrohungslage wechselt das BAMAD seinen Fokus
(BS/mk/jb) In den letzten beiden Dekaden stand vor allem die Aufgabe, Extremistinnen und Extremisten aus den Streitkräften zu entfernen, im Fokus des Bundesamtes für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD). Die Sicherheitslage in Deutschland hat sich in den vergangenen zwei Jahren allerdings radikal gewandelt, das BAMAD reagiert.
ma, erkläuterte Torsten Akmann, BAMAD-Vizepräsident. Eine Reihe medial beachteter Sabotagefälle, wie zum Beispiel der Großbrand in der Berliner Liegenschaft von Diehl, zeuge von dieser Gefahr, erklärte Höges. Er stellte jedoch klar, dass man sich dem Thema bereits lange, bevor es ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gelangte, gewidmet habe.
Kein Aufwuchspotenzial in schwierigen Zeiten
Darüber hinaus wagte der Referatsleiter eine Prognose, wie sich die Spionage- und Sabotagetätigkeit in den kommenden Monaten und Jahren entwickeln wird. Seiner Ansicht nach werden die Aktivitäten weiter zunehmen. Die deutsche Unterstützung für die Ukraine begründe
ein erhebliches Aufklärungsinteresse von russischer Seite. Dass die Dienste sich jetzt und perspektivisch umfassend gegen Sabotageund Spionagetätigkeiten einsetzen müssten, betrachtete Höges als politisch erkannt. Dieser Umstand bedeute allerdings nicht, dass den Nachrichtendiensten in Deutschland mehr Möglichkeiten zur Erfüllung ihrer Aufgaben zugestanden würden. Denn politische Rahmenbedingungen, die zum Teil haushälterischer Natur seien, erlaubten kein Anwachsen des Dienstes, weder hinsichtlich der Personalsituation noch in Bezug auf die rechtlichen Spielräume, in denen er agiere. Christoph de Vries (CDU), Mitglied im Parlamentarisches Kontrollgremium (PKGr), sprach deshalb von einer gegen-
läufigen Entwicklung zwischen den täglichen realen Herausforderungen und den zunehmenden gesetzlichen Einschränkungen der Dienste. Auf Dauer, so prognostiziert er, werde das nicht gut gehen. Kreativität ist gefragt Bisher jedoch, stellte Höges klar, sei man in der Lage, sich mit kreativen Lösungen zu behelfen. So versuchten die Führungskräfte, durch Binnenoptimierung Kräfte an der einen Stelle freizusetzen und dem gewachsenen Aufgabenspektrum im Bereich der gegen Sabotage- und Spionagetätigkeiten gerichteten Arbeit zuzuführen. Einen Ausweg aus diesem Dilemma könnte laut Höges eine stärkere Integration in europäische nachrichtendienstliche Strukturen bieten. Die Aufgabe der
Täglich hybride Angriffe
Nachrichtendienste befähigen, Herausforderungen zu meistern (BS) Im Nachgang zur Nachrichtendienst-Konferenz spricht Dr. Konstatin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen), Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGrs), mit Dr. Eva-Charlotte Proll darüber, mit welchen Maßnahmen und Instrumenten er die Dienste zeitgemäß für die Zukunft gerüstet sieht.
Nachrichtendienste sieht der Referatsleiter folgerichtig analog zu großen europäischen Rüstungsprojekten. Wie es den großen Systemhäusern eines einzelnen europäischen Staates nicht länger möglich sei, Panzer und Kampfjets allein zu entwickeln, so müssten auch die Nachrichtendienste auf Kooperation setzen, um größere Herausforderungen zu bewältigen. Zumindest auf nationaler Ebene versuchten die Dienste laut Höges bereits, enger zusammenzuarbeiten. Man arbeite an einer gemeinsamen IT-Plattform, die das effektive und kostengünstige gemeinsame Speichern und Verarbeiten von Daten ermöglichen soll. Auch von politischer Seite trifft die Idee einer engeren Verzahnung der deutschen Nachrichtendienste auf Zustimmung. Roderich Kiesewetter (CDU), stellvertretender Vorsitzender des PKGrs, begrüßte diese Idee. Er sieht Bedarf für ein ämterübergreifendes Lagebild, dessen Adressat das Bundeskanzleramt sei.
Die nächste Nachrichtendienst-Konferenz veranstaltet der Behörden Spiegel am 7. und 8. Oktober 2025.
Laut Dr. Konstantin von Notz ist es notwendig, dass die deutschen Nachrichtendienste materiell und personell stärker ausgestattet werden. Hierfür müsse auch finanziell stärker in die Dienste inverstiert werden. Foto: BS/von-notz.de
von Notz: Wir wollen die Nachrichtendienste befähigen, die aktuellen Herausforderungen mit effektiven und verfassungsgemäßen Befugnissen meistern zu können. Der MAD benötigt beispielsweise neue
Dr. Konstantin von Notz: Wegen der angespannten Sicherheitslage und der wachsenden Herausforderungen durch Spionage, Sabotage und Terrorismus muss die Zeitenwende endlich auch bei den Nachrichtendiensten ankommen. Das bedeutet, wir müssen unsere Nachrichtendienste fi nanziell, personell und technisch massiv stärken. Außerdem müssen wir unsere kritischen Infrastrukturen besser vor Angriffen schützen. Wir als PKGr haben daher auch seit dem von Russland im Februar 2022 begonnenen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine schon dreimal von unserem Recht nach Paragraph 10 Kontrollgremiumsgesetz (PKGrG) Gebrauch gemacht und „Öffentliche Bewertungen“ vorgenommen. Darüber hinaus bin ich froh, dass das Bundesinnenministerium nun endlich einen Gesetzesentwurf zur Umsetzung der NIS-2-Richtlinie vorgelegt hat, den wir nun im Parlament beraten werden. Es braucht allerdings dringend auch einen Kabinettsbeschluss für ein KRITIS-Dachgesetz, darauf drängen wir gegenüber dem federführenden Bundesinnenministerium schon seit langem mit Nachdruck. Behörden Spiegel: Was bedeutet das mit Blick auf die Gesetzesnovelle für die Dienste?
Thomas Wiemann, Leiter der Unterabteilung Rechts- und Grundsatzangelegenheiten im BMI (2 v. r.), forderte, die Aufgaben der Nachrichtendienste sinnvoll aufzuteilen.
Rechtsgrundlagen, um seinen Auftrag zum Schutz der ständig in Litauen stationierten Brigade erfüllen zu können. Mit einer öffentlichen Bewertung des PKGrs zu Defi ziten bei den Finanzermittlungen im Extremismusbereich Anfang des Jahres konnten wir einen Gesetzesentwurf des BMI anstoßen, der nun im Rahmen des Sicherheitspakets
„Wir müssen verstehen, dass die Nachrichtendienste unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung und unsere Demokratie verteidigen.“
umgesetzt wurde und dazu führen wird, dass die Nachrichtendienste Finanzströme von extremistischen Organisationen künftig besser aufspüren und nachverfolgen können. Wir fordern das Kabinett nahezu täglich auf, endlich die Gesetzes-
Generalmajor Dag Baehr, BND-Viezepräsident, betonte, dass die Zeitenwende gesellschaftlich gedacht werden müsse.
entwürfe zur großen Reform des Nachrichtendienstrechts zu verabschieden, damit wir die Befugnisse der Nachrichtendienste neu regeln, den aktuellen Anforderungen der Zeit gemäß anpassen und insgesamt anwenderfreundlicher gestalten können. Hierbei müssen dringend auch einige vom Bundesverfassungsgericht getätigten Vorgaben nachjustiert werden.
Behörden Spiegel: Muss in der Gesellschaft nicht ein Mindset-Wandel gefördert werden, mit Blick darauf, dass die Dienste vor allem als erste Verteidigungslinie im Vorfeld für Sicherheit in Deutschland sorgen und verfassungsgemäß auf demokratischen Füßen stehen?
von Notz: Definitiv. Wir müssen verstehen, dass die Nachrichtendienste unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung und unsere Demokratie verteidigen. In der Vergangenheit haben wir eher theoretisch oder am Rande von Spionage, Sabotage und hybriden Bedrohungen gesprochen. Das hat sich geändert, gegen unsere Demokratie laufen auf allen Ebenen täglich hybride Angriffe ausländischer Akteure im
Auftrag fremder Mächte. Dabei setzen ausländische Nachrichtendienste skrupellos alle Möglichkeiten dazu ein, Mordanschläge und Sabotageaktionen zu verüben. Wir müssen als Gesellschaft ein bisschen raus aus unserer „Komfortzone“ und insgesamt resilienter werden – dazu gehört auch die Erkenntnis, dass wir in unsicheren Zeiten leben und unsere Sicherheitsbehörden so etwas wie unsere Lebensversicherung gegen all die „Bösen Mächte“ da draußen sind und daher Unterstützung und Respekt verdienen.
Behörden Spiegel: Wie soll das vonstatten gehen und wo sehen Sie Ihre Aufgabe darin, bzw. die der Politik?
von Notz: Die Präsidenten der Nachrichtendienste haben der Bevölkerung die Gefahrenlage in der öffentlichen Anhörung des Parlamentarischen Kontrollgremiums am 14. Oktober mit außergewöhnlich deutlichen Worten geschildert. Wir als Parlamentarisches Kontrollgremium verstehen unsere Aufgabe so, dass wir die Nachrichtendienste in ihrer Tätigkeit nicht nur kritisch begleiten, sondern auch das, was wir in unseren geheimen Sitzungen erfahren, in die politischen Prozesse einbringen und in geeigneter Form nach außen tragen, um zu einem Bewusstseinswandel bei den politischen Entscheidungsträgerinnen und -trägern und der Bevölkerung beizutragen.
Dagmar Busch, Abteilungsleiterin im Bundeskanzleramt, merkte an, die Spaltung innerhalb der Gesellschaft nicht zu befördern. Stattdessen müssten die Nachrichtendienste daran arbeiten, die Resilienz der Bevölkerung zu stärken. Alle Fotos: BS/Bildschön
Mitte September machte die Staatsanwaltschaft Düsseldorf öffentlich, dass sie im Anti-Mafia Verfahren Eureka Anklage gegen eine Gruppe mutmaßlicher Drogenkuriere erhoben hat. Jahrelang arbeiteten laut Medienberichten scheinbar unbescholtene Bürgerinnen und Bürger für Drogenkartelle, hauptsächlich für solche der italienischen Mafia. Nach der in verschiedenen Ländern Europas durchgeführten Operation Eureka im vergangenen Jahr waren 130 Verdächtige festgenommen worden. Dies führte zunächst zu einer Anklage von über 100 mutmaßlichen Straftäterinnen und Straftätern in Italien, aber auch von drei Verdächtigen in Deutschland. Die Anklage gegen die Dogenkuriere in Nordrhein-Westfalen kommt nun noch hinzu.
Inzwischen gebe es keinen Kontinent mehr auf der Welt, in dem die aus Italien stammende Mafia nicht aufzufinden sei, mahnte Giuseppe Lombardo, Anti-Mafia-Staatsanwalt in Reggio Calabria, bei der AntiMafia-Konferenz der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. Die italienische Mafia dürfe längst nicht mehr als regionale, familiengeführte Organisation abgetan werden. Vielmehr sei sie inzwischen ein international agierender, professionalisierter Akteur, bestehend aus verschiedenen mafiösen Gruppierungen. An deren Spitze steht die aus Kalabrien stammende Ndrangheta. Deutschland, als „Herz Europas“, nehme in dieser internationalen Handlungsstruktur die Rolle des „Investitionslandes“ ein. Und genau hier liege die Gefahr. Durch Kapitalinfiltrierung in die legale Wirtschaft werde es schwer, legales von illegalem Geld zu unterscheiden. So folge die Mafia der Logik des Marktes. Nachdem es die italienische Gesetzgebung bereits 1982 möglich gemacht hatte, illegale Gelder zu konfiszieren, weitete die Mafia ihre Investitionen auf das Ausland, speziell auf Deutschland, aus. Schon lange kritisieren deutsche Sicherheitsbehörden, dass so eine Möglichkeit des Geldeinzugs bei Verdacht auf Geldwäsche fehle. Aktuell muss eine Straftat konkret erkennbar oder nachweisbar sein, damit Vermögen mit unbestimmter Herkunft durch die Polizei abgeschöpft werden kann.
Der Markt sorgt für Macht „Die Auswirkungen der Organisierten Kriminalität, insbesondere der wirtschaftliche Schaden, zeigen deutlich, dass dieses Problem die gesamte Bevölkerung betrifft“, betonte der Bundestagsabgeordnete Marcel Emmerich (Bündnis 90/Die Grünen) bei einer Veranstaltung von Philip Morris und dem Behörden Spiegel zu illegalem Zigarettenhandel. Das abhandengekommene Geld fehle schließlich an anderer Stelle. So könnten dadurch beispielsweise keine neuen Lehrerinnen und Lehrer eingestellt werden, es fehle an Ausstattungen in Kitas und es sei nicht ausreichend Geld für Bahnhöfe und die Infrastruktur vorhanden. Der Einfluss der Mafia in Deutschland habe somit spürbare Auswirkungen für die Bürgerinnen und Bürger. Der zentrale Weg im Kampf gegen die Mafia und gegen andere OK liege darin, den Geldhahn abzudrehen. „Wir müssen bei der Frage von Finanzermittlung vorankommen“, sagte Emmerich gegenüber dem Behörden Spiegel. Das Finanzkriminalitätsbekämpfungsgesetz (FKBG) und das Vermögens ver schleierungsbekämpfungsgesetz (VVBG) lieferten hierfür den ersten Schritt. Es sei höchste Zeit, dass diese Gesetzte nun beschlossen und somit effektive und rechtsstaatliche Be
Die Mafia und das liebe Geld
OK investiert weiter in Deutschland
(BS/Mirjam Klinger) Organisierte Kriminalität (OK) hat viele Gesichter – Clankriminalität, sogenannte Rockerbanden oder die Mafia. Laut offiziellen Zahlen des Bundesinnenministeriums (BMI) leben aktuell über 1.000 Mitglieder der italienischen Mafia in Deutschland. Über 3.000 weitere arbeiten hierzulande für sie. Das Problem ist real, wird jedoch immer noch häufig romantisiert.
Giuseppe Lombardo, Anti-Mafia-Staatsanwalt in Reggio Calabria (Links), klärte auf der Anti-Mafia-Konferenz der Bundestagsfraktion
Bündnis 90/Die Grünen darüber auf, wie sich die italienischen Strafverfolgungsbehörden an den Strukturen der Mafia orientierem, um diese erfolgreich bekämpfen zu können.
Foto: BS/ Kaminski, Grüne Bundestagsfraktion
fia festgenommen. Die Tendenz sei steigend. Jedoch steige parallel dazu auch die Anzahl der Mafia-Mitglieder innerhalb Deutschlands. Mit 1.000 direkten Mitgliedern liege die Zahl des Hellfelds schon weit oben. Es sei aber davon auszugehen, dass das Dunkelfeld noch weitaus höher liege. Aus diesem Grund gebe es gerade in der Bekämpfung der hoch professionalisierten italienischen Mafia noch deutlichen Optimierungsbedarf. Um gegen die italienische Mafia effektiv vorzugehen, müsse das BKA in den Bereichen materieller und technischer Ausstattung, im personellen Bereich, im Bereich des Rechts und auch bei organisatorischen Fragen gestärkt werden. Außerdem sprach Koths von einem „Netzwerk der Polizei“, das der weit gesponnenen Struktur der Mafia entgegengesetzt werden müsse. Hier wären beispielsweise sogenannte Schwerpunktstaatsanwaltschaften in allen Bundesländern und ein ganzheitlicher Ansatz sinnvoll. Alles Maßnahmen, die es der italienischen Strafverfolgung bereits seit Jahren ermöglichen, einen ebenbürtigen Kampf gegen die Mafia aufzunehmen.
Am 20. und 21. Mai 2025 widmet sich ein Fachforum auf dem Europäischen Polizeikongress dem Thema „Undermining of Society“.
fugnisse geschaffen würden, sodass es dann auch wirklich möglich sei, an illegales Vermögen heranzukommen. Gleichzeitig machte Emmerich jedoch deutlich, dass Deutschland im Vergleich zu Italien bei der Bekämpfung von OK noch einen weiten Weg vor sich habe.
Nach Angaben eines neuen Berichts von KMPG zu den Entwicklungen auf dem europäischen Zigarettenschwarzmarkt können die Steuerausfälle allein durch die Fälschung von Zigaretten auf 16,7 Milliarden Euro innerhalb der EU geschätzt werden. Laut des Berichts befindet sich Deutschland nach wie vor unter den Top-fünf Konsummärkten für illegale Zigaretten. Die OK passe sich agil an die Marktbedürfnisse an und fokussiere sich bei Fälschungen auf die gefragtesten Marken. Auch hier folgt die Mafia den Regeln des Markts.
Gemeinsam optimiert
Wie Emmerich sieht auch Thomas Liebel, Bundesvorsitzender der Deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft, in der Vermögensabschöpfung eines der wirksamsten Mittel gegen OK. Dass Deutschland hier noch am Anfang stehe, liege zum einen an fehlenden Befugnissen und Kompetenzen durch entsprechende Gesetze. Zum anderen würden Kriminelle inzwischen sogar Haftstrafen in Kauf nehmen. „[Die Kriminellen sind] sehr gelassen, da sie ihre Vermögen, die sie durch inkriminierende Gelder angehäuft haben, durch internationale Finanztransaktionen beiseitegeschafft haben“, erklärte Liebel. Hier müsse weltweit „dringend“ stärker zusammengearbeitet werden. Markus Koths, Abteilungsleiter Schwere und Organisierte Kriminalität beim Bundeskriminalamt (BKA) sprach im Zuge der Anti-Mafia-Konferenz von einem „ganzen Strauß an Forderungen“, den die Sicherheitsbehörden zur Bekämpfung von OK haben. „Uns ist bewusst, dass die italienische Mafia Deutschland nicht nur als Schutzraum, sondern insbesondere auch als Investitionsraum nutzt“, stellte Koths zunächst klar. Investiert werde hier in den legalen Wirtschaftskreis, insbesondere in die Gastronomiebranche. Seit den 90er-Jahren habe die deutsche Polizei insgesamt 491 Mitglieder der italienischen Ma-
Der
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¹ Bei 17-Zoll-Bereifung; bei 19-Zoll-Bereifung bis zu 563 km. Die wirkliche Reichweite hängt von vielen Faktoren ab, zum Beispiel der vorherrschenden Außentemperatur, dem Batteriezustand und Ladezustand der Batterie zum Startzeitpunkt der Ladung sowie von Batteriealter, Fahrzeugzustand und Zuladung. Die Reichweite wurde nach dem vorgeschriebenen EU-Messverfahren ermittelt. Die individuelle Fahrweise, Geschwindigkeit, Außentemperatur, Topografie und Nutzung elektrischer Verbraucher haben Einfluss auf die tatsächliche Reichweite und können diese u.U. reduzieren. ² Es können länderspezifische Einschränkungen für die Nutzung der Vehicle-to-Load-(V2L-)Funktion gelten. Die Stromversorgung der V2L-Funktion kann je nach Land aufgrund der unterschiedlichen Hausspannungen und des Zustands der elektronischen Geräte variieren.
Einig waren sich alle Beteiligten, dass es eines vollkommen neuen Blickes auf Cyber-Kriminalität im Allgemeinen und auf den Umgang mit Daten im Besonderen bedarf. Hessens Innenminister Prof. Dr. Roman Poseck lobte zum Auftakt die Innovationskraft und -bereitschaft der hessischen Polizei. Der Innovation Hub 110 komme in der Fläche sehr gut an und trage dazu bei, dass die Digitalisierung in den Polizeipräsidien als Bereicherung und Erleichterung wahrgenommen werde.
KI als Werkzeug nutzen
Der Einsatz von KI, so Dr. Poseck, fordere eine Modernisierung des rechtlichen Rahmens, denn: „Daten sind die neue DNA.“ Dabei sollten Chancen und notwendige Einschränkungen gleichermaßen beachtet und festgelegt werden. Explizit sprach er die Datenverkehrsspeicherung an, bezüglich derer der Europäische Gerichtshof nochmals festgestellt habe, dass die Speicherung von IP-Adressen grundsätzlich rechtens sei. Nun gelte es, die Möglichkeiten entsprechend zu präzisieren und zu beschränken. Das Hauptaugenmerk solle auf Prävention und der Abschaltung krimineller Systeme liegen. Das sei auch im Hinblick auf den wirtschaftlichen Schaden von drei Milliarden Euro, der jedes Jahr durch Cyber-Attacken entstehe, notwendig. Dabei sei es wichtig, gerade kleine und mittelständische Unternehmen beim Schutz vor digitalen Angriffen zu unterstützen. In Hessen stehe das Hessen Cyber Competence Center“ (H3C) dafür sowohl den Unternehmen als auch den Kommunen zur Verfügung.
Karsten Bech , stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Hessen, beobachtet eine Verdrängung traditioneller Kriminalitätsphänomene durch neue, digitale Formen. Die polizeiliche Arbeit müsse sich dementsprechend anpassen. Neben einer verbesserten Ausrüstung gehöre auch ein an der praktischen Zusammenarbeit orientiertes Netzwerk, das gegenseitige Unterstützung leiste, dazu.
Ran an die Reputation
Von Deconfliction und Franchise Crime in der digitalen Polizeiarbeit
(BS/Lars Mahnke) Eine Phishing-Mail hatte wohl schon jeder mal in seinem elektronischen Postfach. Dass diese nicht von einem Menschen verschickt wurde, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach von einem KI-gesteuerten Bot, dürfte den wenigsten bewusst sein. In Hessen beschäftigten sich Expertinnen und Experten auf dem Polizeisymposium Wiesbaden des Behörden Spiegel mit den neuesten Trends im Bereich der Cyber-Kriminalität.
Neben der technischen Anpassung dürften aber auch die Personalnotwendigkeiten in Form von Zahl und Ausbildung nicht vergessen werden. Zudem hätten sich die gesetzlichen Bestimmungen an die neuen Kriminalitätsformen anzupassen. In Hessen sei die Erfolgsgeschichte des Innovation Hubs auf die konstruktive Zusammenarbeit zwischen Ministerien und Behörden zurückzuführen.
Neues Datenverständnis gefordert Oberstaatsanwältin Jana Ringwald von der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internet- und Computerkriminalität (ZIT) ermittelt u. a. zu Kryptowährungen und Cyber-Attacken und betont, dass die Arbeit im Cyber-Raum eine vollkommen andere sei als in der klassischen Justiz. Die digitale Justiz müsse datenbasiert denken. So gebe es im Grunde keine rein ana-
logen Straftaten mehr – Täter würden allein durch die Bewegungsdaten ihres Smartphones immer auch digitale Spuren hinterlassen. Das Gebiet der Datenanalyse sei für Rechtsgelehrte allerdings absolut fachfremd. Zwar seien sie es gewohnt, sich in neue Rechtsgebiete einzuarbeiten – trotzdem sei die Beschäftigung mit Kriminalität im Daten- und Krypto-Bereich eine vollkommen neue Herausforderung. Bedingungslose Hingabe sei unabdingbar.
Auch die Strukturen seien in der digitalen Welt vollkommen andere als in der herkömmlichen Kriminalität. So müsse niemand mehr eine Bande bilden, um umfangreichen Betrug oder eine Erpressung zu begehen. Die Täter könnten sich Komplizen und Dienstleistungen stattdessen im Handumdrehen in Foren rekrutieren. Die Taten beschränkten sich auch nicht mehr
auf einzelne Opfer. Die eingesetzte Ransomware würde vielmehr auf zahlreiche verschiedene Rechner geladen. Da die Täter (inter-)national agierten, stelle dies für die föderal organisierten Sicherheitsbehörden eine Herausforderung dar. Umso wichtiger seien der enge Kontakt und der regelmäßige Austausch der einzelnen Landes- und Bundesbehörden miteinander. Dazu sei eine Änderung des Datenverständnisses vonnöten. So sei es beispielsweise lohnend, viele kleine Fälle, die von einem Täter in verschiedenen (Bundes-)Ländern begangen wurden, zu einer Anklage zusammenzutragen. Hier könnten zwei Dinge helfen: Deconfliction bezeichnet den Grundsatz, dass sich niemand mit etwas beschäftigen soll, das bereits ein anderer bearbeitet. Zentralisierung meint das Wissen darum, wer sich gerade ebenfalls mit beispielsweise derselben Bitcoin- oder E-Mail-Adresse, dem gleichen Hashwert usw. beschäftigt. Als hilfreiche Tools für solche Abgleiche nannte Ringwald Dir3ctory und Cyber Tool Box. Zu einem modernen Datenverständnis in den Polizeien gehöre aber auch, dass alle Beamten ein datenbasiertes Denken an den Tag legten. So solle die Beamtin oder der Beamte bereits bei der Fallaufnahme auf der Dienststelle mitdenken, welche digitalen Entitäten betroffen seien. Das Dunkelfeld ist groß Auch Dominik Mauer von der Nationalen Kooperationsstelle Cybercrime im Bundeskriminalamt fordert einen neuen Blick auf das Thema Daten. Er warnt davor, Cyber-Kriminelle noch als die klassischen Keller-Hacker zu betrachten. Vielmehr habe sich die
Szene professionalisiert, kriminelle Franchises seien heute aufgebaut wie moderne Firmen inklusive Call Centern, die den Opfern bei der Bezahlung der Lösegeldforderungen behilflich seien. Ein großes Problem sei, dass die Ermittlungen nach Tätern häufig ins Nichts laufen, da diese im Ausland säßen – insbesondere in sogenannten Save Havens wie Russland oder China. Daher versuche man zum einen, den kriminellen Franchises die Mittel abzugreifen – diese lösten sich erfahrungsgemäß in der Folge schnell auf. Zum anderen sei es eine erfolgreiche Strategie, die Reputation der Hacker anzugreifen. Da der Status innerhalb der kriminellen Netzwerke für diese sehr wichtig sei, versuche man den Fahndungsdruck aufzubauen und Verunsicherung hervorzurufen, indem man durch Anspielungen die digitalen Identitäten mit den realen Personen dahinter in Zusammenhang setzt. Mauer macht darauf aufmerksam, dass das Dunkelfeld an Straftaten auf 90 Prozent geschätzt wird und man nur die Spitze des Eisbergs sehe. Umso wichtiger sei es, dass CyberAngriffe von Unternehmen zur Anzeige gebracht würden. Dies gelte auch, wenn die Erwartung, dass die eingeleiteten Ermittlungen zum Erfolg führten, gering sei (nur ein Achtel der Unternehmen vertraut in einen Ermittlungserfolg). Unternehmen legten vor allem Wert auf die Wiederherstellung ihrer Systeme, die Strafverfolgung spielt für sie nur eine untergeordnete Rolle. Dabei lohnt sich die Zusammenarbeit mit der Polizei: Im Schnitt zahlen Unternehmen, die sich an die Polizei wenden, 500.000 Euro weniger. Mauer fordert daher mehr Kooperation – der Unternehmen mit der Polizei, aber auch der Sicherheitsbehörden untereinander. Die Zentralen Ansprechstellen Cybercrime der Polizeien für Wirtschaftsunternehmen (ZAC) seien dafür die richtige Adresse. Aber auch die Polizeibehörden untereinander müssten sich in puncto Teamwork verbessern und ihre Zusammenarbeit optimieren.
Auf den Spuren des Internets
Digitale Quellensuche bleibt weiterhin ein Problem
(BS/Mirjam Klinger) Der Wunsch nach technischer Weiterentwicklung innerhalb der deutschen Sicherheitskräfte ist groß. Digitale Forensik, also die Spurensuche nach Quellen, Daten und Beweisen aus dem Internet, lässt sich inzwischen aus der täglichen Polizeiarbeit nicht mehr wegdenken. Eine Anpassung des rechtlichen Rahmens, das richtige Werkzeug oder genügend ausgebildetes Personal fehlen jedoch weiterhin.
„Die Sicherheitslage in Deutschland ist angespannt“, betonte Ale-xander Poitz, Stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), bei dem diesjährigen Digitalen Polizeitag. Speziell die Kriminalität im digitalen Raum wachse stetig. „Sowohl die operative Polizeiarbeit als auch die Ermittlungsarbeit sind mehrheitlich technisch geprägt“, erklärte Poitz weiter. Aus diesem Grund sei Digitale Forensik inzwischen ein wesentlicher Bestanteil nahezu aller Ermittlungsverfahren. Jedoch werde die derzeitige Rechtslage zur Beweiserhebung und -auswertung der aktuellen Lage nicht gerecht. Die Sicherheitsarchitektur entspreche strukturell, personell und technisch nicht den Herausforderungen an eine moderne Kriminalitätsbekämpfung und -verfolgung. Sinnvoll ausgebildete Polizistinnen und Polizisten speziell in den digitalen Arbeitsbereichen – wie der Digitalen Forensik oder der Datenanalyse – stellen ein rares Gut dar. Nicht nur in der Personalgewinnung oder beim Halten des Personals werden Defizite sichtbar. Auch im
Bereich der Aus- und Fortbildung kritisiert Dirk Peglow, der Bundesvorsitzende des Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK), fehlende individuelle Möglichkeiten. „Wir haben in der polizeilichen Architektur außerhalb der Deutschen Hochschule der Polizei (DHPol) nicht die Möglichkeiten, Fachkarrieren zu befördern“, erklärte Peglow. Für Polizistinnen und Polizisten, die den Wunsch hätten, sich in IT-Bereichen fachlich zu spezialisieren, müssten Fortbildungs- und auch Aufstiegsmöglichkeiten geschaffen werden.
Hinter den Vorhang blicken Auch die neue Generation an Polizistinnen und Polizisten bringe nicht automatisch digitales Hintergrundwissen mit sich, beklagte Christoph Andörfer, erster Kriminalhauptkommissar im Kriminalfachdezernat in München. Die sogenannten Digital Natives besäßen zwar Fähigkeiten in der Verwendung von Smartphones oder anderen technischen Geräten, jedoch nehme das Verständnis für die dahinter liegende Technik immer
weiter ab. Selbst bei einfachsten OSINT (Open Source Intelligence)Recherchen müssten gerade die jungen Kolleginnen und Kollegen immer wieder nachfragen. Der Wunsch nach Einigkeit Lars Oeffner, stellvertretender Abteilungsleiter der Abteilung Cybercrime und digitale Kompetenzen im Landeskriminalamt Schleswig-Holstein kritisierte die länderweiten Unterschiede im digitalen Bereich. „Wir hängen teilweise zwanzig Jahre hinterher“, mahnte Oeffner. Aktuell preschten einige wenige Bundesländer durch gezielte Inverstitionen vor. Dies sei einerseits begrüßenswert, andererseits führe es zu weiteren unterschieden bei den Bedigungen, unter denen Ermittlungsarbeit geleistet werde. Dies setzte sich in der Politik weiter fort. „Es wäre schon ein Fortschritt, wenn es wenigstens einige Zusammenschlüsse gibt oder Einigkeit bei den Basiskompetenzen", so Oeffner. Eine bundesweite Standardisierung bei Ausbildung und IT-Nutzung bleibe höchstwahrscheinlich jedoch eine Illusion.
Hessens Innenminister Dr. Roman Poseck forderte auf dem Polizeisymposium Wiesbaden den Einsatz von KI und der Verkehrsdatenspeicherung, um den Herausforderungen im Bereich Cyber Crime effektiv begegnen zu können. Foto: BS/ Mahnke
Die
Hauptursache für diese absehbare Vollbremsung hatten zwei „Brandbriefe“ öffentlich gemacht, die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) schon im vergangenen November erreichten.
Darin warnten NRW-Innenminister Herbert Reul und der zuständige damalige BDBOS-Präsident Andreas Gegenfurtner vor geplanten Mittelkürzungen für den existierenden Tetra-Digitalfunk sowie vor der fehlenden Finanzierung für das künftige Breitband-Netz im Haushalt. Ohne zukunftsfähige Kommunikationsinfrastrukturen seien die BOS den Herausforderungen der Zukunft nicht gewachsen.
Kein Bundes-Etat für Breitband Aus nicht ganz nachvollziehbaren Gründen hatte die federführende BDBOS (Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsausgaben) schon für 2024 keine substanziellen Mittel für den Breitbandaufbau eingestellt, obwohl die entsprechende Ausschreibung publiziert war und Verhandlungen mit Telekom-Betreibern liefen, die spätestens in Phase eins der „Innovationspartnerschaft“ eine kostenpflichtige Machbarkeitsstudie umfassen sollten. Für 2025 waren nun sogar Kürzungen für den Digitalfunk vorgesehen.
Als die Bild-Zeitung im Juli 2024 von einem „satten Aufschlag“ für den Etat 2025 des Innenministeriums berichtete, glaubten Beobachter, dass die für die BDBOS vorgesehenen 205 Mio. Euro in Teilen auch für einen erneuten Anlauf beim Breitband-Thema vorgesehen seien.
Das Ziel bleibt Einheitlichkeit
Eine Anfrage bei der BDBOS belehrte eines Besseren. Die Mittel gehen ausschließlich in den Tetra-Digitalfunk: „Ausgaben für den initialen Aufbau einer BOSBreitband-Infrastruktur können aus diesen Mitteln nicht getätigt werden“, so die Behörde. Nach eingehender vergaberechtlicher Prüfung und „im Einvernehmen mit Bund und Ländern“ habe die BDBOS daher entschieden, das Vergabeverfahren aufzuheben. Die Aufhebung sei bereits zum 27. Juni 2024 erfolgt. Ungeachtet dessen hielten die BDBOS sowie Bund und Länder an dem grundsätzlichen Ziel der Breitbandstrategie für einen einheitlichen Digitalfunk BOS fest. Diese gemeinsame Absicht bekräftigte der stellvertretende BDBOSPräsident Frank Buddrus kürzlich beim PMeV-Forum Berlin: Derzeit seien „konstruktive Gespräche zwischen Bund und Ländern in vollem Gange“. Eine eigenständige Teilnehmerverwaltung sei da ein „vorrangiges Thema“. Auch über Frequenzen werde man weiterreden müssen. Das Ziel bleibt ein einheitliches BOS-Breitbandnetz. „Wir sollten unseren Traum behalten, auch wenn wir nur Schritt für Schritt vorankommen“, so der BDBOS-Vizepräsident.
Zuspruch und Skepsis in den Ländern
Tatsächlich kommt auch aus den Ländern weithin Zuspruch für eine gemeinsame Infrastruktur, wie sie in der gemeinsamen BreitbandStrategie GAN 2.0 abgestimmt wurde. Von dort kommen aber auch mahnende Stimmen, die auf zeitnahes Handeln drängen. Das noch verfügbare Zeitfenster für eine gemeinsame Lösung sei eng, warnt unter anderen Stefan Wächter, Leiter der Autorisierten
Stelle Digitalfunk in der ZPD Niedersachsen, der auf einen neuen Anlauf dringt. Getrieben vom tagtäglich steigenden Kommunikati-
Den Traum behalten
Breitband für BOS muss kommen
(BS/Dr. Barbara Held) Da sind sich alle Beteiligten in Bund und Ländern einig: Die Frage ist nur: wann? Mit der vieldiskutierten Ausschreibung einer Innovationspartnerschaft mit Mobilfunkbetreibern schien im Sommer 2023 das Vorhaben BOS-Breitbandnetz Fahrt aufzunehmen. Aber dann fehlte das Geld. Ein Jahr später ist die Ausschreibung aufgehoben. Stillstand macht sich breit.
Viele Bundesländer, wie beispielsweise Bayern, pochen auf eine gemeinsame Lösung. Eine bundesweite Breitbandinfrastruktur ist jedoch aktuell nicht in Sicht. Stattdessen setzen viele Länder für den steigenden Kommunikationsbedarf auf individuelle Lösungen.
onsbedarf der BOS würden in den Ländern individuelle Lösungen beschafft. Die Harmonisierung, die durch das Tetra-Netz entstanden sei, „geht flöten“, so Wächter. Das Sicherheitsniveau leide darunter und auch die Steuerzahler, da die Einzellösungen langfristig teurer seien. Dabei gebe es durchaus technische Lösungen, mit denen man Tetra-Sprechfunk und BreitbandDienste in einem Netz betreiben könne.
In Bayern drängt man ebenso auf eine gemeinsame Infrastruktur, zeigt sich aber „tiefenentspannt“. Georg Ringmayr, Leiter der Koordinierenden Stelle Digitalfunk im Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration, weiß sehr wohl, dass die Bayern mit der vielfältigen Konnektivität und den Funktionalitäten von „Mobile Police“ schon entscheidende Schritte in die Zukunft gemacht haben.
Der Bedarf ist da, das Geld nicht Nutzer-Vertreter wie der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende Alexander Poitz werden deutlich, wenn es um den Bedarf geht: „Wir haben ein kriminelles Milieu, das keine Ländergrenzen kennt. Wir haben es mit Datenmengen zu tun, die wir so nicht mehr bewältigen können“. Der Gewerkschaftsvertreter der Polizei fordert entsprechend „ein eigenes mobiles und hochverfügbares Breitbandnetz, um (kritische) Einsätze auch in Zukunft bewältigen zu können.“ Dazu gehören auch zusätzliche Funk-Frequenzen im umkämpften UHF-Bereich. Wie es aber konkret weitergehen soll, will oder kann derzeit niemand sagen. Eine kleine Vorschau auf die Argumentationslinien zum Thema im kommenden Wahlkampf zeigten auf dem beim PMeV-Forum Berlin die Bundestagsabgeordneten
Petra Nicolaisen (CDU) und Dunja Kreiser (SPD) – beide Mitglieder des Innenausschusses. Die CDUAbgeordnete kritisierte deutlich die nicht allein haushalterischen Versäumnisse der Ampelkoalition. Schon 2021 habe die Innenministerkonferenz sich auf den Aufbau eines Breitband-Netzes für die BOS festgelegt: „Wir müssen gewährleisten, dass dies auch umgesetzt wird.“ Unter der derzeitigen Regierung seien die Aktivitäten – auch
im Innenausschuss – „regelrecht eingeschlafen“. Die Kollegin von der SPD verwies auf den haushal-
Foto: BS/m.mphoto, stock.adobe.com
terischen Zwang zur Prioritätensetzung bei knappen Ressourcen. Andererseits bejahte auch Dunja
Kreiser grundsätzlich den Aufbau eines eigenständigen BOS-Breitbandfunks. Resilienz seit wichtig und die könne man nicht nur mit privaten Anbietern erzielen: „Wir müssen den Haushalt zukünftig so gestalten, dass wir sichere Netze für unsere Einsatzkräfte haben.“ Einig sind sich die MdB, dass „alle zahlen müssen“, auch alle Länder. Ausgerechnet der Vorsitzende des Branchenverbands PM e.V. spricht schließlich ein staatstragendes Machtwort. Eine funktionierende kritische Kommunikation, sprich ein BOS-Netz, so Bernhard Klinger, sei jenseits haushalterischer Erwägungen zu priorisieren: „Hier geht es um die Aufrechterhaltung der nationalen Sicherheit.“
Und wie geht es jetzt weiter? Unter dem Vorsitz der BDBOS haben in den vergangenen Monaten Bund und Länder die Zukunft des Digitalfunks ausführlich erörtert. Die Ergebnisse dieser Abstimmung sollten am 5. November in der Vorbereitenden Konferenz (VoKo) für den 45. BDBOS-Verwaltungsrat abschließend formuliert werden. Danach soll am 11. Dezember der BDBOS-Verwaltungsrat, in dem die zuständigen Staatssekretäre aus Bund und Ländern sitzen, die strategischen Weichen für den Aufbau einer Breitband-Infrastruktur für die deutschen BOS stellen. Frank Buddrus spricht von einer „wegweisenden Entscheidung“.
Prognosen kennen wir aus Wettervorhersagen. Dort heißt es dann, dass der Tag sonnig wird und die Regenwahrscheinlichkeit unter zehn Prozent liegt. Oft kommt es dabei anders. „Die Zukunft kann man kaum berechnen. Das Klima und das Wetter können Sie ansatzweise berechnen, weil es viele Modelle gibt. Aber auch da stoßen Sie an ihre Grenzen“, sagt Dr. Olaf Theiler, Leiter des Referats Zukunftsanalyse im Planungsamt der Bundeswehr. Er beschäftigt sich unter anderem mit der Kapazitätsentwicklung der Bundeswehr und untersucht Zeiträume, die von heute aus 15 Jahre und mehr in die Zukunft reichen. Theiler sagt, dass es bei Zukunftsanalysen nicht darum gehe, eine genaue Vorhersage zu treffen, was passieren werde, sondern darum, Handlungsräume zu schaffen. „Es geht darum, heute die richtigen Entscheidungen zu treffen, um die Zukunft zu beeinflussen“, so Theiler. Dazu arbeitet er mit jetzt zur Verfügung stehenden Daten, um mögliche Entwicklungen abzusehen. Aus den vorliegenden Daten bzw. dem jetzigen Wissen entwickelner und seine Kollegen mittels vielfältiger Instrumente wie der Szenarienentwicklung, Trendanalyse oder Delphi-Methode ein mögliches Zukunftsbild mit verschiedenen Entwicklungspfaden. Dabei arbeitet das Referat, das interdis-
M it diesem speziell umgerüsteten Fahrzeug werden angehende Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter, Rettungssanitäterinnen und Rettungssanitäter sowie Absolventinnen und Absolventen des Freiwilligen Sozialen Jahrs im Rettungsdienst künftig unter realitätsnahen Bedingungen ausgebildet.
Der SIM-RTW erlaubt es, Einsatzszenarien so zu proben, als fänden sie im realen Rettungseinsatz statt – ein großer Schritt für die praxisnahe Ausbildung im Kreis Soest.
Von der Idee zur Umsetzung
Die Idee, einen gebrauchten Rettungswagen zu einem Ausbildungsfahrzeug umzubauen, bestand bereits seit einigen Jahren. 2023 ergab sich schließlich die Gelegenheit: Ein gebrauchter Rettungswagenkoffer, der sich durch seine Bauweise und seinen Zustand besonders für den Einsatz als SIM-RTW eignete, wurde angeboten.
Zeitgleich stand im Kreis Soest ein freies RTW-Fahrgestell zur Verfügung, das mit dem Koffer kombiniert werden konnte. Zum SIM-RTW umgerüstet wurde ein Fahrzeug aus dem Baujahr 2017. Ausgestattet ist er wie ein normaler Rettungswagen. Hochmoderne Simulationstechnik ergänzt das Innenleben: So können mithilfe von Simulationspuppen oder Darstellern sowohl alle alltäglichen als auch selten vorkommende Notfallbilder geübt werden. Seitdem eröffnet der SIM-RTW völlig neue
So sieht es im Rettungswagen aus: Der neue Simulations-Rettungswagen wird nicht nur zur Aus- und Fortbildung eingesetzt, sondern macht auch von außen anschaulich, was innen geschieht.
Foto: BS/Dirk Behrens, Kreis Soest
Eine Hilfe zum Priorisieren
Zukunftsanalysen zur Kapazitätsbildung
(BS/bk) „Ich denke niemals an die Zukunft. Sie kommt früh genug.“ Dieses Zitat wird dem Physiker und Nobelpreisträger Albert Einstein zugeschrieben. Während man dem zweiten Satz seine Zwangsläufigkeit nicht absprechen kann, so ist der erste Satz für die Planerinnen und Planer in den Katastrophenschutzorganisationen und -behörden keine Option. Neben der Aufbereitung der vergangenen Lage und Bearbeitung des momentanen Einsatzes muss auch die dritte Zeitebene in Angriff genommen werden. Fallstricke bei der Analyse der Zukunft gibt es viele.
Zukunftsanalysen haben nichts mit dem Blick in die berühmte Kristallkugel gemein. Sie können aber helfen, in der Gegenwart die richtigen Entscheidungen für das Morgen zu treffen.
ziplinär besetzt ist, inhaltlich zwar weisungsgebunden, aber sonst ergebnisoffen. Künstliche Intelligenz (KI) helfe dabei nur begrenzt, da menschliches Handeln sich der KI entziehe. „Gerade in der Sicherheitspolitik wurden wir immer wieder böse überrascht, so Theiler
Die Kunst der Überzeugung „Man lernt aus jeder Krise. Man muss aber immer fragen, wie sie dokumentiert und aufgearbeitet wird“, sagt Dr. Florian Neisser, Referent im Referat Forschungskoordinierung, Abteilung Zivilschutzausstattung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK). Neisser macht sich für mehr Strategische Vorausschau im Bevölkerungsschutz stark. Es komme aber darauf an, welche Zeiträume und aus welcher Perspektive diese betrachtet würden. Deutschland sei im Bereich der Strategischen Vorausschau und Zukunftsanalyse
Zukunftsweisende Ausbildung in Soest
Realitätsnahe Ausbildung dank Simulations-Rettungswagen (BS/Birgit Kalle*) Der Kreis Soest hat seinen Fuhrpark um ein innovatives Ausbildungsfahrzeug erweitert: den Simulations-Rettungswagen (kurz: SIM-RTW). Hier können Nachwuchskräfte im Rettungsdienst künftig unter Echt-Bedingungen ausgebildet werden. Realitätsnahe Aus- und Fortbildung ist der eine Zweck. Einblicke in die lebensrettende Arbeit des Rettungsdienstes sind der andere. Von außen ist das Fahrzeug ein echter Blickfang.
Der Simulations-Rettungswagen, kurz SIM-RTW, ist ausgestattet wie ein richtiger Rettungswagen und wird zu Aus- und Fortbildungszwecken im Rettungsdienst des Kreises Soest eingesetzt. Außerdem ist er ein echter Blickfang. Foto: BS/Dirk Behrens, Kreis Soest
Möglichkeiten für die Ausbildung im Rettungsdienst. Während bislang ein Reserve-RTW für Übungen genutzt wurde, der stets erst mit Simulationsgeräten bestückt werden musste, steht der neue SIMRTW jederzeit und unabhängig vom Standort bereit. Das Training kann nun ortsunabhängig, etwa in unwegsamem Gelände oder an Gewässern, durchgeführt werden. Besonders anspruchsvolle Szenarien, wie die Rettung aus schwierigen Umgebungen, lassen sich so realistisch nachstellen. „Durch die Ausstattung mit moderner Simulationstechnik können die Auszubildenden realitätsnah die verschiedensten Szenarien in einem geschützten Umfeld üben“, erklärt Ricarda Oberreuter , Dezernentin für Gesundheit, Verbraucherschutz und Gefahrenabwehr im Kreis Soest. Dies diene nicht nur der Überprüfung des eigenen Lern-
und Wissenstands, sondern auch dazu, herauszufinden, ob vorhandene Standards und Abläufe wei-
terhin sinnvoll und effizient seien. Es gelte außerdem: Was schon mal geübt wurde, gibt im Einsatzfall Sicherheit und Routine. „Gerade bei komplexeren Krankheits- oder Verletzungsbildern ist dies von großer Bedeutung“, weiß Oberreuter „Alle Handgriffe müssen sitzen, um unter Zeitdruck die richtigen Entscheidungen für die oftmals schwerkranken oder -verletzten Menschen treffen zu können.“
Üben in Realumgebung
Einen weiteren Vorteil nennt Sarah Kammann aus dem Team der Verwaltung des Rettungsdienstes: „Anders als in einem großen Schulungsraum ermöglicht der SIM-RTW Aus- und Fortbildung in Kleinstgruppen in einem geschützten Umfeld. Die ständige Beobachtung durch mehrere an der Übung nicht direkt beteiligte Personen wird damit reduziert.“ Im Kleinstgruppen-Setting gebe es zudem ein präzises und individuelles Feedback für die Auszubildenden durch die Praxisanleiterinnen und -anleiter.
ein Nachzügler, aber langsam beginnt ein Prozess der Institutionalisierung. Man könne von anderen Ländern in diesem Bereich und vom Militär lernen, so Neisser
Auch Ingo Kollosche, Leiter des Forschungsfelds Zukunftsforschung & Transformation am Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT), unterstreicht, dass man noch so gute Analysen erstellen könne – es bleibe eine Kunst, die Menschen zu sensibleren. Es sei aber häufig eine Kapazitätsfrage bei den Kolleginngen und Kollegen und eine ordentliche Portion Überzeugungsarbeit der Analystinnen und Analysten. Dabei zeigt sich Kollosche überzeugt, dass die Gegenwart nicht krisenhafter sei als früher, z. B. in den Hochzeiten des Kalten Krieges. Es geht bei der Präsentation der Ergebnisse nicht darum, Panik zu verbreiten. Kollosche plädiert für mehr Gelassenheit bei dem Thema. Zwar funktioniere z. B. Ansprache der Bevölkerung für Krisenszenarien heutzutage anders als zuzeiten des Kalten Krieges. Dennoch zeigt er sich überzeugt, dass man mit verschiedenen Kommunikationskanälen und -maßnahmen die Bevölkerung vorbereiten kann.
„Bei Foresight geht es nicht um Panik. Es geht darum, dass Probleme benannt werden und dass man Dinge tut, um sich vorzubereiten“, so auch Theiler
Das Äußere des SIM-RTWs ist dabei ebenso eindrucksvoll wie sein Inneres. Die auffällige Folierung, entworfen vom Team des Rettungsdienstes, gewährt bereits von außen Einblicke in das Innenleben eines Rettungswagens. So können Interessierte auf einen Blick erkennen, wie der Wagen ausgestattet ist und welche Prozesse bei einer Rettungssituation ablaufen. „Wir wollen zeigen, was im Inneren geschieht und so auch die Arbeit im Rettungsdienst für die Öffentlichkeit erlebbar machen“, erklärt Kammann Der SIM-RTW wird nicht nur für die Ausbildung der Rettungskräfte genutzt, sondern auch bei Messen und Veranstaltungen präsentiert. „Leben Retten Lernen“ – dieser Leitspruch des Kreises Soest wird durch das neue Ausbildungsfahrzeug eindrucksvoll verkörpert.
*Birgit Kalle ist Pressesprecherin des Kreises Soest.
SCHWERPUNKT
Foto: BS/Artgalax, stock.adobe.com
Das deutsche Blue Team mit der Nummer zehn hat sein Equipment in einer großen Messehalle auf dem Gelände eines nie in Betrieb gegangenen Kernkraftwerks in Kalkar am Niederrhein aufgebaut. Sie sind eines von insgesamt 18 Verteidigungsteams aus mehr als 3.500 militärischen und zivilen ITFachleuten aus 32 NATO-Mitgliedsstaaten, die – auf der ganzen Welt verteilt – an Locked Shields 2024 im April teilnahmen. Sie ist die größte und fortschrittlichste multinationale Übung im Bereich Cyber-Sicherheit und der gesamtstaatlichen Sicherheitsvorsorge, was sich in den ressortübergreifenden und multinationalen Teams widerspiegelt. Diese nehmen überwiegend dezentralisiert von ihren Heimatstandorten aus teil oder werden in den teilnehmenden Nationen an zentralen Orten zusammengezogen.
Ein fiktives, aber realistisches
Szenario
Neben dem Aufbau und Betrieb der technischen Anteile werden während Locked Shields hauptsächlich nationale und internationale Verfahren und Abläufe zur Bekämpfung von Cyber-Angriffen geübt und verbessert. Grundlage für die Übung ist ein Szenario, in dem es um Spannungen zwischen den fiktiven Inselstaaten Berylia und Crimsonia im Nordatlantik geht. Aufgabe der Blue Teams bei der Übung, dem auch die deutschen Teilnehmenden angehören: Sie sollen Netze und Systeme der Kritischen Infrastruktur (KRITIS) Berylias vor Cyber-Angriffen des gegnerischen Teams Red schützen, das aus der estnischen Hauptstadt Tallinn heraus operiert. Nach einer kurzen Warm-up-Phase, in der das Blue Team sich mit dem System vertraut machen konnte, beginnt im zweiten Schritt die heiße Phase. In dieser muss das Team zum Beispiel Schwachstellen
Üben über
Grenzen hinweg
Gemeinsam den Cyber- und Informationsraum schützen
(BS/Martina Pump*) Die Verteidigung im Cyber- und Informationsraum gehört zum Aufgabenspektrum der Bundeswehr.
Seit 2010 wird dies jährlich bei der NATO-Übung „Locked Shields“ trainiert. Das B esondere an der Übung: Die Soldatinnen und Soldaten werden mit „Live Fire“ konfrontiert. Das bedeutet, dass die Teilnehmenden in Echtzeit Cyber-Angriffe erkennen und abwehren müssen. Denn: Der Cyber- und Informationsraum kennt keine Landesgrenzen. Auch deswegen ist eine multinationale Zusammenarbeit bei der Cyber-Verteidigung essenziell.
Ressortübergreifende Zusammenarbeit ist nicht erst dann wichtig, wenn ein Cyberangriff stattgefunden hat. Foto: BS/Bundeswehr/Stefan Uj
Rund 150 wirken im deutschen Blue Team bei der Cybersicherheitsübung Locked Shields 2024 mit. Die Übung findet seit 2010 statt. Foto: BS/Bundeswehr/Stefan Uj
Bunt gemischt: IT-Expertinnen und -Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und verschiedenen Bundesbehörden arbeiten Seite an Seite. Foto: BS/Bundeswehr/Stefan Uj
finden und diese korrigieren – erst von Hand und im zweiten Schritt automatisiert über Skripte oder Programme. Der Fokus liegt dabei insbesondere auf dem Schutz der Energieversorgung, der Telekommunikation und Krankenhäuser, aber auch der IT-Netze des Militärs auf Berylia. Dazu kommt noch der Kampf gegen Fake News und Desinformationskampagnen, durch die die Bevölkerung verunsichert werden soll. Die multinationalen Teams von Angreifern und Verteidigern stehen nicht nur aufgrund ihrer Übungsrolle zueinander in Konkurrenz. Für das Erkennen und die Abwehr von Angriffen gibt es Punkte oder Punktabzug für die Verteidiger. Am Ende der Übung werden die besten Teams ausgezeichnet. Zusätzliche Einzelwertungen gibt es in den Kategorien „IT-Forensik“, „Legal-Play“ und „Media-Play“.
Ressortübergreifende Zusammensetzung
Das Blue Team von Major H. ist bunt gemischt und besteht 2024 nicht nur aus deutschen Teilnehmenden. Aufgrund der guten Zusammenarbeit mit Singapur im Bereich Cyber hatte der Inspekteur Cyber- und Informationsraum, Vizeadmiral Dr. Thomas Daum, deren Streitkräfte dazu eingeladen, die Übung Locked Shields dieses Jahr als Team zu bestreiten. Der „Digital and Intelligence Service“ des südostasiatischen Kleinstaats ist – wie auch seit April CIR in Deutschland – mittlerweile als vollwertige vierte Streitkraft aufgestellt. Geleitet und ausgerichtet wird die Übung seit 2010 jährlich vom NATO Cooperative Cyber Defense Center of Excellence mit Sitz in Tallinn, Estland.
Martina Pump ist Redakteurin im Presse und Informationszentrum des Kommando Cyber- und Informationsraum.
Hanno Pevkur
Verteidigungsminister
Carl-Oskar Bohlin Minister für Zivilverteidigung Schweden
Dr. Tobias Lindner Staatsminister im Auswärtigen Amt
Admiral Rob Bauer Vorsitzender Militärausschuss NATO
Mit den vergangenen vier Wochen im Rücken hat der Cyber Innovation Hub der Bundeswehr (CIHBw) guten Grund, sich auf die Schulter zu klopfen: Das System THOR von FACT Systems, eine Weiterentwicklung des CIHBw-Innovationsvorhabens „Firefight and Combat Trainer“ (FACT), wird beim Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr in die Nutzung gehen. Außerdem pilotierte die Deutsche Marine im Rahmen des Indo-Pacific Deployments (IDP) 2024 die Nutzung von Low-Earth-Orbit(LEO)-Satelliten für die private Betreuungskommunikation auf der Fregatte „Baden-Württemberg“ und dem Einsatzgruppenversorger „Frankfurt am Main“. Bis zu 300 Mbit/s und 130 Mbit/s sind im Durchschnitt möglich. Ein großer Erfolg also für ein Projekt, bei dem man, wie der Leiter des CIHBw, Sven Weizenegger, erklärte, bei der Ankündigung vor zwei Jahren noch viel mediale Schelte habe einstecken müssen. Diese Leuchtturmprojekte können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es für externe Start Ups, aber auch für Intrapreneure aus der Truppe selbst, weiterhin äußerst herausfordernd ist, mit ihren innovativen Ideen in die Vergabeprozesse hineinzukommen.
„Für Start Ups ist es wahnsinnig schwer, in Deutschland Fuß zu fassen“, konstatierte Udo Philipp, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), in Berlin. Dabei führe gerade der Ukraine-Krieg vor Augen, wie entscheidend das Innovationspotenzial von Start Ups sei. Mit der Strategie für die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (SVI) versuche man daher, die Lessons Learned aus der Ukraine in der deutschen Verteidigungspolitik abzubilden. Tatsächlich findet sich in einem Entwurf des SVI, der dem Behörden
Was ist eigentlich Physik? Anwendung von Mathematik auf methodisch gewonnene Messdaten –kurz gesagt. Und warum betreibt man Physik? Um Phänomene der Wirklichkeit nicht nur ganz genau zu verstehen, sondern sie sogar präzise und falsifizierbar vorherzusagen. Solcher Art mathematische Naturwissenschaft ist die theoretische Basis für jedes Engineering. So betrachtet ist die Nachricht kaum verwunderlich, die im Oktober viral ging: Der diesjährige Nobelpreis für Physik geht an John J. Hopfield und Geoffrey E. Hinton, zwei Pioniere des Maschine Learnings. Maschinelles Lernen, ja das weite Feld der Künstlichen Intelligenz (KI) insgesamt, ist im Grunde nichts anderes als Mathematik, angewendet auf geeignet erhobene Daten. Auch auf diese Weise gewinnt man Wissen über die Wirklichkeit. Welcher Maschinenbau fußt auf dieser Theorie? Möglich werden „Maschinen fürs Hirn“, kognitive Maschinen, die aus unterschiedlichen Massendatenströmen verteilter Sensoren auf bewegten Plattformen und durch menschliche Beobachter Lagebilder gewinnen. Denn „KI ist die Fähigkeit von Maschinen, Aufgaben auszuführen, die ‚normalerweise‘ menschliche Intelligenz erfordern“, formuliert die KI-Strategie des US-amerikanischen Verteidigungsministeriums. Selbst jahrzehntealte Technologie ist in diesen Sinne KI. Einmal auf Maschinen übertragen, lassen sich Fähigkeiten menschlicher Intelligenz quantitativ über menschliches Maß hinaus skalieren. Reinen Empirismus gibt es allerdings nicht. Immer schon muss man etwas a priori wissen, um Daten verarbeiten zu können. Das wusste schon Immanuel Kant. Ver-
Innovation mit 300 Mbit/s
Die Bundeswehr will sich für Start Ups und Intrapreneurship öffnen
(BS/jb) Die großen Systemhäuser dominieren die Beschaffung der Bundeswehr. Ihre Innovationsfähigkeiten sind jedoch begrenzt. Innovationshubs und der Zukunftsfonds der Bundesregierung sollen die Bundeswehr für Start Ups und deren innovative Ideen zugänglicher machen.
Der Heimat auch im Dienst ein bisschen näher, sind die Soldaten auf der Fregatte BadenWürttemberg, dank des neuen Satelliten-gestützten Kommunikationssystems.
Spiegel vorliegt, die Formulierung: „Die Bundesregierung wird Start Ups bei der Bedarfsdeckung stärker in den Fokus nehmen.“ Auch bekräftigte Philipp in Berlin ein weiteres Anliegen, das bereits im Entwurf der SVI zur Sprache kommt: der Ausbau und die Öffnung des Beteiligungsfonds für Zukunftstechnologien („Zukunftsfonds“) der Bundesregierung für Defence-Start Ups. Darüber hinaus sind noch weiter Maßnahmen geplant, die Start Ups den Weg in die Bundeswehr erleichtern sollen.
Wie Prof. Dr. Rafaela Kraus, Inhaberin des Lehrstuhls für Unternehmens- und Personalführung an der Universität der Bundeswehr Münk-
Foto: BS/Bundeswehr, Nico Theska
chen (UniBw M), erklärte, arbeite in der bayerischen Landeshauptstadt seit vergangenem Monat der Digital Hub Security & Defense. Dessen Anspruch ist laut seiner Selbstbeschreibung: „Die technologische und sicherheitspolitische Souveränität Deutschlands und Europas durch innovative technologische Lösungen von Start Ups zu stärken, die den Sicherheitsbedürfnissen moderner Gesellschaften gerecht werden, ohne zur Eskalation von Konflikten beizutragen.“ Finanziert wird dieses Anliegen im Rahmen der Digital Hub Initiative des BMWK. Kraus begrüßt die Neueinrichtung: „Im Raum München entsteht ein ‚One-Stop-Shop‘ für Defence-Start
Ups“, so die Lehrbeauftragte. Darüber hinaus stellte Weizenegger sein Ziel vor, das Innovationspotenzial des CIHBw in ganz Deutschland in die Fläche zu tragen. Im Rahmen der Gründung sogenannter Spark Cells bemüht sich der Hub um ein deutschlandweites Innovationsnetzwerk.
„Meine Vision ist, dass man eines Tages auf der Deutschlandkarte viele Spark Cells des CIHBw findet, die Menschen und Soldatinnen und Soldaten befähigen, anders zu denken und zu handeln und die dafür notwendigen Mittel bereitstellt“, so Weizenegger. Um allerdings ein derartiges Netzwerk nachhaltig zu etablieren, bedürfe es, wie der Leiter des CIHBw betonte, auch einer politischen Neuausrichtung. „Innovationen und die Bundeshaushaltsordnung beißen sich oft“, monierte Weizenegger
Der unverzichtbare Störenfried Dabei haben die Intrapreneure, die Innovatorinnen und Innovatoren gegenüber externen Start Ups den Vorteil, die Probleme und Abläufe der Institution Bundeswehr zu kennen. Daraus die Schlussfolgerung abzuleiten, dass ihre Innovationsvorhaben reibungslos ablaufen, ist allerdings voreilig. Soldatinnen und Soldaten, die innovative Lösungen entwickeln, so charakterisiert sie Kraus, bringen Unruhe und Störung in ein etabliertes System. „Intrapreneure sind so etwas wie Störenfriede“, konstatierte sie folgerichtig. Diese Störung dürfe man aber nicht ignorieren. Vielmehr gelte es, das Veränderungspotenzial in den eigenen Reihen anzuerkennen und abzuschöpfen. Weizenegger geht sogar noch weiter: „Sie müssen dem System wehtun, wenn sie etwas verändern wollen“, schlussfolgerte er. Dies sei jedoch für die Angehörigen der Bundeswehr mit großen Risiken verbunden. Fakt sei, dass Intrapreneure ihre Karriere in den Streitkräften gefährdeten, weil sie bisweilen gegen die Vorstellungen der Vorgesetzten arbeiteten. Der Hub hingegen verstehe sich als Change-Agent, der Freiräume für genau diese Menschen biete. Neben dem Führungssystem identifiziert Kraus die Bürokratie als wesentlichen Hemmschuh für die Umsetzung innovativer Ideen. Im Rahmen einer Studie in der Deutschen Marine sei man zu dem Schluss gekommen, dass neben Leadership vor allem bürokratische Hürden das Investitionspotenzial erstickten. Am Ende scheiterten 97 Prozent derjenigen, die etwas verändern wollten, an der Bürokratie. „Wir müssen uns die Frage stellen, ob die Regeln wirklich angemessen sind“, forderte sie deshalb. Lösen lasse sich das Problem nur, wenn der politische Wille bestehe, nicht zweckgebundene Finanzmittel für innovative Vorhaben bereitzustellen. Mit Institutionen wie dem CIHBw oder founders@unibw wurden Freiräume geschaffen, um auf diesem Weg Innovationen zu etablieren. Doch sie sind weiterhin die Ausnahme. Dem Selbstvertrauen ihrer Verantwortlichen tut das keinen Abbruch. „Der Hub finanziert sich mit zehn Millionen Euro – das ist nicht viel. Man stelle sich einmal vor, was wir mit dem Zehnfachen für die Truppe erreichen könnten, wenn man bedenkt, was wir bereits leisten“, erklärte Weizenegger
Nichts ist praktischer als eine gute Theorie
Jüngste Physiknobelpreise im Hinblick auf Verteidigung und Sicherheit
(BS/Prof. Dr. Wolfgang Koch) Ein Oktoberfieber befällt alljährlich Physikerinnen und Physiker: Welche Forschung wird diesmal mit dem angesehensten aller Wissenschaftspreise ausgezeichnet, dem Nobelpreis? In diesem Jahr ist es Maschinelles Lernen; 2022 waren es Quantentechnologien. Beide Bereiche haben Dual-Use-Charakter, sind also auch für Verteidigung und Sicherheit relevant.
fügen Menschen über das nötige A-priori-Wissen, formulieren sie es in mathematischen Modellen, Taxonomien oder Ontologien. So wird es möglich, „Known Unknowns“ in den Griff zu bekommen, wie sich ein US-amerikanischer Verteidigungsminister einmal ausdrückte, und mathematisch scharf „unscharfe“ Daten zu verarbeiten. Daten also, die ungenau, mehrdeutig, unaufgelöst, unvollständig, verfälscht sind oder andere Defizite haben.Was aber lässt sich mit Unknown Unknowns im „Nebel des Krieges“ tun, bei Verteidigung und Sicherheit also?
Forschung mit langer Tradition Antworten bieten „bahnbrechende Entdeckungen und Erfindungen, die Maschinelles Lernen mit künstlichen neuronalen Netzen ermöglichen“, wie das königlich-schwedische Nobelkomitee formuliert. Die Wurzeln reichen tief. Schon Ende der 1940er-Jahre versuchten Forscher, die vernetzten Verarbeitungspfade über Synapsen des Gehirns mathematisch nachzubilden. Als Begriff erscheint Artificial Intelligence (AI) bereits 1956. Aber es war wie immer: Zunächst prallte die Forschung gegen den Wall der Skepsis. Ein Durchbruch gelang John Hopfield Anfang der 1980er-Jahre. Basierend auf physikalischem Verständnis quantenmechanischer Spin-Systeme, in denen viele kleine Teile eines Systems das System als
Ganzes beeinflussen, konnte sein später nach ihm benanntes Netz Bilder und andere Arten von Mustern in Daten speichern und rekonstruieren. Ein künstliches „assoziatives Gedächtnis“ war geschaffen. Geoffrey Hinton nutzte in den Jahren 1983 - 1985 Methoden der statistischen Physik, um HopfieldNetze weiterzuentwickeln. Sein sogenanntes Boltzmann-Modell war in der Lage, selbstständig Eigenschaften in Daten zu finden, Aufgaben wie die Identifizierung bestimmter Elemente in Bildern auszuführen und Vergleichbares einander zuzuordnen. Das Tor für den Siegeszug datengetriebener KI stand offen. Bezeichnenderweise taucht Ludwig Boltzmanns Name auf, des großen Pioniers der statistischen Thermodynamik. Ein künstliches „neuronales Netz“ modelliert – massiv vereinfacht –die Neuronen des Gehirns durch eine sehr große Zahl miteinander vernetzter Knoten, die jeweils numerische Gewichte haben. Diese beeinflussen sich, werden größer oder kleiner, sobald das Netz durch Daten „trainiert“ wird. Auf diese Weise „erlerntes“ A-priori-Wissen, das man braucht, um aus aktuell einströmenden Nutzdaten Lagebilder aufzubauen, ist also in einer unüberschaubar großen Fülle von Zahlenwerten enthalten. Menschlichem Verständnis ist so kodiertes Wissen verschlossen. Es erscheint als Black
Box, die sich manchmal durch Methoden der irreführend so genannten Explainable AI (XAI) in Grey Boxes verwandeln lässt. Unknown Unknowns bleiben also unknown to us, lassen sich aber durch KI-Modelle in gewissem Sinne in den Griff bekommen. Verlässliche Lagebilder für Verteidigung und Sicherheit benötigen beides: modellbasierte Algorithmen und das nobelpreiswürdige Maschine Learning.
Hohe Relevanz
Auch der Physiknobelpreis des Jahres 2022 besitzt unmittelbare Relevanz für Verteidigung und Sicherheit. Er wurde neben anderen Forschern Anton Zeilinger verleihen „for […] pioneering quantum information science“. Denn Quantenalgorithmen für Datenfusion und Ressourcen-Management kann die Produktion umfassender Lagebilder und die Möglichkeit, lageadäquat zu wirken, massiv beschleunigen. Werner Heisenbergs „Unschärferelation“ charakterisiert den Kern der mikroskopischen Quantenphysik, die immer mehr Anwendungen in der makroskopischen Welt hervorbringt. Während Quantentechnologien für Kommunikation, Sensorik oder Datenverarbeitung quantenphysikalische Phänomene als solche nutzen, verwenden Quantenalgorithmen den mathematischen Rahmen und die numerischen Methoden für den Umgang mit „Unschärfe“, um ins-
besondere „im Nebel des Krieges“ Daten mit ihren charakteristischen „Unschärfen“ zu fusionieren und aus ihnen wertvolle Information zu gewinnen. Ferner könnten Quantenprozessoren die Lösung klassischer Fusionsprobleme revolutionieren. Beispiele: Aufgrund mehrdeutiger Datenzuordnung in Szenarien mit vielen Zielen wächst die Anzahl möglicher Kombinationen exponentiell im Laufe der Zeit an. Spezialisierte Quantenprozessoren könnten zum Einsatz gelangen, bei denen ein Quantenzustand als optimale Lösung derartiger Aufgaben erscheint. Adiabatic Quantum Computing wird wohl Optimierungen bei der Ressourcenallokation für multifunktionale Sensoren oder die Abwehr von Drohnenschwärmen mit bisher beispielloser Geschwindigkeit durchführen können. Auf die Relevanz der Post-Quantum-Verschlüsselung für Verteidigung und Sicherheit sei hingewiesen.
Wie die jüngst verliehenen Nobelpreise für Physik zeigen, ist tatsächlich „nichts praktischer als eine gute Theorie“. Dieses Diktum, James Clerk Maxwell zugeschrieben, erweist seine Wahrheit auch bei Verteidigung und Sicherheit, der Basis aller kulturellen, sozialen, wirtschaftlichen oder ökologischen Güter. „Gute Theorie“ lohnt auch hier!
Prof. Dr. Wolfgang Koch ist Chief Scientist des Fraunhofer-Instituts für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie (FKIE).
Foto: BS/FKIE
Im Spannungsfall ist das Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz (SGleiG) ausgesetzt: Bis 2018 war dieser Hinweis die einzige Konsequenz für die Nachrichtendienste der Bundesrepublik, würde in Deutschland der Spannungs- oder Verteidigungsfall ausgerufen. Dieses Beispiel verdeutlicht: Von den Privilegien der Notstandsgesetze profitieren die Nachrichtendienste in Deutschland nicht.
Dieser Umstand ist der Zeit geschuldet, in der das BND-Gesetz entstand. In den frühen 90er Jahren, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, schien eine umfassende kriegerische Auseinandersetzung in Europa unwahrscheinlich. Die Frage, welchen Regeln sich das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) im Spannungsfall nicht länger unterwerfen muss, stellte sich ein Jahr, nachdem Francis Fukuyama das Ende der Geschichte beschworen hatte, niemand.
34 Jahre später ist der Krieg in Europa Realität und bybride Angriffe sind Alltag. Die Frage, unter welchen Bedingungen die deutschen Dienste im Krisenfall handeln können und müssen, drängt. „Die nachrichtendienstliche Bedrohungslage hat sich mit dem Kriegsbeginn in der Ukraine deutlich verschärft“, erklärte Torsten Akmann, BAMAD-Vizepräsident, auf der Nachrichtendienst-Konferenz des Behörden Spiegel. Beim Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) hat man diesen Ruf gehört. Im Rahmen der anstehenden zweiten Welle der Novellierung des BND-Gesetzes plant das BMVg, ein Gesetz einzubringen, das Privilegien für die Nachrichtendienste im Spannungs- oder Verteidigungsfall definiert. Im Verteidigungsfall soll sich die Bürokratie hinten anstellen Wie der Behörden Spiegel erfahren hat, ist es ein Anliegen des BMVg, für den Spannungsfall bürokratische Hürden abzubauen. So plant man im Gesetzesvorschlag, bestimmte Dokumentationsaufgaben zumindest zeitweise auszusetzen. Konkret steht die Überlegung im Raum, Auskunftsanträge im Spannungs- oder Verteidigungsfall zu vertagen und erst nach Auflösung der Situation zu bearbeiten. Bisher
I m US-Bundesstaat Kansas erhob sich Mitte September eine Maschine des Typs Bombardier Global 6000 in die Luft. Dabei handelt es sich aber nicht um einen der vielen Business-Jets dieses Typs. In Bombardiers Wichita Flight Test Center startete die im Rahmen des „Persistent German Airborne Surveillance“-Systems (PEGASUS) modifizierte Global 6000 – ein halbes Jahr, nachdem das BAAINBw das Critical Design Review (CDR) abgenommen hat. Auf Kurs ist PEGASUS jedoch nur bedingt. Rückblick: Am 29. Juni 2021 beauftragte das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) den Auftragnehmer Hensoldt Sensor GmbH mit der Entwicklung und Beschaffung von drei Systemen zur signalaufklärenden luftgestützten weiträumigen Überwachung und Aufklärung (SLWÜA). Darüber hinaus sind die Lufthansa Technik AG sowie der Hersteller der Trägerplattform Bombardier beteiligt. Ziel der Beschaffung war und ist, Fähigkeitslücken im Bereich SLWÜA zu schließen. Konkret soll das System militärischen Funkverkehr und Radarsignale erfassen. Diese Daten sollen im An-
Im Fall der Fälle
Im Verteidigungsfall gibt es kaum Regeln für die Nachrichtendienste
(BS/jb) Zwischen den Notstandsgesetzen von 1968 und dem Gesetz über den Bundesnachrichtendienst (1990) (BND-Gesetz) liegen 22 Jahre. Entsprechend gering sind die Überschneidungspunkte. Dabei stehen die Nachrichtendienste im Spannungs- und Verteidigungsfall vor besonderen Herausforderungen. Das Verteidigungsministerium (BMVg) arbeitet an einem Gesetz, das Abhilfe schaffen soll.
Der Bundestag kann mit Zweidrittelmehrheit den Verteidigungsfall feststellen. Das entsperrt vieles, für die deutschen Nachrichtendienste ändert sich allerdings wenig. Foto: BS/Mirko, stock.adobe.com
ist Personen, die dienstlich oder beruflich mit dem BMVg oder dessen Geschäftsbereich verbunden sind, nach Paragraf 9 des Gesetzes über den Militärischen Abschirmdienst (MADG) juristisch eingeräumt, unentgeltlich Auskunft über die zu ihrer Person beim BAMAD gespeicherten Daten zu erhalten. Zwar ist es dem BAMAD auch nach gegenwärtiger Rechtslage unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt, die Auskunft zu verweigern, die Antragstellenden können dagegen jedoch Widerspruch einlegen. Dieser komplexe und arbeitsintensive Prozess soll nach Willen des BMVg im Spannungs- oder Verteidigungsfall entfallen.
Eine weitere Überlegung gilt dem doppelten Aufgabenprofil des BAMAD. Bisher ist der Dienst verantwortlich, wenn Angehörige der Bundeswehr sowohl der Opfer- als auch der Täterseite zuzuordnen sind. In Friedenszeiten ist das BAMAD fähig, diese Doppelfunktion abzubilden. Wenn allerdings im
Spannungs- oder Verteidigungsfall die Spionage- und Sabotagetätigkeit explodiert, ist das Amt kaum noch in der Lage, unter doppelter Belastung zu arbeiten. Denn mit dem Verteidigungsfall verschiebt sich die Bedrohungslage verstärkt zu externen Gefahren.
Die Planerinnen und Planer im BMVg schlagen deshalb vor, die nachrichtendienstlichen Aufgaben, gegen Bundeswehrangehörige in der Täterrolle zu ermitteln, zugunsten des Spionage- und Sabotageschutzes hintanzustellen. Dass die Bundesrepublik im Verteidigungsfall vermehrt Ziel von Sabotage und Spionage sein wird, ist aufgrund ihrer Rolle als Drehscheibe der NATO zu erwarten. Wenn der erste scharfe Schuss fällt, steigt die Aufgabenlast für die Dienste sowohl in Quantität als auch in Qualität.
Des Weiteren stellt sich im BMVg die Frage, ob man neben den etablierten Eskalationsstufen im Rahmen der Notstandsgesetze eine vierte Kategorie unterhalb von
Zustimmungs-, Spannungs- und Verteidigungsfall etablieren sollte. Das Konzept sieht vor, neben dem Zustimmungsfall, dem Spannungsfall und dem Verteidigungsfall eine vierte Kategorie als Tatbestandsalternative zum Zustimmungsfall zu gestalten. Während nach gültigem Recht Spannungsfall und Verteidigungsfall jeweils mit eskalierenden Rechtsfolgen einhergehen, ist in der Tatbestandsalternative Zustimmungsfall die dosierte Freigabe einzelner Bestimmungen des Notstandsrechts vorgesehen. Welche Maßnahmen genau zu entsperren sind, obliegt dabei der parlamentarischen Kontrolle. Der im BMVg diskutierte Vorschlag würde in diesem Konstrukt die Alternative zur Alternative darstellen. Der große Vorteil eines derartig gestalteten Rechtsrahmens ist, dass er den Nachrichtendiensten frühzeitig niederschwellige Handlungsraumerweiterungen einräumt, die zur Vorfeldaufklärung befähigen.
PEGASUS hievt sich in die Luft
Mit Zeitverzug gelingt dem PEGASUS-Signalaufklärungssystem der Erstflug
(BS/jb) Drei Jahre, nachdem das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) den Auftrag für das Persistent German Airborne Surveillance System (PEGASUS) erteilt hat, absolvierte das System seinen Erstflug. Die Sensoreinheit ist allerdings noch nicht installiert. Auch die 20 Monate Zeitverzug konnte man nicht aufholen.
schluss elektronische Lagebilder speisen. Ursprünglich sah die Bundesregierung vor, die Systeme bis zum Jahr 2025 den Streitkräften bereitzustellen. In diesem Bereich bestehen nämlich dringende Bedarfe. Die Flugzeuge des Typs Breguet Atlantic BR 1150 in der Intelligence/Signalaufklärung(SIGINT)-Ausführung, die bisher SLWÜA-Aufgaben für die Bundeswehr übernommen haben, stehen seit dem Sommer 2010 nicht mehr im Dienst. Ursprünglich sollten unbemannte Systeme für die SIGINT zum Einsatz kommen. Aus Kostengründen wurde dieser Vorschlag jedoch verworfen. Stattdessen fiel die Entscheidung für den Umbau der zivilen Global 6000 Maschinen. Spätestens mit dem jüngsten Rüstungsbericht wurde allerdings deutlich, dass man das
gesteckte Ziel, die Auslieferung bis zum Jahr 2025, nicht halten kann. Im aktuellen Rüstungsbericht wurde offenbar, dass bis zur Auslieferung 20 Monate mehr als ursprünglich geplant verstreichen müssen. Statt 2025 sollen die Systeme nun 2027 bei den deutschen Streitkräften ankommen. Damit geht auch ein Kostenzuwachs von 211 Millionen Euro einher. Laut Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) versucht man, durch verschiedene Maßnahmen die Verzögerungen im Projekt abzufangen. Wie während der Pressekonferenz zum Erstflug des PEGASUS jedoch deutlich wurde, sind die Versuche, den Zeitverzug zu mitigieren, bisher nicht erfolgreich. Michael von Puttkamer, Vice President Special Aircraft Services bei Lufthansa
Das Bestreben des BMVg, die Nachrichtendienste im Spannungsoder Verteidigungsfall von bürokratischem Arbeitsaufwand zu entbinden, ist der Tatsache geschuldet, dass die soldatischen Dienstposten in den Nachrichtendiensten in anderen Funktionen an der Front zum Einsatz kommen werden.
Mit zunehmend schwieriger Lage geht Personal verloren Der zunehmenden Aufgabenlast steht also ein schrumpfender Personalkörper gegenüber. Die kampfbedingten Ausfälle durch neue Mitarbeitende zu ersetzen, wird dieses Dilemma nicht lösen, da es einer langwierigen Ausbildung und umfassender Erfahrung bedarf, um effizient nachrichtendienstlich arbeiten zu können. Diesem Umstand entsprechend arbeitet das BMVg bereits an Vorschlägen zur Reduktion des bürokratischen Aufwandes, die außerhalb der Neuregelungen der Notstandsgesetze liegen. Theodor Höges , Referat Steuerung und Querschnittsaufgaben MAD beim BMVg, erläuterte in Berlin, dass man beim BMVg in Betracht ziehe, die immense Last, die dem BAMAD durch das Durchführen von Sicherheitsüberprüfungen entstehe, abzufedern. Etwa 70.000 Prüfungen dieser Art führt das BAMAD jedes Jahr durch. Von den 1.600 Mitarbeitenden des Amtes sind bereits 400 vollständig durch diese Aufgabe gebunden. Eine einfache Prüfung von in die Bundeswehr eintretenden Soldatinnen und Soldaten anstelle des bisher eingesetzten Verfahrens könnte diese Arbeitsposten deutlich verkleinern. Offene Fragen und Regelungsbedarfe bezüglich der Nachrichtendienste im Spannungs- und Verteidigungsfall gibt es viele. Demgegenüber steht der Handlungsdruck zunehmender Sabotage- und Spionagetätigkeiten. Eine weitere Steigerung erfährt die Dringlichkeit, wenn man sich vor Augen führt, welche verfassungsrechtlichen Verfahren Änderungen im Rechtsbereich der Nachrichtendienste in den vergangenen Jahren nach sich zogen. Eine schnelle Durchführung der zweiten Welle der BND-Gesetz-Novellierung wird kaum vonstattengehen, ohne dass das Bundesverfassungsgericht ein Wörtchen mitreden wird.
Technik, verwies in diesem Rahmen auf den im 18. Rüstungsbericht veröffentlichten Zeitplan. Dieser sei weiterhin maßgebend. Dementsprechend wird das modifizierte Luftfahrzeug im Sommer 2025 bei Lufthansa Technik in Hamburg eintreffen. An diesem Standort erfolgt die eigentliche Integration von Hensoldts SIGINT-System „Kalætron Integral“. Dieses System beruht auf einer Versuchsausstattung der Drohne Eurohawk. Dietmar Thelen, Leiter der Division Spectrum Dominance bei Hensoldt, betonte jedoch, dass es sich bei den elektronischen Bauteilen ausschließlich um Neuentwicklungen handle. Dies sei notwendig, um mit den technischen Entwicklungen der letzten Jahre Schritt zu halten und ein erweitertes Frequenzspektrum abzubilden. Neben der Installation des SIGINT-Systems ist Lufthansa Technik Defense auch für die zivile und militärische Zulassung der Luftfahrzeuge verantwortlich. Nach der Bereitstellung des ersten Flugzeugs im Sommer nächsten Jahres sollen die übrigen Flugzeuge in den darauffolgenden drei Monaten nach Hamburg gebracht werden.
Mehr Systeme gefordert Im Frühjahr bezweifelte die CDUFraktion im Bundestag in einer kleinen Anfrage in Frage, dass man den Bedarfen mit drei PEGASUS-Systemen gerecht werde. Aus Sicht der Fragesteller habe sich die politische Weltlage klar verschärft. „Die dargelegten Veränderungen in der sicherheitspolitischen Lage haben den Mehrbedarf an signalerfassender Überwachung und Aufklärung verstärkt“, schlussfolgerte die Fraktion. Diese Einschätzung teilt Thelen. In Kansas erklärte er, dass drei Systeme seiner Ansicht nach nicht genügen, um den vielfältigen Konfliktszenarien auf der Welt gerecht zu werden. Thelen erläuterte weiter, dass man sich mit der Bundeswehr über die Beschaffung weiterer Systeme austausche.
Oftkommen die Menschen nicht zu den Sprechstunden, weil Sie kein Thema haben oder nicht denken, dass ihre Anliegen so wichtig sind“, erklärt Baldy die Intention hinter den Event-Paketen, die man auf seiner Website findet. Die Idee dazu sei am Abend vor der letzten Bundestagswahl entstanden, nachdem er sich für die Kandidatur auf das Direktmandat im Wahlkreis Mainz-Bingen entschieden hatte. Eine Wohngemeinschaft (WG) hatte ihn zur Party eingeladen.
Das Konzept der Event-Pakete ist simpel. Interessierte Bürgerinnen und Bürger können sich per Nachricht zur Terminvereinbarung melden. Dann laden sie noch Freunde, Nachbarn oder Familie ein und Baldy kümmert sich um die gewünschte Verpflegungsoption. Auch Sonderwünsche sind mal dabei, verrät der Abgeordnete. Beim nächsten WG-Besuch soll er statt Bier lieber Softdrinks mitbringen.
Hemmschwellen abbauen
Auch bei seinen Bürger-Sprechstunden stellt der Abgeordnete sich gerne mal an den Grill. „Viele kommen dann auch nur wegen der Bratwurst, klar. Aber ist auch okay.“ Immerhin hätten die Leute ihn dann schon einmal gesehen, wenn sich eine Frage ergebe, so Baldy. Im Wahlkreis ist man Ansprechpartner für alle bundespolitischen Themen, unabhängig von der eigenen Kompetenz. Ihm ist wichtig, dass die Wählerinnen und Wähler auch außerhalb der Wahlkampfphasen Kontakt zu ihren gewählten Vertretern haben. Dafür geht er auch mal von Tür zu Tür und stößt dabei mitunter auf erstaunte Gesichter.
Ein starker Gegensatz zur Arbeit in Berlin, wo der Abgeordnete sich auf seine Themen in den Ausschüssen fokussiert. Der gebürtige Bingener ist Teil des Innenausschusses und des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Wir treffen uns bei dir zu Hause
Bundestagspolitik nahbar machen
(BS/Tanja Klement) Daniel Baldy kann man buchen. Wahlweise bringt er auch Kaffee und Kuchen, Pizza und Bier oder Brezeln und Spundekäs mit. Der 30-jährige SPD-Bundestagsabgeordnete aus Mainz will so mit den Menschen in seinem Wahlkreis ins Gespräch kommen. Ganz ungezwungen und ohne besonderen Anlass.
Weltgesundheitsorganisation WHO seien davon etwa ein bis zwei Kinder in jeder Schulklasse betroffen. „Das heißt auch: Jeder hat in seinem Umfeld wahrscheinlich eine oder einen Betroffenen.“ Als Gesellschaft müssten wir deshalb dringend lernen, mehr auf Warnsignale und Hinweise zu achten, betont der Abgeordnete.
Digitale Bedrohung
Wenig Verständnis hat Baldy für die aktuelle Praxis der deutschen Strafverfolgungsbehörden, IPAdressen zugunsten des Datenschutzes nicht zu speichern. Diese
gehört für ihn zu den wichtigsten Terminen einer Sitzungswoche.
Den Mentalitätswechsel zwischen Wahlkreis- und Sitzungswoche meistert Baldy mithilfe der Zugfahrten. „Wenn ich freitags in Mainz am Hauptbahnhof aussteige, dann bin ich wieder voll im Wahlkreis.“ Auch wenn er – nach den langstündigen Plenarsitzungen zwischen Mittwoch und Freitag – ein bisschen SchlafNachholbedarf hat.
Sicher aufwachsen
Baldy ist Lehrer für Geschichte, Sozialkunde und katholische Religionslehre und hat sein Referendariat im Sommer 2021 in Kaiserslautern abgeschlossen. Im Familienausschuss kümmert er sich vorrangig um den Kinder- und Jugendschutz, z. B. im Zusammenhang mit Suchtmitteln. Besonders am Herzen liegt ihm der Schutz vor sexualisierter Gewalt. Laut einer Schätzung der
von ausländischen Ermittlungsbehörden aber dankend anzunehmen, um potenzielle Straftäter verfolgen zu können, hält er für inkonsequent. „In einem 21. Jahrhundert, in dem immer mehr per Handy läuft, per E-Mail, im Internet, brauchen wir Befugnisse bei den Sicherheitsbehörden, die an das 21. Jahrhundert angepasst sind“, so der 30-Jährige. Auch die Cyber-Sicherheit ist dem Mainzer ein wichtiges Anliegen. Zu oft würden die Risiken nach wie vor unterschätzt. Der Schaden, der Unternehmen und der gesamten deutschen Wirtschaft dadurch entsteht, beläuft sich nach einer Studie des Branchenverbands Bitkom allein 2024 auf mehr als 170 Milliarden Euro. Neben den Themen Extremismus und Islamismus legte er seinen Fokus im Innenausschuss besonders darauf, dass Cyber-Si-
cherheit nicht mehr belächelt, sondern als reale Bedrohung wahrgenommen wird.
Wenn Baldy gerade keine Debatten führt oder im Wahlkreis die Grillzange schwingt, erwartet ihn ein recht gewöhnlicher Büroalltag – zumindest in Sitzungswochen. E-Mails beantworten, Geburtstagskarten unterschreiben, Entwürfe überarbeiten. Die meiste Arbeit erledigt er quasi unsichtbar. Dazu kommen fixe Termine wie die montäglichen Besprechungen im Büro und mit der Landesgruppe und an Dienstagen die Treffen der einzelnen Gremien. „Wenn ich nicht im Plenum bin, dann arbeite ich viel und wenn ich im Plenum bin, dann ist es für mich auch mal ruhiger.“
Das sei auch der Grund, weshalb die Reihen des blau bestuhlten Sitzungssaales in der Live-Übertragung mitunter spärlich besetzt wirkten. Baldy nutzt diese Zeit auch für Termine, etwa mit Interessengruppen, oder gibt Interviews. Wenn er aber an den Debatten teilnimmt, fällt er manchmal auch durch seine Zwischenrufe auf. Für den Gegenruf „Alter, ey, nerv nicht mit deinem Gelaber! Also wirklich! Geh nach Hause!“ nach der Rede des fraktionslosen Abgeordneten Robert Farle im Mai 2023 erhielt Baldy einen Ordnungsruf.
Die „echte“ Nationalmannschaft Die Kontakte im Bundestag gliedern sich oft in innerhalb und außerhalb der eigenen Fraktion. Wer nicht im selben Ausschuss sitzt, hat fraktionsübergreifend nur wenig Kontakt. Außer die Beteiligten sind beide Teil einer Fraktion der anderen Art – des FC Bundestag. In Sitzungswochen treffen sich Dienstags alle, die gerne Fußball spielen. Zeit für Training ist keine, aber die Mannschaft spielt gegen Teams aus ganz Deutschland – aus Wahlkreisen, von Verbänden oder auch Werksmannschaften. Fußball ist ein guter Ausgleich zum SitzungsAlltag, wo man viel Zeit im Büro verbringt. Das Teambuilding hilft auch im Plenarsaal. „Man würde niemals einen Kollegen vom FC Bundestag sehr stark kritisieren“, formuliert Baldy vorsichtig. Das hat der Mainzer zumindest so noch nicht erlebt. Der Umgang sei unter den Teammitgliedern persönlicher und wertschätzender. Man könne sich aufeinander verlassen – auf
erklärt er beispielhaft. Ein Teil der aktuellen Abläufe machten es besonders Eltern mit kleinen Kindern schwer, ihrem Mandat als Abgeordnete nachzukommen. Das sei einfach nicht mehr zeitgemäß. Wenn Abgeordnete ihre Kinder auch mal mit zu Terminen bringen müssen, dann gehört das für Baldy schlicht zur Realität. „Das zeigt auch, dass das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf leider an vielen Stellen noch hakt.“ Eltern etwa aufgrund fehlender Kita-Plätze vom Erwerbsleben oder aus ihrer Abgeordnetentätigkeit auszuschließen, könne nicht die Lösung sein. Der Mainzer
„Wenn ich im Plenum bin, dann ist es für mich auch mal ruhiger.“
dem Platz und in der Debatte. Ein ehemaliger Kapitän der Mannschaft habe den FC-Bundestag deshalb auch als erfolgreichste Fraktion bezeichnet.
Teilhabe im Plenarsaal Vor seiner Kandidatur sei ihm durchaus bewusst gewesen, dass der Bundestag kein 40-StundenJob sei. „Es ist eigentlich so, wie ich es mir vorgestellt habe, nur mehr“, erklärt Baldy. Manchmal ist es wegen der hohen Termindichte etwas hektisch, dann wieder ruhiger. Trotzdem sieht er Änderungsbedarf. Eine Namensabstimmung sollte mehr als fünf Minuten vorher angekündigt werden müssen,
Deutscher Bundestag
selbst ist davon zwar noch nicht betroffen – das komme noch – aber in seiner Fraktion seien mehrere frischgebackene Eltern. Vor der Bundestagswahl 2021 hätten die damaligen Umfragewerte von rund 13 Prozent Stimmanteil für die SPD dazu geführt, dass manche potenziellen Kandidatinnen und Kandidaten nicht zur Wahl angetreten seien. Über die so frei gewordenen Listenplätze hätten es dann auch mehr jüngere Gesichter in den Bundestag geschafft. Daniel Baldy wurde die Kandidatur damals von seinem SPD-Kreisvorstand ans Herz gelegt. „Ich habe es keinen Tag bereut, dass ich es geschafft habe.“ Auch für die nächste Legislatur möchte er wieder antreten und seinen Wahlkreis in Berlin vertreten.
Das Video mit Daniel Baldy sowie weitere spannende Einblicke in die Arbeitsabläufe im Bundestag finden Sie in der Ausgabe „Bundestag hautnah“ auf f4p.online.
Der 20. Deutsche Bundestag ist mit aktuell 733 Sitzen die größte frei gewählte Parlamentskammer der Welt. Die gesetzlich festgelegte Anzahl der Mitglieder liegt bei 598, diese wird aufgrund von Überhang- und Ausgleichsmandaten überschritten. Die Sitze verteilen sich auf die Fraktionen der SPD (207), CDU/CSU (196), Bündnis 90/Die Grünen (117), FDP (91), AfD (76), Gruppe Die Linke (28), Gruppe BSW (10) und 8 fraktionslose. Ca. zwei Drittel der Abgeordneten sind männlich. Nur rund 2,5 Prozent der Abgeordneten sind unter 30 Jahre alt, die größte Altersgruppe sind mit über 15 Prozent die 55- bis 59-Jährigen.
Seinen Einzug in den Bundestag hat Daniel Baldy noch keinen Tag bereut.
Foto: BS/Jürgen Illmer
Der FC Bundestag
Foto: BS/Daniel Baldy
Beim Grillen sucht er die Nähe zu den Wählerinnen und Wählern. Foto: BS/Daniel Baldy