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Politik sollte Rahmenbedingungen schaffen ...............Seite

Behörden Spiegel: Herr Graf, Sie sind neuer Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Sicherheitswirtschaft (BDSW). Was sind Ihre wichtigsten Ziele? Was steht auf Ihrer Agenda ganz oben?

Sicherheitswirtschaft ist systemrelevant

Politik sollte dafür entsprechende Rahmenbedingungen schaffen

Florian Graf: Die Sicherheitswirtschaft mit ihren heute rund 265.000 Beschäftigten leistet einen enorm großen Beitrag zum Schutz der Wirtschaft und zur Absicherung Kritischer Infrastrukturen. Dabei sind in den vergangenen Jahren immer mehr Aufgaben und zu schützende Bereiche dazugekommen. Außerdem haben Akzeptanz und Bedeutung der Branche zugenommen. Und sie wird auch in Zukunft noch wichtiger werden für die Sicherheit Deutschlands. Diese Entwicklung werden wir als Verband mit unseren Mitgliedern mitgestalten und unseren Partnern auf politischer Ebene Angebote zur Bewältigung der bestehenden Herausforderungen präsentieren. Es ist daher mein Hauptziel, den Bundesverband der Sicherheitswirtschaft und die gesamte Branche weiter nach vorn zu bringen, die Verbandsarbeit zu modernisieren und die professionelle Interessensvertretung weiter auszubauen. Die Sicherheitswirtschaft wird auch weiterhin eine starke und verlässliche Stimme auf der Bundesebene haben.

Behörden Spiegel: Welche weiteren Erwartungen haben Sie an die neue Bundesregierung mit (BS) Er ist das neue Gesicht beim Bundesverband der Sicherheitswirtschaft (BDSW). Florian Graf ist dort der neue Hauptgeschäftsführer. Im Gespräch mit dem Behörden Spiegel erläutert er seine Agenda und stellt Forderungen auf. Das Interview führte Marco Feldmann.

Florian Graf ist der neue Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Sicherheitswirtschaft (BDSW). Er setzt große Hoffnungen in das geplante Sicherheitsdienstleistungsgesetz. Foto: BS/BDSW

Blick auf die private Sicherheitswirtschaft?

Graf: Die Corona-Pandemie hat erneut deutlich gemacht, wie wichtig die Dienstleistungen der privaten Sicherheitswirtschaft sind. Deshalb ist für uns das im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien vereinbarte Sicherheitsdienstleistungsgesetz von entscheidender Bedeutung. Wir hoffen, dass es dazu bis Jahresende einen Referentenentwurf aus dem federführenden Bundesinnenministerium (BMI) gibt. Denn obwohl sich das Aufgabenspektrum der privaten Sicherheitswirtschaft deutlich erweitert hat, sind die rechtlichen Regelungen stehen geblieben und stellen meist auf reine Bewachungstätigkeiten ab. Solche Dienstleistungen machen allerdings mittlerweile nur noch rund 30 Prozent der Tätigkeiten unserer Unternehmen aus. Wir brauchen hier politische Rahmenbedingungen, die dieser Entwicklung Rechnung tragen und die Qualität der Sicherheitsdienstleistungen weiter steigern.

Nicht nur in Großstädten relevant

"Fun Games" sind inzwischen ein bundesweites Problem

Behörden Spiegel: Was ist Ihnen noch wichtig?

Graf: Es kommt ebenfalls darauf an, endlich die volle Funktionsfähigkeit des Bewacherregisters herzustellen und die Systemrelevanz der privaten Sicherheitswirtschaft festzuschreiben. Das muss nicht alle Tätigkeitsbereiche unserer Unternehmen betreffen, aber doch zumindest die, in denen enge Kontakte zu Kritischen Infrastrukturen bestehen. Da geht es gerade in der aktuellen Situation unter anderem auch

um Quarantäneregelungen der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Behörden Spiegel: Worum geht es Ihnen dabei ganz konkret? Was wünschen Sie sich?

Graf: Im Vergaberecht sollten Qualitätskriterien eingeführt und festgeschrieben werden, damit es nicht mehr nur zu Billigst-Verga-

“Es ist daher mein Hauptziel, den Bundesverband der Sicherheitswirtschaft und die gesamte Branche weiter nach vorn zu bringen, die Verbandsarbeit zu modernisieren und die professionelle Interessensvertretung weiter auszubauen.”

Behörden Spiegel: Welchen Reform- und Verbesserungsbedarf sehen Sie in der privaten Sicherheitswirtschaft selbst?

Graf: Als Bundesverband der Sicherheitswirtschaft rufen wir mit unseren Unternehmen nicht nur nach dem Staat, sondern handeln auch selbst. So haben wir zum Beispiel zwei Ausbildungsberufe auf den Weg gebracht und unterstützen Sicherheitsmanagementstudiengänge. Der Prozess der Optimierung und Qualitätsverbesserung ist dabei ein stetiger. Wir sehen aber auch auf staatlicher Seite Veränderungsbedarf.

ben kommt. Außerdem brauchen wir schnellere und flexiblere Verfahren bei den Zuverlässigkeitsüberprüfungen und vor allem keine Mehrfachüberprüfungen. Nur so können die Unternehmen schneller und flexibler tätig werden. Ausgeweitete Zuverlässigkeitsüberprüfungen für alle Tätigkeitsbereiche brauchen wir nicht – für die, in denen es notwendig ist, bestehen bereits Regelungen. Zudem sollte sich der Markt der Qualifizierungsanbieter öffnen. Auch andere regulatorische Probleme, wie das monopolisierte Unterrichtungsverfahren bei den Industrie- und Handelskammern, müssen dringend angegangen werden.

Behörden Spiegel: Wie wird es den privaten Sicherheitsunternehmen künftig gelingen, ausreichend qualifiziertes Personal zu gewinnen? Braucht es hier neue Ansätze und Wege der Rekrutierung?

Graf: Wir müssen die Attraktivität der Arbeitsplätze, der Tätigkeiten und der Branche im Allgemeinen weiter steigern. Dann wird es uns auch in Zukunft gelingen, genügend qualifiziertes Personal zu gewinnen.

Behörden Spiegel: Welche Aufgaben könnten private Sicherheitsdienste aus Ihrer Sicht künftig noch übernehmen, auch um Staat und Kommunen zu entlasten? Wo könnte Ihre Branche da in fünf oder in zehn Jahren stehen?

Graf: Unsere Branche leistet bereits heute vielfältige integrierte Sicherheitsdienstleistungen. Wir betreiben bereits heute Kriminal- und Gewaltprävention und verhindern so Straftaten. Damit entlasten wir die staatlichen Sicherheitsbehörden bereits. Natürlich erkennen wir dabei das staatliche Gewaltmonopol an und suchen die Kooperation mit dem Staat.

(BS/Marco Feldmann) Illegales Glücksspiel nimmt immer weiter zu. Ein besonderes Problem sind dabei sogenannte “Fun Games”. Dabei handelt es sich um manipulierte und deshalb verbotene Spielgeräte. Besonders problematisch wird es, wenn sie in Hinterzimmern betrieben werden. Und inzwischen zeigt sich: “Fun Games” gibt es auch in Mittelstädten und kleinen Kommunen.

Insbesondere in Letzteren – aber nicht nur dort – ist das Vorgehen der Behörden gegen die Geräte schwierig. Denn es mangelt oftmals an Personal und teilweise auch am Kooperationswillen der beteiligten Akteure (mehr dazu auch in der Dezember-2021-Ausgabe des Behörden Spiegel, Seite 57). Dabei nimmt das Problem immer mehr zu. Die Geräte erleben eine Renaissance, vor der Polizeibeamte und Insider, darunter auch die Verbände der legalen Automatenwirtschaft, schon seit Langem warnen. Diese Wiederbelebung zeigt sich dabei nicht mehr nur in einzelnen Hotspots, sondern im gesamten Bundesgebiet. Das wird auch in einer Untersuchung von Jürgen Trümper deutlich. Der gelernte DiplomSozialarbeiter ist seit 1992 Geschäftsführer des Arbeitskreises gegen Spielsucht. Im Rahmen seiner Feldstudie “Einblicke in den illegalen Glücksspielmarkt 2021” waren von 3.327 zur Aufstellung gebrachten Glücksspielgeräten 1.099 “Fun Games” und damit illegal. Anders ausgedrückt: Fast jedes dritte Gerät wurde verbotenerweise betrieben. Zudem waren die “Fun Games”, deren Software oftmals aus Asien stammt, etwas stärker ausgelastet als die legalen, von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) zugelassenen Geldspielgeräte. Dies ist jedoch nicht verwunderlich, sind die “Fun Games” für die Spieler doch attraktiver. So bieten sie zum Beispiel ein schnelleres Spiel, keine Spielzeitlimitationen und deutlich höhere Einsatz-, Gewinn- und Verlustgrenzen als legale Automaten. Über 1.400 Spielorte ausgewertet

Im Rahmen der Untersuchung Trümpers wurden insgesamt mehr als 1.400 Spielorte in 13 Bundesländern und 150 Kommunen analysiert. Dabei konnten nahezu 1.100 illegale “Fun Games” in 626 Betrieben festgestellt werden. Als Ursachen analysiert Trümper die bereits genannte höhere Attraktivität der illegalen Geräte für Spielerinnen und Spieler sowie das Verbot und den damit verbundenen Abbau des dritten Geldspielgerätes in gastronomischen Betrieben ab November 2019. Denn diese Maßnahme habe dort zu Umsatzeinbußen geführt, die über die Aufstellung illegaler “Fun Games” kompensiert werden sollten. Hinzu komme, dass die Organisierte Kriminalität (OK) und die Clan-Kriminalität die Verbreitung der illegalen Geräte steuere. Außerdem sei aufgrund von Personalmangel und Informationsdefiziten aufseiten der kommunalen Ordnungsämter die Kontrolldichte völlig unzureichend. Des Weiteren würden bei Verstößen zu milde Sanktionen ohne abschreckende Wirkung verhängt. Entsprechende rechtliche Zuwiderhandlungen würden von den Behörden noch zu häufig nur als Ordnungswidrigkeit und nicht als Straftat behandelt, kritisiert Trümper. Das sei angesichts von 948 festgestellten illegalen Spielorten und 460 sogenannten "Problemgastronomien", also Betrieben, die nicht überwiegend Speisen und Getränke verkaufen, sondern ihren Betrieb vielmehr um das verbotene Spielgerät herum organisieren, falsch.

Zusammen agieren

Trümper, dessen Untersuchung vom Dachverband der Deutschen Automatenwirtschaft (DAW) finanziert wurde, fordert daher ein entschiedeneres, gemeinsames Vorgehen von Legislative, Exekutive und Judikative gegen das Aufstellen und Betreiben illegaler “Fun Games”. Dafür sei es unter anderem erforderlich, die Geräte aus dem Markt zu entfernen, illegale Spielorte konsequent zu schließen und die Betreiber verbotener Spielgeräte nachhaltig zu sanktionieren. Außerdem komme es darauf an –, sofern nicht bereits geschehen – auf Länderebene behördenübergreifende Taskforces gegen illegales Glücksspiel einzusetzen und sie bei den jeweiligen Innenministerien anzusiedeln. An diesen Ermittlungsgruppen sollten aus Trümpers Sicht neben den Innenressorts selbst die Polizeien, die Ordnungsämter, die Staatsanwaltschaft, die Steuerfahndung und der Zoll beteiligt sein. Vollzug stärken

Der Sprecher des DAW-Vorstandes, Georg Stecker, sieht ähnliche Probleme wie Trümper und meint zur Studie sowie zur Ausbreitung illegaler Spielangebote: “Eine gute Regulierung produziert keine Illegalität, sondern verhindert sie. Wenn das legale Angebot in seiner Verfügbarkeit und in seiner Attraktivität drastisch reduziert wird, entsteht illegales Angebot.” Der Abbau des dritten Geldspielgeräts in der ordentlichen Gastronomie und die Abschwächung der Attraktivität des Spiels durch die Technische Richtlinie fünf hätten zu einer erheblichen Ausbreitung illegaler Automaten im Markt geführt. “Wer diese Fehlentwicklung beseitigen will, muss umsteuern. Der Vollzug muss deutlich verstärkt werden, aber es müssen auch die erlaubte Zahl der legalen Geräte und die Attraktivität des Spiels wieder erhöht werden, um das Problem an der Wurzel zu packen”, so Stecker weiter. Er betont: “Illegales Glücksspiel ist uns ein Dorn im Auge. Die Feldstudie ist ein Beitrag im Kampf gegen den Schwarzmarkt, indem sie offenlegt, was in Hinterzimmern oder auch ganz offensichtlich geschieht.” Nur wer die Umstände des Schwarzmarktes und seine Ursachen verstehe, könne realistische Lösungsansätze diskutieren und den Schwarzmarkt wirksam bekämpfen.

Kräfte bündeln

Verbundeinsätze sind sehr wichtig

(BS/Ronald Mikkeleitis) In Corona-Zeiten wird es nochmals besonders deutlich! Wenn Maßnahmen durchgesetzt werden sollen, müssen auch genügend Mitarbeitende da sein, um das durchführen zu können. Insbesondere bei zu wenig Personal lohnt es aber, über den eigenen Tellerrand zu schauen, wer sich hier gegenseitig helfen könnte. Polizei und Ordnungsamt haben sehr viele gemeinsame Schnittmengen, arbeiten aber oft unbemerkt voneinander und zum Teil dadurch auch weniger effizient.

Dort, wo man schon schnell erkannte, dass gegenseitiges Unterstützen im vernünftigen Rahmen auch deutlich bessere Ergebnisse erzielt, möchte man diese Zusammenarbeit nicht mehr missen. Zunächst müssen sicherlich gewisse “Berührungsängste” abgebaut werden. Das ist aber schnell zu erreichen, wenn man sich in gemeinsamen Besprechungen mit Polizei und Ordnungsamt nochmals detailliert die eigenen rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten erläutert. Gemeinsame Ziele sind schnell gefunden. Auch andere Hindernisse, etwa unterschiedlich genutzte Begriffe wie Einsatzbefehl, Kräfteansatz, Störer etc., kann man mit kurzen Erklärungen abbauen. Was bedeutet das nun in der Praxis? Die Möglichkeiten der Zusammenarbeit sind vielfältig, beispielhaft bei Gewerbekontrollen, Jugendschutzeinsätzen, Verkehrskontrollen im ruhenden Verkehr und vielem mehr. Aktuell lohnt sich natürlich besonders auch ein Blick auf erforderliche und gemeinsame Kontrollen der Einhaltung der Infektionsschutzmaßnahmen. Teilweise scheitern solche notwendigen Kontrollen insbesondere aufgrund von zu wenig Personal in den Ordnungsämtern. Wenn hier aber bewusst gemeinsam und mit entsprechender Aufteilung der Arbeiten nach Kernkompetenzen gearbeitet wird, werden schnell und nachhaltig Erfolge erzielt.

Deeskalierende Wirkung

Bei Kontrollen in aus Sicht der Eigensicherung bedenklichen Objekten betritt die Polizei zunächst die Räume und sichert ab. Die Mitarbeitenden der Ordnungsämter übernehmen die erforderlichen Personenkontrollen und können sich komplett darauf konzentrieren. Ihre Sicherung wird ja durch die Polizei gewährleistet. Dies macht eine sehr schnelle Kontrolle und kompetente Überprüfung möglich, wodurch auch die kontrollierten Gäste und das Personal zeitlich nur kurz in Anspruch genommen werden. Das wirkt sich äußerst deeskalierend aus, da sich bei Kontrollen häufig erst im Laufe der fortschreitenden Kontrollzeit unnötige Aggressionen aufbauen, die der Eigensicherung entgegenstehen. Wer erst einmal erkannt hat, wie gut und sicher gerade Polizei und Ordnungsamt zusammenarbeiten können, wird dieses erfolgreiche Modell sogar vertiefen wollen. Nichts geht über Kontaktaufnahme und -pflege durch gegenseitiges Verstehen. Es muss gemeinsam gehandelt werden, wo immer es geht. Gemeinsam sind wir stark.

Ronald Mikkeleitis ist ausgebildeter und langjährig tätiger Polizeivollzugsbeamter. Inzwischen arbeitet er als leitender Mitarbeiter in einem Berliner Ordnungsamt.

Foto: BS/privat

MELDUNG Krisenstäbe und Notfallpläne anpassen

(BS/mfe) Nach dem Amoklauf an der Universität Heidelberg mit einer Toten und drei Verletzten sollten lebensbedrohliche Lagen, Evakuierungen und Krisenmanagement wieder stärker in den Fokus der Zuständigen rücken. Das fordern die Verantwortlichen des Deutschen Expertenrates Besuchersicherheit (DEB). Außerdem sollten Notfallpläne und Krisenstäbe entsprechend angepasst werden. Olaf Jastrob und Dr. Hans-Walter Borries vom DEB betonen: “Universitäten und Hochschulen, gleichsam auch Schulen, sind sogenannte “weiche Ziele” für jegliche Anschlagsattentäter und auch Terroristen, da diese Einrichtungen relativ offen und frei zugänglich sind.” Denn Abschottungsmöglichkeiten zum Schutz der Studierenden sowie der Schülerinnen und Schüler würden weitgehend fehlen. Deshalb brauche es an (Hoch-)Schulen ein angepasstes ganzheitliches Sicherheitskonzept. Dazu meint Borries: “Wichtig ist, dass hohe Sicherheitsstandards den Betrieb von Hochschulen gewährleisten.” Dazu gehörten auch ausgebildete Notfall- und Krisenmanager sowie Pandemiemanager und ein Mehr an Sicherheitsstandards durch kompetente Krisenstäbe, die im Umgang mit solchen Schadenslagen regelmäßig ausgebildet und trainiert würden.

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