Ausgabe März 2015

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Akademie Musikt heater heute

Stipendium 2015 – 2017 für junge Bühnen- und Kostümbildner, Dirigenten, Dramaturgen, Komponisten, Kulturmanager und Regisseure

DAS MAGA ZIN DER B E R LI N E R PH I LH AR M ON I K E R

G UN B R E BEW OM V UA R N A J 15. BIS 015 2 I MA 31.

Nr. 01— 2 015

www.deutsche-bank-stiftung.de

FRAUEN IN DER KLASSIK Der lange Weg zur Anerkennung

Wir bieten interdisziplinären Austausch, Inszenierungsbesuche, Festivalbesuche, ein breites Netzwerk Musiktheaterbegeisterter, Unterstützung bei praktischen Projekten

Wir suchen junge, musiktheaterbegeisterte, aufgeschlossene Persönlichkeiten, die an Teamarbeit interessiert sind, in der Oper Verantwortung übernehmen und Erfahrungen teilen möchten

€ 7,00 (D) € 7,30 (A) € 7,50 (LUX) CHF 12,50 (CH)

Nr. 01— 2 015

Fotograf: Thomas Aurin, Deutsche Oper Berlin

ANJA HARTEROS

FERRUCCIO BUSONI

OSTERFESTSPIELE

Die Sopranistin über die Bühne und das echte Leben

Der Komponist und der Mythos von der Berliner Moderne

Kulturtipps für den Frühling in der Sommerhauptstadt Baden-Baden


VORSPIEL ˜

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»128« heißt dieses Magazin der Berliner Philharmoniker, abgeleitet von der Anzahl der Mitglieder des Orchesters (wenn es voll besetzt ist). Mit diesem Namen und dem Seitenumfang des Hefts wollen wir betonen, woraus die Besonderheit dieses Kollektivs erwächst: aus den ganz individuellen Qualitäten jedes einzelnen Musikers, jeder einzelnen Musikerin, die schließlich im Spiel einen einzigartigen Ensemblegeist prägen.

EDITORIAL


12 8 ˜

A U S G A B E N R . 01. 2 015

Liebe Musikfreunde, gewiss, es hat sich viel getan in den vergangenen drei Jahrzehnten: 1982 wurde mit der Geigerin Madeleine Carruzzo die erste Frau in die Reihen der Berliner Philharmoniker aufgenommen, derzeit sind 19 der 128 Mitglieder Frauen. Auch in anderen Orchestern hat sich der Frauenanteil markant erhöht, ebenso an den Musikhochschulen, und selbst Komponistinnen und Dirigentinnen sind mittlerweile keine absoluten Ausnahmeerscheinungen mehr. Wir können heute – spät, aber immerhin – sagen, dass sich Frauen den Zugang zum klassischen Musikbetrieb erobert haben und auf breiter Basis volle Anerkennung erfahren. Gleichwohl sind wir von einer echten Gleichstellung noch weit entfernt. Warum das so ist und was auf dem Weg dorthin von allen Beteiligten noch zu leisten sein wird, das wollen wir mit unserem aktuellen Schwerpunkt »Frauen in der Klassik« thematisieren. Im Ressort Berliner Philharmoniker widmen wir uns wie immer dem Geschehen rund ums Orchester. Wir gratulieren dem Philharmonia Quartett zum 30-jährigen Bestehen, blicken auf die stilistische Vielfalt der deutschen Barockmusik und bringen ein ausführliches Interview mit der Sopranistin Anja Harteros, die bei den Osterfestspielen Baden-Baden in unserer Neuproduktion des »Rosenkavalier« zu erleben sein wird. Weil aber Baden-Baden mit seiner reizvollen Umgebung nicht nur der Osterfestspiele wegen eine Reise wert ist, haben wir für Sie im Feuilleton einige Kultur- und Ausflugstipps für den Frühling in der alten Sommerhauptstadt zusammengestellt. Ich wünsche Ihnen eine so aufschlussreiche wie unterhaltsame Lektüre Ihres neuen »128«!

Herzlich, Ihr Martin Hoffmann

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V O R S P I E L — I N H A LT

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INH A LT Thema: Frauen in der Klassik Der lange Weg zur Anerkennung. Ein Schwerpunkt

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Pierre Boulez Dem Komponisten und Dirigenten zum 90. Geburtstag

54 Anja Harteros die Sopranistin im Interview

Baden-Baden Kulturtipps für die Osterfestspielzeit

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Quelle: Frances Franzke ((oben links); Marco Borggreve (unten links); © Philippe Gontier (oben rechts); Baden-Baden Kur & Tourismus GmbH (unten rechts)

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T H E M A : F R AU E N I N D E R KLASS I K

B E R LI N E R PH I LHAR MON I KE R

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Vo n A n d r e a T h i l o

Vo n J ü r g e n O t t e n

Beethoven ist an allem Schuld Ein Kommentar zur miesen Frauenquote im Musikbetrieb

Die Klangphilosophen Das Philharmonia Quartett feiert seinen 30. Geburtstag

»Sie gilt soviel als wie ein Mann« Eine Gesprächsrunde mit vier starken Musikfrauen

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Vo n E l e o n o r e B ü n i n g

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Exklusiver Geniekult Ein Gang durch die weibliche Musikgeschichte Vo n M e l a n i e U n s e l d

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Raus aus dem Exil! Komponistinnen sind in Deutschland keine Exoten mehr Vo n Vo l k e r H a g e d o r n

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Und wie geht’s weiter? Was der Orchesternachwuchs zur Frauenfrage sagt Vo n K i r s t e n P e t e r s

»Ich brauche keinen roten Teppich« Die Sopranistin Anja Harteros im Interview

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Vo n N i c o l e R e s t l e

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Der Grandseigneur der Avantgarde Pierre Boulez zum 90. Geburtstag Vo n S u s a n n e S t ä h r

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Reinhard Friedrich (1928–2014) Der Fotograf der Philharmonie

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Eine Frage des Stils Wie Bach und Telemann die Nationalstile vermischten Vo n K a r l B ö h m e r

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Mein Instrument als Lebenspartner Diesmal mit Aline Champion und ihrer Geige

FE U I LLETON

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Frühling in der Sommerhauptstadt Kulturtipps für die Osterfestspielzeit in Baden-Baden Vo n A l e x a n d e r D i c k

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In jedem steckt Musik! Das Making-of der neuen Education-Kampagne Vo n A n d r e a To b e r

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Frischluft für den Welthandel? Das geplante Freihandelsabkommen TTIP und die Kultur Vo n A l e x a n d e r R o s s

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Fragen zur Musikliebhaberei Diesmal mit dem Schauspieler Udo Samel

Außenseiter, Einzelgänger, Unbeugsame Französische Symphoniker im 19. Jahrhundert Vo n W o l f g a n g S t ä h r

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Unruhegeist im Abseits Ferruccio Busoni war einst Berlins hellster Musikerkopf Vo n Vo l k e r Ta r n o w

VOR S PI E L

03 06 08 10

Vorwort Text & Bild Nachrichten Zahlenspiel

NACH S PI E L

116 124 127 128

Bücher und CDs Konzertkalender Cartoon Impressum


VORSPIEL — TE XT & BILD

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TEXT & BILD

ANDRE A THILO

ELEONORE BÜNING

VOLK E R HAG E DOR N

Andrea Thilo, 1966 in Frankfurt am Main geboren, lebt als Journalistin, Moderatorin und Moderationscoach in Berlin. Dabei widmet sich die ehemalige Reporterin für NDR und ARD und Fernseh-Moderatorin (»liebe sünde« auf Pro7) vor allem der Kunst- und Kulturvermittlung und legt ihre inhaltlichen Schwerpunkte auf Diversität, Nachhaltigkeit und Potenzialentfaltung. Ihr Anliegen ist es, Konferenzen neu und anders zu gestalten. 2004 produzierte sie mit ihrer damaligen Firma Boomtownmedia den vielfach ausgezeichneten Kinoerfolg »Rhythm is it!«, der das Education-Projekt der Berliner Philharmoniker dokumentiert. 2013/14 moderierte sie eine Denkwerkstatt mit Experten aus Kunst und Kultur, die politische Handlungsempfehlungen für die Zukunft der Kulturellen Bildung in Berlin entwickelte.

Eleonore Büning, geboren 1952 in Frankfurt am Main, studierte Musikwissenschaften sowie Theaterund Literaturwissenschaften an der Freien Universität Berlin. 1992 promovierte sie über frühe Beethovenrezeption (»Wie Beethoven auf den Sockel kam«). Zunächst als freie Musikjournalistin fürs Radio und diverse Zeitungen tätig, ging sie 1994 als Musikredakteurin zur »Zeit« und wechselte 1997 ins Feuilleton der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«. Nebenbei moderiert sie gelegentlich Livesendungen, regelmäßig für SWR (»Neues vom Klassikmarkt«) und WDR (»Klassikforum«). Diverse Buchveröffentlichungen. Seit 2011 ist sie außerdem Vorsitzende der Jury des Preises der deutschen Schallplattenkritik.

Volker Hagedorn ist nicht nur einer der renommiertesten Musikjournalisten des Landes, sondern als ausübender Musiker auch ein Mann der Praxis. Nach dem Viola-Studium in Hannover und Stationen bei der »Hannoverschen Allgemeinen Zeitung« und der »Leipziger Volkszeitung« arbeitet er seit 1996 als freier Journalist u. a. für »Die Zeit« und verschiedene Rundfunksender. Zudem ist er Mitglied der Kammermusikjury im Preis der Deutschen Schallplattenkritik. Als Barockbratscher spielt er bei Cantus Cölln. Daneben engagierte er sich in Musiktheaterprojekten u. a. bei den Sommerlichen Musiktagen Hitzacker und beim Kunstfest Weimar als Librettist und Dramaturg. 2012 erschien sein dritter Kolumnenband »Mann, Frau, Affe« (Zu Klampen! Verlag).


Fotos: v.l.n.r.: privat, Christian Thiel, Birgit Kleber, privat (2)

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MELANIE UNSELD

JÜRGEN OT TEN

ALEX ANDER ROSS

Melanie Unseld studierte u. a. Musikwissenschaft in Karlsruhe und Hamburg. 1999 promovierte sie über »Tod und Weiblichkeit in der Musik der Jahrhundertwende«. Sie war Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule für Musik und Theater Hannover, hier ab 2006 am Forschungszentrum für Musik und Gender. Seit 2008 ist sie Professorin für Kulturgeschichte der Musik an der Universität Oldenburg. 2011/2012 übernahm Melanie Unseld vertretungshalber die Professur für Historische Musikwissenschaft an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover, wo sie sich 2013 mit dem Thema »Biographie und Musikgeschichte« auch habilitierte. Zusammen mit Annette Kreutziger-Herr gibt sie seit 2005 die Buchreihe »Europäische Komponistinnen« heraus, 2010 erschien unter der gleichen Herausgeberschaft das »Lexikon Musik und Gender«.

Jürgen Otten, 1964 in Meppen/ Ems geboren, studierte Schulmusik, Klavier und Germanistik in Detmold, Würzburg und Frankfurt am Main. Er war Mitherausgeber eines literarischen Kneipenführers und arbeitete seit 1992 als Musik- und Theaterjournalist für verschiedene Medien, darunter die »Frankfurter Allgemeine Zeitung«, die »Süddeutsche Zeitung«, »Opernwelt« und »DeutschlandRadio Kultur«. Von 2005 bis 2007 war er Theater-Redakteur der »Leipziger Volkszeitung«, danach freischaffender Autor. Zu seinen Publikationen zählen: »Herbert von Karajan. Bilder eines Lebens« (2007), »Große Pianisten der Gegenwart« (2009), »Fazil Say: Pianist, Komponist, Weltbürger« (2011). In der Spielzeit 2011/2012 war Jürgen Otten Schauspieldramaturg am Deutschen Nationaltheater Weimar. Seit November 2012 ist er Operndramaturg am Staatstheater Kassel.

Der Wirtschafts- und Kommunikationswissenschaftler arbeitete fünfzehn Jahre als Ma-nager im In- und Ausland. Er schrieb über Wirtschaft und Politik als Autor für renom-mierte Medien wie das »Handelsblatt« und zwei Jahre für »Cicero«. Ross ist Trainer an der Holtzbrinck-Schule für Wirtschaftsjournalisten, am F.A.Z.Institut und war zuvor zwölf Jahre Dozent an der Berliner Journalistenschule. Daneben interviewte er für Magazine international bekannte Instrumental- und Vokalsolisten, Dirigenten und Regisseure. Seit seinen Studienzeiten unter anderem in Bayreuth, Wien und Berlin erlebte er über tausend Opern- und Konzertabende und sammelt historische Gesangsaufnahmen. Heute ist Ross als Berater und Redenschreiber für Vorstände von DAX-Unternehmen tätig und veröffentlichte zehn Wirtschaftssachbücher.


VORSPIEL — NACHRICHTEN

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PHILH A R MONISCHE NACHR ICHTEN Bruno Delepelaire und Egor Egorkin sind neue Mitglieder der Berliner Philharmoniker Vo n N i c o l e R e s t l e

BRUNO DELEPELAIRE Ohne seine Großmutter säße Bruno Delepelaire heute nicht am Ersten Pult der philharmonischen Cellogruppe. Die unternehmungslustige Dame begann noch im Alter von 52 Jahren Cello zu lernen. Dem damals fünfjährigen Enkel gefielen sowohl das Instrument als auch der Lehrer und er bearbeitete seine Eltern so lange, bis er selbst Cellounterricht erhielt. Seit seinem neunten Lebensjahr wusste der in Paris geborene Cellist, dass er Berufsmusiker werden wollte und arbeitete zielgerichtet darauf hin: Nach dem Studium am Pariser Conservatoire bei Philippe Muller kam er 2012 nach Berlin, um seine Ausbildung bei Jens-Peter Maintz an der Universität der Künste sowie bei Ludwig Quandt an der Orchester-Akademie der Berliner Philharmoniker fortzusetzen. Vor allem die Zeit an der OrchesterAkademie empfand er als wertvolle Berufsvorbereitung: »Ich lernte mich

dem Klang des Orchesters anzupassen und unter großartigen Dirigenten zu spielen.« Als die Stelle des Ersten SoloCellisten der Berliner Philharmoniker ausgeschrieben wurde, glaubte Bruno Delepelaire eigentlich noch nicht, die notwendigen Voraussetzungen dafür zu besitzen. Aus diesem Grund ging er relativ entspannt und locker in das Probespiel. Erst als man ihm mitteilte, dass er gewonnen hätte, überkam ihn eine gewisse Aufregung. »Von einem Tag auf den anderen wurde ich von einem Studierenden zu einem Solo-Cellisten, der eine ganze Gruppe führen muss«, erinnert sich der Musiker lachend. »Das empfand ich am Anfang als die größte Herausforderung.« Mittlerweile ist auch die letzte Hürde gemeistert: Nach einem Jahr Probezeit wurde Bruno Delepelaire ordentliches Mitglied der Philharmoniker. Dankbar erwähnt er die Kollegen aus der Cellogruppe. Sie hätten ihn von Anfang an unterstützt. Seine Aufgabe als

Solo-Cellist sieht der heute 25-Jährige darin, seine gesamte Energie und Präsenz einzubringen, um die anderen Cellisten mitzureißen, sowie für eine gute Kommunikation mit den übrigen Musikern und den Dirigenten zu sorgen. Und natürlich müssen auch die Solo-Stellen berührend gespielt werden. Es gibt viel zu tun für den jungen Franzosen, der Preisträger mehrerer renommierter Wettbewerbe ist: Neben dem Orchesterdienst will sich Bruno Delepelaire auch kammermusikalisch engagieren – als Mitglied der 12 Cellisten, des Quatuor Cavatine und des neugegründeten Berlin Piano Quartet. Denn die Kammermusik – so der Cellist – nutze auch dem Orchesterspiel. »Als Musiker ist man nie zufrieden. Mein Ziel ist es, immer besser zu werden und dem Orchester alles zu geben.« <


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Bruno Delepelaire

Egor Egorkin

Fotos: Peter Adamik (links), Sebastian Hänel (rechts)

EGOR EGORKIN Für Egor Egorkin gab es zwei berufliche Möglichkeiten: entweder Programmierer oder Flötist. »Überleg dir gut«, riet der Vater, ein Hochschullehrer für Mathematik und Physik, »ob du dich hinter dem Computer verstecken oder etwas von dir in die Welt hinaustragen willst.« Egor Egorkin, 1986 in St. Petersburg geboren, entschied sich für letzteres und wählte das Musikstudium. Nach seiner Ausbildung am St. Petersburger Konservatorium bei Olga Chernjadjewa und – Dank des Maria-Pawlona-Stipendiums – an der Hochschule für Musik Franz Liszt in Weimar bei Wally Hase (Flöte) und Benjamin Plag (Piccolo), bekam er 2008 eine Stelle als Piccolo-Flötist und Dritter Flötist in der Staatskapelle St. Petersburg. Der junge Russe verspürte jedoch weiterhin den Drang, musikalisch zu wachsen, noch mehr zu lernen und kehrte aus diesem Grund 2010 zu

einem Aufbaustudium nach Weimar zurück. Gleichzeitig sammelte er als Substitut im Gewandhaus Orchester weitere Orchestererfahrung. Kurz darauf nahm er beim Probespiel für die seit langem vakante Piccoloflötenstelle bei den Berliner Philharmonikern teil. Kein Kandidat war erfolgreich, doch das Orchester erkannte Egor Egorkins Potenzial. »Ich war damals noch nicht reif für die Stelle«, erzählt er lachend. Aber das Probespiel eröffnete dem jungen Musiker dennoch neue Wege: Er wurde Stipendiat der Orchester-Akademie und spielte häufig als Aushilfe bei den Philharmonikern. »Schon damals habe ich mich in dem Orchester wohl gefühlt und den Eindruck gehabt, dass ich hierher gehöre.« Die Zeit als Stipendiat bezeichnet er als seine »große Transformation«. Durch den Unterricht bei Emmanuel Pahud und Michael Hasel sowie die regelmäßigen Orchesterdienste gewann sein Spiel eine für ihn bislang ungeahnte Tiefe und Ernsthaftigkeit. Schließlich

trat er wieder zum Probespiel an. Nach der zweiten Runde, vor dem Finale, in dem die Orchesterstellen vorgetragen werden mussten, sagte eine Geigerin: »Du brauchst nicht mehr zu spielen.« Egor Egorkin war schockiert, schon wieder nichts?! »Wir haben ja die Orchesterstellen schon so oft von dir gehört«, ergänzte sie. Mittlerweile waren sich nämlich die Kollegen einig, dass er der Richtige sei. Und dieser Eindruck bestätigte sich auch während der Probezeit. Seit Dezember 2014 ist Egor Egorkin, Preisträger des Internationalen Theobald-Böhm-Wettbewerbs, nun ordentliches Mitglied der Berliner Philharmoniker. Die große Herausforderung bei seinem Instrument sieht der Musiker darin, dass sich die Piccoloflöte einerseits trotz ihrer Höhe mit dem Gesamtklang des Orchesters mischen muss, andererseits dann plötzlich wieder für kurze Augenblicke solistisch herausstechen soll. <


VORSPIEL — Z AHLENSPIEL

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ZA HLENSPIEL Wie viel wiegen die Instrumente der 128 Berliner Philharmoniker?

Pauke

85 kg Harfe

Kontrabass

Tuba

Kontrafagott

37 kg

13 kg

13 kg

8 kg

Horn

Fagott

3,5 kg

3,5 kg


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Rund eine halbe Tonne bringen alle Instrumente der 128 Berliner Philharmoniker zusammen auf die Waage. Freilich ist das ein Näherungswert, denn die Gewichte der einzelnen Instrumententypen schwanken mitunter beträchtlich. Eine Violine etwa kann zwischen 400 und 500 Gramm wiegen, eine Bassposaune zwischen zwei und drei Kilogramm. Für unser »Zahlenspiel« haben wir jeweils den Durchschnittswert zugrunde gelegt.

128 Orchester Gesamt

Pauke

85 kg

504 kg

Vergleich Gesamtgewicht Orchester zu Einzelgewicht Pauke

Bassklarinette

3,2 kg

Trommel

3 kg

Trompete

3 kg

Violoncello

3 kg

Bassposaune

2,5 kg

Posaune

1,5 kg

EnglischKlarinette horn

1,1 kg

900 g

Oboe

Flöte

730 g

652 g

PiccoloBratsche trompete

610 g

500 g

Violine

Piccoloflöte

450 g

170 g


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THEMA: FR AUEN IN DER KL ASSIK — GESPR ÄCH

»SIE GILT SOVIEL ALS WIE EIN MANN« Eine Gesprächsrunde zum Thema Frauen in der Klassik mit Madeleine Carruzzo, Anna Prohaska, Christine Lemke-Matwey und Karen Kamensek Vo n A n d r e a T h i l o

N O C H Z U Herbert von Karajans Zeiten, 1982, wurde mit der Geigerin Madeleine Carruzzo die erste Frau in den Kreis der Berliner Philharmoniker gewählt. 33 Jahre später fragen wir nach, wie es um die Frauenfrage in deutschen Orchestern und der Oper, in der klassischen Musik allgemein steht. Ist Frausein überhaupt noch ein Thema und wenn ja, aus welcher Perspektive? Sind die alten Mauern in den Köpfen noch aufrecht? Gibt es neue, andere Herausforderungen in der Gegenwart? Wir haben uns dem Thema aus verschiedenen Blickwinkeln angenähert und vier starke Frauen aus unterschiedlichen künstlerischen Disziplinen zum Gespräch

gebeten: die Berliner Philharmonikerin Madeleine Carruzzo, die international gefeierte Sopranistin Anna Prohaska, die renommierte Musikjournalistin Christine Lemke-Matwey und die Dirigentin Karen Kamensek. Ein Frauengipfel mit Aha-Effekt. 128: Wie oft ist Ihnen bei Ihrer Arbeit bewusst, dass Sie eine Frau sind? Madeleine Carruzzo: Im beruflichen Alltag? Nicht oft. Aber als ich im September 1982 als erste Frau bei den Berliner Philharmonikern anfing, war das noch anders. Ich bin zwar eher ein Hosentyp, kam aber zu meinem


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»Während meiner Arbeit am Pult denke ich nicht über mein Frausein nach. Dafür habe ich zuviel zu tun.« Karen Kamensek

»Musik hat insofern ein Geschlecht, als sie über Jahrhunderte von Männern gemacht wurde.«

»Für Frauen gelten immer noch andere Maßstäbe.«

Christine Lemke-Matwey

Anna Prohaska

»Es gibt keinen weiblichen oder männlichen Ton. Der Ton ist wahnsinnig individuell und Ausdruck der Persönlichkeit.« Madeleine Carruzzo

Probespiel damals bewusst im Kleid. Ich dachte mir, wenn sie mich engagieren, dann sollen sie wenigstens wissen, was sie bekommen! Das Orchester war damals überhaupt nicht vorbereitet auf eine Frau, die Gewohnheiten waren durchweg männlich geprägt. Es gab zum Beispiel auf Reisen oft keine Garderobe für Frauen. Als ich auf meiner ersten Tournee mit meiner Geige in die Umkleide kam, hieß es: »Nee, Kleines, hier nicht, hier sind die Fagotte. Schon immer!« Karen Kamensek: Ich denke während meiner Arbeit am Pult auch nicht über mein Frausein nach, dafür habe ich zuviel zu tun. Als Führungsperson hat man tausend

Aufgaben zu erledigen und sich zu beweisen. Das Abenteuer, sich täglich mit hundert Menschen auseinanderzusetzen ist – erst mal – geschlechtsunabhängig. In meinem Privatleben spielt das Frausein eine deutlich größere Rolle … (lacht) Anna Prohaska: Im Gesang ist die Geschlechterverteilung ja naturgegeben, wobei wir als Sängerinnen das Privileg und den Spaß haben, in Hosenrollen reinzurutschen. Anfangs habe ich viele von ihnen gesungen, tue es auch heute noch, zumindest in Barockopern. Was das Überwinden von Geschlechtergrenzen angeht, bin ich der Meinung, dass man als Frau bei Liederabenden auch "


THEMA: FR AUEN IN DER KL ASSIK — GESPR ÄCH

Karen Kamensek Generalmusikdirektorin an der Niedersächsischen Staatsoper in Hannover, Vertreterin eines weitgefächerten Repertoires; geboren in Chicago, aufgewachsen in Indiana. Ihre weiblichste Tugend? Dankbarkeit Ihre weibliche Lieblingsgestalt in der Geschichte? Kleopatra Ihre Lieblingskomponistin? Kaija Saariaho Welchen Fehler entschuldigen Sie bei einer Frau am ehesten? Frauen machen Fehler? Ihre Lieblingsschriftstellerin/-lyrikerin? Barbara Kingsolver Ihre liebste Romanheldin? Claire Fraser aus der »Outlander«-Serie von Diana Gabaldon Ihre Heldin in der Wirklichkeit? Ich habe mehrere! Das größte Glück an der Musik? Jede Probe, jede Vorstellung bringt großes Glück mit sich. Ihre größte Schwäche oder größte Stärke? Ich bin ein Work-in-progress. Der größte Frauenversteher unter den Dirigenten? Die Frage ist mir zu eng. Ihr Motto? Suck it up, Buttercup! (deutsch in etwa: Beiß die Zähne zusammen und mach weiter) Welche Frau würden Sie in diesem Leben gerne treffen? Die Queen. Ich höre, sie lacht gerne. Um mit ihr worüber zu reden? Um mit ihr königlich zu lachen.

Foto: Sebastian Hänel

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»Wir sollten weit über jede Genderdiskussion hinaus fragen, wie wir künftig Identität begreifen wollen.« Christine Lemke-Matwey

durchaus Männerlieder singen kann, weil man sich nicht zu sehr mit dem identifiziert, was man singt, sondern eher einen gesunden narrativen Abstand halten kann. Insofern war es für mich auch kein Widerspruch, eine CD mit Kriegsliedern einzusingen. Christine Lemke-Matwey: Als ich vor zwanzig Jahren anfing, über Musik zu schreiben, gab es in meinem Beruf kaum Frauen, die sich öffentlich über Musik äußerten. Also habe ich geschlechtsneutral geguckt, wo ich meine persönlichen Reibungsflächen finde, wo die nötige Qualität. Wir, die heute 50-Jährigen, müssten jetzt meines Erachtens der Generation Y diese Orientierung liefern, im Sinne von: Wenn du das und das beurteilen willst, dann musst du dazu dies und jenes wissen und hören, und das sind mögliche Wege dorthin. Wir haben tolle Praktikanten bei uns in der »Zeit«, superkluge und tolle junge Menschen, die dürsten und hungern nach dieser Art von Orientierung, es muss ja nicht unbedingt die Musik sein. Das empfinde ich heute als meine Aufgabe, weit über jede Genderdiskussion hinausgehend: zu fragen, wie will unsere Gesellschaft kulturell und künstlerisch künftig Identität begreifen? Das heißt, weibliche Vorbilder hatten Sie damals keine? Lemke-Matwey: Nein, in meinem Genre niemanden. Wenn ich überlege, was mich geprägt hat bzw. bis heute prägt, dann sind das Bilder von gelebter Unabhängigkeit. Diese Unabhängigkeit kann ganz verschiedene Farben und Facetten haben. Bei Marlen Haushofers Roman »Die Wand« aus den frühen Sechzigerjahren zum Beispiel habe ich genau diese extreme Unabhängigkeit gefunden: eine Frau, von Glaswänden umgeben, für die anderen nicht erreichbar und umgekehrt. Das hat mich fasziniert. Gibt es Ihrer Meinung nach einen weiblichen Ton, den weiblichen Klang? Lemke-Matwey: Ha, die alte Frage aus frauenmusikbewegten Zeiten. Da gab’s ganze Bücher darüber. Die

Frage wird meines Erachtens beantwortet, indem man sie stellt. Musik hat insofern ein Geschlecht, als sie über Jahrhunderte von Männern gemacht worden ist, vielfach auch von Männern interpretiert wurde. Aber ich würde deswegen nicht sagen, es ist alles männlich konnotierte Musik. Probespiele finden nicht nur aus diesem Grund hinter Vorhängen statt, weil es einen dezidiert weiblichen Klang eben nicht gibt. Carruzzo: Bei uns nicht, bei uns sind alle Probespiele offen, unter Ansicht der ganzen Person. Ich glaube, es gibt keinen weiblichen oder männlichen Ton. Der Ton ist wahnsinnig individuell und Ausdruck der Persönlichkeit. Es gibt weiche Männer, harte Frauen … Prohaska: … und alles dazwischen! Carruzzo: Und wenn Sie zehn Männer und zehn Frauen hinter einem Vorhang spielen lassen, werden Sie nicht unbedingt wissen, ob er oder sie das Instrument hält. Frau Kamensek, unterscheiden Sie weibliche und männliche Führungsstile beim Dirigat? Kamensek: Absolut! Ich habe oft darüber nachgedacht, dass männliche Dirigenten nicht die Mutterfigur spielen können, während eine Frau auf dem Podest Schwester, Mutter und Vater in einem verkörpert und den »good cop« und den »bad cop« zugleich gibt. Es spielt sich eine unausgesprochene, unbewusste Psychologie ab. Dabei muss man, wenn man als Frau am Pult mal schroffer wird, immer aufpassen, dass man nicht wie die eigene Mutter rüberkommt. Prohaska: Um mehr Autorität auszustrahlen, trainieren sich viele Frauen eine tiefere Stimme an, Margaret Thatcher zum Beispiel. Ist das nicht absurd? Weibliche Stimmen sind nun mal höher als männliche. Aber wenn man mal für etwas kämpfen möchte und dann etwas zu schnell spricht, dann ist man gleich die hysterische Opernsängerin, dann heißt es: »Ach, jetzt beruhigen Sie sich mal, Frau Prohaska!« Aber zu Ihrer Frage: Ich war fasziniert, " als ich erlebte, wie Kristiina Poska bei der

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Anna Prohaska Sopranistin mit Vorliebe für doppelgesichtige Gestalten, Ensemblemitglied der Berliner Staatsoper, Tochter eines österreichischen Opernregisseurs und einer irisch-englischen Sängerin. Ihre weiblichste Tugend? Gut zuhören und Ratschläge geben. Ihre weibliche Lieblingsgestalt in der Geschichte? Im Moment fasziniert mich Jeanne d’Arc. Ihre Lieblingskomponistin? Barbara Strozzi Welchen Fehler entschuldigen Sie bei einer Frau am ehesten? Verspätung :-) Ihre Lieblingsschriftstellerin/-lyrikerin? Jane Austen Ihre liebste Romanheldin? Anna Karenina Ihre Heldin in der Wirklichkeit? Meine Mutter Das größte Glück an der Musik? Dass Traurigkeit und Sorgen gleichzeitig das Musikmachen verbessern und dadurch verfliegen können. Ihre größte Schwäche oder größte Stärke? Harmoniesucht Der größte Frauenversteher unter den Dirigenten? Herbert Blomstedt Welche Frau würden Sie in diesem Leben gerne treffen? Malala Yousafzai

Foto: Sebastian Hänel

Um mit ihr worüber zu reden? Ihr großes Thema: Bildung

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THEMA: FR AUEN IN DER KL ASSIK — GESPR ÄCH

»Wir stellen mehr als 50 Prozent der Weltbevölkerung, werden aber wie eine spezielle Minderheit behandelt.« Anna Prohaska

Camerata Salzburg mit ganz feinen, grazilen Bewegungen ihr Dirigat malte. Wenn ich mir allerdings das Orchester als Mini-Gesellschaft vergegenwärtige, denke ich, dass viele Musiker und auch Musikerinnen immer noch keine Partnerin da vorne stehen sehen wollen, sondern nach wie vor den klassischen Pult-Diktator. Kamensek: Wir Frauen sind schon ein Stück gefangen zwischen unserem Nicht-Lächerlich-Wirken-Wollen und der Autorität, die von uns verlangt wird. Ich beobachte die Gesten von Politikerinnen wie Angela Merkel, Michelle Obama oder der Queen of England sehr bewusst. Hillary Clinton gibt sich ein bisschen härter, als ich es sein möchte. Auch wenn ich selbst früher ein echter Tomboy war! 1970 geboren, in einem äußerst liberalen amerikanischen Elternhaus, durfte ich alles machen, was die Boys machten. Ich hatte die gleichen Räder wie sie, bin mit im Schlamm gerobbt usw. Prohaska: Ich war genauso! Alles, bloß kein Dirndl. Versuchen Sie bisweilen, sich auch in der Musik zu »vermännlichen«, um ernster genommen zu werden? Lemke-Matwey: Sich strategisch zu vermännlichen funktioniert in der Kunst nicht, weil noch der letzte Zuschauer die Lüge sofort bemerkt. Meine Recherche zu Dirigentinnen hat erbracht: Mit den sogenannten weiblichen Qualitäten kann man einen guten künstlerischen Weg gehen. In dem Moment allerdings, wo Frauen vorne am Pult stehen, werden viele starr und fühlen sich gefangen zwischen ihren Außen- und ihren Innenbildern. Dabei geht es doch beim Künstlersein gerade um das Beisich-Sein, darum, auf die innere Stimme zu hören – das ist die Herausforderung, egal, welchen Alters, welchen Geschlechts oder welchen kulturellen Hintergrunds! Würde das konsequenter gelebt, hätten wir es alle miteinander einfacher. Aber in dem Moment, wo die Klassik ihren Fuß auf den Markt setzt, wird das ausgehebelt. Musik ist auch eine Ware geworden. Kamensek: Ich meine, jede Frau hat jeden Tag genug

Probleme mit sich. Diese Ängste: Bin ich nicht schön genug, bin ich zu dick? Das jagt jede Frau doch ein ganzes Leben lang. Um meinen Alltag zu überleben, bin ich möglichst immer bei mir geblieben. Das hat bis jetzt gewirkt. Ich habe mir nie gesagt, ich müsste am Pult tougher wirken. Immer nur: Ich habe dies und jenes anzubieten. Dirigieren ist ohnehin ein ständiges Abenteuer. Aber sicher profitiere ich bei meiner Körpersprache von meinen zehn Jahren in New York City: Wer da auf der Straße nicht klar und selbstbestimmt seinen Weg geht, wird angemacht oder beklaut. Carruzzo: Ganz und gar bei sich zu sein und zugleich tausend Antennen nach außen zu haben, darum geht es im Orchester. Und das hat nichts mit dem Geschlecht zu tun. Es ist eine intensive Wahrnehmung dessen, wer man ist, was man möchte und was man macht, und all das muss man aufs Ganze übertragen. Kamensek: Der berühmte Cellist János Starker hat mir mal gesagt: »Geh ins Schwimmbad, da lernst du alles, was du fürs Dirigieren brauchst, um den Klang zu modellieren.« Ich habe viel mit Balletttänzerinnen und Yogalehrerinnen gesprochen, die durch gezielte, durchdachte Bewegungen eine enorme Kraft zeigen können. Heute weiß ich, wie ich mit meinem 1,52 Meter kleinen Körper ein Crescendo erreichen oder Klangstärke erzeugen kann, ohne groß herumhüpfen zu müssen. Diese Frage stellt sich ein Mann nie. Allein sein Arm wiegt fünf Kilo mehr als meiner. Carruzzo: Aber gucken Sie sich mal ein altes Video von Karajan an! Mit kleinsten Bewegungen erreichte er den Gipfel des Klangs. Klang hat weder etwas mit Körperlänge noch mit Gewicht zu tun, sondern mit der Größe, die man in sich trägt. Lesenund Siehat weiter in Prohaska: Vorausgesetzt, man ist authentisch sich mit sich selbst angefreundet. Als Künstlerder stehen wir aktuellen doch täglich vor der Herausforderung, nicht in unseren Ausgabe eigenen Klischees steckenzubleiben oder andere zuNr. be- 01/2015 dienen. Es gibt in der Oper Regieassistenten, "


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THEMA: FR AUEN IN DER KL ASSIK — GESCHICHTE

EXKLUSIVER GENIEKULT Zu keiner Zeit haben ausschließlich Männer komponiert. Ein Gang durch die weibliche Musikgeschichte. Vo n M e l a n i e U n s e l d


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THEMA: FR AUEN IN DER KL ASSIK — GESCHICHTE

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E S I S T N O C H N I C H T lange her, dass man auf die

Frage »Kennen Sie eine Komponistin?« ein knappes Achselzucken als Antwort bekam. Gründlich und nachhaltig war das Vergessen, das sich über das Schaffen von Komponistinnen gelegt hatte. Erst nachdem das Vergessen befragt wurde, kamen Komponistinnen aus der Vergangenheit zum Vorschein. Selbstverständlich, möchte man meinen, denn zu keiner Zeit haben ausschließlich Männer komponiert. Inzwischen haben sich – mühsam und mit vielen Vorbehalten konfrontiert – die Namen einiger Komponistinnen aus der Geschichte in unser kulturelles Gedächtnis eingefädelt, Hildegard von Bingen, Clara Schumann, Fanny Hensel, vielleicht auch Lili Boulanger, Louise Farrenc, Agathe Backer Grøndahl, Ethel Smyth, Garżyna Bacewicz, Galina Ustvolskaja, Barbara Strozzi oder Francesca Caccini …

Warum aber das Vergessen? Und warum die Vorbehalte? Wenn bereits allgemein historisches Vergessen wesentlich wahrscheinlicher ist als Erinnern, betrifft dies die Musik in besonderem Maße. Denn es bedarf einiger Anstrengung, um das Klingende so zu konservieren, dass man sich später – unabhängig von der Person, die die Musik zum Klingen brachte – daran erinnern kann. Auf dem Weg, Musik unabhängig von ihrem Urheber erinnerbar, das heißt vor allem auch: wiederaufführbar und wiederhörbar zu machen, entstand die Notenschrift, später auch eine Vielfalt an Tonaufzeichnungssystemen und Speichermedien, vom Phonografen über die Schallplatte, die CD bis hin zum MP3-Player. All diese musikalischen Erinnerungsmedien ermöglichen es, Musik zu konservieren und wiederzuhören. Vice versa: Musik, die nicht in diese musikalischen

Gesc hlec hterverteilung in d e u t s c h e n und internatio nalen Orc hestern

109 67

61

41

40

67 46

19

Bamberger Symphoniker

Berliner Philharmoniker

Chicago Symphony

Concertgebouw-Orchester

127 88

82

65 45

43

Deutsches Symphonie-Orchester

37

32

Gewandhausorchester Leipzig

Münchner Philharmoniker

Orchestre de Paris

127

77

29

66 34 12 Frauen

Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks

Tonhalle Orchester Zürich

Wiener Philharmoniker

Männer

Quelle: eigene Recherche; Stand: Januar 2015


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Seit dem 19. Jahrhundert wurde der Komponist als Tonschöpfer gedacht – und ausschließlich männlich.

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Erinnerungsmedien Eingang findet – die nicht gedruckt und verlegt, nicht eingespielt wird –, wird vergessen. Louise Adolpha Le Beau (1850–1927) etwa stand dies klar vor Augen: Nachdem sie als Komponistin keinen Verleger fand, der ihre Partituren drucken wollte, stellte sie sich eine Notendruck-Presse ins Wohnzimmer, um ihre Partituren im Selbstverlag edieren zu können. Immerhin lagen damit ihre Kompositionen nun gedruckt vor, ein erster (wenngleich nicht der einzige) Schritt, mit den eigenen Werken im kulturellen Gedächtnis der Musikkultur Aufnahme zu finden. AUSSCHLIE SSE ND E K RITE RIE N

Der Zugang freilich zu den Grundvoraussetzungen des musikalischen Erinnerns war nie selbstverständlich, und die Musikkultur hat sich immer wieder auf starke Kriterien verständigt, die den Zugang und den Ausschluss regelten. Eines dieser Kriterien war seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert die Vorstellung vom Komponisten als Tonschöpfer, der ausschließlich männlich gedacht wurde: als Genie. Der Dirigent Hans von Bülow brachte es, stellvertretend für viele seiner Zeitgenossen, auf den Punkt, als ihn sein Schüler Alfred Jaëll bat, sich die Kompositionen seiner Frau Marie Jaëll (1846–1925) anzusehen: »Ich glaube nicht an das Femininum des Begriffs: Schöpfer. […] am lendemain desjenigen Tages, an welchem Sie mir Ihre (eigene) glückliche Entbindung von einem gesunden Baby angezeigt haben werden – da will ich den ersten ernsthaften Versuch anstellen, mich zum Glauben an den Beruf des weiblichen Geschlechts zur musikalischen Production zu bekehren.« Mit diesen, der europäischen Kulturgeschichte tief eingeschriebenen Vorbehalten sahen sich die meisten Komponistinnen – vor allem im genieseligen 19. Jahrhundert – konfrontiert. Sie hatten sich diesen Vorbehalten, die sich nicht selten zu einem Urgrund für Selbstzweifel auswuchsen, zu stellen. Von solchen Selbstzweifeln geprägt schrieb 1839 etwa Clara Schumann (1819–1896): »Ich glaubte einmal, das Talent des Schaffens zu "

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RAUS AUS DEM EXIL! Komponistinnen sind in Deutschland längst keine Exoten mehr. Doch auf dem Weg zur echten Gleichstellung müssen sich auch die Frauen selbst noch einige harte Fragen stellen. Vo n Vo l ke r H a g e d o r n


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T H EM A : F R AU EN I N D ER K L AS S I K — KO M P O N IS T I N N EN

Younghi Pagh-Paan wurde 1945 in Cheongju, Südkorea geboren. Sie studierte Komposition in Seoul und später in Freiburg bei Klaus Huber, Brian Ferneyhough und Peter Förtig. In ihrer Musik strebt sie eine Verbindung von koreanischer Folklore und Avantgarde an. Von 1994 bis 2011 lehrte sie Komposition an der HdK Bremen. Sie lebt in Bremen und in der Nähe von Perugia. Gloria Coates wurde 1938 in Wisconsin, USA geboren. Sie studierte Komposition u. a. in New York und am Mozarteum Salzburg. Bekannt wurde sie 1978 mit ihrer »Music on Open Strings«, der ersten ihrer bis heute 15 Symphonien. Daneben komponierte sie acht Streichquartette sowie zahlreiche Vokal-, Bühnen- und elektronische Werke. Sie lebt in München.

»WA S S I C H I N D I E S E R PA RT I T U R

für großes Orchester nachlesen lässt an differenzierter Klangvorstellung, an hochkomplizierter Orchestrierung oder subtiler Rhythmik, an sorgfältiger Gestaltungsarbeit«, das beeindruckte ihn sehr, den Kritiker Hans Josef Herbort, der 1980 für die »ZEIT« von den Donaueschinger Musiktagen berichtete. Dass mit dem Orchesterwerk »Sori« einer Frau der internationale Durchbruch als Komponistin gelang, der Koreanerin Younghi Pagh-Paan, hob er nicht weiter hervor. Insofern war er seiner Zeit voraus – das Komponistin-Sein war vor über dreißig Jahren noch eine Seltenheit. Heute fallen einem dagegen auf Anhieb ein Dutzend Zeitgenossinnen ein, und zwar ohne das Quotenetikett Woman Composer. Ist endlich Selbstverständlichkeit eingekehrt? 1981, im Jahr nach der Uraufführung von »Sori«, erschien das Buch »Komponistinnen aus 500 Jahren« von Eva Weissweiler, damals von großer Wirkung, jetzt ein Klassiker der Genderliteratur. Die 30-jährige Musikwissenschaftlerin sprach, was die Musik der Zeitgenossen anging, von einer »erfreulichen Tendenzwende«, immerhin fänden sich Komponistinnen längst auf den Programmen aller wichtigen Podien Neuer Musik. Heute wirkt das wie Zweckoptimismus. Von den

zeitgenössischen Namen, die Weissweiler nannte, hat allenfalls noch Gloria Coates einen internationalen Klang. Pagh-Paan wurde gerade erst bekannt, von Sofia Gubaidulina wussten nur ihre Freunde, Olga Neuwirth war eine dreizehnjährige Trompetenspielerin. D I E Z E IT WAR R E I F

Und Isabel Mundry studierte Komposition an der HdK Berlin. »Willst du nicht lieber Musikpädagogin werden?«, so hatte ihr ein Lehrer vorher noch ein »weibliches« Fach nahegelegt, und ihr erster Professor war überzeugt, Frauen könnten »nicht mit Formen umgehen«. »Aber«, sagt Mundry, die als Professorin Komposition in Zürich und München lehrt, »die Zeit war reif, die Schwelle zum Studium war gesunken.« So weit gesunken jedenfalls, dass man in einer Tonsetzer-Klasse auch mal eine Studentin fand. Halb und halb mischen sich die Geschlechter da bis heute nicht, »aber wenn ich die Begabten zähle, die Studenten, deren Musik mir in Erinnerung bleibt«, sagt Mundry, »ist das Verhältnis paritätisch«. An der hannoverschen Hochschule unterrichten Rebecca Saunders und Oliver Schneller als Professoren eine Klasse, die tatsächlich je zur Hälfte aus Frauen und Männern besteht. »Da spüre


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Der Punkt, an dem Frauen exkludiert werden, rutscht immer weiter nach oben. ich nichts mehr an Gefälle«, sagt Susanne Rode-Breymann, Jahrgang 1958, Präsidentin der Hochschule und renommierte Genderforscherin, »aber dann geht’s los. Der Punkt, an dem die Frauen exkludiert werden, rutscht in der Qualifikation immer weiter nach oben. Bei der Etablierung in den künstlerischen und wissenschaftlichen Institutionen kommt der Deckel.« Auch außerhalb des Musikbetriebs wird »Karriere« bei Männern immer noch als soziale Notwendigkeit, bei Frauen als »Selbstverwirklichung« wahrgenommen. Und bis heute gibt es bundesweit nur vier Stellen für Professorinnen, die ausschließlich Komposition lehren: Younghi Pagh-Paan in Bremen, Violeta Dinescu in Oldenburg, Rebecca Saunders in Hannover, Isabel Mundry in München. Andererseits haben Publikumslieblinge wie Unsuk Chin (Jahrgang 1961) und Lera Auerbach (1973) rund 90 Aufführungen im Jahr, und mindestens zwanzig weitere Komponistinnen sind zumindest im deutschsprachigen Raum so präsent, dass

die Frage nach weiblichem Komponieren längst der nach Individualitäten gewichen ist, geschlechterunabhängig. Eine Art Boom in den vergangenen dreißig Jahren will die Genderforscherin RodeBreymann auch gar nicht bestreiten. In der Ausbildungsgeschichte sieht sie einen Grund dafür: Zuerst konnten Frauen sich als Komponistinnen nur privat qualifizieren wie Fanny Mendelssohn. Dann konnten die ersten an Konservatorien das Handwerk erlernen. Phase drei: Das Studium wird selbstverständlich, also wächst die Zahl der Komponistinnen.

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Isabel Mundry wurde 1963 im hessischen Schlüchtern geboren. Sie studierte Komposition u. a. bei Gösta Neuwirth an der HdK Berlin und bei Hans Zender in Frankfurt am Main. Ihr Musiktheater »Ein Atemzug – die Odyssee« (2005, Deutsche Oper Berlin) wurde von der Zeitschrift »Opernwelt« zur Uraufführung des Jahres gewählt. Sie ist Professorin für Komposition in Zürich und München. Violeta Dinescu wurde 1953 in Bukarest geboren. Nach dem Studium in ihrer Geburtsstadt übersiedelte sie 1982 in die Bundesrepublik. Ihr bekanntestes Werk ist die Kinderoper »Der 35. Mai« nach Erich Kästners Roman. Daneben schrieb sie zahlreiche andere Bühnenwerke, aber auch Kammer- und Orchestermusik. Seit 1996 unterrichtet sie Komposition an der Universität Oldenburg.

S TAT I S T I K U N D R E A L I TÄT

Von sieben auf dreizehn Prozent ist ihr Anteil mittlerweile gestiegen von den Jahrgängen 1930 bis 1960 zu den Jahrgängen 1960 bis 1990. Auf diesem Level waren die Schriftstellerinnen schon zu Zeiten der Weimarer Republik. Zudem sagt diese Statistik noch nichts über die Zahl der Aufführungen aus. »Ein paar Komponistinnen haben es geschafft«, 

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Das Philharmonia Quartett in New York (1990er), Jan Diesselhorst, Neithard Resa, Christian Stadelmann, Daniel Stabrawa

DIE KLANGPHILOSOPHEN Das Philharmonia Quartett feiert

Vo n N i c o l e R e s t l e

Foto: Frank Schramm

seinen 30. Geburtstag


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E I N S T R E I C H Q UA R T E T T ist ein Kosmos für sich, ein musikalisches Universum, das eigenen Gesetzmäßigkeiten folgt und die Musiker vor besondere Herausforderungen stellt: »Es fängt schon damit an, dass ich als Quartettspieler den Bogen sehr viel differenzierter einsetzen muss als beispielsweise als Solist oder Orchestermusiker«, meint Daniel Stabrawa. »Es geht hier um die kleinsten, feinsten Nuancen, die machen die Musik.« Das Quartett sei als Besetzung sehr empfindlich und fragil, ganz im Gegensatz zum Klaviertrio oder Klavierquartett, fügt Christian Stadelmann ergänzend hinzu: »Sobald ein Klavier mitspielt ist jede Intonationsfrage bereits gelöst, denn die anderen Instrumente müssen sich ihm anpassen. Im Quartett hingegen gilt es immer herauszufinden, welcher Ton den Bezugspunkt bildet.« Daniel Stabrawa, 1. Konzertmeister der Berliner Philharmoniker, und Christian Stadelmann, 1. Stimmführer der Gruppe der zweiten Violinen, wissen wovon sie reden: Gemeinsam mit dem her Neithard Resa und dem Cellisten Dietmar Schwalke bilden sie das Philharmonia Quartett, das höchst erfolgreich auf der ganzen Welt konzertiert – und das seit 30 Jahren.

Die kleinsten, feinsten Nuancen machen im Streichquartett die Musik. U N E R M Ü D LICH E S FOR SCH E N

Markenzeichen des Ensembles ist jener nuancenreiche und dennoch homogene Klang, an dem die Musiker immer wieder feilen und polieren. Ein unermüdliches Forschen, das niemals aufhört. »Jeder von uns hat eine bestimmte Vorstellung, wie ein Akkord, eine Phrase klingen soll«, erklärt Daniel Stabrawa. »Wir suchen so lange danach, bis uns der Klang harmonisch scheint.« Wer jetzt denkt, die vier Mitglieder des Philharmonia Quartetts sind stets einer Meinung, der irrt. Hinsichtlich interpretatorischer Details, beispielsweise der Phrasierung und der Dynamik, gibt es immer Diskussionen. Gleichzeitig ist jeder Musiker jedoch bereit, sich dem großen Ganzen unterzuordnen. Die ausgewogene "


BERLINER PHILHARMONIKER — REINHARD FRIEDRICH

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R EINH A R D FR IEDR ICH (1928–2014) Der Fotograf der Philharmonie

werden sich an ihn erinnern, den Mann, der leise und nahezu unbemerkt die Konzerte der Berliner Philharmoniker fotografisch dokumentierte. Reinhard Friedrich hat über 40 Jahre lang das Orchester mit seiner Kamera begleitet und gleichsam als Partner den philharmonischen Alltag im Bild festgehalten. Sein Berufsweg führte zunächst allerdings in eine andere Richtung. Der begann mit Farbdias von westdeutschen Barockkirchen, die er an kunsthistorische Institute in den USA verkaufte, und setzte sich fort mit Arbeiten für das Auswärtige Amt und das kunsthistorische Institut der Freien Universität. So ergab sich auch der Kontakt zu Hans Scharoun. Für den berühmten Architekten fotografierte Friedrich den Rohbau, das Wachsen, die Fertigstellung und Eröffnung der Philharmonie, aber auch Wohnsiedlungen in Charlottenburg-Nord und Wolfsburg, Bauten in Bremen und vieles mehr. Während seine Architekturfotos im Baukunstarchiv der Akademie der Künste verwahrt werden, hat Reinhard Friedrich seine Aufnahmen aus der Philharmonie dem Archiv der Berliner Philharmoniker vermacht. Er starb am 1. November 2014 im Alter von 85 Jahren. <

Foto: Helge Grünewald

VI E LE B E SUCH E R D E R PH I LHAR MON I E


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Berliner Philharmonie 1963


BERLINER PHILHARMONIKER — REINHARD FRIEDRICH

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Richtfest am 1. Dezember 1961


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Richtfest am 1. Dezember 1961: Der regierende BĂźrgermeister von Berlin Willy Brandt (Mitte), der Berliner Kultursenator Joachim Tiburtius (2. von rechts) und der Intendant der Berliner Philharmonie Dr. Wolfgang Stresemann (rechts)

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BERLINER PHILHARMONIKER — REINHARD FRIEDRICH

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Aufbau der Lampen für das Foyer der Berliner Philharmonie, 1963


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PhĂśnix: Skulptur auf dem Dach der Philharmonie mit Blick auf den Reichstag von Hans Uhlmann, 1965


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F E U I L L E T O N — E D U C AT I O N

IN JEDEM STECKT MUSIK! Das Making-of der neuen Education-Kampagne Vo n A n d r e a To b e r M a k i n g o f F o to s: M a n d y B ö t tc h e r F o to s: J a n vo n H o l l e b e n

I N J ED EM ST E C KT MU S I K – das ist die Botschaft,

die die Berliner Philharmoniker in ihrem Education-Programm vermitteln und auch in den neuen Motiven ihrer Foto-Kampagne zeigen wollen. Wir wollen Menschen dabei unterstützen und es ihnen ermöglichen, Musik zu einem Teil ihres Lebens werden zu lassen. Denn wir alle brauchen Kunst – nicht als Selbstzweck, sondern um etwas in der Gesellschaft auszulösen: Musik schafft menschliche Beziehungen, und die brauchen wir mehr als alles andere, gerade in einer Zeit, in der immer mehr Menschen lediglich virtuelle Beziehungen unterhalten. Deswegen sind uns Partizipation und Kreativität so wichtig: basierend auf der Überzeugung, dass das Verständnis für und die Freude an Musik aus dem eigenen Erleben als kreativer, engagierter und aktiver Mensch entstehen können. Deswegen wollen wir Menschen aller Altersstufen, unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkunft und Begabungen einbeziehen und ihnen

die Angst vor dem ersten Schritt über die Schwelle der Kulturtempel nehmen. Unser Education-Angebot präsentiert eine Vielzahl von Projekten, die alle mit dem laufenden Programm und den Musikern der Berliner Philharmoniker verbunden sind. Und wie die Vielfalt der neuen Bilder zeigt: Jedes Projekt wird individuell auf die Zielgruppe maßgeschneidert. Es ist der glücklichen Kooperation mit dem CARUSVerlag zu verdanken, dass wir auf den Berliner Fotografen Jan von Holleben getroffen sind. Für unsere neue Kampagne hat er zahlreiche Fotos mit Berliner Philharmonikern, Teilnehmern aus den Education-Projekten, Mitarbeitern und Freunden der Philharmonie inszeniert. Wie diese ungewöhnlichen Fotos entstanden sind, sehen Sie auf den folgenden Seiten. Und dabei wird schnell klar, dass Jan von Holleben in seiner Bildsprache visuell umzusetzen versteht, was uns selbst so sehr am Herzen liegt: Menschlichkeit, Kreativität und Humor. <


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Schlagzeuger Franz Schindlbeck und Kontrabassist Martin Heinze stehen Modell für das Bild zu den »Familienkonzerten«.

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F E U I L L E T O N — E D U C AT I O N

Projektteilnehmer malen, tanzen, komponieren und musizieren für das Bild zu den »Kreativen Projekten« aus dem Education-Programm.


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Dann werden die Models auf dem farbigen Hintergrund arrangiert.

Zuerst geht es in die Maske.

Jan von Holleben feuert seine Models an.

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IM S TUD IO VON JAN VON HOLLE BE N: PHASE 1

Im ersten Arbeitsschritt werden nur die auf dem Boden liegenden Models und wenige Requisiten von oben fotografiert.

Das Ergebnis wird direkt auf dem Bildschirm kontrolliert.


N ACHS P I EL — KO N Z ER T K A L EN D ER

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IMPR ESSUM

c hs te D ie nä e int ersch e b a g ! Aus i 2015 n u J . am 2

128 – Das Magazin der Berliner Philharmoniker wird herausgegeben von der Berliner Philharmonie gGmbH für die Stiftung Berliner Philharmoniker Herbert-von-Karajan-Straße 1, D–10785 Berlin Telefon: +49 (0)30 254 88-0, Fax: + 49 (0)30 254 88 323 E-Mail: magazin128@berliner-philharmoniker.de Internet: www.berliner-philharmoniker.de

Herausgeber

Martin Hoffmann

Chefredakteur

Carsten Fastner

Redaktion Redaktionelle Mitarbeit

Bildredaktion Korrektorat Art Direktion und Gestaltung Illustrationen

Gerhard Forck (GF) Arnt Cobbers (AC), Harald Hodeige (HH), Nicole Restle (NR) Statistik-Recherchen im Schwerpunkt: Katharina Fleischer Natalie Schwarz, Mária Géczi, Anne Schkutek Alexandra Sauer, Hendrikje Scholl Joppe Berlin: Rüdiger Joppe, Annette Gräf Joppe Berlin: Rüdiger Joppe, Frances Franzke

Credits Cover Porträts (Quelle) 1. Reihe Olga Neuwirth (Harald Hoffmann) und S.42; Liza Lehmann (picture alliance/united archives); Anna Prohaska (Harald Hoffmann DG); Violeta Dinescu (Nicolae Manolache) und S.41; Un-Suk Chin (Eric Richmond) und S. 43; Platzhalterfoto 2. Reihe Cecile Chaminade (ullstein bild - Roger-Viollet / Albert Harlingue); Kaaja Saariaho (Maarit Kytöharju / Chester Music); Maria Szymanowska (picture-alliance/dpa); Adriana Hölszky (Astrid Ackermann); Madeleine Carruzzo (Sebastian Hänel); Gloria Coates (Archiv Berliner Philharmoniker) und S. 40 3. Reihe Younghi Pagh-Paan (Si-Chan Park) und S.40; Anja Harteros (Marco Borggreve) 4. Reihe Hildegard von Bingen (akg-images / Michael Teller); Ethel Mary Smyth (World History Archive / Ann Ronan Collection / agefotostock / Avenue Images) und S.44 5. Reihe Lera Auerbach (F. Reinhold) und S.46; Clara Schumann (akg-images); Lili Boulanger (ullstein bild - Roger-Viollet); Sofia Gubaidulina (Archiv Sikorksi Musikverlage) und S.45; Rebecca Saunders (Katrin Schander) und S.46; Christine Lemke-Matwey (Wolfgang Lienbacher) 6. Reihe Karen Kamensek (Sebastian Hänel); Aline Champion (Annette Hauschild); Isabel Mundry (© 2010 by Martina Pipprich, Mainz) und S.41; Louise Farrenc (picture-alliance / maxppp©Leemage); Barbara Strozzi (akg-images); Fanny Hensel (akg-images)

S. 5 Martin Hoffmann, Porträt: Kinky Illustrators — Julian R. nach Fotovorlagen von Sebastian Hänel S. 90, Fotos Lebenspartner: Annette Hauschild

Credits

Berliner Philharmonie gGmbH, Herbert-von-Karajan-Str. 1, D –10785 Berlin

Verlag Anzeigen Anzeigenvermarktung

Erscheinungsweise Auflage

Natalie Schwarz Runze & Casper Werbeagentur GmbH Evelyn Alter, E-Mail: alter@runze-casper.de, Tel. +49 (0)30-280 18 149 4 × jährlich 10.000 Exemplare

Druck

Enka-Druck Großbeerenstraße 2, D –12107 Berlin Printed in Germany

Vertrieb

Axel Springer Vertriebsservice GmbH Süderstraße 77, D – 20097 Hamburg www.as-vertriebsservice.de

ISSN

2194-0694 © 2015 Berliner Philharmonie gGmbH. Alle Rechte vorbehalten. Die auf §49 UrhG gestützte Übernahme von Artikeln in gewerbliche P ressespiegel bedarf der schriftlichen Zustimmung des Verlags. Nachdruck, Aufnahme in Onlinedienste und Internet und Vervielfältigung auf Datenträger wie CD-Rom, DVD-Rom etc. nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung des Verlags.


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