Rundschau

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handwerk + handel

Interview mit Matthias Rollmann, Vertriebsdirektor Tuche bei Scabal Herr Rollmann, Sie sind vielen Lesern als Verantwortlicher für den Konfektionszweig von Scabal bereits bekannt. In diesem Jahr haben Sie nun als Vertriebsdirektor für den Bereich Stoffe einen neuen Aufgabenbereich übernommen. In dieser Funktion und als Nachfolger von Rudolf Verheyen sind Sie unserer Branche noch näher gerückt. Ein willkommener Anlass Sie vorzustellen. Nun, ich bin 56 Jahre alt und stamme aus einer Schneiderfamilie. Vater und Mutter waren Schneider und da ist es ganz natürlich, dass ich schon als Kind mit den Themen Stoff und Schneiderei in Berührung gekommen bin. Maßschneider wollte ich jedoch nicht werden. Ich habe also eine Kaufmannslehre gemacht, die Fachhochschule absolviert und bin nach mehreren Jahren Aufenthalt in England und

einem Studium mit Masterabschluss auf Umwegen wieder bei der Schneiderei gelandet bzw. der hochwertigen Konfektion. Angefangen habe ich bei Eduard Dressler als Assistent der Geschäftsführung, später als kaufmännischer Leiter. Die Marke Dressler ist bekannt für hochwertige Konfektion. Ich hatte somit das Glück, in einem Betrieb zu arbeiten, der damals noch ausschließlich in Deutschland produzierte. Nach sieben Jahren bei Dressler wurde ich nach Weißenburg gerufen als Geschäftsführer von Regent. Das war wohl damals das handwerksorientierteste Konfektionsunternehmen in Deutschland? Richtig, Regent war handwerklich perfekt, hochpreisig, vielleicht die nächste Stufe nach der tatsächlichen Maßbekleidung. Damals kosteten diese Anzüge im

Handel bereits zweieinhalbtausend Euro und da musste man schon aktiv sein, um sie an den Mann zu bringen. Wir haben neue Märkte aufgebaut in China, Russland und innerhalb Europas. Wir waren schon damals international unterwegs, als Geschäftsführer hatte ich also zu der Zeit keinen Schreibtischjob, sondern war mit dem Kollektionskoffer auf Reisen nach New York, Tokio, Hongkong, Moskau, Den Haag, in allen Ecken der Welt bis nach Neuseeland. Das war eine tolle Zeit, die ich keinesfalls missen möchte. Die Firma wurde dann von der Quandt-Gruppe, zu der sie gehörte, verkauft. Der neue Eigentümer hatte andere Vorstellungen, wie das Unternehmen zu führen und zu gestalten sei, ich habe mich dann nach zehn Jahren in aller Freundschaft vom Unternehmen getrennt.

FOTO: ANDREAS BUCK

Stets zu Diensten ...

Podiumsdiskussion zum Thema Nachhaltigkeit:

„Wir waren schon Öko, bevor das modern wurde ...“, mit diesem Statement vermittelte Matthias Rollmann auf dem Bundeskongress in Dortmund die Unternehmensphilosophie von Scabal. Weitere Teilnehmer: Inge Szoltysik-Sparrer, Vorsitzende des Bundesverbands, Moderator HansJürgen Dorr und Marie-Sophie Wilde aus der Forschungsgruppe des Wuppertal-Instituts.

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Sie wechselten zu Scabal? Genau zu dieser Zeit, vor jetzt etwa zwölf Jahren, ergab sich die Möglichkeit bei Scabal in Belgien zu beginnen. Die Familie Thissen suchte jemanden, der den Konfektionsbereich neu strukturieren und nach vorne bringen sollte. Das betraf u.a. Tailor Hoff in Saarbrücken, aber auch Vertrieb und Marketing für alle Konfektions- und Accessoiresprodukte der Gruppe. Das war meine Aufgabe. Aktuell haben sich nun bei Scabal durch das Ausscheiden des Seniorchefs, der aus gesundheitlichen Gründen sein Amt niedergelegte, gewisse Umstrukturierungen ergeben. Wir hatten dann alle das Gefühl, dass in unserem Kernmarkt Europa größere Möglichkeiten existieren, als wir tatsächlich ausschöpfen. Hinzu kam noch die Vakanz der Position von Herrn Verheyen, der nach 18 Jahren bei Scabal und über 40 Berufsjahren in den ehrenvollen Ruhestand gegangen ist. Ich verstehe mich als Pionier, der Märkte aufbauen und gestalten kann. Dies führte dazu, dass ich seit April dieses Jahres als Direktor bei Scabal zuständig bin für den Stoffvertrieb in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Polen. Eine sehr spannende Aufgabe, die ich gerne übernommen habe. Sie haben bis dahin Ihr ganzes Arbeitsleben lang Konfektion gemacht – warum also der Wechsel zu den Stoffen? Konfektion ohne Stoff geht nicht! Ich war schon die ganzen Jahre, in denen ich mit Konfektion beschäftigt war, sehr genau mit der Herstellung von Stoffen und diesem ganzen Umfeld vertraut. Das heißt, ich habe natürlich bei der Auswahl der Stoffkollektionen mitgewirkt. Dabei werden nicht nur Design und modische Aktualität bewertet, sondern auch die Wertigkeit von Stoffen hinsichtlich der Verarbeitung und Einsatzfähigkeit für die einzelnen Märkte. Das fängt schon bei den Farben an: Es heißt, Grün verkauft

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sich erst südlich der Mainlinie und in Hamburg ist sowieso alles Blau mit einigen grauen Ausnahmen. Klingt nach Klischee, aber da ist was dran. So gibt es selbst innerhalb von Deutschland große Unterschiede, was die Auffassung über Farbe, Dessins und Texturen angeht, natürlich noch viel mehr international. Zum Beispiel? In Österreich, wo ich zurzeit unterwegs bin, ist eine stärkere Hinwendung zu etwas rustikaleren Qualitäten, zu Tweed zu beobachten. Das ist vielleicht keine Überraschung, denn das Lebensgefühl geht dort in Richtung Outdoor, Jagd, Folklore. Wobei schon Wien und Salzburg unterschiedlich sind: Wien gibt sich in dieser sportlichen Note etwas großstädtischer. Die Schweiz ist wiederum ein anderer Fall: Sehr hochwertig, Bekleidung hat dort einen anderen Stellenwert. Im Businessbereich sieht es ähnlich aus wie in Frankfurt, Hamburg oder Wien, aber die Freizeitgarderobe ist eleganter, zugleich konservativer als in Deutschland. Mich verwunderte, dass auch Polen eine ganz spezielle Bekleidungskultur hat. Wir bieten hier vor allem Männerstoffe an, die wir auch gerne an Damenschneider und Couturiers verkaufen. Scabal hat sich über die Jahre als zuverlässiger Partner des Schneiderhandwerks profiliert. Lohnen sich diese Verkäufe, bei denen vorwiegend kleine Einheiten an Handwerksbetriebe und Herrenausstatter gehen, heute überhaupt noch? Wie beurteilen Sie dieses Geschäft angesichts der im Vergleich zu früher sehr reduzierten Zahl von Ateliers? Es stimmt, da hat sich in den letzen Jahren ein Umbruch ergeben. Wir müssen beobachten, wie sich die Struktur des Stoffhandels in der Zukunft entwickeln wird. Die Anzahl selbstständiger Schneider hat sich dramatisch verringert. Aber es macht mir Freude, dass es eine ganze

Menge neuer Schneider gibt, die ich in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Polen besuchen durfte. Das sind junge Leute, etwa Ende Zwanzig bis Mitte Dreißig, die ausgezeichnete Arbeit leisten und hoffen lassen, dass dieses Gewerbe so nie aussterben wird – es wird sich nur neu strukturieren. Andere Strukturen beinhalten auch das Angebot von Maßkonfektion im Atelier? Es gibt neben den reinen Maßbetrieben, die ausschließlich in der eigenen Werkstatt mit ihren Mitarbeitern auf höchstmöglichem Niveau anfertigen, auch Schneider, die zulassen, dass neben ihrem ureigensten Handwerk zusätzlich Maßkonfektion geführt wird und dabei auch unserer Mitwirkung bedürfen. Wir geben den Schneidern immer mit auf den Weg, sie sollten Maßkonfektion nicht als Konkurrenz empfinden, sondern als perfekte Ergänzung. Denn egal wie gut man ist, jeder Tag hat nur 24 Stunden. Wenn ein handgefertigter Maßanzug X Stunden Arbeit erfordert, dann gibt es eine endliche Anzahl von Produkten, die man in einer gewissen Zeit selbst fertigen kann. Maßkonfektion schafft hier größere Freiräume. Es ist nicht selten so, dass angesichts der sehr hohen Kosten für Personal, Miete, Werbung etc. die Gewinnspanne nicht wirklich befriedigend ist und auch deshalb Ateliers aufgeben. Nicht von ungefähr haben sehr erfolgreiche Häuser begonnen, die Maßkonfektion hinzuzunehmen, um ihren Angebotsradius zu erweitern. Es ist doch ideal, wenn man einem Kunden, der sich aus Kostengründen einen Maßanzug nicht oder nicht immer wieder aufs Neue leisten kann, als Alternative hochwertige Maßkonfektion anbietet, also Maßkonfektion vom Maßschneider. Worin sehen Sie denn den Unterschied zur „normalen“ Maßkonfektion? Maßkonfektion, von einem Schneider ge-

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macht, ist immer perfekter! Es ist für Kunden ein Kaufanreiz, wenn sein Maßkonfektionsstück von einem Maßschneider ausgewählt wurde, Linie und Passform mit ihm besprochen, sogar bestimmte Details vereinbart wurden. Das ist dann ein optimales Teil, besser als es von irgendeinem Verkäufer kommt, der vom Handwerk keine Ahnung hat. Sollte also jedes Maßatelier auch Maßkonfektion anbieten? Ich respektiere die Haltung von Maßschneidern, die sagen, sie möchten sich ausschließlich auf handwerkliche Tradition konzentrieren, aber auch Maßkonfektion ist eine perfekte Ergänzung für viele Ateliers. Da gibt es Lücken, da missioniere ich durchaus auch ein bisschen. Die geschäftlichen Möglichkeiten sind doch oft größer als man denkt und es ist schade, wenn das perfekte Know-how eines Schneidermeisters, das er jahrelang aufgebaut hat – ein unglaubliches Wissen – nicht auch an den Mann kommt. Ob 20 Menschen im Jahr erfahren, was Schneiderarbeit ist oder 120, das macht schon etwas aus, auch für das Image der Schneider insgesamt. Wie wichtig werden die Schneider für Sie auch in Zukunft sein? Uns verbindet nach wie vor ein sehr starkes Band mit der Schneiderei. Was Rudolf Verheyen über die Jahre so wunderbar gemacht hat, das wollen wir beibehalten: die Unterstützung von Tagungen, Kongressen und anderen Events des Schneiderhandwerks mit Ständen, mit Vorträgen usw. Die Schneiderei ist für uns weltweit immer noch die Speerspitze des-

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„Wir müssen einen Stoff liefern, der nicht mehr quer einläuft, aber auch längs keine großen Krumpfwerte hat und orientieren uns am Ideal des traditionellen britischen Paper Press-Verfahrens.“ sen, was die Marke Scabal ausmacht. Zwar nicht vom Umsatz her, aber doch von der Kundenanzahl bilden die Schneider und Schneiderinnen immer noch das größte Kontingent und stehen von daher auch im stärksten Fokus unserer Zuwendung hinsichtlich Besuchen, Service, Beratung etc. Dies halten wir für wichtig und das soll auch so bleiben. Aber wir müssen selbstverständlich Augen und Ohren offenhalten, welche Märkte es gibt. Ich beherzige stets das Motto „Entdecke die Möglichkeiten“. Wir suchen nach Anwendungsgebieten, die wir bislang nicht so stark im Visier hatten, das reicht von Stoffen für Damenmode bis hin zu Einrichtungshäusern und Innenausstattern, die wir durchaus in zukünftige Stoffstrategien mit einbeziehen. Stichwort „Service und Beratung“: Wie sind Sie und Ihr Team für Anfragen und Besuche erreichbar? Die Westtuch in Düsseldorf mit ihrem Showroom in der Kaiserswerther Straße ist ein wichtiger Servicestandpunkt für unsere Kunden. Wir haben dort ein kleines Lager mit Coupons und Stoffen, das Schneider sehr gerne nutzen, da sie hier das ein oder andere schöne Stück finden. Und natürlich sind Herr Rohkemper, Frau Reuter und ich mit Rat und Tat zur Stelle,

„Schneider wünschen sich einen Stoff, der sich nicht mehr nennenswert bewegt. Das bedeutet, dass er ausgeruht ist, nicht mit der heißen Nadel gewebt.“

wenn es Fragen zu Anwendungsgebieten gibt oder Probleme besprochen werden sollen. Wo wir helfen können, tun wir dies und es ist uns ganz wichtig, dass dieser Service erhalten bleibt. Ich selbst bin täglich immer wieder am Telefon, um mit Kunden über Auswahlkriterien für einen Endverbraucher zu sprechen, weil ja trotz aller Bündel, die wir in die Welt schicken, trotz aller Stoffbücher mit vier- und fünftausend Stoffmustern die persönliche Beratung oft nicht zu ersetzen ist. Ergänzend haben wir ein sehr leistungsfähiges Onlinesystem zur Stoffrecherche aufgebaut. Jeder Artikel aus unserem Lager ist dort gelistet mit Bild und Beschreibung, Gewicht und Preis, mit allen Angaben, die interessant und wichtig sind. Dieses Angebot, eine Stoffrecherche selbst durchführen zu können, wird verstärkt genutzt und angenommen, wir haben jeden Tag Hunderte von Anfragen. Etwas Vergleichbares hat in dieser Perfektion kaum einer unserer Mitbewerber anzubieten. Dieses System ergänzt und erweitert unser Servicepaket und kann rund um die Uhr genutzt werden. Scabal ist nicht die einzige Stoffmarke, die man in Schneiderateliers findet. Was tun Sie, um sich von den Mitbewerbern abzuheben? Scabal geht einen anderen Weg als z. B. die großen Mengenweber. Der Schneider verlangt von uns, und das war eigentlich schon immer so, dass der Stoff sich nicht mehr nennenswert bewegt. Das bedeutet, dass er ausgeruht ist, nicht mit der heißen Nadel gewebt, sondern entsprechend verdichtet und daher unkompliziert zu verarbeiten. Grundsätzlich ist es so, dass wir die Stoffe so ausrüsten, dass sie so dicht wie möglich sind, wir machen meistens bei den Kettfäden ein paar Picks mehr als die industrielle Produktion, die bei weniger dichter Ware gerne zu Hilfsmitteln wie Nahtabsicherungen durch Abkleben, Bändchen etc. greift – Behelfe, die bei Schneidern eher verpönt sind. Das heißt, wir müssen einen Stoff liefern, der nicht mehr quer einläuft, der aber auch längs keine großen Krumpfwerte hat. Wir orientieren uns da am Ideal des traditionellen London Paper Press Verfahrens: Der Stoff wurde nach der Ausrüstung in eine Papppresse gelegt und dort noch einmal mit großer Hitze und Druck zwischen Pappplatten gepresst und verdichtet, wodurch er noch kompakter wird und einen schönen, feinen Glanz erhält. In Herren-Rundschau 12/2014


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ei anderen sind es Tannenduft VERFLIXT & und Lebkuchen, bei mir ist es ein Wollkleid. Wenn ich das sehe, weiß ich: jetzt ist Weihnachten. Dieses Kleid gehört der reizenden Dame, mit der ich Wohnung und Leben teile. Es ist ein tadelloses Kleid, grauer Kaschmir, richtige Länge und wenn die Dame drinsteckt, muss ich immer zum Fenster laufen um zu sehen, ob es angefangen hat zu schneien, so winterlich und gemütlich sieht es aus. Ich habe, offen gestanden, keine Ahnung, wo das Kleid das restliche Jahr über ist, ich vergesse es sogar ein bisschen, bis es dann am Heiligabend oder am Tag davor auf einem Bügel an der Tür hängt. Bis ich Kleid und Dame ausführen darf, vergehen aber noch ein paar anstrengende Stunden, in denen das Kleid an- und wieder ausgezogen wird und sich die Dame abwechselnd als overdressed oder underperformed empfindet. Dabei gehen wir nicht zu einer X-Mas Benefiz-Gala in New York, sondern nur zum hierzulande üblichen Heiligabend-Abend, mit den Spitzen der nahen Verwandtschaft und Kartoffelsalat. Meines Erachtens ist besagtes Kleid dafür das perfekte Kleidungsstück. Die Madame wird aber von sehr speziellen Weihnachtssorgen geplagt. Was, wenn die strenge Tante aus Darmstadt wieder so guckt? Ist es für die Kirche nicht ein bisschen zu…? Und für den traditionellen Spaziergang danach nicht einfach ein bisschen zu…? Und etwa wieder die Stiefel wie letztes Jahr, oh Gott, sagt sie, ich bin die langweiligste Dame der Welt. Da ist viel diplomatisches Verständnis gefragt. Verständnis dafür, dass vor festlichen Anlässen auch modisch Souveräne ins Stolpern geraten, weil…. Ja, warum eigentlich? Haben wir so

viele glamouröse Filmszenen gesehen, dass uns alles unter Smoking und pelzbewehrter Robe schäbig vorkommt? Vielleicht. Wahrscheinlich ist aber einfach das Genre „Festliche Kleidung“ aus unserem Fokus gerutscht, unsere Alltags-Kleiderschränke geben das nicht her und müssen es an 363 Tagen im Jahr auch nicht. Nur wenn man wirklich wichtige Preise gewinnt, sich mit wirklich adeligen Menschen anfreundet oder aus irgendeinem Grund zum Opernball geladen ist, beginnt das Nachdenken über die echte Festklamotte. Eigentlich schade, denn die ist ja keine Schikane, sondern im Gegenteil, das Beste, was Mode und Mensch zusammen werden können. Kein Wunder, dass viele auf den Geschmack kommen, wenn sie erst mal den großen Auftritt gekostet haben. Bälle und Tanztees in Luxushotels boomen und das ist gut, denn je mehr Gelegenheiten dafür geschaffen werden, desto natürlicher und sicherer wird unser Umgang mit den besonderen Roben werden. Vielleicht hat dann auch das Wollkleid ausgedient. Das würde ich allerdings doch vermissen.

Tadellose Kleidung

der Welt von Armani und Boss wird so etwas nicht unbedingt gesucht, aber beim Schneider ist dieser Effekt äußerst willkommen. Scabal bietet auch immer wieder sehr leichte Qualitäten an. Sollte der Maßschneider, dessen Spezialität es ja unter anderem ist, den Stoff mit dem Eisen in Form zu bringen, davon lieber die Finger lassen? Die Dressur ist eine typische Kunst des Handwerks und ein gewisses Stoffgewicht dabei hilfreich. Die Stoffe der Scabal-Kollektion liegen daher eher 10, 20 oder 30 Gramm höher als die der großen Konfektionskollektionen. Scabal zeigt sich auch in dieser Hinsicht als ein Partner der Schneider. Aber es gibt auch Stoffe, die zugegeben für die Schneiderei grenzwertig sind. Es gibt Schneider, die sagen, Stoffe unter einem gewissen Grammgewicht fasse ich gar nicht an, weil mir das „wegläuft“. Die Industrie mit ihren Bügelautomaten kann damit ganz anders umgehen. Ich verstehe, wenn ein Schneider sagt, ich bin meinen Kunden – anders als die Konfektion – langfristig verpflichtet, oft über Jahrzehnte hinweg. Er muss darauf sehen, dass er nicht ein Teil fertigt, das zwar für ein paar Wochen schön aussieht, Herren-Rundschau 12/2014

zUGENäHT

Max Scharnigg arbeitet als Journalist und Schriftsteller in München. Zuletzt erschien sein Roman „Vorläufige Chronik des Himmels über Pildau“.

„Meine Aufgabe besteht zum großen Teil darin, das Konzeptionelle aufzubauen und weiterzuentwickeln, aber ich bin mit Sicherheit niemand, der sein Geschäft vom Schreibtisch aus macht, sondern jemand, der gerne und sehr oft „draußen“ ist.

aber langfristig den Beanspruchungen eines Businessanzuges nicht standhält. Es gibt durchaus Schneider, die gerne mit besonders feinen Stoffen arbeiten, weil dann ihr Handwerk am besten „rüberkommt“. Darüber hinaus muss man natürlich bei jedem Stoff seine spezifischen Eigenarten berücksichtigen. Ein relativ locker geschlagener StreichkammgarnKaschmir verhält sich anders als Leinen oder Baumwolle. Bei exakter Maßgleichheit kann das beim Schnitt und der Verarbeitung einen deutlichen Unterschied ausmachen, um die optimale Passform und Bequemlichkeit zu erhalten. Darin liegt eben die Kunst! Wir helfen gerne weiter, wenn es Fragen zur besten Verarbeitung gibt. Haben die Kunden Einfluss darauf, wie die nächste Stoffkollektion aussehen wird? Einen Stoff zu entwickeln dauert heute bis zu zwei Jahre. Also muss man vieles vorausahnen: Farbe, Design, Textur ... da helfen Gespräche mit den Kunden. Wenn wir draußen sind, hören wir was gewünscht wird, was die Endverbraucher verlangen, was gebraucht wird an Ausrüstungen, Farben, Gewichten, Webarten, bestimmten Qualitäten, die es vielleicht eine Zeit lang nicht mehr gab. Im Prozess 41


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der Stoffentwicklung kommt sehr viel Information durch unsere Kunden an uns zurück und wer zuhört, kann hier Wichtiges erfahren. Und Scabal hat dafür ein feines Gehör. Wenn man sich die Kollektionsentwicklung ansieht, fällt auf, dass Veränderungen eher träge vonstattengehen. Für unsere Kunden ist Kontinuität Voraussetzung, dass wir unseren Grundqualitäten über eine gewisse Zeit treu bleiben, oft für lange Jahre. Wir sind nicht der Auffassung, dass wir jede Saison alles komplett neu machen sollten, bei einer bewährten Qualität gibt es eigentlich keinen Grund, diese nach kurzer Zeit wieder zu ändern. Dies ermöglicht es uns, sogar kleine Stücke nachliefern zu können, was ganz besonders geschätzt wird. Wenn etwa der Kunde seine Hose zerreißt, will er natürlich nicht den ganzen Anzug ausrangieren. Wir haben oft solche Anfragen, bei denen es um Reparaturen oder Ersatz geht. Natürlich ist das nicht das gewinnbringende Geschäft, aber so etwas gehört für uns mit zum Service. Oder ein Kunde hat eine Qualität liebgewonnen und die möchte er wieder haben, auch das können wir in den meisten Fällen ermöglichen. Natürlich entwickeln wir auch unsere Grundqualitäten weiter, aber in einem allmählichen Prozess ohne Brüche. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang erwähnen: Ein großes Problem unserer Branche liegt darin, dass der Kunde oft nicht das Vorstellungsvermögen hat, wie er wohl in dem fertigen Teil aussieht und dass er darum davor zurückschreckt, sich etwas anfertigen zu lassen. Da empfehle ich gerne, dass Ateliers von den wichtigen Qualitäten einen Grundvorrat anlegen, um sie dem Kunden konkret zu zeigen und er sie anfassen kann – das wirkt oft Wunder. 42

Es gibt aber doch auch immer wieder Neues? Natürlich! Zum Beispiel im kommenden Sommer eine spannende Ware aus Baumwolle mit Kapok. Kapok ist die Samenfaser eines indonesischen Baumes, die besonders langfaserig und sehr weich ist. Man kann sie ähnlich wie Kaschmirbeimischungen verwenden, mit einem sehr schönen Effekt. Im Moment ist bei unseren aktuellen Stoffen die Ornamentalisierung der Musterungen ein Thema. Also Abkehr von den großen Streifen hin zu dreidimensionalen Mustern, Schattenund Rauteneffekten, die durch spezielle Webtechniken erzielt werden. Das wird sehr gut aufgenommen. Nachhaltigkeit und ökologische Verträglichkeit werden verstärkt diskutiert. Beim Bundeskongress der Maßschneider in Dortmund gab es dazu einen Vortrag und eine Diskussionsrunde, bei der auch Sie als Experte vertreten waren. Wie wichtig sind für Scabal die ökologischen Aspekte der Stoffproduktion? Scabal verarbeitet zu 98 Prozent Naturfasern, wir waren schon Bio oder Öko, bevor das modern wurde! Wir kennen auch die textile Prozesskette unserer Stoffe, angefangen bei den australischen Schafzüchtern und Wollproduzenten. Im Rahmen unserer Möglichkeiten wirken wir auf diese Prozesskette ein, um dem Gedanken der Nachhaltigkeit und ökologischen Verträglichkeit der Produktion noch größeren Raum zu verschaffen. Um es mit einem geflügelten Wort zu sagen: Das gelingt nicht immer, aber immer öfter. Statt wohlfeiler Gütesiegel und Zertifikate bieten wir Kenntnis über den Werdegang unserer Produkte aus eigener Anschauung und stehen zu unserer Verantwortung, Stoffe anzubieten, die in je-

der Hinsicht diesen Ansprüchen gerecht werden. Pendeln zwischen Brüssel und Düsseldorf, Kundenbesuche in ganz Europa, Konzeptionen entwickeln und gleichzeitig die praktische Umsetzung steuern – wie funktioniert das? Auch für Sie hat der Tag nur 24 Stunden. Ich schätze, dass ich im Jahr 140-150 Tage unterwegs bin. Ich verabrede gemeinsam mit den Kunden meine Touren, auf denen ich sie besuche, zum Beispiel eine Woche im Raum Hamburg, Berlin oder München etc. Dabei hilft mir Herr Rohkemper, das heißt, wir teilen die Gebiete auf, wenn ich in Hamburg bin, ist er vielleicht in München. Frau Reuter hält außer uns hier in Düsseldorf die Stellung, sodass wir Büro und Showroom fünf Tage in der Woche besetzt halten. Ich glaube, und das resultiert aus meiner 25-jähigen Erfahrung, die ich im Vertrieb gesammelt habe: direkter Kontakt ist durch nichts zu ersetzen. Das Gespräch vor Ort ist doch etwas ganz anderes als ein Anruf oder eine EMail zu schicken. So kann man viel leichter etwas bewegen. Wir versuchen, alle Kunden wenigstens einmal im Jahr zu besuchen – und das sind Hunderte. Aber so funktioniert der Dialog und so werden wir es weiter halten, auch wenn es aufwändig ist. Unsere Leser werden dies gerne hören und zu schätzen wissen. Herr Rollmann, wir danken Ihnen für dieses Gespräch. Das gespräch mit Matthias rollmann führte karl-heinz zonbergs Herren-Rundschau 12/2014


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