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Pandemie als Wegbereiterin mobiler Arbeitsformen ............................ Seite

Behörden Spiegel: Es gab eine Sondersitzung der Innenminister und -senatoren im Rahmen der Innenministerkonferenz (IMK) in Brüssel. Warum wurde dieser Ort gewählt?

Keine operativen Befugnisse für Europol

Peter Beuth sieht Behörde eher als Partner und Plattform

Peter Beuth: Die Initiative dazu, in Brüssel zu tagen, kam vom bayrischen Innenminister Joachim Herrmann, der derzeit den IMK-Vorsitz innehat. Grund dafür war, dass es in der Sicherheitspolitik inzwischen sehr viele Berührungspunkte zur Europäischen Union und damit auch nach Brüssel gibt, wo viele EU-Institutionen ihren Sitz haben.

Behörden Spiegel: Und was waren die wichtigsten Inhalte und Ergebnisse?

Beuth: Die Krise in der Ukraine hat das Treffen dominiert. Es ging hierbei insbesondere um die Aufnahme und die Verteilung von Flüchtlingen. Wichtig waren zudem die europäischen Aspekte der Sicherheitspolitik und die Verständigung über Schnittstellen zwischen der nationalen und der europäischen Ebene.

Behörden Spiegel: Unüblicherweise wurden bei der Sondersitzung der IMK keine Beschlüsse gefasst. Es wurde allerdings einstimmig eine “Brüsseler Erklärung” verabschiedet. Darin wird auch eine Weiterentwicklung von Europol verlangt. Wie stehen Sie dazu? (BS) Jüngst wurde im Rahmen der Innenministerkonferenz (IMK) über die künftige Rolle und Ausgestaltung des europäischen Polizeiamtes Europol im niederländischen Den Haag debattiert. Hier gehen die Meinungen auseinander. Wie er dazu steht, erläutert Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) im Gespräch mit dem Behörden Spiegel. Die Fragen stellten Uwe Proll und Marco Feldmann.

Behörden Spiegel: Wo kann Europol denn dann helfen?

Beuth: Europol kann die Nationalstaaten beim Austausch sowie der Datenanalyse unterstützen. Hier kann ich mir auch noch eine gewisse personelle und finanzielle Stärkung von Europol durch die EU-Mitgliedsstaaten vorstellen.

Peter Beuth (CDU) ist seit Anfang 2014 Innenminister Hessens. Zuvor war er unter anderem Generalsekretär der Landes-CDU. Seit Kurzem ist Beuth zudem Sprecher der unionsgeführten Bundesländer in der Innenministerkonferenz (IMK).

Screenshot: BS/Feldmann Behörden Spiegel: Wie sieht die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik (PKS) für Hessen aus?

Behörden Spiegel: Es gibt eine große Flüchtlingsbewegung aus der Ukraine nach Deutschland. Darunter sollen sich laut Bundespolizei rund sechs Prozent befinden, die keine ukrainischen Kriegsflüchtlinge sind, sondern eigentlich einen anderen Status hätten. Wie können sie erkannt und wie kann zudem Menschenschmuggel verhindert werden? Behörden Spiegel: Werden in Hessen Corona-Infektionen bei der Polizei als Dienstunfall anerkannt?

Beuth: Ich sehe Europol als einen wichtigen Partner der nationalen Sicherheitsbehörden. Europol sollte weiterhin vor allem als Plattform für den Daten- und Informationsaustausch fungieren sowie die Kooperation zwischen den nationalen Sicherheitsbehörden koordinieren und intensivieren. Es sollte jedoch keine eigenständig operativ handelnde Behörde darstellen. Das sehe ich auch in absehbarer Zeit nicht. Wir brauchen keine Europol-Beamten, die zum Beispiel in Wiesbaden selbst eine Hausdurchsuchung durchführen. Das gibt weder der Rechtsrahmen her, noch wäre es einsatztaktisch oder -strategisch sinnvoll. Beuth: Wir müssen sehr aufmerksam und wachsam sein. Drittstaatsangehörigen, die einen rechtmäßigen Aufenthalt in der Ukraine hatten und nun zu uns geflohen sind, wird aber zunächst Aufenthalt gewährt. Sie genießen hier dann den gleichen Status wie die ukrainischen Staatsbürger. Aber natürlich müssen wir hier sehr aufpassen, dass die Situation nicht von Schleusern und anderen Kriminellen ausgenutzt wird. Vor allem an den Grenzen gilt es, sehr aufmerksam zu sein. Beuth: Ja. Es kommt aber natürlich immer darauf an, ob der Nachweis geführt werden kann, dass die Ansteckung im Dienst oder im dienstlichen Umfeld erfolgt ist. Dabei sollten aus meiner Sicht nicht die höchsten Maßstäbe angesetzt werden. Hier versuchen wir, bestmöglich im Sinne der Polizistinnen und Polizisten

“Wir brauchen keine Europol- zu entscheiden. Wenn

Beamten, die zum Beispiel in eine Kausalität gegeben Wiesbaden selbst eine Hausdurchist, wird die Infektion selbstverständlich als suchung durchführen.” Dienstunfall anerkannt. Behörden Spiegel: Sie wollen den Einsatz sogenannter SuperRecognizer auf ganz Hessen ausweiten. Warum? Beuth: Die Aufklärungsquote in Hessen ist sehr hoch. Sie liegt inzwischen bei fast zwei Dritteln aller polizeilich bekannt gewordenen Straftaten. Außerdem haben wir einen Rückgang der Straftaten zu verzeichnen. Besondere Sorgen machen uns die Entwicklungen bei der sexualisierten Gewalt gegen Kinder und Jugendliche. Hier bemühen wir uns sehr, noch bessere Polizeiarbeit zu leisten, um diese widerlichen Straftaten zu verhindern. Denn dadurch können wir Kinder und Jugendliche vor schrecklichen Erlebnissen bewahren.

Beuth: In einigen Bereichen ist der Mensch einfach besser als der Computer. Das ist bei den Super-Recognizern der Fall. Das sind Personen, die Gesichter besonders gut wiedererkennen können. Das ist eine beeindruckende Fähigkeit, die wir zunächst im Rahmen eines Pilotprojektes im Polizeipräsidium Frankfurt am Main erprobt haben. A u fgrund der zahlreichen Ermittlungserfolge der Super-Recognizer werden wir diese nun landesweit einführen. Denn diese besondere Fähigkeit, Personen aus großen Bilddatenbeständen wiederzuerkennen, hilft der Polizei massiv weiter. Dabei setzen wir nur

auf Polizisten, nicht auf externe Kräfte. Behörden Spiegel: Welche Kriminalitätsbereiche ragen noch heraus? Beuth: Die Bekämpfung des Rechtsextremismus ist uns ein sehr wichtiges Anliegen. Hier haben wir bereits einen sehr hohen Verfolgungsdruck aufgebaut. Eben“Europol kann die National- falls sehr staaten beim Austausch erfolgreich sowie bei der Datenanalyse – in Zusammenarbeit unterstützen.” mit anderen Bundesländern – waren und sind wir bei der Bekämpfung von Wohnungseinbruchdiebstahl. Außerdem versuchen wir kontinuierlich, das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger zu verbessern. Behörden Spiegel: In der jüngeren Vergangenheit gab es mehrere Skandale bei der hessischen Polizei. Ist die Aufarbeitung hier abgeschlossen?

Beuth: Die Fälle haben deutlich gemacht, dass wir das Thema Führungs- und Fehlerkultur in der Polizeiorganisation noch mal neu betrachten müssen. Das ist ein sehr umfangreicher Prozess, der insbesondere Zeit bedarf. Fest steht aber bereits jetzt, dass wir schon jetzt deutlich mehr Transparenz in die Polizeiorganisation gebracht haben. Hierauf bauen wir auf. Zu betonen ist, dass die Reform aus der Polizei selbst heraus erfolgen muss.

Ein Videointerview mit Minister Beuth findet sich unter https://www.digitaler-staat. online/2022/04/07/interviewmit-hessens-innenminister-peterbeuth/.

MELDUNG Neuer Polizeivertrag

(BS/mfe) Der bisher gültige Polizeivertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz stammte aus dem Jahr 1999. Seither hat sich die Kriminalität massiv verändert. Deshalb war es an der Zeit für eine Überarbeitung. Die novellierte Fassung wurde nun unterzeichnet. So wurde der Austausch von Beamtinnen und Beamten mit Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse vereinfacht. Neue Regelungen zur polizeilichen Zusammenarbeit wurden zum Zeugen- und Opferschutz, zu polizeilichen Maßnahmen in Zügen und Schiffen und für eine engere Zusammenarbeit von Verbindungsbeamten aufgenommen. Außerdem werden Grenzübertritte von Beamten zur Abwehr einer gegenwärtigen oder unmittelbaren Gefahr für Leib oder Leben ermöglicht.

Die Privatwirtschaft hat schnell auf die Notwendigkeit reagiert, Infektionsketten auch dadurch zu brechen, ihre Belegschaft von zu Hause aus arbeiten zu lassen. Behörden, die nun wahrlich nicht den Ruf als Innovationstreiber genießen, haben nachgezogen – vielfach mit eher durchwachsenem Ergebnis. Für das Hessische Polizeipräsidium für Technik (HPT), das zentrale Kompetenzzentrum für Technik und Einsatzmittel der hessischen Polizei, ist daraus jedoch ohne Zweifel eine Erfolgsgeschichte geworden: zunächst mit einem enormen Aufwuchs von mobilen Endgeräten, elektronischen Kommunikationssystemen und einer Stärkung der digitalen Infrastruktur in beeindruckender Geschwindigkeit in der gesamten hessischen Polizei und auch dem HPT.

Darüber hinaus mit organisatorischen Veränderungen, die bislang einzigartig in der (hessischen) Polizei sind: Mitte letzten Jahres begann die eigens hierfür ins Leben gerufene Arbeitsgruppe unter Mitarbeit des Personalrates ihre Arbeit und erstellte kurzfristig eine neue “Dienstanweisung Homeoffice”, die es den HPT-Beschäftigten erlaubt, an bis zu drei Tagen in der Woche von zu Hause aus zu arbeiten, wenn es der Dienst zulässt. Hierbei handelt es sich um eine pilotierte Regelung, um erste Lehren aus der Pandemie frühzeitig in die neuen Arbeitsprozesse der Behörde einzubeziehen und diese langfristig, also auch in einer Zeit nach der Pandemie, in die behördliche Arbeitsstruktur zu etablieren.

Dies war leichter gesagt als getan, denn in der Behörde – wie in der Polizei im Allgemeinen – herrschte bis dato weitestgehend eine Präsenzkultur vor. Aus diesem Grund – sowie um sicherzugehen, dass hier nichts aus dem Elfenbeinturm heraus erarbeitet wird, das letztlich an den Interessen der Beschäftigten vorbeigeht – führte die Arbeitsgruppe im Spätsommer 2021 eine Online-Befragung der rund 460 HPT-Beschäftigten durch. “Die großartige Teilnahmequote von über 61 Prozent zeigt, dass das Thema mobile Arbeit den Beschäftigten überaus wichtig ist!”, so der Arbeitsgruppenleiter und Autor der Studie, Polizeihauptkommissar Marcel Müller. Der Fokus der Studie liegt dabei auf den neuen mobilen Arbeitsformen sowie den hierfür notwendigen Voraussetzungen: etwa den sich hieraus ergebenden Chancen und Risiken für das HPT oder den möglichen Auswirkungen auf die Beschäftigten und den behördlichen Arbeitsalltag.

Studie zu Homeoffice veröffentlicht

Pandemie als Wegbereiterin mobiler Arbeitsformen

(BS/Karl-Heinz Reinstädt) Hat die Pandemie auch ihr Gutes? Eine provokante Frage, die grundsätzlich mit einem klaren Nein zu beantworten ist. Deshalb stellen wir sie anders: Haben wir die Gelegenheit genutzt, um aus der Pandemie zu lernen? Dies wollten wir genauer wissen. Deshalb haben wir auf Initiative des örtlichen Personalrats eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich mit dieser und weiteren Fragestellungen rund um das Thema Homeoffice befassen sollte.

Darüber hinaus soll sie potenzielle Lösungsansätze aufzeigen und als Orientierung für künftige Dienstvereinbarungen zur mobilen Arbeit dienen. “Mir ist sicherlich bewusst, dass unsere Erfahrungen als Spezialbehörde nicht in vollem Umfang auf andere Behörden übertragbar sind, aber ich bin überzeugt davon, dass die Studie dennoch wichtige Erkenntnisse für eine progressive Arbeitswelt im Behördenumfeld liefert”, sagt Kriminalhauptkommissar Mark Weber, Vorsitzender des örtlichen Personalrats und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft. Mehrheit ist höchst zufrieden Die Ergebnisse der Umfrage sind eindeutig: Eine klare Mehrheit ist mit der Regelung höchst zufrieden. Der Hauptgrund liegt in der leichteren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, kurz: einer besseren Work-Life-Balance. Insgesamt zeichnet sich ab, dass die Beschäftigten – in einer von vielen als immer schnelllebiger empfundenen Welt – zunehmend daran interessiert sind, ihren (Arbeits-)Alltag zu entschleunigen und potenzielle Stressoren zu reduzieren. Durch die Teilnahme an der mobilen Arbeit können nicht nur das Berufs- und Privatleben besser miteinander verbunden werden, sondern gleichfalls lange Fahrtwege beziehungsweise -zeiten sowie hiermit verbundene – Stress fördernde – Verkehrsstaus vermieden werden. Auch die Empfindung der Beschäftigten, im Homeoffice regelmäßig konzentrierter und effizienter arbeiten zu können, legt in der Folge eine Reduktion von Stressoren nahe. Hiervon profitieren also nicht nur die Beschäftigten, sondern

gleichfalls das HPT. Denn es hat seine Attraktivität als (moderner) Arbeitgeber enorm gesteigert – in Zeiten des schmerzenden Fachkräftemangels ein enorm wichKarl-Heinz Reinstädt ist Präsi- tiges Prädikat. dent des Hessischen Polizeipräsidiums für Technik (HPT) in Wiesbaden. Foto: BS/HPT Neue Führungskultur erforderlich

Nicht verschwiegen werden sollen jedoch die mit den neuen Arbeitsformen einhergehenden “Risiken und Nebenwirkungen”. Dazu gehört beispielsweise die Notwendigkeit der Etablierung einer neuen Führungskultur,

MELDUNG Veränderte modulare Qualifizierung

(BS/mfe) Bei der nordrheinwestfälischen Polizei wird es Veränderungen bei der modularen Qualifizierung geben. Einiges ist bereits geändert, anderes steht noch aus. Komplett neu ist die modulare Qualifizierung aber nicht. Neu ist jedoch, dass inzwischen nur noch eine Bewerbung für die modulare Qualifizierung als solche stattfindet. Dabei kann eine Wunschdienststelle angegeben werden. Früher musste die Bewerbung auf eine konkrete Stelle erfolgen. Gleich bleibt dabei, dass für den dann vorgenommenen Aufstieg vom gehobenen in den höheren Polizeivollzugsdienst kein weiteres Studium, etwa an der Deutschen Hochschule der Polizei (DHPol), erforderlich ist. Voraussetzungen für eine Teilnahme an der modularen Qualifizierung sind eine mindestens gute dienstliche Beurteilung und das erfolgreiche Durchlaufen eines Auswahlverfahrens. Zudem müssen Bewerberinnen und Bewerber seit mindestens drei Jahren einen Posten der Besoldungsgruppe A 13 innehaben. Hintergrund der Veränderung ist eine Reform der entsprechenden Laufbahnverordnung im vergangenen Jahr. Allerdings sind noch einige Punkte offen und noch nicht umgesetzt. So soll es künftig für Absolventen der modularen Qualifizierung die Möglichkeit geben, bis maximal zur Besoldungsgruppe A 16 befördert zu werden. Bislang gab es bei der nordrhein-westfälischen Polizei nur die Möglichkeit, entweder mit einem DHPol-Studium in den höheren Dienst zu kommen oder über den sogenannten Bewährungsaufstieg. Davon profitierten jedoch nur wenige. Problematisch ist die Veränderung für die DHPol. Denn sie wird hier außen vor gelassen. An der Hochschule der Polizei Brandenburg gibt es zudem inzwischen einen Masterstudiengang Kriminalistik. Dieser berechtigt allerdings nicht für den höheren Dienst.

wonach die Beschäftigten nicht primär an ihrer Anwesenheit, sondern an ihrem tatsächlichen Work-Load gemessen werden: Das scheint den Führungskräften bisher schwerer zu fallen als den übrigen Beschäftigten. Eine weitere Befürchtung sind negative Auswirkungen auf die sozialen Kollegenkontakte, das Arbeitsklima und die Identifikation mit der Behörde. All das gilt es zu berücksichtigen. Wir müssen kontinuierlich am Ball bleiben. Ein ausführlicher Forschungsbericht mit den Ergebnissen erschien jüngst im Verlag für Polizeiwissenschaft (Marcel Müller: “Plötzlich im Homeoffice: die Pandemie als Wegbereiter mobiler Arbeitsformen im Öffentlichen Dienst. Eine aktuelle Studie am Beispiel des Hessischen Polizeipräsidiums für Technik”; ISBN: 978-3-86676-733-1).

Behörden Spiegel: Wie wird sich der BND verändern beziehungsweise künftig aussehen? BND mit neuer Organisation

Dr. Bruno Kahl: Seit 2019 arbeitet der BND in einem Prozess der strategischen Modernisierung daran, den Dienst zukunftsfähig auszugestalten, indem er systematisch und strukturiert Verbesserungspotenziale in allen Bereichen des Hauses hebt und nachhaltige Lösungswege für Verbesserungen entwickelt. Das strategische Ziel einer modernen Organisation kann er dabei nur durch grundlegende strukturelle Anpassungen erreichen.

Behörden Spiegel: Wie sieht das konkret aus?

Abteilungen werden neu zu schaffenden Bereichen zugeordnet

(BS) Der Bundesnachrichtendienst (BND) ist einer von drei Nachrichtendiensten des Bundes. Er entwickelt sich kontinuierlich weiter. Das betrifft auch seine interne Organisation. Hierüber spricht die Behörden Spiegel-Redaktion mit dem Präsidenten der Behörde, Dr. Bruno Kahl. Die Fragen stellte Marco Feldmann.

Behörden Spiegel: Wie agieren Sie hier?

Kahl: In einer neuen Aufbau- und Ablauforganisation wollen wir das All-Source-Prinzip durch eine engere Verzahnung der Auswertung mit allen nachrichtendienstlichen Beschaffungsarten deutlich stärken. Ähnliche Aufgaben sollen so weit wie möglich zusammengelegt werden, um die Gesamtleistung und Schnelligkeit des BND weiter zu erhöhen. Im neuen BND sollen insgesamt organisatorische Rahmenbedingungen herrschen, die ein zeitgemäßes Personalwesen und moderne Informationstechnik befördern. Zudem sollen die vertikalen wie horizontalen Entscheidungsprozesse eindeutiger gefasst sein. Behörden Spiegel: Welche Veränderungen wird es geben? Kahl: Wir gehen bei der Konzeption kaskadierend vor. Dies bedeutet, dass wir erst einmal ein funktionales Grundmodell entwickelt haben, aus dem sich die Grundstruktur der fünf neuen Bereiche ableitet. Für diese fünf Bereiche haben wir jeweils eine Transformationsleitung benannt, die mit Unterstützung des Projektteams zur Neuorganisation die weitere Ausgestaltung der darunterliegenden Ebenen im eigenen Bereich übernimmt: Sie planen Aufgabenverteilung und Zuschnitt der nächstniedrigeren Ebene und schla-

“Der BND erhält ein neues gen für dieorganisatorisches Gerüst, se wiederum Transformain das die Aufgaben und tionsleitun-

Abläufe logisch und strikt gen vor. So funktional eingebettet sind.” setzen wir die Neuorganisation Schritt für Schritt gemeinsam mit den Führungskräften der verschiedenen Ebenen um, bis alle Organisationseinheiten ausgestaltet und aufeinander abgestimmt sind.

Kahl: Der BND erhält ein neues organisatorisches Gerüst, in das die Aufgaben und Abläufe logisch und strikt funktional eingebettet sind. Sämtliche Aufgaben, die bisher in elf Abteilungen erledigt wurden, werden funktional fünf neu zu schaffenden Bereichen zugeordnet, die sich jeweils der Beschaffung, Auswertung, operativen Unterstützung, IT-Unterstützung und administrativen Unterstützung widmen.

Behörden Spiegel: Bis wann soll die Neuorganisation abgeschlossen sein?

Kahl: Wir streben die Einnahme der Neustruktur noch in diesem Sommer an, müssen aber auch die Unwägbarkeiten einpreisen, die Corona und die prioritäre Bearbeitung des Ukraine-Kriegs mit sich bringen und die den ga-

“In einer neuen Aufbau- und Ablauforganisation wollen wir das All-SourcePrinzip durch eine engere Verzahnung der Auswertung mit allen nachrichtendienstlichen Beschaffungsarten deutlich stärken.”

Dr. Bruno Kahl ist seit 2016 Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND).

Foto: BS/Feldmann

samten Prozess durchaus noch beeinflussen können.

Behörden Spiegel: Verändern sich durch die Neuorganisation auch interne Kontrollmechanismen?

Kahl: Es ist ein wesentliches Ziel der Neuorganisation, die Verantwortung der verschiedenen Führungsebenen deutlich zu stärken und damit auch die interne Qualitätskontrolle weiter zu verbessern. Zudem soll eine gesamtdienstliche Steuerung der Aufgaben und Aufträge für mehr interne Transparenz sorgen und es soll eine eigene Einheit für Compliance-Fragen entstehen, um die Einhaltung geltenden Rechts systematischer und noch nachhaltiger sicherzustellen.

Behörden Spiegel: Und wie sieht es mit der externen Kontrolle aus?

Kahl: Die Gestaltung der externen Kontrolle ist naturgemäß nicht Aufgabe des BND selbst, sondern der Politik. Unsere Neuorganisation ist so angelegt, dass sie sich in das bestehende Kontrollregime durch Bundesregierung, Bundestag, Gerichte sowie weitere zuständige Gremien und Behörden nahtlos einfügen kann.

Behörden Spiegel: Wird sich die Neuorganisation auch auf die BNDLeitungsebene auswirken?

Kahl: Sowohl die Entscheidungsbefugnisse der Führungskräfte auf allen Ebenen wie auch die gesamtdienstliche Steuerung durch die Leitung werden deutlich gestärkt. Dies bedeutet zum einen, dass Detailfragen nicht mehr bis zur Ebene von Präsident und Vizepräsident hocheskaliert werden müssen, zum anderen aber auch, dass es eine klarere Hauslinie zu grundsätzlichen Fragen geben wird, an der sich alle Bereiche auszurichten haben. Beides zusammen gibt allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des BND mehr Handlungssicherheit. Behörden Spiegel: Wie sieht die Arbeitsteilung auf Leitungsebene konkret aus?

Kahl: Der Präsident vertritt den Bundesnachrichtendienst gegenüber Bundesregierung und Parlament, was hochrangige Briefingformate sowie das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags umfasst. Er verantwortet die strategische Steuerung des Dienstes und gestaltet die Beziehungen zu unseren strategischen Partnern im Ausland. Zudem ist er Impulsgeber zur Weiterentwicklung der nationalen Sicherheitsarchitektur.

Behörden Spiegel: Und was machen die Vizepräsidenten?

Kahl: Der Vizepräsident für zentrale Aufgaben Michael Baumann trägt grundsätzlich die Linienverantwortung für die Auswertung und die Beschaffung. Er steuert Haushalt, IT, Verwaltung sowie die bereichsübergreifende Ressourcensteuerung des BND. Vizepräsident Ole Diehl verantwortet die strategische Ausrichtung der Kooperationen mit ausländischen Diensten und vertritt den Präsidenten im Hinblick auf die Lage. Vizepräsident Wolfgang Wien berät den Präsidenten in militärischen Angelegenheiten, insbesondere der Landes- und Bündnisverteidigung, und richtet die Inlandskooperationen des BND strategisch aus.

Behörden Spiegel: Wird sich der BND durch die Neuorganisation auch personell verändern?

Kahl: Wir planen den Go-Live mit dem hochqualifizierten Personal, das wir gegenwärtig haben. Möglichen Mehrbedarf in bestimmten Bereichen sowie bei Zukunftsthemen werden wir über einen neuen Jahresplanungsprozess identifizieren und in den parlamentarischen Prozess einbringen, damit der einzige zivile, militärische und technische Auslandsnachrichtendienst Deutschlands auch künftig genug und die richtigen Fachleute hat, um seinen gesetzlichen Auftrag wirkungsvoll erfüllen zu können.

Behörden Spiegel: Bleibt der Standort in Pullach bestehen?

Kahl: Die funktionale Neuorganisation des BND stellt die zahlreichen Dienststellen im In- und Ausland nicht infrage, im Gegenteil: Durch die rein funktionale Logik werden zukünftig alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unabhängig davon, wo genau sie eingesetzt sind, eine engere Anbindung an ihren jeweiligen Bereich haben. Die Modernisierung der Dienststelle Pullach und damit auch der Ausbau unseres zweiten Großstandorts zum Technischen Aufklärungszentrum Pullach führen wir unverändert fort. Die Fähigkeiten der technischen Aufklärung des BND werden mit allen Elementen erhalten und weiterentwickelt, nur eben in einer neuen organisatorischen Struktur.

Unter Schirmherrschaft von Scheich Mohammed bin Rashid Al Maktoum, Vizepräsident und Premierminister der VAE und Herrscher von Dubai, bot die Veranstaltung eine internationale Leistungsshow polizeilicher Technologien und vielfältige Diskussionen zu Organisation und Arbeitsweisen der Sicherheitsbehörden in aller Welt. Und wie fast alles, was Scheich Rashid Al Maktoum anfasst – Immobilien, Häfen, Meeresinseln, Technologieförderung, Gesundheitspolitik etc. –, kam auch dieser Event in Übergröße und mit technischem Innovationsanspruch daher. Rund 200 hochkarätige Vortragende und über 2.000 Delegierte von Polizeien aus rund 50 Ländern zählten die Organisatoren am Ende. Hinzu kamen danach noch mehr als 10.000 Besucherinnen und Besucher. Zeitweise sah es in der Tat so aus, als hätten sich sämtliche Einsatzkräfte der VAE-Polizei in den Hallen des Dubai Exhibition Centers eingefunden. Rund 150 Aussteller bestückten die begleitende Ausstellung, darunter auch etliche Hersteller aus der Region. Insgesamt sechs teilweise mehrtägige Konferenzen verteilten sich über die vier Veranstaltungstage. Das Spektrum reichte von Überblicksthemen wie Kriminalitätsprävention und polizeilicher Innovation und Resilienz über technische Neuerungen des Drohneneinsatzes und die polizeiliche Forensik bis zur Bekämpfung des Drogenhandels und schließlich zu einer Tagung mit dem kryptischen Titel “K9 Conference”. Dieser erschließt sich allerdings, wenn man K9 lautmalerisch auf Englisch als “canine” ausspricht: Hier

Internationale Polizeiarbeit der Zukunft

“Smart. Sicher. Gemeinsam.”

(BS/Dr. Barbara Held) Erstmals hat die Polizei von Dubai die globale Sicherheitsbranche zu einem “World Police Summit” in die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) eingeladen. Der Event fand auf dem futuristisch gestalteten Gelände der nachgeholten Weltausstellung “World Expo 2020” statt.

ging es in der Tat um HightechAusrüstungen für Polizeihunde und deren Einsatzmöglichkeiten.

Weltweite Bedrohungsszenarien

Die bedeutendsten Bedrohungsszenarien zogen sich quer durch alle Konferenzen: Cyber Crime in allen Varianten, Fake News, Künstliche Intelligenz (KI) und Deep Fake, Flüchtlings- und Migrationsproblematik, Menschenhandel sowie Terrorismus, insbesondere vor dem Hintergrund regionaler Konflikte und im Zusammenhang mit den Folgen des Klimawandels. Die Bemühungen der VAE, sich mit ihrer verkehrstechnisch zentralen Lage und einer zumindest Ausländern gegenüber liberalen Politik als eine Art Schweiz des Mittleren Ostens zu etablieren, scheinen bei diesem World Summit gefruchtet zu haben. Auf den Podien sprachen zahlreiche Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem asiatischen Raum – Indien, Malaysia, China, Südkorea, Japan etc. – sowie Neuseeland und Australien. Lateinamerika war unter anderem mit Delegierten aus Brasilien, Chile und Kolumbien dabei. Vornehmlich Best Pratice-Beispiele kamen aus den Metropolen der USA und Kanadas. Europa war vor allem mit den großen Polizeien des Vereinigten Königreichs, aus Frankreich, Spanien und den Niederlanden vertreten. Von deutscher Seite ergriffen auf dem gesamten Event allerdings allein Horst Kretzschmar, der inzwischen pensionierte Landespolizeipräsident Sachsens, sowie Volker Orban, der Präsident von ROADPOL, der Vereinigung der europäischen Verkehrspolizeien, das Wort.

Viele Frauen

Im Übrigen waren beeindruckend viele Frauen, in Uniform wie zivil, auf der Ausstellung und in den Vortragssälen zu sehen, und dort nicht etwa nur im Zuschauerraum, sondern auch auf den Podien. Da ist offensichtlich eine Generation gut ausgebildeter und selbstbewusster Frauen in polizeiliche Führungspositionen gelangt, die etwas zu sagen haben, weltweit – aber gerade auch in den arabischen Ländern, die sich für die Zeit “nach dem Öl” aufstellen. Einig war man sich durchweg darüber, dass die aus Digitalisierung und Cyber Space entstehenden Bedrohungen nur mit grenzüberschreitender, oft auch globaler Zusammenarbeit limitiert und bekämpft werden können. Besonders eklatant ist das im Finanzsektor, wo Kryptowährungen neue Formen von Betrug und Diebstahl produzieren. Insbesondere Facebooks Metaverse-Visionen werden mit großen Befürchtungen beobachtet. Andererseits hat im Bereich Finanz- und Wirtschaftskriminalität die intelligente, grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Firmen und Regierungsbehörden auch schon beachtliche Best PraticeFälle produziert. So berichtete unter anderen Scott Janezic von der IBM Security X-Force von einem erfolgreichen, international koordinierten Zugriff auf eine estnische cyber-kriminelle Firma.

“Cyber Literacy” als Pflicht

Im Hinblick auf die künftige Befähigung der Polizei ist damit klar: “Cyber Literacy” ist Pflicht. Künftige Einsatzkräfte müssen entsprechend ausgesucht und ausgebildet werden. Trotzdem bleibt der wichtigste Faktor bei der erfolgreichen Verbrechensbekämpfung nach einhelliger Meinung: Vertrauen. Das fängt bei der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Chef beziehungsweise Chefin und dem Team an. In der digitalen Welt wird das Vertrauen in die eigenen – und fremden – Daten immer bedeutsamer. Das wird vor allem beim Einsatz von KI deutlich: Geben die Daten die Realität angemessen und damit glaubhaft wieder? Auf internationaler Ebene spielt die “polizeiliche Diplomatie” eine wichtige Rolle, besonders wenn langfristige persönliche Kontakte entstehen. Da hat Corona möglicherweise sogar einen positiven Schub bewirkt: Durch die Umstellung auf virtuelle Kontakte hat man sich über Kontinente hinweg eher häufiger “gesehen” als früher. Technische Innovationen als Treiber

Die Fähigkeit zur Entwicklung und zum Einsatz hochmoderner Technologien stand vor allem bei den Vortragenden aus den gastgebenden VAE deutlich im Vordergrund. Beispielhaft ist hier die Aussage von Jasim Al Awadi, dem Vertreter des einheimischen Telekommunikations-Providers DU: “We are early adopters! Always!” Dubai sei bereits jetzt weltweit der führende Akteur in der 5GTechnologie. Bis Ende 2023 will man 96 Prozent Abdeckung mit 5G in den VAE garantieren. Bereits jetzt werden 5G-Slices als Stand-alone-Netzwerk vor allem an Firmen vergeben. Al Awadis Abschluss-Statement spiegelte den aktuellen Optimismus: “We are future-ready as a nation to harness the digital journey!” Dazu passte der Prototyp eines fahrerlosen Streifenwagens einheimischer Produktion, den die Besucher im Foyer bewundern konnten. Ein Pilottest mit fahrerlosen Taxis läuft derzeit schon auf einer der Inseln vor Dubai. Der Streifenwagen ist durchaus ernst gemeint. Der futuristische Marketingfilm zur smarten Polizeiarbeit in 50 Jahren, der zum Konferenzauftakt vorgeführt wurde, drehte das Szenario dann noch weiter. Neben jeder Menge automatisierten Dronen, die zur Verfolgung von Schwerverbrechern wie auch Verkehrssündern eingesetzt wurden, schwang sich auch ein flugfähiger Streifenwagen elegant in die Lüfte. Nach erfolgreicher Verbrecherjagd enthüllte das Zoom ins Cockpit: Am Steuer saß eine junge Frau in Uniform.Die Polizei Dubai plant bereits den zweiten World Police Summit für Februar 2023. Dem Vernehmen nach soll dieser aber nicht mehr in den Hallen des rund 45 Kilometer vom Stadtzentrum entfernten Expo-Geländes, sondern im zentral gelegenen World Trade Center stattfinden.

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