Ausgabe September 2018

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Open House for Open Minds!

Nr. 03 — 2 018

DAS MAGA ZIN DER B E R LI N E R PH I LH AR M ON I K E R

CHINA UND DIE MUSIK

Nach der Sommerpause 2018 öffnet ein neues Highlight im Herzen Berlins seine Türen. Im historischen Prinzessinnenpalais, Unter den Linden 5, präsentiert die Deutsche Bank künftig ihre künstlerischen, kulturellen und sportlichen Projekte unter einem Dach.

#PositiverBeitrag

€ 7,00 (D)

Nr. 03 — 2 018

Freuen Sie sich auf ein zukunftsweisendes Forum zum Neu- und Querdenken mitten in Berlin.

KLASSIKBOOM IM REICH DER MITTE

GEORGE BENJAMIN: ARTIST IN RESIDENCE

HEISST ES HIP-HOP ODER RAP?

China und die westliche Kultur

Der Komponist und Dirigent im Gespräch

Ein subkulturelles Glossar


VORSPIEL — EDITORIAL

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»128« heißt dieses Magazin der Berliner Philharmoniker, abgeleitet von der Anzahl der Mitglieder des Orchesters (wenn es voll besetzt ist). Mit diesem Namen und dem Seitenumfang des Hefts wollen wir betonen, woraus die Besonderheit dieses Kollektivs erwächst: aus den ganz individuellen Qualitäten jedes einzelnen Musikers, jeder einzelnen Musikerin, die schließlich im Spiel einen einzigartigen Ensemblegeist prägen.


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Liebe Musikfreunde, der Wandel, der sich in China derzeit vollzieht, ist radikal und beeinflusst viele Ebenen des Lebens – nicht nur vor Ort. Auf ihren Tourneen konnten die Berliner Philharmoniker immer wieder aus nächster Nähe beobachten, wie sehr er neben Politik, Wirtschaft und Gesellschaft auch die Kultur betrifft – und dabei insbesondere die westliche klassische Musik, die im Reich der Mitte einen ungeheuren Aufschwung erlebt hat. Nach einem ersten Gastspiel 1979 ist das Orchester 2005, 2011 und 2017 durch das Land getourt. Bevor es im kommenden November wieder dorthin aufbricht, widmen wir dem Thema »China und die Musik« einen Schwerpunkt, der nicht nur Gründe und Auswirkungen des dortigen Klassikbooms beleuchtet, sondern auch unsere Ohren für Chinas reiche Musiktradition öffnen möchte. Im Ressort Berliner Philharmoniker stellen wir Ihnen unseren Composer in Residence der Saison 2018/2019 vor: George Benjamin gewährt uns einen ausführlichen Einblick in seine Kompositionswerkstatt und seine Arbeit als Dirigent und verrät uns, warum künstlerische Freiheit für ihn Fluch und Segen zugleich ist. Daneben porträtieren wir den Dirigenten Jakub Hrůša, der mit einem rein tschechischen Programm am Pult der Berliner Philharmoniker debütiert. Und wir ergründen das Phänomen Teodor Currentzis, der mit seinem Ensemble musicAeterna stets für Aufsehen sorgt. Im Feuilleton schließlich widmen wir uns dem derzeit weltweit populärsten musikalischen Genre, das aber zuletzt unschöne Schlagzeilen produzierte: Unser Glossar wirft einen differenzierten Blick auf die Kultur des Hip-Hop und zeigt, wo es sich – abseits von Gewaltverherrlichung, Frauenfeindlichkeit und Antisemitismus – lohnt, doch einmal genauer hinzuhören. Mit dieser Ausgabe des Magazins verabschiedet sich Carsten Fastner, der als Chefredakteur zum »Elbphilharmonie Magazin« nach Hamburg wechselt. An seiner Stelle wird künftig Oliver Hilmes die Redaktion leiten. Ich wünsche Ihnen wie immer eine anregende und unterhaltsame Lektüre Ihres »128« und viele unvergessliche Konzerte mit den Berliner Philharmonikern.

Herzlich, Ihre Andrea Zietzschmann

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V O R S P I E L — I N H A LT

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INH A LT Thema: China und die Musik Ein Schwerpunkt

George Benjamin Artist in Residence der Berliner Philharmoniker

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92

60

Claude Debussy Gibt es eine »DebussySchule«?

Hip-Hop Ein Glossar zur populärsten Jugendmusik

Fotos: shutterstock (oben links); Matthew Lloyd (Benjamin); Archiv Berliner Philharmoniker (Debussy); picture alliance / AP Photo (Cardi B)

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TH E MA: CH I NA U N D D I E MUSIK

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Weltmacht im Westwind Die wichtigsten neuen Kulturzentren in Chinas Mega-Städten Vo n W o l f g a n g F i n k

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Stimmenspiel und Göttergong Eine Einführung in die traditionelle chinesische Musik Vo n F r a n k K o u w e n h o v e n

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»Du bist meine Venus, mein geliebter Karl Marx« Die Glosse Vo n K a i S t r i t t m a t t e r

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Neugierig aufs Abendland Ein Besuch bei chinesischen Musikstudenten in Berlin

B E R LI N E R PH I LHAR MON I KE R

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»Klarheit ist der schnellste Weg, in die Tiefe der Dinge zu gelangen« George Benjamin, der neue Artist in Residence, im Gespräch Vo n A r n t C o b b e r s

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Tradition des ständigen Fortschritts Das Streichquartett in der Neuen Musik Vo n S u s a n n e Z i e s e

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Hebamme der Musik Der Cellist Alban Gerhardt im Porträt Vo n B j ø r n W o l l

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Ausdruck geht vor Tempo Jakub Hrůša debütiert am Pult der Berliner Philharmoniker

Vo n A n j a D i l k

Vo n A l e x a n d e r D i c k

Zu Gast beim Publikum von morgen Die Berliner Philharmoniker und ihre Konzertbeziehungen zu China

Klosterbrüder, Partisanen und Nudisten Teodor Currentzis und sein Ensemble musicAeterna

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Vo n To b i a s M ö l l e r

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Traditionell innovativ Zehn Jahre Digital Concert Hall Vo n B e n e d i k t v o n B e r n s t o r f f

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Mein Instrument als Lebenspartner Diesmal mit Raphael Haeger und seinem Schlagzeug

FE U I LLETON

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Auffallen, yo! Hip-Hop ist mehr als nur dumpfe Pöbeleien. Ein Glossar Vo n S e b a s t i a n F a s t h u b e r

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Gezirpt und gezupft Ein Konzert macht auf das Insektensterben aufmerksam. Vo n N a t a l i e S c h w a r z

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Vo n S u s a n n e S t ä h r

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One-Hit-Wonder Max Bruch, der Mann mit dem einen Violinkonzert Vo n W o l f g a n g S t ä h r

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Verfangen im Klanggespinst Claude Debussy und seine »Schule« Vo n M i c h a e l S t e g e m a n n

VOR S PI E L

03 06 08 12

Vorwort Text & Bild Nachrichten Zahlenspiel

NACH S PI E L

118 124 127 128

Bücher und CDs Konzertkalender Cartoon Impressum


VORSPIEL — TE XT & BILD

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WOLFGANG FINK

F R A N K KO U W E N H OV E N

K A I S T R I T T M AT T E R

Wolfgang Fink, 1954 in Reutlingen geboren, ist promovierter Musikwissenschaftler. Er lebt als Autor und Berater in Berlin und hat zahlreiche Beiträge in internationalen Musikpublikationen veröffentlicht. Zuvor war er u. a. Administrateur général des Orchestre philharmonique de Strasbourg, Intendant der Bamberger Symphoniker, Director of Artistic Operations bei der Sydney Symphony, künstlerischer Berater beim Orchestre national de Lyon, Chefdramaturg des Schleswig-Holstein Musik Festivals und Programmgestalter in der Alten Oper Frankfurt.

Der Niederländer Frank Kouwenhoven, 1956 geboren, ist einer der führenden Experten für chinesische Musik. Seit 1986 führt er in China regelmäßig Feldforschungen zu Volksliedern und anderen traditionellen Genres durch und präsentiert die Ergebnisse in Büchern, Fachartikeln und Fernsehdokumentationen. Er ist Mitbegründer und Direktor von CHIME, einer internationalen Plattform für chinesische Musik, produziert Filme und CDs, organisiert Ausstellungen und Konzerttourneen für chinesische Musiker im Westen. Zudem unterrichtet er an der Universität Leiden und ist musikalischer Berater zahlreicher Festivals in Europa und den USA. (www.fkouwenhoven.com)

Kai Strittmatter, 1965 im Allgäu geboren, beschäftigt sich mit China seit seinem 18. Lebensjahr. Er studierte Sinologie in München, Xi’an (Volksrepublik China) und Taipei (Taiwan) sowie Journalismus an der Münchner Deutschen Journalistenschule. Für die »Süddeutsche Zeitung« wurde er 1997 Korrespondent in China. Nach einem Intermezzo in der Türkei (2005-2012) arbeitet er seit 2012 wieder für die »SZ« in Peking. Strittmatter hat mehrere Bücher über Istanbul, Hongkong und China veröffentlicht, darunter die »Gebrauchsanweisung für China«. Im Herbst wird sein neues China-Buch erscheinen, »Die Neuerfindung der S.38 Diktatur« (Piper, 2018). "

S.16 "

S.30 "

Fotos: Thomas Müller (W. Fink); privat (Rest)

TEXT & BILD


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ANJA DILK

ALEX ANDER DICK

S E B A S T I A N FA S T H U B E R

Anja Dilk studierte Geschichte, Politik und Literaturwissenschaft in Bonn, Aix-en-Provence und Berlin und absolvierte nach dem MagisterAbschluss eine Redakteursausbildung an der Deutschen Journalistenschule in München. Nach einigen Jahren als Redakteurin bei der »taz« und der »ZEIT« arbeitete sie als Ressortleiterin und Reporterin bei der New-Economy-Wochenzeitung »Net-Business« in Hamburg und baute später das Berliner Büro des Online-Magazins »changeX« auf. Heute arbeitet sie als freie Autorin und Redakteurin u. a. für »enorm«, ein Magazin für nachhaltige Ökonomie, die »taz«, »ZEIT Wissen«, »Spiegel online« und die »Süddeutsche Zeitung«. Ihre Themenschwerpunkte reichen von Bildung, neuer Arbeitswelt und nachhaltiger Ökonomie bis zu gesellschaftlichem Wandel und S.40 Digitalisierung. "

Alexander Dick ist seit 2001 Musikredakteur bei der »Badischen Zeitung« in Freiburg, wo er seit 2004 das Kulturressort leitet und intensiv, aber auf verlorenem Posten, für den Erhalt des SWR-Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg kämpfte. Geboren 1962 in Marktredwitz, studierte er Schulmusik, Germanistik sowie Musiktheaterwissenschaft an der Universität Bayreuth und war Mitarbeiter beim Forschungsinstitut für Musiktheater dieser Hochschule. Ab 1992 war er Kulturredakteur beim »Nordbayerischen Kurier«. Alexander Dick schrieb Beiträge für »Pipers Enzyklopädie des Musiktheaters«, deren Redaktion er auch angehörte, zudem ist er Juror beim Preis der Deutschen Schallplattenkritik. Sein besonderes Interesse gilt Richard Wagner, der klassischen Moderne S.76 und der Gattung Operette. "

Sebastian Fasthuber, geboren 1977 in Oberösterreich, studierte Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Wien und lebt heute in Wels und Wien. Als Literatur- und Musikkritiker arbeitet er für verschiedene österreichische und deutsche Medien (»Falter«, »News«, »taz«), schreibt daneben aber auch über kulinarische Themen. Seine langjährige Tätigkeit als DJ führte ihn von Undergroundlokalen bis zu S.106 Hochzeitsgesellschaften. "


VORSPIEL — NACHRICHTEN

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PHILH A R MONISCHE NACHR ICHTEN

NEU IM ORCHESTER: ANNA MEHLIN Glück, Zufall und harte Arbeit – diesen drei Faktoren, so Anna Mehlin, verdanke sie ihre Stelle bei den Berliner Philharmonikern. Nach bestandener Probezeit gehört die gebürtige Düsseldorferin nun als ordentliches Mitglied zur Gruppe der Zweiten Violinen. Wäre es nach ihren Eltern – beide professionelle Geiger – gegangen, dann hätte sie Harfe lernen sollen. Doch die Violine gefiel ihr viel besser: »Ich liebte ihr Aussehen, ihren Ton und die klangliche Vielfalt: Man kann auf ihr tief und warm oder hoch und süß spielen. Ich wollte kein anderes Instrument lernen.« Als Kind klemmte sie sich eine Weinflasche unters Kinn und strich mit einer Spaghetti-Nudel über deren Hals. Damit überzeugte sie Mutter und Vater, die

die Sechsjährige schließlich zum Unterricht schickten. Was ihr das musikalische Elternhaus darüber hinaus vermittelte, war die unbändige Freude am Musizieren. Die Entscheidung, die Geige zum Beruf zu machen, fiel in der Oberstufe. »Da stellte sich für mich die Frage: Investiere ich mehr in die Schule oder in die Geige?« Ein Medizinstudium hätte Anna Mehlin auch interessiert, allerdings fand sie langfristig gesehen den Beruf einer Orchestermusikerin verlockender als den der Ärztin. Sie begann ihr Studium an der Hochschule für Musik »Franz Liszt« in Weimar bei Friedemann Eichhorn, später wechselte sie an die Hochschule für Musik »Hanns Eisler« in Berlin, wo sie Schülerin von Antje Weithaas wurde. 2015, noch während ihrer Ausbildung, gewann die mehrfache Preisträgerin

verschiedener Wettbewerbe ein Stipendium für die Karajan-Akademie. Die Zeit an dieser Institution empfand sie als besonderen Glücksfall, weil sie dort gleich in den Alltag einer Orchestermusikerin einsteigen konnte. Den kannte sie zwar auch durch ihre Eltern, aber diesen selbst zu leben, war eine eigene Erfahrung: »Ich habe mich sofort als ernstzunehmende Orchestermusikerin gefühlt.« Zudem beeindruckte sie die Energie und die Motivation jedes einzelnen philharmonischen Mitglieds. »Jeder gibt sein Bestes! Das ist die Tradition und der Anspruch der Berliner Philharmoniker. Hier ist jeder wichtig.« Von der Akademie schaffte sie über ein erfolgreiches Probespiel den Sprung ins Orchester, wo sie seit Januar 2017 zur Gruppe der Zweiten Violinen gehört. In der Anfangszeit empfand sie es als

Fotos: Sebastian Hänel (links); Alessandro Cappone (rechts)

Anna Mehlin


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besondere Herausforderung, viel Repertoire in sehr kurzer Zeit zu lernen. Vor allem vor den komplexen Werken von Gustav Mahler und Richard Strauss mit ihren schnellen Dynamikund Tempowechseln hat die junge Geigerin großen Respekt. Mittlerweile kann Anna Mehlin jedoch alles etwas entspannter sehen. Mit der Bestätigung, dass sie die Probezeit bestanden hat, fühlt sie sich bei den Philharmonikern angekommen. In nächster Zeit gilt es noch, das Hochschulstudium abzuschließen. Abgesehen von gelegentlichen Auftritten als Kammermusikerin und Solistin, möchte sie sich jedoch voll auf die Orchesterarbeit konzentrieren. »Ich habe Lust, hier meine Verantwortung wahrzunehmen.« N.R.

ZEHN JAHRE BOLERO BERLIN Lateinamerikanische Musik im philharmonischen Sound – das ist das Markenzeichen von Bolero Berlin. Die Idee zu diesem ungewöhnlichen Ensemble hatte Martin Stegner, der seit 1996 als Bratscher zu den Berliner Philharmonikern gehört. Der Musiker, der sich schon seit seiner Kindheit sowohl für Klassik als auch Jazz begeistert, wollte vor zehn Jahren eine Formation gründen, in der er beide Vorlieben vereinen kann. Damals hatte er gerade den kubanischen Bolero entdeckt, der so ganz anders ist als der spanische, und war von dessen Stil sofort verzaubert: »Mich hat die Stimmung dieser Musik inspiriert. Der kubanische Bolero ist melancholisch, geheimnisvoll, sinnlich, im Tempo langsam und voller wunderbarer Melodien.« Hinzu kam der warme, dunkle, weiche Klang, der den kubanischen Bolero prägt und den Bratscher besonders anspricht: »Ich bin mit meinem Instrument in den Mittelstimmen des Orchesters zu Hause. Ich wollte bei dem Ensemble alles Grelle vermeiden.«

Unter seinen Orchesterkollegen fand er schnell Gleichgesinnte: den Klarinettisten Manfred Preis, Solobassist Esko Laine und Schlagzeuger Raphael Haeger, der bei Bolero Berlin als Pianist auftritt. Hinzu kamen noch zwei »richtige« Jazzmusiker, der Gitarrist Helmut Nieberle sowie der argentinische Percussionist Daniel »Topo« Gioia. Dass sich gerade diese sechs Musiker gefunden haben, empfinden sie heute als besonderen Glücksfall. »Wir haben einen sehr entspannten, respektvollen Umgang. Daran hat sich in den zehn Jahren nichts geändert.« Sehr wohl verändert hat sich hingegen die Art des Zusammenspiels. Der Klang sei, so Stegner, heute ausbalancierter, stimmungs- und farbenreicher. »Außerdem haben wir gelernt, wie wir die anderen Musiker beim Spiel besser unterstützen können.« Zusammen mit der kammermusikalischen Spielweise und der philharmonischen Klangkultur besitzt Bolero Berlin heute einen eigenen, unverwechselbaren Klangcharakter. Bei der Gründung wusste keines der Mitglieder, ob dieses Konzept funktionieren würde. Sie waren sich bewusst, dass sich in dieser Formation Bolero Berlin: Esko Laine, Martin Stegner, Manfred Preis, Daniel Gioia, Helmut Nieberle und Raphael Haeger

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zwei stilistische Bereiche vereinen, die eigentlich nicht zusammengehören – zumindest bei vielen Veranstaltern nicht: »Die denken noch sehr in Schubladen«, bedauert Martin Stegner. »Die Organisatoren von klassischen Konzerten wagen nicht, ihrem Publikum Jazzklänge zu bieten, die Jazz-Veranstalter hingegen zweifeln, ob wir philharmonischen Musiker bei Jazz und lateinamerikanischer Musik den richtigen Groove hinkriegen.« Da würde sich Stegner von den Verantwortlichen mehr Mut wünschen. Für ihr Jubiläumsprogramm haben sich die Musiker etwas Besonderes ausgedacht: »Opera!« heißt das Motto, bei dem bekannte Opernmelodien von Helmut Nieberle und Raphael Haeger für den speziellen Stil des Ensembles arrangiert wurden. Die »Habanera« aus Bizets »Carmen« beispielsweise erklingt in ungewöhnlicher Harmonisierung und im 5/4-Takt, und Richard Wagners »Lied an den Abendstern« kommt auf einmal ziemlich lateinamerikanisch daher. »Unser Ziel ist«, meint Martin Stegner, »die Hörer immer wieder aufs Neue zu überraschen – mit bekannten Melodien in ungewohntem Klanggewand.« N.R.


VORSPIEL — NACHRICHTEN

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TR AUE R UM B E AT E B U R C H H A R D

nach Salzburg ab. Ihr Selbstverständnis von ihrem Beruf gab sie in einem Interview mit dem Regisseur Imo Moszkowicz mit den folgenden Worten wieder: »Ich war ein Zulieferer von geforderter Höchstqualität, und nur ganz gelegentlich war es mir möglich, auch mal eine Idee, einen helfenden Gedanken, der jedoch niemals kreativ sein konnte, beisteuern zu dürfen.« Dass in ihr jedoch auch ein großes kreatives Potenzial schlummerte, bewies Beate Burchhard nach ihrer Pensionierung als leidenschaftliche Dokumentarfilmerin. Sie bezeichnete sich selbst als Technikfreak, die sich mit großer Neugier das notwendige Rüstzeug zum Filmemachen autodidaktisch aneignete. Den neuen Medien wie Facebook und Twitter, die sie mit der Welt verbanden, begegnete sie mit großer Aufgeschlossenheit und Begeisterung. Als Segen empfand sie die Digital Concert Hall, in der sie jedes Konzert der Berliner Philharmoniker verfolgte. Bis zuletzt pflegte sie persönliche Kontakte zu Musikern des Orchesters. Es gehörte zur Tradition, dass Beate Burchhard diese bei ihren Auftritten in Salzburg während der Proben besuchte und ihnen eine Schokoladentorte spendierte. N.R.

Beate Burchhard mit den Berliner Philharmonikern Walter Küssner, Andreas Wittmann, Sarah Willis, Fergus McWilliam

Foto: privat

Sie war 17 Jahre lang die Seele der Salzburger Osterfestspiele und Pfingstkonzerte: Beate Burchhard, die am 5. Mai 2018 im 89. Lebensjahr verstarb, leitete von 1977 bis 1994 als Geschäftsführerin die von Herbert von Karajan initiierten Festivals und trug mit ihrer souveränen, unaufdringlichen und liebenswürdigen Art maßgeblich zum reibungslosen Ablauf der Produktionen und Veranstaltungen bei. Und nicht nur das: Nach dem Tod Karajans navigierte sie die Festspiele durch unsichere Zeiten, stellte sie organisatorisch neu auf und sicherte ihren Fortbestand. Außerdem vermittelte sie klug und umsichtig, als sich nach dem Amtsantritt Gerard Mortiers als Intendant der Salzburger Festspiele das bislang problemlose Verhältnis zwischen Oster- und Sommerfestspielen eintrübte. Ihre Arbeit wurde durch große Zuneigung getragen – zu Herbert von Karajan, dem sie erstmals an der Deutschen Oper Berlin begegnete und dem sie später eine loyale Mitarbeiterin wurde, und zu den Berliner Philharmonikern. »Dadurch kam es zwischen Ihnen und uns zu einer wunderbaren Zusammenarbeit, die sich gerade in dem sensiblen Verhältnis mit dem Maestro bewährte«, hieß es in den Dankesworten des Orchestervorstands, als Beate Burchhard 1994 in Pension ging. Als Zeichen der Anerkennung erhielt sie die Hans-von Bülow-Medaille der Berliner Philharmoniker. Den Opernbetrieb lernte Beate Burchhard von der Pike auf: Während ihres Gesangsstudiums in Berlin wirkte sie an der Deutschen Oper in zahlreichen Aufführungen als Statistin mit. 1960 kam sie in das künstlerische Betriebsbüro der Bayreuther Festspiele. Es folgten Stationen als Disponentin an den Opernhäusern in Kiel, Düsseldorf und Duisburg sowie in Zürich. Von dort warb sie Karajan


BERLINER PHILHARMONIKER SIR SIMON RATTLE THE ASIA TOUR Sir Simon Rattles letzte Asien-Reise als Chefdirigent der Berliner Philharmoniker kam einem Triumph gleich, der hier mit ausgewählten Ton- und Bildaufzeichnungen dokumentiert wird. Das farbenreiche Programm präsentiert unter anderem Symphonien von Brahms und Rachmaninow, Strawinskys Petruschka sowie Don Juan von Richard Strauss. In Klavierkonzerten von Bartók und Ravel sind zudem mit Seong-Jin Cho und Yuja Wang zwei herausragende Pianisten der jungen Generation zu erleben. Eindrucksvolle Fotos und umfangreiche Begleittexte ergänzen diese hochwertige Edition. Bartók · Brahms · Chin Rachmaninow · Strauss · Strawinsky Seong-Jin Cho Klavier Yuja Wang Klavier 5 CD/SACD + Blu-ray

LU DWI G VAN B E ETH OVE N SYM P H O N I E N 1–9 Berliner Philharmoniker Sir Simon Rattle Dirigent N E U: 5 C D/SAC D

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B E R LI N E R P H I LHAR M O N I K E R C LAU D I O AB BAD O TH E LAST C O N C E RT Felix Mendelssohn Bartholdy Ein S ommernachtstraum Hector Berlioz Symphonie fantastique N E U: 3 LP


VORSPIEL — Z AHLENSPIEL

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ZA HLENSPIEL Wo sind die größten Konzerthäuser Chinas?

Die westliche klassische Musik boomt in China, und das äußerlich auffälligste Anzeichen dafür sind die zahlreichen neuen Konzerthäuser, die in den vergangenen Jahren überall in dem riesigen Land entstanden sind – architektonisch oft spektakulär, in der Ausstattung für Künstler und Publikum luxuriös und akustisch mitunter auf höchstem Niveau (siehe auch Seite 16). Unser »Zahlenspiel« zeigt die 15 größten und wichtigsten chinesischen Häuser, die auch in der Sitzplatzkapazität den prominenten europäischen Konzertsälen kaum nachstehen. Zum Vergleich: Die Berliner Philharmonie fasst 2447 Zuhörer, das Konzerthaus am Gendarmenmarkt rund 1600. In den Häusern, die mit einem Stern markiert sind, haben die Berliner Philharmoniker bereits gespielt oder werden im Rahmen ihrer bevorstehenden Tournee im November auftreten.

X I NX J II ANNJ IGA N G

TIBE T ITB E T


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Foto: Markus Weidmann

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THEMA: CH I NA U N D D I E M US I K

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Weltmacht im Westwind D i e w i c h t i g s te n n e u e n Ku l tu r ze n t r e n i n C h i n a s M e g a- S t ä d te n

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Stimmenspiel und Göttergong Eine Einführung in die traditionelle chinesische Musik

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»Du bist meine Venus, mein geliebter Karl Marx« D i e G l o s s e: Chinas Propaganda und der Rap

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Neugierig aufs Abendland Zu Besuch bei chinesischen M u s i k s tu d e n te n i n B e r l i n

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Zu Gast beim Publikum von morgen D i e B e r l i n e r P h i l h a r m o n i ke r u n d i h r e Ko n ze r t b e zi e h u n g e n zu C h i n a


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THEMA: CHINA UND DIE MUSIK — TR ADITION


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STIMMENSPIEL UND GÖTTERGONG Die meisten Europäer stehen der traditionellen Musik Chinas ratlos gegenüber. Doch wer weiß, worauf zu achten ist, kann eine Welt voller Schönheit, Raffinesse und Spielwitz entdecken. Vo n F r a n k Ko u we n h ove n

D I E M E I S T E N M E N S C H E N im Westen verbinden

mit »chinesischer Musik« überhaupt nichts – oder sie denken dabei voller Schaudern an durchdringenden Falsettgesang, schrille Fiedeln und markerschütternde Gongschläge. Anderen fallen die zuckersüßen Popsongs ein, wie man sie in China-Restaurants hört, oder die Propagandamärsche aus der Zeit der Kulturrevolution. Aber was ist chinesische Musik jenseits dieser Klischees? In den vergangenen hundert Jahren haben Chinas Gesellschaft und Kultur einen radikalen Wandel durchgemacht, und das gilt auch für die chinesische Musik. So stehen heutzutage Chinesen und Ausländer vor derselben Herausforderung: Wie setzt man sich sinnvoll mit dem musikalischen Erbe Chinas auseinander? » B E D A U E R L I C H E R W E I S E S E H R N A S A L«

Die ersten Missionare, die aus dem Westen nach China kamen, hatten wenig Gutes zu berichten über die einheimische Musik. Sie forderten die chinesischen Gläubigen

auf, die Psalmen nach Melodien des Abendlandes zu singen, der angeblich überlegenen Zivilisation. Der belgische Pater Joseph van Oost sammelte zwar um 1910 in der Inneren Mongolei Volkslieder der Bauern und notierte akribisch deren Texte und Melodien. Doch dabei äußerte er sich immer wieder abfällig: Die chinesische Musik sei »armselig, monoton und unterentwickelt«, der Gesang der Einheimischen »bedauerlicherweise sehr nasal« und ihre Musikinstrumente »mangelhaft«. Ein modernes westliches Publikum könnte beim Hören einer chinesischen Oper zu einem ähnlichen Urteil kommen, das Spektakel nur als Trommelfeuer schriller und extrem hoher Töne erleben. Aber natürlich darf man die traditionelle chinesische Oper nicht mit Mozart, Verdi oder Wagner vergleichen, wenn man sie verstehen und angemessen würdigen will. Schon der Begriff »Oper« und die damit verbundenen Assoziationen führen in die Irre, so eng verbunden ist er mit der westlichen Theaterkultur. "

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THEMA: CHINA UND DIE MUSIK — TR ADITION

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Doch nicht nur Ausländer reagieren mit Unverständnis auf diese traditionelle chinesische Bühnenkunst; vielen Großstadtmenschen im heutigen China geht es nicht anders. Sie denken bei »chinesischer Musik« nicht mehr an die Pekingoper oder die Musik der Landbevölkerung, sondern an Popsongs auf Mandarin oder Kantonesisch, mit denen sie groß geworden sind und die bei Galakonzerten und Glamourshows auf allen Fernsehkanälen gespielt werden. Die Harmonien, Rhythmen und Klangfarben dieser Songs sind durch und durch westlich geprägt, und wie im Westen werden sie von Gitarre, Keyboard und Schlagzeug begleitet. Ab und zu hört man in der chinesischen Popmusik die moderne Variante eines traditionellen Instruments, manchmal auch etwas »Exotisches« wie die indische Sitar oder – alles ist erlaubt – eine Bauernschalmei, vielleicht zusammen mit ein paar Gongs und Trommeln. Das soll der Musik einen »chinesischen« oder allgemein asiatischen Anstrich geben. D E N WE S TE N NACHAH M E N

Ja, die Zeiten haben sich geändert. Im Laufe des 20. Jahrhunderts hat sich die Volksrepublik China in relativ kurzer Zeit von Grund auf verwandelt, von einer Agrargesellschaft, die sich selbst genügte und versorgte, in eine moderne Industrienation. Überall spürte man das Bedürfnis nach Modernisierung. An den städtischen Musikkonservatorien – allesamt nach 1949 gegründet – beschäftigte man sich von Anfang an in erster Linie mit westlicher Musik. Es gab zwar auch Abteilungen für traditionelle chinesische Musik, aber selbst beim Erlernen der einheimischen Instrumente stützte man sich auf westliche Lehrmethoden. Die Gründerfiguren der chinesischen Musikpädagogik legten großen Wert auf die Vermittlung westlicher Musiktraditionen. Und selbst führende Köpfe der wissenschaftlichen Beschäftigung mit traditioneller chinesischer Musik kritisierten die angeblichen »Schwächen« dieser Musik mit Worten, die sehr an die Formulierungen von Pater van Oost erinnern. Das 1964 gegründete China Conservatory of Music in Peking war die einzige namhafte Institution, die sich vor allem mit einheimischen Instrumenten beschäftigte. Aber auch hier trainierten die Instrumentalschüler ihre Geläufigkeit auf Pipa (einer Laute), Zheng (einer Wölbbrettzither) oder Erhu (einer zweisaitigen Fiedel) mit Tonleitern und Etüden in Dur und Moll und mussten sich mit Staccato, funktionaler Harmonik und anderen ausländischen Erfindungen beschäftigen. Spieltechnik, Repertoire und Bauweise der chinesischen Instrumente wurden dem westlichen Geschmack angepasst, denn man bemängelte ihre »instabile Stimmung« und das Fehlen eines Bassregisters. Doch alle Bemühungen, die Familie der chinesischen Fiedeln um

Auch viele Chinesen reagieren heute mit Unverständnis auf ihre traditionelle Musik: eine Folge der Modernisierung und Westorientierung des Landes.

ein befriedigendes Äquivalent für Cello oder Kontrabass zu erweitern (indem man die Resonanzkörper stark vergrößerte), scheiterten kläglich. Andere Innovationen wie die neuen Mundorgeln, die etliche Male größer sind als die traditionelle Sheng, konnten sich hingegen schnell durchsetzen. Chinesische Schalmei (Suona), Bambusquerflöte (Dizi) und Mundorgel wurden mit Ventilen und Tasten ausgestattet, um auf ihnen alle Stufen der westlichen wohltemperierten Skala spielen zu können. Die Wölbbrettzither erhielt zusätzliche Saiten und manchmal sogar ein Pedal zur Verstärkung des Klangs und Erweiterung des Tonumfangs. Aber was passierte mit Chinas eigenständigem musikalischem Erbe? Konnte irgendetwas davon überleben? V I E L F A LT D E R S P R A C H E N

Tatsächlich blieb ein Großteil der einheimischen Musik völlig unberührt von der Entwicklung in den Städten, zumindest zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Das chinesische Staatsgebiet ist größer als Westeuropa, und auf dieser Fläche lebt fast ein Fünftel der Weltbevölkerung. Entsprechend vielfältig ist die Musik dieser Regionen, auch wenn man überall dasselbe, standardisierte Schriftchinesisch verwendet. Und so sehr sich die Kulturfunktionäre in den Städten auch bemühen, dem Rest des Landes ihre Ideen aufzudrücken – eine so große kulturelle Vielfalt lässt sich nicht so einfach ausradieren. Zum einen werden in China Hunderte von verschiedenen Sprachen gesprochen, und aus ihnen hat sich eine Vielzahl unterschiedlicher Gesangsformen entwickelt: regionale Opernstile, Hunderte Arten von Volksliedern, Balladen und Gesangsepen, unzählige Varianten des Rezitationsgesangs, lokale Musikgenres, die im Taoismus, Buddhismus oder schlicht im Volksglauben wurzeln, Musik für Tempelzeremonien oder Prozessionen und vieles andere mehr. Texte und Musiksprache dieser lokalen Gattungen kann in der Regel nur "


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THEMA: CHINA UND DIE MUSIK — DIE GLOSSE

DI E GLO S S E

»DU BIST MEINE VENUS, MEIN GELIEBTER KARL MARX« Die Propaganda in China hat den Hip-Hop gekapert. Jetzt ist das Genre patriotisch, erbaulich und voller »positiver Energie«. Vo n K a i S t r i t t m at te r

N O C H M A L D AV O N G E KO M M E N. »The Rap of China« lebt und darf tatsächlich eine zweite Staffel ausstrahlen. Sicher war das nicht, trotz des sensationellen Erfolgs der 2017 erstmals im Internet gestreamten Talentshow. Vielleicht aber auch wegen dieses Erfolgs. Die Partei wurde aufmerksam – und misstrauisch: Wer war dieser Rapper GAI, formerly known as »Daddy GAI, den nur die Kohle interessiert«? Dieser 29-Jährige, den die Mädchen liebten, der das Publikum zum Kreischen brachte, trug am Ende der Show gemeinsam mit dem Rapper PG One den Sieg davon. Sicher, GAI wusste schon, dass da vor den Bildschirmen auch die Zensoren saßen, und so trat er mit stets bravem Lächeln und noch braveren Liedern auf und vergaß auch nicht, zum Abschluss zu rufen: »Unser Vaterland, es lebe hoch!« Und die Macher vom Webportal IQiyi wussten wohl, dass sie auf dünnem Eis tanzten. In den Untertiteln verwandelten sie etwa das gesungene »bitch is trouble« in das sonnigere, wenn auch sinnfreie »beach

is trouble«, und das hingerotzte »Arschloch« wurde zum etwas unverfänglicheren »Hautausschlag« (im Chinesischen wird beides piyan ausgesprochen). Allein, es reichte nicht. GAIs Wandlung vom GangstaRapper zum Rap-Patrioten lag noch nicht allzu lang zurück. Und von PG One wurden alte Songs ausgegraben, in denen sich Zeilen fanden über »eine Linie reines, weißes Puder« oder eine »schamlose Bitch«. Es half PG One nicht, dass er eilends eine Entschuldigung veröffentlichte, in der er Amerikas Schwarzen die Schuld in die Schuhe schob: »Ich war zu tief beeinflusst von schwarzer Musik«, schrieb er auf dem Mikroblogging-Dienst Weibo. »Ich hatte kein korrektes Verständnis von den fundamentalen Werten der Hip-Hop-Kultur.« Die »Volkszeitung«, Sprachrohr der Kommunistischen Partei, diagnostizierte streng, diesem Hip-Hop fehle es dringend an ideologischer wie moralischer »Anleitung«. Und kurz darauf verschwanden die Rapper erst einmal von den Bildschirmen. Die Zensoren hatten den


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»Die Leitungsgruppe zur Vertiefung der Reform ist jetzt zwei Jahre alt und hat schon viel erreicht. Reform! Reform! Reform! Reform!«

Daumen gesenkt. Nicht nur über GAI. Über eine ganze Subkultur. Vorgeblich aus Sorge um Jugend und Vaterland. Die staatliche Presse- und Rundfunkzensurbehörde verhängte ein Edikt: Vom Bildschirm verbannt wurden im Januar dieses Jahres sämtliche Künstler, die als »unanständig, vulgär oder obszön« befunden werden, und die »den Kernwerten der Partei« entgegenstehen. Konkret erhält zum Beispiel jeder Künstler Auftrittsverbot, dem ein Tattoo nachgewiesen werden kann. Das sah nach dem Ende eines kurzen Frühlings aus. Wie andere Musikstile und Versatzteile westlicher Jugendkultur ist Hip-Hop schon seit einer ganzen Weile in China präsent. Allerdings hatten sich die Rapper lange im Untergrund eingerichtet, traten in Cafés auf, brannten selbst CDs. Bands wie die Pekinger IN3 erlangten mit scharfem Auge und einer Portion Zorn im Bauch schon vor einem Jahrzehnt Kultstatus: »Du willst meinen Respekt? Respektier du erst mal die anderen!«, singen sie in ihrem Song »Guten Tag, Herr Lehrer!« – »Hau ab und fick dich!«. Die Verse, die auch Sex und Gewalt nicht scheuten, vor allem aber der subversiv-rebellische Habitus machten dem offiziellen China das Genre suspekt. Ihren Durchbruch vor das Millionenpublikum der Fernsehkanäle schafften Chinas Rapper tatsächlich erst im vergangenen Jahr im Windschatten von »The Rap of China«. Dabei ist es nicht so, dass die KP den Hip-Hop generell verdammen würde. Sie verlangt allerdings »positive Energie«. Seit einiger Zeit schon versucht sich die Propaganda an einem jugendlichen Anstrich – und hat deshalb das Genre gekapert: Vor zwei Jahren brachte die Partei als Cartoons verfilmte Rap-Songs unter die Leute, die Titel trugen wie »Schauen wir uns die Leitungsgruppe zur Vertiefung der Reform an« (Textprobe: »Die Leitungsgruppe zur Vertiefung der Reform ist jetzt zwei Jahre alt / und hat schon viel erreicht / Reform! Reform! Reform!

Reform!«). Politisch korrekt, allerdings ohne viel Applaus seitens der Zielgruppe. Mittlerweile scheint die nächste Phase angelaufen: Die Pekinger »Global Times« nennt es die »Harmonisierung des Hip-Hop« und schwärmt: »Chinas patriotischer Hip-Hop gewinnt schnell an Fahrt«. Da wäre zum Beispiel die Gruppe CD Rev, die sich mit Liedern wie »So ist China« (»Der rote Drache ist nicht böse / es ist ein Land des Friedens«) in die Gunst der Partei gerappt hat und auch mal im südchinesischen Meer vor den Truppen auftreten darf. Oder der Rapper Sun Baiyi. Sein Song »Herrliches China« steigt so ein: »Wir alle kennen die ursprüngliche Vision und die Mission der KP Chinas / sie arbeitet unermüdlich für das Glück des Volkes und für den Wiederaufstieg der Nation.« Direkt vom Notenblatt des Politbüros abgelesen. Ein paar Pekinger Rapper arbeiteten sich an der Wiederauferstehung des Marxismus unter Parteichef Xi Jinping ab: »Yeah. You. You. You know / Kommunismus ist süß wie Honig. / Ich bin dein Bruno Mars / Du bist meine Venus, mein geliebter Karl Marx.« Die Band trägt übrigens den Namen Parfüm. »The Rap of China« erhält also eine zweite Chance. Die Macher wissen nun, wer ihnen auf die Finger schaut. Man wolle beweisen, sagte einer bei der Vorstellung der neuen Show, dass Hip-Hop sowohl »jung« als auch »erbaulich und voller positiver Energie« sein könne: »Wir haben schließlich eine gesellschaftliche Verantwortung.« Der Popularität des Formats hat die neue Vorsicht zumindest bei den Kandidaten keinen Abbruch getan. 2017 hatten sich 778 Rapper beworben, von denen dann 70 in die erste Runde kamen; in diesem Jahr bewarben sich schon 10.725 Leute fürs Vorsingen. China hat den HipHop kastriert, aber er atmet noch. In den Clubs und Kellern abseits der großen Bühne sowieso, da lassen sie sich auch das Tattoo und den Zorn nicht nehmen.·<

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T H E M A : C H I N A U N D D I E M U S I K — R E P O R TA G E

NEUGIERIG AUFS ABENDLAND In China gilt: Wer in der klassischen Musik etwas erreichen will, muss nach Deutschland. Wir haben ein paar chinesische Musikstudenten in Berlin besucht. Vo n A n j a D i l k F o to s vo n S te f a n H ö d e r at h

C H I N A U N D K L A S S I K ? Lange Zeit schien das nicht

so recht zusammenzupassen. Im Reich der Mitte war das Interesse an der großen europäischen Musiktradition eher bescheiden, zu fremd schienen vielleicht die Klänge aus dem fernen Abendland. Doch längst hat sich das gewaltig geändert. Was vor mehr als zehn Jahren begann – in einer Zeit, in der die Berliner Philharmoniker ihren »Trip to Asia« unternahmen (siehe S. 50) –, hat mittlerweile ordentlich Fahrt aufgenommen: Die Klassik boomt in China. Nicht zuletzt die Weltkarriere des Pianisten Lang Lang dürfte der Konjunktur mächtig Auftrieb gegeben haben. Derzeit werden in China knapp 60 neue Opernund Konzerthäuser gebaut, die Regierung fördert die Lust auf europäische Musik. Vor allem junge Chinesen drängen sich neugierig in den Sälen, etwa 60 Prozent der Konzertbesucher sind unter 35 Jahren alt. Mit der Pianistin Yuja Wang und ihrem Kollegen Yundi Li, mit Dirigenten wie Yu Long oder Klangkörpern wie dem Shanghai Symphony Orchestra gibt es inzwischen einige Musiker aus China, die auch international Renommee genießen. Und angeblich lernen gerade 30 Millionen chinesische Kinder Klavier, Geige, Cello und Co. Dabei gilt in der Volksrepublik: Wer in der Klassik etwas werden will, muss nach Europa, genauer: nach Deutschland. Bach, Beethoven, Brahms, Wagner – diese Namen zählen in China. Mehr als 1600 chinesische

Studenten sind laut Statistischem Bundesamt derzeit an deutschen Musikhochschulen eingeschrieben. Meist kommen sie allein; Geschwister sind eine Rarität im Land der Ein-Kind-Politik. Fast immer bezahlen die Eltern das Studium in Deutschland. »Chinesische Studenten sind nicht nur fleißige Techniker, wie das Klischee behauptet«, sagt Martin Bruns, Professor für Gesang an der Hochschule für Musik »Hanns Eisler« Berlin. »Viele sind äußerst begabte Musiker. Sie haben eine ausgesprochen bildhafte Sprache, mit der sie wunderbar an die Musik andocken können, sie arbeiten unglaublich fokussiert, und wem es gelingt, seine eigene Idee von Musik auszudrücken, der kann Bemerkenswertes hervorbringen.« Zudem seien chinesische Studenten neugierig auf die westliche Musik und Kultur – neugieriger als die Europäer auf die chinesische Tradition. Und noch etwas hat Bruns beobachtet: »Obwohl es in der wettbewerbsorientierten chinesischen Mentalität vor allem darauf ankommt, berühmt zu werden, kommen die meisten Studenten mit großem Idealismus hierher – und mit der Lust auf Entdeckungen.« CHANG BO WANG , BAR ITON

»Ich habe dir was mitgebracht«, sagt Changbo Wang und reicht ein Magazin über den Tisch: »Music Lover«. Auf dem Cover ein junger Mann, schwarze Jeans, Jackett, lässiges Hemd, entschlossener Blick – er selbst. "


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Changbo Wang in einer Aufführung von »Die Lustigen Weiber von Windsor« der Hochschule für Musik Hanns Eisler. Foto: Astrid Ackermann

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T H E M A : C H I N A U N D D I E M U S I K — R E P O R TA G E

Cheuk Nam Tse


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In China komme es vor allem darauf an, keine Fehler zu machen, sagt Cheuk Nam. In Deutschland herrsche ein freierer Blick auf die Musik.

Innen viele Bilder zwischen chinesischen Schriftzeichen. »Music Lover« ist die einzige Klassikzeitschrift des Landes. Dass Changbo auf dem Titel ist, hat einen Grund: Der Bariton gilt als vielversprechender Newcomer in Chinas Klassikszene. 2017 hat er die Hanns-Eisler-Musikhochschule in Berlin abgeschlossen, im Spätsommer wird er ein eigenes Musikfestival mit internationaler Klassikprominenz in seiner Heimatstadt Huangshan aufziehen, 450 Kilometer südwestlich von Shanghai – mit Unterstützung der chinesischen Regierung. Es ist Montagnachmittag, knallblauer Sonnenhimmel über den Cafés am Berliner Gendarmenmarkt, Touristen eilen vorbei, aus der Hanns-Eisler-Hochschule schräg gegenüber klingt das Einsingen der Gesangsstudenten. Changbo Wang nimmt einen Schluck alkoholfreies Weizenbier und schüttelt den Kopf: »Ist doch unglaublich, dass Deutschland mein Studium bezahlt hat, einfach so.« Dass Hochschulen hier nichts kosten, auch nicht für Ausländer – was für ein Land! »Deshalb möchte ich etwas zurückgeben«, sagt er. Mit seinem neuen Klassikfestival will er einmal im Jahr eine Brücke bauen zwischen Deutschland und China, deutsche Musiker nach China einladen, Chinesen für die Musik aus dem Abendland begeistern – auch in der Provinz. »Viele dort denken, klassischer Gesang ist hoch und laut. Ich will ihnen zeigen: Er ist auch schön und spannend.« Kaum zu glauben, dass Changbo lange Zeit nur für sich unter der Dusche gesungen hat – Chinapop –, ehe er Profi wurde. Genau genommen fing sein Weg zur Musik mit dem Schifferklavier an. Viel Auswahl gab es nicht in seinem kleinen Dorf inmitten wunderschöner Natur nahe Huangshan. Cellolehrer? Klavierunterricht? Fehlanzeige. Also Akkordeon. Es blieb ein Hobby, ebenso wie viele Jahre lang der Gesang, den Changbo so liebte. Irgendwann fand seine Mutter einen guten Gesangslehrer, und Changbo entschied trotz Einser-Abi: »Ich sage meinen Studienplatz an Chinas bester Uni ab und studiere Gesang.«

Niemand habe das damals verstanden, doch er war sich sicher: »Das ist mein Weg.« Trotzdem bekam er im Musikstudium keinen Fuß auf den Boden, zu ausgepowert fühlte er sich noch jahrelang nach dem Lernmarathon zum Abi. Zu schwach waren auch seine Lehrer. Techniktraining, Schubert auf Chinesisch, was wussten die schon von klassischer Musik? Vier Jahre lang ist Changbo durchs Studium getrudelt, hat sich stundenlang in Computerspielen verloren, gab selbst Gesangsunterricht, irgendwie. Bis er aufwachte und entschied: »Ich gehe ins Land der Musik und mache es richtig – in Deutschland.« Wacher Blick, schnelle Sprache, immer ein Lächeln in den Mundwinkeln: Wenn Changbo Wang heute über seinen Gesang spricht, kann man den Blick kaum lassen von seinem Gesicht, das erfüllt ist von der Freude an dem, was er tut. Er erzählt, wie wichtig die Mimik bei einem Sänger ist. Augen, Stirn, Wangen, alles muss mitleben. »In Deutschland habe ich auch gelernt, dass eine schöne Stimme allein nicht reicht. Man muss sich mit seiner Musik ausdrücken.« Aber bei Schubert oder Mozart geht das nicht ohne gute Kenntnisse und eine gute Aussprache des Deutschen. »Fürchterlich. Ich übe überall, auf dem Weg zur U-Bahn, durch den Park«, sagt er. »Wenn das Publikum meinen Gesang nicht versteht, kann ich einpacken.« Seit zehn Jahren ist er jetzt in Deutschland, fühlt sich hier ebenso zu Hause wie in China. Seinem Gesang sei das anzumerken, sagt er. »Wenn ich Schumann singe, sehe ich innerlich die Landschaft meines wunderschönen Heimatdorfes vor mir.« Das klinge anders, besonders, hört er oft. Will er zurück nach China? Ja und nein. Er will ja beides sein, oder vielmehr: eine Brücke zwischen den Kulturen. »Kommst du mich besuchen bei meinem Festival?«, fragt er und lacht, und zu dieser Antwort gibt es keine Alternative: »Ganz bestimmt.« CHEUK NAM TSE , VIOLINE

Berlin, Universität der Künste, zweiter Stock, Raum 235.. Gedämpft dringen schnelle Geigenläufe durch die Holztür. Mozart, Violinkonzert Nr. 4, D-Dur. Leicht wie ein Blatt in einer Frühlingsbrise tanzt Cheuk Nam Tses Bogen über die Saiten, seine Augen sind geschlossen, das Notenheft ist zugeklappt. »Ohne Noten spiele ich lockerer.« Der 22-Jährige mit dem jungenhaft offenen Gesicht ist oft hier oben im Übungsraum, einen Steinwurf vom Ku’damm entfernt. Seit fünf Jahren studiert er Geige an der UdK. Wenn er sagt: »Das Leben als Musiker passt mir. Wieso also nicht?«, klingt es unerwartet lapidar. Cheuk erzählt, wie ihn seine Professorin Latica HondaRosenberg in einem Meisterkurs mit ihrem »charmanten, leidenschaftlichen und berührenden Spiel« fasziniert hat. Und dabei ist zu spüren, wie viel ihm die Musik bedeutet. »Sie riet mir zum Beispiel, nicht mit Kraft das " Vibrato zu erzwingen,

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THEMA: CHINA UND DIE MUSIK — TOURNEEN


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ZU GAST BEIM PUBLIKUM VON MORGEN Die erste China-Reise der Berliner Philharmoniker 1979 war eine Expedition in eine fremde Welt. Inzwischen sind solche Tourneen fast Alltag – und doch immer wieder überraschend. Vo n To b i a s M ö l l e r

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THEMA: CHINA UND DIE MUSIK — TOURNEEN

E S M U S S E I N E niederschmetternde Aufführung von

Beethovens Sechster Symphonie gewesen sein, mit der Henry Kissinger 1971 bei einem China-Besuch begrüßt wurde. »In manchen Momenten war ich nicht sicher, ob das Orchester vorwärts oder rückwärts spielte«, so der Politiker in seinen Memoiren. Dass die chinesischen Musiker sich mit Beethoven so schwertaten, lässt sich mit purer Unerfahrenheit erklären. Schließlich hatte Staatsführer Mao Zedong im Zuge der Kulturrevolution westliche Musik verboten, sodass klassische Komponisten gewissermaßen als Staatsfeinde galten. Auch diese Aufführung der »Pastorale« sorgte im Vorfeld für heftige Diskussionen unter den Gastgebern. Doch am Ende setzte sich die – eigentlich charmante – Idee durch, den in Deutschland geborenen Kissinger mit Musik aus seiner alten Heimat zu empfangen. Vor diesem Hintergrund ist kaum zu überschätzen, welchen Einschnitt die erste China-Reise der Berliner Philharmoniker im Jahr 1979 bedeutete. Drei Jahre nach Maos Tod war dies ein vorsichtiges Anzeichen der kulturellen Öffnung des Landes. Die großen Komponisten der Klassik waren bereits rehabilitiert, und so konnte Chefdirigent Herbert von Karajan in drei Konzerten ei-

Herbert von Karajan bei der ersten China-Reise der Berliner Philharmoniker (1979)

Empfang in Tokio zum Auftakt der großen Japan-Tournee mit Herbert von Karajan (1957)

1979 gab es in Peking noch keinen großen Konzertsaal. Man spielte in einer Sporthalle. nen Querschnitt durch sein Kernrepertoire präsentieren: Beethovens Symphonien Nr. 4 und 7, je eine Symphonie von Mozart, Brahms und Dvořák sowie Mussorgskys »Bilder einer Ausstellung«. Einzig das letztere Werk stand vorübergehend zur Disposition, als den chinesischen Organisatoren bewusst wurde, dass Mussorgsky aus dem ideologisch verfeindeten Russland stammte. Auch sonst war dies eine Annäherung mit Hindernissen. Schon die Ankunft auf dem Flughafen von Peking erschien als schlechtes Omen, als wegen eines Defekts der Gangway zwei Musiker sechs Meter tief auf den Beton stürzten und mit Knochenbrüchen ins Krankenhaus gebracht werden mussten. Zudem gab es in der Stadt keinen passenden Konzertsaal, weshalb das Orchester in einer akustisch ungeeigneten Sporthalle gastierte. Eine weitere Herausforderung war die vollbesetzte Generalprobe. Das Publikum, mit den Gepflogenheiten des westlichen Konzertbetriebs nicht vertraut, unterhielt sich während der Musik, aß und lief in der Halle umher, sodass Karajan drohte, das Auditorium räumen zu lassen. Die eigentlichen Konzerte mit je über 4000 Besuchern waren dann ein voller Erfolg, zumal Broschüren und Lautsprecherdurchsagen ein einwandfreies

Fotos: Monika Rittershaus (Aufmacher); Gustav Zimmermann (oben links, mitte), © dpa - Bildarchiv (unten); Helge Grünewald / Archiv Berliner Philharmoniker (oben rechts)

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Die Berliner Philharmoniker mit Claudio Abbado in Osaka (1992)

Benehmen des Publikums anmahnten. Dieses bestand zwar zu einem Großteil aus handverlesenen Arbeitern und Funktionären, aber es gab auch echte Fans, die müde und verstaubt aus der Provinz anreisten und stundenlang nach den eigentlich unerschwinglichen Karten anstanden. Am Ende jedes Abends stand großer Jubel. Zu einem emotionalen Höhepunkt kam es beim letzten, vom chinesischen Fernsehen live übertragenen Konzert, als Mitglieder der Berliner Philharmoniker und des Philharmonischen Zentralorchesters Peking gemeinsam unter Karajans Leitung Beethovens Siebte spielten. Der Maestro zeigte sich danach tief bewegt. Ob er sich vorstellen könne, einmal eine Oper in China zu dirigieren, fragte ihn eine Journalistin, vielleicht »Turandot« im Kaiserpalast? »Das muss man sehen«, so Karajan, »das muss Blüten tragen.« Tatsächlich sollte er nie mehr nach China zurückkehren, wie auch die Berliner Philharmoniker erst viele Jahre später zu ihrem nächsten Gastspiel dorthin aufbrachen. DEM PUBLIKUM ENTGEGEN

Dass das Orchester überhaupt versuchte, ein so fremdes Land für sich zu erobern, ist gewissermaßen in seiner DNA verankert. Unmittelbar nach ihrer Gründung im

Jahr 1882 gehörten die Berliner Philharmoniker zu den ersten Orchestern, die ihrem Publikum – im Wortsinne – entgegenkamen, die alle Reisestrapazen des Dampfmaschinenzeitalters auf sich nahmen, um ihr Können in den großen und kleinen Musikzentren zu demonstrieren. Auch die erste Reise nach Japan 1957 war eine Pioniertat und initiierte eine Beziehung zwischen Phil-

Mit Japan war es Liebe auf den ersten Blick – schon beim Debüt 1957. harmonikern und Publikum, die sich als »Liebe auf den ersten Blick« beschreiben lässt. Seit Ende des 19. Jahrhunderts hatte sich die japanische Gesellschaft systematisch die westliche Kultur und speziell die klassische Musik zu eigen gemacht. Und so trafen die Berliner Philharmoniker auf eine Zuhörerschaft, die nicht nur enthusiastisch applaudierte, sondern durch hochkonzentriertes Zuhören auch ein tiefes Verständnis für die Kunst des Orchesters offenbarte. Dass die Musiker Japan zunehmend als zweite Heimat empfanden, verdankt "

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Foto: Heribert Schindler


BERLINER PHILHARMONIKER

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»Klarheit ist der schnellste Weg …« George Benjamin, Ar tist in Residence, im Gespräch

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Tradition des ständigen Fortschritts D a s S t r e i c h q u a r te t t i n der Neuen Musik

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Hebamme der Musik Der Cellist Alban Gerhardt

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Ausdruck geht vor Tempo Jakub Hrůša debütier t am Pult d e r B e r l i n e r P h i l h a r m o n i ke r

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Klosterbrüder, Partisanen und Nudisten Te o d o r C u r r e n t zi s u n d s e i n E n s e m b l e m u s i c A e te r n a

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One-Hit-Wonder Max Bruch, der Mann mit d e m e i n e n V i o l i n ko n ze r t

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Verfangen im Klanggespinst Claude Debussy und seine »Schule«

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Traditionell innovativ Zehn Jahre Digital Concer t Hall d e r B e r l i n e r P h i l h a r m o n i ke r

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Mein Instrument als Lebenspartner Diesmal mit Raphael Haeger und s e i n e m S c h l a g ze u g



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»KLARHEIT IST DER SCHNELLSTE WEG, IN DIE TIEFE DER DINGE ZU GELANGEN« Der Komponist und Dirigent George Benjamin ist Artist in Residence der Berliner Philharmoniker.

Foto: Matthew Lloyd

Vo n A r n t C o b b e r s

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BERLINER PHILHARMONIKER — GEORGE BENJAMIN

I N D E R S A I S O N 2 018 /2 019 widmet die Stiftung Berliner Philharmoniker dem Komponisten und Dirigenten George Benjamin einen großen Schwerpunkt, der den gebürtigen Engländer zum ersten Mal in seiner ganzen künstlerischen Bandbreite in Berlin präsentiert. Zwei seiner Opern, Klavier-, Kammer- und Orchestermusik stehen dabei in Zusammenarbeit mit dem Musikfest Berlin auf dem Programm. Wir trafen Benjamin in Hilversum und sprachen mit ihm über seine so unterschiedlichen Arbeiten und seine Berliner Residenz.

128: Mr. Benjamin, Sie haben viele Projekte zur Musikvermittlung gemacht. Wie würden Sie in einem Einführungsvortrag den Komponisten George Benjamin in zwei, drei Sätzen vorstellen? George Benjamin: Oh, no! (lange Pause) Ich kann die Arbeit meines Lebens, in die ich mein Herz und meine Seele hineingebe, und meine Persönlichkeit nicht in drei Sätzen vorstellen. Meine Stücke sind so unterschiedlich. Sie haben sich in der Stimmung, im Temperament, in der Farbe, im Stil und der Technik über die Jahrzehnte hinweg gewandelt. Ich schreibe die Musik, die ich in meinem Kopf höre. Und ich bin sehr glücklich, wenn Menschen kommen, um sie zu hören. Wie wünschen Sie sich das ideale Publikum? Menschen. (lacht) Sie können alt oder jung sein. Sie sollten bitte ruhig sein. Sie sollten zuhören, mit offenen Herzen und offenem Sinn. Und neugierig sein. Ich habe eine sehr abstrakte Idee eines Publikums, wenn ich schreibe, aber letzten Endes schreibe ich, was ich schreiben und hören möchte. Ich stecke meine ganze Fantasie und mein Können und Wissen hinein. Aber ich gebe den Zuhörern nicht, was sie wollen. Ich gebe ihnen aber auch nicht, was sie nicht wollen. Ich weiß nicht, was sie wollen. Außer einem: Ich bin sicher, das Publikum will, dass ein Künstler etwas ernsthaft aus seiner Fantasie heraus erschafft. Ohne Kompromisse. Die Menschen wollen eine Art Wahrheit, denke ich. Was ist ein Konzert? Ein Konzert kann ein Quell unendlicher Freude sein, es kann auch ein Moment von schrecklicher Trauer und tiefer Emotion sein. Wenn ich aus einer Aufführung des »Wozzeck« komme, habe ich meist Tränen in den Augen. Aber wenn Sie Beethovens Siebte oder die »Symphonie fantastique« hören, fühlen Sie sich, als würden Sie über der Erde schweben vor Freude. Ich denke, Musik ist eine Sache von wundersamer Schönheit. Egal ob es die Schönheit des 18. oder des 20. Jahrhunderts ist. Und ich denke, es muss das Ziel sein, den Menschen die Hoffnung zu geben, dass selbst in dunklen Zeiten Schönheit möglich ist. Außerdem hoffe ich, die Leute langweilen sich nicht, sie bleiben dran, und dann kann in seltenen Momenten eine Magie entstehen zwischen dem Publikum und den Musikern. Musik kann die Menschen

bewegen und zu ihnen sprechen in der Tiefe ihrer Herzen, wie es auf anderem Wege nicht möglich ist. Das ist eine Kommunikation von außergewöhnlicher, mysteriöser Kraft, die schwer zu fassen ist. Ich glaube, als Kind habe ich das sehr intensiv gespürt, dass die Musik in der Lage ist, etwas Unglaubliches in uns auszulösen. Da wird etwas sehr tief in uns selbst wirksam. Wollten Sie deshalb schon als Kind komponieren? Ich habe mich in die Musik verliebt und bin ihr verfallen, als ich sechs oder sieben war. Kinder sehen ein Fußballspiel und wollen Fußball spielen, sie sehen Feuerwehrautos und wollen Feuerwehrmänner werden. Meine einzige oder mit weitem Abstand größte Leidenschaft war Musik, Musik, Musik. Ich habe gelernt, Musik zu spielen als Pianist, Oboist, Flötist, Perkussionist, ich habe auch schon sehr früh dirigiert. Aber vor allem wollte ich Musik erfinden. Ich habe komponiert, bevor ich wusste, wie man sie aufschreibt. Ich hatte nur die fünf Linien und eine vage Idee der Schlüssel und habe losgelegt. Wenn Sie mich mit acht oder elf oder 15 Jahren gefragt hätten, was willst du werden, Sie hätten immer dieselbe Antwort bekommen: Ich will komponieren. Die meisten, die sich als Kind in die Musik verlieben, spielen später die Werke anderer Komponisten. Ich denke, für Kinder gibt es den Unterschied nicht. Man hört etwas und möchte es nachmachen, aber man möchte auch kreativ werden. Der Unterschied ist: Ich habe damit nie aufgehört und es immer weiter versucht. Mit 15 Jahren wurden Sie Schüler von Olivier Messiaen, der über Sie sagte, Sie hätten ein Talent wie Mozart. Ist solch ein Lob nicht auch eine Bürde? Brahms hat sehr darunter gelitten, dass Schumann ihn zum neuen Beethoven ausrief. Damals warteten sie sehnsüchtig auf den Nachfolger, der die große deutsche Tradition weiterführen würde. Und man muss sagen: Brahms hat es geschafft. Für einen Engländer am Ende des 20. Jahrhunderts war Mozart weit weg. Nein, ich liebte Messiaen, seinen Enthusiasmus und seine Großzügigkeit. Sein Lob hat mich sehr berührt, aber ich konnte es nicht ernst nehmen. Selbst wenn Mozart wiederkehren würde – ich fürchte, er hätte nicht mehr diesen Erfolg. Er war das Genie zur rechten Zeit. Es gab damals eine komplett ausformulierte Musiksprache, mit deren Hilfe er etwas ganz Außergewöhnliches gemacht hat. Aber das ist nicht die Situation von heute. Ist es schwerer geworden zu komponieren? Es gibt so viele Möglichkeiten und eine unendliche Freiheit. Wenn es beim Komponieren schlecht läuft, verfluche ich die Freiheit. Läuft es gut, denke ich, wie toll es ist, dass ich tun kann, was ich will. Man ist heute mehr allein. Man wird nicht geleitet durch die Tradition, zumindest kommt es uns


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heute so vor, vielleicht wird man das mit 100 Jahren Abstand anders sehen. Eine der Herausforderungen für einen Komponisten besteht heute darin, sich selbst Grenzen zu setzen und das fruchtbarste Gebiet für die eigene Fantasie zu finden. Man muss sich viel mehr Gedanken machen. Im 19. Jahrhundert waren die Formen, die Tempi, die Taktarten und so vieles mehr standardisiert. Schrieb man einen Violinschlüssel und zwei Kreuze an den Anfang, war damit schon viel zur harmonischen Teleologie des Stücks festgelegt. Oder 100 Jahre zuvor der Generalbass. Diese Festlegungen haben die Komponisten nicht davon abgehalten, großartige Musik zu schreiben. Aber das funktioniert heute nicht mehr. Sich an diese Vorgaben zu halten, wäre nicht mehr authentisch. Sie haben selbst als Kernbegriffe für Ihre Musik genannt: Präzision, Klarheit, Transparenz. Das habe ich mir nicht ausgesucht, das ist einfach so. Ich bin sehr detailverliebt. So waren meine Eltern, und so war auch ich schon als Kind. Das führt zu Präzision. Was ich schreibe, sollen die Instrumentalisten spielen können und das möchte ich hören können, wenn ich dirigiere. Es muss Phasen von Chaos und Tumult geben, aber das ist nicht der Normalzustand in meiner Musik. Ich liebe Transparenz – in der Malerei, im Denken, ich liebe Logik, Klarheit, britischen Empirismus. Klarheit ist der schnellste Weg, in die Tiefe der Dinge zu gelangen. Und selbst wenn es in einer Oper mal konfus wird, versuche ich auch, die Konfusion transparent zu machen. (lacht) Damit klar wird, was ich will. Wie beginnen Sie ein Stück? Sie haben mal gesagt, nicht aus einer Inspiration heraus. Das stimmt. Es ist nicht so, dass man herumspaziert, in den Himmel guckt – und plötzlich kommt die Inspiration. Man muss auf die Jagd nach ihr gehen, man muss sie sich erarbeiten. Ein großer Autor, ich weiß nicht mehr wer, hat mal gesagt: Die Inspiration kommt zu denen, die bereit für sie sind. Als Komponist muss man für sich eine Arbeitsweise entwickeln. Ich arbeite mit Tönen auf abstrakteste Weise, untersuche die Beziehungen zwischen ihnen, probiere rhythmische Konzeptionen aus, denke, oh, das ist interessant, und das korreliert mit dem, und da steckt dasselbe drin wie hier, und wenn ich hier moduliere, steckt das in beiden drin, und dann ergibt sich eine Verbindung zu diesem hier. Das ist noch abstrakt, aber plötzlich kommt dir eine musikalische Idee. Du beginnst zu schreiben – und es stirbt ab, weil es nicht die Fähigkeit hatte zu wachsen. Und dann findest du etwas in größerem formalen Maßstab, das wirklich interessant wirkt, du kannst Strukturen und Instrumente und Texturen verbinden, aber es entsteht keine Schönheit, es gibt keine Klang-Freude. Man muss sehr geduldig sein und viel arbeiten, um zu einem Punkt zu kommen, wo du etwas Interessantes findest, das die Fähigkeit hat, zu wachsen. "

»Wenn es beim Komponieren schlecht läuft, verfluche ich die Freiheit. Läuft es gut, denke ich: wie toll!«

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BERLINER PHILHARMONIKER — STREICHQUARTET T

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TRADITION DES STÄNDIGEN FORTSCHRITTS Das Streichquartett gilt als besonders klassische Gattung – und ist bis heute ein fruchtbares Experimentierfeld für Komponisten.

schon so, dass es mich irgendwie ›erwischt‹ hatte: Ich sollte ein Streichquartett schreiben. Und nicht irgendwer, sondern die Ardittis wollten es aus der Taufe heben. Mir sind spontan einige Assoziationsketten durch den Kopf geschossen: die eine, eine Szene, wie ich an meinem Schreibtisch sitze, Beethoven steht hinter mir, Bartók hat sich auf einen Stuhl neben mich gesetzt und abwechselnd amüsieren sich beide und ziehen mir tadelnd am Ohr. Die andere, wie Irvine Arditti eines schönen, elend heißen Sommerabends 1994 in der Orangerie in Darmstadt das Dritte Streichquartett von Brian Ferneyhough mitmusiziert und voller Energie und Präsenz ist, elend schwitzt und – und fast vom Stuhl zu fallen scheint.« Der 1977 geborene Komponist Philipp Maintz brachte das gefürchtete Streichquartett 2004 unter dem Titel »Inner Circle« erfolgreich zu Papier. Das Zitat hätte jedoch zahlreiche andere Urheber haben können, denn es schildert zwei für die Herangehensweise an die als besonders ernst geltende Gattung paradigmatische Phänomene: Die Skrupel vor dem Gewicht der Tradition einerseits und den Anspruch auf Originalität und Innovation andererseits. Wie paradiesisch muss es sich für Joseph Haydn angefühlt haben, frei von Normen aus der Ursuppe barocker » E S WA R DA N N D O C H

Formen die ersten Streichquartette zusammenzubrauen und sie in immer wieder neuen Formen weiterzuentwickeln! Seine knapp 70 Quartette boten einen fabelhaften Nährboden für Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van Beethoven, die das Genre aus dem Rahmen des Laienmusizierens heraus in die professionelle Sphäre der Kunstmusik hoben. Für Beethoven und Franz Schubert, der sich an den Werken des Bonner Riesen messen musste, leistete das Schuppanzigh-Quartett, eines der ersten festen Ensembles der Besetzung, mit seinen öffentlichen Aufführungen unschätzbare Pionierarbeit. Heute gelten vor allem die visionären Spätwerke Beethovens, darunter die verstörend moderne »Große Fuge« op. 133, zu den unumstößlichen Meilensteinen der Gattung. Sie beschäftigten nicht nur die unmittelbar nachfolgenden Generationen, sondern sitzen auch einem Heutigen wie Philipp Maintz noch im Nacken. DER NIMBUS DES NEUEN

Dass sich das Streichquartett bis heute anhaltender Beliebtheit bei Komponisten erfreut, verdankt es zu einem Großteil dem Nimbus, ein fruchtbares Experimentierfeld zu sein. So finden wir die (a)tonalen Entwicklungen in

Instrumente: Heribert Schindler

Vo n S u s a n n e Z i e s e


den Quartetten der Zweiten Wiener Schule, aber auch klangliche und spieltechnische Neuerungen bei Bartók, Schostakowitsch, Debussy, Ravel und Ligeti. Nach dem Zweiten Weltkrieg trugen die 1946 gegründeten Internationalen Ferienkurse für Neue Musik in Darmstadt maßgeblich dazu bei, dass diese Werke intensiv studiert und aufgeführt wurden. Daneben etablierten sich verschiedene hervorragend ausgebildete Spezialistenensembles, die den stets steigenden technischen Anforderungen der zeitgenössischen Kompositionen gewachsen waren, so das 1946 gegründete LaSalle Quartet, das Kronos Quartet (1973) und das Arditti Quartet (1974). Letzterem wurde 1999 der Ernst von Siemens Musikpreis für sein »musikalisches Lebenswerk« verliehen, das mehrere Hundert Uraufführungen beinhaltet, darunter Werke von Thomas Adès, Harrison Birtwistle, Elliott Carter, Sofia Gubaidulina, Brian Ferneyhough, Jonathan Harvey, Mauricio Kagel, Salvatore Sciarrino, Iannis Xenakis und vielen mehr. Während sich mancher Komponist dem »Experiment« Streichquartett nur ein einziges Mal und mitunter auf radikale Weise stellte, lieferten (und liefern) andere wie Wolfgang Rihm oder dessen Schüler Jörg Widmann, deren

Auch heutigen Komponisten sitzen die Meilensteine der Gattung noch im Nacken.

Kompositionen sich stärker an der klassischen Tradition orientieren, ganze Serien, die sich auch außerhalb der wenigen auf Neue Musik spezialisierten Festivals und Konzertreihen etablieren konnten. F R E I R AU M D U R C H Z U FA L L

Ein kleiner Überblick über wichtige Werke, die seit der Mitte des 20. Jahrhunderts entstanden sind, zeigt exemplarisch prägende stilistische Entwicklungen. Etwa das 1950 komponierte, überwiegend meditativ gehaltene String Quartet " in Four Parts von John Cage. Der von indischer


BERLINER PHILHARMONIKER — STREICHQUARTET T

Philosophie inspirierte Komponist arbeitet hier mit fixen Klangmustern, die teils aleatorisch durch die Spieler kombiniert werden. Auch das Quartett Witold Lutosławskis (1964) setzt auf Zufallselemente, um sich gestalterischen Freiraum zu verschaffen. Deutlich radikaler bricht das Zweite Streichquartett von Krzysztof Penderecki (1960) mit der klassischen Tradition von Melodien, Harmonien und festen Metren. Es wird dem »Sonorismus« zugeordnet, da die Musik auf Geräuschen wie Kratzen, Schaben und Quietschen basiert und kein festes Metrum aufweist. An diese Tendenz zur Versachlichung knüpft Helmut Lachenmanns in den 1970er-Jahren komponierter »Gran Torso« an. Nicht der Klang bildet hier das Material, sondern die ihn erzeugenden mechanischen und energetischen Bedingungen. Luigi Nonos 1980 für das LaSalle Quartet komponiertes Stück »Fragmente – Stille, An Diotima« ist komponierte Stille, aus der vereinzelte Klanginseln aufscheinen. Hatte Nono zuvor mit politisch linken Aussagen lautstark für Aufsehen gesorgt, so überrascht das Quartett mit einer Innerlichkeit, die von – nur für die Augen der Interpreten gedachten – Textfragmenten aus Friedrich Hölderlins »An Diotima« stimuliert wird. Fast zeitgleich schrieb Alfred Schnittke sein Drittes Streichquartett, das beispielhaft für die Strömung der Polystilistik steht, indem es zitathafte Anspielungen an Beethoven, Schostakowitsch und Orlando di Lasso verbindet. Auch das 1970 »in tempore belli«, während des Vietnamkriegs, verfasste »Black Angels« von George Crumb spielt zwar mit einem Zitat aus Schuberts »Der Tod und das

Stumme Texte und Geräusche, Helikopter und Gehirnströme …

Mädchen« auf die Tradition an, geht dann aber einen ganz eigenen – programmatischen – Weg. Es verlangt nach einem elektrisch verstärkten Streichquartett, einem Tam-Tam und Kristallgläsern, um die »13 Szenen aus dem dunklen Land« darzustellen. Insektensurren, Sirenengeheul, das Klappern von Gebeinen und ein Totentanz mit der zitierten Melodie des »Dies Irae« führen das Geschehen eindringlich vor Ohren. Als der Geiger David Harrington das Stück im Radio hörte, beschloss er, das Kronos Quartet zu gründen, in dessen Repertoire sich bis heute zahlreiche Kompositionen finden, die zusätzlich zu den Streichinstrumenten den Einsatz von Elektronik erfordern. Eines davon ist »Different Trains«, das Steve Reich 1988 für das Ensemble schrieb. Es ist programmatisch von der Idee verschiedener Eisenbahnzüge Anfang der 1940er-Jahre bestimmt: den Zügen, in denen Reich selbst als Junge zwischen New York und Los Angeles hin- und herreiste und denen, die zeitgleich in Nazideutschland Juden deportierten. Neben dem minimalistisch

Das JACK Quartet

Foto: Shervin Lainez

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… »Streichquartett«, das ist mittlerweile ein überaus dehnbarer Begriff.

geprägten Quartettpart werden über ein Tonband Zuggeräusche und Stimmen von Reichs Kindermädchen, einem Schaffner und Holocaust-Überlebenden eingespielt. H U B S C H R AU B E R U N D M I LC H K A N N E N

Dass man als Interpret auch theatralisch-performative Auftritte nicht scheuen darf, zeigen Werke wie das 1996 uraufgeführte »Helikopter-Quartett« Karlheinz Stockhausens, bei dem die Musiker in vier Helikoptern über dem Konzertsaal fliegen, während das Gespielte, begleitet von den Geräuschen der Rotorblätter, in Bild und Ton in den Saal übertragen wird. Einfacher zu realisieren ist dagegen Natacha Diels’ »Nightmare for JACK (a ballet)«. Die Partitur sieht eine Art parodistische Choreografie auf eine klassische Quartettaufführung vor. Geschrieben wurde das Werk für das 2005 in den USA gegründete JACK Quartet – JACK ist das Akro128_0318_752024_Meistersinger.indd nym der Vornamen der Gründungsmitglieder. Die Mission des Ensembles, einer durch Spenden finanzierten Non-Profit-Organisation, ist es, »zeitgenössische Musik aufzuführen, bekannt zu machen und das Publikum mit ihr vertraut zu machen, sowie das Streichquartettrepertoire zu erweitern und zu bereichern, indem Interpretationen zusammen mit den Komponisten erarbeitet und neue Werke in Auftrag gegeben werden«, so der Bratschist John Pickford Richards. Neugierig und vor allem unerschrocken sind sie die »Superhelden der Neuen Musik« (»Boston Globe«): »Einmal«, erzählt Richards, »hat man uns beim Spielen an Gehirnstrommessgeräte angeschlossen, wobei die Daten, verarbeitet von einer Software, direkt unsere gespielten Klänge manipulierten. Ein anderes Mal wurden Milchkannen an uns befestigt, sodass bei jeder Bewegung unserer Arme die Milch umherschwappte. Wir sind zwar ein Streichquartett, doch uns wird immer wieder bewusst, dass ›Streichquartett‹ ein überaus dehnbarer Begriff ist!« <

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KO N Z E R T T E R M I N Kammermusiksaal 6. November 2018 20 Uhr JACK Quartet Werke von Zosha di Castri, Morton Feldman, Elliott Carter, Liza Lim und Iannis Xenakis

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10.07.18


BERLINER PHILHARMONIKER — ALBAN GERHARDT

HEBAMME DER MUSIK Für den Cellisten Alban Gerhardt endet der Einsatz für die Zukunft der Musik nicht mit der Uraufführung eines Werks. Vo n B j ø r n Wo l l

W E N N A L BA N G E R H A R DT das Podium betritt, scheint es nur noch ihn und sein Cello zu geben. Die Ernsthaftigkeit und Leidenschaft, mit der er sich der Musik hingibt, besitzen einen Fokus und eine Sogkraft, die das Publikum förmlich zum Zuhören zwingt. Das ist ein Cellospiel auf der Stuhlkante, durchglüht vom subjektiven Gestaltungswillen des Interpreten. Ein herausragendes Beispiel dafür war etwa die LiveAufnahme des Cellokonzertes von Antonín Dvořák mit dem BBC Philharmonic Orchestra unter Neeme Järvi, die leider nur kurze Zeit als Heft-CD des »BBC Music Magazine« erhältlich war. Hört man diese Interpretation, bekommt man eine Ahnung davon, was Alban Gerhardt meint, wenn er sagt: »Beim Spielen gehe ich immer volles Risiko.« Eine überragende Einspielung ist ihm damit gelungen, weil er so bedingungslos und ohne Netz und doppelten Boden darauf agiert. »Natürlich ist es gefährlich, dass ich mich sogar bei einer Uraufführung dazu zwinge, das Stück auswendig zu spielen«, erklärt er seine Haltung. »Das Risiko ist es allerdings wert – selbst wenn ich mal rausfliegen

sollte –, weil klar wird: Der Typ steht vollkommen hinter der Musik, die er da spielt. Wenn ich mir die Noten hinstelle, kann ich nicht so frei und tief in den Text gehen, ich fühle mich dann eingeengt.« Einengen lassen möchte Alban Gerhardt sich ebenfalls nicht von den ausgetretenen Pfaden der ohnehin nicht gerade üppigen Literatur für sein Instrument. Kaum ein Cellist dürfte so viel Abseitiges, kaum Bekanntes oder Vergessenes gespielt und auf CD aufgenommen haben, darunter Cellosonaten von Frédéric Chopin, Charles-Valentin Alkan und Max Reger sowie Konzerte von Hans Pfitzner, Anton Rubinstein und Wilhelm Fitzenhagen. Hinzu kommt ein fast schon missionarischer Einsatz für die Neue Musik, nicht nur für die mittlerweile zu Klassikern gewordenen Cellokonzerte von Witold Lutosławski und Henri Dutilleux, sondern auch für Zeitgenössisches etwa von Unsuk Chin, die ihr Cellokonzert extra für Alban Gerhardt geschrieben hat – nachdem er jahrelang versucht hatte, sie davon überzeugen. Ganz ähnlich ging es ihm nun mit Brett Dean: »Er war ein Kollege meines Vaters bei den Berliner Philharmonikern "

Foto: Kaupo Kikkas

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»Beim Spielen gehe ich immer volles Risiko«, sagt Alban Gerhardt. Man kann hören, was er damit meint.

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BERLINER PHILHARMONIKER — JAKUB HRŮŠA

AUSDRUCK GEHT VOR TEMPO Mit dem jungen Tschechen Jakub Hrůša debütiert ein Dirigent am Pult der Berliner Philharmoniker, der keine Angst vor Längen kennt. Vo n A l ex a n d e r D i c k

Foto: Andreas Herzau

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W E R H E U T E AU F einem der weit über 30 Grenzübergänge – Fußwege nicht mitgerechnet – von Deutschland in das EU-Land Tschechische Republik einreist, macht sich in der Regel kaum Gedanken darüber, in welchem Landesteil er dann ankommt. Tschechien – was war das noch mal im Unterschied zur Tschechoslowakei? Richtig, einer der beiden 1993 nach dem Zusammenbruch des Sozialismus neu gegründeten Staaten, die aus dem alten, 1918 entstandenen Doppelstaat hervorgingen. Also ist Tschechien identisch mit Böhmen? Oder war da nicht noch was? Wie verhält es sich mit Mähren? Jetzt sind Geografie- und Geschichtskenntnisse hilfreich. Oder ein Gespräch mit Jakub Hrůša. Hrůša, seit zwei Jahren Chefdirigent der Bamberger Symphoniker, ist 1981 im östlichen Teil des Landes geboren, in

Hrůša sieht sich in der Tradition der großen tschechischen Dirigenten … Brno (Brünn). Musikfreunde wissen, dass dort jedes zweite Jahr ein großes Festival stattfindet zu Ehren jenes Komponisten, der in der mährischen Hauptstadt zu Hause war: Leoš Janáček. Und der nicht zuletzt auch der bedeutendste Vertreter der mährischen Musik in der neueren Zeit war. So, wie besonders Smetana und Dvořák für die böhmische Musiktradition stehen. Die Frage dämmert so langsam: Sind die Unterschiede zwischen den beiden Landesteilen Böhmen und Mähren womöglich weit größer, als wir sie hier erahnen können? Verhält es sich mit den beiden Regionen so, wie etwa in Deutschland mit Altbayern und Franken? Jakub Hrůša muss lachen. Der Vergleich sei gar nicht so schlecht, sagt er. Denn auch wenn die Dialekte nicht so unterschiedlich seien wie etwa zwischen dem Norden und dem Süden Deutschlands, gebe es doch eine ganze Reihe feiner Differenzierungen. Zum Beispiel die Religion: Böhmen – das stehe für Glaubenskriege der Hussiten, für Jan Hus, den Reformator aus Husinec, der seine Abspaltungsintentionen von Rom und sein Eintreten für ein tschechisches Nationalbewusstsein beim Konstanzer Konzil 1415 mit dem Tod bezahlte. Man denkt an den alten Spottvers von römisch-katholisch und böhmisch-katholisch. »Böhmen ist säkularer als Mähren«, sagt Hrůša. Mähren ist der römisch-katholischen Kirche stärker verbunden. Und solcher Unterschiede gibt es noch mehr. Hrůša berichtet von den Genussgewohnheiten: In Tschechien liebe man überall das Bier, Mähren aber habe auch eine Weinkultur. Und dann ist da noch die Musik: Die mährische Musiktradition sei im Unterschied zur böhmischen stark beeinflusst von den modalen Kirchentonarten. Hrůša: »Mährens Musik ist nahe an der der Slowakei, den anderen slawischen Kulturen und Ungarn.«

KE I N E S E KU N D E Z U LANG

Wo also steht Jakub Hrůša? Auf der mährischen, der böhmischen Seite? Oder ist diese Frage womöglich nur müßig? Ein Hineinhören in seine aktuelle Interpretation von Smetanas symphonischem Zyklus »Má vlast« mit seinem Orchester – den Bamberger Symphonikern – auf CD offenbart etwas ganz anderes: Hrůša hat keine Angst vor Längen. Er vermag mit ihnen umzugehen, er zelebriert sie. Aber ohne künstliches Pathos. Allein für »Vyšehrad«, die erste Tondichtung des Zyklus, die vom Mythos der ersten böhmischen Fürsten erzählt, braucht er gut 16 Minuten – deutlich mehr als die Partitur veranschlagt und selbst ein Meister des symphonischen Slowfoods wie James Levine einst dafür benötigte. Man hat aber nicht das Gefühl, das Hrůšas »Vyšehrad« nur eine Sekunde zu lang ist, im Gegenteil: Die Reise in ein mythisches Ur-Böhmen könnte authentischer nicht klingen. Auch am 18. Juni 2017 beim Gedenkkonzert für Jiří Bělohlávek (jenem Dirigenten, von dem Hrůša sagt: »Er war mein wichtigster Lehrer.«) mit der Tschechischen Philharmonie konnte man diesen eine Partitur in stoischer Ruhe ausleuchtenden jungen Maestro erleben. Das einleitende Andante con moto aus Antonín Dvořáks ohnedies tief berührendem »Stabat Mater« gerät ihm zum symphonischen Vermächtnis: Die Bewegung – das »con moto« – erwächst bei ihm aus der Zeitlupe der absteigenden Klagelinien. Merke: Ausdruck geht vor Tempo. Böhmisch – mährisch? Die Frage erübrigt sich also. Auch angesichts eines gerade mal 37-jährigen Künstlers, dessen Familie zu weiten Teilen aus Mähren, aber auch ein bisschen aus Böhmen, der Slowakei und Russland stammt. »Ich finde diese Unterschiede nicht so wichtig«, lautet Hrůšas Überzeugung. Und so überrascht auch die Selbst-

… aber sein Repertoire geht über das tschechische deutlich hinaus. einschätzung seiner Position nicht mehr. »Ich sehe mich in der Tradition der großen tschechischen Dirigenten« – von Václav Talich über Karel Ančerl, Rafael Kubelík, Václav Neumann bis eben zu Jiří Bělohlávek. Aber insbesondere im Vergleich zu den ersten beiden geht sein Repertoire über das tschechische deutlich hinaus. Gibt es einen Fokus? Eher nicht. Das zeigen oft genug seine Programme, in denen er kombiniert. Wenn er, wie auf seiner jüngsten CD mit den Bamberger Symphonikern, Brahms’ Vierte mit Dvořáks Neunter verbindet, hat das natürlich nichts mit Extravaganz oder gar Mut zu tun. Sehr wohl aber mit der Idee einer bestimmten Musiktradition: »Ich finde, Dvořák, Mahler und Brahms sind Komponisten, " die die Idee eines Mitteleuropa verkörpern.

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BERLINER PHILHARMONIKER — TEODOR CURRENTZIS

KLOSTERBRÜDER, PARTISANEN UND NUDISTEN Als Dirigent tritt Teodor Currentzis gewissermaßen nackt vors Publikum – im Dienst der musikalischen Wahrheit. Vo n S u s a n n e S t ä h r

E S WA R I M J A H R 2 0 0 5 , als Teodor Currentzis dem britischen Journalisten Peter Culshaw in Nowosibirsk, wo er damals als Chefdirigent des Staatlichen Akademischen Opern- und Ballett-Theaters wirkte, ein Interview gab. Man traf sich in einem Restaurant, ließ sich Borschtsch servieren, nahm ein paar Drinks. Die Atmosphäre lockerte sich zusehends – und so fiel der bemerkenswerte Satz: »Geben Sie mir fünf oder zehn Jahre«, sprach Currentzis, »dann werde ich die klassische Musik retten.« Das war eine starke Ansage: Erhob sich da einer, der bislang eher als Geheimtipp gehandelt worden war, selbst zum Erlöser des vermeintlich darbenden oder in Routine erstarrenden Musiklebens? Auch wenn Currentzis seine Botschaft später zu relativieren versuchte und erklärte, so habe er es dann doch nicht gemeint, ist ihm ein gewisser messianischer Zug nicht abzusprechen. Und manche seiner Auftritte haben etwas von einer Séance an sich. Zum Beispiel seine Deutung von Joseph Haydns »Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze«, die er 2017 mit seinem Ensemble musicAeterna zur Aufführung

brachte. Haydn komponierte seine Passionsmusik für die Höhlenkapelle Santa Cueva im spanischen Cádiz, für einen mystisch dunklen Raum. Currentzis griff diese historische Konstellation auf, indem er die Beleuchtung in den Konzertsälen auf das erlaubte Minimum abdimmen ließ, den Bühnenraum mit mehr als 100 brennenden Kerzen einfriedete und damit für ein magisches Licht sorgte. Das spektakuläre Setting bot den Rahmen für den Auftritt der Musiker, die sich auch noch in Mönchskutten kleiden mussten und stehend ihren tönenden Gottesdienst darboten. Trotzdem wirkte es nicht wie ein bloßer Showeffekt, dazu war schon die musikalische Gestaltung viel zu bewegend; die Präsentation ging hier vielmehr eine Symbiose mit der künstlerischen Botschaft ein und legte ihre Wirkung frei, beförderte sie wie ein Katalysator. TRAN S Z E N D E N Z, N ICHT WE LLN E SS

Spiritualität ist für Currentzis der Schlüssel zur Interpretation, wobei er sogleich vorwarnt: »Das hat absolut nichts mit Wellness zu tun. Spiritualität hat etwas mit "


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BERLINER PHILHARMONIKER — TEODOR CURRENTZIS

Musik ist für Teodor Currentzis ein »Echo des Paradieses«, zu dem er Zugang sucht …

und klassische Werke im Originalklang aufführen zu können. Studenten aus verschiedenen Hochschulen hatte er sich dafür ausgesucht, aber sie mussten mehr vorweisen als nur virtuose Meisterschaft – nein, es ging ihm um eine Art Treueschwur: sich ganz dem Primat der Kunst unterzuordnen, das Äußerste aus sich herauszuholen und auch dann noch einen Schritt weiterzugehen, wenn die Grenze schon erreicht scheint. Mit diesem Ensemble der Gleichgesinnten zog Currentzis 2010 weiter nach Perm am Ural, wo er die Position des Musikdirektors übernahm. Obwohl es dort doch schon ein Orchester gab. MYTHOS, MÄR U N D MOZART

Transzendenz zu tun. Und das setzt die Anstrengung voraus, sich ernsthaft auf etwas einzulassen.« Die Musik empfindet er als ein »Echo des Paradieses«, zu dem er Zugang sucht. Und sein Ensemble, das ihm den Weg dahin bahnen soll, nennt sich selbst eine »Bruderschaft« (zu der allerdings auch einige Schwestern gehören). Wieder so ein Begriff aus dem geistlichen Milieu. Und dazu passt, dass Currentzis davon träumt, eines Tages ein »musikalisches Kloster« zu gründen: »Ein Ort außerhalb der Kommunikation, wo Künstler leben, meditieren und zusammen Musik machen können. Manchmal gehen wir dann in die großen Städte, spielen Konzerte. Danach kehren wir wieder heim.« Freilich kann es in diesem »Kloster« durchaus dionysisch zugehen. Wenn Currentzis mit der musicAeterna etwa seinen berühmten Rameau-Abend gestaltet und sich am Ende, beim Tanz der Wilden aus »Les Indes galantes«, selbst die Indianertrommel umschnallt und musizierend quer durch das Ensemble zieht, um mit den »Brüdern« Duos und Trios zu bilden, dann wirkt das lebensprall, lustvoll, erotisch. Teodor Currentzis unterscheidet sich in vielem von »herkömmlichen« Dirigenten – auch in seinem Werdegang. Geboren wurde er 1972 in Athen als Sohn eines Matrosen, der später zum Polizisten umschulte, und einer Musikerin. Aber es war der Vater, ein besessener Musikliebhaber, der in ihm die Leidenschaft für die Welt der Klänge weckte. Currentzis studierte Violine, dann auch Komposition und versuchte sich schließlich erstmals im Kreis befreundeter Musiker als Dirigent. Das Experiment verlief so vielversprechend, dass er sich für ein Kapellmeisterstudium entschied, das ihn 1994 zu Ilja Musin nach St. Petersburg führte, dem legendären Pädagogen, aus dessen Klasse auch Valery Gergiev und Semyon Bychkov hervorgegangen sind. Zehn Jahre später, inzwischen Chefdirigent in Nowosibirsk, gründete Currentzis die musicAeterna, um barocke

Dass sein Aufstieg zum Weltstar ausgerechnet in der russischen Provinz erfolgte, in Perm, der bis 1991 gesperrten Stadt, die einmal Molotow hieß und einen großen Gulag beherbergte, dass sein Stern also nicht in einer der großen westlichen Kulturmetropolen erstrahlte – auch das gehört zum Mythos, der Teodor Currentzis umgibt. Die Saga lautet: Aus den tiefen, dunklen Wäldern kam ein unerschrockener Neuerer, der sich um keinerlei Regeln scherte und den Klassikbetrieb radikal umstürzte. Currentzis selbst nährte diese Mär mit Sätzen wie: »Partisanen kannst du nicht in der Hauptstadt versammeln, die sammelst du immer an anderen Orten.« Und diese »Partisanen« mussten zu allerlei Entbehrungen bereit sein. Stundenlange Probenexzesse bis tief in die Nacht soll er mit ihnen unternommen haben, und sie mussten dabei in der Lage sein, »nicht nur genauso zu denken wie ich, sondern sogar genau zu spüren, was ich denke«. Kritiker werfen Currentzis denn auch vor, wie ein Diktator zu verfahren oder eine Art Sekte gebildet zu haben. Viele der Musiker, die mit ihm seit Langem zusammenarbeiten, streiten genau das jedoch ab, halten ihn für durchaus kompromissbereit und sehen ihm gerne nach, dass er etwas »komisch« sei. Seinen überzogenen Probeneifer rückt auch Currentzis zurecht mit den Worten: »Ich arbeite immer so lange, bis ich das gewünschte Ergebnis habe. Das können zehn Stunden, das können aber auch zehn Minuten sein.« Allerdings funktioniert das Prozedere nicht mit jedem Orchester. Mit den Wiener Philharmonikern beispielsweise ging es nicht gut. 2013 debütierte Currentzis bei ihnen, ausgerechnet mit dem Wiener Hausgott Mozart, auf dessen Interpretation sich dieses Orchester zu verstehen glaubt wie kein Zweites. Entsprechend heftig war der Widerstand, als Currentzis mit seinen eigenen Ideen aufwartete, die so gar nicht kompatibel waren mit dem, was das Orchester gewöhnt war. Manch einer wähnte die große Wiener Tradition mit Füßen getreten – das Experiment blieb ohne Fortsetzung. WAG N I S D I E N S T Z E I T R E G E L U N G

Wenn Currentzis nun mit Beginn der Spielzeit 2018/19 die Chefposition beim fusionierten SWR Symphonieorchester


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antritt, lässt er sich auf ein neues Wagnis ein. Denn natürlich wird er es hier mit gewerkschaftlichen Strukturen, mit Dienst- und Ruhezeitregelungen zu tun bekommen. Aber Currentzis ist zuversichtlich: »Ich habe schon im Vorfeld die nötigen Proben vereinbart.« Und dass er bei diesem Klangkörper, der sich aus dem ehemaligen SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg sowie dem RadioSinfonieorchester Stuttgart zusammensetzt, erst ein neues Profil entwickeln muss, sieht er sogar als Vorteil: »Ich weiß, wie man einen neuen Klang erarbeitet, das wissen die Musiker, und weil ich das spürte, habe ich das Angebot angenommen.« Wenn sich ein Orchester jedoch auf Currentzis’ Ideen einlässt, wenn es mit ihm die Grenzen überschreitet, dann kann das musikalische Ergebnis tatsächlich außerordentlich sein. Wie etwa bei seiner jüngsten Neueinspielung von Tschaikowskys »Symphonie pathétique«, die das vielgespielte Werk geradezu ungeheuerlich auslegt und die tödliche Katastrophe, die dort geschildert wird, schonungslos und fast physisch schmerzlich vorführt: mit Verlangsamun" gen und Beschleunigungen, wie sie noch kein

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… dabei kann es durchaus dionysisch zugehen – lebensprall, lustvoll, erotisch.

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VERFANGEN IM KLANGGESPINST »Es gibt keine Debussy-Schule«, sagte Claude Debussy. Wirklich nicht? Vo n M i c h a e l S te g e m a n n

ich zerstöre nichts. Ich gehe ruhig meinen Weg und mache keine Propaganda für meine Ideen, wie es ein Revolutionär tun würde«, erklärte Claude Debussy im Dezember 1910 in einem Interview mit einem österreichischen Journalisten. »Es gibt keine Debussy-Schule. Ich habe keine Schüler. Ich bin ich.« Dieses schroffe und spürbar gereizte Statement des Komponisten – selbstsicher und fast arrogant, wie es nun einmal seine Natur war – zeigt deutlich, wie sehr er damals bereits »Schule gemacht« hatte. Spätestens seit der Uraufführung seiner Oper »Pelléas et Mélisande« (am 30. April 1902 an der Pariser Opéra-Comique) galt Debussy als Kopf der jungen französischen Musik, als Heilsbringer im Kampf gegen den Bayreuther Drachen, als Vorbild und Ideal. »Pelléastres« hatte Jean Lorrain die Anhänger des Komponisten in »Le Journal« getauft: Sie lebten nur »für die Erregung dieser ausgehaltenen Akkorde, dieser unendlichen Anfänge einer hundertfach angekündigten Phrase;

Foto: Archiv Berliner Philharmoniker (Debussy in der Collage)

»I C H R E VO L U T I O N I E R E N I C H T S,

für dieses lustvolle, sich im Ohr des Publikums bis zum Schmerz steigernde Prickeln, das der hundertmal unterbrochene Aufschwung eines Themas bereitet, das zu keinem Ende kommt«. Der gutmütige César Franck hatte nichts dagegen gehabt, dass sich seine Schüler und Bewunderer als »bande à Franck« präsentierten. Der Maler Henri Fantin-Latour verewigte den Kreis der »wagnériens« in einem großen Gruppenporträt. Debussy aber fürchtete offenbar nichts so sehr, wie seine selbst erklärte Einzigartigkeit mit anderen teilen zu müssen und zum Spiritus Rector eines wie auch immer gearteten »Debussysmus« zu werden. Sicher, Schüler im strengen Sinne hat Debussy nie gehabt, da er auch nie eine offizielle Professur bekleidete. Andererseits gab es doch eine Reihe von jungen Musikern, die er nahe genug an sich heran (und als Assistenten für die Orchestration einiger seiner Werke arbeiten) ließ, dass sie in der Literatur gelegentlich als seine Schüler "

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André Caplet

bezeichnet werden: André Caplet vor allem, aber auch Henri Büsser, Charles Koechlin und der Dirigent und Komponist Désiré-Émile Inghelbrecht. Und während an der Schola Cantorum der »Horizontalismus« gelehrt wurde, der dem kontrapunktischen Ideal der deutsch-österreichischen Tradition verpflichtet war, begeisterten sich viele Studenten des Conservatoire für den »Vertikalismus« und behaupteten, »dass nur die Akkordfolgen und harmonischen Verkettungen zählten, die im »Pelléas« vorkamen« (Jean Barraqué). J E D E M E NG E »I S M E N«

Wie groß der Einfluss Debussys auf die musikalische Moderne war – weit über Frankreich hinaus –, zeigt die Liste der zehn Komponisten, die 1920 einem Aufruf der »Revue musicale« folgten, ein kleines Musikstück zu einem »Tombeau de Claude Debussy« beizusteuern. Neben fünf Franzosen – Paul Dukas, Maurice Ravel, Albert Roussel, Erik Satie und Florent Schmitt – finden sich hier der Italiener Gian Francesco Malipiero, der Engländer Eugène Goossens, der Ungar Béla Bartók, der Spanier Manuel de Falla

Charles Koechlin

Désiré-Émile Inghelbrecht

und der Russe Igor Strawinsky versammelt. Und wenn man auch keinen von ihnen als eigentlichen »Debussysten« bezeichnen kann, sind doch die Spuren, die Debussy mittelbar oder unmittelbar in ihrer Musik hinterlassen hat, nicht zu verkennen. Gibt man in Google das entsprechende Stichwort ein, werden aktuell zu »debussysme« 7190 Ergebnisse gemeldet, zu »debussysmo« 453, zu »debussysm« 108, zu »Debussysmus« 88 … Für all jene, die an dieser Stelle noch Platz in ihren »Isten«- und »Ismen«-Schubladen haben, könnte man nun noch trefflich darüber streiten, ob denn der »Debussysmus« eher ein Impressionismus oder ein Symbolismus war, ob ihn nicht der Franckismus ebenso geprägt hat wie der Wagnerismus, ob der übersteigerte Ästhetizismus des Fin de Siècle nicht der notwendige Wegbereiter für den Expressionismus war, der dann mit Sergej Diaghilews Ballets russes in Paris Einzug hielt, ob nicht auch der Futurismus … Schluss damit! »Debussy […] ist heute ein Element der Weltmusik, ein geistig-synästhetischer Zustand, der einer Epoche abendländischer Kulturgeschichte den Stempel aufdrückt«, so Hans Heinz Stuckenschmidt in seinem Buch »Schöpfer der Neuen Musik« (1958). D I FFUS E E I N FLÜSS E

Das, was die Bewunderer und Nachfolger Debussys von ihm gelernt und übernommen haben, ist eher diffus.

Fotos: mauritius images / Paul Fearn / Alamy (oben); Collection Madeleine Li-Koechlin (mitte); ullstein bild - Roger-Viollet (unten)

Was die Nachfolger Debussys von ihm gelernt haben, ist eher diffus.


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So wie von Boulez und Rihm ließen sich wohl von den meisten großen Komponisten der letzten hundert Jahre Textbelege dafür finden, dass und wie tief sie sich dem Vorbild Debussys verpflichtet fühlen oder gefühlt haben. Und noch viel länger wäre die Liste der klingenden Bezüge, auch wenn sie meist nicht so eindeutig schon im Titel "

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Musikalische Parameter wie (von der javanischen GamelanMusik beeinflusste) pentatonische und ganztönige Strukturen, modale Wendungen und Rückungen in der harmonischen Fortschreitung, die keiner Funktionalität mehr folgen (oft durch das Fehlen von Grundton-Bezügen scheinbar »schwebend«) oder eine quasi rezitativische Prosodie in der Vertonung von Texten – das sind Elemente, die eher unspezifisch seinen Stil prägen. Dasselbe gilt für die (avant la lettre) neoklassizistischen Rückbezüge auf die clarté François Couperins, Jean-Philippe Rameaus und anderer Meister des französischen Barock. Die poetischen und außermusikalischen Inspirationsquellen – Charles Baudelaire, Stéphane Mallarmé, Maurice Maeterlinck oder Paul Verlaine, japanische Farbholzschnitte, antike Kanopen oder die Spielzeugkiste seiner Tochter Chouchou – finden sich als Versatzstücke ebenso bei anderen Komponisten wie die Topografien Spaniens oder des Orients. Und trotzdem taucht der Name Debussy im Register von Alex Ross’ Buch »The Rest is Noise« nicht weniger als 60 Mal auf, und auch in fast allen anderen Standardwerken zur Musik des 20. Jahrhunderts ist sein Name allgegenwärtig, allerdings oft in höchst allgemein gehaltenen Feststellungen. »Sein nicht lineares, nicht entwickelndes Konzept von Zeit und Form war das Vorbild für die ›offenen‹ und ›punktuellen‹ Formen bei Boulez und Stockhausen« (Paul Jacobs im »Dictionary of TwentiethCentury Music«). Apropos Boulez. Ebenso wie sein Lehrer Olivier Messiaen, der ein glühender Verehrer Debussys war und in ihm den wahren Wegbereiter der Neuen Musik sah, war auch Boulez zeit seines Lebens – mit Verlaub – dem »Debussysmus« verfallen, wie schon 1956 ein (in der Zeitschrift »Melos« veröffentlichter) Essay »Die Korruption in den Weihrauchfässern« zeigt. Debussys »unverwechselbare und durch nichts zu ersetzende Physiognomie an der Schwelle der gesamten zeitgenössischen Entwicklung: ein Wegweiser, alleinstehend, einsam.« Und noch 1989 erwies Boulez in dem Kapitel »Thema, Variationen und Form« seines Buches »Jalons« (Leitlinien) der »Subversion« Debussys seine Reverenz, die für ihn der Schlüssel zu jener Freiheit des Komponierens war, die sich über alle Regeln und Normen hinwegsetzt. Ähnlich äußerte sich Wolfgang Rihm 2015 in einem Interview mit dem »Tagesspiegel«: »Seine [Schönbergs] und die Musik Debussys und Strawinskys legten in mir den Keim eim unbändiger künstlerischer Freiheitsliebe. Ich war verloren für Bürokratie und Systeme.«

RT AU A B D N GRU


B E R L I N E R P H I L H A R M O N I K E R — D I G I TA L C O N C E R T H A L L

TRADITIONELL INNOVATIV 10 Jahre Digital Concert Hall der Berliner Philharmoniker Vo n B e n e d i k t vo n B e r n s to r f f

D I E M E D I E N W E LT S T E H T I M R U F, Langzeitbeobachtungen und die geduldige Konzentration auf Inhalte zugunsten von Highlights und Events zu vernachlässigen. Dass es auch anders geht, zeigen seit nunmehr zehn Jahren die Berliner Philharmoniker mit ihrer Digital Concert Hall (DCH), an deren Namen sich die deutsche Zunge nach Anlaufschwierigkeiten mittlerweile gewöhnt hat. Seit Beginn der Spielzeit 2008/2009 wurden die Berliner Programme des Orchesters aufgezeichnet, am 6. Januar 2009 erfolgte im Rahmen eines Sonderkonzerts die erste Live-Übertragung. In einzigartiger Weise dokumentiert der »digitale Konzert-

Mittlerweile ist die DCH eine Art Kompendium der klassischen Musik. saal« die Arbeit der Philharmoniker in ihrer ganzen Breite: Während der Saison werden in nahezu wöchentlichem Rhythmus Auftritte live aus der Philharmonie, aber auch von Konzertreisen und Festivals übertragen und einige Tage später in das stetig wachsende Archiv der Plattform aufgenommen. Ergänzt wird das Angebot durch ältere Fernsehund Filmaufzeichnungen, Interviews mit Gastdirigenten und -solisten sowie eine Reihe von Dokumentationen, die etwa von der Geschichte der Philharmoniker im »Dritten Reich« und den letzten Lebensjahren Wilhelm Furtwänglers berichten oder dem Geheimnis der Chefdirigenten Herbert von Karajan, Claudio Abbado und Sir Simon Rattle nachspüren. Im Rahmen der Pressekonferenz zur Spielzeit 2018/2019 verkündete Olaf Maninger, philharmonischer Solocellist und

Co-Geschäftsführer der die Digital Concert Hall beheimatenden Berlin Phil Media GmbH, dass inzwischen mehr als 500 Konzerte auf der Plattform abgerufen werden können. Ein, so Maninger, »Quantensprung«, wenn man bedenkt, dass die ohnehin lange schon medial präsenten Philharmoniker in audiovisueller Gestalt zuvor mit lediglich drei oder vier Fernsehübertragungen pro Spielzeit ihr Publikum in aller Welt erreichten. Robert Zimmermann, neben Maninger der zweite Initiator und Geschäftsführer von Berlin Phil Media, erzählt im Gespräch: »Es war von Anfang an klar, dass wir die gesamte Arbeit des Orchesters dokumentieren, auch die unbekannteren Werke und nicht nur die Highlights.« Er bezeichnet die Summe der inzwischen verfügbaren Aufzeichnungen als »eine Art Kompendium der klassischen Musik und des Schaffens der Berliner Philharmoniker«. Klassikfans und Interessierte können auf Aufführungen des zentralen Orchesterrepertoires aus mehr als drei Jahrhunderten zugreifen, Fachleuten und professionellen Musikern bietet sich die reizvolle Möglichkeit des Interpretenvergleichs – etwa anhand der »Symphonie fantastique« von Hector Berlioz, die in Darbietungen von sechs verschiedenen Dirigenten vorliegt. E I N E AB E RWITZ IG E I D E E

Die Digital Concert Hall stellt nicht zuletzt eine produktive Antwort auf die tiefgreifende Krise dar, mit der sich die vom Internetzeitalter kalt erwischte Tonträgerindustrie konfrontiert sah. Als Reaktion erklärten die Philharmoniker mit der Gründung einer eigenen Produktionsfirma gewissermaßen ihre medienpolitische Unabhängigkeit. Dabei erwies es sich als Glücksfall, dass sich die seit Jahrzehnten eng mit dem Orchester kooperierende Deutsche Bank zur finanziellen " Unterstützung des Projekts bereit erklärte: »Die

Fotos: © Peter Adamik

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B E R L I N E R P H I L H A R M O N I K E R — L E B E N S PA R T N E R


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MEIN INSTRUMENT A LS LEBENSPA RTNER Diesmal mit Raphael Haeger

Fotos: Annette Hauschild

und seinem Schlagzeug

I N M E I N E M M U S I K E R L E B E N ist es schwer zu sagen, mit welchem Instrument ich meine innigste Beziehung führe. Das fängt schon bei meinem Hauptinstrument, dem Schlagzeug, an. Das Schlagzeug als Lebenspartner zu haben, heißt ja immer, dass eine ganze Familie bedacht werden muss. Zentrum dieser Familie ist die kleine Trommel. Rhythmus, Dynamik, Phrasierung, alles findet auf nur einer Tonhöhe statt. Daher ist sie das wichtigste Element im Baukasten Schlagzeug. Alles, was ein Schlagzeuger tut, ob auf Fell-, Metall-, oder sonstigen Instrumenten, lässt sich zurückführen auf die kleine Trommel. Das Schlagzeug als Komplex aus verschiedenen Schlaginstrumenten ist ein sich ständig wandelnder Lebenspartner. Wenn ich zum Beispiel an einem Montag morgens zur Philharmonie komme, stelle ich zunächst das Instrumentarium zusammen, von dem ich denke, dass es zu dem Werk passt, das wir gleich einstudieren werden. Meistens stellt sich dann schon in der ersten Probe heraus, ob meine Auswahl zum Werk und zu den Vorstellungen des Dirigenten passt oder nicht. Ich gehe dann nicht selten wieder neu auf die Suche und stelle mir mein Schlagzeug noch mal zusammen. Ich bin froh, dass es immer wieder anders ist mit meinem Lebenspartner. Wäre das Set jedes Mal dasselbe, wie könnte es dann 300 Jahren Musikgeschichte und Hunderten von Komponisten gerecht werden? Außerdem experimentiere ich gern, daher passen wir da gut zusammen. Bei mir zu Hause lässt nichts vermuten, dass ich Schlagzeuger bin: Ich habe einen Schreibtisch und ein Klavier. Ich übe zu Hause vor allem im Kopf, stelle mir Bewegungsabläufe und Klänge vor. Das schützt die Nachbarn und schafft eine Distanz zum Instrument, die wir in

unserer Beziehung auch brauchen. Das physische Üben mache ich dann in den Räumen der Philharmonie. Schlagzeug zu spielen, erfordert nicht so viel Kraft, wie man vermuten würde. Den Ton erzeuge eigentlich weniger ich, vielmehr ist es mein Lebenspartner selbst. Der Schlägel trifft auf das Instrument und erzeugt den Klang eher durch die Schwerkraft als durch die Kraft meiner Muskulatur. Bei den Becken ist das natürlich etwas anderes – hier lohnt es sich, gut in Form zu sein. Das Klavier ist neben dem Schlagzeug eine alte Affäre von mir. Es ist für mich wie eine Person, mit der ich viele Jahre verbracht habe und bei der ich immer wieder auf einen Kaffee vorbeikommen kann. Mein Leben neben dem Schlagzeug wird aber mittlerweile dominiert von einer dritten musikalischen Beziehung, nämlich dem Dirigieren. Wobei sich diese beiden Partnerschaften wunderbar gegenseitig befruchten. Als Dirigent wie als Schlagzeuger zählt vor allem eins: der Überblick über das Klanggeschehen, die Vogelperspektive zu haben. Die Kenntnis der Partitur und der anderen Instrumente hilft mir auch, meinen Platz am Schlagzeug neu zu denken. Bei dieser Vielzahl an musikalischen Affären muss ich meine Zeit tatsächlich sehr gut durchplanen: Wie viele Stücke im Jahr zu dirigieren traue ich mir zu? Was läuft parallel noch auf dem Schlagzeug in der Philharmonie? Wie viel und welche Vorbereitung braucht ein neues Stück bis zum Konzert? Diese Fragen gehören zu meinem Leben. Ich sehe mich aber dennoch nicht in einer Stresssituation, da mir die Vielzahl meiner musikalischen Beziehungen sehr viel Freiheit gibt und Freude bereitet. < Aufgezeichnet von Katharina Fleischer

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Foto: Scholz & Friends

Gregor A. Mayrhofer


FEUILLETON

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Auffallen, yo! Hip-Hop ist mehr als nur d u m p fe Pö b e l e i e n . E i n G l o s s a r zu r p o p u l ä r s te n J u g e n d m u s i k

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Gezirpt und gezupft E i n Ko n ze r t m a c h t l a u t s t a r k a u f d a s d r a m at i s c h e I n s e k te n s te r b e n aufmerksam – mit betrof fenen S o l i s te n .


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FEUILLETON — HIP-HOP

Antisemitische Texte haben den Hip-Hop ins Gerede gebracht. Dumpfe Pöbeleien sind aber nur eine Seite eines erstaunlich vielseitigen Musikstils, der überall seine Spuren hinterlassen hat. Vo n S e b a s t i a n F a s t h u b e r


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Fotos: Grandmaster Flash: Grandmaster Flash,CardiB:picture alliance / AP Photo

M A N S I E H T I H N N I C H T und man hört ihn nicht.

Aber er ist immer da, mitten unter uns. Die Rede ist vom Hip-Hop, der weltweit erfolgreichsten Musik unserer Zeit. Im deutschsprachigen Raum von Funk und Fernsehen weithin ignoriert, erreichen Rapper wie Bushido, Haftbefehl oder Gzuz mit Texten voller Gewalt übers Internet Millionen vorrangig jugendliche Hörer. Hier ist in den vergangenen zehn Jahren eine musikalische Parallelwelt entstanden, die die gesellschaftlichen Entwicklungen der realen Welt spiegelt. »Gangsta-Rap ist der Sound von Migrationskulturen. Provokationen und Geschmacklosigkeiten gehören zum guten Ton«, schrieb Gerrit Bartels kürzlich im »Tagesspiegel«. Das stimmt. Denn Rapper wollen um jeden Preis auffallen. Um das zu erreichen, müssen sie sich dann und wann etwas Unerhörtes einfallen lassen. Und weil es der einfachere Weg ist, als künstlerisch Neues zu wagen, setzen sie dabei auf inhaltliche Tabubrüche. Einige Rapper testen in ihren Texten laufend aus, wie weit sie gehen können. Das bringt es zwangsläufig mit sich, dass die Provokationen und Geschmacklosigkeiten mit der Zeit krasser werden müssen, um noch über Schockpotenzial zu verfügen. Die Skandal-Rapper Farid Bang und Kollegah sind mit ihren dumpfen antisemitischen Texten einen Schritt zu weit gegangen – und wurden im vergangenen April dennoch mit dem Branchenpreis »Echo« ausgezeichnet. In der Folge haben sich die Medien wieder verstärkt mit dem Genre Hip-Hop beschäftigt, das sie zuletzt weitgehend sich selbst überlassen hatten. Eines aber hätte man schon länger erkennen können: Jugendkulturen sind längst nicht alle per se links oder fortschrittlich orientiert. Nicht nur Migranten-Kids himmeln böse Rapper an. Auch 13-jährige Bürgerkinder feiern die Geschmacklosigkeiten, die mitunter aus deren Mündern purzeln. So rebellieren sie gegen ihre ach so verständnisvollen Eltern mit ihren schönen Plattensammlungen. Hip-Hop hat jedoch mehr zu bieten als nur tumbe Phrasendreschereien. Dieses kleine Glossar samt Empfehlungen für Hörbeispiele gibt einen Überblick über die Musik, ihre Entstehung, Entwicklung und Bedeutung.

» M E IN KÖR P E R definierter als von Auschwitz-Insas-

sen«, rappt Farid Bang in »0815«, einem gemeinsamen Stück mit seinem Partner Kollegah. Diese antisemitische Geschmacklosigkeit des Rappers, der stolz auf seine Muskeln und seinen geringen Körperfettanteil ist, stellt keinen bedauernswerten Einzelfall dar. Gerade deutsche Rapper muslimischen Glaubens haben »die Juden« längst wieder als Feindbild entdeckt. Kollegah widmete sich bereits 2009 der »Endlösung der Rapperfrage« und brachte in seinen Texten seither immer wieder Zeilen wie folgende unter: »Kid, es ist der Boss, der für ’ne Modezeitschrift Posen einnimmt wie die Wehrmacht, die in Polen einschritt.« Auch andere Rapper wie Bushido oder Haftbefehl bedienen antisemitische Klischees von Zionisten, vom Finanzjudentum oder von der Rothschild-Verschwörung. »Ich verticke Kokain an die Juden von der Börse«, heißt es bei Haftbefehl. Bushido zeigte als Profilbild bei Twitter eine Zeit lang eine Landkarte, von der Israel verschwunden war. Kollegah & Farid Bang: »0815«

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FEUILLETON — GRILLEN


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GEZIRPT UND GEZUPFT Die Karajan-Akademie der Berliner Philharmoniker und der World Wide Fund For Nature machen lautstark auf das dramatische Insektensterben aufmerksam. Vo n N at a l i e S c hwa r z

Foto: Scholz & Friends

I N S E K T E N H A B E N K E I N gutes

Image. Sie gelten als lästige Plage der menschlichen Zivilisation, die man als unvermeidliche Selbstverständlichkeit hinzunehmen hat: Wespen, Mücken, Motten oder Heuschrecken, die scheinbar völlig überflüssig Menschen stechen, Pullover zerfressen oder ganze Ernten vernichten und dabei vielleicht auch noch Krankheiten übertragen. So blieb es in der Öffentlichkeit lange Zeit unbemerkt, dass die Populationen der fliegenden Insekten zuletzt stetig und drastisch abnahm: um 75 Prozent in den vergangenen 30 Jahren. »Dies birgt dramatische Folgen für das Ökosystem und unsere Ernährung«, erklärt Jörg-Andreas Krüger, der Geschäftsleiter Ökologischer Fußabdruck beim World Wide Fund For Nature Deutschland (WWF). »Insekten stehen am Anfang der Nahrungskette als Futter der Vögel und Bestäuber der Pflanzen. 90 Prozent der Blühpflanzen werden von Insekten bestäubt.«

E IN ÜBE RR A SCHE ND E R AUF TRIT T

Der WWF möchte auf diese gefährliche Entwicklung aufmerksam machen, und so entstand die Idee, Insekten einmal in einem ganz anderen, positiv besetzten Rahmen auftreten zu lassen – zum Beispiel als Solisten in einem klassischen Konzert. Der Agentur Scholz & Friends gelang es, Peter Riegelbauer, den Geschäftsführer der Karajan-Akademie und Kontrabassisten der Berliner Philharmoniker, von dieser Idee zu überzeugen, um gemeinsam mit dem WWF Spenden für nachhaltige Landwirtschaft zu sammeln und damit dem Insektensterben entgegenzuwirken. Von der Idee bis zur Aufführung des Konzertes verging ein Jahr. Gregor A. Mayrhofer, derzeit Dirigierstipendiat der Karajan-Akademie, wurde mit der Komposition dieses speziellen Stücks beauftragt; die zirpenden Musikanten fand man nach gewissenhafter Suche bei " einem Züchter in Berlin-Neukölln.

Hier treten vermeintlich lästige Insekten in einem ganz anderen Rahmen auf.


FEUILLETON — GRILLEN

Der Groove einer Grille wurde zur Basis für die ganze Komposition.

Ihre Künstlergage, die sie zugleich bei Laune halten sollte: knackig frische Rosenblätter. W A S D E R L E H R E R V E R B O T E N H AT

Blieb die Frage: Wie komponiert man überhaupt ein Stück für klassische Instrumente und Grillen, wenn die musikalischen »Sprachen« der Beteiligten so verschieden sind? Gregor Mayrhofers Antwort überrascht nicht nur Geigenlehrer: »Zuerst einmal haben wir uns die unendliche Vielfalt insektoider Klänge genau angehört. Ich habe dann die rhythmischen Muster einiger Insekten notiert. Lustigerweise fand sich eine Grille, die in einem winzigen, unregelmäßigen Rhythmus zirpte. Und ihr Groove wurde zur Basis für das gesamte Stück.« Auf dieser Basis machte sich Mayrhofer dann auf die Suche nach einer musikalischen Sprache, in der er die Klangwelt der Insekten mit klassischen Instrumenten verbinden konnte. »Manchmal war es notwendig, neue Spielweisen zu etablieren. Also sagte ich zu den Musikern: ›Tut, was eure Geigenlehrer euch vermutlich nie erlaubt hätten.‹ Für viele Musiker war das wirklich ungewohnt, denn es erfordert zum Teil ganz andere Streicherklänge, als man sie bei Tschaikowsky oder Mozart erwartet. Mein Stück verlangt nach einer ganzen Bandbreite von eigentümlichen

Kratz- und Quietschgeräuschen, die entstehen, indem man die Bögen ganz anders als sonst über die Saiten zieht oder auch die Blätter der Blasinstrumente ganz außergewöhnlich einsetzt.« EIN TERRARIUM ALS BÜHNE

Für die Uraufführung des zehnminütigen Stückes am Pfingstmontag 2018 im Kammermusiksaal der Philharmonie wurde ein extragroßes Terrarium angefertigt, in dem die tierischen Interpreten ausreichend Platz hatten, um ihre Flügel zu entfalten. Gregor Mayrhofer dirigierte sein »Insect concerto« für 20 Musiker und 45 Grillen vor einem gleichermaßen erstaunten wie begeisterten Publikum. Um dem Insektensterben nachhaltig entgegenzuwirken, haben Gregor Mayrhofer und die Karajan-Akademie komplett auf ihr Honorar verzichtet und dem WWF die Aufnahme des Stücks zur Verfügung gestellt. So konnten innerhalb einer Woche nach der Uraufführung 7.000 Euro gesammelt werden. Und die Aktion läuft noch weiter. Jeder Spender erhält neben der obligatorischen Quittung einen Link zum Download des Konzerts. Wer das gehört hat, wird künftig ganz anders über Insekten denken.·< Weitere Informationen: www.insect-concerto.com oder www.wwf.de/aktuell/insect-concerto

Fotos: Scholz & Friends

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A U S LICHT Karlheinz Stockhausen Regie: Pierre Audi Anfang Kartenvorverkauf: 1. September 2018 www.auslicht.com

Aus LICHT: ein Gesamtkunstwerk Ăźber Gut und BĂśse, Mensch, Gott und Satan. Ein nie dagewesenes Klanguniversum von Weltformat aus der Oper LICHT, Die sieben Tage der Woche von Karlheinz Stockhausen. Drei Konzerte, zusammen mehr als 15 Stunden Musik. Ein einzigartiges Erlebnis. Gashouder Amsterdam Juni 2019


NACHSPIEL — BÜCHER UND CDS

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W IEDER ENTDECKT Ein literarisches Werk und eine klassische Aufnahme, neu empfohlen. Diesmal von Alexander Bader

Buch

Rainer Maria Rilke Die Gedichte Insel Verlag Frankfurt am Main, 2006 895 Seiten

Tja. Da stehe ich nun vor meiner Bücherwand, und meterweise Vergangenheit blickt auf mich herab: Hermann Hesse, Marguerite Duras, William Somerset Maugham, Salman Rushdie, Javier Marías oder Mario Vargas Llosa, deren Werke mich in ihren Bann zogen, ebenso der wiederentdeckte Sándor Márai, auch Wolfram Fleischhauer und Carlos Ruiz Zafón, denen ich spannende Stunden verdanke. Jedes Buch verbunden mit einer Erinnerung aus der Zeit, in der es mich begleitete, Erinnerungen an Gerüche der Orte, an denen ich mich befand. Und doch möchte ich ein Buch empfehlen, welches vermutlich in jedem Regal steht und es verdient, einmal mehr herausgenommen zu werden: Rainer Maria Rilke – Die Gedichte. Die Schönheit der Sprache ist es, die Kürze der wohlüberlegten Worte, welche in Zeiten der rasenden Kommunikation so wohltuend ist. Ein berühmter Musiker bezeichnete vor geraumer Zeit die permanente Berieselung mit »Musik« als akustische Umweltverschmutzung. Kaum ein Jogger ohne Kopfhörer im

Wald, kein Kaufhaus oder Restaurant ohne Endlosband. Wenn ich der Kommunikationswut, den Tausend und Abertausend unüberlegten, durch die Welt flatternden Worten, der Grobheit der Sprache entfliehen möchte, schlage ich dieses Buch auf. Wie ein frischer Abendwind streifen mich schon die ersten Worte, entführen mich unmittelbar in eine wohltuende, zeitlich entspannte Gedankenwelt. An die Musik Musik: Atem der Statuen. Vielleicht: Stille der Bilder. Du Sprache wo Sprachen / enden. Du Zeit, die senkrecht steht auf der Richtung vergehender Herzen. Gefühle zu wem? O du der Gefühle Wandlung in was? –: in hörbare Landschaft. / Du Fremde: Musik. Du uns entwachsener / Herzraum. Innigstes unser, / das, uns übersteigend, hinausdrängt, – heiliger Abschied: da uns das Innre umsteht als geübteste Ferne, als andre Seite der Luft: / rein, / riesig, nicht mehr bewohnbar.


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Alexander Bader studierte Klavier und Klarinette an der Hochschule der Künste Berlin. Nach dem Orchesterdiplom wechselte er in die Solistenklasse von Wolfgang Meyer in Karlsruhe. 1990 wurde er Mitglied der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen, 2002 Erster Soloklarinettist an der Komischen Oper Berlin. 2006 wurde er Mitglied der Berliner Philharmoniker. Ab 1994 widmete er sich auch der historischen Aufführungspraxis und konzertierte regelmäßig u. a. mit dem Concentus Musicus Wien und der Akademie für Alte Musik Berlin. Seit 2006 gehört Alexander Bader dem Scharoun Ensemble Berlin an. 2017 wurde er von seinen Kollegen zum Orchestervorstand gewählt. Foto: Stefan Höderath

CD

Louis Armstrong Good Evening Ev’rybody Newport Jazz Festival 1970 Universal Music DVD

Bei meiner CD-Empfehlung muss ich ein wenig aus der Reihe tanzen. Zum einen weil es eine DVD ist, zum anderen weil ich mich nicht für eine Klassik-Einspielung – deren es ja wirklich unglaublich viele empfehlenswerte gibt – entscheiden wollte. Ich glaube, sagen zu können, dass alle meine Lieblingsaufnahmen Live-Mitschnitte von Konzerten sind. Die Spannung eines Konzerts, die Interaktion zwischen Künstler und Publikum ziehe ich der vielleicht größeren Perfektion einer Studioaufnahme vor. Den beiden genannten Aspekten folgend, fiel die Wahl für meine Empfehlung auf das Album »Louis Armstrong – Good Evening Ev’rybody«. Der dokumentarische Konzertfilm ist eine Produktion von George Wein, dem Organisator des Newport Jazz Festivals. Das Festival präsentierte 1970 anlässlich des bevorstehenden 70. Geburtstags von Louis Armstrong (den er nicht mehr hat erleben dürfen) ein Konzert zu Ehren der vielleicht produktivsten Jazz-Legende überhaupt. Aus gesundheitlichen Gründen durfte Armstrong zwar nicht mehr Trompete spielen, aber

keine Geringeren als Dizzy Gillespie, Bobby Hackett, Joe Newman, Wild Bill Davison, Jimmy Owens und Ray Nance übernahmen. Zu sehen und hören ist neben Louis Armstrong auch die ebenfalls wenig später verstorbene Mahalia Jackson. Diese Aufnahme sprüht vor Lust am gemeinsamen Musizieren und zeigt auf so wundervolle Weise, wozu Musik fähig ist: ausgelassene Freude und tiefe Empfindung, Humor und Innigkeit. Ein herzerweichendes Lächeln mit einer Träne im Auge.


N ACHS P I EL — KO N Z ER T K A L EN D ER

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KONZERTE

d e r S t i f tu n g B e r l i n e r P h i l h a r m o n i ke r

September – Oktober – November

FR 24 .08 . 19 U H R

M I 19.09. 20 U H R

Philharmonie

Kammermusiksaal

Berliner Philharmoniker Kirill Petrenko

Dirigent

Konzert zur Saisoneröffnung in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bank Strauss Don Juan, Tod und Verklärung Beethoven Symphonie Nr. 7 A-Dur

Philharmonie Dirigent

Benefizkonzert zugunsten des Wiederaufbaus des Berliner Schlosses Strauss Don Juan, Tod und Verklärung Beethoven Symphonie Nr. 7 A-Dur SA 08 .09. 19 U H R SO 09.09. 20 U H R

Dirigent Klavier

Boulez Cummings ist der Dichter Ravel Klavierkonzert D-Dur für die linke Hand Ligeti Clocks and Clouds Benjamin Palimpsests

Berliner Philharmoniker Sakari Oramo Alban Gerhardt

Dirigent Violoncello

Grieg Peer Gynt-Suite Nr. 1 Dean Cellokonzert – Auftragswerk Europäische Erstaufführung Sibelius Lemminkäinen-Suite SO 07.10. 20 U H R

Philharmonie Dirigent

Bruckner Symphonie Nr. 5 B-Dur

Orgel Thomas Ospital

Orgelimprovisationen

Orgel & Stummfilm Menschen am Sonntag − Stummfilm von Robert Siodmak, Edgar G. Ulmer und Billy Wilder (1929/1930)

DO 27.09. 20 U H R FR 28 .09. 20 U H R SA 29.09. 19 U H R

Berliner Philharmoniker Semyon Bychkov Katia & Marielle Labèque

M I 10.10. 20 U H R

Dirigent Klavier

Glanert Weites Land Bruch Konzert für zwei Klaviere Dvořák Symphonie Nr. 7 d-Moll SO 30.09. 20 U H R

Kammermusiksaal Daniil Trifonov Klavier Stipendiaten der Karajan-Akademie der Berliner Philharmoniker Gregor A. Mayrhofer Dirigent

DO 13.09. 20 U H R FR 14 .09. 20 U H R SA 15.09. 19 U H R

Philharmonie Berliner Philharmoniker François-Xavier Roth Carolin Widmann

Berliner Philharmoniker Daniel Harding

Philharmonie

Philharmonie

Philharmonie Berliner Philharmoniker Sir George Benjamin ChorWerk Ruhr Cédric Tiberghien

Mediterraneo II – Kuratiert von Siggi Loch FR 21.09. 20 U H R SA 22 .09. 19 U H R SO 23.09. 20 U H R

SA 25.08 . 16 U H R

Humboldt Forum im Berliner Schloss, Schlüterhof Berliner Philharmoniker Kirill Petrenko

Jazz at Berlin Philharmonic Stefano Bollani Trio Vincent Peirani Akkordeon NES Julian Wasserfuhr Trompete, Flügelhorn

DO 04 .10. 20 U H R FR 05.10. 20 U H R SA 06.10. 19 U H R

Dirigent Violine

Strawinsky Symphonies d’instruments à vent (Fassung von 1947) Zimmermann Violinkonzert Debussy Images pour orchestre: Nr. 1 Gigues Ligeti Lontano für großes Orchester Debussy Images pour orchestre: Nr. 3 Rondes de printemps Ligeti Atmosphères Debussy Images pour orchestre: Nr. 2 Ibéria

Akademie I Bach Klavierkonzert Nr. 1 d-Moll BWV 1052 Schnittke Konzert für Klavier und Streicher Strawinsky Concerto in Es »Dumbarton Oaks«, Konzert für Klavier und Bläser

Kammermusiksaal Akademie für Alte Musik Berlin Georg Kallweit Violine und Leitung Raphael Alpermann Cembalo Michaela Hasselt Cembalo Felice Venanzoni Cembalo Petteri Pitko Cembalo J. B. Bach Orchestersuite Nr. 1 g-Moll J. S. Bach Konzert für drei Cembali C-Dur BWV 1064 Konzert für drei Cembali d-Moll BWV 1063 J. B. Bach Orchestersuite Nr. 2 G-Dur J. S. Bach Konzert für vier Cembali a-Moll BWV 1065 DO 11.10. 20 U H R FR 12 .10. 20 U H R SA 13.10. 19 U H R

Philharmonie D I 02 .10. 20 U H R

Kammermusiksaal Quatuor Arod Haydn Streichquartett Es-Dur Hob. III:80 Attahir Neues Werk für Streichquartett − Auftragswerk Zemlinsky Streichquartett Nr. 2 op. 15

Berliner Philharmoniker Jakub Hrůša Frank Peter Zimmermann Dvořák Das goldene Spinnrad Martinů Violinkonzert Nr. 1 Janáček Taras Bulba

Dirigent Violine


Mit vollem Geschmack 650

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SA 13.10. 15 U H R SO 14 .10. 11 U H R

DO 25.10. 20 U H R FR 26.10. 20 U H R SA 27.10. 19 U H R

Kammermusiksaal

FR 09.11. 20 U H R

Kammermusiksaal

Philharmonie

Familienkonzert − Saite an Seite Die 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker

Berliner Philharmoniker Gustavo Dudamel

Empfohlen für Kinder von 6 bis 10 Jahren

Dirigent

Bernstein Divertimento for Orchestra Mahler Symphonie Nr. 5

MO 15.10. 20 U H R

Kammermusiksaal Jan Schlichte Simon Rössler Peter Fleckenstein Vincent Vogel Wieland Welzel Rainer Seegers Jelka Weber N. N. Janne Saksala

DO 25.10. 20 U H R

Schlagzeug Schlagzeug Schlagzeug Schlagzeug Pauken Pauken Flöte Saxofon Kontrabass

Kagel Auftakte, sechshändig Cage Credo in us Gubaidulina Im Anfang war der Rhythmus Perruchon Cinq Danses dogoriennes (Fassung für Pauken und Kontrabass) Crumb An Idyll for Misbegotten Slettholm Introduksjon og toccata Mey Musique de tables Kopetzki Le Chant du serpent

Kammermusiksaal Vokal Chorus musicAeterna Orchestra musicAeterna Teodor Currentzis

Dirigent

Hersant Tristia

MO 12 .11. 20 U H R

Philharmonie M I 31.10. 20 U H R DO 01.11. 20 U H R FR 02 .11. 20 U H R

Philharmonie Berliner Philharmoniker Gustavo Dudamel Tamara Mumford

Dirigent Mezzosopran

Bernstein Symphonie Nr. 1 »Jeremiah« Schostakowitsch Symphonie Nr. 5 d-Moll SA 03.11. 19 U H R

Kammermusiksaal − Ausstellungsfoyer Der philharmonische Diskurs Ein Traum von Musik − Volker Schlöndorff im Gespräch mit Elke Heidenreich Stipendiaten der Karajan-Akademie spielen Werke von Puccini u. a. DO 18 .10. 20 U H R FR 19.10. 20 U H R SA 20.10. 19 U H R

Mahler Chamber Orchestra Sir George Benjamin Dirigent Evan Hughes Bassbariton (The Protector) Georgia Jarman Sopran (Agnes) Bejun Mehta Countertenor (Angel 1/The Boy) Victoria Simmonds Mezzosopran (Angel 2/Marie) Robert Murray Tenor (Angel 3/John) Benjamin Davis Regie Benjamin Written on Skin

Stipendiaten der Karajan-Akademie der Berliner Philharmoniker Andrés Orozco-Estrada Dirigent Noah Bendix-Balgley Violine Akademie II Martinů Sinfonia concertante Nr. 1 für zwei Orchester Mendelssohn Violinkonzert e-Moll Beethoven Symphonie Nr. 4 B-Dur

D I 13.11. 20 U H R

Kammermusiksaal Coro e Orchestra Ghislieri Giulio Prandi Marlis Petersen

Dirigent Sopran

Haydn Missa brevis sancti Joannis de Deo B-Dur Hob. XXII:7 »Kleine Orgelmesse« Mozart Vesperae solennes de Confessore C-Dur KV 339 Pergolesi Messe D-Dur

D I 06.11. 20 U H R

Philharmonie

Kammermusiksaal Dirigent

Lutosławski Konzert für Orchester Brahms Symphonie Nr. 2 D-Dur SO 21.10. 16 U H R SO 28 .10. 16 U H R

Kammermusiksaal Philharmonischer Salon Gerd Wameling Sprecher Jelka Weber Flöte Rachel Schmidt Violine Martin Löhr Violoncello Marie-Pierre Langlamet Harfe Cordelia Höfer Klavier und Hammerklavier Götz Teutsch Programmgestaltung Der Weimarer Musenhof

Werke von Martinů, Schostakowitsch, Fabiańska-Jelińska, Dvořák und Bach Berichte von Zeitzeugen: Kästner, Lessler, Brecht, Reck, Kaléko u. a. Die Geschichte des Lampedusa-Flüchtlings Bashir Zakaryau mit einem Nachruf von Jenny Erpenbeck

Kammermusiksaal

D I 16.10. 20 U H R

Berliner Philharmoniker Paavo Järvi

IPPNW-Benefizkonzert: 80 Jahre nach der Terrornacht 1938 »Reichskristallnacht« – Wort und Musik zu Exil und Asyl 1 Berlin Piano Trio Therese Affolter Sprecherin Gerd Wameling Sprecher

JACK Quartet Castri Streichquartett Nr. 1 Feldman Structures Carter Streichquartett Nr. 3 Lim The Weaver’s Knot Xenakis Tetras

M I 14 .11. 20 U H R

Kammermusiksaal Jazz at Berlin Philharmonic Henning Kraggerud Violine Bugge Wesseltoft Klavier Matthias Bartolomey Violoncello Klemens Bittmann Violine und Mandola Benjamin Schmid Violine Andreas Martin Hofmeir Tuba Jazz meets Classic – Kuratiert von Siggi Loch MO 19.11. 20 U H R

Kammermusiksaal Piotr Anderszewski

Klavier

Bach Das wohltemperierte Klavier, Teil 2 BWV 870 − 893 (Auszüge) Webern Variationen für Klavier op. 27 Beethoven Diabelli-Variationen op. 120


12 8 — A U S G A B E N R . 0 3 . 2 018

DER SCHLUSSSTR ICH vo n P a s c a l H e i l e r

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NACHSPIEL — IMPRESSUM

128

IMPR ESSUM

c hs te D ie nä am c h e int s r e e b Ausg a 2018 mber e z e D 4.

128 – Das Magazin der Berliner Philharmoniker wird herausgegeben von der Berliner Philharmonie gGmbH für die Stiftung Berliner Philharmoniker Herbert-von-Karajan-Straße 1, D–10785 Berlin Telefon: +49 (0)30 254 88-0, Fax: +49 (0)30 254 88 323 E-Mail: magazin128@berliner-philharmoniker.de Internet: www.berliner-philharmoniker.de

Herausgeberin

Andrea Zietzschmann

Chefredakteur

Carsten Fastner

Redaktion Redaktionelle Mitarbeit

CD-Rezensionen Bildredaktion Korrektorat Art Direktion und Gestaltung Illustrationen

Anzeigen Anzeigenvermarktung

Erscheinungsweise Druckauflage

ISSN

Arnt Cobbers (AC) Natalie Schwarz, Mária Géczi, Anne Schkutek Alexandra Sauer, Hendrikje Scholl Joppe Berlin: Rüdiger Joppe, Annette Gräf Joppe Berlin: Rüdiger Joppe, Frances Franzke

Berliner Philharmonie gGmbH Herbert-von-Karajan-Str. 1, D –10785 Berlin

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Vertrieb

Harald Hodeige (HH), Nicole Restle (NR), Stephan Kock

Kulturzentren S. 16–29: picture alliance/Stringer/Imaginechina/dpa (S. 16); TAO Images/vario images (S.18); ullstein bild - Westend61 (S. 20); mauritius images / LEAF-LOG / Alamy (S. 22); imago stock&people (S. 24); Iwan Baan – courtesy of the National Kaohsiung Center for the Arts (S. 26) Vorlagen Collagen S.30–S.34: shutterstock

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Druck

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