Cle forum 04 2016

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69. Jahrgang, 4. Folge, 2016

Dlnsp. ROL Cäcilia Kaltenböck

Asyl – was nun? „Ich war fremd, und Ihr habt mich aufgenommen…“ Im zu Ende gegangenen Jahr der Barmherzigkeit ist es nahe liegend, dieses Werk der Barmherzigkeit weiter zu denken. Wir haben uns zu fragen, ob wir Fremde (und damit meine ich nicht nur die vor Kriegen und Terror Geflohenen) in unserem Ort wirklich aufgenommen haben und ob wir diese tatsächlich auf – und so wie sie sind – angenommen haben? Als Lehrerin und Lehrer in der Klasse üben wir dieses „Werk“ jedes Jahr zu Schulbeginn … wie lange brauchen wir, dass wir sie ganz annehmen können – mit allen Eigenheiten, Fähigkeiten und Fehlern? Ich weiß, das setzt voraus, dass wir uns selbst annehmen können, ja, dass wir uns selbst an- und aufgenommen fühlen von IHM, der gesagt hat: „Kommt alle zu mir, …“ Ohne SEINE Hilfe werden wir niemanden aufnehmen können. Es bedarf eines langen Atems, AsylwerberInnen auch dann noch zu begleiten, wenn sie schon asylberechtigt sind. Dies gilt auch wieder nicht nur für Fremde aus fernen Ländern mit einer völlig anderen Kultur… Aus der Erfahrung mit Asylsuchenden und Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten weiß ich, dass diese unsere bisher gelebte Kultur/ Religionsausübung in Frage stellen. Wir haben uns zu fragen, was wir ihnen vorleben… Erst dann können wir auf das schauen, was sie uns „mitbringen“… Unser Leben ist ein Weg in SEINE Heimat, aber ein WEG. Wir entscheiden täglich, ob wir SEINEN WEG gehen, IHM durch unser Tun nachfolgen… Am Beginn des neuen Kirchenjahres wünsche ich Ihnen ein gesegnetes Weiter-Gehen auf dem Weg zu – und mit IHM, der uns zeigt, wie Leben „geht“…

Christlich

Asyl und Menschwerdung

Lebensnah

Asyl und Migration

Engagiert

Fakten-Check Asyl

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Asyl – und jetzt? Asyl und Migration sind aufgrund der Fluchtbewegungen aus dem Mittleren Osten und Afrika in Richtung Europa wichtige aktuelle Themen im politischen, wirtschaftlichen, sozialen und auch humanitären Diskurs. Für Österreich ist dieses Phänomen keineswegs neu – in den vergangenen 70 Jahren fassten Menschen aus politischen, wirtschaftlichen oder auch sozialen Gründen den Entschluss, ihre Heimat für gewisse Zeit oder auch für immer zu verlassen. Was aber in der Historie anders war: „Österreich hat sich immer als Erstversorgungs- und Transitland verstanden. Man hat also nie damit gerechnet, dass diese Leute lang bleiben werden“, analysiert der Historiker Dieter Bacher vor kurzem im Kurier und verweist etwa auf die Ungarnkrise im Jahre 1956, wo nach nur wenigen Monaten der Großteil der etwa 180.000 Flüchtlinge weiter etwa in die USA, nach Kanada, Großbritannien, Australien oder Südafrika migrierte oder nach Hause zurückkehrte. Plötzlich werden Forderungen laut, dass man genau unterscheiden müsse, wer dableiben darf und wer nicht und wie eine Integration überhaupt gelingen kann und wenn, dann nur über den Weg der Bildung. Das Recht auf Bildung ist ein grundlegendes Menschenrecht, das etwa im ersten Zusatzprotokoll der Europäischen Menschenrechtskonvention, in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und in der Kinderrechtskonvention verankert ist. Über 30.000 (Tendenz: steigend!) unbegleitete minderjährige (zumeist männliche) Flüchtlinge müssen als „außerordentliche“ Schüler auf schnellstem Wege Deutsch lernen. Das ist für die Meisten nicht einfach, denn die 13- bis 15-Jährigen etwa aus Afghanistan oder Syrien haben noch nie eine

Schule besucht, „noch nie einen Stift in der Hand gehalten“ (Julia Leithner, Junglehrerin in Mödling). Der 13-jährige Hamit ist mit seiner Familie aus Syrien geflüchtet und findet sich in der dritten Klasse einer Neuen Mittelschule langsam zurecht. Noch kann er sich nur auf Arabisch verständigen oder mit Gesten, denn sie sind erst seit ein paar Wochen in Österreich angekommen. Das Problem wird lösbar sein, sind sich alle Beteiligten sicher, merkt man ihm doch sein Bemühen an, sein Bestes zu geben, zudem ist er nur der einzige Flüchtling in der Schule. Aber das ist nicht überall so! Unter bestimmten Voraussetzungen können unbegleitete Kinder und Jugendliche ihre Eltern nach Österreich nachholen. Geschwister dürfen nur dann mitziehen, wenn sie minderjährig sind. Laut UNHCR zeigt die Praxis aber, dass es in vielen Fällen keinen Kontakt mehr ins Heimatland gibt, viele wissen nicht, ob ihre Eltern überhaupt noch am Leben sind. Familien können sich aber oft auch die Flugtickets, die vorgeschriebenen Gutachten und DNA-Tests, die oft mehrere Tausend Euro kosten, nicht leisten. „Wir alle sind Brüder und Schwestern, wir alle sind Kinder desselben Gottes. Christliche Identität bedeutet als Erstes dem Nächsten begegnen, der schwach ist. Wir müssen sicherstellen, dass diese Werte auch morgen noch gelebt werden. … Es muss unsere Aufgabe sein, zu Besonnenheit, Nüchternheit und zum Miteinander in der Gesellschaft aufzurufen. Unser Glauben verleiht uns die Kraft, diese Aufgabe offenen Herzens anzunehmen.“ (Caritas Bischof Benno Elbs anlässlich der PapstVisite auf Lesbos) Dr. Gerhard Vörös


Grüß Gott …

der „Sozial“-Medien inklusive) ähnliche Verhaltensweisen – im schlimmsten Fall bis hin zu seelischen und körperlichen Gewalttätigkeiten – an den Tag legen, die sie von der Erwachsenenwelt täglich vorgelebt bekommen. –

Im Anschluss an eine Gruppenarbeit war eine Klassendiskussion zu deren Ergebnissen geplant. Die Diskussionsregeln schrieb ich während der Schülerarbeit an die Tafel, damit wir sie zu Diskussionsbeginn durchbesprechen und als Erinnerung immer vor Augen haben konnten.

In den Asyl-Diskussionen geht es überwiegend um die – sicher nicht unwichtige – Geld- und Aufteilungsfrage. Ein erheblich wesentlicherer, menschlicher Aspekt fand bisher keinen Weg in die breite Öffentlichkeit:

liebe Leserinnen und Leser!

Trotz Vorbereitung und des Öfteren erfolgtem Hinweis auf die an der Tafel stehenden Regeln verlief die Angelegenheit letztendlich doch relativ chaotisch. Das Stundenthema ist mir nicht mehr in Erinnerung, wohl aber der Ausspruch eines Schülers während des Unterrichts: „Herr Fachlehrer, was wolln‘s denn! Die Erwachsenen und Politiker in den Medien machen es ja genauso. Sie halten sich ja auch an keine Diskussionsregeln!“ Denn, verfolgt man diverse Diskussionsrunden und beobachtet das Verhalten und die Sprache einzelner Teilnehmer, muss ich zugeben, dass der Einwurf des Schülers sehr treffend war: Welche Vor-Bild-Haltungen in Bezug auf den Umgang mit dem Nächsten vermitteln Erwachsene den Kindern und Jugendlichen, die unser Tun und Handeln sehr wohl kritisch hinterfragen? – Auch, und gerade dann, wenn wir gegenwärtig gar nicht damit rechnen, wir sehr wohl jugendliches Eigen-Verhalten und UrteilsVermögen unbewusst mit-prägen und es infolge dessen von ihnen in ihr Lebens-Modell implementiert wird. • Nur allzu oft wird der Mangel an not-wendiger (auch familiärer) Grund-Erfahrung von seelischer Geborgenheit heranwachsender mittels materieller Güter ersetzt... • Der sprachliche Umgang untereinander triftet immer häufiger mehr als nur „tief unter die Gürtellinie“ herab – und das nicht nur alleine in den sogenannten „Sozial“-Medien... • Wem zu seiner Problemlösung „gar nichts Anderes“ mehr einfällt, der bedient sich der Gewaltandrohung und im schlimmsten Fall der aktiven Gewalttätigkeit... • Egal, ob in privaten oder öffentlichen Diskussionen, wird der begonnene Gedanke eines Teilnehmers zu einem Thema von seinem Gegenüber sogleich als persönliche Gegnerschaft empfunden und mittels mitunter zweideutiger Wortwahl als Absurd nieder-„geprügelt“ noch bevor der Sprecher dazu Gelegenheit bekam, seinen Gedankengang fertig auszusprechen. – Diskussionsregeln und die Kunst des Zu-Hören-Könnens scheinen der Vergangenheit anzugehören... • Halbwahrheiten, aus dem Zusammenhang gerissene Zitate und Vorurteile gelangen so falsch zitiert an die Öffentlichkeit mit dem Anspruch, zur „Meinungs-Bildung“ beizutragen... • Es entsteht der Eindruck, für sämtliche eingebrachten Vorschläge, Meinungen und Problemlösungs-Gedanken gibt es in Wirklichkeit anscheinend nur mehr zwei Möglichkeiten: Entweder sind sie verkehrt oder falsch! Zusätzlich werden sie sofort in die links- oder rechtslastige oder in sonst eine farbliche Ecke hinein verbannt, um sie als LösungsMöglichkeit von vornherein ad absurdum führen zu können, anstatt im wertschätzenden Miteinander einen gemeinsamen Nenner zu deren Verwirklichung zu suchen. Es kommt daher auch sicher nicht von ungefähr, wenn unser Nachwuchs mitunter im Schulalltag und in seiner Freizeit (Missbrauch

„Das deutsche Büro von Open Doors1) legte bei einer Pressekonferenz in Berlin am 17. Oktober einen neuen Lagebericht vor. Dazu wurden im Zeitraum Mai bis September Gespräche mit hunderten Flüchtlingen im gesamten Bundesgebiet geführt. Neu dokumentiert wurden dabei religiös motivierte Übergriffe auf 512 christliche sowie 10 jesidische Flüchtlinge in deutschen Asylunterkünften. Die Hilfswerke appellieren – nach der Veröffentlichung des ersten Lageberichts am 9. Mai mit 231 erfassten Übergriffen – erneut an Politik und Behörden, wirksamen Schutz für christliche Flüchtlinge und Angehörige anderer religiöser Minderheiten zu gewährleisten. Eine aufmerksame behördliche Untersuchung der Vorfälle wäre der erste Schritt hin zu einer effektiven Hilfe für bedrohte christliche Flüchtlinge, unter denen muslimische Konvertiten zum Christentum die am stärksten gefährdete Gruppe bilden. „Ich habe nie erwartet, dass so etwas in Deutschland geschieht!“2)

Viele der betroffenen Flüchtlinge haben bereits in ihren islamischen Herkunftsländern Verfolgung und Diskriminierung erlebt und sind deshalb nach Deutschland geflohen. Die in den Herkunftsländern vorherrschende Bedrängung erleben religiöse Minderheiten hier in den Flüchtlingsunterkünften eins zu eins wieder. Ein Flüchtling aus dem Iran, der in der Erhebung erfasst wurde, sah sich in seiner Unterkunft mit einem Schriftzug an der Wand konfrontiert: „Es ist Zeit, allen Christen den Kopf abzuschneiden.“ Der Fall ist aktenkundig. Den Schock dabei beschreibt er – stellvertretend für zahlreiche weitere Betroffene – so: • „Ich war erschrocken! Ich habe nie erwartet, dass so etwas in Deutschland geschieht. Im Iran geschieht so etwas schon. Das hat mein Vertrauen erschüttert.“3) – Unsere Toleranz4) darf – auch in einer pluralistischen Gesellschaft! – nur so weit gehen, als ein friedliches Zusammenleben der Menschen verschiedener Weltanschauungen nicht gestört ist. Das setzt nicht unbedingt eine gemeinsame Religion, aber die Anerkennung der Menschenrechte und ein allgemeinverbindliches Weltethos5) voraus.

Der gute alte „Haus-Verstand“ – gleichgültig, ob männlich oder weiblich – sollte sein Dasein nicht nur als Werbefigur in einer bekannten Lebensmittelkette fristen, sondern in der Realität bei uns allen beheimatet sein. – Auch in Bezug auf die Asyl-Frage... meint SR Friedrich Lawitzka Büro: office@cle-noe.at CLE-NÖ-Landesobmann Privat: fritz.lawitzka@gmx.at Homepage: www.cle-noe.at PS: Gute Absichten ohne gesunden Menschenverstand sind nutzlos. (Aus China) 1) 2) 3) 4) 5)

https://www.opendoors.de/verfolgung https://www.portesouvertes.ch/de/Oesterreich/geschichte/ Anm.: Ereignet sich auch in Österreich Auszug aus einem Artikel in: Kirche-IN, Nr. 11/2016, S. 30 offizielle Toleranzdefinition http://www.weltethos.at


n e t k a F eck Ch

In den letzten Tagen und Wochen gab es viel Aufklärung rund um das Thema Asyl, aber gerade in den sozialen Medien gab es auch viel Angstmache oder gar Hetze. Mit den folgenden Zahlen, Daten und Fakten wollen wir Ihnen Hintergrundinformationen zum Thema Flucht und Asyl geben, sowie einen guten Überblick wie die Caritas hilft und wobei wir Unterstützung brauchen. Was, außer dem Schrecken eines Krieges, treibt Menschen dazu ihre Heimat zu verlassen? Viele Flüchtlinge werden verfolgt, weil sie andere Meinungen vertreten als das herrschende Regime oder ihren eigenen Glauben behalten wollen. Angehörigen sexueller Minderheiten droht in vielen Ländern nach wie vor die Todesstrafe, manche Mädchen und Frauen versuchen durch die Flucht einer Zwangsheirat zu entkommen. Aber auch Naturkatastrophen und anhaltende Dürren zwingen Menschen oft dazu von ihrem eigenen Grund und Boden zu flüchten. Ende 2014 waren 59,5 Millionen Menschen auf der Flucht. Davon waren 38,2 Millionen Binnenvertriebene und 21,3 Millionen Flüchtlinge und AsylwerberInnen.

Wohin fliehen diese Menschen? Die meisten fliehen dabei einmal an einen sicheren Ort innerhalb ihres Landes. Nur ein Drittel setzt den Fuß über die Grenze. 95 % aller syrischen Kriegsflüchtlinge wurden in den Nachbarländern aufgenommen. Zum Beispiel im Libanon, einem Land nicht größer als Tirol. Neben 4,4 Millionen Einheimischen leben hier heute über 1 Million Flüchtlinge. Jeder zweite davon ist ein Kind. Umso wichtiger ist es in den rasch errichteten Flüchtlingscamps, neben Unterkunft, Essen und medizinischer Versorgung auch Bildung zu ermöglichen. Abgesehen davon bietet das Leben in den Camps niemandem eine langfristige Perspektive. Die größten Flüchtlingsaufnahmeländer sind: 1. Türkei (1,59 Millionen) 2. Pakistan (1,51 Millionen) 3. Libanon (1,15 Millionen) 4. Iran (982.000) 5. Äthiopien (659.000) 6. Jordanien (654.100) Quelle: Caritas der Erzdiözese Wien, Oktober 2016

syl

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Mehr als die Hälfte aller Flüchtlinge weltweit stammt aus nur drei Ländern: 1. Syrien (3,88 Millionen) 2. Afghanistan (2,59 Millionen) 3. Somalia (1,11 Millionen) 86 % aller Flüchtlinge weltweit finden in sogenannten Entwicklungsländern Zuflucht. Mehr als die Hälfte aller Flüchtlinge weltweit sind Kinder unter 18 Jahren. Wie gelangen Flüchtlinge nach Europa? Nur die wenigsten, meistens junge gesunde Männer, auf denen die Hoffnung ihrer ganzen Familie ruht, können die körperlichen Strapazen und die Kosten einer weiteren Flucht, zum Beispiel nach Europa auf sich nehmen. Denn wer flüchtet ist meist illegal unterwegs, meist unter gefährlichen Umständen – zu Fuß auf verborgenen Wegen, versteckt im Laderaum eines LKWs oder auf überfüllten Schiffen. Und immer mit der Angst erwischt und zurück geschickt zu werden. 2014 haben in Europa ca. 625.000 Personen um Asyl angesucht, 4 % davon in Österreich. Die Anerkennungsquote lag bei etwa 25 %. Für 2015 werden in Österreich zwischen 50.000 und 70.000 Asylanträge erwartet. Derzeit sind etwa 38.700 Personen in Österreich in Grundversorgung. In früheren Krisen hat Österreich bedeutend mehr Flüchtlinge aufgenommen als aktuell: • 1956/57 kamen rund 180.000 Menschen aus Ungarn • 1968 flüchteten 162.000 aus der damaligen Tschechoslowakei • nach dem Zerfall Jugoslawiens hat Österreich rund 90.000 Flüchtlinge aufgenommen Selbst wenn die Prognosen des Innenministeriums stimmen und tatsächlich 70.000 Menschen nach Österreich kommen, sind das 0,8 Schutzsuchende auf 100 Einwohner. Gleichzeitig haben 75 % der Gemeinden noch niemanden aufgenommen.

Engagiert

Wie sieht die rechtliche Situation von Flüchtlingen in Österreich aus? Seit dem Ende des zweiten Weltkrieges gibt es eine internationale Übereinkunft, die Genfer Flüchtlingskonvention. Auch Österreich hat sich dazu verpflichtet, Flüchtlinge aufzunehmen, ihnen zu essen und ein Dach über dem Kopf zu geben. Und zwar so lange bis in einem rechtlichen Verfahren geklärt worden ist, ob sie Asyl also Schutz erhalten und in Österreich bleiben können. In dieser Zeit hilft die Caritas den Menschen bei Behördenwegen, mit Kleidern, Möbeln, und mit Gelegenheiten sich aktiv am Gemeindeleben beteiligen zu können. Asylsuchende bekommen in Österreich die so genannte Grundversorgung. Diese wird dann gewährt, wenn der Asylsuchende mittellos ist, also weder Geld noch sonstiges Vermögen hat. Asylsuchende dürfen in Österreich während des Asylverfahrens nur sehr eingeschränkt arbeiten, daher ist die Unterstützung durch die Grundversorgung für viele lebensnotwendig. Asylsuchende haben keinen Anspruch auf Mindestsicherung (das ist die frühere Sozialhilfe), Familienbeihilfe oder Kinderbetreuungsgeld. In organisierten Unterkünften: Selbstversorgungsquartiere: In sogenannten Selbstversorgungsquartieren, kümmern sich die AsylwerberInnen selbst um ihre Verpflegung und erhalten dafür pro Tag je nach Bundesland zwischen 3,50 und 6,50 Euro. Vollversorgungsquartiere: 40 Euro Taschengeld pro Person und Monat für alle persönlichen Ausgaben. Selbstständiges Wohnen: • Eine Familie erhält einen maximalen Zuschuss pro Monat von 240 Euro für Miete und Betriebskosten. • Für eine Einzelperson wird ein Zuschuss zur Miete in Höhe von 120 Euro pro Monat ausbezahlt. • Erwachsene erhalten ein Verpflegungsgeld von 200 Euro, Minderjährige 90 Euro pro Monat. Zu bezahlen ist die Miete, Betriebskosten, das Essen sowie alle sonstigen Ausgaben. Zusätzlich bekommen AsylwerberInnen Gutscheine für Bekleidung (150 Euro pro Jahr) und Schulgeld für die Kinder (200 Euro).

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Thema

Asyl & Menschwerd Bibeltheologische Anmerkungen zu einer brennenden Frage Die Diskussionen um Asylwerberinnen und Asylwerber und der Umgang mit ihnen erregt in unserem Land die Gemüter. Immer geht es um die Fragen: Wer ist berechtigt, einen Antrag auf Asyl zu stellen? Welche Anträge sind anzuerkennen? Wie ist mit abgelehnten Asylwerberinnen und Asylwerber umzugehen? Und auch die Frage, ob die sogenannte Abschiebungshaft mit der Würde des Menschen zu vereinbaren ist, fällt in diesen Rahmen. Das Recht auf Asyl ist in der Genfer Flüchtlingskonvention geregelt. Danach sind Menschen, die sich außerhalb ihres Heimatlandes befinden und berechtigte Furcht haben müssen, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischer Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt zu werden, als Flüchtlinge anzuerkennen. Asyl – zentrales Thema der Bibel Die Fragen und Probleme, die wir heute mit Asyl in Verbindung bringen, sind auch den biblischen Texten nicht fremd. Sehr früh wurde Israel auch mit dem Problem politischer Flüchtlinge konfrontiert. So floh Jerobeam, ein Gegner des Königs Salomo, vor den Nachstellungen Salomos nach Ägypten (1 Kön 12,2). Nach Salomos Tod kehrte Jerobeam nach Israel zurück und wurde der erste König des Nordreiches Israel. Schon David hatte vor den Verfolgungen Sauls zeitweise Zuflucht bei den Philistern gesucht (1 Sam 27). Als politische Flüchtlinge hofften sie, in dem Land, in dem sie Zuflucht suchten, auf Hilfe und Schutz. Sie mussten jedoch die Bedingungen der Schutzgebenden akzeptieren. So musste David sich den Philistern verpflichten und ihnen zu Diensten sein (1 Sam 27,1-2;

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28,1-2). Auch der Prophet Elija floh vor den Nachstellungen der Königin Isebel nach Beerscheba, das in Juda lag und damit außerhalb des Machtbereiches der Königin. Ein international anerkanntes Recht auf Schutz und Hilfe gab es damals jedoch nicht. Dennoch ist der Handschrift der Bibel fremdenfreundlich. Asyl, das durch Religionen gewährt wurde, ist älter als jedes gesetzte Recht und den menschlichen Kulturen seit dem Altertum bekannt. Es birgt die letzte Hoffnung für alle, die jede Aussicht auf Gerechtigkeit verloren haben. Die biblischen Quellen fordern dazu auf, Menschen auf der Flucht Obdach und Hilfe anzubieten. Grundgelegt wird diese Forderung im Gebot zur Nächstenliebe und durch die in der Bibel mehrfach bezeugte Erfahrung von Menschen, selbst Flüchtling gewesen zu sein und Schutz in der Fremde gefunden zu haben (Dtn 26,5ff). Flüchtlingsfragen waren Themen der ersten Synoden in der christlichen Antike. Dabei ging man der Frage nach, wie die biblisch-alttestamentlichen Vorgaben und frühe christliche Erfahrungen von Flucht und Verfolgung einerseits und die Kultivierung der Tugend der Gastfreundschaft andererseits zu handhaben sind. Daraus entwickelten sich die Grundlagen dafür, dass Kirchen jahrhundertelang als Orte des Asyls galten. Im biblischen Kontext ist die Flüchtlingsbzw. Asylfrage kein Randthema, sondern zentrales kultisches und soziales Gebot: „Wenn bei dir ein Fremder in eurem Land lebt, sollt ihr ihn nicht unterdrücken. Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten und du sollst

ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid selbst Fremde in Ägypten gewesen. Ich bin der Herr euer Gott“ (Lev 19,33-34). Es fällt sofort auf, dass der Grundtenor der Bibel nicht nur fremdenfreundlich ist, was zu der damaligen Zeit schon erstaunlich genug wäre. Überraschend und herausfordernd ist, dass Fremde nicht nur als Einwohner zweiter Klasse geduldet, sondern Einheimischen gleichgestellt, ja geliebt werden sollen, wie man sich selbst und seinen Nächsten liebt. Als Begründung wird der Aufenthalt der eigenen Vorfahren in der Fremde angeführt. Das Durchleben der eigenen traumatischen Erfahrungen im Exil ermöglichte den Hebräern eine Kultur des Zusammenlebens, die in ihrer spirituellen Tiefe von der Erfahrung der Gegenwart Gottes geprägt war: Gott ist barmherzig, solidarisch und fürsorglich. Wie sehr dieses Ausgesetzsein in der Fremde die eigene religiöse Identität und die Gottesbeziehung vertiefen kann, kann gerade an diesem Beispiel nachvollzogen werden. An Fremden lernen, wer wir sind Ein derartiger Lernprozess kann sich bis heute in den biblisch bezeugten Erfahrungshintergrund einschreiben: „Man weiß nur, wer man ist, wenn man sich dem Schmerz der Fremdheit aussetzt. Man lernt den eigenen Reichtum erst kennen, wo man sich mit fremden Lebensentwürfen und fremder Religion auseinandersetzen muss. Man lernt den eigenen Mangel erst kennen, wenn man auf den Reichtum der Fremden stößt. Wo man nur sich selbst kennt, besteht die Gefahr, dass man sich für einzigartig hält. Man kann sich kaum hinterfragen, wo man die Fremden und das Fremde nicht an sich heranlässt.


Thema

dung Man bringt sich um die Freiheit, zu wachsen und mehr zu werden, als man ist, wo man sich der Fremdheit der anderen verweigert. Es gehört als zum Reichtum und zur Schönheit des menschlichen Lebens, die Fremden und das Fremde zu ertragen, zu beherbergen, sich damit auseinander zu setzen, davon zu lernen und damit im Eigenen gewisser zu werden. An den Fremden lernen wir, wer wir selbst sind.“1) Dies ist nichts Geringeres als ein Lebensprogramm, verbunden mit der stets reflexiven Anfrage, wer ich je und je bin: eine mitunter äußerst konfliktreiche Haltung. Asyl in der Stadt „Bethlehem“ Fremd und abgewiesen sein ist eine oft gemachte Erfahrung. Nach der Darstellung des Lukasevangeliums haben die Eltern Jesu bei ihrer Ankunft in Betlehem dies erfahren: „Als sie [Maria und Josef] dort waren, kam für Maria die Zeit der Niederkunft, und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war“ (Lk 2,6-7). Die biblische Hermeneutik legt nahe, bei „Herberge“ an eine öffentliche Einrichtung zu denken. Der Text zeigt die Not von Fremden auf. Eine eher dramatische Darstellung von Flucht und Fragen des Asyls bietet der Evangelist Matthäus: „Als die Sterndeuter wieder gegangen waren, erschien dem Josef im Traum ein Engel des Herrn und sagte: Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter und flieh nach Ägypten; dort bleibe, bis ich dir etwas anderes auftrage; denn Herodes wird das Kind suchen, um es zu töten. Da stand Josef in der Nacht auf und floh mit dem Kind und dessen Mutter nach Ägypten. Dort blieb er bis zum Tod des Herodes. Denn es sollte sich erfüllen,

was der Herr durch den Propheten gesagt hat: Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen“ (Mt 2,13-15).

Fremden, aber auch den Freund, mit dem man sich durch Gastfreundschaft verbunden fühlt.

Um dem Gemetzel in Betlehem zu entgehen, fliehen Maria und Josef nach Ägypten und erhalten dort „Asyl“. Obwohl der Text kaum Einzelheiten enthält, lässt er die ganze Dramatik erahnen, die sich bei einem so plötzlichen Aufbruch abspielt. Mitten in der Nacht beginnt die Flucht, denn tagsüber ist es zu gefährlich. Es bleibt nicht viel Zeit, um das Notwendige schnell zusammen zu packen. Mitgenommen kann nur werden, was man selbst tragen kann. Um einen neuen Anfang in der Fremde wagen zu können, ist das nicht viel.

Als Paradigma für die Gastfreundschaft gilt seit der Alten Kirche die Einkehr der drei Männer bei Abraham (Gen 18). Glaube und Gastfreundschaft werden hier engstens miteinander verknüpft. Beide miteinander verbunden, gewähren Rettung und lassen teilhaben an den Verheißungen Gottes. Dieser Gedanke ist heute kaum mehr präsent.

Gastfreundschaft und Christsein Wer auf der Flucht oder auch sonst im fremden Land unterwegs ist, ist in der Regel auf die Gastfreundschaft des jeweiligen Landes angewiesen. Erfahrene Gastfreundschaft bereichert Gastgeber und Gäste. Sie erweitert den Lebensund Glaubenshorizont. Sie macht aus Fremden Freunde. „Als Christinnen und Christen können wir nicht „Ausländer“ mit „Fremden“ gleichsetzen. Christinnen und Christen können das nicht machen, wenn sie Christinnen und Christen bleiben wollen. Für sie werden aus Fremden Freunde.“2) Gastfreundschaft ist nicht einfach eine Geste guten Willens oder eine milde Gabe. Sie ist ein Wert an sich. In ihr spiegelt sich die Achtung vor der Würde des Anderen, ernst und angenommen zu sein. Diese Bedeutung von Gastfreundschaft scheint in modernen Gesellschaften weitgehend aus dem allgemeinen Bewusstsein entschwunden zu sein. Als Gäste laden wir meist Freunde, Bekannte und Verwandte ein. Jesus kritisierte dies und die Einladungspraxis seiner Zeit: „Wenn du mittags oder abends ein Essen gibst, so lade nicht deine Freunde oder deine Brüder, deine Verwandten oder reiche Nachbarn ein; sonst laden auch sie dich ein, und damit ist dir wieder alles vergolten. Nein, wenn du ein Essen gibst, dann lade Arme, Krüppel, Lahme und Blinde ein. Du wirst selig (glücklich) sein, denn sie können es dir nicht vergelten; es wird dir vergolten werden bei der Auferstehung der Gerechten“ (Lk 14,12-14). Im Gegensatz zur deutschen Sprache, die „Gast“ und „Fremde“ unterscheidet, bezeichnet im Griechischen das Wort „Xenos“ den

Asylsuchende – Ort der Theologie Schon im Neuen Testament heißt es: „Das Aussehen der Erde und des Himmels könnt ihr deuten, warum könnt ihr dann die Zeichen dieser Zeit nicht deuten?“ (Lk 12,54 ff; Mt 16,3). „Zeichen der Zeit“ im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils sind heute Menschen, die um die Anerkennung ihrer Würde ringen, denen man ein Leben ohne Terror, Verfolgung und Krieg vorenthält, die ausgegrenzt und diskriminiert werden. Mit ihnen müssen wir einen Dialog führen. Wir begegnen Gott in diesen Menschen, in ihren existentiellen Bedürfnissen, in ihrem Streben nach einem Leben in Würde. Die Zeichen der Zeit zu deuten heißt also, dass Gott einen konkreten Ort in den Geschehnissen unserer Welt hat. Er identifiziert sich mit den heutigen „Fremden und Obdachlosen“ (Mt 25,38) in Gestalt der Flüchtlinge. „Es steht nicht in der Macht der Kirche, die Zeichen der Zeit willkürlich herzustellen oder sich ihrer Signifikanz zu verweigern. Sie sind das Schicksal der Kirche. Wenn diese von ihnen davonläuft, wird es ihr ergehen wie einst Jona – das Schicksal holt sie ein.“3) Mit der Theologie der „Zeichen der Zeit“ vollzieht die Kirche eine radikale Umwandlung. Sie bekehrt sich zur aktuellen gesellschaftlichen Gegenwart, indem sie diese als einen auf Gott hin transparenten geschichtlichen „locus theologicus“ versteht. Offenbarung Gottes kann sich an vielen verschiedenen (theologischen) Orten in und eben auch außerhalb der Kirche ereignen. Daher sind Flüchtlinge und Asylsuchende ein denkbarer Ort der Theologie. Das ergibt sich schon aus der Tatsache, dass die Mehrheit der biblischen Texte in einem Kontext von Exil, Flucht, Wanderschaft und Vertriebenensituationen entstanden ist.

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Thema Durch Handeln verwandeln Aus der Erfahrung mit Flüchtlingen und Asylsuchenden kann existentiell vertieft werden, was Mensch-Sein und ChristSein bedeutet: Ungesichert-Sein, Unterwegs-Sein und Aufbruch ins Ungewisse in der Hoffnung auf ein gelingendes Leben. Die Art und Weise, wie sich Christinnen und Christen den Flüchtlingen und Asylsuchenden gegenüber verhalten, wird entscheidend dazu beitragen, ob und wie Letztere die Kirche als Anwältin von Menschenwürde und Humanität, Solidarität und Freiheit erleben. Es geht um die Qualität der Begegnung, die sich durch „Zuneigung und größtmöglichen Respekt“4) auszeichnet. Daher kann jeglicher Einsatz für Asylsuchende nicht als Sozialarbeit abqualifiziert und damit dem Glaubensgeschehen nachgeordnet verstanden werden. Die Kirche hat in den Asylsuchenden und Flüchtlingen immer das Bild Christi gesehen, der gesagt hat: „Ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen“ (Mt 25,35). Diese Menschen sind nicht irgendwer. „Jeder Migrant [und jede Migrantin] ist ein menschliches Wesen, das als solches fundamentale, unveräußerliche Rechte besitzt, die alle zu jeder Zeit und unter allen Umständen respektiert werden müssen.“5) Für Christinnen und Christen sind Asylsuchende Boten Gottes, die überraschen und die Regelmäßigkeit und Logik des Alltags durchbrechen, indem sie den, der fern ist, nahe bringen. In den Fremden sieht die Kirche Christus, „der sein Zelt mitten unter uns aufschlägt“ (Joh 1,14) und „an unsere Tür klopft“ (Offb 3,20).

Man muss das Evangelium nicht gelesen haben, um in seinem Sinne zu handeln. Viele Menschen erfahren in ihrem Engagement, dass die Art und Weise wie sie hilfsbedürftigen Mitmenschen begegnen, sie sich in Augenhöhe auf sie einlassen, sich von ihnen nicht nur berühren, sondern auch anfragen und verändern lassen, etwas qualitativ anderes geschieht als es in einem rein pragmatisch vollzogenen Helfen der Fall wäre. Es kommt zu

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einem Perspektivenwechsel: Der Schwache wird zu einem, der dem Starken etwas gibt. Es ist der Kranke, der den Gesunden tröstet. Es ist der Flüchtling, der den Einheimischen ermutigt. Lebenspraktisch wird hier deutlich, was sich theologisch so ausdrückt: „Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig“ (2 Kor 12,9). Um nicht in den Verdacht des Romantisierens zu geraten, muss man betonen, dass das natürlich nicht immer und überall so ist. Arbeit mit Asylsuchenden kostet Kraft. Es gibt Rückschläge und Enttäuschungen. Man muss sich gegen die Warner, Nörgler, Spießer und die ewigen Besserwisser durchsetzen und gegen die Populisten und Brandstifter Stellung beziehen. Energie, Motivation und Hoffnung heißt es aufzubringen und dabei die Lust nicht zu verlieren, nicht zynisch und nicht bitter zu werden. Die Kraft der Flüchtenden Die Kraft kommt von den Leidenden. Wenn man ihnen nicht mehr begegnet, dann schneidet man sich die Quelle ab. Man muss den leidenden Menschen in die Augen sehen. Dann macht man einfach weiter, weil man in dieser Begegnung erfährt, dass das Leben stärker ist. Jesus hatte die Menschen vor Augen, denen er helfen wollte, die er liebte. Das ist auch die Kraft der Flüchtlinge. Weil sie ihre Kinder, weil sie ihre Angehörigen lieben, machen sie weiter. Unter diesen extremen Bedingungen wird die Liebe getestet. Aber genau deshalb bleiben Menschen immer noch menschlich und halten aus und ertragen, weil sie jemanden lieben, für den sie etwas Besseres wollen.6) Derartiges erzählte auch die Bürgermeisterin von Lampedusa, Giusi Nicolini: „Es ist vielleicht paradox, aber sehr viel Kraft für unsere Hilfe bekommen wir von den Flüchtlingen selbst. Wenn man sieht, mit wie viel Hoffnung sich diese armen Menschen auf ihre verzweifelte Reise gemacht haben, Frauen mit kleinen Kindern im Arm oder auch kleine Kinder, die auf sich allein gestellt sind. Diese Menschen sind ein Beispiel für einen unglaublichen Mut und Überlebenswillen. Wenn es diesen Menschengelungen ist, solche unglaublichen Strapazen zu überleben, dann muss es uns gelingen, ihnen zu helfen.“7) So wird es für Christinnen und Christen unter dem Aspekt der Gottesund Nächstenliebe zur Glaubensfrage, Bedürftigen zu helfen. So deuten sich die Plausibilitäten von Starken und Schwachen, von Armen und Reichen und von

Helferinnen und Hilfsbedürftigen radikal um. In der Zuwendung wird derjenige beschenkt, der Solidarität übt. Denn wenn man Asylsuchende persönlich kennen lernt, sich mit ihren Geschichten beschäftigt und ihnen beim Zurechtfinden hilft, fallen alle Vorbehalte.

Mag. Bernard Schörkhuber, Dipl.-Psych. Dipl.-Päd. MAS Prof. für Bildungswissenschaften, Religionspädagogik und Theologie an der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/ Krems am Campus Krems-Mitterau; Religionspädagogik (PhilosophischTheologische Hochschule St. Pölten), Fachgruppensprecher „Religionspädagogik-Interreligiosität“, Trainer für Systematische Unterrichtsentwicklung, Leiter der Hochschulpastoral und des SCIVIA-Zentrum für Kommunikation, Hochschulpastoral und Seelsorge an der KPH Wien/ Krems am Campus Krems-Mitterau; Gastlehraufträge in Belgien, Deutschland, Frankreich, Schweiz, Tschechien und Ungarn.

1) Steffensky, Fulbert, Toleranz: Die Gnade ein endliches Wesen zu sein; http://www.evks-data.de/pnsys/ upload/news/7096-pdf1.pdf [13.11.2016]. 2) Bischof Franz Kamphaus, damals Vorsitzender der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz, in der Einladung zum XX. Weltjugendtag 2005 in Köln. 3) Sander, Hans Joachim, Die Zeichen der Zeit. Die Entdeckung des Evangeliums in den Konflikten der Gegenwart, in: Fuchs, Gotthart, Lienkamp, Andreas (Hrsg.), Visionen des Konzils. 30 Jahre Pastoralkonstitution „Die Kirche in der Welt von heute“, Münster 1977. 4) Päpstlicher Rat der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs, Instruktion „Erga migrantes caritas Christi“, EMCC, Nr. 36. 5) Enzyklika Caritas in Veritate von Papst Benedikt XVI., Nr. 62. 6) Behnen, Judith, „Das Leben ist stärker“, Interview mit P. Peter Balleis SJ, in: jesuitenweltweit 3 (2015), 14-17. 7) http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.lampedusasbuergermeisterin-giusi-nicolini-wir-koennen-nicht-weglaufen.fa7bd9dd-b51f-4bd7-865d-30e4c3919632. html [14.11.2016].


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Migration, Integration, Asyl Egal ob im Radio, Fernsehen, in den Zeitungen oder im Internet, immer wieder stolpert man über Wörter wie Migration, Zuwanderung, Flucht, Asyl, Integration… All diese Begriffe sind irgendwie miteinander verkettet und werden sowohl in der Politik, als auch in den Medien und in der Öffentlichkeit heiß diskutiert. Vielleicht sind Ihnen diese Themen schon einmal in den Medien begegnet, oder haben Sie in der Schule schon einmal über das eine oder andere Thema gesprochen? Die Seite betrachtet einige Begriffe und ihre Bedeutung genauer und wirft an manchen Stellen auch einen Blick in die Vergangenheit. Denn das ist wichtig, um die aktuelle Situation besser zu verstehen, sich eine eigene Meinung zu bilden, mitzureden und mitzugestalten bei diesem wichtigen Thema! Materialien für den Unterricht Zu jedem Schwerpunkthema der DemokratieWEBstatt werden hier Präsentationen zum kostenlosen Download bereit gestellt, die direkt im Unterricht, oder auch in der freien Kinder- und Jugendarbeit zum Einsatz gebracht werden können. Manche sind auch in englischer Sprache verfügbar! www.demokratiewebstatt.at/thema/ thema-migration-integration-asyl/ Medieninhaberin:

Republik Österreich – Parlamentsdirektion Dr.-Karl-Renner-Ring 3 1017 Wien Tel.: +43/1/40110-0

Die Demokratiewerkstatt ist ein großes Projekt des Parlaments, das von Frau Nationalratspräsidentin Barbara Prammer gestartet wurde. Das Ziel ist, Demokratie für Kinder und Jugendliche erlebbar zu machen. Ganz konkret heißt das, dass sich die MitarbeiterInnen des Parlaments zusammengetan haben und gemeinsam mit Fachleuten und externen PartnerInnen neue Aktionen für dich ausgedacht haben. So gibt es ganz neue Führungen für Kinder und Familien durchs Parlament, es gibt aber auch Aktionen im Palais Epstein – dem Nachbargebäude des Parlaments, die so genannten Demokratiewerkstätten, wo Kinder und Jugendliche Demokratie ausprobieren können. Demokratie soll aber auch österreichweit 24 Stunden am Tag erlebbar sein, und so ist die Idee zur so genannten DemokratieWEBstatt entstanden. Diese Website wird von einigen MitarbeiterInnen der Parlamentsdirektion und vom Kinderbüro der Universität Wien aufgebaut.

Bildungsleitantrag versus Autonomiepaket Im krassen Gegensatz stehen der „Leitantrag Bildung“ der GÖD und der „Vortrag an den Ministerrat = Autonomiepaket“ der Arbeitsgruppe Bildung des BMB. Der Leitantrag, der von den 5 Lehrergewerkschaften am 17. Bundeskongress der GÖD im Oktober eingebracht und von den Delegierten beschlossen wurde, geht von einem vielfältigen Bildungs­system mit Chancengerechtigkeit, Durchlässigkeit und ehrlichen auto­nomen Bestrebungen für unsere Schulstandorte aus. Dem Leistungsgedanken wird in diesem Antrag breiter Raum gegeben und ein klares Bekenntnis zur ureigensten Aufgabe von Schule, nämlich der Wissensvermittlung und Erziehung. Dazu bedarf es der erforderlichen Rahmenbedingungen und Ressourcen. Jedoch weist die OECD aus, dass die Investitionen im Schulwesen in Österreich um ein Viertel reduziert wurden (von 4,2 auf 3,1 % des BIP). Österreich fehlen damit für eine lediglich mittelmäßig hohe Finanzierung des Schulwesens im Vergleich zum OECDMittel 0,6 % des BIP – das sind 2 Milliarden Euro, die dem österreichischen Schulwesen jährlich vorenthalten werden. Ganz anders verhält es sich mit dem bekannt gewordenen Referenten­entwurf zum „Autonomiepaket“, das dieser Tage die berechtigte Aufregung in der österreichischen Bildungslandschaft erzeugte. Ein Paket, das als getarntes Sparprogramm der Öffentlichkeit als nächster großer Reformschritt für die Schulen verkauft wird. In Wahrheit sieht es einsparende Strukturmaßnahmen in Verwaltung und Organisation zum Schaden jener, die so gerne von Sonntagsrednern in den Mittelpunkt allen Denken und Handelns, was Schule betrifft, gestellt werden, unseren Schülerinnen und Schülern, vor. So erfahren auch die Schulpartner­schaft und somit weitreichende Mitbestimmungsrechte weitreichende Einschnitte und Streichungen. Weiters lässt die ersatzlose Streichung der Klassenschülerhöchstzahl bzw. aller Eröffnungs- und Teilungszahlen angesichts der ohnehin schon knappen Ressourcen größere Klassen und Gruppen und damit erhebliche pädagogische Qualitätseinbußen befürchten. Das „kostenneutrale“ Autonomiepaket spart Schulleitungen am Standort zugunsten von übergeordneten und überregionalen Clusterleitungen ein und beabsichtigt, Lehrer/innenressourcen in Unter­stützungs- und Supportkräfte umzuwandeln. All das wollen wir nicht und lehnen solche Angriffe auf ein funktionierendes Bildungswesen entschieden ab. Das, was wir wollen, haben wir im Leitantrag formuliert und gilt uns als Programm.

ZA-APS-FCGVorsitzender Helmut Ertl

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cle Forum 4/2016


Spektrum

Hinter den Kulissen Lehrerausbildung Hinter den Kulissen: Bereits in der August-Ausgabe haben wir auf die Problematik des Wiener Ausbildungsmodells hingewiesen: Religion nur als ein möglicher Schwerpunkt im Rahmen einer komplet-ten VS-Lehrer-Ausbildung, wobei viele andere Schwerpunkte möglich sind wie etwa Inklusion oder Fächer wie Deutsch als Zweitsprache. Damit hängt die Möglichkeit des RU für die gesamten Schulen davon ab, wie viele VS-Lehrer den Zusatz Religion wählten. Eine weitere Schwäche dieses Modells ist, dass Graz, Linz und Salzburg bereits jetzt weitere und für den RU bessere Varianten anbieten: es gibt dort weiterhin den „Nur“-Religionslehrer, allerdings wird dort von Religion für die Sekundarstufe ausgegangen, wobei an Stelle des „Zweitfaches“ die Spezialisierung „Religion Primarstufe“ tritt – das ermöglicht also, von der Primarstufe bis zur Matura Religion zu unterrichten. Kann es sinnvoll sein, in einem so klei-

nen Land wie Österreich so unterschiedliche Ausbildungsformen anzubieten? Dazu kommt die Neuorganisation der Schulen: Durch ein Hearing wird ein Clusterleiter bestimmt, der dann bis zu 8 Standorte verwaltet und über große Kompetenzen verfügt: • Er kann die Stundentafel, das LehrerFortbildungsprogramm, den Schulschwerpunkt, die Lehrfächer-verteilung, die Dauer die Unterrichtseinheiten und die Schülerzahlen pro Fach bestimmen. • Der Clusterleiter kann sich sein Lehrerteam selbst zusammenstellen und nach einem Probejahr kann er Lehrer „austauschen“, was Lehrer massiv unter Druck setzt. Positiv könnte sein: Das bmukk will das Fachprinzip stärken: wenn andere Fachlehrer im Cluster pendeln müssen, dann ist Religion mit Pendeln keine Ausnahme.

Zum Nach-Denken… Keine Hausaufgaben? Ständig wird am Schulsystem herumgebastelt – mit dem Ergebnis, dass immer mehr Schulabgänger weder rechtschreiben noch rechnen können. Die Allgemeinbildung macht es dem Ö3-Mikromann leicht, Opfer für seine Scherze zu finden. Auch bei so manchen ernst gemeinten Umfragen ist man über die oft völlig fehlende Allgemeinbildung entsetzt. Statt die Zügel in den Schulen endlich wieder etwas anzuziehen, arbeitet man an immer neuen „Erleichterungen“ für die Schüler. Jetzt überlegt man, die Hausübungen ganz abzuschaffen. Kein Durchfallen, keine Noten, keine Disziplin, keine fixen Unterrichtszeiten,

kein Leistungsdruck usw. Anscheinend wollen sich die Verantwortlichen negativ übertreffen. Wie sollen sich die Menschen dann ins Arbeitsleben integrieren, wenn sie keine Pünktlichkeit, keine Disziplin, keine Manieren, keine Verantwortung, keine Leistung usw. kennen? Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr – haben schon unsere Vorfahren gesagt, und sie haben recht. Wir produzieren Menschen, die für die meisten Arbeitsplätze ungeeignet sind.

Es wird üblich, für mehrere Schulen einen Vertrag zu bekommen, der Religionslehrer hätte auch da keine Ausnahmestellung. Man kann im Cluster mit einem Vertrag an verschiedenen Schultypen unterrichten, das käme z. B. dem Grazer/Linzer Modell „Religion von der VS bis Matura“ entgegen. (Dieser Artikel wurde von besorgten LehrerInnen verfasst, die nicht namentlich genannt werden wollen.)

Stellen Sie sich einfach vor, es wäre nicht Ihr Kind. Die Kinder anderer Leute sind immer leichter zu erziehen.

Liebe Leser! Das Redaktionsteam wünscht allen Kolleginnen und Kollegen ein friedvolles und besinnliches Weihnachtsfest und erfolgreiches Jahr 2017.

Redaktionsschluss für die nächste Ausgabe:

Wie tickt die Jugend / Generation „What?“

Stephan Pestitschek, Strasshof Das freie Wort, So, 06.11.16

15. Feber 2017

Impressum

Herausgeber, Medieninhaber (Verleger) und Redaktion: Christliche Lehrer und Erzieher Niederösterreichs, 1070 Wien, Kandlgasse 7. Redaktionsteam: Dlnsp. ROL Cäcilia Kaltenböck, ROL SR Friedrich Lawitzka, Dr. Gerhard Vörös. Layout: MBC, 2020 Hollabrunn. Hersteller: Jordan Digital Ges.m.b.H., 2020 Hollabrunn.

P.b.b.

Erscheinungsort Hollabrunn GZ 02 Z 030 343 Verlagspostamt 1070 Wien Grundlegende Richtung des Mediums: Kommunikationsorgan für die Mitglieder der Christlichen Lehrer und Erzieher Niederösterreichs.


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